Der Priester, Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde

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Schreiben
Der Priester, Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente
und Leiter der Gemeinde für das dritte christliche Jahrtausend

Kongregation für den Klerus
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
19. März 1999

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 139)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


An die Hochwürdigsten Ordinarien
Eminenz, Exzellenz,

Vorspann

Die ganze Kirche bereitet sich in bußfertiger Gesinnung auf den nahenden Eintritt in das dritte Jahrtausend seit der Menschwerdung des Wortes vor und wird durch die ständigen Bemühungen des Nachfolgers Petri zu einem immer lebendigeren Andenken an den Willen ihres göttlichen Gründers angeregt.

In inniger Verbundenheit mit diesem Anliegen hat die Kongregation für den Klerus auf ihrer vom 13. — 15. Oktober 1998 abgehaltenen Plenarversammlung entschieden, den einzelnen Ordinarien dieses Rundschreiben zuzuleiten, das durch sie an alle Priester gerichtet ist. Der Heilige Vater sagte in der bei dieser Gelegenheit vorgetragenen Ansprache: "Die Perspektive der Neu-Evangelisierung findet im Einsatz für das große Jubiläum einen starken Ausdruck. Hier kreuzen einander providentiell die Wege des Apostolischen Schreibens Tertio Millennio adveniente und jene, die von den Direktorien für die Priester und die Ständigen Diakone sowie von der Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester und vom Ergebnis der gegenwärtigen Plenarversammlung aufgezeigt wurden. Dank der allgemeinen und überzeugten Anwendung dieser Dokumente wird sich der inzwischen gewohnte Ausdruck Neu-Evangelisierung noch viel effizienter in wirksame Realität umsetzen lassen".

Es handelt sich um ein Hilfsmittel, das im Blick auf die gegenwärtigen Umstände bei den einzelnen Priestern und Presbyterien eine Gewissenserforschung anregen soll im Bewußtsein, daß der Name der Liebe — in der Zeit

— Treue ist. Im Text werden die konziliaren und päpstlichen Lehren bekräftigt und die anderen Dokumente des Papstes in Erinnerung gerufen. Es sind dies wahrhaft grundlegende Dokumente, um den authentischen Anforderungen der Zeiten zu entsprechen und sich nicht vergeblich in der Evangelisierungsaufgabe abzumühen.

Die Anregungen zum Nachdenken am Ende der einzelnen Kapitel verlangen keine Antwort an die Kongregation; vielmehr bilden sie eine Hilfestellung für jene, die im Licht der genannten Dokumente ihre Alltgswirklichkeit hinterfragen wollen.

Die Adressaten können sich ihrer in der von ihnen am günstigsten erachteten Art und Weise bedienen.

Im Bewußtsein, daß kein missionarisches Vorhaben ohne den motivierten und begeisterten Einsatz der Priester realistischerweise gelingen kann, die ja die ersten und wertvollsten Mitarbeiter der Bischöfe sind, soll dieses Rundschreiben u.a. auch eine Hilfe anbieten für Priestertage, Einkehrtage, Exerzitien und Priestertreffen, die in den einzelnen Kirchengebieten in dieser Vorbereitungszeit auf das große Jubiläum und vor allem während seiner Durchführung abgehalten werden.

Mit dem Wunsch, daß die Königin der Apostel als leuchtender Stern die Schritte ihrer geliebten Priester, Söhne in ihrem Sohn, auf den Pfaden der wirksamen Gemeinschaft, der Treue, der großmütigen und umfassenden Ausübung ihres unersetzlichen Dienstes geleiten möge, wünsche ich alles erdenklich Gute im Herrn und entbiete herzliche Grüße in kollegialer Verbundenheit!

DARÍO Kard. CASTRILLÓN HOYOS

Präfekt
CSABA TERNYÁK
Titular-Erzbischof von Eminenziana

Sekretär

EINLEITUNG

Die auf dem fruchtbaren Boden der großen katholischen Tradition entstandene und gewachsene Lehre, die den Priester als Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der ihm anvertrauten christlichen Gemeinde beschreibt, stellt einen Weg nachdenklicher Reflexion über seine Identität und seine Sendung in der Kirche dar. Über diese Lehre, die immer dieselbe und doch immer neu ist, muß heute wieder mit Glaube und Hoffnung nachgedacht werden im Blick auf die Neu-Evangelisierung, zu welcher der Heilige Geist durch die Person und Autorität des Heiligen Vaters alle Gläubigen aufruft.

Es braucht einen wachsenden, persönlichen und zugleich gemeinsamen, neuen und großzügigen apostolischen Einsatz aller in der Kirche. Hirten und Gläubige müssen, besonders durch das persönliche Zeugnis und die einleuchtende Lehre Johannes Pauls II. in besonderer Weise ermutigt, immer gründlicher begreifen, daß der Zeitpunkt gekommen ist, den Schritt zu beschleunigen, mit leidenschaftlichem apostolischem Geist nach vorne zu schauen und sich darauf vorzubereiten, die Schwelle des 21. Jahrhunderts in einer Haltung zu überschreiten, deren Bestreben es ist, die Tore der Geschichte weit aufzumachen für Jesus Christus, unseren Gott und einzigen Erlöser. Hirten und Gläubige müssen sich aufgerufen fühlen, dafür zu sorgen, daß im Jahr 2000 mit neuer Kraft wieder die Verkündigung der Wahrheit erschalle: "Ecce natus est nobis Salvator mundi".<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994: AAS 87 (1995) 5-41; Nr. 38. </ref>

"In den Ländern mit alter christlicher Tradition, aber manchmal auch in jüngeren Kirchen haben ganze Gruppen von Getauften den lebendigen Sinn des Glaubens verloren oder erkennen sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben. In diesem Fall braucht es eine ,,Neu-Evangelisierung" oder eine ,,Wieder-Evangelisierung"".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990: AAS 8 (1991) 249-340; Nr. 33. </ref> Die Neu-Evangelisierung stellt also zuallererst eine mütterliche Reaktion der Kirche auf die Schwächung des Glaubens und die Trübung der moralischen Forderungen des christlichen Lebens im Bewußtsein so vieler ihrer Söhne und Töchter dar. Es gibt in der Tat viele Getaufte, die als Bürger einer in religiöser Hinsicht gleichgültigen Welt zwar einen gewissen Glauben beibehalten, sich aber praktisch vom Wort und von den Sakramenten, den wesentlichen Quellen christlichen Lebens, entfernt haben und im religiösen und moralischen Indifferentismus leben. Aber es gibt viele andere Menschen, die von christlichen Eltern geboren und vielleicht auch getauft worden sind, aber die Glaubensgrundlagen nicht erhalten haben und praktisch ein Dasein ohne Gott führen. Auf alle diese Menschen blickt die Kirche voll Liebe, während sie es ganz besonders ihnen gegenüber als dringende Pflicht empfindet, sie an die kirchliche Gemeinschaft heranzuziehen, wo sie durch die Gnade des Heiligen Geistes Jesus Christus und den Vater wiederfinden sollen.

Zusammen mit dieser Verpflichtung zur Neu-Evangelisierung, die im Bewußtsein vieler Christen wieder das Licht des Glaubens entzünden und in der Gesellschaft die Frohe Botschaft vom Heil wieder erklingen lassen soll, empfindet die Kirche stark die Verantwortung für ihre ständige Sendung ad gentes, das heißt das Recht und die Pflicht, allen Menschen, die Christus noch nicht kennen und nicht an seinen Heilsgaben teilhaben, das Evangelium zu bringen. Für die Kirche, Mutter und Lehrerin, sind die Sendung ad gentes und die Neu-Evangelisierung, heute mehr denn je untrennbare Aspekte des Auftrags, zu lehren, zu heiligen und alle Menschen zum Vater zu führen. Auch leidenschaftliche Christen, von denen es viele gibt, bedürfen einer liebevollen, ständigen Ermutigung dazu, nach ihrer Heiligkeit zu streben, zu der sie von Gott und von der Kirche berufen sind und die den eigentlichen Motor der Neu-Evangelisierung darstellt.

Jeder gläubige Christ, jeder Sohn/jede Tochter der Kirche sollte sich in diese gemeinsame dringende Verantwortung hineingenommen fühlen, ganz besonders aber gilt das für die Priester, die im besonderen erwählt, geweiht und gesandt sind, um die Gegenwart Christi, dessen authentische Repräsentanten und Boten sie werden, offenkundig zu machen.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Libreria Editrice Vaticana, Vatikanstadt 1994, Nr. 7. </ref> Es erscheint daher notwendig, allen Welt — und Ordenspriestern zu helfen, "die vorrangige pastorale Aufgabe der Neu-Evangelisierung"<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, 25. März 1992, Nr. 18: AAS 84 (1992) 685. </ref> persönlich auf sich zu nehmen und im Lichte dieser Aufgabe die von Gott an sie ergangene Berufung wiederzuentdecken, nämlich dem ihnen anvertrauten Teil des Gottesvolkes als Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Hirten der Herde zu dienen.

I. Kapitel: IM DIENST DER NEU-EVANGELISIERUNG

"Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht" (Joh 15,16)

1. Die Neu-Evangelisierung, Aufgabe der ganzen Kirche

Die Berufung und die Entsendung durch den Herrn sind immer aktuell, gewinnen aber unter den heutigen historischen Gegebenheiten eine besondere Bedeutung. Denn das Ende des 20. Jahrhunderts weist vom religiösen Standpunkt her gegensätzliche Erscheinungen auf. Während man einerseits den hohen Säkularisierungsgrad einer Gesellschaft feststellt, die sich von Gott abwendet und sich jedem transzendenten Bezug verschließt, zeigt sich andererseits zunehmend eine Religiosität, welche die im Herzen aller Menschen vorhandene, angeborene Sehnsucht nach Gott zu stillen versucht, der es aber nicht immer gelingt, zu einem befriedigenden Ausgang zu gelangen. "Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, daß diese Sendung noch in den Anfängen steckt und daß wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 1. </ref> Die Verwirklichung dieser dringenden missionarischen Verpflichtung entfaltet sich heute in großem Maße im Rahmen der Neu-Evangelisierung vieler Länder alter christlicher Tradition, wo der christliche Lebenssinn jedoch, wie es scheint, großenteils im Verfallen begriffen ist. Sie erfolgt aber auch im weiteren Bereich der gesamten Menschheit überall dort, wo die Menschen die von Christus gebrachte Heilsbotschaft noch nicht gehört oder noch nicht richtig verstanden haben.

Eine schmerzliche Realität ist an vielen Orten und in vielen Kreisen das Vorhandensein von Personen, die von Jesus Christus reden gehört haben, aber seine Lehre eher als einen Komplex allgemeiner sittlicher Werte denn als verpflichtende Aufgaben des konkreten Lebens kennenzulernen und anzunehmen scheinen. Zugenommen hat die Zahl von Getauften, die sich von der Nachfolge Christi entfernen und einem vom Relativismus gekennzeichneten Lebensstil folgen. Die Rolle des christlichen Glaubens reduziert sich in vielen Fällen auf die eines reinen Kulturfaktors, der häufig auf eine rein private Dimension, ohne jede Bedeutung im sozialen Leben der Menschen und Völker, verengt wird.<ref> "Der christliche Glaube läuft nicht selten Gefahr, als eine Religion unter vielen betrachtet und auf eine bloße Sozialethik im Dienst des Menschen verkürzt zu werden. So wird seine umwälzende Neuartigkeir in der Geschichte nicht immer sichtbar: Er ist ,,Geheimnis", er ist das Heilsgeschehen vorn Sohn Gottes, der Mensch wird und allen, die ihn aufnehmen, ,,Macht gibt, Kinder Gottes zu werden" (Job 1,12)" (Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 46). </ref>

Nicht wenige und keineswegs kleine Bereiche sind nach zwei Jahrtausenden Christentum offen für die apostolische Sendung. Alle Christen müssen sich kraft des ihnen durch die Taufe gewährten Priestertums (Vgl. 1 Petr 2,4-5.9; Offb 1,5-6. 9-10; 20,6) dazu aufgerufen wissen, je nach ihren persönlichen Lebensumständen an dem neuen Sendungsauftrag zur Evangelisierung mitzuwirken, der als gemeinsame kirchliche Verantwortung Gestalt annimmt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 2; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 13; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 1, 3, 6; Interdikasterielle instruktion Ecclesiae de mysterio über einige Fragen betreffend die Mitarbeit gläubiger Laien am Dienst der Priester, Vorwort. </ref> Die Verantwortung für die Missionstätigkeit "liegt vor allem auf dem Kollegium der Bischöfe mit dem Nachfolger Petri an deren Spitze".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 63. </ref> "Als Mitarbeiter des Bischofs sind die Priester kraft des Weihesakramentes aufgerufen, die Sorge für die Mission mit ihm zu teilen".<ref> Ebd., Nr. 67. </ref> Man kann also sagen, daß in einem gewissen Sinn die Priester "die ersten Verantwortlichen dieser Neu-Evangelisierung des dritten Millenniums" sind.<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Einleitung. Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 2 u. 14. </ref>

Die moderne Gesellschaft hat, durch die vielen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften ermutigt, ein tiefes Bewußtsein kritischer Unabhängigkeit gegenüber jeder Art von weltlicher wie religiöser Autorität oder Lehre entwickelt. Das erfordert, daß die christliche Heilsbotschaft, die immer geheimnisvoll bleibt, gründlich erklärt und mit der Liebenswürdigkeit, Kraft und Anziehungsfähigkeit vorgestellt wird, die sie bei der ersten Evangelisierung besaß, wobei man sich klugerweise aller geeigneten, von der modernen Technik angebotenen Mittel bedienen sollte, ohne jedoch zu vergessen, daß die technischen Kommunikationsmittel niemals das unmittelbare Zeugnis eines heiligmäßigen Lebens werden ersetzen können. Die Kirche braucht echte Zeugen, Kommunikatoren des Evangeliums in allen Lebensbereichen der Gesellschaft. Daraus ergibt sich, daß die Christen im allgemeinen und die Priester im besonderen eine ebenso profunde wie korrekte philosophische und theologische Ausbildung erwerben sollen,<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998, Nr. 62. </ref> die es ihnen erlaubt, von ihrem Glauben und ihrer Hoffnung Rechenschaft zu geben und die dringliche Notwendigkeit zu spüren, sie mit einer persönlichen verständnisvollen Gesprächshaltung auf stets konstruktive Weise darzustellen. Die Verkündigung des Evangeliums darf sich jedoch keinesfalls im Gespräch erschöpfen; der Mut zur Wahrheit ist in der Tat eine unausweichliche Herausforderung vor der Versuchung des Konformismus, der Suche nach müheloser Popularität oder nach der eigenen Ruhe!

