Anna Katharina Emmerich: Die drei Lehrjahre Jesu

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EMMERICK - VISIONEN
Das arme Leben und bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter Maria nebst den Geheimnissen des Alten Bundes nach den Visionen der gottseligen Anna Katharina Emmerick

aus den Tagebüchern des Clemens Brentano, Herausgegeben von Pater C. E. Schmöger von der Kongregation des allerheiligsten Erlösers (CSsR), Mit kirchlicher Druckerlaubnis, Immaculata Verlag Reussbühl / Luzern, Band 2: 1971, S. 100-372 (372 Seiten, Erste Auflage); Band 3: 1973, S. 9-502 (502 Seiten, Erste Auflage).

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Inhaltsverzeichnis

JESUS IN DER WÜSTE HOCHZEIT ZU KANA. ERSTE OSTERFEIER IN JERUSALEM

1. Jesu vierzigtägiges Fasten

Jesus ging vor Sabbat, von Lazarus begleitet, in die Herberge des Lazarus nach der Wüste zu. Er sagte diesem auch allein, dass Er nach vierzig Tagen wieder kommen werde. Aus der Herberge setzte Er seinen Weg allein und barfuß fort. Er ging am Anfang nicht in der Richtung von Jericho, sondern gegen Mittag, als wolle Er gegen Bethlehem, als wolle Er zwischen dem Aufenthalt von Annas Verwandten und dem von Josephs Verwandten bei Maspha durch: dann wendete Er sich gegen den Jordan zu, umging alle Orte auf Fußpfaden und kam an dem Ort dicht vorüber, wo einmal die Arche gestanden und wo Johannes das Fest gefeiert hatten.

Etwa eine Stunde von Jericho bestieg Er das Gebirge und begab sich in eine weite Höhle. Dies Gebirge zieht sich von Jericho zwischen Morgen und Mittag über den Jordan hinüber gegen Madian hin.

Jesus hat hier bei Jericho sein Fasten begonnen, hat es in verschiedenen Teilen dieser Wüste jenseits des Jordan fortgesetzt und hier wieder beschlossen, wohin Ihn der Teufel auf den Berg getragen. Dieser Berg hat auf seiner Spitze eine sehr weite Aussicht. Er ist teils mit Gesträuch bewachsen, teils einsam und kahl. Er liegt eigentlich nicht so hoch wie Jerusalem selbst, aber er liegt auf tieferem Grund und auf diesem mehr einsam erhaben. Auf der Berghöhe von Jerusalem liegt der Hügel des Kalvarienberges am höchsten, so dass er mit der Höhe des Tempelgebäudes gleich ist. Von Bethlehems Seite und gegen Mittag liegt Jerusalem ganz gefährlich steil: von dieser Seite ist auch kein Eingang und alles von Palästen eingenommen.

Jesus bestieg in der Nacht den einen steilen wilden Berg in der Wüste, den man jetzt Quarantania nennt. Es sind drei Rücken auf diesem Berg und drei Höhlen, eine über der andern. Hinter der obersten Höhle, in welche Jesus ging, sah man in den steilen dunklen Abgrund hinunter: der ganze Berg war voll schrecklicher, gefährlicher Spalten. In derselben Höhle hatte vor 400 Jahren ein Prophet gewohnt, dessen Namen ich vergessen. Auch Elias hat einstens längere Zeit heimlich hier gewohnt: er erweiterte die eine Höhle. Ohne dass jemand wusste woher, kam er manchmal hier herab unter das Volk, prophezeite und stiftete Frieden. Vor 150 Jahren hatten etwa 25 Essener hier ihre Wohnungen. Am Fuße dieses Berges stand das Lager der Israeliten, als sie mit der Bundeslade und den Posaunen um Jericho herumzogen. Der Brunnen, dessen Wasser Elisäus versüßte, ist auch in der Gegend. St. Helena hat diese Höhlen zu Kapellen einrichten lassen. Ich habe einmal in einer derselben ein Gemälde der Versuchung an der Wand gesehen. Es ist später auch ein Kloster da oben gewesen. Ich kann mir immer nicht denken, wie nur die Arbeiter da hinauf kommen konnten. Helena hat sehr viele heilige Ort mit Kirchen geschmückt. Sie baute auch jene Kirche über das Geburtshaus der Mutter Anna, zwei Stunden vor Sephoris. In Sephoris selbst hatten Annas Eltern auch ein Haus. Wie traurig, dass die meisten dieser heiligen Orte bis an die Erinnerung an sie verwüstet sind! Wenn ich als junges Mädchen vor Tag im Winter durch den Schnee nach Coesfeld zur Kirche ging, sah ich alle diese heiligen Orte so deutlich und sah oft, wie gute Menschen, sie vor Verwüstung zu schützen, sich vor den zerstörenden Kriegsleuten platt in den Weg warfen.

Das Wort in der Schrift: «Er ward vom Geist in die Wüste geführt, heißt: der Heilige Geist, der in der Taufe, insofern Jesus alles Göttliche nach seiner Menschheit an sich geschehen ließ, über Ihn kam, bewegte Ihn, in die Wüste zu gehen und sich zu seinen Berufsleiden vor seinem himmlischen Vater menschlich vorzubereiten.

Jesus betete in der Höhle mit ausgebreiteten Armen kniend zu seinem himmlischen Vater um Kraft und Trost in allen Ihm bevorstehenden Leiden. Er sah alle seine Leiden voraus und flehte um die nötigen Gnaden in jedem einzelnen. Ich hatte Bilder von allem Kummer und allen Leiden und sah Jesus Trost und Verdienst für jedes empfangen. Eine weiße Lichtwolke groß wie eine Kirche ließ sich über Ihn nieder und nach den einzelnen Gebeten nahten Ihm geistige Gestalten, welche in seiner Nähe menschliche Form gewannen, Ihn ehrten und Ihm irgend einen Trost, eine Verheißung brachten. Ich erkannte, dass Jesus hier in der Wüste allen Trost, alle Stärkung, alle Hilfe, allen Sieg in Anfechtungen für uns erwarb, alles Verdienst im Kampf und Sieg für uns erkaufte, allen Wert der Abtötung und des Fastens für uns vorbereitete und dass Er hier alle seine bevorstehende Arbeit und Leiden Gott dem Vater aufopferte, um den künftigen Geistes- und Gebetsarbeiten der an Ihn Glaubenden einen Wert zu geben. Ich erkannte den Schatz, welchen Jesus der Kirche dadurch gründete und welchen sie in der vierzigtägigen Fastenzeit eröffnet. Jesus schwitzte bei diesem seinem Gebete Blut.

Jesus ging von diesem Berge wieder herab gegen den Jordan zu zwischen Gilgal und Johannes Taufstelle, welche etwa eine Stunde südlicher war. Er schiffte sich selbst auf einem Balken über diese schmale und tiefe Stelle des Jordan und wandelte, Bethabara zur Rechten lassend und mehrere Landstraßen, die zum Jordan führen, durchschneidend, auf Gebirgspfaden durch die Wildnis zwischen Morgen und Mittag ins Gebirge. Er kam durch ein Tal, das gegen Kallirhoe zieht, über ein Flüsschen und zog auf einem Gebirgsrücken mehr mitternächtlich bis wo Jachza in dem Tal gegenüber liegt. Hier hatten die Kinder Israel den Amorrhiterkönig Sichon geschlagen. Es waren in jener Schlacht drei Israeliten immer gegen sechzehn Feinde. Aber es geschah ein Wunder, es kam ein schreckliches Brausen über die Amorrhiter, welches sie erschreckte.

Jesus war nun auf einem sehr wilden Gebirge. Es war noch rauer hier, als auf dem Berg bei Jericho, welchem es ungefähr gegenüber liegt. Vom Jordan ist es etwa neun Stunden entfernt.

Dem Satan ist Jesu Gottheit und Bestimmung verborgen. Die Worte: «Dieses ist mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe», hat der Satan als bloß von einem Menschen, einem Propheten verstanden. Jesus ist jedoch bereits oft und vielfach innerlich bedrängt. Die erste Versuchung war: «Dies Volk ist zu verdorben! soll Ich alles das um dasselbe leiden und doch das Werk nicht vollenden?» Er hatte aber mit unendlicher Liebe und Barmherzigkeit diese Versuchung im Angesicht aller seiner Qualen besiegt.

Jesus betete in der Höhle teils liegend, teils kniend, teils stehend. Er war in seiner gewöhnlichen Kleidung, nur war sie weit und los. Er war nicht gegürtet und barfuß. Sein Mantel, ein paar Taschen und der Gürtel lagen an der Erde. Täglich war die Gebetsarbeit Jesus eine andere, täglich errang Er uns andere Gnaden und nie kehrte das vorhergegangene zurück. Ohne diese seine Arbeit würde uns der Widerstand gegen Versuchung nie verdienstlich werden können.

Jesus aß und trank nie, aber ich sah Ihn von Engeln erquickt werden. Er ward durch sein langes Fasten nicht hager, aber ganz weiß und bleich.

In der Höhle, die nicht ganz auf dem Gipfel des Berges lag, war ein Loch, durch welches ein rauer, kalter Wind hereinzog. Es war um diese Jahreszeit sehr kalt und neblig hier. Die Höhle war von buntgeadertem Gestein, das wie gemalt ausgesehen haben müsste, wäre es geglättet worden. Der Felsen, in dem sie lag, war mit wenig Gesträuch bewachsen. Sie war so geräumig, dass Jesus an einer Stelle knien oder liegen konnte, ohne unter dem Loch zu sein.

An einem Tag sah ich Ihn auf seinem Angesicht liegen. Seine bloßen Füße waren rot und von den rauen Wegen verwundet, denn Jesus war barfuß in die Wüste gewandelt. Bald richtete Er sich auf, bald betete Er auf dem Angesicht liegend. Er war von Licht umgeben. Auf einmal kam ein Brausen vom Himmel nieder. Es ergoss sich ein Licht in die Höhle und es kam eine ganze Schar von Engeln, welche allerlei trugen. Ich fühlte mich so gedrängt und überwältigt, dass ich mich wie in die Wand des Felsens hineingedrückt glaubte, mit der Empfindung, als versänke ich. begann ich zu rufen: «versinken soll ich! ich soll neben meinem Jesus versinken!»

Nun aber sah ich, dass die Engel sich vor Jesus beugten, Ihn verehrten und fragten, ob sie Ihm ihre Sendung vorstellen dürften und ob es noch sein Wille sei, für die Menschen als Mensch zu leiden, wie dieses sein Wille gewesen, da Er aus seinem himmlischen Vater herabgestiegen sei und Fleisch angenommen habe im Leib der Jungfrau? Da nun Jesus abermals diese Leiden annahm, richteten die Engel ein hohes Kreuz vor Ihm auf, welches sie in seinen einzelnen Teilen tragend herangekommen waren. Es war dies Kreuz in der Gestalt, wie ich es immer sehe. Aber es bestand aus vier Stücken, wie ich immer die Kreuzkelter sehe. Der obere Teil des Kreuzstammes nämlich, der zwischen den beiden eingesetzten Armen hervorsteigt, war auch abgesondert. Fünf Engel trugen den unteren Stamm des Kreuzes, drei den oberen Teil, drei den linken und drei den rechten Kreuzarm, drei den Klotz, worauf seine Füße ruhten, drei trugen eine Leiter, ein anderer einen Korb mit allerlei Stricken und Werkzeug, andere Speer, Rohr, Ruten, Geißeln, Dornenkrone, Nägel und alle seine Spottkleider, ja alles, was bei seinem Leiden vorkam.

Das Kreuz aber schien hohl, man konnte es auftun wie einen Schrank und es war in allen seinen Teilen mit unzähligen mannigfaltigen Marterwerkzeugen angefüllt. In der Mitte aber, wo Jesu Herz gebrochen ward, war eine Verschlingung von allen möglichen Bildern der Pein in den verschiedensten Instrumenten und war die Farbe des Kreuzes von einer rührend schmerzlichen Blutfarbe.

So waren alle Teile und Stellen des Kreuzes von verschiedenen schmerzlichen Farben, aus denen man die Pein erkennen konnte, welche da erlitten werden sollte und wo sie in Strahlen nach dem Herzen hinlief. Auch die Instrumente auf jeder Stelle waren die Gestalt der zukünftigen Peinen.

Es waren in dem Kreuze auch Gefäße mit Galle, Essig, aber auch Salben und Myrrhen und etwas wie Gewürz, wahrscheinlich auf Tod und Grablegung sich beziehend.

Außerdem waren darin eine Menge von langen aufgerollten Bahnen, wie handbreite Zettel von verschiedenen Farben, worauf verschiedene Leiden und Leidensarbeiten geschrieben waren. Die Farben deuteten auf verschiedene Grade und Arten von Finsternis, welche zu erleuchten und auszubleichen waren durch Leiden. Schwarz war das. was verloren ging, braun das Trübe, Dürre, Trockene, Vermischte, Schmutzige, rot das Schwere, Irdische, Sinnliche, gelb das Weichliche, Leiden scheuende. Es waren halbgelbe, halbrote Bahnen dabei, beides musste weiß werden. Dann waren auch eine Menge ganz weißer Bahnen darin, wie Milchbahnen und die Schrift war leuchtend in ihnen, man sah sie durch. Diese bezeichneten das Gewonnene, Vollendete.

Alle diese farbigen Bänder waren wie die Rechnung der Arten der Schmerzen und Arbeiten, welche Jesus in seinem Wandel und Leiden mit den Jüngern und anderen Menschen haben würde.

Auch wurden Jesus all jene Menschen vorgeführt, durch welche Er am meisten geheime Leiden haben würde: die Tücke der Pharisäer. der Verräter Judas, die mitleidslosen Juden bei seinem schmählichen bitteren Tod.

Alles ordneten und entwickelten die Engel vor dem Heiland mit einer unaussprechlichen Ehrfurcht und einer priesterlichen Ordnung. Als das ganze Leiden vor Ihm aufgerichtet und ausgesprochen war, sah ich Jesus und die Engel weinen.

Ich sah an einem späteren Tag auch, dass die Engel Jesus den Undank der Menschen, den Zweifel, Spott, Hohn, Verrat, Verleugnung der Freunde und Feinde bis zu seinem Tod und nach demselben in Bildern zeigten und alles, was von seiner Arbeit und Pein verloren gehe. Sie zeigten Ihm aber auch zum Trost alles, was gewonnen werde. Sie zeigten mit den Händen nach den Bildern.

In allen diesen Vorstellungen des Leidens Jesu sah ich das Kreuz Jesu wie immer von fünf Holzarten und mit eingesetzten Armen, unter jedem Arm einen Keil, einen Ruheklotz unter den Füßen. Das Stück des Stammes über dem Haupt, woran der Titel, sah ich einzeln aufgezapft, denn der Stamm war anfangs zu niedrig, um die Schrift über das Haupt zu setzen. Es war aufgesetzt wie der Deckel auf eine Nadelbüchse.

Jesus wird vom Satan mannigfach versucht

Der Satan kannte nicht die Gottheit Christi. Er hielt Ihn für einen Propheten. Er hatte seine Heiligkeit von Jugend auf gesehen und auch die Heiligkeit seiner Mutter, die gar nicht auf den Satan merkte. Sie nahm keine Versuchung auf. Es war kein Stoff in ihr, woran er anknüpfen konnte. Sie war die schönste Jungfrau und Frau, hatte aber nie mit Wissen Freier gehabt, außer bei dem heiligen Los mit den Zweigen im Tempel, da sie verehlicht werden sollte. Dass Jesus eine gewisse pharisäische Strenge in Nebengebräuchen gegen seine Jünger nicht hatte, machte den bösen Feind irre. Er hielt Ihn für einen Menschen, weil manche Unordnung der Jünger die Juden ärgerte. Weil er Jesus oft eifrig sah, wollte er Ihn bald als ein Ihm hierher folgender Jünger ärgern. Weil er Ihn barmherzig sah, wollte er Ihn bald als schwacher Greis rühren oder als Essener mit Ihm disputieren. So sah ich einmal den Satan im Eingang der Höhle in Gestalt des Sohnes einer der drei Witwen, den Jesus besonders liebte. Er machte ein Geräusch und dachte, Jesus sollte sich ärgern, dass der Jünger Ihm wider sein Verbot gefolgt sei. Jesus schaute nicht einmal nach ihm um. Der Satan schaute in die Höhle und brachte allerlei Geschwätz vor von Johannes dem Täufer, der wohl sehr böse auf Ihn werden solle, weil er vernommen habe, dass Er hie und da taufen lasse, was doch seine Sache nicht sei.

Danach sandte der Teufel die Erscheinungen von sieben oder neun seiner Jünger nacheinander hinauf. Sie kamen einzeln in die Höhle und sagten. Eustachius habe ihnen gesagt, dass Er hier sei. Sie hätten Ihn so ängstlich gesucht. Er solle sich hier oben nicht zu Grunde richten und sie nicht verlassen. Es werde so viel von Ihm geredet, Er solle dies und jenes doch nicht auf sich sitzen lassen. Jesus aber sagte nichts als: «weiche von Mir Satan, es ist jetzt nicht Zeit.» Da verschwanden sie alle.

Wieder einmal nahte der Satan in Gestalt eines altersschwachen und ehrwürdig aussehenden Esseners, der mühselig den steilen Berg heraufkletterte. Es wurde ihm so schwer, dass ich Mitleid mit dem alten Mann empfand. Er nahte der Höhle und sank unter dem Eingang mit lautem Stöhnen ohnmächtig nieder. Jesus aber schaute gar nicht nach ihm. Da richtete der Alte sich wieder auf und sagte, er sei ein Essener vom Berge Karmel, habe von Ihm gehört und sei schier sterbend Ihm hierher gefolgt. Er solle sich doch ein wenig zu ihm setzen und von heiligen Dingen mit ihm sprechen. Er wisse auch, was fasten und beten sei. Wenn zwei beisammen wären in Gott, so gehe die Auferbauung besser. Jesus sprach nur wenige Worte ungefähr wie: «weiche Satan, es ist jetzt nicht die Zeit!» Da sah ich, dass es der Satan gewesen, denn indem er sich wegwendete und verschwand, sah ich ihn dunkel werden und grimmig. Es wurde mir sehr lächerlich, dass er sich hingeworfen hatte und selbst wieder aufstehen musste.

