Kantate

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Aufführung einer Kantate

Die Kantate (lateinisch cantare = singen) ist ein mehrsätziges Musikwerk für Gesang und Instrumente. Arien, Chorsätze, Choräle Rezitative und instrumentale Partien wechseln sich hierbei ab.

Die größte Bedeutung erlangte die Geistliche Kantate. Zu allen kirchlichen Festtagen wurden und werden bis heute Kantaten komponiert. Die Besetzung einer Kammerkantate besteht aus einer Vokalstimme, Generalbass und wenigen Melodieinstrumenten. Die Choralkantate folgt im Duktus und Inhalt einem geistlichen Choral und ist eine Komposition für einen Chor und Gesangsolisten, die von einem Instrumentalensemble begleitet werden. Die Kinderkantate ist ein Werk für Kinderchöre. Sie kann auch szenische und pädagogische Elemente enthalten. Daneben gibt es auch die Form der Weltlichen Kantate.

Kantate wird auch der 4. Sonntag der Osterzeit genannt. Früher erhielten die Sonntage ihre Namen nach dem Beginn der jeweiligen Introitus-Antiphonen des Gregorianischen Chorals, hier: Cantate domino canticum novum = Singt dem Herrn ein neues Lied, nach Psalm 98,1. Als Zeichen der Wertschätzung der Kirchenmusik und des Gesangs, wird der Sonntag-Kantate vielerorts besonders musikalisch gestaltet. Er ist traditionell auch der Sonntag, an dem neue Kirchen-Musikdirektoren ernannt werden.

Geschichte

Frühbarock und Barock

Aus dem begleiteten Kirchen-Gesang bildet sich im 17. Jahrhundert das Geistliche Konzert heraus, das, der Motettentradition der Renaissance folgend, mehrteilig sein und verschieden besetzte Abschnitte aufweisen konnte. Die mehr textorienterten und formal freieren Ausprägungen der Monodie entwickelten sich zum Rezitativ, die gesanglich-lyrischen zur Arie.

Bekannte Kantaten-Komponisten des Barock sind:

Sie komponierten Kantaten zumeist, aber nicht ausschließlich für den kirchlichen Gebrauch. Die Kirchenkantate dieser Zeit hat ihren Platz im sonn- und festtäglichen Hauptgottesdienst nach dem Evangeliums und vor dem Glaubenslied.

Eine typische Kirchenkantate aus der Zeit Johann Sebastian Bachs besteht aus einem:

Instrumentalvorspiel oder Eingangschor,
einer Abfolge von Rezitativen, Arien und Chorälen
und dem Schlusschor.

Als Textgrundlage dienten Bibeltexte, freie zeitgenössische Dichtungen und Choräle.

Ebenfalls wichtig war die Solo-Kantate für nur eine Singstimme und Begleitung. Meister dieser Form war der Italiener Alessandro Scarlatti.

Kantaten können zu einem Zyklus vereint werden, wie beispielsweise das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach.

Klassik und Romantik

Weniger bedeutend war die Kantatenkomposition in der Wiener Klassik. In der Musik der Romantik wurde sie wieder vermehrt aufgegriffen, so von Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und weiteren Komponisten dieser Epoche.

Die Verbindung der Sinfonie mit Elementen der Kantate seit Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie führte zur Entwicklung der sinfonischen Kantate.

In der Zeit des Biedermeier komponierte Christian Heinrich Rinck Kantatenwerke, beispielsweise die Charfreytags-Kantate für Soli, Chor und Orgel, die Weihnachtskantate und die Kantate Gott sorgt für uns für Chor und Orgel.

1868 vollendete Johannes Brahms seinen Rinaldo op. 50, eine weltliche Kantate für Tenor, Männerchor und Orchester nach Johann Wolfgang von Goethe.

Ein typisches Werk der Spätromantik ist Gustav Mahlers 1880 vollendete weltliche Kantate Das klagende Lied mit großem Orchester-, Chor- und Solisten.

Eine geistlich Dimension lassen die Kantaten von Sergei Iwanowitsch Tanejew am Ende des 19. Jahrhunderts erkennen: Johannes von Damaskus (1884) und Nach dem Lesen eines Psalms (1915).