Bei der Realisierung der Evangelisierungsarbeit darf auch nicht vergessen werden, daß manche Begriffe und Worte, mit denen sie traditionsgemäß durchgeführt wurde, für den größten Teil der modernen Kulturen nahezu unverständlich geworden sind. Begriffe wie Ursünde mit ihren Folgen, Erlösung, Kreuz, Notwendigkeit des Gebetes, freiwilliges Opfer, Keuschheit, Enthaltsamkeit, Gehorsam, Demut, Buße, Armut usw. haben in so manchem Kontext ihre ursprüngliche positive christliche Bedeutung verloren. Deshalb muß die Neu-Evangelisierung durch äußerste Treue zu der von der Kirche ständig gelehrten Glaubenslehre und durch ein starkes Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem christlichen Fachvokabular imstande sein, auch heutzutage geeignete Ausdrucksweisen zu finden, um mit deren Hilfe den tiefen Sinn für diese menschlichen und christlichen Grundwirklichkeiten wiederzugewinnen, ohne deshalb auf die in zusammenfassender Form im Glaubensbekenntnis enthaltenen, feststehenden und bereits angenommenen Formulierungen des Glaubens zu verzichten.<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 171. </ref>

2. Die notwendige und unersetzbare Rolle der Priester

Obwohl die Hirten "wissen, daß sie von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen",<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 30. </ref> üben sie bei der Evangelisierung eine absolut unersetzliche Rolle aus. Die Forderung nach einer Neu-Evangelisierung macht es daher dringend notwendig, einen wirklich mit der heutigen Situation übereinstimmenden Ansatz für die Ausübung des Priesteramtes zu finden, der ihr Wirksamkeit verleiht und sie tauglich macht, auf die Umstände, unter denen sie erfolgen soll, entsprechend einzugehen. Das muß jedoch unter ständiger Hinwendung zu Christus, unserem einzigen Vorbild, geschehen, ohne daß die heute herrschenden Verhältnisse unseren Blick vom Endziel ablenken. Nicht nur die sozio-kulturellen Gegebenheiten sollen uns nämlich zu einer gültigen pastoralen Erneuerung anspornen, sondern vor allem die brennende Liebe zu Christus und zu seiner Kirche.

Das Ziel unserer Anstrengungen ist die endgültige Herrschaft Christi und die Wiederherstellung der gesamten Schöpfung in ihm. Dieses Ziel wird erst am Ende der Zeiten voll erreicht werden, ist aber schon jetzt gegenwärtig durch den lebendigmachenden Heiligen Geist, durch den Jesus Christus seinen Leib, die Kirche, als allumfassendes Heilssakrament eingesetzt hat.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 48b. </ref>

Christus, Haupt der Kirche und Herr der gesamten Schöpfung, setzt sein Heilswirken unter den Menschen fort, und genau innerhalb dieses Wirkungsrahmens findet das Amtspriestertum seinen richtigen Platz. Christus will, wenn er alle zu sich zieht (Vgl. Joh 12,32), in besonderer Weise seine Priester mit einbeziehen. Wir stehen hier vor einem göttlichen Plan (dem Willen Gottes, die Kirche mit ihren Amtsträgern in das Erlösungswerk hineinzunehmen), der, obwohl er sich vom Standpunkt der Glaubenslehre und der Theologie aus klar bestätigen läßt, dennoch beträchtliche Schwierigkeiten aufweist, um von seiten der Menschen unserer Zeit akzeptiert zu werden. Denn die sakramentale Vermittlung und die hierarchische Struktur der Kirche wird heute von vielen angefochten; man fragt sich, worin ihre Notwendigkeit, ihre Motivation bestehe.

Wie das Leben Christi, so muß auch dasjenige des Priesters ein Leben sein, das in Christi Namen der maßgeblichen Verkündigung des liebevollen Willens des Vaters geweiht ist (Vgl. Joh 17,4; Hebr 10,7-10). Das war die Haltung des Messias: Die Jahre seines öffentlichen Wirkens waren dem Vollbringen (Apg 1,1) von Taten und dem Lehren gewidmet, wobei er "wie einer lehrte, der (göttliche) Vollmacht hat" (Mt 7,29). Diese Vollmacht gab ihm sicherlich an erster Stelle seine göttliche Herkunft, aber in den Augen der Menschen auch sein aufrichtiges, heiligmäßiges, vollkommenes Handeln. In gleicher Weise muß der Priester mit der objektiven geistlichen Autorität, die er kraft seiner Weihe besitzt,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 21. </ref> die subjektive Autorität verbinden, die aus seinem aufrichtigen und heiligmäßigen Leben,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 12; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 25. </ref> aus seiner pastoralen Liebe, Ausdruck der Liebe Christi,<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 43. </ref> stammt. Die Mahnung, die der hl. Gregor der Große an die Priester richtete, hat nichts von ihrer Aktualität verloren: "Er [der Hirt] muß in seinem Denken lauter, im Handeln vorbildlich, in seinem Schweigen diskret, durch sein Wort hilfreich sein; er muß durch sein Mitleiden jedem nahe sein und sich mehr als alle der Kontemplation widmen; er muß ein demütiger Verbündeter dessen sein, der das Gute tut, aber wegen seines eifrigen Bemühens um Gerechtigkeit muß er den Lastern der Sünder gegenüber unbeugsam sein; er darf weder bei den äußeren Tätigkeiten die Sorge um das innere Leben vernachlässigen noch es verabsäumen, sich der äußeren Bedürfnisse durch die Sorge um das innere Wohl anzunehmen".<ref> HL. Gregor der Große, Liber regulae pastoralis, II, 1. </ref>

Wie zu allen Zeiten werden in unseren Tagen in der Kirche "Herolde des Evangeliums gebraucht, die Experten im Umgang mit den Menschen sind, die das Herz des heutigen Menschen gründlich kennen, seine Freuden und Hoffnungen, Ängste und Sorgen teilen und zugleich beschauliche Freunde Gottes sein wollen. Dazu bedarf es neuer Heiliger — sagte der Heilige Vater unter konkreter Bezugnahme auf die Rechristianisierung Europas mit Worten, die jedoch universale Gültigkeit besitzen —. Die großen Evangelisatoren Europas waren die Heiligen. Wir müssen den Herrn bitten, daß er den Geist der Heiligkeit in der Kirche vermehre und uns neue Heilige sende, um die Welt von heute zu evangelisieren".<ref> Johannes Paul II., Ansprache an das VI. Symposion der europäischen Bischöfe, 11. Oktober 1985, Nr. 13: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VIII, 2 (1985), 918-919. </ref> Man muß bedenken, daß nicht wenige Zeitgenossen sich zuallererst durch die geweihten Diener Gottes eine Vorstellung von Christus und von der Kirche machen; ihr authentisch evangelisches Zeugnis als "lebendiges und transparentes Abbild des Priesters Christus"<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 12. </ref> wird daher noch dringender.

Im Rahmen des Heilswirkens Christi können wir zwei untrennbare Ziele ausmachen. Einerseits eine Zielsetzung, die wir als intellektuell bezeichnen könnten: die Menge der Menschen, die wie Schafe waren, die keinen Hirten haben (Vgl. Mt 9,36), lehren, unterweisen, sie über den Verstand zur Umkehr veranlassen (Vgl. Mt 4,17). Der andere Aspekt war darauf ausgerichtet, die Herzen derer, die ihn hörten, aufzurütteln für die Reue und Buße wegen ihrer Sünden und ihnen den Weg zum Empfang der göttlichen Vergebung zu eröffnen. Und so ist es heute noch: "Der Aufruf zur Neu-Evangelisierung ist vor allem ein Aufruf zur Umkehr",<ref> Johannes Paul II., Ansprache zur Eröffnung der IV. Vollversammlung des CELAM, 12. Dezember 1992, Nr. 24: AAS 85 (1993) 826; vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, 2. Dezember 1984, Nr. 13: AAS 77 (1985) 208-211. </ref> und wenn das Wort Gottes den Verstand des Menschen unterwiesen und seinen Willen dadurch angeregt hat, daß es ihn von der Sünde abbrachte, dann erreicht die Evangelisierungstätigkeit ihren Höhepunkt in der fruchtbringenden Teilnahme an den Sakramenten, vor allem an der Feier der Eucharistie. "Die Aufgabe der Evangelisierung besteht — wie Paul VI. lehrte — eben darin, den Glauben so zu lehren, daß jeder Christ dahingeführt wird, die Sakramente, statt sie passiv zu empfangen oder über sich ergehen zu lassen, als wahrhafte Gnadenmittel des Glaubens zu leben".<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 47. </ref>

Die Evangelisierung umfaßt: Verkündigung, Zeugnis, Dialog und Dienst und fußt auf der Verbindung der drei untrennbaren Elemente: Verkündigung des Wortes, Dienst der Sakramente und Leitung der Gläubigen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmat. Konst. Lumen gentium, Nr. 28. </ref> Eine Verkündigung, die sich nicht die ständige Formung der Gläubigen zum Ziel setzte und nicht in die sakramentale Praktik einmündete, hätte ebenso wenig Sinn wie eine Teilnahme an den Sakramenten, die von der vollen Annahme des Glaubens und der Moralprinzipien abgetrennt wäre oder bei der sich keine ehrliche Umkehr des Herzens einstellte. Wenn aus pastoraler Sicht der Aktion nach der erste Platz logischerweise der Verkündigungsaufgabe zusteht,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 4; Johannes Paul II., Nachsynodales Aposol. Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26. </ref> muß der Intention oder Zielsetzung nach der erste Platz der Feier der Sakramente, insbesondere des Bußsakramentes und der Eucharistie, zugewiesen werden.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 5, 13, 14; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 23, 26, 48; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 48. </ref> In der harmonischen Verbindung beider Funktionen ist die Integrität des Hirtenamtes des Priesters im Dienst an der Neu-Evangelisierung gegeben.

Ein Aspekt der Neu-Evangelisierung, der immer größere Bedeutung gewinnt, ist die ökumenische Bildung der Gläubigen. Das II. Vatikanische Konzil mahnte alle katholischen Gläubigen, daß sie "mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen" und "die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe anerkennen und hochschätzen, die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, Nr. 4. </ref> Gleichzeitig gilt es auch zu beachten, daß "nichts dem ökumenischen Geist so fern ist wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird".<ref> Ebd., Nr. 11. </ref> Die Priester werden infolgedessen wachsam sein müssen, damit der Ökumenismus unter treuer Respektierung der vom Lehramt der Kirche angegebenen Prinzipien geführt wird und nicht Brüche, sondern harmonische Kontinuität erfährt.

ANREGUNGEN ZUM NACHDENKEN ÜBER KAPITEL I

1. Wird in unseren Kirchengemeinden und besonders unter unseren Priestern die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Neu-Evangelisierung wirklich empfunden?

2. Ist sie bei der Verkündigung präsent? Ist sie bei den Zusammenkünften des Presbyteriums, in den Pastoralprogrammen, in den Maßnahmen zur ständigen Weiterbildung vorhanden?

3. Engagieren sich die Priester besonders in der Förderung einer Sendung wie der Neu-Evangelisierung "in ihrem Eifer, in ihren Methoden, in ihrer Ausdruckskraft"<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe des CELAM, 9. März 1983: Insegnamenti, VI, 1 (1983), 698; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 18. </ref> — ad intra und ad extra der Kirche?

4. Betrachten die Gläubigen das Priestertum als ein Gottesgeschenk sowohl für den, der es empfängt, wie für die Gemeinde selbst, oder sehen sie es unter einem rein funktionalen und organisatorischen Aspekt? Wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, dafür zu beten, daß der Herr Priesterberufe wecke und daß es nicht an der notwendigen Hochherzigkeit fehle, darauf zustimmend zu antworten?

5. Wird in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese das gebührende Gleichmaß zwischen dem Aspekt der Glaubensunterweisung und dem der Sakramentenspendung aufrechterhalten? Ist die Evangelisierungstätigkeit der Priester gekennzeichnet von der Komplementarität zwischen Verkündigung und sakramentaler Heiligung, "munus docendi" und "munus sanctificandi"?