Als der Satan Jesus wieder versuchen wollte, kam er in der Gestalt des alten Eliud. Er musste wissen, dass Jesus von den Engeln das Kreuz vorgestellt worden war, denn er sagte: er habe eine Offenbarung gehabt, welch schwere Kämpfe Jesus gezeigt worden seien. Er habe wohl gefühlt, dass Er dieselben nicht bestehen werde. Vierzig Tage zu fasten werde Er auch nicht im Stande sein. Darum habe er aus Liebe zu Ihm sich hierher begeben, Ihn nochmals zu sehen und zu bitten, dass er die Einöde mit Ihm teilen dürfe, um einen Teil seines Gelübdes zu übernehmen. Jesus aber achtete gar nicht auf den Versucher, erhob seine Hände zum Himmel und sprach: «Mein Vater nimm diese Versuchung von Mir!» worauf der Satan mit grimmiger Gestalt verschwand.

Jesus kniete hierauf betend und nach einiger Zeit sah ich drei Jünglinge nahen, welche bei seinem ersten Ausgang aus Nazareth mit Ihm gewesen waren und Ihn nachher verlassen hatten. Diese Jünglinge nahten schüchtern, warfen sich vor Jesus nieder und klagten, wie sie keine Ruhe hätten, bis Er ihnen vergeben. Er solle sich ihrer erbarmen, sie wieder aufnehmen und mit Ihm fasten lassen zur Buße. Sie wollten Ihm gewiss die treuesten Jünger werden. Sie taten sehr kläglich und gingen in der geräumigen Höhle mit allerlei Geräusch um Ihn. Jesus stand auf, erhob die Hände, flehte zu Gott und sie verschwanden.

Da Jesus an einem späteren Tage kniend in der Höhle betete, sah ich den Satan in einem schimmernden Kleide, als würde er durch die Luft getragen, an der steilen Seite des Felsens emporschweben. Diese ganz steile Seite, wo kein Eingang, aber einige Löcher in die Höhle waren, war die Morgenseite. Jesus sah nicht nach dem Satan, der einen Engel vorstellen wollte. Sein Licht ist aber dann nie durchsichtig, sondern wie aufgeschmiert und sein Gewand macht einen starren Eindruck, während das Gewand der Engel leicht und durchsichtig scheint. Er schwebte in den Eingang der Höhle und sagte: ich bin von deinem Vater gesandt, Dich zu trösten. Jesus sah nicht nach ihm. Dann erschien er wieder an einer Öffnung der Höhle an der ganz unzugänglichen Seite und sagte zu Jesus, er solle sehen, dass er ein Engel sei und hier herauf auf den Felsen schweben könne. Jesus sah aber nicht nach ihm. Da ward der Satan ganz grimmig und tat, als wenn er Ihn mit seinen Krallen durch die Öffnung fassen wolle und seine ganze Gestalt ward entsetzlich und er verschwand. Jesus aber schaute nicht nach ihm.

Auch in der Gestalt eines alten und ganz verwildert aussehenden Einsiedlers vom Berge Sinai sah ich den Satan zu Jesus in die Höhle kommen. Er kletterte mühsam am Berge herauf, hatte nur ein Fell um den Leib geworfen, einen langen Bart, aber etwas spitzes und listiges im Gesicht. Er sagte, es sei ein Essener vom Berge Karmel bei ihm gewesen und habe ihm von seiner Taufe. seiner Weisheit, seinen Wundern und nun von seinem strengen Fasten gesprochen. Da habe er sich in seinem Alter den weiten Weg hierher zu Ihm begeben, Er solle nun mit ihm reden, er habe eine lange Erfahrung in Abtötungen. Es sei genug. Er solle es nun daran geben, er wolle einen Teil davon übernehmen. Er redete sehr vieles Zeug daher. Jesus sah seitwärts und sagte: «Weiche von Mir Satan!» Da sah ich den Satan sich verfinstern und er rollte wie ein schwarzer Ball mit Gekrach den Berg hinab.

Ich tat da die innere Frage, wie es denn ihm so ganz verborgen sei, dass Christus Gott sei? Und ich erhielt darüber Weisungen und erkannte nun ganz deutlich den unbegreiflichsten Nutzen für die Menschen, dass der Satan und sie selber es nicht wussten und dass sie es mussten glauben lernen. Ein Wort sagte mir der Herr, das ich behalten, nämlich: «Der Mensch hat nicht gewusst, dass die Schlange, die ihn verführte, der Satan war, darum darf auch der Satan nicht wissen, dass es Gott ist, der den Menschen erlöst.» Ich sah auch, dass der Satan die Gottheit Christi nicht eher erfuhr, als da Er die Seelen aus der Vorhölle befreite.

An einem der folgenden Tage sah ich den Satan in Gestalt eines vornehmen Mannes aus Jerusalem vor die Höhle des betenden Jesus kommen. Er sagte, er komme aus großer Teilnahme für Ihn, denn er wisse wohl, dass Er bestimmt sei, die Freiheit der Juden herzustellen. Er erzählte dann von allem, was in Jerusalem über Jesus gesprochen und verhandelt werde und sagte, er komme nun zu Ihm, um seine Sache zu unterstützen: er sei ein Beamter des Herodes, Jesus möge mit ihm nach Jerusalem gehen und sich im Palast des Herodes verborgen halten, seine Jünger da selbst um sich versammeln, um sein Vorhaben in Gang zu bringen. Er solle jetzt gleich mit ihm gehen. Alles dieses setze er Jesus sehr weitläufig auseinander. Jesus sah nicht nach ihm, aber Er betete heftig und Ich sah den Satan zurückweichen und seine Gestalt gräulich werden und wie Feuer und Dampf aus seiner Nase kommen, worauf er verschwand.

Da Jesus zu hungern und besonders zu dürsten begann, kam der Satan in Gestalt eines frommen Einsiedlers herbei und sagte: es hungert mich so! Ich bitte Dich, gib mir doch von den Früchten, die da vor der Höhle an dem Berge stehen, denn ich will keine davon abbrechen, ohne den Besitzer zu fragen (er stellte sich, als halte er Jesus für den Besitzer). Dann lasse uns zusammensitzen und von guten Dingen sprechen. Es standen aber nicht am Eingang, sondern an der andern Seite gegen Morgen der Höhle in einiger Entfernung Feigen und eine Art Frucht, wie Nüsse, doch mit weichen Schalen, wie sie die Mispeln haben, auch Beeren. Jesus sagte: «weiche von Mir, du bist der Lügner von Anfang an und lasse keinen Schaden auf den Früchten zurück!» Da sah ich den Einsiedler in einer kleinen dunkeln Gestalt im Bogen über den Berg hinwegeilen und einen schwarzen Dampf von sich speien.

Der Satan kam auch in Gestalt eines Reisenden zu Jesus, fragte Ihn, ob er nicht von den schönen Trauben in der Nähe da essen dürfe, sie seien gut für den Durst. Jesus antwortete nichts, sah auch gar nicht nach ihm hin.

Tags darauf versuchte er Ihn ebenso mit einer Quelle.

Der Satan versucht Jesus durch Schaukünste

Der Satan kam zu Jesus in die Höhle als ein Schaukünstler und Weltweiser und sagte, er komme zu Ihm als einem Weisen und wolle Ihm zeigen, dass er auch etwas vermöge, Er solle einmal hier hineinsehen. Da zeigte er Ihm an seiner Hand hängend eine Maschine gleich einer Kugel, doch mehr noch einem Vogelkorb ähnlich. Jesus sah nicht nach ihm, wendete ihm den Rücken und ging zur Höhle hinaus. In dem Guckkasten, den Satan trug, sah man eine große Herrlichkeit der Natur, eine liebliche, üppige Gartenlust voll schattiger Lauben, kühler Quellen, reich beladener Fruchtbäume und köstlicher Trauben. Alles war ganz nah wie zum greifen und in immer schönerer lockender Abwechslung. Als Jesus aber dem Satan den Rücken wandte, entwich er.

Es war dies abermal eine Versuchung, das Fasten Jesu zu stören, welcher jetzt großen Hunger und Durst zu empfinden beginnt. Der Satan weiß gar nicht, was er aus Ihm machen soll. Er kennt zwar die Weissagungen von Ihm und fühlt auch, dass Er eine Gewalt über ihn übt, weiß aber nicht, dass Er Gott ist, noch dass Er der in seinem Werk der unverletzliche Messias ist, weil er Ihn fasten, Anfechtung leiden, hungern, weil er Ihn so arm und in vielem so leidend, so ganz menschlich sieht. Der Satan ist hierin teils so blind, wie die Pharisäer. Er hielt Ihn aber für einen heiligen Menschen, den er in jedem Fall versuchen und zum Falle bringen könne.

Der Satan versucht Jesus, Er solle Brot aus Steinen machen

Jesus litt von Hunger und Durst. Ich sah Ihn mehrmals vor der Höhle. Gegen Abend kam der Satan wie ein großer kräftiger Mann den Berg herauf. Er hatte unten zwei Steine aufgehoben, von der Länge kleiner Brote, aber eckig, denen er aufsteigend in seinen Händen die volle Gestalt der Brote gab. Er hatte etwas ungemein grimmiges, da er zu Jesus in die Höhle trat. Er hatte in jeder Hand einen der Steine und sagte zu Ihm etwa so viel wie: Du hast Recht, dass Du keine Früchte aßest, sie reizen nur die Esslust. Wenn Du aber Gottes geliebter Sohn bist, über den der Geist bei der Taufe gekommen, siehe ich habe gemacht, dass sie wie Brote aussehen, so mache Du Brot aus diesen Steinen. Jesus sah nicht nach dem Satan Ich hörte Ihn nur die Worte sagen: «der Mensch lebt nicht nur vom Brote.» Diese Worte habe ich allein deutlich behalten. Nun wurde der Satan ganz grimmig, streckte seine Krallen gegen Jesus aus, wobei ich die beiden Steine auf seinen Armen liegen sah und entfloh. Ich musste lachen, dass er seine Steine wieder mitnehmen musste.

Der Satan trägt Jesus auf die Zinne des Tempels. Dann auf den Berg Quarantania. Engel erquicken Jesus

Gegen Abend des folgenden Tages sah ich den Satan in der Gestalt eines mächtigen Engels zu Jesus mit großem Gebrause heranschweben. Er war in der Art kriegerischer Bekleidung, wie ich den heiligen Michael erscheinen sehe. Doch immer kann man durch seinen größten Glanz etwas finsteres und grimmiges durchsehen. Er prahlte gegen Jesus und sagte ungefähr: «ich will Dir zeigen, wer ich bin und was ich vermag und wie mich die Engel auf den Händen tragen. Sieh dort Jerusalem! Sieh den Tempel! ich will Dich auf seine höchste Spitze stellen. Da zeige, was Du vermagst und ob Engel Dich herunter tragen.» Indem er so hinzeigte, war es, als sähe ich Jerusalem und den Tempel dicht vor dem Berg liegend. Ich glaube aber, dass dies nur eine Vorstellung war. Jesus gab ihm keine Antwort. Der Satan fasste Ihn bei den Schultern und trug Ihn durch die Luft, aber niedrig schwebend, nach Jerusalem und stellte Ihn auf die Spitze eines Turmes, deren vier auf den vier Ecken des Tempelumfanges standen, die ich sonst nicht beachtet hatte. Dieser Turm stand an der Abendseite gegen Sion zu, der Burg Antonia gegenüber. Der Tempelberg ging da sehr steil hinab. Diese Türme waren wie Gefängnisse. In einem derselben wurden die kostbaren Kleider des Hohenpriesters bewacht. Sie waren oben platt, dass man darauf herumgehen konnte. Es erhob sich aber noch ein hohler Kegel in der Mitte dieser Fläche, der oben mit einer großen Kugel endete, auf der wohl für zwei Menschen zum stehen Raum war. Man hatte da den ganzen Tempel unter sich zu überschauen.

Auf diesen höchsten Punkt des Turmes stellte der Satan Jesus, der nichts sagte. Der Satan aber flog hinab auf den Grund und sagte: «wenn Du Gottes Sohn bist, so zeige deine Macht und lasse Dich auch herab. Denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln Befehl geben, dass sie Dich auf den Händen tragen, dass Du an keinen Stein stoßest.» Da sprach Jesus: «es steht auch geschrieben, du sollst deinen Herrn nicht in Versuchung führen.» Da kam der Satan ganz ergrimmt wieder zu Ihm und Jesus sagte: «brauche deine Gewalt, die dir gegeben ist.»

Da fasste Ihn der Satan sehr grimmig wieder an den Schultern und flog mit Ihm über die Wüste hin gegen Jericho zu. Auf dem Turm sah ich gegen Abend Dämmerlicht am Himmel. Er schien mir diesmal langsamer zu fliegen. Ich sah ihn in Zorn und Grimm mit Jesus bald hoch, bald niedrig und schwankend schweben, wie einer, der seine Wut auslassen will und des Gegenstandes nicht mächtig wird. Er trug Jesus auf denselben Berg, sieben Stunden von Jerusalem, auf welchem Er die Fasten begonnen hatte.

Ich sah, dass er Ihn dicht über einen alten Terebintenbaum wegtrug, der groß und mächtig in dem ehemaligen Garten eines der Essener stand, die vor Zeiten hier gewohnt. Auch Elias hatte sich hier aufgehalten. Er stand hinter der Höhle nicht weit von dem schroffen Abhang. Solche Bäume werden dreimal im Jahr angezapft und geben jedes mal einen etwas geringeren Balsam.

Der Satan stellte den Herrn auf der höchsten Spitze des Berges an einer überhängenden unzugänglichen Klippe hin, viel höher als die Höhle. Es war Nacht. Aber indem der Satan um sich her zeigte, war es hell und man sah die wunderbarsten Gegenden nach allen Richtungen der Welt. Der Teufel sagte ungefähr zu Jesus: «ich weiß, Du bist ein großer Lehrer und willst jetzt Schüler berufen und Deine Lehre ausbreiten. Sieh! hier alle diese herrlichen Länder, diese mächtigen Völker und sieh hier das kleine Judäa dagegen! Dorthin gehe! Ich will Dir alle diese Länder übergeben, wenn Du niederkniest und mich anbetest.» Mit diesem Anbeten meinte der Teufel eine Erniedrigung, welche damals oft unter den Juden und besonders den Pharisäern vor hohen Personen und Königen üblich war, wenn sie etwas von ihnen erlangen wollten. Der Teufel hatte hier eine ähnliche, nur erweiterte Versuchung vor, wie damals, als er in Gestalt des Beamten eines Herodes aus Jerusalem zu Jesus kam und Ihn nach Jerusalem in das Schloss forderte, Ihn dort zu unterstützen in seiner Sache. Wenn der Satan so umherzeigte, sah man große Länder und Meere, dann ihre Städte, dann ihre Könige in Pracht und Triumph und mit vielen Kriegsvölkern und Aufzügen umgeben einherziehen. Man sah dies alles ganz deutlich, als sei man nahe dabei und noch deutlicher. Man war wirklich überall darin und jedes Bild, jedes Volk war verschieden in Glanz und Pracht. Sitten und Gebräuchen.

Der Satan strich auch die einzelnen Vorzüge der Völker heraus und zeigte besonders nach einem Land, wo sehr große und prächtige Leute, schier wie Riesen waren. Ich meine, es war Persien und er riet Ihm vor allem, dahin lehren zu gehen. Palästina zeigte er Ihm aber ganz klein und unbedeutend. Es war dies ein ganz wunderbares Bild. Man sah so viel und so klar und alles war so glänzend und prächtig!

Jesus sprach nichts als die Worte: «du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und Ihm allein dienen. Weiche von Mir, Satan!» Da sah ich den Satan in einer unbeschreiblich gräulichen Gestalt sich von dem Felsen wegheben und in die Tiefe niederstürzen und verschwinden. als verschlinge ihn die Erde.

Gleich hierauf sah ich eine Schar von Engeln sich Jesus nahen, vor Ihm sich beugen und Ihn, wie auf den Händen, sanft mit Ihm an den Felsen niederschwebend, in die Höhle tragen, in welcher Jesus das vierzigtägige Fasten begonnen hatte. Es waren zwölf Engel und dienende Scharen, welche auch eine bestimmte Zahl hatten. Ich weiß nicht mehr gewiss, ob 72. Aber ich bin geneigt, es zu glauben, denn ich hatte während des ganzen Bildes eine Erinnerung an Apostel und Jünger. Es ward nun in der Höhle ein Dank- und Siegesfest und ein Mahl gefeiert. Ich sah die Höhle von den Engeln inwendig mit einer Weinlaube überziehen, von der herab eine Siegeskrone von Laub über Jesus schwebte. Alles dieses geschah in wunderbarer Ordnung und Feierlichkeit und war sinnbildlich und leuchtend und bald vollendet. Denn das in einer Intention hingepflanzte oder gebrachte folgte der Intention ganz lebendig nach und breitete sich nach seiner Bestimmung aus.

Die Engel brachten auch eine anfangs kleine Tafel heran mit himmlischen Speisen besetzt, welche sich schnell wachsend vergrößerte. Die Speisen und Gefäße waren solche, wie ich sie immer an Himmelstafeln sehe und ich sah Jesus und die zwölf Engel und auch die andern ihrer teilhaftig werden. Denn es war kein Essen durch den Mund und doch ein zusich-nehmen und übergehen der Fruchtgestalten in die Genießenden und ein erquickt- und teilhaftig-werden derselben. Es war, als wenn die innere Bedeutung der Speisen nun in den genießenden überging. Es ist das nicht auszusprechen.

Am Ende der Tafel stand ein leuchtender großer Kelch und kleine Becher um ihn her in der Gestalt, wie bei Einsetzung des Abendmahles, nur geistig und größer und auch ein Teller mit solchen dünnen Brotscheiben. Ich sah, dass Jesus aus dem großen Kelch in die Becher eingoss und Bissen des Brotes in dieselben tauchte und dass die Engel dieselben erhielten und wegbrachten. In dieser Handlung ging dies Bild vorüber und Jesus verließ die Höhle gegen den Jordan hinabgehend.

Die Engel. welche Jesus dienten, erschienen in verschiedener Form und Ordnung. Die welche zuletzt mit Wein und Brot verschwanden, waren in priesterlicher Kleidung. Ich sah aber in demselben Augenblick allerlei wunderbaren Trost über die jetzigen und späteren Freunde Jesu kommen. Ich sah Jesus der heiligen Jungfrau in Kana erscheinen im Gesicht und sie erquicken. Ich sah Lazarus und Martha gerührt und von Liebe zu Jesus erfüllt. Ich sah die stille Maria von einem Engel mit der Gabe vom Tisch des Herrn wirklich gespeist. Ich sah den Engel bei ihr und sie es ganz kindlich empfangen. Sie hatte alle Leiden und Versuchungen Jesus immer mitgesehen und lebte ganz in diesem Schauen und Mitleiden und wunderte sich nicht. Auch Magdalena sah ich wunderbar bewegt. Sie war mit Schmuck zu einem Fest beschäftigt, als sie eine plötzliche Angst über ihr Leben und innere Begierde nach Rettung überfiel, so dass sie ihren Schmuck an die Erde warf und von ihrer Umgebung verlacht wurde. Viele nachmalige Apostel sah ich auch erquickt und voll Sehnsucht. Den Nathanael sah ich in seiner Wohnung an alles denken, was er von Jesus gehört. Er war sehr von Ihm gerührt, aber schlug es wieder aus dem Sinn. Petrus, Andreas und alle andern sah ich gestärkt und gerührt. Es war dies ein sehr wunderbares Bild.

