Apostolicam actuositatem (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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==II. KAPITEL: DIE ZIELE DES LAIENAPOSTOLATES==
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'''5.''' Das Erlösungswerk Christi zielt an sich auf das Heil der Menschen, es umfaßt aber auch den Aufbau der gesamten zeitlichen Ordnung. Darum besteht die Sendung der Kirche nicht nur darin, die Botschaft und Gnade Christi den Menschen nahezubringen, sondern auch darin, die zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervollkommnen. Die Laien, die diese Sendung der Kirche vollziehen, üben also ihr Apostolat in der Kirche wie in der Welt, in der geistlichen wie in der weltlichen Ordnung aus. Beide Ordnungen, die man gewiß unterscheiden muss, sind in dem einzigen Plan Gottes so verbunden, dass Gott selbst in Christus die ganze Welt als neue Schöpfung wieder aufnehmen will, im Keim hier auf Erden, vollendet am Ende der Tage. In beiden Ordnungen muss sich der Laie, der zugleich Christ ist und Bürger dieser Welt, unablässig von dem einen christlichen Gewissen leiten lassen.
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===Das Apostolates der Evangelisierung und der Heiligung===
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'''6.''' Die Sendung der Kirche geht auf das Heil der Menschen, das im Glauben an Christus und in seiner Gnade erlangt wird. Das Apostolat der Kirche und aller ihrer Glieder ist darum vor allem darauf gerichtet, die Botschaft Christi der Welt durch Wort und Tat bekanntzumachen und ihr seine Gnade zu vermitteln. Das geschieht vorzüglich durch den Dienst des Wortes und der Sakramente. Dieser ist zwar in besonderer Weise dem Klerus anvertraut, an ihm haben aber auch die Laien ihren bedeutsamen Anteil zu erfüllen, damit sie "Mitarbeiter der Wahrheit" (3 Joh 8) seien. Vornehmlich in dieser Ordnung ergänzen einander das Apostolat der Laien und der Dienst der Hirten.
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Unzählige Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolates der Evangelisierung und Heiligung stehen den Laien offen. Das Zeugnis des christlichen Lebens selbst und die guten in übernatürlichem Geist vollbrachten Werke haben die Kraft, Menschen zum Glauben und zu Gott zu führen; sagt doch der Herr: "So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist" (Mt 5,16).
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Dennoch besteht dieses Apostolat nicht nur im Zeugnis des Lebens. Ein wahrer Apostel sucht nach Gelegenheiten, Christus auch mit seinem Wort zu verkünden, sei es den Nichtgläubigen, um sie zum Glauben zu führen, sei es den Gläubigen, um sie zu unterweisen, zu stärken und sie zu einem einsatzfreudigen Leben zu erwecken; "denn die Liebe Christi drängt uns" (2 Kor 5,14), und im Herzen aller sollten jene Worte des Apostels ein Echo finden: "Weh mir, wenn ich die gute Botschaft nicht verkünden wollte" (1 Kor 9,16)<ref>Vgl. [[Pius XI.]], [[Enzyklika|Enz.]] [[Ubi arcano]], 23. Dez. 1922: [[AAS]] 14 (1922) 695; [[Pius XII.]], [[Enzyklika|Enz.]] [[Summi pontificatus]], 20. Okt. 1939: [[AAS]] 31 (1939) 442-443. </ref>.
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Da sich aber in dieser unserer Zeit neue Fragen erheben und schwerste Irrtümer verbreitet werden, die die Religion, die sittliche Ordnung, ja die menschliche Gesellschaft selbst von Grund aus zu verkehren trachten, ist es dieser Heiligen Synode ein ernstes Anliegen, die Laien, jeden nach seiner Begabung und Bildung, zu ermutigen, im Geist der Kirche noch eifriger bei der Herausarbeitung, Verteidigung und entsprechenden Anwendung der christlichen Grundsätze auf die Probleme unserer Zeit ihren Beitrag zu leisten.
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===Die christliche Aufbauung der zeitlichen Ordnung===
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'''7.''' Das ist der Plan Gottes hinsichtlich der Welt, dass die Menschen die zeitliche Ordnung einträchtig miteinander aufbauen und immer mehr vervollkommnen.
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Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, die Güter des Lebens und der Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, berufliches Schaffen, die Einrichtungen der politischen Gemeinschaft, die internationalen Beziehungen und ähnliches mehr, sowie die Entwicklung und der Fortschritt von alldem sind nicht nur Hilfsmittel zur Erreichung des letzten Zieles des Menschen, sondern haben ihren Eigenwert, den Gott in sie gelegt hat, ob man sie nun einzeln in sich selbst betrachtet oder als Teile der gesamten zeitlichen Ordnung: "Und Gott sah alles, was er geschaffen hatte, und es war sehr gut" (Gen 1,31). Diese natürliche Gutheit von alldem erhält eine spezifische Würde durch die Beziehung dieser Dinge zur menschlichen Person, zu deren Dienst sie geschaffen sind. Endlich hat es Gott gefallen, alles, das Natürliche und das Übernatürliche, in Christus Jesus zu einer Einheit zusammenzufassen, "so dass er selbst in allem den ersten Rang hat" (Kol 1,18). Dennoch nimmt diese Bestimmung der zeitlichen Ordnung in keiner Weise ihre Autonomie, ihre eigenen Ziele, Gesetze, Methoden und ihre eigene Bedeutung für das Wohl der Menschen. Sie vollendet sie vielmehr in ihrer Bedeutsamkeit und ihrem Eigenwert. Zugleich richtet sie sie auf die volle Berufung des Menschen auf Erden aus.
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Im Lauf der Geschichte wurden die zeitlichen Dinge durch schwere Mißbräuche entstellt. Die Menschen, von der Erbschuld belastet, erlagen oft mannigfachen Irrtümern über das wahre Wesen Gottes, die Natur des Menschen und die Grundforderungen des Sittengesetzes. Das führte zu einem Verfall der Sitten und der menschlichen Einrichtungen, ja die menschliche Person selbst wurde nicht selten mit Füßen getreten. Auch in unseren Tagen setzen nicht wenige ein allzu großes Vertrauen auf den Fortschritt der Naturwissenschaften und der Technik und neigen zu einer gewissen Vergötzung der zeitlichen Dinge, mehr deren Sklaven als deren Herren.
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Aufgabe der ganzen Kirche ist es, daran zu arbeiten, dass die Menschen fähig werden, die gesamte zeitliche Ordnung richtig aufzubauen und durch Christus auf Gott hinzuordnen.