II. Kapitel: LEHRER DES WORTES

"Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen" (Mk 16,15)

1. Die Priester, Lehrer des Wortes "nomine Christi et nomine Ecclesiae"

Ein angemessener Ausgangspunkt für das richtige Verständnis des Hirtendienstes am Wort ist die Betrachtung der Offenbarung Gottes an sich. "In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmat. Konst. Dei verbum, Nr. 2. </ref> In der Heiligen Schrift spricht die Verkündigung des Gottesreiches nicht nur von der Herrlichkeit Gottes, sondern läßt sie aus eben dieser Verkündigung hervorgehen. Das in der Kirche verkündete Evangelium ist nicht nur Botschaft, sondern eine göttliche Heilshandlung, die von denen, die glauben, die die Botschaft hören, ihr folgen und sie annehmen, erfahren wird.

Die Offenbarung beschränkt sich daher nicht darauf, uns über die Natur jenes Gottes, der in einem unerreichbaren Licht lebt, zu unterweisen, sondern sie unterrichtet uns zugleich darüber, was Gott in seiner Gnade für uns tut. Das geoffenbarte Wort, das "in" der und "durch" die Kirche gegenwärtig gemacht und aktualisiert wird, ist ein Werkzeug, durch das Christus mit seinem Geist in uns tätig ist. Es ist zugleich Gericht und Gnade. Beim Hören des Wortes interpelliert die aktuelle Gegenüberstellung mit Gott das Herz der Menschen und verlangt eine Entscheidung, die mit Verstandeswissen allein nicht zu erreichen ist, sondern die Umkehr des Herzens erfordert.

"Die erste Aufgabe der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe [ist es], allen die Frohe Botschaft Gottes zu verkünden, um so [...] das Gottesvolk zu begründen und zu mehren".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 4. </ref> Da die Verkündigung des Wortes nicht rein intellektuelle Weitergabe einer Botschaft ist, sondern eine ein für allemal in Christus verwirklichte "Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt" (Röm 1,16), verlangt ihre Verkündigung in der Kirche bei den Verkündigern ein übernatürliches Fundament, das ihre Authentizität und Wirksamkeit gewährleistet. Die Verkündigung des Wortes durch die geweihten Diener hat gewissermaßen teil am Heilscharakter des Wortes selbst, und zwar nicht einfach deshalb, weil sie von Christus reden, sondern weil sie ihren Zuhörern das Evangelium mit der Kraft verkünden, die aus ihrer Teilnahme an der Konsekration und Sendung des fleischgewordenen Gotteswortes stammt. Den Amtsträgern klingen noch die Worte des Herrn in den Ohren: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab" (Lk 10,16), und mit Paulus können sie sagen: "Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten" (1 Kor 2,12-13).

Die Verkündigung gleicht einem Dienst, der dem Weihesakrament entspringt und sich durch die Vollmacht Christi entfaltet. Die Kraft des Heiligen Geistes garantiert jedoch nicht in derselben Weise alle Handlungen der Amtsträger. Während bei der Verwaltung der Sakramente diese Garantie gegeben ist, so daß selbst die Sündhaftigkeit des Spenders die Frucht der Gnade nicht verhindern kann, gibt es viele andere Handlungen, bei denen das menschliche Gepräge des Amtsträgers eine beträchtliche Bedeutung gewinnt. Dieses Gepräge kann der apostolischen Fruchtbarkeit der Kirche nützen, ihr aber auch schaden.<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1550. </ref> Wenngleich das gesamte munus pastorale vom Dienstcharakter erfüllt sein soll, so ist das im Verkündigungsdienst besonders notwendig, denn je mehr der Amtsträger tatsächlich zum Diener des Wortes wird und sich nicht zum Herrn desselben macht, um so mehr kann das Wort seine heilbringende Wirksamkeit spenden.

Dieser Dienst verlangt die persönliche Hingabe des Amtsträgers an das verkündete Wort, eine Hingabe, die letzten Endes an Gott selbst gerichtet ist, an jenen "Gott, den ich im Dienst des Evangeliums von seinem Sohn mit ganzem Herzen ehre" (Röm 1,9). Der Priester darf ihm kein Hindernis in den Weg legen, weder durch Verfolgung von Zielen, die nicht zu seiner Sendung gehören, noch dadurch, daß er sich auf die Weisheit der Menschen oder auf subjektive Erfahrungen stützt, die das Evangelium selbst vernebeln könnten. Das Wort Gottes wird sich also niemals instrumentalisieren lassen! Der verkündende Priester muß hingegen "zuallererst selber eine große persönliche Vertrautheit mit dem Wort Gottes entwickeln [...]. Der Priester muß der erste ,,Glaubende" des Wortes sein in dem Bewußtsein, daß die Worte seines Dienstes nicht ,,seine", sondern die Worte dessen sind, der ihn ausgesandt hat".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26. </ref>

Es besteht also eine wesentliche Beziehung zwischen persönlichem Gebet und Verkündigung. Aus der Betrachtung des Gotteswortes im persönlichen Gebet soll auch spontan "der Vorrang des gelebten Zeugnisses, das die Macht der Liebe Gottes entdecken läßt und sein Wort überzeugend macht",<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 45. </ref> entspringen. Frucht des persönlichen Gebetes ist auch eine Predigt, die sich den Gläubigen nicht in erster Linie wegen ihrer logischen Abstraktheit einprägt, sondern weil sie in einem lauteren, betenden Herzen entstanden ist, das darum weiß, daß es nicht Aufgabe des Priesters ist, "seine eigene Weisheit vorzutragen, sondern immer das Wort Gottes zu lehren und alle nachdrücklich zur Umkehr und zur Heiligung einzuladen".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 4. </ref> Die Predigt der Diener Christi muß also, damit sie wirksam sei, fest auf deren kindlichen Gebetsgeist gegründet sein: "sit orator, antequam dictor".<ref> HL. AUGUSTINUS, De doctrina christiana, 4,15,32: PL 34,100. </ref>

Im persönlichen Gebetsleben des Priesters findet das Bewußtsein vom Dienstcharakter seiner Sendung, der in der Berufung liegende Sinn seines Lebens und sein lebendiger und apostolischer Glaube Stütze und Anregung. Hier schöpft er auch Tag für Tag den Eifer für die Evangelisierung. Zur persönlichen Überzeugung geworden, wird sie in überzeugende, konsequente Verkündigung umgesetzt. In diesem Sinn betrifft der Vollzug des Stundengebetes nicht allein die persönliche Frömmigkeit, noch erschöpft er sich als öffentliches Gebet der Kirche; das Stundengebet erweist auch seinen großen pastoralen Nutzen,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolische Konstitution Laudis canticum, 1.11.1970, Nr. 8. </ref> da es eine bevorzugte Gelegenheit zu wachsender Vertrautheit mit der Lehre der Bibel, der Kirchenväter, der Theologie und des Lehramtes bietet, die zunächst verinnerlicht und dann in der Verkündigung auf das Volk Gottes übertragen wird.

2. Für eine wirksame Verkündigung des Wortes

In der Perspektive der Neu-Evangelisierung müßte unbedingt die Wichtigkeit unterstrichen werden, in den Gläubigen die Bedeutung der aus der Taufe herrührenden Berufung reifen zu lassen, das heißt, das Bewußtsein, von Gott aufgerufen worden zu sein, Christus aus der Nähe zu folgen und persönlich an der Sendung der Kirche mitzuarbeiten. "Die Weitergabe des Glaubens ist Aufdecken, Verkünden und Vertiefen der christlichen Berufung; das heißt, der Ruf Gottes ergeht an jeden Menschen, dem das Heilsgeheimnis gezeigt wird.. ".<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 45. </ref> Die Aufgabe der Verkündigung besteht also darin, Christus den Menschen vorzustellen, weil nur er, "der neue Adam, eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht und ihm seine höchste Berufung erschließt".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoraikonstitution Gaudium et spes, Nr. 22. </ref>

Neu-Evangelisierung und der von Berufung bestimmte Sinn des christlichen Daseins gehören zusammen. Und das ist die "gute Botschaft", die den Gläubigen verkündet werden muß, ohne Abstriche, sowohl was ihr Gutsein, als auch die Anforderung, um es zu erreichen, betrifft, während gleichzeitig daran erinnert wird, daß "auf dem Christen ganz gewiß die Notwendigkeit und auch die Pflicht liegen, gegen das Böse durch viele Anfechtungen hindurch anzukämpfen und auch den Tod zu ertragen; aber dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleichgestaltet, geht er, durch Hoffnung gestärkt, der Auferstehung entgegen".<ref> Ebd. </ref>

Die Neu-Evangelisierung erfordert einen vollständigen und wohlbegründeten, leidenschaftlichen Dienst am Wort mit klarem theologischem, spirituellem, liturgischem und moralischem Inhalt, der auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen, die erreicht werden sollen, achtet. Es geht offensichtlich nicht darum, in die Versuchungen eines Intellektualismus zu geraten, der ja das christliche Denkvermögen trüben könnte, statt es zu erleuchten, sondern durch die ständige, geduldige Katechese über die Grundwahrheiten des katholischen Glaubens und der katholischen Moral und über ihren Einfluß im geistlichen Leben eine echte "geistige Liebe" zu entwickeln. Die christliche Unterweisung ragt unter den geistlichen Werken der Barmherzigkeit hervor: Die Rettung erfolgt im Kennenlernen Christi, denn "es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apg 4,12).

Diese katechetische Verkündigung kann nicht ohne das Mittel der heilen Theologie erfolgen, da es ja nicht nur darum geht, die geoffenbarte Lehre zu wiederholen, sondern mit Hilfe der geoffenbarten Lehre Verstand und Gewissen der Gläubigen zu formen, damit sie die Ansprüche der durch die Taufe empfangenen Berufung konsequent leben können. Die Neu-Evangelisierung wird sich in dem Maße verwirklichen lassen, in dem nicht nur die Kirche als ganze oder ihre einzelnen Institutionen, sondern jeder Christ in die Lage versetzt wird, den Glauben zu leben und durch sein Leben einen lebendigen Grund für Glaubwürdigkeit und eine glaubhafte Verteidigung des Glaubens abzugeben.

Evangelisieren heißt nämlich, mit allen zur Verfügung stehenden ehrlichen und geeigneten Mitteln die Inhalte der geoffenbarten Wahrheiten (den trinitarischen und christologischen Glauben, die Bedeutung der Schöpfungslehre, die eschatologischen Wahrheiten, die Lehre über die Kirche, über den Menschen, das Glaubenswissen über die Sakramente und über die anderen Heilsmittel usw.) zu verkünden und zu verbreiten. Und es heißt zugleich auch, durch die moralische und geistliche Bildung diese Wahrheiten ins konkrete Leben, in Zeugnis und missionarischen Einsatz umzusetzen.

Die notwendige Aufgabe der theologischen und geistlichen Bildung (Bemühen um die ständige Weiterbildung der Priester und Diakone, Bemühen um die Bildung aller Gläubigen) stellt eine unausweichliche und zugleich enorme Verpflichtung dar. Es ist daher unbedingt notwendig, daß die Ausübung des Dienstes am Wort und vor allem die Träger dieses Dienstes den Umständen gewachsen sind. Die Wirksamkeit wird davon abhängen, daß diese Ausübung, die ganz wesentlich auf die Hilfe Gottes gegründet ist, auch mit der größtmöglichen menschlichen Vollkommenheit erfolgt. Die neue lehrhafte, theologische und spirituelle Verkündigung der christlichen Botschaft — eine Verkündigung, die in erster Linie das Gewissen der Getauften anfeuern und läutern soll — darf nicht aus Trägheit oder Verantwortungslosigkeit improvisiert werden. Noch weniger dürfen die Priester ihre Verantwortlichkeit, die Aufgabe der Verkündigung persönlich wahrzunehmen, vernachlässigen, im besonderen was das Predigtamt betrifft, das weder jemandem übertragen werden darf, der nicht geweiht ist,<ref> Vgl. Interdikasterielle instruktion Ecclesiae de mysterio über einige Fragen zur Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester, 15. August 1997, Artikel 3. </ref> noch leichtfertig an jemanden abgegeben werden darf, der nicht gut vorbereitet ist.

Im Zusammenhang mit der Verkündigung durch den Priester muß man, wie das übrigens immer der Fall War, unbedingt auf die Wichtigkeit der entfernten Vorbereitung hinweisen, die zum Beispiel dadurch konkretisiert werden kann, daß die Lektüre und sogar die Interessen entsprechend auf Aspekte ausgerichtet werden, die die Vorbereitung der geweihten Amtsträger verbessern können. Das seelsorgerische Einfühlungsvermögen der Prediger muß ständig wachsam sein, um die Probleme, die den Menschen unserer Zeit Sorge bereiten, und mögliche Lösungen festzustellen. "Um auf die von den heutigen Menschen erörterten Fragen die rechte Antwort zu geben, sollen die Priester ferner die Dokumente des kirchlichen Lehramtes und besonders die der Konzilien und der Päpste gut kennen sowie die besten und anerkannten theologischen Schriftsteller zu Rat ziehen",<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 19. </ref> ohne zu vergessen, den Katechismus der Katholischen Kirche zu konsultieren. In diesem Sinn läge es nahe, wieder auf die Wichtigkeit der unermüdlichen Sorge um die ständige Weiterbildung des Klerus zurückzukommen, wobei als inhaltlicher Bezug das Direktorium für Dienst und Leben der Priester dient.<ref> Vgl. ebd.; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis Nr. 70 ff.; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 69 ff. </ref> Jede Anstrengung auf diesem Gebiet wird durch reiche Früchte belohnt werden. Wichtig ist, zusammen mit allem bisher Gesagten, auch eine unmittelbare Vorbereitung auf die Verkündigung des Gotteswortes. Abgesehen von Ausnahmefällen, wo es nicht anders möglich gewesen ist, sollen Demut und Fleiß den Priester zum Beispiel veranlassen, sorgfältig wenigstens einen Entwurf dessen vorzubereiten, was gesagt werden soll.