Maria lebte während dieser Zeit des Fastens Jesu anfänglich in dem Haus bei Kapharnaum. Sie hatte hier vielerlei Reden von Leuten zu hören, welche Jesus vorwarfen, dass Er herumziehe und niemand wisse, wo. Dass Er sie vernachlässige, da es doch seine Pflicht wäre. nach dem Tod Josephs für seiner Mutter Unterhalt ein Geschäft anzufangen usw. Überhaupt war jetzt im ganzen Land ein großes Gerede von Jesus, da nun das Wunder bei seiner Taufe, das Zeugnis des Johannes und die Erzählungen seiner zerstreuten Jünger zusammen kamen. Nur noch einmal bei Lazarus Erweckung und vor seinem Leiden war das Gerücht ebenso groß. Die heilige Jungfrau war sehr ernst und innerlich. Sie war nie ohne innere Bewegungen, Anschauungen und Mitleiden mit Jesus.

Gegen das Ende der vierzig Tage war Maria zu Kana in Galiläa bei den Eltern der Braut von Kana. Es sind dies angesehene Leute und wie die Vorgesetzten der Stadt. Sie haben ein schönes Haus fast mitten in der Stadt, die sehr angenehm und rein gebaut ist. Es geht eine Straße mitten durch. Ich meine von Ptolomais, man sieht die Straße von den Anhöhen gegen die Stadt kommen. Sie ist nicht so verwirrt und ungleich gebaut wie andere. Der Bräutigam heiratet hier ins Haus. Sie haben noch ein zweites Haus in der Stadt, das sie ganz eingerichtet der Tochter mitgeben. Die heilige Jungfrau wohnt jetzt darin. Der Bräutigam ist fast ebenso alt. wie Jesus und wie ein Hausvater bei seiner Mutter und führt ihr den Haushalt. Die guten Leute ziehen die heilige Jungfrau bei der Einrichtung ihrer Kinder zu Rate und zeigen ihr alles.

Johannes war in dieser Zeit immerfort mit Taufen beschäftigt. Herodes bemühte sich, dass er zu ihm komme. Er sendete auch an ihn, über Jesus ihn auszuholen. Johannes behandelte ihn aber immer geringschätzig und wiederholte sein altes Zeugnis von Jesus. Auch Abgesandte von Jerusalem waren wieder bei ihm, ihn über Jesus und ihn selbst zu Rede zu stellen. Johannes antwortete wie immer. er habe Ihn früher nicht mit Augen gesehen, er sei aber gesandt, seinen Weg zu bereiten.

Seit der Taufe Jesu lehrte Johannes immer, dass das Wasser durch die Taufe Jesu und den Heiligen Geist, der auf Jesus gekommen, geheiligt sei und dass aus dem Wasser sehr viel böses gewichen sei. Es war wie ein Exorzisieren des Wassers. Jesus ließ sich taufen, damit das Wasser geheiligt werde. Die Taufe Johannes war nun reiner und heiliger. Darum sah ich auch Jesus in einem abgesonderten Becken taufen und aus diesem in den Jordan und das allgemeine Taufbad leiten und auch Jesus und die Jünger von dem Wasser mitnehmen zu fernerer Taufe.

2. Jesus zieht an den Jordan und lässt taufen

Bei Tagesanbruch setzte Jesus an jener engen Stelle über den Jordan, wo Er vor vierzig Tagen hinübergefahren war. Es lagen dort Balken, sich überzuschiffen. Es war aber nicht die ÜberfahrsteIle des allgemeinen Landweges, sondern eine Nebenstelle. Jesus ging nun an der Morgenseite des Jordan hinab bis der Taufstelle Johannes gegenüber. Dieser lehrte und taufte, deutete aber gleich hinüber und rief: «Sehet das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt.» (Joh 1.36). Jesus ging nun vom Ufer zurück Bethabara zu.

Andreas aber und Saturnin, welche bei Johannes gestanden, eilten über den Jordan. Sie gingen den nämlichen Weg, den Jesus hinübergekommen. Es folgte auch einer der Vettern des Joseph von Arimathäa und zwei andere Jünger des Johannes. Sie eilten Jesus nach, der sich wendete und ihnen entgegen gehend sie fragte, was sie suchten. Da fragte Andreas freudig, Ihn wieder gefunden zu haben, wo Er wohne? Jesus sagte ihnen, sie sollten Ihm nachfolgen und führte sie nach einer Herberge vor Bethabara gegen das Wasser zu gelegen, wo sie sich niedersetzten. Jesus blieb mit den fünf Jüngern diesen Tag in Bethabara und nahm eine Mahlzeit mit ihnen ein. Er sprach vom Anfang seines Lehramtes und dass Er sich Jünger sammeln werde. Andreas erwähnte Ihm manche seiner Bekannten und lobte sie zu diesem Zwecke: er erwähnte Petrus, Philippus und Nathanael. Jesus sprach auch von der Taufe hier am Jordan und dass einige von ihnen hier taufen sollten. Da erwiderten sie, es sei hier keine bequeme Taufstelle, nur da, wo Johannes taufe und es sei doch nicht gut, wenn dieser verdrängt würde. Jesus aber sprach von des Johannes Bestimmung und Sendung und deren naher Vollendung überhaupt. und bestätigte alle Worte des Johannes, die er über sich und den Messias gesprochen.

Jesus sprach auch von der Vorbereitung in der Wüste zu seinem Lehramt und von der Vorbereitung, die zu jedem wichtigen Werk nötig sei. Er war innig und vertraulich gegen die Jünger. Diese waren etwas scheu und demütig.

Am folgenden Morgen ging Jesus mit den Jüngern von Bethabara an den Jordan zu den Überfahrhäusern und lehrte in einer Versammlung. Später ging Er über den Jordan und lehrte in einem kleinen Orte von etwa zwanzig Häusern eine Stunde vor Jericho. Es zogen Scharen von Täuflingen und Johannesjünger ab und zu, Ihn zu hören und dem Täufer von Ihm zu erzählen. Es war gegen Mittag, als Er hier lehrte.

Jesus beauftragte mehrere Jünger, nach dem Sabbat jenseits des Jordan, eine Stunde etwa stromaufwärts von Bethabara, einen Taufbrunnen wieder zu ordnen, wo Johannes von Ainon herabziehend getauft hatte, ehe er auf der Abendseite des Jordan gegenüber von Bethabara taufte.

Man wollte Jesus hier eine Mahlzeit bereiten. Er verließ aber den Ort und kehrte vor Sabbat über den Jordan nach Bethabara zurück, wo Er den Sabbat hielt und in der Synagoge lehrte. Er aß bei dem Vorsteher der Schule und schlief in dessen Haus.

Die Taufstelle, welche Johannes eine kurze Zeit vor der bei Jericho inne gehabt hatte, wurde von den Jüngern Jesus wieder hergestellt. Der Taufbrunnen hier war nicht ganz so groß, wie der des Johannes bei Jericho. Er hatte einen erhabenen Rand mit einspringender Zunge zum Stand des Taufenden und war mit einem kleinen Kanal umgeben, aus welchem das Wasser durch den Rand ins Becken gelassen werden konnte.

Es sind jetzt hier unten drei Taufbrunnen : dieser oberhalb Bethabara, dann der Taufbrunnen Jesu auf der emporgetauchten Insel im Jordan und der allgemeine Taufbrunnen des Johannes.

Als Jesus hier ankam, goss Er Taufwasser aus dem Inselbrunnen, in dem Er getauft worden war und das Andreas in einem Schlauche mitgebracht, in den Taufbrunnen und segnete ihn. Es wurden auch alle Getauften ganz wunderbar gerührt und bewegt. Andreas und Saturnin tauften. Es war keine ganze Eintauchung. Die Leute traten neben dem Rand ins Wasser. Es wurden ihnen die Hände auf die Schultern gelegt und der Taufende schöpfte dreimal mit der Hand über sie und taufte im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, welches Johannes nicht so tat, der ein dreistrahliges Schöpfgefäß hatte. Es ließen sich sehr viele Leute, besonders aus Peräa, taufen.

Jesus lehrte auf einem kleinen Rasenhügel in der Nähe stehend von der Buße und der Taufe und vom Heiligen Geist. Er sagte: «Mein Vater hat den Heiligen Geist herabgesandt, als Ich getauft wurde und hat gesagt: Das ist mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe. Das sagt Er aber zu jedem, welcher seinen himmlischen Vater liebt und seine Sünden bereut. Und über alle, welche getauft werden im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, sendet Er seinen Heiligen Geist. Alle sind dann seine Söhne, an denen Er Wohlgefallen hat, denn Er ist der Vater aller, welche seine Taufe empfangen und Ihm durch dieselbe geboren werden.»

Ich wundere mich immer, wie das alles im Evangelium so kurz steht und wie Jesus da gleich, als Andreas Ihm nach dem Zeugnis des Johannes gefolgt ist, mit Petrus zusammenkommt, der doch gar nicht da war, sondern in Galiläa. Noch wunderbarer aber kommt mir immer vor, wie nach dem Palmsonntagseinzug in Jerusalem so schnell das Abendmahl und die Passion folgt, wo ich immer so viele Lehren Jesu dazwischen höre und so viele Tage sehe. So meine ich, Jesus werde sich wohl noch an vierzehn Tage hier aufhalten, ehe Er nach Galiläa geht.

Andreas war noch nicht eigentlich zum Jünger aufgenommen. Jesus hatte ihn nicht gerufen. Er war selbst gekommen und hatte sich angeboten, er wolle gern bei Ihm sein. Er war dienstbegieriger und sich anbietender als Petrus, der dachte gar leicht, dazu bin ich zu gering, das ist über meine Kräfte und dabei ging er seinen Geschäften nach. Auch Saturnin und die beiden Vettern Josephs von Arimathäa. Aram und Themeni hatten sich so angeschlossen an Jesus.

Es wären aber noch viele andere Jünger des Johannes zu Jesus gekommen, dessen Taufstelle immer leerer ward, wenn nicht einige eigensinnige Jünger des Johannes, welchen das Übel gefiel, sie davon abgehalten hätten. Diese klagten gegen Johannes darüber und meinten, es sei unrecht von Jesus, hier zu taufen, das sei nicht seine Sache. Und Johannes hatte genug zu tun, ihre Kurzsichtigkeit zu belehren. Er sagte ihnen, sie sollten sich seiner Worte erinnern, wie er das immer vorausgesagt, dass er nur den Weg bereite und dass er nun bald ganz diesen Wandel verlassen werde, wenn die Wege bereitet seien. Sie hatten aber Johannes sehr lieb und es wollte ihnen das gar nicht in den Kopf. Es war schon so voll bei Jesus Taufstelle, dass Er zu seinen Jüngern sagte. sie wollten morgen weiter wandeln.

Jesus ging mit etwa zwanzig Begleitern, worunter Andreas, Saturnin, Aram und Themeni von Bethabara an der gewöhnlichen leichten ÜberfahrtsteIle über den Jordan und zog, Gilgal, rechts lassend, nach der in einem engen Gebirgstal sehr versteckt liegenden Stadt Ophra. Hierdurch kamen immer die Leute aus der Gegend hinter Sodoma und Gomorrha, die auf Kamelen mit Waren nach der Morgenseite des Jordan zogen und sich von Johannes taufen ließen. Es war hier ein Seitenweg aus Judäa nach dem Jordan. Der Ort lag sonst sehr vergessen, etwa drei bis vier Stunden von des Johannes Taufstelle, nicht ganz so weit von Jericho und von Jerusalem etwa sieben Stunden. Er lag kalt und hatte nicht viel Sonne, war aber gut gebaut. Die Leute hatten so einen Krämer-, Zöllner- oder Schmugglerwohlstand. Es war, als wenn sie von den Durchziehenden Nutzen zögen. Sie waren nicht böse, aber lau wie oft Krämer und Wirte, die guten Erwerb haben. Die Leute hatten sich noch nicht viel um die Taufe des Johannes gekümmert. Sie hungerten nicht nach dem Heil. Es war hier alles wie an einem Ort, von dem man sagt, er hat gute Nahrung.

Als sie dem Ort nahten, sendete Jesus die Neffen Josephs von Arimathäa voraus, die Schlüssel der Synagoge zu begehren und die Leute zur Lehre zu berufen. Er brauchte diese immer zu solchen Sendungen, denn sie waren sehr lieblich und geschickt. Beim Eintritt in die Stadt liefen Besessene und Wahnsinnige um Jesus her und schrieen aus der Ferne: «Da kommt der Prophet, Gottessohn, Jesus Christus, unser Feind! Er wird uns vertreiben.» Jesus befahl ihnen zu schweigen und zu ruhen. Sie wurden alle ruhig und folgten in die Synagoge nach, in welche Jesus schier bis ans andere Ende der Stadt gehen musste. Er lehrte hier bis zum Abend und ging nur einmal heraus, eine Erquickung zu nehmen. Er lehrte von der Nähe des Reiches Gottes und der Notwendigkeit der Taufe und ermahnte die Einwohner scharf, aus ihrer Lauigkeit und Sicherheit zu erwachen, auf dass das Gericht nicht über sie komme. Er sprach auch stark gegen ihren Wucher, ihren Schleichhandel und solche Sünden, wie die der Zöllner und Krämer. Die Leute widersprachen nicht, sie waren aber auch nicht sehr empfänglich, denn sie waren sehr in ihrer Krämerei befangen. Einige jedoch waren durch seine Lehre sehr gerührt und verändert. Es kamen mehrere der Angesehenen und Geringeren am Abend in die Herberge zu Ihm und waren fest entschlossen, sich taufen zu lassen. Sie zogen auch die folgenden Tage schon zu Johannes.

Von Ophra ging Jesus mit seinen Jüngern morgens gegen Bethabara zurück. Sie trennten sich auf dem Weg. Andreas wurde mit dem größeren Teil auf dem Weg vorausgesandt, den sie hierher gegangen waren. Jesus aber ging mit Saturnin und dem Vetter Josephs von Arimathäa näher gegen des Johannes Taufort zu, durch denselben Weg, wo dieser nach der Taufe zuerst Zeugnis von Ihm ausgerufen hatte. Er ging auf dem Weg in einige Häuser und lehrte und ermahnte die Leute zur Taufe. Am Nachmittag kamen sie wieder in Bethabara an und Jesus lehrte noch am selben Tag am Taufort und Andreas und Saturnin tauften. Da immer neue Scharen zur Taufe kamen, war Jesu Lehre meist dieselbe, dass sein himmlischer Vater zu allen Büßenden und Getauften gesagt habe: «Das ist mein lieber Sohn!» indem sie alle Gottes Kinder würden.

Die meisten Täuflinge waren aus dem Lande des Tetrarchen Philippus, der ein guter Mann war. Die Leute waren ziemlich glücklich und darum hatten sie noch wenig daran gedacht, sich taufen zu lassen.

Von Bethabara ging Jesus mit drei Jüngern durch das Tal hinauf gegen Dibon zu, wo Er zum Laubhüttenfest neulich gewesen war. Er lehrte in einzelnen Häusern und auch in der Synagoge, die von der Stadt entfernt in dem Talweg lag. In Dibon selber war Er nicht. Er übernachtete in einer etwas abgelegenen Herberge oder einem Schuppen, wo Feldarbeiter aus der Gegend unterkommen und Speise erhielten. Es wurde jetzt an der Sonnenseite gesät, was um Ostern reif wird. Sie graben hier das Land, denn es ist bald Grund, bald Stein, bald Sand und sie können das Werkzeug, womit sie sonst die Erde aufreißen, nicht anwenden. Sie haben einen Teil der ausstehenden Ernte jetzt erst eingetragen. Die Bewohner dieses Tales, das wohl eine Länge von drei Stunden einnahm, waren gute, einfach lebende Leute und gegen Jesus gut gesinnt.

Jesus erzählte in der Synagoge und bei den Feldarbeitern die Parabel vom Sämann und legte sie aus. Er legte die Parabel nicht immer aus, vor den Pharisäern erzählte Er sie oft nur ohne Auslegung.

Andreas und Saturnin sind mit anderen Jüngern nochmals nach Ophra gegangen, um die Leute, welche durch Jesu Lehre sehr erweckt worden, noch mehr zu bestärken.

Da Jesus aus der Herberge bei Dibon weiter ging, kam Er auf einem zwei Stunden südlicher vom Jordan gelegenen Weg, als der, auf welchem Er von Bethabara hergekommen war, nach Eleale, das von Dibon etwa vier Stunden entfernt war. Er kam mit etwa sieben Jüngern an und kehrte bei dem Synagogenvorsteher ein. Bei Sabbatanfang lehrte Er in der Synagoge über eine Parabel von schwankenden Ästen der Bäume, welche die Blüten abschüttelten und keine Früchte trügen. Er wollte damit den Einwohnern verweisen, dass sie sich größtenteils auf die Johannestaufe nicht besserten und von jedem Winde die Blüten der Buße sich abschütteln ließen, ohne Frucht zu tragen. Sie waren hier so. Er erwählte aber gerade dieses Gleichnis, weil sie hier meist vom Obstbau sich nährten. Sie trugen es weit weg, denn es war hier abgelegen und keine Landstraße. Sie machten auch Decken und grobe Stickereien in Menge.

Jesus hat bis jetzt noch keinen Widerspruch gefunden. Die Leute in Dibon und überall umher hatten Ihn sehr lieb und sagten immer, sie hätten nie einen solchen Lehrer gehört und die Greise verglichen Ihn immer mit den Propheten, von deren Lehre sie von ihren Voreltern gehört hatten.

Nach dem Sabbat ging Jesus etwa drei Stunden abendwärts nach Bethjesimoth, an der Morgen- und Sonnenseite eines Berges etwa eine Stunde vom Jordan gelegen. Auf dem Weg dahin kamen Andreas und Saturnin mit noch anderen Johannesjüngern wieder zu Ihm. Er sprach mit ihnen von den Kindern Israels, die hier gelagert waren und wie Josua und Moses mit ihnen gesprochen. Er machte eine Anwendung davon auf die jetzige Zeit und seine Lehre. Bethjesimoth ist nicht groß, aber sehr fruchtbar, besonders an Wein.