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Den Hirten obliegt es, die Grundsätze über das Ziel der Schöpfung und über den Gebrauch der Welt klar zu verkünden, sittliche und geistliche Hilfen zu gewähren, damit die zeitliche Ordnung auf Christus ausgerichtet werde.
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Die Laien aber müssen den Aufbau der zeitlichen Ordnung als die gerade ihnen zukommende Aufgabe auf sich nehmen und dabei, vom Licht des Evangeliums und vom Geist der Kirche geleitet sowie von christlicher Liebe gedrängt, unmittelbar und entschieden handeln. Sie sollen aus ihrer spezifischen Sachkenntnis heraus und in eigener Verantwortung als Bürger mit ihren Mitbürgern zusammenarbeiten und überall und in allem die Gerechtigkeit des Reiches Gottes suchen.
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Die zeitliche Ordnung ist so auszurichten, dass sie, unter völliger Wahrung der ihr eigentümlichen Gesetze, den höheren Grundsätzen des christlichen Lebens entsprechend gestaltet, dabei jedoch den verschiedenen Situationen der Orte, Zeiten und Völker angepaßt wird. Unter den Werken dieses Apostolates ist die soziale Tätigkeit der Christen von besonderer Bedeutung, und zwar wünscht die Heilige Synode, dass sie sich heute auf den ganzen zeitlichen Bereich, auch auf den kulturellen, erstrecke<ref>Vgl. [[Leo XIII.]], [[Enzyklika|Enz.]] [[Rerum novarum]]: [[ASS]] 23 (1890-91) 647; [[Pius XI.]], [[Enzyklika|Enz.]] [[Quadragesimo anno]]: [[AAS]] 23 (1931) 190; [[Pius XII.]], Rundfunkansprache, 1. Juni 1941: [[AAS]] 33 (1941) 207. </ref>.
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===Das caritative Wirken===
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'''8.''' Alles apostolische Wirken muss seinen Ursprung und seine Kraft von der Liebe herleiten. Einige Werke sind jedoch schon ihrer Natur nach geeignet, die Liebe lebendig zum Ausdruck zu bringen. Sie sollten, so wollte es Christus der Herr, Zeichen seiner messianischen Sendung sein (vgl. Mt 11,4-5).
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Das größte Gebot im Gesetz ist, Gott aus ganzem Herzen zu lieben und seinen Nächsten wie sich selbst (vgl. Mt 22,37-40). Dieses Gebot der Nächstenliebe machte Christus zu seinem charakteristischen Gebot und gab ihm eine neue, reichere Bedeutung: Er selbst wollte gleichsam derselbe Gegenstand der Liebe sein wie die Brüder, als er sagte: "Wann ihr etwas auch nur einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, habt ihr es mir getan" (Mt 25,40). Er selbst hat ja, als er die menschliche Natur annahm, die ganze Menschheit in einer übernatürlichen Solidarität zu einer Familie zusammengefaßt und an sich gebunden, und er hat die Liebe zum Zeichen seiner Jünger bestimmt mit den Worten: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe zueinander habt" (Joh 13,35).
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Wie darum die heilige Kirche schon in ihrer Frühzeit die Feier der Agape mit dem eucharistischen Mahl verband und so, als ganze durch das Band der Liebe um Christus geeint, in Erscheinung trat, wird sie zu allen Zeiten an diesem Zeichen der Liebe erkannt. Wenn sie sich auch über alles freut, was andere in dieser Hinsicht tun, nimmt sie doch die Werke der Liebe als ihre eigene Pflicht und ihr unveräußerliches Recht in Anspruch. Der barmherzige Sinn für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke, die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb in der Kirche besonders in Ehren<ref>Vgl. [[Johannes XXIII.]], [[Enzyklika|Enz.]] [[Mater et magistra]]: [[AAS]] 53 (1961) 402. </ref>.
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Heute, da die Kommunikationsmittel immer vollkommener arbeiten, die Entfernungen unter den Menschen sozusagen überwunden sind und die Bewohner der ganzen Erde gleichsam zu Gliedern einer einzigen Familie wurden, sind jene Tätigkeiten und Werke viel dringlicher und umfassender geworden. Das caritative Tun kann und muss heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo immer Menschen leben, denen es an Speise und Trank, an Kleidung, Wohnung, Medikamenten, Arbeit, Unterweisung, notwendigen Mitteln zu einem menschenwürdigen Leben fehlt, wo Menschen von Drangsal und Krankheit gequält werden, Verbannung und Haft erdulden müssen, muss die christliche Hilfe sie suchen und finden, alle Sorgen für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger Hilfe ihr Los zu erleichtern. Diese Verpflichtung obliegt in erster Linie den einzelnen Menschen wie den Völkern, die in Wohlstand leben<ref>Vgl. ebd. 440-441. </ref>.
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Damit die Übung dieser Liebe über jeden Verdacht erhaben sei und als solche auch in Erscheinung trete, muss man im Nächsten das Bild Gottes sehen, nach dem er geschaffen ist, und Christus den Herrn, dem in Wahrheit all das dargeboten wird, was einem Bedürftigen gegeben wird. Man muss auch in tiefer Menschlichkeit auf die personale Freiheit und Würde dessen Rücksicht nehmen, der die Hilfe empfängt. Weder das Suchen des eigenen Vorteils noch Herrschsucht dürfen die Reinheit der Absicht beflecken<ref>Vgl. ebd. 442-443. </ref>. Zuerst muss man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muss die Ursachen der Übel beseitigen, nicht nur die Wirkungen. Die Hilfeleistung sollte so geordnet sein, dass sich die Empfänger, allmählich von äußerer Abhängigkeit befreit, auf die Dauer selbst helfen können.
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Die Laien mögen also die Werke der Liebe und die Unternehmungen der sozialen Hilfe, private oder öffentliche, auch die internationalen Hilfswerke hochschätzen und nach Kräften fördern. Durch sie wird einzelnen Menschen und ganzen Völkern in ihrer Not wirklich geholfen. Dabei sollen die christlichen Laien mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten<ref>Vgl. [[Pius XII.]], Ansprache an die "Pax Romana" (M.I.I.C.), 25. März 1957: [[AAS]] 49 (1957) 298-299; und vor allem [[Johannes XXIII.]], Ansprache an den Kongreß des Rates der Food and Agriculture Organization (FAO), 10. Nov. 1959: [[AAS]] 51 (1959) 865-866. </ref>.
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'''Anmerkungen: Kapitel II:'''
 