Die Hauptquelle der Verkündigung muß logischerweise die Heilige Schrift sein, mit der sich der Priester durch die Betrachtung im persönlichen Gebet und durch das Studium und die Lektüre geeigneter Bücher vertraut machen soll.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26 u. 47; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 46. </ref> Die pastorale Erfahrung lehrt, daß die Kraft und Beredtheit des Bibeltextes die Zuhörer tief bewegen. Die Schriften der Kirchenväter und anderer großer Autoren der Tradition lehren, den Sinn des geoffenbarten Wortes zu durchdringen und ihn anderen zu erschließen,<ref> Kongregation für das katholische Bildungswesen, Instruktion Inspectis dierum über das Studium der Kirchenväter in der Priesterausbildung, Vatikanstadt 1989. </ref> fernab von jeder Form eines "biblischen Fundamentalismus" oder einer Verstümmelung der göttlichen Botschaft. Die Pädagogik, mit der die Liturgie der Kirche in den verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres das Wort Gottes liest, interpretiert und anwendet, sollte ebenfalls einen Bezugspunkt für die Vorbereitung der Verkündigung darstellen. Darüberhinaus hat die Betrachtung des Lebens der Heiligen — mit ihren Kämpfen und heroischen Taten — zu allen Zeiten in den Herzen der Christen reiche Frucht hervorgebracht. Auch heute haben die Gläubigen, die durch Gelegenheiten zu falschem Verhalten und durch fragwürdige Lehren gefährdet sind, das Beispiel dieser Heiligenviten, die in heroischem Geist der Liebe Gottes und durch Gott den anderen Menschen hingegeben worden sind, dringend nötig. Ebenso nützlich wie das alles ist es für die Evangelisierung auch, in den Gläubigen aus Gottesliebe den Sinn für Solidarität mit den anderen, den Geist des Dienens, die hochherzige Hingabe an die anderen zu fördern. Das christliche Bewußtsein reift ja gerade durch eine immer engere Beziehung zur Liebe.

Als sehr wichtig für den Priester erweist sich auch die Berücksichtigung der formalen Aspekte der Verkündigung. Wir leben im Zeitalter der Information und raschen Kommunikation, wo wir uns alle daran gewöhnt haben, anerkannte Fernseh- und Rundfunkfachleute zu sehen und zu hören. Mit ihnen tritt der Priester, der ebenfalls ein, freilich besonderer, sozialer Kommunikator ist, gewissermaßen in friedliche Konkurrenz gegenüber den Gläubigen, wenn er eine Botschaft vermittelt, die auf ausgesprochen anziehende Art und Weise vorgestellt werden soll. Der Priester muß nicht nur die "neuen Kanzeln", also die Massenmedien, mit Kompetenz und apostolischem Geist zu nutzen wissen, sondern er muß vor allem dafür sorgen, daß seine Botschaft dem Wort, das er verkündet, ebenbürtig ist. Die im Bereich der audiovisuellen Medien tätigen Fachleute bereiten sich gut auf die Durchführung ihrer Aufgabe vor; es wäre gewiß keine übertriebene Forderung, daß die Lehrer des Wortes sich durch intelligentes und geduldiges Studium um die Verbesserung der "professionellen" Qualität dieses Aspektes des Dienstes bemühen sollten. Zum Beispiel kehrt heute in verschiedenen Universitäts- und Kulturbereichen das Interesse an der Rhetorik zurück; es sollte auch bei den Priestern wieder geweckt werden, zusammen mit der bescheidenen und vornehm würdevollen Art des Auftretens.

Die Verkündigung durch den Priester muß, wie die Verkündigung Christi, auf positive und anregende Weise erfolgen, damit sie die Menschen mitreißt und zur Güte, Schönheit und Wahrheit Gottes hinzieht. Die Christen müssen "erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi" (2 Kor 4,6) und sie müssen die empfangene Wahrheit auf interessante Weise darlegen. Ist nicht oftmals der verlockende Charakter des starken und zugleich ruhigen Anspruchs der christlichen Existenz festzustellen? Man braucht sich also nicht zu fürchten. "Seit dem Ostertag, wo sie [die Kirche] die letzte Wahrheit über das Leben des Menschen als Geschenk empfangen hat, ist sie zur Pilgerin auf den Straßen der Welt geworden, um zu verkünden, daß Jesus Christus ,,der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist (Joh 14,6). Unter den verschiedenen Diensten, die sie der Welt anzubieten hat, gibt es einen, der ihre Verantwortung in ganz besonderer Weise herausstellt: den Dienst an der Wahrheit".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 14. September 1998 Nr. 2. </ref>

Als nützlich erweist sich logischerweise in der Verkündigung auch der Gebrauch einer korrekten, erlesenen Sprache, die für unsere Zeitgenossen aus allen Schichten verständlich ist und Banalitäten und Gleichgültigkeit vermeidet.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 46. </ref> Der Priester muß aus einer echten Sicht des Glaubens sprechen, aber mit Worten, die in den verschiedenen Milieus verständlich sind, und nie in einem Fachjargon und auch nicht mit Zugeständnissen an den Geist der Welt. Das menschliche "Geheimnis" einer fruchtbaren Verkündigung des Wortes besteht in erheblichem Ausmaß in der "Professionalität" des Priesters, der weiß, was er sagen und wie er es sagen will, und der über eine ernsthafte, sowohl entfernte wie unmittelbare, Vorbereitung verfügt und keine dilettantischen Improvisationen inszeniert. Es wäre schädlicher Irenismus, die Kraft der ganzen Wahrheit zu verbergen. Daher gilt es, sorgfältig auf den Inhalt der Worte, auf den Redestil und die Ausdrucksweise zu achten; es gilt gut zu überlegen, was stärker betont werden soll, und es sollte, möglichst ohne übertriebenes Gehabe, auf die Gefälligkeit der Stimme geachtet werden. Der Priester muß wissen, wohin er gelangen will, und die existentielle und kulturelle Situation seiner üblichen Zuhörer gut kennen: Er darf keine abstrakten Theorien oder Verallgemeinerungen von sich geben und muß deshalb seine Herde kennen. Angebracht ist ein liebenswürdiger, positiver Sprachstil, der weiß, die Menschen nicht zu verletzen, selbst wenn er die Gewissen "verletzt"..., ohne Angst, die Dinge beim Namen zu nennen.

Sehr nützlich ist es, wenn die Priester, die in den verschiedenen Seelsorgsaufgaben zusammenarbeiten, sich durch brüderliche Ratschläge über diese und andere Aspekte des Dienstes am Wort gegenseitig helfen. Zum Beispiel über die Inhalte der Predigt, über die theologische und sprachliche Qualität, über den Stil, über die Dauer — die Predigt sollte keinesfalls zu lang sein —, über die Art zu spechen und an den Ambo zu treten, über den Tonfall der Stimme, der normal sein, wenn auch in den verschiedenen Augenblicken der Predigt wechseln soll, ohne gekünstelt zu sein, usw. Noch einmal ist für den Priester Demut unverzichtbar, damit er sich von seinen Brüdern und auch, wenngleich indirekt, von den Gläubigen, die an seinen pastoralen Aktivitäten teilnehmen, helfen läßt.

ANREGUNGEN ZUM NACHDENKEN BER KAPITEL II

6 Haben wir Hilfsmittel, um die tatsächliche Auswirkung des Verkündigungsdienstes auf das Leben unserer Gemeinden einzuschätzen? Bemüht man sich darum, von diesem für die Evangelisierung wesentlichen Mittel mit der größtmöglichen menschlichen Professionalität Gebrauch zu machen?

7. Läßt man in den Fortbildungskursen für den Klerus der Vervollkommnung der Verkündigung des Wortes in ihren verschiedenen Formen die ihr zustehende Beachtung zuteil werden?

8. Werden die Priester dazu ermutigt, dem Studium der Theologie, dem Lesen der Kirchenväter, der Kirchenlehrer und der Heiligen Zeit zu widmen? Zeigt sich ein positiver Einsatz dafür, die großen Meister der Spiritualität kennenzulernen und bekannt zu machen?

9. Wird mit praktischem Sinn und einer gesunden wissenschaftlichen Perspektive die Einrichtung Bibliotheken für Priester gefördert?

10. Gibt es und kennt man in diesem Sinn örtliche Möglichkeiten der Verbindung mit Bibliotheken im Internet, einschließlich der begonnenen elektronischen Bibliotheken auf der Internetseite der Kongregation für den Klerus (www.clerus.org.)?

11. Werden die Priester ermutigt, von der Katechese des Heiligen Vaters und der verschiedenen Dokumente des Heiligen Stuhls Gebrauch zu machen?

12. Ist man sich der Bedeutung der beruflichen Ausbildung von Personen (Priestern, ständigen Diakonen, Ordensleuten, Laien) bewußt, die fähig sind, diesen wichtigen Aspekt der Evangelisierung der modernen Kultur, den die Kommunikation darstellt, auf einem hohen Niveau zu realisieren?

III. Kapitel: DIENER DER SAKRAMENTE

"Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes" (1 Kor 4,1)

1. "In persona Christi capitis"

"Die Sendung der Kirche kommt nicht zu der Sendung Christi und des Heiligen Geistes hinzu, sondern ist deren Sakrament. Ihrem ganzen Wesen nach und in allen ihren Gliedern ist die Kirche gesandt, das Mysterium der Gemeinschaft der heiligsten Dreifaltigkeit zu verkünden und zu bezeugen, zu vergegenwärtigen und immer mehr auszubreiten".<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 738. </ref> Diese sakramentale Dimension der Sendung der Kirche insgesamt entspringt ihrem eigentlichen Wesen als einer Wirklichkeit, die zugleich "menschlich und göttlich, sichtbar und mit unsichtbaren Gütern ausgestattet, voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Beschauung, in der Welt zugegen und doch unterwegs"<ref> II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum concilium Nr. 2. </ref> ist. In diesem Kontext der Kirche als "allumfassendem Sakrament des Heils",<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution Lumen gentium, Nr. 45. </ref> in dem Christus "das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht",<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 45. </ref> stehen die Sakramente als bevorzugte Gelegenheiten der Mitteilung des göttlichen Lebens an den Menschen im Zentrum des Dienstes der Priester. Diese sind sich wohl bewußt, lebendige Werkzeuge Christi des Priesters zu sein. Sie haben die Funktion von Männern, die durch den sakramentalen Charakter dazu berechtigt sind, das Handeln Gottes durch Wirksamkeit der beteiligten Mittel zu unterstützen.

Die Konfiguration [Gleichgestaltung] mit Christus durch die sakramentale Weihe gibt dem Priester innerhalb des Gottesvolkes seinen Platz und läßt ihn auf seine eigene Weise und in Übereinstimmung mit der organischen Struktur der kirchlichen Gemeinschaft am dreifachen munus Christi teilhaben. Indem der Priester in persona Christi Capitis handelt, leitet er das Volk Gottes und führt es zur Heiligkeit.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 7b-c. </ref> Daraus ergibt sich "für den Priester die Notwendigkeit, daß er in seinem ganzen Leben, vor allem aber in der Art und Weise, wie er die Sakramente achtet und feiert, Zeugnis vom Glauben gibt".<ref> Johannes Paul II., Generalaudienz vom 5. Mai 1993: Insegnamenti XVI, 1 (1993) 1061. </ref> Hier gilt es, an die klassische, vom II. Vatikanischen Konzil wieder aufgenommene Lehre zu erinnern: "Denn obwohl die Gnade Gottes auch durch unwürdige Priester das Heilswerk durchführen kann, so will Gott doch seine Heilswunder für gewöhnlich lieber durch diejenigen kundtun, die sich dem Antrieb und der Führung des Heiligen Geistes mehr geöffnet haben und darum wegen ihrer innigen Verbundenheit mit Christus und wegen eines heiligmäßigen Lebens mit dem Apostel sprechen können: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20)".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 12c. </ref>

Die Feiern der Sakramente, bei denen die Priester als Diener Christi handeln und in besonderer Weise durch seinen Geist an seinem Priestertum teilhaben,<ref> Vgl. ebd., Nr. 5. </ref> stellen im Hinblick auf die Neu-Evangelisierung kultische Ereignisse von einzigartiger Bedeutung dar. Man bedenke auch, daß für alle Gläubigen, vor allem aber für jene, die der praktischen Religionsausübung gewöhnlich fernstehen, jedoch anläßlich familiärer oder gesellschaftlicher Ereignisse (Taufen, Firmungen, Hochzeiten, Priesterweihen, Begräbnisse usw.) recht häufig an Gottesdiensten teilnehmen, diese Anlässe inzwischen zur einzigen Gelegenheit für die Weitergabe der Glaubensinhalte geworden sind. Die Glaubenshaltung des Amtsträgers wird daher "mit einer unter liturgischem und zerimoniellem Aspekt hervorragenden Qualität der Zelebration" verbunden sein müssen:<ref> Johannes Paul II., Generalaudienz vom 12. Mai 1993: lnsegnamenti XVI, 1 (1993) 1197. </ref> Sie darf natürlich nicht als Spektakel ausgerichtet werden, sondern muß darauf achten, daß dabei wirklich das "Menschliche auf das Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das Unsichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung, das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, die wir suchen". <ref> II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum concilium, Nr. 2. aus: </ref>