Moderne

Im geistlichen Bereich ist ein Ringen um angemessene Formen und Dimensionen zu erkennen. So wurde im 20. Jahrhundert wieder der Versuch gemacht, die Kantate in weniger aufwändiger Form für den kirchlichen Gebrauch weiterzupflegen, insbesondere im Blick auf das Weihnachts- und Osterfest.

m Jahr 1900 schuf Ottorino Respighi eine biblische Kantate mit dem Titel Christus. 1911/12 entstand auf einen christlich-symbolistischen Text Konstantin Balmonts die Kantate Le Roi des étoiles von Igor Strawinski. Von Walter Courvoisier stammt die Kantate Auferstehung, eine Kantate für vier Soli, gemischten Chor und Orchester nach Worten der Bibel, bearbeitet von Alfred Bertholet (1915).

Nach dem Ersten Weltkrieg schuf Hans Pfitzner ein großes Werk der Gattung: Von deutscher Seele. Eine romantische Kantate, (1921) für Solostimmen, Chor, Orchester und Orgel. Die Textgrundlage sind Gedichte von Joseph von Eichendorff. Frank Martin schuf für das Weihnachtsfest eine Cantate pour le temps de Noel (1929).

Unter Rückgriff auf rumänische Volkspoesie schrieb Béla Bartók 1930 sein umfangreichstes und bedeutendstes Chorwerk, die allegorische Cantata profana. Der Franzose Eugène Bozza war 1934 mit seiner Kantate Légende de Roukmani Träger des renommierten Prix de Rome.

Hugo Distler gab 1935 als Opus 11 seine geistliche Kantate Wo Gott zu Haus nit gibt sein Gunst als Choralkantate in altdeutsch-reformatorischem Sprachduktus heraus. Ernst Toch schrieb 1937 im amerikanischen Exil die Kantate mit dem englischen Titel Cantata of the Bitter Herbs. Im englischen Exil schrieb Hans Gál De profundis für Soli, Chor, Orchester und Orgel (1936/37). Walter Braunfels, der die innere Emigration wählte, schuf zwischen 1934 und 1937 eine Weihnachtskantate für Sopran, Bariton, Chor und Orchester. 1937 vertonte Wolfgang Fortner nach Texten von Wolfram Brockmeiers Feierkantate ein Werk für gemischten Chor und Orchester mit dem Titel Von der Kraft der Gemeinschaft - zur Zweihundertjahrfeier der Universität Göttingen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden vor allem kirchenmusikalische Kantatenwerke: Rudolf Mauersberger schrieb 1948 Eine kleine Weihnachtskantate, während Friedhelm Deis im selben Jahr den 23. Psalm vertonte: Der Herr ist mein Hirte. Zu erwähnen ist ebenso das geistliche Kantatenschaffen von Johannes Driessler mit Denn Dein Licht kommt (1947) oder Die Segnung der Freude. Bengt Hambraeus komponierte eine Cantata pro defunctis für Bariton und Orgel (1951), mit der er inhaltlich einem Requiem nahe kam. 1948 schuf Benjamin Britten seine Sankt Nikolaus-Kantate. In neun Abschnitten gegliedert folgt diese Kantate dem Lebenslauf des Bischofs Nikolaus von Myra. Das Werk ist für gemischten Chor, Tenor-Solo, Klavier, Streicher, Schlagzeug und Orgel sowie einen kleinen Kinderchor komponiert.

Ralph Vaughan Williams schuf eine Weihnachtskantate Hodie für Sopran, Tenor, Bariton, Chor und Orchester (1953-54). Fast zeitgleich (1953) entstand die Cantate de Noël als letzte Komposition des Schweizer Komponisten Arthur Honegger. Mit expressiver Tonsprache arbeitete Willy Burkhard in seiner Kantate Die Sündflut – Kantate nach dem Bericht aus dem 1. Buch Mose (1954/1955), die als A Cappella-Werk höchste Anforderungen an das Leistungsvermögen eines gemischten Chores stellt. Für Frankreich wichtig wurde Ginette Keller mit ihrer Kantate Et l’Homme vit se rouvrir les portes, mit der sie 1951 den Second Grand Prix de Rome zugesprochen bekam.