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Version vom 24. September 2013, 08:33 Uhr

Dekret
Apostolicam actuositatem

des Zweiten Vatikanisches Konzils
unter unserem Heiligen Vater
Paul VI.
18. November 1965
über das Laienapostolat
(Offizieller lateinischer Text AAS 58 [1966] 837-864)

(Quelle: Vatikanseite).
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG

1. Um dem apostolischen Wirken des Gottesvolkes mehr Gewicht zu verleihen<ref>Vgl. Johannes XXIII., Apost. Konst. Humanae salutis, 25. Dez. 1961: AAS 54 (1962) 7-10. </ref>, wendet sich die Heilige Synode nunmehr eindringlich an die Laienchristen, von deren spezifischem und in jeder Hinsicht notwendigem Anteil an der Sendung der Kirche sie schon andernorts gesprochen hat<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Art. 33ff.: AAS 57 (1965) 39f.; vgl. auch Konst. über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, Art. 26-40: AAS 56 (1964) 107-111; vgl. Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica: AAS 56 (1964) 145-153; vgl. Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio: AAS 57 (1965) 90-107; vgl. Dekret über das Hirtenamt der Bischöfe ein der Kirche Christus dominus, Art. 16.17.18; Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Art. 3.5.7. </ref>. Denn das Apostolat der Laien, das in deren christlicher Berufung selbst seinen Ursprung hat, kann in der Kirche niemals fehlen. Wie spontan und fruchtbar dieses Wirken in der Frühzeit der Kirche war, zeigt klar die Heilige Schrift selbst (vgl. Apg 11,19-21; 18,26; Röm 16,1-16; Phil 4,3).

Unsere Zeit aber erfordert keinen geringeren Einsatz der Laien, im Gegenteil: die gegenwärtigen Verhältnisse verlangen von ihnen ein durchaus intensiveres und weiteres Apostolat. Das dauernde Anwachsen der Menschheit, der Fortschritt von Wissenschaft und Technik, das engere Netz der gegenseitigen menschlichen Beziehungen haben nicht nur die Räume des Apostolats der Laien, die großenteils nur ihnen offenstehen, ins unermeßliche erweitert; sie haben darüber hinaus auch neue Probleme hervorgerufen, die das eifrige Bemühen sachkundiger Laien erfordern.