2. Diener der Eucharistie: "Der eigentliche Mittelpunkt des priesterlichen Dienstes"

"Jesus nennt die Apostel ,,Freunde". So will er auch uns nennen, die wir dank des Weihesakraments an seinem Priestertum teilhaben. (...) Hätte Jesus uns seine Freundschaft noch deutlicher zum Ausdruck bringen können als in der Weise, daß er uns als Priester des neuen Bundes erlaubt, an seiner Statt, in persona Christi capitis, zu handeln? Gerade das geschieht in unserem ganzen priesterlichen Dienst, wenn wir die Sakramente spenden und besonders wenn wir die Eucharistie feiern. Wir wiederholen die Worte, die er über das Brot und den Wein sprach, und kraft unseres Amtes vollzieht sich dieselbe Wandlung, die er vollzog. Gibt es einen vollendeteren Ausdruck von Freundschaft als diesen? Er ist die Mitte unseres priesterlichen Dienstes".<ref> Johannes Paul II., Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1997, Nr. 5. </ref>

Die Neu-Evangelisierung muß für die Gläubigen auch eine neue Klarheit über die zentrale Stellung des Sakraments der Eucharistie bedeuten, das der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens ist.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum concilium, Nr. 2 n. 10. </ref> Einerseits, weil "eine christliche Gemeinde nur auferbaut wird, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat",<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 6. </ref> aber auch, weil "alle übrigen Sakramente, ebenso wie alle kirchlichen Dienste und Apostolatswerke in engem Zusammenhang mit der Eucharistie stehen und auf sie hingeordnet sind. Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle".<ref> Ebd., Nr. 5. </ref>

Im Seelsorgsdienst ist die Eucharistie auch ein Ziel. Die Gläubigen müssen vorbereitet werden, daraus Nutzen zu ziehen. Wenn man bei ihnen einerseits die "würdige, aufmerksame und fruchtbare" Teilnahme an der Liturgie fördert, so erweist es sich andererseits als unbedingt notwendig, ihnen bewußt zu machen, daß "sie auf diese Weise (von Christus) eingeladen und veranlaßt werden, sich selbst, ihre Arbeiten und die ganze Schöpfung mit ihm darzubringen. Darum zeigt sich die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation",<ref> Ebd. </ref> eine Wahrheit, aus der sich eine ganze Reihe pastoraler Konsequenzen ergeben.

Es kommt grundlegend darauf an, den Gläubigen bleibend zu vermitteln, worin das Wesen des heiligen Altaropfers besteht, und ihre fruchtbringende Teilnahme an der Eucharistie zu fördern.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprachen an die Priester und Diakone, 5. 40. </ref> Notwendig ist auch, unermüdlich und furchtlos auf der Verpflichtung zur Erfüllung des Sonntagsgebotes<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Dies Domini, 31. Mai 1998, Nr. 46. </ref> und auf der Angemessenheit einer häufigen, wenn möglich auch täglichen, Teilnahme an der Feier der hl. Messe und dem Empfang der eucharistischen Kommunion bestehen. Es gilt auch an die ernste Verpflichtung der Gläubigen zu erinnern, den Leib Christi mit der gebotenen geistigen und leiblichen Verfassung zu empfangen, das heißt, wenn sich jemand bewußt ist, nicht im Stande der Gnade zu sein, muß er vor dem Empfang der Eucharistie die sakramentale Lossprechung empfangen haben. In jeder Teilkirche und in jeder Pfarrgemeinde hängt ein blühendes christliches Leben großenteils von der in einem Geist des Glaubens und der Anbetung gelungenen Wiederentdeckung des großen Geschenkes der Eucharistie ab. Wenn es nicht gelingt, in der theoretischen Lehre, in der Verkündigung und im Leben den Zusammenhang zwischen täglichem Leben und Eucharistie zum Ausdruck zu bringen, wird am Ende der häufige Empfang der Eucharistie unterlassen.

Auch in dieser Hinsicht ist die Vorbildlichkeit des zelebrierenden Priesters äußerst wichtig: "Gut zelebrieren bildet eine erste wichtige Katechese über das heilige Opfer".<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 49. </ref> Auch wenn es offensichtlich nicht die Absicht des Priesters sein wird, ist es doch wichtig, daß die Gläubigen sehen, wie er sich innerlich gesammelt auf die Feier des heiligen Opfers vorbereitet, daß sie Zeugen der Liebe und Hingabe sind, die er in die Zelebration hineinlegt, und daß sie von ihm lernen können, nach der Kommunion als Zeichen der Dankbarkeit eine gewisse Zeit innezuhalten.

Wenn ein wesentlicher Teil des Evangelisierungswerkes der Kirche darin besteht, die Menschen beten zu lehren zum Vater durch Christus im Heiligen Geist, schließt die Neu-Evangelisierung die Gewinnung und Stärkung pastoraler Praktiken ein, die den Glauben an die wirkliche Gegenwart (Realpräsenz) des Herrn unter den eucharistischen Gestalten deutlich machen. "Der Priester hat die Aufgabe, die Verehrung der Gegenwart Christi in der Eucharistie auch außerhalb der Meßfeier dadurch zu fördern, daß er seine Kirche zu einem christlichen ,,Haus des Gebets" macht".<ref> Johannes Paul II., Ansprachen an die Priester und Diakone, 5. 40. </ref> Notwendig ist zunächst, daß die Gläubigen gründlich Bescheid wissen um die unumgänglichen Bedingungen für den gültigen Empfang der Kommunion. Ebenso wichtig ist es, ihre Verehrung für Christus, der sie liebevoll im Tabernakel erwartet, zu fördern. Eine einfache und wirksame Art eucharistischer Katechese ist gerade auch die sorgfältige Wartung und Pflege von allem, was den Kirchenraum und insbesondere den Altar und den Tabernakel betrifft:

Sauberkeit und Anstand, Erhabenheit der Paramente und der heiligen Gefäße, Sorgfalt bei der Feier der Gottesdienste,<ref> Vgl. ebd.; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Sacrosanctum concilium, Nr. 112, 114, 116, 120, 122-124, 128. </ref> Festhalten an der Praxis der Kniebeugung usw. Besonders wichtig ist außerdem, einer jahrhundertealten Tradition in der Kirche entsprechend in der Kapelle des Allerheiligsten für eine Atmosphäre der Stille zu sorgen, um die heilige Ruhe zu gewährleisten, die das liebevolle Gespräch mit dem Herrn erleichtert. Jene Kapelle bzw. jener Ort, wo der im Sakrament gegenwärtige Christus aufbewahrt und angebetet wird, ist sicher das Herz unserer Gotteshäuser, und als solches müssen wir den Zutritt zu ihm kenntlich zu machen und durch tägliche Öffnung für eine möglichst lange Zeitspanne zu unterstützen trachten und den Ort mit echter Liebe gebührend schmücken.

Es liegt auf der Hand, daß alle diese Bekundungen — die nicht Formen eines nebulösen "Spiritualismus" angehören, sondern eine theologisch fundierte Frömmigkeit enthüllen — nur unter der Voraussetzung möglich sein werden, daß der Priester wirklich ein Mann des Gebets und von glaubwürdiger Leidenschaft für die Eucharistie ist. Nur ein Priester, der betet, wird beten lehren können, während er auch die Gnade Gottes auf diejenigen hinzuziehen weiß, die von seinem pastoralen Dienst abhängig sind, um auf diese Weise Bekehrungen, Vorsätze für ein intensiveres geistliches Leben, Priester- und Ordensberufe zu fördern. Schließlich wird nur der Priester, der täglich die Erfahrung mit der "conversatio in coelis" macht, die die Freundschaft mit Christus zu seinem Lebensinhalt werden läßt, in der Lage sein, einer wirklichen Neu-Evangelisierung echten Auftrieb zu verleihen.

3. Diener der Versöhnung mit Gott und mit der Kirche

In einer Welt, in der das Sündenbewußtsein in breitem Maße geschwunden ist,<ref> Vgl. Pius XII., Rundfunkbotschaft an den Nationalen Katechetischen Kongreß der Vereinigten Staaten, 26. Oktober 1946: Discorsi e Radiomessaggi VIII (1946) 288; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, Nr. 18. </ref> gilt es nachdrücklich daran zu erinnern, daß eben der Mangel an Gottesliebe verhindert, die Realität der Sünde in ihrer ganzen Bosheit wahrzunehmen. Die Bekehrung nicht nur als vorübergehender innerer Akt, sondern als ständige Haltung kommt durch die wahre Kenntnis der barmherzigen Liebe Gottes in Schwung. "Denn wer Gott auf diese Weise kennenlernt, ihn so ,,sieht", kann nicht anders als in fortwährender Bekehrung zu ihm leben. Er lebt also im ,,Zustand der Bekehrung"".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 13. </ref> Die Buße gehört somit zum festen Erbe im kirchlichen Leben der Getauften; sie ist jedoch gekennzeichnet von der Hoffnung auf Vergebung: "Einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden" (1 Petr 2,10).

Die Neu-Evangelisierung erfordert also — und das ist eine absolut unausweichliche pastorale Forderung — eine neue Anstrengung, um den Gläubigen das Sakrament der Buße oder Versöhnung näherzubringen,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprachen an Priester und Diakone, 5. 108. </ref> "das den Weg zu jedem Menschen selbst dann ebnet, wenn er mit schwerer Schuld beladen ist. In diesem Sakrament kann jeder Mensch auf einzigartige Weise das Erbarmen erfahren, das heißt die Liebe, die mächtiger ist als die Sünde.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 13. </ref> Wir brauchen keine Angst davor zu haben, mit Eifer zu dieser sakramentalen Praxis dadurch zu ermutigen, daß wir auf intelligente Weise langlebige und heilsame christliche Traditionen erneuern und wiederbeleben. In einem ersten Schritt wird es darum gehen, die Gläubigen mit Hilfe des Heiligen Geistes zu einer tiefgehenden Umkehr anzuhalten, die eine aufrichtige und bußfertige Anerkennung der im Leben jedes Menschen vorhandenen moralischen Unordnung hervorruft; sodann wird es notwendig sein, den Gläubigen die Bedeutung der häufigen Einzelbeichte beizubringen, bis es möglich ist, mit einer echten persönlichen Seelenführung zu beginnen.

Ohne die Spendung des Sakraments mit dem Angebot der Seelenführung zu verwechseln, sollen die Priester von der Feier des Sakraments an die Gelegenheit wahrnehmen und das Gespräch der Seelenführung beginnen. "Die Wiederentdeckung und Verbreitung dieser Praxis, auch zu anderen als zu den für die Beichte vorgesehenen Zeiten, ist eine große Wohltat für die Kirche in der gegenwärtigen Zeit".<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 54. Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, Nr. 31. </ref> Auf diese Weise wird der Priester mithelfen, Sinn und Wirksamkeit des Bußsakramentes wiederzuentdecken, und damit die Voraussetzungen für die Überwindung der Krise dieses Sakraments schaffen. Die persönliche Seelenführung ermöglicht es, wahre Apostel auszubilden, die imstande sind, die Neu-Evangelisierung in der weltlichen Gesellschaft zu verbreiten. Um bei der Aufgabe der Wiederevangelisierung vieler Getaufter, die sich von der Kirche entfernt haben, voranzukommen, ist es notwendig, diejenigen, die ihr nahe stehen, sehr gut auszubilden.

Die Neu-Evangelisierung verlangt, daß man sich auf eine entsprechende Anzahl von Priestern verlassen kann: Die jahrhundertelange Erfahrung lehrt, daß ein Großteil der positiven Antworten auf Berufungen außer dem Lebensbeispiel der Priester, die ihrer Identität innerlich und äußerlich treu sind, auch der Seelenführung zu verdanken sind. "Jeder Priester wird sich besonders der Förderung von Berufungen widmen, ohne zu versäumen, [...] in geeigneten Initiativen durch persönlichen Kontakt darauf zu achten, daß Talente entdeckt werden und daß der Wille Gottes zu einer mutigen Entscheidung für die Nachfolge Christi erkannt wird. [...] Es ist ein unaufhebbares Erfordernis der pastoralen Liebe, daß jeder Priester — die Gnade des Heiligen Geistes unterstützend — sich mit sorgsamem Eifer darum bemüht, wenigstens einen Nachfolger im priesterlichen Dienst zu finden".<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 32. </ref>

Allen Gläubigen die tatsächliche Möglichkeit zur Beichte zu geben, erfordert zweifellos eine große Hingabe an Zeit.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 13; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 53. </ref> Es wird dringend empfohlen, verbindliche Zeiten für die Anwesenheit in den Beichtstühlen festzulegen, die allen bekannt sind, und sich nicht auf eine theoretische Verfügbarkeit zu beschränken. Manchmal genügt nämlich die Tatsache, daß sich ein Gläubiger gezwungen sieht, erst auf die Suche nach einem Beichtvater zu gehen, ihn von seiner Absicht zu beichten abzubringen, während die Gläubigen "gern dort dieses Sakrament empfangen, wo sie wissen, daß Priester für diesen Dienst zur Verfügung stehen".<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 13; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 53. </ref> Die Pfarreien und allgemein die für den Gottesdienst bestimmten Kirchen sollten einen festen, großzügigen und günstigen Zeiplan für Beichten haben, und die zuverlässige Einhaltung dieses Zeitplanes ist Aufgabe der Priester. Entsprechend diesem Bemühen, das den Gläubigen den Empfang des Sakraments der Versöhnung nach Möglichkeit erleichtern soll, muß auch in richtiger Weise für die Aufstellung und Wartung der Beichstühle gesorgt werden: ihre Sauberhaltung, ihre Sichtbarkeit, die Möglichkeit des Gebrauchs des Gitters und der Wahrung der Anonymität<ref> Vgl. Päpstlicher Rat für die Auslegung der Gesetzestexte, Erklärung zu CIC. can. 964 § 2, 16. Juni 1998 (vom Heiligen Vater approbiert am 7. Juli 1998), in: Communicationes, 30 (1998). </ref> usw.