Als Jesus ankam, hatte man so eben dämonische, zusammengeschlossene Leute aus einem Hause, worin sie versperrt wurden, ins Freie geführt. Diese begannen zu toben und zu schreien: «Da kommt Er, der Prophet! Er will uns vertreiben!» Jesus wendete sich gegen sie, gebot ihnen Schweigen, ihre Fesseln sollten fallen und sie sollten Ihm in die Synagoge folgen. Da fielen ihre Fesseln durch ein Wunder. Die Leute wurden ganz ruhig, warfen sich vor Jesus nieder, dankten und folgten Ihm in die Synagoge. Er lehrte in Parabeln von der Fruchtbarkeit und dem Weinbau. Nachher hat Er viele Kranke in den Häusern besucht und geheilt. Der Ort liegt an keiner Hauptstraße, die Leute müssen ihre Früchte selbst zu Markt tragen.

Jesus hat hier zum ersten Mal, seitdem Er die Wüste verlassen, geheilt. Darum baten die Einwohner Ihn sehr, zu bleiben. Er ging aber mit Andreas, Saturnin, Josephs von Arimathäa Vettern und andern, in allem etwa zwölf Begleitern, schräg gegen Mitternacht bis an die öffentliche Überfuhr, zu der die Heerstraße von Dibon führte und über welche Er am Laubhüttenfest aus Gilgal gegen Dibon gereist war. Man musste hier ziemlich lange überfahren, weil eines steilen Ufers wegen die AnlandesteIlen nicht gerade einander gegenüber lagen. Von da wandelten sie noch etwa eine Stunde Wegs in der Richtung von Samaria über den Fuß eines Berges in ein Örtchen, das in einer Reihe von Häusern ohne Schule bestand.

Dieses Örtchen war durchaus von Hirten und gutmütigen Leuten bewohnt, die schier wie die Hirten an der Krippe gekleidet waren. Jesus lehrte auf einem erhöhten Platz, wo ein Lehrstuhl von Stein errichtet war, unter freiem Himmel. Die Leute hatten hier auch die Taufe des Johannes.

3. Jesus in Silo, Kibzaim und Thebez

Danach sah ich Jesus in Silo, das auf der Höhe eines sanft aufsteigenden Gebirges rings um einen hohen steilen Felsen lag, der eine große Fläche hatte. Auf dieser Fläche, der höchsten Höhe des Gebirges, hatte in erster Zeit nach dem Zuge aus Ägypten durch die Wüste die Stiftshütte mit der Bundeslade gestanden. Es war da ein großer Raum mit einer teilweise verfallenen Mauer umgeben, in welchem noch die Reste der kleineren Halle umherlagen, welche über die Stiftshütte erbaut war. An der Stelle, wo die Bundeslade gestanden, war unter einem auf offenem Bogen ruhenden Dach eine solche Säule, wie in Gilgal und unter derselben war auch wie dort eine Art Gruft im Felsengrunde. Nicht weit von dem Ort der Bundeslade war ein Opferplatz und eine verdeckte Grube für die Abfälle beim Schlachten, denn sie durften hier drei- oder viermal im Jahr noch opfern. Auch die Synagoge lag auf dieser ummauerten Höhe, von der man eine außerordentlich weite Aussicht auf die Höhen von Jerusalem, auf das Meer von Galiläa und über viele Berge hatte.

Silo selber war eine etwas verfallene, nicht sehr bevölkerte Stadt mit einer Pharisäer- und Sadduzäerschule. Die Leute hier waren nicht gut, hoffärtig, voll Dünkel und falscher Sicherheit. In einiger Entfernung vor dem Stadttor mit zerstörten Türmen lag ein verfallenes Kloster der Essener und näher bei der Stadt stand noch das Haus, worin die Benjamiten die bei dem Laubhüttenfeste zu Silo gefangenen Jungfrauen eingesperrt hatten (Rich 21, 19-24).

Jesus kehrte mit seinen zwölf Begleitern in einem Haus ein, wo reisende Lehrer und Propheten einzukehren das Recht hatten. Dieses Haus hing mit den Schulen und Wohnungen der Pharisäer und Schriftgelehrten zusammen, welche hier eine Art von Seminarium hatten. Es waren gegen zwanzig derselben in ihren langen Kleidern mit Gürteln und rauen, lang an den Ärmeln niederhängenden Zöpfen um Jesus versammelt. Sie steilten sich, als wüssten sie nicht von Ihm und sprachen in allerlei Stichelreden zu Ihm: «Wie es nun wäre? Es seien ja zwei Taufen, die von Johannes und dann noch eine von dem Jesus, dem Zimmermannssohn aus Galiläa - welches denn nun wohl die rechte Taufe sei? Man höre auch, dass sich andere Frauen an die Mutter dieses Zimmermannssohnes anhängten, z. B. eine Witwe mit ihren beiden Söhnen, und so ziehe sie herum und mache ihrem Sohn Anhänger. Sie brauchten aber solche Neuerungen nicht, sie hätten die Verheißungen und ihr Gesetz.» Solche Reden führten sie nicht gerade und derb herauspolternd, sondern mit einer spitzen, grinsenden Freundlichkeit gegen Jesus. Er antwortete auf ihre spitzen Reden: Er sei der, von dem sie sprechen. Und da sie von der Stimme bei seiner Taufe sprachen, lehrte Er, es sei die Stimme seines himmlischen Vaters gewesen, der eines jeden Vaters sei, der die Sünde bereue und aus der Taufe wiedergeboren werde.

Da sie Ihn und seine Jünger nicht an die Stelle der Bundeslade, als einen sehr heiligen Platz lassen wollten, ging Er dennoch hin und verwies ihnen, dass sie hier wegen ihrer Bosheit die Bundeslade verloren hätten, dass sie nun bei dem leeren Platz ebenso fort führen, dass sie das Gesetz damals und immer verletzt hätten. Und wie die Bundeslade von ihnen gewichen, werde nun auch die Erfüllung des Gesetzes von ihnen weichen. Als sie nun aus dem Gesetz mit Ihm disputieren wollten, stellte Er sie zwei und zwei und fragte sie aus wie Kinder, legte ihnen allerlei tiefe Fragen aus dem Gesetz vor und sie konnten sie nicht beantworten. Sie waren ganz beschämt und zornig, stießen sich aneinander, murrten und fingen an hinwegzugehen. Jesus führte sie auch an die bedeckte Grube, wohin die Opferabfälle geworfen wurden, ließ sie aufdecken und sagte von ihnen in einem Gleichnis, dass sie wie die Grube seien, inwendig voll Unrat und Verwesung, zum Opfer nicht tauglich, äußerlich sauber zugedeckt und zwar hier, an einer Stelle, von welcher um der Sünden ihrer Voreltern willen das Heiligtum gewichen sei. Sie gingen alle ergrimmt von dem Ort hinweg.

In der Synagoge lehrte Jesus besonders viel von der Ehrfurcht vor dem Alter und der Liebe gegen die Eltern. Er lehrte sehr strenge davon, denn die Leute von Silo hatten einen üblen Gebrauch seit langem in ihrer Stadt: die Eltern, wenn sie sehr alt wurden, zu verachten, zurückzusetzen und zu verstoßen.

Von Bethel welches gegen Mittag liegt, führt eine Straße hierher, Lebona liegt in der Nähe. Es kann von hier etwa acht bis neun Stunden bis Samaria sein. Der Prophet Jonas liegt in Silo begraben.

Als Jesus Silo auf der anderen Seite der Stadt zwischen Abend und Mitternacht verließ, trennten sich Andreas, Saturnin und Josephs von Arimathäa Neffen von Ihm und zogen voraus nach Galiläa. Jesus aber kam mit den anderen Johannesjüngern, die bei Ihm waren, vor Sabbat in Kibzaim an. Es liegt im Tal zwischen Ästen des Gebirges, das sich durchs Land in der Mitte hinzieht und hier sich schier wie eine Wolfsklaue bildet. Die Leute waren hier gut und freundlich und recht für Jesus eingenommen. Sie warteten auf Ihn. Es war eine Levitenstadt. Jesus kehrte neben der Schule bei einem Vorsteher ein.

Es kamen hierher auch Lazarus mit Martha und seinem alten Diener, ferner Johanna Chusa und der Sohn Simeons, der am Tempel angestellt war, um Jesus zu begrüßen. Sie waren auf der Reise zur Hochzeit nach Kana begriffen und wussten durch Botschaft, dass sie mit Jesus hier zusammentreffen würden. Jesus zeichnete Lazarus beim Empfang immer als einen besonders geliebten Freund aus. Doch hörte ich Ihn nie fragen: «was macht dieser oder jener deiner Verwandten oder Bekannten?»

Kibzaim liegt einsam in einem Bergwinkel versteckt. Die Einwohner leben von Obstbau, auch sind Zelt- und Teppichmacher und besonders viele Sohlenmacher hier. Es hielt Jesus den Sabbat hier und heilte mehrere Kranke durch Befehl. Es waren Wassersüchtige und Schwachsinnige, die auf kleinen Betten zu Ihm vor die Schule getragen wurden. Es war die Mahlzeit bei einem vornehmen Leviten. Nach dem Sabbat ging Jesus noch bis Sichar, wo Er spät ankam und in einer bestimmten Herberge übernachtete. Lazarus und seine Gesellschaft zog von Kibzaim gerade nach Galiläa.

Am andern Morgen früh ging Jesus von Sichar nordöstlich gegen Thebez. In Sichar oder Sichem konnte Er nicht lehren. Es waren keine Juden hier, sondern Samaritaner und noch eine Art Leute, die seit einer babylonischen Gefangenschaft oder einem Krieg hierher gekommen sind. Sie gehen zum Tempel nach Jerusalem, opfern aber nicht mit. Bei Sichem ist schönes Feld, das Jakob für seinen Sohn Joseph gekauft hatte. Ein Teil davon gehört schon dem galiläischen Herodes. Es ist durch das Tal eine Grenze mit einem Erdwall, Pfad und Pfählen gezogen.

Durch Thebez das eine ziemliche Stadt ist, geht eine Landstraße. Es ist Handel hier. Es kommen da Kamele durch, hoch bepackt. Es ist gar wunderlich anzusehen, wenn die hochbepackten Tiere wie kleine Türme langsam über den Berg steigen und der Kopf auf dem langen Hals vor der hohen Last hin und her schwankt. Sie handeln auch mit roher Seide. Die Leute in Thebez waren nicht bös und widersetzten sich Jesus nicht. Aber sie waren auch nicht einfach und kindlich, sie waren lau, so wie wohlhabende Handelsleute oft sind. Die Priester und Schriftgelehrten waren etwas sicher und neutral. Als Jesus in den Ort kam, erhoben Besessene und Irrsinnige ihr Geschrei: «Da kommt der Prophet aus Galiläa! Er hat Macht über uns, Er wird uns vertreiben!» Er gebot ihnen zµ ruhen und da wurden sie ruhig. Jesus kehrte hier bei der Synagoge ein und da Ihm die Leute folgten und Ihm Kranke brachten, heilte Er viele. Am Abend lehrte Er in der Schule und feierte das Fest der Tempelweihe mit, welches an diesem Abend begann. Es wurden in der Schule und in allen Häusern sieben Lichter angezündet. Auch draußen auf dem Feld und auf den Wegen bei Hirtenwohnungen waren kleine Büschel auf Stangen angezündet. Thebez lag recht wunderbar auf der Höhe. In einiger Entfernung konnte man die Gebirgsstraße durchziehen sehen und wie die belasteten Kamele darüber herab gingen. In der Nähe sah man dies nicht.

Andreas, Saturnin und Josephs Neffen waren von Silo schon nach Galiläa gezogen. Andreas war bei den Seinigen zu Bethsaida gewesen und hatte dem Petrus gesagt, dass er den Messias, der nun herauf nach Galiläa ziehe, wieder gefunden habe und dass er Petrus zu Ihm bringen wolle. Diese alle zogen nach Arbela, das auch Betharbel heißt, zu Nathanael Chased, der dort Geschäfte hatte und holten ihn ab, mit ihnen nach Gennabris zu gehen und das Fest dort zu feiern, denn da hatte Chased damals seinen Sitz in einem hohen Haus, das mit mehreren andern einzeln vor der Stadt lag. Sie sprachen vieles von Jesus und waren eigens von Andreas dahin zum Feste geführt, weil dieser viel auf Nathanael hielt, wie sie alle. Sie wollten dessen Meinung hören. Er wollte aber auf die ganze Sache nicht viel halten.

Lazarus hatte Martha und Johanna Chusa zu Maria nach Kapharnaum gebracht, wohin sie wieder von Kana gereist war und zog nun nach Tiberias mit Simeons Sohn wieder hinab, wo sie mit Jesus zusammentreffen wollten. Auch der Bräutigam von Kana zog dahin, dem Herrn entgegen. Dieser Bräutigam war der Sohn von Sobes Tochter, der Schwester Annas. Er hieß auch Nathanael und war nicht von Kana, sondern heiratete nach Kana. Die Stadt Gennabris war volksreich, es ging eine Landstraße durch. Es war viel Gewerbe und Handel darin, auch mit Seide. Sie lag ein paar Stunden von Tiberias ins Land, doch von Gebirgen getrennt, so dass man etwa südlich gehen und sich zwischen Emmaus und Tiberias gegen Tiberias wieder herum wenden musste. Arbel lag zwischen Sephoris und Tiberias.

4. Erste förmliche Berufung des Petrus, Philippus und Nathanael

Jesus brach vor Tag von Thebez auf und zog mit den Jüngern erst östlich, dann sich gegen Norden wendend am Fuß der Berge im Jordanstal gegen Tiberias zu. Er zog durch Abel-Mehula, einen schönen Ort. wo das Gebirge sich mehr nördlich wendet, die Geburtsstadt des Elisäus. Die Stadt zieht sich über einen Bergrücken und ich bemerkte den großen Unterschied der Fruchtbarkeit an der Sonnen- und Nordseite. Die Leute waren hier ziemlich gut. Sie hatten von Jesu Wunder zu Kibzaim und Thebez gehört. Sie hielten Ihn auf dem Wege auf und wünschten. Er möge hier bleiben und heilen. Es war schier ein Auflauf. Jesus verweilte nicht lange. Der Ort war etwa vier Stunden von Thebez. Jesus zog neben Scythopolis und dem Jordan hin.

Als Jesus von Abelmehula weiter reiste, kamen Ihm, während die andern Freunde schon in Gennabris waren, Andreas mit Petrus und Johannes bei einem Städtchen, etwa sechs Stunden von Tiberias, entgegen. Petrus war mit Johannes in der Gegend der Fischerei wegen gewesen. Sie wollten auch nach Gennabris. Andreas aber beredete sie, erst dem Herrn entgegen zu gehen. Andreas führte nun seinen Bruder zu Jesus und dieser sprach unter andern Reden zu ihm: «Du bist Simon des Jonas Sohn, künftig wirst du Kephas heißen.» Es geschah dieses nur kurz in der Ansprache. Zu Johannes sagte Er etwas vom nächsten Wiedersehen. Hierauf zogen Petrus und Johannes nach Gennabris. Andreas aber blieb bei Jesus, der von hier in die Umgegend von Tarichäa wandelte.

Johannes der Täufer hat nun seine Taufstelle diesseits des Jordan verlassen und ist über den Jordan gezogen und hat da zu taufen fortgefahren, etwa eine Stunde über Bethabara, wo Jesus neulich taufen ließ und Johannes selbst früher getauft hatte. Er tat dies, weil viele Leute aus dem Lande des Tetrarchen Philippus, der ein gutmütiger Mann war, sich wollten taufen lassen, aber nicht gern über den Jordan gingen, besonders da auch viele Heiden darunter waren und weil durch Jesu letzte Anwesenheit in dieser Gegend viele Leute zur Taufe erweckt waren. Auch um zu zeigen, dass er nicht von Jesus getrennt sei, taufte er nun auf demselben Platz.

Als Jesus mit Andreas in die Nähe von Tarichäa kam, kehrte Er in einem zur Fischerei dem Petrus gehörigen Hause nahe am See ein, wo Andreas die Herberge schon bestellt hatte. In die Stadt ging Jesus nicht. Die Einwohner hatten etwas Finsteres, Widerwärtiges und waren sehr auf Wucher und Gewinn. Simon, der hier ein Amt hatte. war mit Thaddäus und Jakobus der Kleinere, seinen Brüdern, auf dem Fest in Gennabris, wo auch Jakobus Major und Johannes waren. Lazarus, Saturnin und Simeons Sohn kamen hier zu Jesus und auch der Bräutigam von Kana. Dieser lud Jesus und seine Begleiter auf seine Hochzeit.

Die Hauptursache, aus welcher Jesus ein paar Tage um Tarichäa verweilte, war, dass Er den künftigen Aposteln und Jüngern Zeit lassen wollte, sich die Gerüchte und das, was Andreas und Saturnin ihnen erzählt hatten, einander mitzuteilen und sich darüber zu verständigen. Ich sah auch. dass Andreas, während Jesus in der Gegend wandelte, in dem Hause blieb und mit einem Rohr Briefe auf Streifen von Baumbast schrieb. Man konnte das Geschriebene durch ein gespaltenes Holz zurückschieben und aufrollen. Es kamen in das Haus oft Männer und Jünglinge, welche Arbeit suchten. Andreas brauchte sie als Boten. Er schickte diese Briefe an Philippus und seinen Halbbruder Jonathan und nach Gennabris an Petrus und die andern, meldete ihnen, dass Jesus auf den Sabbat nach Kapharnaum kommen werde und beschied sie dahin. Von Kapharnaum aber kam eine Botschaft an Andreas, er möge Jesus doch bitten zu kommen, es warte schon mehrere Tage ein Bote aus Kades auf Ihn, der Ihn um Hilfe anflehen solle.

Jesus ging darauf mit Andreas, Saturnin, Obed und einigen Johannesjüngern von dem Fischerhause bei Tarichäa nach Kapharnaum, das nicht hart am See, sondern an der Höhe und Südseite eines Berges lag, der an der Abendseite des Sees ein Tal bildet, durch das der Jordan sich in den See ergießt. Jesus und die Seinigen wandelten verteilt. Andreas kam auf dem Wege mit seinem Stiefbruder Jonathan und mit Philippus zusammen, welche ihm auf seine Nachricht entgegen gekommen waren. Mit Jesus aber trafen sie nicht zusammen. Andreas sprach lebhaft mit ihnen. erzählte alles, was er von Jesus gesehen und beteuerte, Er sei wahrhaftig der Messias. Wenn sie Ihm folgen wollten, so brauchten sie Ihn gar nicht darum zu ersuchen. Sie sollten nur achtgeben. wenn sie es herzlich verlangten, werde Er sie mit einem Wink. einem Wort aufnehmen.