1964 entstand die biblisch-prophetische Kantate Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen von Wilhelm Keller anlässlich des Salzburger Adventsingens. Johann Nepomuk David komponierte eine Pfingstkantate zum Hymnus Komm, Heiliger Geist (Veni Creator Spiritus) für zwei Chöre und Orchester (1972). Yun I-sang gab 1977 seiner Kantate nach Texten des Predigers Salomo und von Laotse, für Bariton, gemischten Chor und kleines Orchester den Titel Der weise Mann.

Ausdrucksstark sind die kirchlichen Kantaten von Helmut Barbe, Bertold Hummel, Paul Ernst Ruppel und Rolf Schweizer, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden.

Mit dem Werk Libertas cruciata schrieb Max Baumann eine Dramatische Kantate (1963) für Soli, Sprecher, Sprechchor, Chor und großes Orchester. Karl Michael Komma steuerte 1977 anlässlich der 600-Jahr-Feier der Grundsteinlegung des Ulmer Münsters die Kantate Die Hütte Gottes bei.

Für Reinhard Schwarz-Schilling, der der Tonsprache Johann Sebastian Bachs nahe kommt, wurde das Werk Die Botschaft, Kantate für Mezzosopran, Bariton, Chor und Orchester (1979-1982) zum Hauptwerk.

Zum größten Teil kirchlich-politische Kantaten schuf Felicitas Kukuck mit De Profundis (1989), Auf glühenden Kohlen gesungen (1990), Und es ward: Hiroshima und Schwerter zu Pflugscharen (1995). Ein Stück friedensethisch engagierter Musik schuf Felicitas Kukuck mit der Kantate Und es ward: Hiroshima. Eine Collage über Anfang und Ende der Schöpfung.

In einer Serie von Kantaten zu verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres schufen die Hofer Komponisten Wolfram Graf: Wachet auf (1991) als Kantate zum Advent, für Kinderchor und Instrumente, Il est né (1992) als Kantate zu Weihnachten, Resurrectio (1993) für Chor, Sopran, Violoncello, Schlagwerk, Orgel und Tonband sowie Jesu meine Freude (1994) als Kantate zur Passion sowie Ludger Stühlmeyer: eine Advents-, Weihnachts, Passions- und Bernhard Lichtenberg-Gedenkkantate.

Als Guardini-Kantate, ein Werk nach Texten von Romano Guardini, wurde Robert Maximilian Helmschrotts Deutung des Daseins für Sprecher, Soli, Chor, zwei Trompeten, Streichorchester und Orgel (1998) bekannt.

Auch im 21. Jahrhundert entstehen neue Kantaten im kirchenmusikalischen Bereich, beispielsweise von Hans Georg Bertram, der eine Weihnachtskantate (2001), eine Vaterunserkantate (2002/2003) und eine Adventskantate (2004) geschaffen hat. Von Dieter Kanzleiter ist die Kantate Solang wir hoffen mit der auffallenden Besetzung für vier Sprecher, Blechbläserensemble und Perkussion/Schlagzeug erschienen.

Kantatenformen

Geistliche Kantate

Viele Kantaten besitzen als textliche Grundlage entweder einen Bibeltext oder einen geistlichen Choral des Gesangbuches. Dies führt zu den BegriffenKirchenkantate, wenn der Aufführungsort oder der Aufführungszweck im Vordergrund steht, aber auch zu Gattungen wie Biblische Kantate oder Choralkantate, wenn die Textbasis in den Vordergrund gestellt werden soll.

Biblische Kantate

Basierend auf Texten des Alten- und Neuen Testaments wurden Kantaten geschrieben, die sich Biblische Kantate nennen. Beispiele hierfür sind: Marco Enrico Bossi: Das hohe Lied - Canticum Canticorum, op. 120, eine Biblische Kantate in drei Teilen für Bariton, Sopran, Chöre, Orchester und Orgel und Gustav Flügel: Kleine Cantaten auf die christlichen Feste über biblische Texte für gemischte Stimmen (1871).

In die jüdische Festtradition weist Josef Tal mit einer Succoth Cantata (1955) für Sopran, Alt, Tenor, Bass, gemischten Chor und Kammerorchester. Der Text stammt von Eleazar Ha'Kalir.