Es ist nicht immer leicht, diese Seelsorgspraktiken einzuhalten und zu verteidigen, doch darf deshalb nicht verschwiegen werden, daß sie wirksam sind und es daher angebracht ist, sie dort, wo sie außer Gebrauch gekommen sind, wieder aufzunehmen. Wie die Hilfe zwischen Weltpriestern und Ordenspriestern für diese pastoral wichtigste Bereitschaft gefördert werden muß, ist auch der tägliche Dienst im Beichtstuhl voll Hochachtung anzuerkennen, der von so vielen alten Priestern, echten geistlichen Lehrern der verschiedenen christlichen Gemeinden, in bewundernswürdiger Weise geleistet wird.

Dieser ganze Dienst an der Kirche wird wesentlich leichter sein, wenn die Priester selber die ersten sind, die regelmäßig zur Beichte gehen.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 18; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26, 48; Ansprachen an die Priester und Diakone, 5. 50; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitenia, Nr. 31; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 53. </ref> Unerläßliche Voraussetzung für einen hochherzigen Dienst der Versöhnung ist nämlich, daß der Priester persönlich als Pönitent das Sakrament empfängt. "Die ganze priesterliche Existenz würde unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirt er ist, wird dessen bald gewahr".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia, Nr. 31, VI. </ref>

"Der Dienst der Priester ist vor allem verantwortungsvolle und notwendige Verbundenheit und Mitarbeit am Dienst des Bischofs in der Sorge um die Universalkirche und um die einzelnen Teilkirchen; für den Dienst an ihnen bilden sie zusammen mit dem Bischof ein einziges Presbyterium".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 17. </ref> Auch die Brüder im Priesteramt müssen bevorzugtes Ziel der pastoralen Liebe des Priesters sein. Es geht darum, ihnen geistlich und materiell zu helfen, ihnen auf einfühlsame Weise die Beichte und die Seelenführung zu erleichtern, ihnen den Weg des Dienstes liebenswert zu machen, ihnen in jeder Not beizustehen, sie in allen Schwierigkeiten, in Alter und Krankheit mit brüderlicher Sorge zu begleiten... Also ein wahrhaft wertvolles Feld für die praktische Übung der priesterlichen Tugenden.

Unter den Tugenden, die für eine fruchtbare Erfüllung des Dienstes der Versöhnung notwendig sind, ist die pastorale Besonnenheit von grundlegender Bedeutung. Wie bei der Erteilung der Absolution der Amtsträger mit funktionaler Wirkkraft an der sakramentalen Handlung teilnimmt, so besteht auch bei den anderen Akten des Bußritus seine Aufgabe darin, den Pönitenten Christus gegenüberzustellen, indem er mit äußerster Behutsamkeit die Begegnung mit dem Erbarmen unterstützt. Dazu gehört, daß allgemeine Reden, welche die Realität der Sünde außer Betracht ließen, vermieden werden; als notwendig erweist sich daher beim Beichtvater das angemessene Wissen.<ref> Was das betrifft, so wird eine solide Vorbereitung bezüglich jener Themen verlangt, die am häufigsten vorkommen. Als sehr hilfreich erweist sich dafür das Vademecum für Beichtväter zu einigen das Eheleben betreffenden Moralthemen (Päpstlicher Rat für die Familie, 12. Februar 1997). </ref> Aber zugleich ist das Bußgespräch immer von jenem Verständnis erfüllt, das die Seelen schrittweise den Weg der Umkehr entlangzuführen vermag, ohne irgendeinem Zugeständnis an die sogenannte "Abstufung der moralischen Normen" zu erliegen.

Da die Beichtpraxis — zum großen Schaden für das moralische Leben und das gute Gewissen der Gläubigen — vielerorts zurückgegangen ist, zeigt sich die reale Gefahr einer Abnahme der theologischen und seelsorgerischen Substanz in der Art und Weise, wie der Beichtvater seine Aufgabe wahrnimmt. Der Beichtvater muß den Paraklet, den Tröster-Geist, um die Fähigkeit bitten, diesen Heilsvorgang mit übernatürlicher Sinnhaftigkeit zu erfüllen<ref> Ebd. </ref> und ihn in eine echte Begegnung des Sünders mit Jesus, der ihm vergibt, zu verwandeln. Gleichzeitig muß er die Gelegenheit der Beichte dazu nützen, das Gewissen des Pönitenten richtig zu bilden — eine äußerst wichtige Aufgabe —, indem er ihm mit aller Behutsamkeit die notwendigen Fragen stellt, um die Integrität der Beichte und die Gültigkeit des Sakraments zu gewährleisten; indem er ihm hilft, Gott für sein Erbarmen ihm gegenüber aus tiefstem Herzen zu danken und einen festen Vorsatz zur Berichtigung seines moralischen Verhaltens auszusprechen, und es nicht verabsäumt, ihm einige passende Worte der Ermutigung und des Trostes zu sagen und ihn zur Erfüllung von Bußwerken anzuspornen, die ihm, abgesehen von der Wiedergutmachung für seine Sünden, helfen sollen, in den Tugenden zu wachsen.

ANREGUNGEN ZUM NACHDENKEN UBER KAPITEL III

13. Wesen und Heilsbedeutung der Sakramente sind unveränderlich. Wie läßt sich, von diesen sicheren Voraussetzungen ausgehend, die Pastoral der Sakramente erneuern und in den Dienst der Neu-Evangelisierung stellen?

14. Sind unsere Gemeinden eine "Kirche der Eucharistie und der Buße"? Wird dort die eucharistische Frömmigkeit in allen ihren Formen gefördert? Wird die Praxis der Einzelbeichte motiviert und unterstützt?

15. Wird üblicherweise auf die Realpräsenz des Herrn im Tabernakel hingewiesen, zum Beispiel durch Ermunterung zur fruchtbaren Praxis des Besuches beim Allerheiligsten? Sind die Akte eucharistischer Verehrung häufig? Verfügen unsere Kirchen über einen geezgneten Raum, der das Gebet vor dem Allerheiligsten begünstigt?

16. Kümmert man sich in pastoraler Gesinnung besonders um geziemende Ausstattung der Kirchen? Kleiden sich die Priester in der Regel den kanonischen Vorschriften gemäß (vgl. CIC, cann. 284 n. 669; Direktorium Nr. 66) und tragen sie bei der Feier des Gottesdienstes motivierter Weise alle vorgeschriebenen Paramente (vgl. can. 929)?

17. Beichten die Priester regelmäßig und stellen sie sich für diesen grundlegenden Dienst zur Verfügung?

18. Gibt es geeignete Initiativen, um dem Klerus eine ständige Weiterbildung zur Vervollkommnung des Dienstes als Beichtvater zu ermöglichen? Fördert man bei den Pfarrern die für die heutige Zeit gemäße Fortbildung ("Aggiornamento") in diesem unersetzlichen Dienst?

19. Werden angesichts der großen Bedeutung die eine echte Wiederbelebung der Einzelbeichtpraxis für die Neu-Evangelisierung hat, die kirchenrechtlichen Vorschriften über die Generalabsolution eingehalten? Werden in allen Pfarreien und Kirchen die Bußgottesdienste mit pastoraler Behutsamkeit und Liebe gehalten?

20. Welche Initiativen werden konkret durchgeführt, damit die Gläubigen das Sonntagsgebot in motivierter Weise erfüllen?

IV. Kapitel: LIEBENDE HIRTEN DER IHNEN ANVERTRAUTEN HERDE

"Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe" (Joh 10,11)

1. Mit Christus, um das Erbarmen des Vaters darzustellen und zu verbreiten

"Die Kirche lebt ein authentisches Leben, wenn sie das Erbarmen bekennt und verkündet — das am meisten überraschende Attribut des Schöpfers und des Erlösers — und wenn sie die Menschen zu den Quellen des Erbarmens des Heilands führt, die sie hütet und aus denen sie austeilt".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30. November 1980, Nr. 13c: AAS 72 (1980) 1183. </ref> Diese Wirklichkeit unterscheidet die Kirche wesentlich von allen anderen Institutionen zu Gunsten der Menschen, die zwar eine große, vielleicht auch von religiösem Geist erfüllte Rolle im Hinblick auf Solidarität und Menschenliebe spielen mögen, jedoch niemals von selbst als tatsächliche Spender des Erbarmens Gottes auftreten könnten. Gegenüber dem säkularisierten Begriff des Erbarmens, der das Innere des Menschen nicht zu verwandeln vermag, erscheint das in der Kirche angebotene Erbarmen Gottes sowohl als Vergebung wie als Heilmittel; für seine Wirksamkeit auf den Menschen ist die Annahme der ganzen Wahrheit über sein Dasein, über sein Handeln und über seine Schuld gefordert. Daraus leitet sich die Notwendigkeit der Reue ab, und das macht es auch dringend notwendig, die Verkündigung des Erbarmens mit der Fülle der Wahrheit zu verbinden. Es gibt Aussagen von großer Wichtigkeit in bezug auf die Priester, die durch eine einzigartige Berufung in der Kirche und von der Kirche dazu aufgerufen sind, das Geheimnis der Liebe des Vaters zu enthüllen und gleichzeitig durch ihren Dienst, der "sich von der Liebe geleitet an die Wahrheit hält" (Eph 4,15) und den Eingebungen des Heiligen Geistes folgt, zu verwirklichen.

Die Begegnung mit dem Erbarmen Gottes erfolgt in Christus als Offenbarung der väterlichen Liebe Gottes. Als Christus den Menschen seine messianische Rolle offenbart (Vgl. Lk 4,18), stellt er sich als Erbarmen des Vaters gegenüber allen Bedürftigen hin, besonders gegenüber den Sündern, die Vergebung und inneren Frieden nötig haben. "Vor allem für die Letztgenannten wird der Messias ein besonders verstehbares Zeichen Gottes, der Liebe ist, ein Zeichen des Vaters. In diesem sichtbaren Zeichen können die Menschen von heute ebenso wie die Menschen von damals den Vater sehen".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 3. </ref> Gott, der "die Liebe ist" (1 Joh 4,16.), kann sich nicht anders denn als Erbarmen offenbaren.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 13. </ref> Der Vater hat sich aus Liebe durch das Opfer seines Sohnes auf das Drama der Rettung der Menschen eingelassen.

Wenn schon in der Verkündigung Christi das Erbarmen eindrucksvolle Züge annimmt, die — wie aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn hervorgeht (Vgl. Lk 15,11-32) — über jede menschliche Realisierung hinausgehen, so tritt es in besonderer Weise in seinem Selbstopfer am Kreuz in Erscheinung. Der gekreuzigte Christus ist die radikale Offenbarung des Erbarmens des Vaters, "das heißt der Liebe, die gegen die Wurzel allen Übels in der Geschichte des Menschen angeht: gegen Sünde und Tod".<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 8. </ref> Die christlichspirituelle Überlieferung hat im Heiligsten Herzen Jesu, das die Priesterherzen an sich zieht, eine tiefgründige und geheimnisvolle Synthese des unendlichen Erbarmens des Vaters gesehen.