Maria und die heiligen Frauen waren nicht in Kapharnaum selbst, sondern in Marias Wohnung im Tal vor Kapharnaum gegen den See zu und hielten dort das Fest. Die Söhne der Maria Kleophä und Jakob der Größere und sein Bruder Johannes und Petrus, waren aber von Gennabris schon dort hingekommen, wie auch andere künftige Jünger. Chased (Nathanael), Thomas, Bartholomäus und Matthäus waren nicht dort, sonst aber viele andere Verwandte und Freunde der Heiligen Familie, welche nach Kana zur Hochzeit geladen waren und den Sabbat hier feierten, weil sie von Jesus gehört hatten.

Jesus wohnte mit Andreas, Saturnin, einigen Johannesjüngern, Lazarus und Obed in einem Haus, das dem Bräutigam Nathanael gehörte, dessen Eltern nicht mehr lebten, die ihm ein großes Erbe hinterlassen hatten.

Die von Gennabris hierher gekommenen künftigen Jünger hielten sich noch in einer gewissen Scheu zurück, denn sie schwankten teils zwischen der Autorität, welche das Urteil Nathanael Chaseds bei ihnen hatte und den großen Dingen, die Andreas und die andern Johannesjünger ihnen von Jesus gesagt hatten, teils hielt sie Blödigkeit und Andreas zurück, der ihnen gesagt. sie brauchten sich nicht anzutragen. sie sollten nur seine Lehre hören. sie werden dann schon bewegt werden.

Zwei Tage hatte der Mann aus Kades hier auf Jesus gewartet. Er nahte sich Ihm nun. warf sich zu seinen Füßen und sagte, er sei der Knecht eines Mannes von Kades. Sein Herr flehe Ihn (Jesus) an, mit ihm zu kommen und sein Söhnchen zu heilen, das den Aussatz und einen stummen Teufel habe. Es war dieser ein sehr getreuer Knecht und er stellte den Kummer seines Herrn mit großer Teilnahme vor. Jesus sagte ihm aber, dass Er nicht mitreisen könne. Dem Kind jedoch solle geholfen werden, denn es war ein schuldloser Knabe. Er sagte dem Knecht, sein Herr solle sich über seinen Sohn mit ausgebreiteten Armen legen und etwas Gewisses beten, dann werde der Aussatz von ihm weichen. Hierauf solle er. der Knecht, sich über den Knaben hinlegen und ihn anhauchen und es werde ein blauer Dampf von dem Knaben ausgehen, da werde er auch von der Stummheit geheilt sein. Ich hatte einen Blick, wie der Vater und der Knecht auf diese Weise den Knaben heilten.

Es waren bei dem Befehl, dass der Vater und der Knecht sich über das kranke Kind hinstrecken sollten. gewisse geheime Ursachen. Der Knecht war der eigentliche Vater des Kindes. was jedoch der Herr nicht wusste. Jesus aber wusste dies. Beide mussten eine Schuld von dem Kinde nehmen.

Die Stadt Kades lag etwa sechs Stunden von Kapharnaum an den Grenzen gegen Tyrus zu, gegen Abend von Paneas. sie war eine ehemalige Hauptstadt der Kananiter und jetzt eine Freistadt, wo sich vom Gericht Verfolgte hinflüchteten. Sie grenzte an eine Gegend, die Chabul heißt und die von Salomon dem König von Phönizien geschenkt wurde. Ich sehe diesen Strich immer dunkel, finster und unheimlich und dass Jesus ihn immer vermied, wenn Er nach Tyrus und Sidon ging. Ich meine, es wurde Mord und Räuberei dort getrieben.

Als Jesus am Sabbat in der Synagoge lehrte, waren ungemein viele Menschen versammelt und alle Freunde und Verwandten Jesu. Seine Lehre war den Leuten ganz neu und hinreißend. Er sprach von der Nähe des Reiches Gottes, von dem Licht, das man nicht unter den Scheffel stellen müsse, vom Sämann und vom Glauben gleich einem Senfkorn. Es waren dies aber nicht bloß jene Parabeln, sondern eine ganz andere Ausführung derselben. Die Parabeln waren nur kurze Beispiele und Gleichnisse, die Er aussprach und seine Lehre daraus ausführte. Ich habe zwar wohl mehrere Parabeln in seinen Lehren gehört, als im Evangelium vorkommen. Aber diese waren es, welche Er sehr oft wiederholte. jedoch immer wieder anders ausführte.

Nach Sabbatsschluss ging Jesus neben der Synagoge in ein kleines Tal mit seinen Jüngern, das wie ein Spazierplatz oder ein Absonderungsort war. Es standen Bäume vor dem Eingang und in dem Tal. Die Söhne der Maria Kleophä, des Zebedäus und andere Jünger gingen mit Ihm. Philippus aber, der scheu und demütig war. zögerte zurückbleibend und wusste nicht, ob er wohl mit in das Tal gehen dürfte. Da wendete sich Jesus, der vor ihm herging, mit dem Haupt zu ihm und sagte: «Folge Mir nach!» und Philippus ging nun freudig mit den andern. Es waren etwa zwölf.

Jesus lehrte an diesem Ort unter einem Baum von der Nachfolge und seinem Beruf. Andreas, der ungemein eifrig und begeistert war, dass die andern alle so überzeugt, als er von der Messiaswürde Jesu sein möchten und der sich freute, dass die Lehre Jesu am Sabbat alle so hingerissen hatte, hatte das Herz so voll, dass er, wo es sich fügte, den andern nochmals alles beteuerte, was er von Jesu Taufe und andern Wundern gesehen.

Ich hörte auch, dass Jesus den Himmel zum Zeugen anrief, sie würden noch größere Dinge sehen und dass Er von seiner Sendung von dem himmlischen Vater sprach.

Er sprach auch von ihrer Nachfolge: sie sollen bereit sein. Wenn Er sie rufe, sollen sie alles verlassen! Er wolle für sie alle sorgen und sie sollten keinen Mangel leiden. Sie mögen ihr Gewerbe immer noch treiben, denn Er werde Ostern, welche herannahen, noch erst anderes tun. Wenn Er sie aber rufen werde, sollen sie unbekümmert folgen. Solche Erklärungen tat Er auf unbefangene Fragen der Anwesenden: wie sie es mit den ihrigen halten sollten? So z. B. erwähnte Petrus, er könne doch seinen alten Stiefvater (Philipps Oheim) jetzt nicht gleich verlassen. Doch hob Jesus alle diese Besorgnisse schon durch die Erklärung, dass Er vor dem Osterfest nicht beginnen werde, dass sie sich von ihrem Gewerbe, nur insoweit als ihr Herz daran hänge, gleich trennen sollten. äußerlich könnten sie es treiben, bis Er sie rufe, einstweilen sollen sie die Übergabe ihrer Geschäfte vorbereiten. Nachher ging Er mit ihnen an dem entgegengesetzten Ende des Tales hinaus nach dem Wohnort seiner Mutter in der Häuserreihe zwischen Kapharnaum und Bethsaida. Die näheren Verwandten folgten dahin, ihre Mütter waren auch dort.

Tags darauf ging Jesus mit den Jüngern und Verwandten sehr früh nach Kana zu. Maria und die andern Frauen gingen den geraden kürzeren Weg allein. Es war nur ein schmaler Pfad und lief mehr über Gebirge. Die Frauen gingen mehr über solche Pfade, weil sie dort einsamer wandelten. Sie bedurften auch keiner breiten Pfade, weil sie gewöhnlich in einer Reihe hintereinander gingen. Voraus und nachfolgend in einiger Entfernung ging ein Führer. Ihr Weg lief ungefähr sieben Stunden von Kapharnaum zwischen Mittag und Abend.

Jesus machte mit seinen Begleitern einen Umweg über Gennabris, welcher Weg breiter und mehr zum Lehrwandel geeignet war. Denn Jesus stand oft still, deutete und erklärte etwas. Der Weg Jesu lief südlicher als Mariä Weg, er betrug von Kapharnaum ungefähr sechs Stunden nach Gennabris und wendete sich von dort gegen Abend drei Stunden bis Kana.

Gennabris war eine schöne Stadt. Es war eine Schule und eine Synagoge, auch eine Redeschule und viel Handel dort. Nathanael hatte sein Schreiberamt vor der Stadt in einem hohen Haus, es waren noch einige Häuser darum her. Nathanael kam nicht zur Stadt, obschon ihn seine Freunde, die Jünger, dazu aufforderten.

Jesus lehrte hier in der Synagoge und nahm mit einem Teil der Jünger einen Imbiss bei einem reichen Pharisäer. Andere der Jünger waren schon voraus gezogen. Zu Philippus hatte Jesus gesagt, er solle zu Nathanael gehen und ihn auf dem Weg zu Ihm bringen.

Jesus wurde sehr ehrenvoll hier in Gennabris behandelt. Die Leute wünschten. Er möge doch länger bei ihnen bleiben und sich der Kranken erbarmen, Er sei auch ihr Landsmann. Er ging aber bald wieder fort gegen Kana.

Indessen war Philippus bei Nathanael in dem Schreibereihaus. Es waren mehrere Schreiber darin. Er selber saß in einer Stube oben. Philippus hatte zuvor nie mit Nathanael von Jesus gesprochen, weil dieser nicht mit den andern zu Gennabris gewesen war. Er war gut mit ihm bekannt und sprach sehr begeistert und freudig von Jesus: Er sei der Messias, von dem die Weissagungen sprechen. Sie hätten Ihn nun gefunden. Jesus von Nazareth, den Sohn Josephs!

Nathanael war ein heiterer, rascher, doch fester und auf seiner Meinung bestehender Mann, dabei aber sehr redlich und aufrichtig. Er sagte zu Philippus: «Was kann von Nazareth besonders Gutes kommen?» denn er kannte wohl den Ruf der Nazarethaner, dass da ein widerwärtiger Geist und nicht viel Weisheit in den Schulen war. Er dachte, ein Mann. der dort seine Bildung geholt habe, könne höchstens seine gutmütigen einfacheren Freunde, nicht aber ihn und seine Ansprüche an Gelehrsamkeit befriedigen. Philippus aber sagte zu ihm, er solle kommen und sehen, wer Er sei. Er werde gleich auf dem Weg nach Kana hier vorbeiziehen. Nun ging Nathanael mit Philippus herab auf dem kurzen Weg, an dem das Haus von der Landstraße nach Kana abseits lag und Jesus stand mit einigen Jüngern still, wo dieser Weg in die Landstraße einläuft. Philippus war sehr erfreut und vertraulich, seit ihn Jesus gerufen hatte, so schüchtern er vorher gewesen. Er sagte laut, indem er sich mit Nathanael Jesus näherte: «Rabbi! da bringe ich den, welcher fragte, was kann Gutes von Nazareth kommen?» Jesus sprach aber zu den Jüngern, die bei Ihm standen, indem Nathanael vor Ihn trat: «Sieh da! ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist!» Das sagte Jesus ganz freundlich und liebevoll und Nathanael sagte: «Woher kennst Du mich?» Er wollte damit sagen: woher weißt Du, dass ich wahr und ohne Falschheit bin, da wir uns nie gesprochen haben? Da sagte Jesus zu ihm: «Eh dich Philippus gerufen hat, sah Ich dich, als du unter dem Feigenbaum standest» und bei diesen Worten blickte ihn Jesus auf eine ganz rührende, erinnernde Art an.

Da erwachte auf diesen Blick plötzlich die Erinnerung in Nathanael. dass Jesus derjenige Vorüberwandelnde sei, dessen ernster warnender Blick ihn mit einer wunderbaren Stärkung getroffen, als er unter einem Feigenbaum auf den Spielplätzen der warmen Bäder mit Versuchung kämpfend nach schönen Frauen geschaut hatte, welche an einer Seite der Wiese um Früchte spielten. Die Gewalt jenes Blickes und der Sieg, den Nathanael ihm zu verdanken hatte, war ihm gegenwärtig geblieben, das Bild jenes Mannes vielleicht nicht. Oder hatte er auch Jesus gleich wieder erkannt, so konnte er sich doch nicht denken, dass jener Blick Absicht desselben gewesen. Jetzt aber, da sich Jesus darauf berief und ihn wieder scharf anblickte, war er sehr erschüttert und gerührt. Er fühlte, dass Jesus vorüberwandelnd damals seine Gedanken gesehen und ihm ein schützender Engel gewesen. Denn er war so reinen Herzens, dass ein unreiner Gedanke ihn schon sehr betrübte. Er sah daher augenblicklich in Jesus seinen Retter und Heiland und dieses Erkennen seiner Gedanken durch Jesus war seinem aufrichtigen, raschen und dankbaren Herzen genug, Ihn augenblicklich freudig vor allen Jüngern anzuerkennen. Er demütigte sich vor Jesus gleich nach jenen Worten und sagte: «Rabbi, Du bist Gottes Sohn. Du bist der König Israels!» Da sagte Jesus: «Du glaubst schon, weil Ich sagte, Ich hätte dich unter dem Feigenbaum gesehen. Wahrlich, du wirst noch Größeres als das sehen!» und dann sagte Er noch beteuernd zu allen: «Wahrlich! wahrlich! Ihr werdet den Himmel sich auftun sehen und die Engel Gottes über dem Menschensohn auf- und niedersteigen!» Die andern Jünger aber verstanden den eigentlichen Sinn der Worte Jesu vom Feigenbaum nicht, wussten nicht, warum Nathanael Chased so schnell seine Gesinnung änderte. Die Ursache blieb auch allen als eine Gewissenssache verborgen, außer dem Johannes, dem Nathanael sie auf der Hochzeit zu Kana anvertraute. Nathanael fragte Jesus, ob er gleich alles verlassen und Ihm folgen solle, er habe einen Bruder, dem wolle er sein Amt übergeben. Jesus sagte ihm, was Er gestern abends den andern gesagt und lud ihn ein, Ihm nach Kana zur Hochzeit nachzukommen.

Dann setzten Jesus und die Jünger den Weg nach Kana fort. Nathanael Chased aber ging nach Hause zurück, sich zur Hochzeit zu rüsten, wo er am folgenden Morgen hinkam.

5. Hochzeit zu Kana

Kana an der Abendseite eines Hügels gelegen, ist ein angenehmer reinlicher Ort, kleiner als Kapharnaum. Es ist eine Synagoge mit drei Priestern dort. In der Nähe der Synagoge ist das öffentliche mit einem Vorhof und mit Lauben umgebene Festhaus, wo die Hochzeit gehalten wird. Von diesem Haus bis an die Synagoge sind Lauben und grüne Bogen gespannt, die mit Kränzen und Früchten behängt sind. Als Festhalle dient der aus dem Vorhof bis zur Feuerstelle führende Raum des Hauses. Diese Feuerstelle, eine hohe gestufte Mauer, welche jetzt wie ein Altar mit Gefäßen, Blumen und Geschenken für die Brautleute geschmückt ist, hat ungefähr noch ein Drittteil des Raumes hinter sich, wo die Frauen beim Hochzeitsmal abgesondert sitzen. Über dem Raum sieht man die mit Kränzen verzierten Balken des Hauses, zu denen man aufsteigen kann, um die daran befestigten Lampen anzuzünden.

Als Jesus mit seinen Jüngern vor Kana ankam, wurde Er von Maria, von den Brauteltern, dem Bräutigam und anderen, welche Ihm entgegen gegangen waren, sehr ehrerbietig empfangen. Er wohnte mit seinen vertrauteren Jüngern und namentlich mit den nachmaligen Aposteln in einem einzelnen Haus, welches der Mutter-Schwester des Bräutigams gehörte, die ebenfalls eine Tochter der Sobe, Annas Schwester, war. Sie vertrat bei der ganzen Feierlichkeit Mutterstelle bei dem Bräutigam. Der Vater der Braut hieß Israel und stammte aus Ruth von Bethlehem. Er war ein wohlhabender Mann, der ein großes Frachtgeschäft. Packhäuser, große Herbergen und Futterplätze für Karawanen längs der Heerstraße und viele Unterbeamte hatte. Der ganze Wohlstand des Ortes war unter Israel und wenigen andern geteilt. Die meisten Einwohner lebten von dem Verdienst der Arbeit, in der sie bei Israel standen. Die Mutter der Braut war etwas lahm, hinkte auf einer Seite und musste geführt werden.

Aus Galiläa waren alle Verwandten der heiligen Anna und Joachims, im ganzen über hundert Gäste, in Kana vereinigt. Von Jerusalem kamen Maria Markus, Johannes Markus, Obed und Veronika. Jesus selber brachte an Jüngern wohl fünfundzwanzig Gäste.

Wohl hatte Jesus schon in seinem zwölften Jahr bei der Kindermahlzeit im Hause der heiligen Anna, da Er von dem Tempel zurückkam, dem Bräutigam nach einigen geheimnisvollen Reden über Brot und Wein gesagt, dass Er einstens auf seiner Hochzeit erscheinen werde. Allein seine jetzige Teilnahme an dieser Hochzeit hatte doch, wie jedes andere Ereignis seines irdischen Wandels außer der höheren geheimnisvollen Ursache auch ihre äußerlichen, scheinbar gewöhnlichen Veranlassungen. Schon mehrmals hatte Maria Jesus durch Boten gebeten, auf diese Hochzeit zu kommen. Es war nach menschlicher Weise unter den Verwandten und Bekannten der Heiligen Familie das Gerede entstanden: Maria, seine Mutter, sei eine verlassene Witwe. Er ziehe durch das Land, kümmere sich nicht um sie und seine Familie. Er wollte darum auf die Hochzeit mit seinen Freunden kommen und ihr Ehre antun. Die Hochzeit wurde als eine eigene Sache von Ihm angesehen und Er hatte einen Teil des ganzen Festes über sich genommen. Darum war Maria schon so früh da und half, alles einzurichten. Jesus hatte übernommen, allen Wein auf der Hochzeit zu liefern, weshalb Maria so sorglich sagte, dass es an Wein fehle. Jesus hatte auch Lazarus und Martha, welche Maria in der Anordnung beistanden, nach Kana beschieden. Und Lazarus war es, der, was Jesus und Maria allein bekannt war, jenen Teil der Kosten trug, welche Jesus übernommen hatte. Jesus hatte ein großes Vertrauen zu ihm. Er empfing alles gern von ihm und dieser war selig, alles zu geben. Lazarus war auch bis zuletzt wie der Schatzmeister der Gemeinde. Er wurde während des ganzen Festes als ein besonders vornehmer Herr von dem Brautvater mit Auszeichnung behandelt, der sich persönlich viel um seine Bedienung bemühte. Lazarus war sehr fein gesittet, ernst, ruhig und mit freundlicher Zurückhaltung in seinem Benehmen. Er redete wenig und achtete stets mit Innigkeit auf Jesus.