Dieses Apostolat wird um so dringlicher, als die Autonomie vieler Bereiche des menschlichen Lebens - und zwar mit vollem Recht - sehr gewachsen ist, wenngleich dieses Wachstum bisweilen mit einer gewissen Entfremdung von der ethischen und religiösen Ordnung und mit einer schweren Krise des christlichen Lebens verbunden ist. Zudem könnte die Kirche in vielen Gebieten, in denen es nur ganz wenige Priester gibt oder diese, wie es öfters der Fall ist, der für ihren Dienst notwendigen Freiheit beraubt sind, ohne die Arbeit der Laien kaum präsent und wirksam sein. Ein Hinweis auf diese vielfältige und dringende Notwendigkeit des Laienapostolats liegt auch in dem unverkennbaren Wirken des Heiligen Geistes, der den Laien heute mehr und mehr das Bewusstsein der ihnen eigentümlichen Verantwortung schenkt und sie allenthalben zum Dienst für Christus und seine Kirche aufruft<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Kardinäle, 20. Febr. 1946: AAS 38 (1946) 149f.; ders., Ansprache an die Teilnehmer des ersten Weltkongresses der christlichen Arbeiterjugend (J.O.C.), 25. Aug. 1957: AAS 49 (1957) 843. </ref>.

In diesem Dekret möchte nun das Konzil Natur, Eigenart und Vielgestaltigkeit des Laienapostolates erläutern, zugleich aber auch grundlegende Prinzipien vorlegen und pastorale Weisungen geben, die zu seiner wirksameren Betätigung helfen sollen. Dies alles soll dann auch bei der Revision des kanonischen Rechts, soweit es das Laienapostolat betrifft, als Norm gelten.

Anmerkungen: Einleitung: <references />

I. KAPITEL: DIE BERUFUNG DER LAIEN ZUM APOSTOLAT

Die Beteiligung der Laien am Sendungsauftrag der Kirche

2. Dazu ist die Kirche ins Leben getreten: sie soll zur Ehre Gottes des Vaters die Herrschaft Christi über die ganze Erde ausbreiten und so alle Menschen der heilbringenden Erlösung teilhaftig machen<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Rerum ecclesiae: AAS 18 (1926) 65. </ref>, und durch diese Menschen soll die gesamte Welt in Wahrheit auf Christus hingeordnet werden. Jede Tätigkeit des mystischen Leibes, die auf dieses Ziel gerichtet ist, wird Apostolat genannt; die Kirche verwirklicht es, wenn auch auf verschiedene Weise, durch alle ihre Glieder; denn die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat. Wie sich im Gefüge eines lebendigen Leibes ein Glied nicht nur passiv verhält, sondern zugleich mit dem Leben des Leibes auch an seinem Tun teilnimmt, so bewirkt auch im Leib Christi, der die Kirche ist, der ganze Leib "gemäß der jedem einzelnen Glied zugemessenen Wirkkraft das Wachstum des Leibes" (Eph 4,16). Ja so stark ist in diesem Leib die Verbindung und der Zusammenhalt der Glieder (vgl. Eph 4,16), dass man von einem Glied, das nicht nach seinem Maß zum Wachstum des Leibes beiträgt, sagen muss, es nütze weder der Kirche noch sich selber.

Es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung. Den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde von Christus das Amt übertragen, in seinem Namen und in seiner Vollmacht zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Die Laien hingegen, die auch am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Art. 31: AAS 57 (1965) 37. </ref>. Durch ihr Bemühen um die Evangelisierung und Heiligung der Menschen und um die Durchdringung und Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums üben sie tatsächlich ein Apostolat aus. So legt ihr Tun in dieser Ordnung offen für Christus Zeugnis ab und dient dem Heil der Menschen. Da es aber dem Stand der Laien eigen ist, inmitten der Welt und der weltlichen Aufgaben zu leben, sind sie von Gott berufen, vom Geist Christi beseelt nach Art des Sauerteigs ihr Apostolat in der Welt auszuüben.

Die Fundamente des Laienapostolates

3. Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut. Sie werden zu einer königlichen Priesterschaft und zu einem heiligen Volk (vgl. 1 Petr 2,4-10) geweiht, damit sie durch alle ihre Werke geistliche Opfergaben darbringen und überall auf Erden Zeugnis für Christus ablegen. Durch die Sakramente, vor allem die heilige Eucharistie, wird jene Liebe mitgeteilt und genährt, die sozusagen die Seele des gesamten Apostolates ist<ref>Vgl. ebd. Art. 33: AAS 57 (1965) 39; vgl. auch Art. 10, a. a. O. 14. </ref>.