Die soteriologische Dimension des ganzen munus pastorale der Priester konzentriert sich also auf die Erinnerung an die von Jesus dargebrachte Opfergabe des Lebens, das heißt auf das eucharistische Opfer. "Es gibt nämlich einen innigen Zusammenhang zwischen der Zentralität der Eucharistie, der pastoralen Liebe und der Einheit des Lebens des Priesters [...]. Wenn der Priester durch den eigenen Dienst Christus, dem ewigen Hohenpriester, Intelligenz, Willen, Stimme und Hände anbietet, damit er dem Vater das sakramentale Opfer der Erlösung darbringen kann, soll er sich die innere Einstellung des Meisters zu eigen machen und wie Er als Geschenk für seine eigenen Brüder leben müssen. Deshalb muß er lernen, sich mit der Opfergabe innig zu vereinen, indem er auf dem Opferaltar sein ganzes Leben als sichtbares Zeichen der freien und zuvorkommenden Liebe Gottes darbringt".<ref> Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 48. </ref> Im Dauergeschenk des eucharistischen Opfers, Erinnerung an Jesu Tod und Auferstehung, haben die Priester sakramental die einzige und einzigartige Fähigkeit empfangen, den Menschen als Diener das Zeugnis der unerschöpflichen Liebe Gottes zu bringen, die sich aus der weiteren Perspektive der Heilsgeschichte als mächtiger als die Sünde bestätigen wird. Der österliche Christus ist die endgültige Inkarnation des Erbarmens, dessen lebendiges, heilsgeschichtliches und zugleich endzeitliches Zeichen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 8. </ref> Das Priestertum, sagt der hl. Pfarrer von Ars, "ist die Liebe des Herzens Jesu".<ref> Vgl. Jean-Marie Vianney, curé d‘Ars: sa pensée, son coeur, présentés par Bernard Nodet, Le Puy 1960, 5. 100. </ref> Mit ihm sind auch die Priester dank ihrer Weihe und ihres Dienstes ein lebendiges und wirksames Zeichen dieser großen Liebe, jenes "amoris officium", von dem der hl. Augustinus sprach.<ref> HL. AUGUSTINUS, In Johannis evangelium tractatus, 123,5: CCL 36, 678. </ref>

2. "Sacerdos et hostia"

Wesentlich für das echte Erbarmen ist sein Geschenkcharakter. Es muß als unverdientes Geschenk angenommen werden, das ungeschuldet angeboten wird, also nicht aus eigenem Verdienst stammt. Diese Freigebigkeit fügt sich in den Heilsplan des Vaters ein, denn "nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat" (1 Joh 4,10). Und genau in diesem Kontext findet das geweihte Amt seine Daseinsbrechtigung. Keiner kann sich selbst die Gnade verleihen: sie muß geschenkt und empfangen werden. Das aber setzt voraus, daß es von Christus ermächtigte und befähigte Diener der Gnade gibt. Dieses geweihte Amt, durch das die von Christus Gesandten aus Gottes Gnade das tun und geben, was sie nicht von sich aus tun und geben können, nennt die Überlieferung der Kirche "Sakrament".<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 875. </ref>

Die Priester müssen sich daher als lebendige Zeichen und Träger des Erbarmens betrachten, das sie nicht als ihr Eigentum, sondern als Geschenk Gottes anbieten. Ja, sie sind Diener der Liebe Gottes zu den Menschen, Diener des Erbarmens. Der Wille zum Dienst gehört als wesentliches Element zur Ausübung des Priesteramtes, was wiederum beim einzelnen auch die entsprechende moralische Disposition erfordert. Der Priester weist die Menschen auf Jesus hin, auf den Hirten, der "nicht gekommen [ist], um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen" (Mt 20,28). Der Priester dient in erster Linie Christus, aber so, daß er notwendigerweise den hoch-herzigen Dienst an der Kirche und ihrer Sendung durchmacht.

"Er liebt uns und hat sein Blut vergossen, um unsere Sünden hinwegzunehmen: Pontifex qui dilexisti nos et lavisti nos a peccatis in sanguine tuo. Er hat sich selbst für uns hingegeben: tradidisti temetipsum Deo oblationem et hostiam. Christus führt gerade das Opfer seiner selbst, das der Preis unserer Erlösung ist, in das ewige Heiligtum ein. Die Opfergabe, das heißt das Opfer, ist vom Priester nicht zu trennen".<ref> Johannes Paul II., chreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1997, Nr. 4. </ref> Obwohl nur Christus gleichzeitig Sacerdos et Hostia ist, ist sein in die missionarische Dynamik der Kirche eingebundener Diener kraft des Sakraments sacerdos, aber mit der ständigen Ermahnung, auch hostia zu werden, "so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht" (Phil 2,5). Von dieser untrennbaren Einheit zwischen Priester und Opfer,<ref> Vgl. HL. Thomas von Aquin, Summa theologiae III, q. 83, a. 1, ad 3. </ref> zwischen Priestertum und Eucharistie hängt die Wirkung jeder Evangelisierungstätigkeit ab. Von der festen Einheit —im Heiligen Geist — zwischen Christus und seinem Diener — ohne daß letzterer sich anmaßen würde, Ihn zu ersetzen, sondern sich auf Ihn stützt und Ihn in sich und durch sich handeln läßt — hängt auch heute das eindrucksvolle Wirken des göttlichen Erbarmens ab, das im Wort und in den Sakramenten enthalten ist. Auch auf diese Verbundenheit des Priesters mit Jesus bei der Ausübung des Dienstes erstreckt sich die Bedeutung der Worte: "Ich bin der wahre Weinstock... Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt" (Joh 15,1.4).

Die Ermahnung, zusammen mit Jesus hostia zu werden, liegt auch dem Zusammenhang zwischen der Zölibatsverpflichtung um der Kirche willen und dem Priesteramt zugrunde. Es geht um die Einverleibung des Priesters zu dem Opfer, "in dem Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie [...] heilig zu machen" (Eph 5,25-26). Der Priester ist berufen, "lebendiges Abbild Jesu Christi, des Bräutigams der Kirche",<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 22. </ref> zu sein, indem er ihr sein ganzes Leben darbringt. "Der priesterliche Zölibat ist also Selbsthingabe in und mit Christus an seine Kirche und Ausdruck des priesterlichen Dienstes an der Kirche in und mit dem Herrn".<ref> Ebd., Nr. 29. </ref>

3. Die pastorale Sorge der Priester: Dienen durch Leitung in Liebe und Stärke

"Die Priester üben entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi, des Hauptes und Hirten, aus. Sie versammeln im Namen des Bischofs die Familie Gottes, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 6. </ref> Die unerläßliche Ausübung des munus regendi des Priesters, die nichts mit einer rein soziologischen Auffassung von Organisationsfähigkeit zu tun hat, geht gleichfalls aus dem sakramentalen Priestertum hervor: "Kraft des Weihesakramentes nach dem Bilde Christi, des höchsten und ewigen Priesters (vgl. Hebr 5,1-10; 7,24; 9,11-28), sind sie [die Priester] zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zur Feier des Gottesdienstes geweiht und so wirkliche Priester des Neuen Bundes".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 28. </ref>

Entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht Christi verfügen die Priester über eine beachtliche Autorität gegenüber den Gläubigen. Sie wissen jedoch, daß die Gegenwart Christi im Amtsträger "nicht so zu verstehen ist, daß dieser gegen alle menschlichen Schwächen gefeit wäre: gegen Herrschsucht, Irrtümer, ja gegen Sünde".<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1550. </ref> Das Wort und die Leitung der Amtsträger sind daher, je nach ihren natürlichen oder erworbenen Verstandes —und Willensgaben, ihrem Charakter und ihrer Reife, von größerer oder geringerer Wirkfähigkeit. Dieses Bewußtsein, verbunden mit der Kenntnis der sakramentalen Wurzeln des Hirtenamtes, veranlaßt sie zur Nachahmung des Guten Hirten Jesus und macht die pastorale Liebe zu einer für die erfolgreiche Durchführung ihres Dienstes unerläßlichen Tugend.

"Hauptziel ihrer Hirtentätigkeit und der ihnen übertragenen Vollmacht ist es, die ihnen anvertraute Gemeinde zur vollen Entfaltung ihres geistlichen und kirchlichen Lebens zu führen".<ref> Johannes Paul II., Ansprache bei Generalaudienz vom 19. Mai 1993: Insegnamenti XVI, 1 (1993) 1254. </ref> Dennoch "darf die Gemeinschaftsdimension der Seelsorge (...) nicht die Bedürfnisse der einzelnen Gläubigen vernachlässigen (...). Man kann sagen, daß Jesus selbst, der Gute Hirt, der ,,seine Schafe, die seine Stimme kennen, einzeln beim Namen ruft" (Job 10, 3-4), durch sein Beispiel die erste Regel der individuellen Seelsorge festgelegt hat: die Menschen kennen und freundschaftliche Beziehung zu ihnen unterhalten".<ref> Ebd., 1255-56. </ref> In der Kirche muß die Gemeinschaftsdimension und die persönlich-inividuelle Sicht aufeinander abgestimmt werden; mehr noch, bei der Auferbauung der Kirche gelangt der Priester, ausgehend von der Dimension des einzelnen, zu jener der Gemeinschaft. Im Verhältnis zu den einzelnen Personen und zur Gemeinde soll der Priester allen "eximia humanitate" (mit echter Menschlichkeit) begegnen,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 6. </ref> niemals aber irgendeiner Ideologie oder einer menschlichen Parteiung zu Diensten sein<ref> Vgl. ebd., Nr. 6. </ref> und sich den Menschen gegenüber nicht "nach Menschengefallen verhalten, sondern so, wie es die Lehre und das christliche Leben verlangt".<ref> Ebd., Nr. 6. </ref>

Trotzdem erweist es sich heute mehr denn je als besonders notwendig, den Stil des pastoralen Wirkens dem Zustand jener Gesellschaften anzupassen, die zwar eine christliche Vergangenheit haben, jetzt aber weitgehend säkularisiert sind. Die Betrachtung des munus regendi in seinem authentischen missionarischen Verständnis, das nicht mit einer bürokratisch-organisatorischen Aufgabe verwechselt werden darf, gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Das verlangt von seiten der Priester ein Ausüben der Stärke mit Liebe, dessen Vorbild in dem Verhalten des Hirten Jesus Christus entdeckt werden muß. Wie wir den Evangelien entnehmen können, scheut er niemals die Verantwortung, die ihm aus seiner messianischen Vollmacht erwächst, sondern übt sie mit Liebe und Stärke aus. Deshalb bedeutet seine Autorität nie unterdrückende Herrschaft, sondern Disponibilität und Gesinnung zum Dienst. Dieser Doppelaspekt — Autorität und Dienst — bildet das Bezugssystem, in welches das munus regendi des Priesters einzuordnen ist: Er muß sich immer bemühen, seinen Anteil an der Stellung Christi als Haupt und Hirt der Herde konsequent umzusetzen.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 17. </ref>

Der Priester, der mit und unter dem Bischof auch Hirt der ihm anvertrauten Gemeinde und somit von der pastoralen Liebe beseelt ist, darf sich nicht scheuen, seine Autorität in den Bereichen auszuüben, wo er zu ihrer Ausübung verpflichtet ist, da er eben dafür mit Autorität ausgestattet worden ist; der Priester soll daran denken, daß auch dann, wenn diese Autorität mit der gebührenden Stärke ausgeübt wird, versucht werden muß, dabei "non tam praeesse quam prodesse", nicht in erster Linie zu befehlen, sondern zu dienen.<ref> HL. AUGUSTINUS, Ep. 134,1: CSEL 44, 85. </ref> Vielmehr muß sich der, der die Autorität ausüben soll, vor der Versuchung hüten, sich dieser Verantwortung zu entziehen; wenn er sie nicht ausübt, entzieht er sich dem Dienst. In enger Gemeinschaft mit dem Bischof und mit allen Gläubigen soll er vermeiden, in sein Hirtenamt Formen eines Stegreifautoritarismus oder "demokratistische" Führungsbedingungen einzuführen, die der tieferen Wirklichkeit des Dienstamtes fremd sind und als Folge zur Säkularisierung des Priesters und zur Klerikalisierung der Laien führen.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr.19; vgl. Johannes Paul II., Ansprache an das Symposium über die "Teilnahme der Laien am priesterlichen Dienst" (22. April 1994), Nr. 4: "Sacrum Ministerium" 1 (1995) 64; vgl. Interdikasterielle instruktion Ecclesiae de mysterio über einige Fragen zur Mitarbeit gläubiger Laien am priesterlichen Dienst, 15. August 1997, Einleitung. </ref> Nicht selten kann sich hinter derartigen Verhaltensweisen die Angst davor verbergen, Verantwortung zu übernehmen, Fehler zu machen, nicht willkommen zu sein, sich unpopulär zu machen, das Kreuz auf sich zu nehmen, usw.: Im Grunde handelt es sich um eine vernebelnde Trübung, welche die authentische Wurzel der priesterlichen Identität betrifft: die Gleichgestaltung mit Christus, dem Hirten und Haupt.

In diesem Sinne verlangt die Neu-Evangelisierung auch, daß der Priester seine tatsächliche Präsenz offen zu erkennen gibt. Man muß die Diener Jesu Christi unter den Menschen gegenwärtig und bereit sehen können. Daher ist auch ihre freundschaftliche und brüderliche Einbindung in die Gemeinde so wichtig. Und in diesem Zusammenhang ist die pastorale Bedeutung der Disziplin bezüglich der kirchlichen Kleidung zu verstehen, über die er nicht hinweggehen darf, weil sie dazu dient, seine zeitlich und räumlich uneingeschränkte Hingabe an den Dienst für Christus, für die Brüder und für alle Menschen in der Öffentlichkeit kundzutun.<ref> Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 66. </ref> Je mehr eine Gesellschaft die Zeichen der Säkularisierung an sich trägt, um so mehr braucht sie Zeichen.

Der Priester muß darauf achten, nicht in die widersprüchliche Haltung zu verfallen, auf Grund welcher er sich der Ausübung der Autorität in seinen direkten Zuständigkeitsbereichen entziehen könnte, um sich dann jedoch auf weltliche Fragen wie die der sozialen und politischen Ordnung einzulassen,<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2442; C.I.C., can. 227; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 33. </ref> die Gott den Menschen zur freien Verfügung überlassen hat.