Außer dem Wein hatte Jesus auch einen Teil des Mahles übernommen, nämlich die vorzüglicheren Speisen, Früchte und allerlei Vögel und Kräuter. Für alles dieses war gesorgt. Veronika hatte von Jerusalem einen Korb mit wunderbaren Blumen und künstlichem Zuckerwerk mitgebracht. Jesus war wie der Herr des Festes. Er leitete alle Vergnügungen und würzte sie mit Lehren. Er teilte auch die ganze Festordnung ein und sagte, dass alle an diesen Tagen nach Brauch und Sitte sich ergötzen, aber aus allem in ihrer Freude Weisheit ziehen sollten. Unter anderem sagte Er, dass sie täglich zweimal das Haus verlassen wollten, um im Freien sich zu unterhalten.

So sah ich die Hochzeitsgäste, Männer und Frauen getrennt, in einem Lustgarten mit Unterredung und Spiel sich unterhalten. Die Männer lagen im Kreis an der Erde, in ihrer Mitte waren allerlei Früchte, welche sie nach gewissen Regeln sich zuwarfen und zutrieben, dass sie in gewisse Gruben, Kreise fallen sollten, welches wieder andere zu verhindern suchten. Ich sah Jesus dieses Spiel mit Früchten mitspielen mit einem freundlichen Ernst. Er sagte oft mit Lächeln ein weises Wort, das alle bewunderten, oder still gerührt aufnahmen, oder einzelne nicht verstanden und sich von klügeren erklären ließen. Er hatte die inneren Spielkreise und Gewinne geordnet und verteilte sie mit schönen oft ganz wunderbaren Bemerkungen. Jüngere Anwesende liefen und sprangen über Laubgehänge und Früchte. Die Frauen saßen allein und spielten auch mit Früchten, die Braut saß immer zwischen Maria und des Bräutigams Tante.

Auch eine Art Tanz wurde gehalten. Kinder musizierten und sangen Chöre dazwischen. Alle Tanzenden hatten Tücher in der Hand, mit welchen sich Männer und Jungfrauen berührten, wenn sie in Reihen oder geschlossenen Kreisen tanzten. Ohne diese Tücher berührten sie sich nie. Bei Braut und Bräutigam waren diese Tücher schwarz, bei den anderen gelb. Der Bräutigam und die Braut tanzten zuerst allein und dann tanzten alle zusammen. Die Jungfrauen waren verschleiert, doch war der Schleier über dem Gesicht etwas gelüftet, ihre Kleider waren hinten lang und vorn mit Schnüren etwas geschürzt. Der Tanz war kein Hüpfen und Springen, wie bei uns, mehr ein Wandeln in allerlei Linien. und dabei bewegten sie sich oft auch mit Händen, Kopf und Leib nach der Musik. Es erinnerte mich an das Bewegen der pharisäischen Juden beim Gebet. Aber es war durchaus anmutig und ehrbar. Von den nachmaligen Aposteln tanzte keiner mit. Aber Nathanael Chased, Obed, Jonathan und andere Jünger. Die Tänzerinnen waren nur Jungfrauen. Alles war ungemein ordentlich und ruhigfreudig.

Mit jenen Jüngern, welche nachmals seine Apostel wurden, sprach Jesus in diesen Tagen viel allein. Die anderen Jünger waren nicht dabei zugegen. Jesus wandelte aber auch mit allen Jüngern und Gästen in der Gegend umher und lehrte und die nachmaligen Apostel legten wieder andern die gehörten Lehren Jesu aus. Dieses Wandeln der Gäste diente, dass man die Zubereitungen zum Fest desto ungestörter machen konnte. Doch waren mehrere Jünger und auch Jesus manchmal im Haus und bei den Zurüstungen, um dies oder jenes anzuordnen. Und weil mehrere darunter waren, welche ein Geschäft bei dem Brautzuge hatten.

Jesus wollte an diesem Fest allen seinen Freunden und Verwandten sich zu erkennen geben und wollte, dass alle, die Er bis jetzt erwählt hatte, sich untereinander und den Seinigen in der größeren Offenheit bei einem Fest bekannt würden.

Auch in der Synagoge, wo alle Gäste versammelt waren, lehrte Jesus von der Freude erlaubter Ergötzung, ihrer Bedeutung, ihrem Maße, ihrem Ernst, ihrer Weisheit. Dann auch von der Ehe, von Mann und Frau, von der Enthaltung und Keuschheit und der geistlichen Ehe. Am Schluss der Lehre trat das Brautpaar vor Jesus und Er belehrte sie einzeln.

Trauung. Spiel der Frauen. Lostafel der Männer

Am dritten Tag nach Jesu Ankunft war morgens ungefähr 9 Uhr die Trauung. Die Braut wurde von den Brautjungfern aufgeputzt. Ihre Kleidung war auf die Art, wie das Kleid der Mutter Gottes bei ihrer Hochzeit, ebenso auch ihre Krone, nur war diese reicher verziert. Das Netz ihrer Haare war aber nicht fein in einzelnen Linien verbunden, sondern mehr in dickeren Strängen. Als ihre Kleidung fertig war, wurde sie der Heiligen Jungfrau und den andern Frauen gezeigt.

Von der Synagoge aus wurde Braut und Bräutigam nach dem Festhaus abgeholt und von da nach der Synagoge gebracht. Es waren sechs Knaben und sechs kleine Mägdlein, die Kränze trugen, bei dem Zug, dann sechs erwachsenere Knaben und Mädchen mit Pfeifen und anderen Instrumenten. Sie hatten an den Schultern gesteiftes Zeug, wie Flügel. Außerdem begleiteten die Braut zwölf Jungfrauen als Brautführerinnen und den Bräutigam zwölf junge Männer. Bei diesen war Obed, Veronikas Sohn, Josephs von Arimathäa Vettern und Nathanael Chased, auch einige Johannesjünger, aber keiner der nachmaligen Apostel.

Die Trauung geschah vor der Synagoge durch die Priester. Die Ringe, die sie wechselten, hatte der Bräutigam von Maria zum Geschenk erhalten und Jesus hatte sie bei seiner Mutter gesegnet. Merkwürdig war mir bei der Trauung, was ich bei der Trauung Josephs und Maria nicht beobachtet. Der Priester verwundete den Bräutigam und die Braut mit einem spitzen Instrumente an der Stelle des linken Ringfingers, wo der Ring hinzustecken kam. Er ließ von dem Bräutigam zwei, von der Braut einen Tropfen Blut in einen Becher Wein tröpfeln, welchen sie gemeinschaftlich austranken und den Becher weggaben. Es wurden dann noch manche andere Sachen, Tücher und Kleidungsstücke an dabeistehende Arme verschenkt. Als die Brautleute nach dem Festhaus zurückgebracht waren, empfing sie Jesus daselbst.

Vor dem Hochzeitsmahl sah ich alle wieder in dem Lustgarten versammelt. Die Frauen und Jungfrauen saßen in einer Laubhütte auf Decken und spielten um Früchte. Sie hatten abwechselnd ein dreieckiges Täfelchen auf dem Schoß, das am Rande mit Buchstaben beschrieben war. Sie drehten einen Zeiger auf der Tafel und je nachdem dieser stehen blieb, hatten sie gewisse Gewinne.

Für die Männer sah ich aber ein wundervolles Spiel durch Jesus selbst in dem Lusthaus zubereitet. In der Mitte des Hauses war eine runde Tafel mit ebenso vielen Portionen von verschiedenen Blumen. Kräutern und Früchten am Rande besetzt, als Mitspielende da waren. Diese Früchte hatte Jesus vorher ganz allein nach allerlei tiefsinnigen Bedeutungen geordnet. Über dieser Tafel lag eine andere bewegliche runde Scheibe mit einem Loch. Wenn diese Scheibe umgedreht wurde, kam das Loch über eine der Fruchtportionen zu stehen und diese gewann nun der Drehende als sein Los. In der Mitte der Tafel stand eine Weinrebe voll Trauben über einem Bund Weizenähren hervorragend, der sie umgab und je länger der Tisch gedreht wurde, um so höher stieg der Weinstock und Weizenbusch empor. Die nachmaligen Apostel und auch Lazarus spielten nicht mit. Ich erhielt auch darüber die Weisung: wer schon den Beruf habe zu lehren oder etwas mehr als die andern wisse, der solle nicht mitspielen, sondern die Ereignisse des Spiels beobachten und mit lehrreichen Anwendungen würzen und so das Ernste in der Heiterkeit hervorheben.

Es war aber in diesem von Jesus geordneten Spiel etwas ganz wunderbares und mehr als zufälliges. Denn das Los, das jedem Spielenden zufiel, war ganz bedeutend auf seine Eigenschaften, Fehler und Tugenden. Und Jesus legte einem jeden sein Los nach der Zusammenstellung der Früchte aus. Jedes Los ward zu einer Parabel über den Gewinnenden und ich fühlte, dass sie wirklich innerlich etwas mit diesen Früchten erhielten. So sehr nun alle einzeln gerührt und erweckt wurden durch die Worte Jesu und vielleicht auch durch den Genuss der Früchte, indem deren Bedeutung nun wirkend in sie überging, so war doch, was Jesus über jedes Los sagte, für alle andern, die es nicht betraf, ganz unverfänglich und nur ein erheiterndes und bedeutungsvolles Wort. Jeder einzelne fühlte aber einen tiefen Blick des Herrn in sein Inneres. Es war derselbe Fall, wie bei Jesu Rede zu Nathanael vom gesehen haben unter dem Feigenbaum, was ihn so tief traf und den andern verborgen blieb.

Ich erinnere mich noch, dass auch Reseda unter den Kräutern war und dass Jesus bei dem Lose Nathanaels Chased zu ihm sagte: «Siehst du nun wohl, dass Ich recht gesagt, Du seist ein wahrer Israelit ohne Falsch.»

Ein Los sah ich aber ganz wunderbar wirkend. Der Bräutigam Nathanael gewann eine merkwürdige Frucht. Es waren zwei Früchte an einem Stiel. Die eine glich mehr einer Feige, die andere mehr einem gekerbten Apfel und war hohl. Sie war rötlich, inwendig weiß und rot gestreift. Ich habe solche im Paradies gesehen.

Ich weiß nur, dass alles sehr erstaunte, als der Bräutigam diese Frucht gewann und dass Jesus von der Ehe und Keuschheit sprach und von der hundertfältigen Frucht der Keuschheit und dass dieses alles doch so gesprochen war, dass es die jüdischen Vorstellungen von der Ehe nicht verletzte, dass es aber einige Jünger, z. B. Jakobus der Kleinere, die Essener waren, noch tiefer verstanden.

Ich sah, dass die Anwesenden über dieses Los sich noch mehr verwunderten, als über die andern und dass Jesus ungefähr sagte, es könnten diese Lose, diese Früchte wohl noch größere Früchte tun, als ihre Bedeutung wunderbar scheine. Als der Bräutigam dieses Los für sich und die Braut gezogen und als beide davon genossen hatten, sah ich ihn sehr bewegt werden und erbleichen und einen dunklen Schatten von ihm weichen, so dass er mir viel heller und reiner, ja wie durchsichtig im Vergleich mit vorher erschien. Auch die Braut, die entfernt unter den Frauen saß, wurde nach dem Genuss der gelosten Frucht wie ohnmächtig, indem auch von ihr ein dunkler Schatten sich ablöste. Die Frucht, welche das Brautpaar genossen, hatte Beziehung auf die Keuschheit.

Mit den einzelnen Losen waren auch bestimmte Genugtuungen verbunden. So erinnere ich mich, dass Braut und Bräutigam etwas aus der Synagoge holen und gewisse Gebete verrichten sollten. Das Kraut, was Nathanael Chased gelost hatte, war ein Büschchen Ampfer.

Auch bei allen andern Jüngern, welche Lose genommen und davon gegessen hatten, erwachten ihre eigentümlichen Leidenschaften, widerstrebten ein wenig und wichen von ihnen, oder sie wurden im Kampf gegen dieselben gestärkt. Es ist ein gewisses übernatürliches Geheimnis in allen Früchten und Kräutern, was seit dem Fall des Menschen und der Natur mit ihm ein natürliches Geheimnis geworden, von dessen früherem Inhalt nur noch ein Begriff in der Bedeutung, der Gestalt, dem Geschmack und der Wirkung dieser Geschöpfe übrig ist. In Gesichten und auf himmlischen Tafeln erscheinen diese Früchte nach ihrer Bedeutung vor dem Fall, doch auch nicht immer ganz klar. Es ist nun alles zu verwirrt durch unsern Verstand und gewöhnlichen Lebensgebrauch derselben.

Als die Braut ohnmächtig wurde, nahm man ihr mehrere beschwerlichere Putzkleidungsstücke ab und mehrere Ringe von den Fingern, deren sie viele hatte. Unter andern zog man ihr eine goldene Trichterspitze von dem Mittelfinger, die wie ein Fingerhut darauf saß und sonst auch Ketten und Spangen von Arm und Brust, um sie zu erleichtern. Sie behielt nichts an sich von Schmuck, als den Trauring am linken Ringfinger, welchen ihr die Heilige Jungfrau geschenkt hatte und um den Hals ein Gehänge von Gold, schier wie ein gespannter Bogen gestaltet. In der großen Fläche war eine braune Masse, wie die am Trauring Marias und Josephs eingelegt und darauf eine liegende Figur abgebildet. welche eine Blumenknospe vor sich hielt und betrachtete.

Nach dem Spiel im Garten folgte das Hochzeitsmahl. Der Raum des Festhauses vor der geschmückten Feuerstelle war durch zwei niedere Schirmwände so, dass die zu Tisch liegenden Gäste sich sehen konnten, in drei Räume geteilt, in deren jedem eine schmale lange Tafel stand. Jesus lag im mittelsten Raum oben an der Tafel mit den Füßen gegen die geschmückte Feuerstelle zu. An diesem Tisch saßen Israel, der Brautvater, die männlichen Verwandten Jesu und der Braut und auch Lazarus. An den Seitentafeln saßen die andern Hochzeitsgäste und Jünger. Die Frauen saßen in dem Raum hinter der Feuerstelle, konnten aber alle Worte des Herrn hören. Der Bräutigam diente zu Tisch. Es war jedoch auch ein Speisemeister mit einer Schürze da und einige Diener. Bei den Frauen diente die Braut und einige Mägde.

Als die Speisen aufgetragen waren, wurde auch ein gebratenes Lamm vor Jesus gesetzt. Es hatte die Füße kreuzweise gebunden. Als nun der Bräutigam Jesu ein Kästchen brachte, worin die Zerlegmesser lagen, sagte Jesus zu ihm allein, er solle sich jener Kindermahlzeit nach dem Osterfeste erinnern, da Er eine Parabel von einer Hochzeit erzählt und ihm gesagt hatte, Er werde auf seine Hochzeit kommen. Dieses werde mit dem heutigen Tage erfüllt. Der Bräutigam wurde dadurch sehr ernsthaft, denn er hatte auf jenes Ereignis ganz vergessen. Jesus war bei dem Mahl, wie während der ganzen Hochzeit, sehr heiter und zugleich lehrreich. Er begleitete jede Handlung des Mahles mit einer Auslegung ihrer geistigen Bedeutung. Er sprach auch von der Fröhlichkeit und festlichen Aufheiterung. Er erwähnte, der Bogen müsse nicht immer gespannt sein, ein Feld müsse durch Regen erquickt werden. Er sagte Parabeln darüber. Als Jesus das Lamm zerlegte, erzählte Er besonders wunderbare Dinge. Er sprach vom Trennen des Lammes von der Herde, vom auserwähltwerden, nicht zur Lust, sondern um zu sterben. Dann vom Braten, vom ablegen der Rohheit durch das Feuer der Reinigung, dann vom zerlegen der einzelnen Glieder: so müssten die, welche dem Lamme folgen wollten, sich auch trennen von den innigst fleischlich Verwandten. Und als Er die einzelnen Stücke herumreichte und sie das Lamm nun aßen, sagte Er: also von den seinigen getrennt und zerteilt werde das Lamm in ihnen allen eine sie gemeinsam verbindende Nahrung. So auch müsse, wer dem Lamm folge, seiner Weide entsagen, seinen Leidenschaften absterben, von den Gliedern seiner Familie sich trennen und eine Nahrung und Speise der Vereinigung werden durch das Lamm und in seinem himmlischen Vater. Jeder Gast hatte einen Teller oder Brotkuchen vor sich. Jesus legte auch eine dunkelbraune Platte mit gelbem Rande vor, die herumgereicht wurde. Ich sah Ihn manchmal ein Büschchen Kraut in der Hand halten und darüber lehren.

Jesus hatte den zweiten Gang des Hochzeitsmahls und auch den Wein zu bestreiten übernommen es war für alles durch seine Mutter und Martha gesorgt. Als nun der zweite Gang, bestehend aus Vögeln, Fischen. Honigbereitungen, Früchten und einer Art Backwerk, welches Veronika mitgebracht hatte, auf den Seitentisch aufgetragen war, trat Jesus hinzu und schnitt jedes Gericht an. Dann legte Er sich wieder zu Tisch. Die Gerichte wurden aufgetragen, der Wein aber fehlte. Jesus lehrte. Da nun die heilige Jungfrau, welcher dieser Teil des Mahles zu besorgen oblag, sah, dass der Wein mangle, so ging sie zu Jesus und erinnerte Ihn, dass Er ihr gesagt. Er werde für den Wein sorgen. Jesus, der von seinem himmlischen Vater lehrte, erwiderte: «Frau, bekümmere dich nicht! mache dir und Mir keine Sorge! meine Stunde ist noch nicht gekommen.» Es war dies keine Härte gegen die Heilige Jungfrau. Er sprach zu ihr «Frau» und nicht «Mutter», weil Er in diesem Augenblick als Messias, als der Sohn Gottes, eine geheimnisvolle Handlung vor seinen Jüngern und allen Verwandten ausüben wollte und in göttlicher Kraft anwesend war.