Das Apostolat verwirklicht sich in Glaube, Hoffnung und Liebe, die der Heilige Geist in den Herzen aller Glieder der Kirche ausgießt. Ja das Gebot der Liebe, das der große Auftrag des Herrn ist, drängt alle Christen, für die Ehre Gottes, die durch das Kommen seines Reiches offenbar wird, und für das ewige Leben aller Menschen zu wirken, damit sie den einzigen wahren Gott erkennen und den, den er gesandt hat, Jesus Christus (vgl. Joh 17,3).

Allen Christen ist also die ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, dass die göttliche Heilsbotschaft überall auf Erden von allen Menschen erkannt und angenommen wird.

Zum Vollzug dieses Apostolates schenkt der Heilige Geist, der ja durch den Dienst des Amtes und durch die Sakramente die Heiligung des Volkes Gottes wirkt, den Gläubigen auch noch besondere Gaben (vgl. 1 Kor 12,7); "einem jeden teilt er sie zu, wie er will" (1 Kor 12,11), damit "alle, wie ein jeder die Gnadengabe empfangen hat, mit dieser einander helfen" und so auch selbst "wie gute Verwalter der mannigfachen Gnade Gottes" seien (1 Petr 4,10) zum Aufbau des ganzen Leibes in der Liebe (vgl. Eph 4,16).

Aus dem Empfang dieser Charismen, auch der schlichteren, erwächst jedem Glaubenden das Recht und die Pflicht, sie in Kirche und Welt zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen. Das soll gewiß mit der Freiheit des Heiligen Geistes geschehen, der "weht, wo er will" (Joh 3,8), aber auch in Gemeinschaft mit den Brüdern in Christus, besonders mit ihren Hirten. Ihnen steht es zu, über Echtheit und geordneten Gebrauch der Charismen zu urteilen, natürlich nicht um den Geist auszulöschen, sondern um alles zu prüfen und, was gut ist, zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12.19.21) <ref>Vgl. ebd. Art. 12: AAS 57 (1965) 16. </ref>.

Die Spiritualität der Laien gemäß des Apostolates

4. Da Christus, vom Vater gesandt, Quell und Ursprung des gesamten Apostolates der Kirche ist, kann es nicht anders sein, als dass die Fruchtbarkeit des Apostolates der Laien von ihrer lebendigen Vereinigung mit Christus abhängt; sagt doch der Herr: "Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15,5).

Dieses Leben innigster Vereinigung mit Christus in der Kirche nähren die gleichen geistlichen Hilfen, die allen Gläubigen zu Gebote stehen, vor allem die tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, Art. 11: AAS 56 (1964) 102-103. </ref>. Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, dass sie bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, dass sie ihre Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten.

Das ist der Weg, auf dem die Laien mit freudig-bereitem Herzen zu immer höherer Heiligkeit fortschreiten müssen; Schwierigkeiten sollen sie mit Klugheit und Geduld zu überwinden versuchen<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Art. 32: AAS 57 (1965) 38; vgl. auch 40-41, a. a. O. 45-47. </ref>. Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellt, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen gemäß dem Wort des Apostels: "Was ihr auch tut in Wort und Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus, und sagt Dank Gott und dem Vater durch ihn" (Kol 3,17).

Ein solches Leben fordert einen ständigen Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe.

Nur im Licht des Glaubens und in der betenden Versenkung in Gottes Wort wird es möglich, immer und überall Gott zu erkennen, in dem "wir leben, uns bewegen und sind" (Apg 17,28), in allem Geschehen seinen Willen zu suchen, in allen Menschen, ob sie uns nun nahe- oder fernstehen, Christus zu sehen und richtig zu beurteilen, welche Bedeutung und welchen Wert die zeitlichen Dinge in sich selbst und in Hinordnung auf das Ziel des Menschen haben.

Die diesen Glauben haben, leben in der Hoffnung auf das Offenbarwerden der Söhne und Töchter Gottes, da sie des Kreuzes und der Auferstehung des Herrn eingedenk bleiben.

Mit Christus noch in Gott verborgen, frei von der Sklaverei des Reichtums und auf jene Güter bedacht, die ewig währen, weihen sie sich während der Pilgerschaft dieses Lebens großmütig der Aufgabe, die Herrschaft Gottes auszubreiten und die zeitliche Ordnung mit dem Geist Christi zu durchdringen und zu vervollkommnen. Inmitten der Widrigkeiten dieses Lebens finden sie Kraft in der Hoffnung, sind sie doch überzeugt, dass "die Leiden dieser Zeit in keinem Verhältnis zu der kommenden Herrlichkeit stehen, die in uns offenbar werden wird" (Röm 8,18).

Angetrieben durch die Liebe, die aus Gott stammt, tun sie allen Gutes, zumal denen, die uns im Glauben verbunden sind (vgl. Gal 6,10); "alle Bosheit und Tücke, alle Heuchelei und Mißgunst und alle üble Nachrede legen sie ab" (1 Petr 2,1) und ziehen so die Menschen zu Christus.