Choralkantate

Viele geistliche Kantaten besitzen als textliche Grundlage entweder einen Bibeltext oder aber einen geistlichen Choral christlicher Gesangbücher. Wenn die Kantate vor allem einem Choral im Duktus und Inhalt folgt, spricht man von einer Choralkantate. In der Regel ist hier der Anteil der Chorsätze größer als bei anderen Kantaten. Den Extremfall stellt die „Per-omnes-versus“-Kantate dar, in der alle Strophen eines Chorals in den verschiedenen Sätzen verarbeitet werden.

Johann Sebastian Bach bezog sich in den Choralkantaten seines zweiten Kantatenzyklus (1724), auf genau einen Choral. Allerdings wurden meist nur die Außenstrophen des Chorals in Wortlaut und Melodie benutzt, die Binnenstrophen jedoch zu Rezitativen und Arien umgedichtet.

Sinfonische Kantate

Unter stärkerer Einbeziehung eines sinfonischen Orchesters komponiert Peter Michael Braun eine Sinfonische Kantate. Um die Jahrtausendwende entstand Die Herrlichkeit Gottes, eine Sinfonische Kantate nach Texten des Alten und Neuen Testaments (1997/2000).

2009 wurde Quo Vadis für Tenor, Chor und großes Orchester des schwedischen Komponisten Anders Eliasson in Stockholms Berwaldhalle uraufgeführt. Die sieben Textpassagen sind eher Zwischenspiele in einer pausenlos zu spielenden etwa einstündigen Sinfonie mit sieben rein orchestralen Passagen. Für den Komponisten sind die Vokalpassagen nicht mehr die Hauptsache.

Kinderkantate

Kinderkantaten sind Kantaten, die für den Stimmumfang von Kinderchören, Mädchen- oder Knabenchören geschaffen wurden. Mitunter enthalten sie auch szenische Anteile. Zuweilen steht hinter Kinderkantaten ein religionspädagogisches Interesse. Beispiele sind:

  • Margret Birkenfeld schuf 1977 vier Kinderkantaten zu den Vier Jahreszeiten.
  • Peter Hamburger schrieb die Kantate Komm, wir wollen leben für Kinderchor.
  • Günther Kretzschmar schuf von 1970 bis 1985 diverse geistliche und weltliche Kinderkantaten.
  • Von Colin Mawby stammt eine Weihnachtskantate für Kinder.
  • Ludger Stühlmeyer komponierte die Kinderkantaten Mache dich auf, werde licht (1989) und Jesus in Galiläa (1990).
  • Wolfram Graf schrieb die Kantate Il est ne für Kinderchor (1992).

Szenische Kantate

Im Graubereich zwischen den musikalischen Gattungen Kantate, Oper und Musical bewegt sich die Untergattung szenische Kantate insofern, als zur Musik eine zurückhaltende szenische Darstellung tritt. Beispiele für die szenische Kantate sind: Wer war Nikolaus von Myra? Wie ein Bischof seine Stadt aus einer Hungersnot rettete und vor dem Krieg bewahrte, von Felicitas Kukuck, entstanden 1995 und anlässlich der 800-Jahrfeier der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai uraufgeführt und Die Legende von dem Esel Antonio. Text: Ruth Büssenschütt, Musik: Ludger Stühlmeyer, für Kinderchor, Gesang-Solo, Sprecher und Instrumente (2005).

Weltliche Kantate

Bereits Johann Sebastian Bach komponierte weltliche Kantaten beispielsweise als Huldigungskantate für verschiedene Herrscher oder seine Kaffeekantate. Im 20. Jahrhundert entstehen vermehrt weltliche Kantaten mit politischen Hintergründen, beispielsweise Kantaten im Nationalsozialismus oder in der DDR.

Die politische Situation des Volkes Israel nimmt Julius Chajes zum Anlass, wenn er mit der Kantate The promised Land den neuen Staat Israel zum zehnten Jahrestag der Staatsgründung (1948-1958) mit Sprecher, Soli und Chor mit Klavierbegleitung besingen lässt.

Literatur

  • Kantate. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Bd. 7. Bärenreiter, Kassel 1989, S. 554-611.