In solchen Augenblicken, wo Jesus als das eingefleischte Wort handelte, wird ein jeder dadurch, dass er als der genannt ist, der er ist, mehr gewürdigt und in der Heiligkeit der Handlung gewissermassen durch die Nennung seines Namens, wie mit einer Würde, einem Amt belehnt. Maria war cie «Frau», welches Den geboren, der hier als ihr Schöpfer an den Wein gemahnt wird für seine Geschöpfe, denen Er zeigen will, dass Er der Sohn Gottes. und nicht, dass Er der Sohn Marias ist. Als Er am Kreuz starb und sie weinte, sagte Er auch: «Frau, siehe das ist dein Sohn!» auf Johannes deutend. Da Jesus ihr gesagt, Er werde für den Wein sorgen, tritt Maria hier auf in ihrer Würde als Mittlerin und Fürsprecherin und stellt Ihm den Mangel des Weines vor. Der Wein aber, den Er geben wollte, war mehr als Wein im gewöhnlichen Sinne, er bezog sich auf das Geheimnis des Weines, den Er einst in sein Blut verwandeln wollte. Er sagte daher: meine Stunde ist noch nicht gekommen, erstens, dass Ich den versprochenen Wein gebe, zweitens, dass Ich Wasser in Wein verwandle, drittens, dass Ich den Wein in mein Blut verwandle. Maria war nun nicht mehr besorgt für die Gäste der Brautleute. Sie hatte ihren Sohn gebeten und darum sagte sie zu den Dienern: «Tut alles, was Er euch sagen wird.»

Es ist dasselbe, als wenn die Braut Jesu, die Kirche, zu Ihm betet: «Herr, deine Söhne haben keinen Wein» es sagte Jesus zu ihr nicht Braut, sondern «Kirche bekümmere dich nicht, sei nicht beunruhigt, meine Stunde ist noch nicht gekommen!» und als sagte die Kirche zu den Priestern: «Beobachtet alle seine Winke und Befehle, denn Er wird euch helfen.»

Maria sagte also zu den Dienern, sie sollten die Befehle Jesu erwarten und erfüllen. Nach einiger Zeit befahl Jesus den Dienern, die leeren Krüge vor Ihn zu bringen und umzukehren. Sie brachten die Krüge heran, es waren drei Wasser- und drei Weinkrüge. und zeigten, dass sie leer waren, indem sie dieselben umgewendet über ein Becken hielten. Jesus befahl ihnen, sie allesamt mit Wasser zu füllen. Sie trugen sie fort nach dem Brunnen, der sich in einem Kellergewölbe befand und aus einem steinernen Wasserkasten und einer Pumpe bestand. Die Krüge waren groß und schwer von Erde. An einem vollen hatten zwei Mann an den beiden Henkeln des Kruges zu tragen. Sie hatten mehrere mit Zapfen geschlossene Röhren von oben nach unten. Und wenn das Getränk bis zu einer gewissen Höhe geleert war, wurde der niedere Zapfen geöffnet und dieser Ausguss gebraucht. Die Krüge wurden beim ausgießen nicht gehoben, sondern nur auf ihren hohen Füßen etwas gesenkt.

Die Mahnung Marias geschah leise, die Antwort Jesu laut, ebenso der Befehl, Wasser zu schöpfen. Als die Krüge gefüllt mit Wasser alle sechs bei dem Speise- oder Schenktisch aufgestellt waren, ging Jesus dahin und segnete die Krüge. Und als Er wieder zu Tisch lag, sagte Er: «Schenkt ein und bringt dem Speisemeister einen Trunk!» Da nun dieser den Wein versuchte, ging er zu dem Bräutigam und sagte, sonst gebe man den guten Wein zuerst und wenn die Gäste berauscht seien, dann gebe man gewöhnlich schlechteren. Er aber habe den köstlichen Wein zuletzt gegeben. Er wusste nicht, dass dieser Wein von Jesus zu besorgen übernommen war, wie dieser ganze Teil des Mahles, was allein nur der Heiligen Familie und der Hochzeitsfamilie bekannt war. Da tranken auch der Bräutigam und der Brautvater mit großem Erstaunen die Diener beteuerten, dass sie Wasser geschöpft und die Trinkgefäße und Becher auf den Tafeln gefüllt hätten. Nun tranken alle. Es war aber kein Lärm über das Wunder, es war eine Stille und Ehrfurcht in der ganzen Gesellschaft und Jesus lehrte viel über dieses Wunder. Er sagte unter anderem: die Welt gebe den starken Wein zuerst und betrüge die Berauschten mit schlechten Getränken, so aber nicht das Reich, welches sein himmlischer Vater Ihm gegeben. Das reine Wasser werde da zu köstlichem Wein, wie die Lauigkeit zum Geist und starkem Eifer werden müsse. Er sprach auch von der Mahlzeit, welche Er in seinem zwölften Jahr nach der Rückkehr von der Lehre im Tempel mit mehreren der hier Anwesenden als Knaben gefeiert und wie Er damals von Brot und Wein gesprochen und eine Parabel von einer Hochzeit erzählt habe, wo das Wasser der Lauigkeit in den Wein der Begeisterung verwandelt werde und wie dieses nun vollbracht sei. Dann sprach Er auch, dass sie größere Wunder erleben würden. Er werde mehrere Ostern halten und an den letzten Ostern werde Wein in Blut und Brot in Fleisch verwandelt werden Er werde bei ihnen bleiben und sie trösten und stärken bis ans Ende. Auch würden sie nach jenem Mahl Dinge an Ihm geschehen sehen, welche sie jetzt nicht verstehen könnten, so Er sie ihnen sagte. Er sagte dieses alles nicht so plan hin, sondern es war in Parabeln gehüllt, welche ich vergessen habe, es war aber dies der Sinn davon. Sie hörten alles mit Scheu und Verwunderung. Alle aber waren wie verwandelt durch diesen Wein ich sah, dass sie nicht durch das Wunder allein, sondern auch mit dem Wein selbst, wie früher durch die Früchte, innerlich eine wesentliche Stärkung und Veränderung empfangen hatten. Alle seine Jünger, seine Verwandte und alle Festgenossen waren nun überzeugt von seiner Macht und Würde und seiner Sendung. Sie glaubten alle an Ihn und in allen war dieser Glaube gleich verbreitet und sie waren alle besser und einig und innig geworden, die von dem Wein getrunken hatten. So war Er hier zum ersten Mal in seiner Gemeinde es war das erste Zeichen, welches Er in derselben und für dieselbe zu seiner Bestätigung in ihrem Glauben getan. Darum auch wird es als erstes Wunder in seiner Geschichte erzählt, wie das Abendmahl als das letzte, wo sie bereits glaubten.

Am Schluss des Mahles kam der Bräutigam noch zu Jesus allein und sprach mit Ihm sehr demütig und erklärte Ihm, wie er aller Begierde sich abgestorben fühle und gern mit seiner Braut in Enthaltung leben möge, so sie es ihm gestatte auch die Braut kam zu Jesus allein und sagte dasselbe und Jesus rief sie beide zusammen und sprach mit ihnen von der Ehe und der gottgefälligen Reinheit und den hundertfältigen Früchten des Geistes. Er sprach von vielen Propheten und heiligen Leuten, welche keusch gelebt und dem himmlischen Vater ihr Fleisch geopfert und wie sie viele verlorene Menschen, die sie zum Guten zurückgeführt, gleich geistlichen Kindern gewonnen hätten wie ihre Nachkommenschaft groß und heilig sei. Er sprach dies alles im Sinn von zerstreuen und von sammeln. Und sie taten ein Gelübde der Enthaltung, als Bruder und Schwester zu leben auf drei Jahre. Sie knieten vor Jesus und Er segnete sie.

Am Abend des vierten Tages der Hochzeit wurden Braut und Bräutigam in ihr Haus eingeführt mit einem feierlichen Zug. Es ward dabei ein Leuchter getragen mit brennenden Lichtern, welche einen Buchstaben darstellten. Kinder gingen vor dem Zug und trugen auf Zeug-Bahnen eine offene und eine geschlossene Blumenkrone und zerpflückten dieselben vor dem Hause der Brautleute und streuten sie umher. Jesus war in dem Haus und segnete sie. Die Priester waren zugegen. Seit dem Wunder Jesu bei dem Mahl waren sie ganz demütig und ließen Ihn alles verrichten.

Am Sabbat lehrte Jesus zweimal in der Synagoge von Kana. Er sprach auch von dem Hochzeitsfest und von dem Gehorsam und der frommen Gesinnung des Brautpaares. Als Er die Synagoge verließ, ward Er von Leuten, die sich vor Ihm niederwarfen, um Hilfe für Kranke angerufen.

Er tat hier zwei wunderbare Heilungen. Ein Mann war von einem Turm herabgestürzt. Er war tot und hatte alle Glieder zerschmettert. Jesus trat zu ihm, legte ihm die Glieder in Ordnung, berührte die Brüche und befahl ihm, aufzustehen und nach Hause zu gehen, welches er tat, nachdem er gedankt hatte. Er hatte Frau und Kinder. Er ward auch zu einem Besessenen geführt, der an einen Stein gefesselt war und befreite ihn. Er heilte auch Wassersüchtige und eine blutflüssige Frau, die eine Sünderin war. Es waren sieben, die Er heilte. Die Leute hatten nicht kommen dürfen während des Festes. Da aber verlautete, Er würde nach dem Sabbat wegziehen, so ließen sie sich nicht mehr halten. Die Priester ließen Ihn nach dem Wunder auf der Hochzeit alles tun diese Wunder geschahen in ihrer Gegenwart allein. Die Jünger waren nicht dabei.

6. Jesus in Kapharnaum und am See Genesareth

Nach dem Sabbat ging Jesus in der Nacht mit seinen Jüngern nach Kapharnaum. Der Bräutigam, sein Vater und mehrere andere begleiteten Ihn ein Stück Weges. Die Armen hatten sehr viel bei dem Hochzeitsmahl erhalten. Denn nichts kam zweimal auf den Tisch, alles wurde gleich ausgeteilt.

Ich sah schon vor dem Sabbat auf zwei Fasttage, welche danach eintraten, vorausgekocht. Alles Feuer wurde zugesetzt und die überflüssigen Fenster geschlossen. Die Wohlhabenden haben Stellen am Herde, wo unter heißer Asche alles warm bleibt. Diese Fasten hielt Jesus in Kapharnaum, wo Er auch in der Synagoge lehrte. Zweimal des Tages wurden Ihm Kranke gebracht, die Er heilte. Die Jünger aus Bethsaida gingen nach Hause und kamen teils wieder. Er ging auch in der Gegend umher und lehrte. In der Ruhezeit war Er bei Maria.

Andreas, Saturnin, Aram, Themeni und Eustachius wurden von Jesus an die große, von Johannes verlassene Taufstelle am Jordan diesseits von Jericho gesandt, wo sie nun taufen werden. Jesus begleitete sie ein Stück Weges und ging dann nach Bethulien. wo Er heilte und lehrte. Hierauf wandelte Er sieben bis acht Stunden zurück bis nordwestlich von Kapharnaum gegen Hanathon, in dessen Nähe ein Lehrberg ist. Die Höhe dieses Berges war langsam ansteigend wohl eine Stunde. Es war eine förmliche Einrichtung zum Lehren auf demselben. Ein steinerner erhöhter Lehrstuhl, mit Pfählen umgeben, konnte mit einem großen Zeltdach gegen Sonne und Regen überspannt werden. Der Raum des Zeltdaches umfasst sehr viele Menschen. Es wurde nach jeder Lehre wieder mit hinabgetragen. Auf dem Bergrücken liegen noch drei Hügel, unter denen der Berg der Seligkeiten. Wo Jesus lehrte, ist eine große Aussicht. Man sieht das galiläische Meer unter sich liegen und kann weit umher bis gegen Nazareth sehen. Der Berg ist an einzelnen Stellen bewachsen und angebaut, der Gipfel aber, wo Jesus lehrte, nicht. Es ist der Umfang desselben mit der Grundlage einer zerstörten Mauer umgeben, in welcher noch Überreste von Türmen zu sehen sind. Um den Berg herum liegen die Orte Hanathon, Bethanat und Nejel welche den Eindruck machen, als seien sie einmal eine sehr große Stadt im Zusammenhang gewesen.

Jesus hatte drei Jünger bei sich, einen Sohn der Tante des Bräutigams von Kana, einen Sohn der anderen Witwe und der Halbbruder des Petrus Jonathan. Durch diese waren die Leute auf den Lehrberg berufen worden. Jesus lehrte hier von der Verschiedenheit des Geistes der Menschen, jedes Ortes, ja der einzelnen Familien und von dem Geist, den sie durch die Taufe empfingen, wodurch sie einig würden untereinander durch Buße, Genugtuung und Versöhnung und einig mit dem himmlischen Vater. Er sagte ihnen auch, woran sie erkennen könnten, in welchem Grad sie den Heiligen Geist in der Taufe empfangen hätten. Er lehrte auch über das Gebet und einzelne Bitten ich wunderte mich, dass Er schon über einzelne Bitten des Vaterunsers lehrte, da Er doch dasselbe noch nicht ausgesprochen hatte. Diese Lehre dauerte von Mittag bis Abend, da Er nach Bethanat herab ging, wo Er übernachtete. Die Nacht zuvor war Er in Hanathon gewesen.

Am folgenden Tag ging Jesus von Bethanat in der Richtung gegen den See. Es waren in Bethanat noch fünf Johannesjünger zu Ihm gekommen, die nördlich von Apheka, der Vaterstadt des heiligen Thomas, aus einer Gegend am Mittelmeer waren. Sie waren lange bei Johannes gewesen und schlossen sich nun an Jesus.

Gegen Mittag sah ich Jesus mit den Jüngern auf einem Hügel zwischen dem Einfluss des Jordan und Bethsaida, etwa eine halbe Stunde vom See. Sie hatten die Aussicht auf den See und sahen Petrus und Johannes und Jakobus auf ihren Schiffen auf dem See. Petrus hatte ein großes Schiff, worauf seine Knechte waren. Er selbst war auf einem kleinen, das er lenkte. Johannes und Jakobus mit ihrem Vater hatten auch ein großes Schiff und kleinere. Ich sah auch das Schiff des Andreas. Es war nur klein und bei des Zebedäus Schiffen. Er selber war aber jetzt am Jordan. Als die Jünger die Freunde auf dem See erblickten, wollten sie hinab, um sie zu rufen. Jesus aber befahl ihnen zu bleiben. Ich hörte auch, dass sie sagten: «wie können diese Männer da nun noch herumfahren und fischen, nachdem sie gesehen, was Du getan und Deine Lehre gehört?» und dass Jesus ihnen sagte: «Ich habe sie noch nicht gerufen. Sie haben ein großes Gewerbe und besonders Petrus, wovon viele Menschen leben. Ich habe ihnen gesagt, so zu tun und sich zu bereiten, bis Ich sie rufe. Ich werde bis dahin noch vieles tun und auch noch zu Ostern nach Jerusalem gehen.»

An der Abendseite des Hügels standen etwa sechsundzwanzig Wohnungen, meistens von Fischern und Landleuten. Als Jesus da hinein ging, lief Ihm ein Besessener nach und schrie: «Da geht Er! Da kommt Er der Prophet, vor dem wir fliehen müssen!» Und es umgaben Ihn bald noch viele andere Besessene und schrieen und rasten und auch Leute, welche sie begleiteten, folgten ihnen. Jesus befahl ihnen ruhig zu sein und Ihm zu folgen. Er ging auf den Hügel und lehrte. Es waren wohl hundert Menschen mit den Besessenen um Ihn. Er lehrte auch von den bösen Geistern und wie ihnen Widerstand zu leisten sei und von Besserung des Lebens. Die Besessenen wurden befreit, sie wurden sehr still, weinten, dankten und sagten, sie wüssten nicht, wie ihnen vorher gewesen. Es waren diese Unglücklichen, unter denen einige aneinander geschlossen gewesen, aus verschiedenen Orten der Gegend hierher gebracht worden, weil die Leute gehört hatten, es käme der Prophet daher, der so heilig sei wie Moses. Sie hätten Jesus verfehlt, wenn einer sich nicht losgerissen und nach geschrieen hätte.

Jesus ging von hier zu seiner Mutter zwischen Kapharnaum und Bethsaida. Ersteres lag nicht weit von diesem Hügel etwas nördlicher. Am Abend, da der Sabbat begann, lehrte Jesus in der Synagoge von Kapharnaum. Sie hatten noch eine besondere Feier, die sich auf Tobias bezog, der in dieser Gegend gewesen war und viel Gutes getan hatte. Er hatte auch Güter an die Schulen und Synagogen hinterlassen. Jesus lehrte von der Dankbarkeit.

Nach dem Sabbat ging Jesus wieder zu seiner Mutter, mit welcher Er sich allein unterhielt, selbst einen Teil der Nacht hindurch. Er sprach von seinem künftigen Wandel, wie Er nun an den Jordan ziehe, an Ostern nach Jerusalem, wie Er dann die Apostel berufen und ganz öffentlich auftreten werde. Wie man Ihn in Nazareth verfolgen werde und von seiner folgenden Laufbahn und auf welche Weise sie und die anderen Frauen daran teilnehmen würden. Es war damals im Hause Marias eine schon sehr bejahrte Frau, dieselbe arme, verwandte Witwe, welche ihr in die Krippenhöhle als Magd von Anna war gesandt worden. Sie war so alt, dass Maria mehr ihr diente, als sie Maria.

Mit den acht Jüngern trat nun Jesus die Reise nach dem Jordan zum Taufort an. Sie nahmen vor Anbruch des Tages ihren Weg nach der Morgenseite des Sees und kamen wieder über den Hügel. von wo aus sie die Schiffe der Apostel gesehen hatten. Über den Jordan, der in einem tiefen Bett floss, gingen sie etwa eine halbe Stunde vor seinem Einfluss in den See auf einer steilen hohen Brücke. Jenseits dieses Übergangs, in dem Winkel gegen den See zu, liegt ein kleiner Fischerort, mit vielen ausgebreiteten Netzen umgeben, er heißt Klein-Chorazin. Eine kleine Stunde nördlicher vom See ab liegt Bethsalda-Julias. Gross-Chorazin liegt ein paar Stunden östlich vom See. Hier war Matthäus Zöllner.

Jesus reiste an dem östlichen Seeufer hinab und blieb in Hippos über Nacht. Am anderen Morgen zog Er an Gadara vorüber, heilte in der Nähe dieser Stadt einen Besessenen, der an Stricken Ihm nachgeführt wurde, sich aber losriss und entsetzlich schrie: «Jesus! Du Sohn Davids! Jesus! wo willst Du hin? Du willst uns vertreiben!» Da stand Jesus still und befahl dem Teufel zu schweigen und von diesem Menschen zu weichen und wo er hinweichen sollte.