Die Liebe Gottes aber, die "in unseren Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Röm 5,5), befähigt die Laien, den Geist der Seligpreisungen in ihrem Leben wirklich zum Ausdruck zu bringen. Da sie Jesus auch in seiner Armut nachfolgen wollen, werden sie weder durch den Mangel an zeitlichen Gütern niedergedrückt noch durch deren Fülle aufgebläht. In Nachahmung des erniedrigten Christus sind sie nicht auf eitle Ehre aus (vgl. Gal 5,26), sondern suchen mehr Gott zu gefallen als den Menschen, immer bereit, um Christi willen alles zu verlassen (vgl. Lk 14,26) und Verfolgung zu leiden um der Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5,10), eingedenk des Herrenwortes: "Wenn einer mir nachfolgen will, gebe er sich selbst auf, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir" (Mt 16,24). Sie pflegen untereinander die Freundschaft der Christen und helfen einander in jeglicher Not.

Dieses geistliche Leben der Laien muss vom Stand der Ehe und der Familie, der Ehelosigkeit oder Witwenschaft, aus der Situation einer Krankheit, vom beruflichen oder gesellschaftlichen Wirken her ein besonderes Gepräge annehmen. Die Laien mögen darum nicht aufhören, jene ihnen verliehenen Eigenschaften und Gaben mit Bedacht auszubilden, die diesen Lebenslagen entsprechen, und auch die ihnen je eigenen Gnadengaben zu gebrauchen, die sie vom Heiligen Geist empfangen haben.

Außerdem sollen sich die Laien, die ihrer Berufung gemäß einer der von der Kirche approbierten Vereinigungen oder Institute beigetreten sind, die diesen eigentümliche, besondere Ausprägung des geistlichen Lebens getreu anzueignen suchen.

Hochschätzen mögen sie auch berufliche Sachkenntnis, familiären und mitbürgerlichen Sinn und alle jene Tugendhaltungen, die sich auf den mitmenschlichen Umgang beziehen, wie Rechtschaffenheit, Sinn für Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Menschlichkeit, Starkmut, ohne die auch ein wahrhaft christliches Leben nicht bestehen kann.

Ein vollendetes Vorbild eines solchen geistlichen und apostolischen Lebens ist die seligste Jungfrau Maria, die Königin der Apostel. Während sie auf Erden ein Leben wie jeder andere verbrachte, voll von Sorge um die Familie und von Arbeit, war sie doch immer innigst mit ihrem Sohn verbunden und arbeitete auf ganz einzigartige Weise am Werk des Erlösers mit; jetzt aber, in den Himmel aufgenommen, "sorgt sie in ihrer mütterlichen Liebe für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen"<ref>Vgl. ebd. Art. 62, a. a. O. 63; vgl. auch Art. 65, a. a. O. 64-65. </ref>. Alle sollen sie innig verehren und ihr Leben und ihr Apostolat ihrer mütterlichen Sorge empfehlen.

Anmerkungen: Kapitel I: <references />

II. KAPITEL: DIE ZIELE DES LAIENAPOSTOLATES

Einleitung

5. Das Erlösungswerk Christi zielt an sich auf das Heil der Menschen, es umfaßt aber auch den Aufbau der gesamten zeitlichen Ordnung. Darum besteht die Sendung der Kirche nicht nur darin, die Botschaft und Gnade Christi den Menschen nahezubringen, sondern auch darin, die zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervollkommnen. Die Laien, die diese Sendung der Kirche vollziehen, üben also ihr Apostolat in der Kirche wie in der Welt, in der geistlichen wie in der weltlichen Ordnung aus. Beide Ordnungen, die man gewiß unterscheiden muss, sind in dem einzigen Plan Gottes so verbunden, dass Gott selbst in Christus die ganze Welt als neue Schöpfung wieder aufnehmen will, im Keim hier auf Erden, vollendet am Ende der Tage. In beiden Ordnungen muss sich der Laie, der zugleich Christ ist und Bürger dieser Welt, unablässig von dem einen christlichen Gewissen leiten lassen.

Das Apostolates der Evangelisierung und der Heiligung

6. Die Sendung der Kirche geht auf das Heil der Menschen, das im Glauben an Christus und in seiner Gnade erlangt wird. Das Apostolat der Kirche und aller ihrer Glieder ist darum vor allem darauf gerichtet, die Botschaft Christi der Welt durch Wort und Tat bekanntzumachen und ihr seine Gnade zu vermitteln. Das geschieht vorzüglich durch den Dienst des Wortes und der Sakramente. Dieser ist zwar in besonderer Weise dem Klerus anvertraut, an ihm haben aber auch die Laien ihren bedeutsamen Anteil zu erfüllen, damit sie "Mitarbeiter der Wahrheit" (3 Joh 8) seien. Vornehmlich in dieser Ordnung ergänzen einander das Apostolat der Laien und der Dienst der Hirten.

Unzählige Gelegenheiten zur Ausübung des Apostolates der Evangelisierung und Heiligung stehen den Laien offen. Das Zeugnis des christlichen Lebens selbst und die guten in übernatürlichem Geist vollbrachten Werke haben die Kraft, Menschen zum Glauben und zu Gott zu führen; sagt doch der Herr: "So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist" (Mt 5,16).