Der Priester muß, wenngleich er sich bei den Gläubigen und, zumindest mancherorts, auch bei den weltlichen Aurotiräten eines beachtlichen Ansehens erfreuen kann, unbedingt daran denken, daß dieses Ansehen mit Demut gelebt werden muß, indem er es korrekterweise dazu benutzt, tatkräftig mitzuwirken an der "salus animarum", am Heil der Seelen, und sich bewußt bleibt, daß allein Christus das wahre Haupt des Gottesvolkes ist: zu ihm müssen die Menschen hingeführt werden, und es gilt zu vermeiden, daß sie sich an die Person eines einzelnen Priesters anklammern. Die Seelen gehören einzig und allein Christus, denn nur er hat sie zur Ehre Gottes um den Preis seines kostbaren Blutes erlöst. Und genauso ist nur er Herr der übernatürlichen Güter und der Meister, der mit eigener, ihm von Anbeginn zustehender Autorität lehrt. Der Priester ist im Auftrag Christi und im Heiligen Geist nur ein Verwalter der Gaben, die die Kirche ihm anvertraut hat, und hat als solcher nicht das Recht, diese Gaben nach eigenem Belieben zu reduzieren, zu vermehren oder zu verändern.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Sacrosanctum concilium, Nr. 22; CI. C., can. 846; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 49 und 64. </ref> So hat er zum Beispiel nicht die Vollmacht erhalten, die ihm anvertrauten Gläubigen nur einige Wahrheiten des christlichen Glaubens zu lehren, während er andere übergeht, weil er sie für schwerer zu befolgen oder für "weniger aktuell" hält.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 26; Ansprachen an die Priester und Diakone, Libreria Editrice Vaticana 1995, S. 27; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 45. </ref>

Was die Neu-Evangelisierung und die notwendige pastorale Leitung der Priester betrifft, so muß man mit Engagement allen dabei helfen, einen sorgfältigen und ehrlichen Unterscheidungsprozess vorzunehmen. Hinter der Haltung des "Sich-nicht-aufdrängenWollens" usw. könnte sich eine Verkennung des theologischen Wesens des Hirtenamtes oder vielleicht auch eine Charakterschwäche verbergen, die die Verantwortung scheut. Nicht unterschätzt werden dürfen auch die etwaige unrechtmäßige Anhänglichkeit zu Personen oder die unzulässige Übernahme von Dienstaufträgen oder das unverhohlene Verlangen nach Popularität und das Fehlen einer redlichen Absicht. Ohne Demut ist die pastorale Liebe gar nichts. Manchmal kann sich hinter einer scheinbar motivierten Auflehnung des Priesters, hinter seinem Widerstand gegen eine vom Bischof angemahnte Änderung seines pastoralen Arbeitsstils — sei es seine exzentrische Art zu predigen oder den Gottesdienst zu feiern, sei es, daß er die vorgeschriebene kirchliche Kleidung nicht trägt oder nach Belieben verändert — Eigenliebe und der, freilich unbewußte, Wunsch verbergen, auf sich aufmerksam zu machen.

Die Neu-Evangelisierung verlangt vom Priester auch eine neue Bereitschaft, seinen Hirtendienst dort auszuüben, wo es am notwendigsten ist. "Wie das Konzil unterstreicht, ,,rüstet die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung, sondern für die alles umfassende und universale Heils-sendung bis an die Grenzen der Erde, denn jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung, die Christus den Aposteln aufgetragen hat".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 18; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 10. </ref> Der in einigen Ländern zu verzeichnende Priestermangel, zusammen mit der für die moderne Welt charakteristischen Dynamik, macht es besonders notwendig, auf Priester zählen zu können, die bereit sind, nicht nur einen pastoralen Auftrag, sondern, je nach den verschiedenen Erfordernissen, auch die Stadt, die Region oder das Land zu wechseln und die unbedingt notwendige Sendung zu erfüllen, wobei sie aus Liebe zu Gott die eigenen Neigungen und persönlichen Pläne hintansetzen. "Auf Grund des Wesens ihres Dienstes sollen sie daher von einem tiefen missionarischen Geist und ,,von jener wahrhaft katholischen Geisteshaltung" durchdrungen und beseelt sein, die sie dazu befähigt, ,,über die Grenzen der eigenen Diözese, der Nation oder des Ritus zu blicken und für die Bedürfnisse der ganzen Kirche einzustehen, stets bereit, das Evangelium überall zu verkünden"".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 18; vgl. II. Vatikanisches Konzil., Dekret Optatam totius, Nr. 20. </ref> Die richtige Bedeutung der Teilkirche, auch im Hinblick auf die ständige Weiterbildung, darf niemals die Bedeutung der Universalkirche im geringsten verdunkeln, sondern muß harmonisch auf sie abgestimmt werden.

ANREGUNGEN ZUM NACHDENKEN ÜBER KAPITEL IV

21. Wie läßt sich gegenüber den Notleidenden durch unsere Gemeinden und in besonderer Weise durch die Priester das Erbarmen Gottes am lebendigsten offenkundig machen? Besteht man ausreichend zum Beispiel auf der geistlichen und leiblichen Übung der Werke der Barmherzigkeit als Weg christlicher Reifung und Evangelisierung?

22. Ist die pastorale Liebe in allen ihren Dimensionen wirklich "Seele und Kraft der ständigen Weiterbildung" unserer Priester?

23. Werden die Priester wirklich ermuntert, sich mit aufrichtig brüderlichem Geist um alle anderen Mitbrüder, insbesondere um die kranken und alten, zu kümmern? Bestehen Formen gemeinschaftlichen Lebens oder ähnliche Erfahrungen?

24. Verstehen und akzeptieren unsere Priester ihre besondere Aufgabe der geistlichen Führung der ihnen anvertrauten Gemeinden? Wie üben sie diese konkret aus?

25. Legt man bei der geistlichen Ausbildung der Priester genügend Gewicht auf die missionarische Dimension des priesterlichen Dienstes und auf die universale Dimension der Kirche?

26. Gibt es Glaubenswahrheiten oder moralische Grundsätze, die in der Verkündigung gewöhnlich übergangen werden, weil sie als schwer annehmbar für die Gläubigen gelten?

27. Eine der Aufgaben des Hirtenamtes besteht darin, die Kräfte für den Dienst am Evangelisierungsauftrag zu vereinen. Gibt es Anregungen zu allen Berufungen innerhalb der Kirche unter Beachtung des besonderen Charismas jeder einzelnen?

NACHWORT

"Die Neu-Evangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben".<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 82. </ref> Damit das eintritt, ist es von fundamentaler Wichtigkeit, daß jeder Priester täglich die absolute Notwendigkeit seiner persönlichen Heiligkeit wiederentdeckt. "Zuerst muß man selbst rein sein, erst dann die anderen reinigen; zuerst sich belehren lassen, um dann die anderen belehren zu können; zuerst Licht werden, erst dann leuchten; zuerst zu Gott treten, erst dann andere zu ihm führen; zuerst sich heiligen, erst dann andere heiligen".<ref> HL. Gregor von Nazianz, Orationes, 2,71: PG 35, 480. </ref> Diese Verpflichtung nimmt konkrete Gestalt an in der Suche nach einer tiefen Einheit des Lebens, die den Priester dazu anhält, zu versuchen, in allen Lebenssituationen gleichsam wie ein zweiter Christus zu sein und zu leben.

Die Gläubigen der Pfarre bzw. diejenigen, die an den verschiedenen pastoralen Aktivitäten teilnehmen, sehen — beobachten! — und vernehmen — hören! — nicht nur dann, wenn das Wort Gottes verkündet wird, sondern auch, wenn die verschiedenen liturgischen Handlungen, insbesondere die hl. Messe, gefeiert werden; wenn sie im Pfarramt empfangen werden, wo man sie gastfreundlich und liebenswürdig aufnimmt;<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 82. </ref> wenn sie sehen, wie der Priester ißt oder sich ausruht, und durch sein Beispiel der Enthaltsamkeit und Mäßigkeit erbaut werden; wenn sie ihn zu Hause aufsuchen und erfreut sind über die priesterliche Einfachheit und Armut, in der er lebt;<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, Nr. 17; GIG., can. 282; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 30; Kongregation für den Klerus, Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 67. </ref> wenn sie sehen, daß er richtig, ordentlich und vollständig den Vorschriften gemäß gekleidet ist; wenn sie mit ihm auch über ganz allgemeine Themen sprechen und sich aufgerichtet fühlen durch die Bestätigung seiner übernatürlichen Sicht, seiner Behutsamkeit und seines menschlichen Stils, auf Grund dessen er auch die einfachsten Menschen mit echter, priesterlicher Vornehmheit behandelt. "So breitet sich die Gnade und die Liebe des Altars auf den Ambo, den Beichtstuhl, das Pfarrarchiv, auf die Schule, das Oratorium, auf die Häuser und Straßen, auf die Spitäler, auf die Transportmittel und die sozialen Kommunikationsmittel aus, wo immer der Priester die Möglichkeit hat, seine Hirtenaufgabe zu erfüllen: Es ist auf jeden Fall seine Messe, die sich ausbreitet, es ist seine geistige Verbundenheit mit Christus, sacerdos et hostia, die ihn — wie der hl. Ignatius von Antiochien sagte — ,,Weizenkorn Gottes sein läßt, um zum reinen Brot Christi zu werden" (vgl. Epist. ad Romanos, IV, 1), zum Wohl der Brüder".<ref> Johannes Paul II., Ansprachen an die Priester und Diakone, S. 72. </ref>

Auf diese Weise wird es der Priester des dritten Jahrtausends ermöglichen, daß sich in unseren Tagen aufs neue die Reaktion der Emmausjünger wiederholt, die, nachdem sie dem göttlichen Meister Jesus, der ihnen die Schrift erklärte, zugehört hatten, nicht umhin können, sich erstaunt zu fragen: "Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß? (Lk 24,32).

Der Königin und Mutter der Kirche müssen wir Hirten uns anvertrauen, damit wir in gesinnungsmäßiger Einheit mit dem Stellvertreter Christi die Methoden zu entdecken vermögen, um in allen Priestern der Kirche einen aufrichtigen Wunsch nach Erneuerung in ihrer Aufgabe als Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde aufbrechen zu lassen. Wir bitten die Königin der Evangelisierung, daß die heutige Kirche die Wege wiederentdecken möge, die das Erbarmen des Vaters in Christus durch den Heiligen Geist von Ewigkeit an bereitet hat, um auch die Menschen unserer Zeit zur Gemeinschaft mit ihm zu führen.

Rom, aus dem Gebäude der Kongregationen, am 19. März 1999,

dem Fest des hl. Josef, des Patrons der Gesamtkirche.
DARÍO Kard. CASTRILLÓN HOYOS
Präfekt
CSABA TERNYÁK
Titular-Erzbischof von Eminenziana

Sekretär

GEBET ZU MARIA

MARIA,

Stern der Neu-Evangelisierung,

Du hast von Anfang an die Apostel und ihre Mitarbeiter bei der Verbreitung des Evangeliums aufgerichtet und ermutigt: vermehre zu Beginn des dritten Jahrtausends in den Priestern das Bewußtsein dafür, daß sie als Erste für die Neu-Evangelisierung verantwortlich sind.

MARIA,

als Erste evangelisiert und erste Verkünderin,

hast Du mit einzigartigem Glauben, Hoffnung und Liebe auf die Verkündigung des Engels geantwortet: bringe Deine Fürsprache für diejenigen ein, die Deinem Sohn, Christus dem Hohenpriester, gleichgestaltet werden, damit auch sie mit demselben Geist auf den dringenden Aufruf antworten, den der Heilige Vater im Namen Gottes anläßlich des Großen Jubiläums an sie richtet.

MARIA,

Lehrmeisterin des gelebten Glaubens,

Du hast das göttliche Wort mit voller Bereitschaft gehört: lehre die

Priester, sich durch das Gebet mit jenem Wort vertraut zu machen und sich voll Demut und Leidenschaft in seinen Dienst zu stellen, so daß es seine ganze Heilskraft im dritten Jahrtausend der Erlösung weiter ausübt.

MARIA,

Voll der Gnade und Mutter der Gnade,

nimm Dich Deiner Söhne, der Priester, an, die wie Du dazu berufen

sind, Mitwirkende des Heiligen Geistes zu sein, der Jesus im Herzen der Gläubigen wieder zur Welt kommen läßt. Lehre sie am Jahrestag der Geburt Deines Sohnes, getreue Verwalter der Geheimnisse Gottes zu sein: damit sie mit Deiner Hilfe vielen Seelen den Weg der Versöhnung erschließen und die Eucharistie zur Quelle und zum Höhepunkt ihres eigenen und des Lebens der ihnen anvertrauten Gläubigen machen.

MARIA,

Stern am Beginn des dritten Jahrtausends,

geleite weiterhin die Priester Jesu Christi, damit sie, dem Beispiel

Deiner Liebe zu Gott und zum Nächsten folgend, echte Hirten seien und die Schritte aller zu Deinem Sohn, dem wahren Licht, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9), hinlenken können. Mögen die Priester und durch sie das ganze Volk Gottes die liebevolle und dringliche Aufforderung hören, die Du an der Schwelle des neuen Jahrtausends der Heilsgeschichte an sie richtest: "Was er euch sagt, das tut!" (Vgl. Job 2,5). "Im Jahr 2000 — so der Stellvertreter Christi

— wird mit neuer Kraft die Verkündigung der Wahrheit wieder erschallen müssen: ,,Ecce natus est nobis Salvator mundi"" (Tertio millennio adveniente, Nr. 38).

Anmerkungen

<references />

Weblinks