Dennoch besteht dieses Apostolat nicht nur im Zeugnis des Lebens. Ein wahrer Apostel sucht nach Gelegenheiten, Christus auch mit seinem Wort zu verkünden, sei es den Nichtgläubigen, um sie zum Glauben zu führen, sei es den Gläubigen, um sie zu unterweisen, zu stärken und sie zu einem einsatzfreudigen Leben zu erwecken; "denn die Liebe Christi drängt uns" (2 Kor 5,14), und im Herzen aller sollten jene Worte des Apostels ein Echo finden: "Weh mir, wenn ich die gute Botschaft nicht verkünden wollte" (1 Kor 9,16)<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Ubi arcano, 23. Dez. 1922: AAS 14 (1922) 695; Pius XII., Enz. Summi pontificatus, 20. Okt. 1939: AAS 31 (1939) 442-443. </ref>.

Da sich aber in dieser unserer Zeit neue Fragen erheben und schwerste Irrtümer verbreitet werden, die die Religion, die sittliche Ordnung, ja die menschliche Gesellschaft selbst von Grund aus zu verkehren trachten, ist es dieser Heiligen Synode ein ernstes Anliegen, die Laien, jeden nach seiner Begabung und Bildung, zu ermutigen, im Geist der Kirche noch eifriger bei der Herausarbeitung, Verteidigung und entsprechenden Anwendung der christlichen Grundsätze auf die Probleme unserer Zeit ihren Beitrag zu leisten.

Die christliche Aufbauung der zeitlichen Ordnung

7. Das ist der Plan Gottes hinsichtlich der Welt, dass die Menschen die zeitliche Ordnung einträchtig miteinander aufbauen und immer mehr vervollkommnen.

Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, die Güter des Lebens und der Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, berufliches Schaffen, die Einrichtungen der politischen Gemeinschaft, die internationalen Beziehungen und ähnliches mehr, sowie die Entwicklung und der Fortschritt von alldem sind nicht nur Hilfsmittel zur Erreichung des letzten Zieles des Menschen, sondern haben ihren Eigenwert, den Gott in sie gelegt hat, ob man sie nun einzeln in sich selbst betrachtet oder als Teile der gesamten zeitlichen Ordnung: "Und Gott sah alles, was er geschaffen hatte, und es war sehr gut" (Gen 1,31). Diese natürliche Gutheit von alldem erhält eine spezifische Würde durch die Beziehung dieser Dinge zur menschlichen Person, zu deren Dienst sie geschaffen sind. Endlich hat es Gott gefallen, alles, das Natürliche und das Übernatürliche, in Christus Jesus zu einer Einheit zusammenzufassen, "so dass er selbst in allem den ersten Rang hat" (Kol 1,18). Dennoch nimmt diese Bestimmung der zeitlichen Ordnung in keiner Weise ihre Autonomie, ihre eigenen Ziele, Gesetze, Methoden und ihre eigene Bedeutung für das Wohl der Menschen. Sie vollendet sie vielmehr in ihrer Bedeutsamkeit und ihrem Eigenwert. Zugleich richtet sie sie auf die volle Berufung des Menschen auf Erden aus.

Im Lauf der Geschichte wurden die zeitlichen Dinge durch schwere Mißbräuche entstellt. Die Menschen, von der Erbschuld belastet, erlagen oft mannigfachen Irrtümern über das wahre Wesen Gottes, die Natur des Menschen und die Grundforderungen des Sittengesetzes. Das führte zu einem Verfall der Sitten und der menschlichen Einrichtungen, ja die menschliche Person selbst wurde nicht selten mit Füßen getreten. Auch in unseren Tagen setzen nicht wenige ein allzu großes Vertrauen auf den Fortschritt der Naturwissenschaften und der Technik und neigen zu einer gewissen Vergötzung der zeitlichen Dinge, mehr deren Sklaven als deren Herren.

Aufgabe der ganzen Kirche ist es, daran zu arbeiten, dass die Menschen fähig werden, die gesamte zeitliche Ordnung richtig aufzubauen und durch Christus auf Gott hinzuordnen.

Den Hirten obliegt es, die Grundsätze über das Ziel der Schöpfung und über den Gebrauch der Welt klar zu verkünden, sittliche und geistliche Hilfen zu gewähren, damit die zeitliche Ordnung auf Christus ausgerichtet werde.

Die Laien aber müssen den Aufbau der zeitlichen Ordnung als die gerade ihnen zukommende Aufgabe auf sich nehmen und dabei, vom Licht des Evangeliums und vom Geist der Kirche geleitet sowie von christlicher Liebe gedrängt, unmittelbar und entschieden handeln. Sie sollen aus ihrer spezifischen Sachkenntnis heraus und in eigener Verantwortung als Bürger mit ihren Mitbürgern zusammenarbeiten und überall und in allem die Gerechtigkeit des Reiches Gottes suchen.

Die zeitliche Ordnung ist so auszurichten, dass sie, unter völliger Wahrung der ihr eigentümlichen Gesetze, den höheren Grundsätzen des christlichen Lebens entsprechend gestaltet, dabei jedoch den verschiedenen Situationen der Orte, Zeiten und Völker angepaßt wird. Unter den Werken dieses Apostolates ist die soziale Tätigkeit der Christen von besonderer Bedeutung, und zwar wünscht die Heilige Synode, dass sie sich heute auf den ganzen zeitlichen Bereich, auch auf den kulturellen, erstrecke<ref>Vgl. Leo XIII., Enz. Rerum novarum: ASS 23 (1890-91) 647; Pius XI., Enz. Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 190; Pius XII., Rundfunkansprache, 1. Juni 1941: AAS 33 (1941) 207. </ref>.

Das caritative Wirken

8. Alles apostolische Wirken muss seinen Ursprung und seine Kraft von der Liebe herleiten. Einige Werke sind jedoch schon ihrer Natur nach geeignet, die Liebe lebendig zum Ausdruck zu bringen. Sie sollten, so wollte es Christus der Herr, Zeichen seiner messianischen Sendung sein (vgl. Mt 11,4-5).

Das größte Gebot im Gesetz ist, Gott aus ganzem Herzen zu lieben und seinen Nächsten wie sich selbst (vgl. Mt 22,37-40). Dieses Gebot der Nächstenliebe machte Christus zu seinem charakteristischen Gebot und gab ihm eine neue, reichere Bedeutung: Er selbst wollte gleichsam derselbe Gegenstand der Liebe sein wie die Brüder, als er sagte: "Wann ihr etwas auch nur einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, habt ihr es mir getan" (Mt 25,40). Er selbst hat ja, als er die menschliche Natur annahm, die ganze Menschheit in einer übernatürlichen Solidarität zu einer Familie zusammengefaßt und an sich gebunden, und er hat die Liebe zum Zeichen seiner Jünger bestimmt mit den Worten: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe zueinander habt" (Joh 13,35).

Wie darum die heilige Kirche schon in ihrer Frühzeit die Feier der Agape mit dem eucharistischen Mahl verband und so, als ganze durch das Band der Liebe um Christus geeint, in Erscheinung trat, wird sie zu allen Zeiten an diesem Zeichen der Liebe erkannt. Wenn sie sich auch über alles freut, was andere in dieser Hinsicht tun, nimmt sie doch die Werke der Liebe als ihre eigene Pflicht und ihr unveräußerliches Recht in Anspruch. Der barmherzige Sinn für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke, die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb in der Kirche besonders in Ehren<ref>Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 402. </ref>.

Heute, da die Kommunikationsmittel immer vollkommener arbeiten, die Entfernungen unter den Menschen sozusagen überwunden sind und die Bewohner der ganzen Erde gleichsam zu Gliedern einer einzigen Familie wurden, sind jene Tätigkeiten und Werke viel dringlicher und umfassender geworden. Das caritative Tun kann und muss heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo immer Menschen leben, denen es an Speise und Trank, an Kleidung, Wohnung, Medikamenten, Arbeit, Unterweisung, notwendigen Mitteln zu einem menschenwürdigen Leben fehlt, wo Menschen von Drangsal und Krankheit gequält werden, Verbannung und Haft erdulden müssen, muss die christliche Hilfe sie suchen und finden, alle Sorgen für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger Hilfe ihr Los zu erleichtern. Diese Verpflichtung obliegt in erster Linie den einzelnen Menschen wie den Völkern, die in Wohlstand leben<ref>Vgl. ebd. 440-441. </ref>.

Damit die Übung dieser Liebe über jeden Verdacht erhaben sei und als solche auch in Erscheinung trete, muss man im Nächsten das Bild Gottes sehen, nach dem er geschaffen ist, und Christus den Herrn, dem in Wahrheit all das dargeboten wird, was einem Bedürftigen gegeben wird. Man muss auch in tiefer Menschlichkeit auf die personale Freiheit und Würde dessen Rücksicht nehmen, der die Hilfe empfängt. Weder das Suchen des eigenen Vorteils noch Herrschsucht dürfen die Reinheit der Absicht beflecken<ref>Vgl. ebd. 442-443. </ref>. Zuerst muss man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muss die Ursachen der Übel beseitigen, nicht nur die Wirkungen. Die Hilfeleistung sollte so geordnet sein, dass sich die Empfänger, allmählich von äußerer Abhängigkeit befreit, auf die Dauer selbst helfen können.

Die Laien mögen also die Werke der Liebe und die Unternehmungen der sozialen Hilfe, private oder öffentliche, auch die internationalen Hilfswerke hochschätzen und nach Kräften fördern. Durch sie wird einzelnen Menschen und ganzen Völkern in ihrer Not wirklich geholfen. Dabei sollen die christlichen Laien mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die "Pax Romana" (M.I.I.C.), 25. März 1957: AAS 49 (1957) 298-299; und vor allem Johannes XXIII., Ansprache an den Kongreß des Rates der Food and Agriculture Organization (FAO), 10. Nov. 1959: AAS 51 (1959) 865-866. </ref>.

Anmerkungen: Kapitel II: <references />

[Fortsetzung folgt]