Ein paar Stunden von Gadara ging Jesus an den Jordan, fuhr hinüber und reiste. Scythopolis zu seiner Linken lassend, abendlich mittagswärts. Er kam über den Berg Hermon nach Jezrael einer Stadt, die an der Abendseite die Ebene Esdrelon hat. Jesus heilte hier sehr viele Leute öffentlich vor der Synagoge, hielt sich aber nur wenige Stunden in Jezrael auf, so dass Magdalena, welche auf die Bitten Marthas mit ihr auf dem Weg hierher sich befand, um Jesus zu sehen. bei ihrer Ankunft Ihn nicht mehr fand. Sie hörte nur von seinen Wundern aus dem Munde der Geheilten. Es trennten sich hier die Schwestern und Magdalena ging nach Magdalum zurück.

Danach sah ich Jesus in dem Ort Hay, nicht weit von Bethel und vom Taufplatz etwa neun Stunden entfernt. Der Ort war in früher Zeit einmal zerstört, aber kleiner wieder aufgebaut worden. Er lag ziemlich versteckt. Jesus heilte und lehrte hier.

Unter den Pharisäern des Ortes waren solche, welche bei der Lehre des zwölf jährigen Knaben Jesus im Tempel zugegen gewesen. Sie sprachen davon und legten es als eine Heuchelei aus, dass Er damals in einer Synagoge der Gelehrten sich unter die Schüler an die Erde gelegt, mit ihnen disputiert und dann die Lehrer gefragt habe, als wolle Er Unterweisung gegen die Reden seiner Gegner, z. B. «was meint ihr davon - unterrichtet uns - wann wird der Messias kommen?» Und so habe Er sie in allerlei Äußerungen gelockt und dann alles besser wissen wollen. Ob Er nicht dieser sei? fragten sie Ihn.

7. Jesus lässt am Jordan taufen

Von Hay zog Jesus an den vormaligen Taufort des Johannes, drei Stunden von Jericho am Jordan. Andreas und viele Jünger waren Ihm etwa eine Stunde weit entgegen gegangen. Es waren noch mehrere Jünger von Johannes und einige von Nazareth hier. Einzelne der Jünger gingen dann nach dem kleinen Ort Ono, etwa eine Stunde vom Taufort, und meldeten, dass Jesus den Sabbat hier feiern und heilen werde. Sie sprachen davon, dass Jesus die Lehre und das Werk des Johannes fortführe und deutlicher und kräftiger vollende, wozu Johannes den Grund gelegt. Vor Ono hatte Jesus eine eigene Herberge, etwa eine halbe Stunde vom Taufort entfernt. Lazarus hatte sie für Jesus gekauft und einen Mann dahin gesetzt, der die Speise bereitete. Doch Jesus aß gewöhnlich kalt. Diese Herberge diente Jesus zum Aufenthaltsort, wenn Er in dieser Gegend verweilte und von hier aus zog Er an verschiedene Orte im Umkreis, um zu lehren und zu taufen. Als Er zum Sabbat nach Ono kam, lehrte Er in der Synagoge und heilte viele Kranke, die herbeigebracht wurden, unter anderen eine ganz abgezehrte blutflüssige Frau.

Herodes hatte sich in letzter Zeit oft bei Johannes eingefunden, der ihn immer als einen Ehebrecher mit Verachtung behandelte. Herodes fühlte innerlich das Recht des Johannes. Aber seine Frau war wütend gegen diesen. Johannes lehrte nun immer von Jesus, taufte keinen mehr, sondern sendete alle über den Jordan hinüber zu Jesu Taufe.

Durch die von Kana aus an den Taufort vorausgeschickten Jünger war auf Jesu Anordnung vieles verändert worden und es wurde überhaupt alles nun feierlicher und ordentlicher gehalten als bei Johannes. Die Überfahrt war wegen des Zusammenlaufes des Volkes weiter stromabwärts verlegt, der große Taufzirkus des Johannes um einen Teich unter freiem Himmel war entfernt. Die Stelle, wo nun Jesus durch Andreas, Saturnin und abwechselnd durch die andern Jünger taufen ließ, während Er lehrte und die Täuflinge vorbereitete, war auf der kleinen Insel, wo Jesus getauft worden war, unter einem großen Zelt errichtet. Der Taufbrunnen Jesu auf dieser Insel war sehr verändert. Die fünf verdeckten Kanäle aus dem Jordan in diesen Brunnen waren aufgedeckt und die vier Steine aus demselben herausgenommen und auch der große, dreieckige, rotgeaderte Stein am Rand desselben, auf welchem Jesus gestanden, als der Heilige Geist über Ihn kam. Diese waren alle in die neue Taufstelle gebracht.

Dass die Stelle, wo Jesus getauft worden war, jene war, wo die Bundeslade gestanden, dass die Steine in dem Taufbrunnen jene waren, worauf sie im Jordansbett geruht, war nur Johannes und Jesus bekannt, ohne dass sie davon gesprochen hätten. So wusste es nun auch der Herr allein, dass es diese Steine waren, die nun den Taufstein bildeten. Die Juden hatten längst die Ruhestellen dieser Steine vergessen und es war den Jüngern nichts davon bekannt gemacht. Andreas hatte in den dreieckigen Stein ein rundes Becken ausgehauen und dieser lag auf den vier untergesetzten Steinen in einer Grube voll Wasser, welche diesen Taufstein wie einen Graben umgab, in welchen Wasser aus dem Taufbrunnen Jesu gebracht war. Das Wasser in dem dreieckigen Stein war auch daher und Jesus segnete es. Wenn die Täuflinge in den Graben um das dreieckige Becken stiegen, reichte ihnen dieses bis zur Brust.

Neben dieser Taufstelle war eine Art Altar, worauf die weißen Taufhemden lagen. Zwei Jünger legten den Täuflingen die Hände auf die Schultern und Andreas oder Saturnin oder manchmal ein anderer taufte sie dreimal mit der hohlen Hand aus dem Becken über ihr Haupt schöpfend im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die, welche tauften und die Hände auflegten, hatten weiße lange Röcke und Gürtel an und von den Schultern lange weiße Bahnen, wie breite Stolen niederhängen. Johannes taufte mit einer dreirinnigen, drei Wasserstrahlen gießenden Schale und sprach andere Worte von Jehova und seinem Gesandten. Es ist kein von Johannes Getaufter hier wieder getauft worden. Aber ich meine nach der Sendung des Heiligen Geistes bei der Taufe am Teiche Bethesda wurden sie wieder getauft. Auch hier ward noch keine Frau getauft. Das Taufen mit dreimaligem Untertauchen sah ich erst am Teich Bethesda anfangen.

Über dem Taufbecken war eine Öffnung im Zelt. Die Täuflinge standen an den Seiten, der Taufende und die Paten an den Ecken des Steines.

Jesus lehrte draußen auf einem erhöhten Lehrplatz, über den auch in der Hitze ein Zelt gespannt war, von der Taufe, der Buße und der Nähe des Reiches und vom Messias, wo sie Ihn suchen sollten: nicht unter den Vornehmen, sondern unter Geringen und Armen. Er nannte diese Taufe eine Abwaschung, die Johannestaufe eine Taufe zur Buße. Er sprach auch von einer Feuertaufe des Geistes, welche noch kommen werde.

Die Bäume und Sträuche, welche Johannes laubenförmig um die Taufinsel Jesu gepflanzt hatte, waren oben schön zusammen gezogen und der Baum im Taufbrunnen ragte daraus hervor. Ich sah auf seinem Gipfel eine Figur hervorragen wie ein Kindchen, das mit ausgebreiteten Ärmchen aus einem Weinstock wächst und mit der einen Hand gelbe Äpfel, mit der andern Rosen austeilt. Sie war ein Teil des Festschmuckes zur Feier des Beginnes der Taufe Jesu.

Jesus ist mit mehreren Jüngern von dem Taufort mittagwärts, gegen Abend vom toten Meer in die Gegend hingegangen, wo sich Melchisedech aufgehalten, als er den Jordan und die Berge abgemessen. Er hatte lange vor Abraham Vorfahren desselben dahin gebracht. Ihre Stadt aber ist mit Sodom und Gomorrha zugrunde gegangen. Jetzt sah man hier in einer dunkeln, durch schwarze, zerrissene Felsen und große Höhlen wüsten Gegend, die sich ungefähr eine halbe Stunde vom toten Meer landeinwärts dehnte, allerlei zerbrochene Mauern und halbe Türme der verwüsteten Stadt Hazezon Thamar. Da, wo jetzt das tote Meer ist, war vor dem Untergang jener gottlosen Städte nur der Jordan. Er war etwa eine Viertelstunde breit. Die Leute, die jetzt mehr landeinwärts in Höhlen und allerlei Ruinen angesiedelt sind, sind keine rechten Juden, sondern Sklaven aus dort durchziehenden Völkern, welche diesen die Feldarbeit tun müssen. Sie sind arm und demütig und sehr vernachlässigt. Sie haben sich Jesu Ankunft als eine unbegreifliche Gnade geschätzt und Ihn sehr liebevoll aufgenommen. Jesus hat viele geheilt.

In der jetzigen Zeit ist jene Gegend besser, als zu Jesu Zeit. Aber früher war sie unbeschreiblich schön und fruchtbar. Zu Abrahams Zeit ist sie durch Entstehung des toten Meeres aus einer der herrlichsten Gegenden zur Wüste geworden. Eine Menge von Städten und Städtchen hatten an dem mit Quadersteinen gemauerten Jordansufer gelegen und mitten und zwischen denselben die schönen Berge und Hügel. Alles war mit Dattelhainen, Weingärten, Früchten und Getreide überzogen. Die Herrlichkeit war gar nicht zu beschreiben. Der Jordan hatte sich, ehe das tote Meer entstand, unterhalb seiner großen Breite zwischen den versunkenen Städten in zwei Arme geteilt, der eine wendete sich ostwärts und nahm allerlei Wasser auf, der andere floss der Wüste zu, durch welche die Flucht nach Ägypten gegangen ist und floss bis in die Gegend von Mara, wo Moses die bittere Quelle versüßte und woher Annas Voreltern gewesen. Zwischen den Städten waren Salzbergwerke, das Wasser war aber nicht salzig. Es waren viele Springquellen dort.

Noch ferne in der nachmaligen Wüste haben die Völker das Jordanwasser getrunken und geehrt.

Die früh von Melchisedech nach Hazezon versetzten Vorfahren Abrahams sind sehr entartet und Abraham ward durch ein zweites Erbarmen Gottes nach dem gelobten Land geführt. Melchisedech ist hier gewesen, als der Jordan noch gar nicht da war. Er hat alles abgemessen und bestimmt. Er ist oft gekommen und gegangen und hat manchmal ein paar Leute, wie Sklaven bei sich gehabt.

Danach wandelte Jesus mit seinen Jüngern in der Richtung gegen Bethlehem durch ein Stück des Tales der Hirten nach Beth-Araba, drei Stunden vom Taufort. Er war schon einmal hier gewesen, als Er nach der Taufe die Hirten besuchte. Der Ort lebt von durchziehenden Karawanen und ist etwa vier Stunden von Bethanien. Er liegt auf den Grenzen von Juda und Benjamin.

Es waren hier viele Besessene, die vor dem Ort umherliefen und schrieen, da Jesus nahte. Er befahl ihnen, sich zu bedecken sie hatten sich in wenigen Minuten Schürzen von Laub gemacht. Jesus heilte sie und schickte aus dem Ort Leute, welche ihnen Kleider brachten. Es waren solche dabei, die plötzlich hoch aufgetrieben wurden.

Andreas und fünf andere Jünger waren hierher dem Herrn vom Taufort voraus gegangen und hatten gesagt, dass Er hier den Sabbat feiern werde. Er wohnte mit den Jüngern in einer Herberge allein, wie solche freie Herbergen damals immer in Städten für reisende Lehrer und Rabbiner waren. Auch Lazarus, Joseph von Arimathäa und andere von Jerusalem waren hierher gekommen.

Jesus lehrte in der Synagoge und auf einem steinernen Lehrstuhl, auf freiem Platz und an allen Ecken und Wegen. Denn es waren sehr viele Menschen hier, welche die Schule nicht fassen konnte. Er heilte sehr viele Kranke von mancherlei Art. Die Jünger führten sie herbei und machten ihnen Raum im Gedränge. Lazarus und Joseph von Arimathäa standen in der Ferne.

Am Schluss des Sabbats ging der Herr mit den Jüngern noch nach Ono zurück. Er kam durch den kleinen Ort Bethagla, wohin die Kinder Israels, als sie über den Jordan zogen, auch gekommen sind. Denn sie gingen nicht an einer Stelle, sondern in großer Breite über das trockene Flussbett. Als sie hier ankamen, ordneten sie die Kleidung und schürzten sich. Jesus kam auch an dem Bundesladenstein vorüber, wo Johannes das Fest gehalten hatte.

Lazarus und Joseph von Arimathäa kehrten nach Jerusalem zurück. Nikodemus war nicht gekommen, er hielt sich wegen seines Amtes mehr zurück. Aber er diente Jesu heimlich und meldete nachher der Gemeinde immer alle Gefahr.

Tags darauf war der erste und ich sah, dass in Jerusalem die dienende Klasse und die Beamten einen arbeitsfreien Tag hatten. Es war wie ein Freudenfest. Es war Ruhetag und es wurde heute nicht getauft.

Auf den Dächern der Synagogen hingen am Neumondsfest Fahnen an langen Stangen aus. Sie waren von Knoten unterbrochene Tücher, zwischen welchen Falten waren, die sich im Winde aufbauchten. Durch die Anzahl der Knoten zeigte man den Leuten in der Ferne an, der wievielte Monat eingetreten sei. Solche Fahnen wurden auch im Krieg als Zeichen des Sieges oder der Gefahr ausgesteckt.

Jesus bereitete durch Lehren den ganzen folgenden Tag viele Menschen zur Taufe vor, die sich schon gestern dort versammelt und umher gelagert hatten. Getauft wird auch heute nicht, da ein Fest wegen des Todes eines bösen Königs, (des Alexander Jannäus) gefeiert wird. Die Taufstelle ist sehr schön eingerichtet und geschmückt. Tags darauf begannen Andreas und die anderen Jünger früh die Taufe jener, welche Jesus gestern vorbereitet hatte.

Jesus aber ging mit Lazarus, welcher mit Obed, Simeons Sohn, gestern Abend wieder gekommen war mit diesem vom Taufort am Morgen früh nach der Gegend von Bethlehem zwischen Bethagla und dem mehr abendlich liegenden Ophra, Jesus ging diesen Weg, weil Lazarus Ihm erzählen wollte, was man in Jerusalem von Ihm spreche weil Jesus ihn und durch ihn die Freunde unterrichten wollte, wie sie sich dabei verhalten sollten. Sie kamen auf dem Reiseweg Josephs und Marias nach Bethlehem ungefähr drei Stunden weit bis zu einer Reihe von armen Hirtenwohnungen in einsamer Gegend. Lazarus erzählte Jesus das Gerede in Jerusalem, wie man teils erbittert, teils spottend, teils neugierig von Ihm spreche wie sie sagten, sie wollen sehen, wenn Er auf Ostern zum Fest komme, ob Er dann auch so kühn sein werde mit seinen Wundern in einer großen Stadt wie beim unwissenden Volk und in Galiläa. Er erzählte Jesus auch, was die Pharisäer aus verschiedenen Orten von Ihm berichtet hätten und von ihrer Spioniererei. Jesus beruhigte ihn über all dieses und wies ihn auf allerlei Stellen in den Propheten, worin dies alles vorbedeutet sei. Er sagte ihm auch, dass Er noch etwa acht Tage am Jordan sein und dann wieder nach Galiläa ziehen werde, dass Er zu Ostern nach Jerusalem kommen, nachher aber seine Jünger berufen werde. Auch über Magdalena tröstete Er ihn, von der Er sagte, dass schon ein Funke des Heils in sie gefallen sei, der sie ganz entzünden werde.

Sie verweilten den Tag hindurch bei den Hirtenwohnungen, wo sie mit Brot, Honig und Früchten bewirtet wurden. Es wohnten hier etwa nur zwanzig Hirtenfrauen, Witwen, die einige erwachsene Söhne bei sich hatten, welche ihnen bei ihrem Alter behilflich waren. Ihre Wohnungen waren Zellen, etwas getrennt und teils von Reiserwerk, das noch lebendig wuchs. Es waren hier unter diesen Frauen einige, welche bei Christi Geburt in der Krippe angebetet und geopfert hatten. Jesus lehrte hier und ging in die einzelnen Hütten und heilte einige Frauen. Eine war sehr alt, krank und hager. Sie wohnte in einer kleinen Hütte und lag auf einem Lager von Laub, Jesus führte sie an der Hand heraus. Die Frauen hatten einen gemeinsamen Speise- und Betort.

Lazarus und Obed kehrten nach Jerusalem zurück. Jesus besuchte und heilte noch einige Kranke in der Gegend und gegen drei Uhr nach Mittag sah ich Ihn wieder am Taufort.

B. Jesus in Adummim und Nebo

Jesus ist mit den meisten seiner Jünger über Bethagla nach Adummim gegangen. Dieser Ort liegt ganz verborgen in einer schrecklich wilden Gegend von lauter Gebirgsschluchten, wo der Weg oft so schmal neben den Felsen hinläuft, dass kaum ein Esel gehen kann. Es liegt von Jericho etwa drei Stunden an der Grenze von Benjamin und Juda ganz versteckt. Ich habe es früher nie gesehen. Es liegt dieser Ort wunderbar steil. Er ist eine Freistatt für Verbrecher und Mörder gewesen, welche hier vor der Todesstrafe Schutz fanden. Sie sind entweder bis zu ihrer Besserung hier beobachtet oder nachher als Sklaven in Steinbrüchen und zu großen Bauarbeiten gebraucht worden. Der Ort hat deswegen der Steg der Roten, der Blutigen geheißen. Diese Freistätte ist schon vor David hier gewesen. Nach Jesus unter den ersten Verfolgungen der Gemeinde hat es geendet. Später wurde da ein Kloster, wie eine Festung von den ersten Ordensbrüdern des heiligen Grabes gebaut. (Sie versteht darunter jene Genossenschaft zur Bewahrung und Verehrung des heiligen Grabes, die sie unter den ersten Bischöfen von Jerusalem entstehen sah.) Die Leute lebten hier von Wein und Obstbau. Es war eine fürchterliche Wildnis von meist nackten Felsen; die Weinstöcke stürzten manchmal mit den Felsen nieder.

Der eigentliche Weg von Jericho nach Jerusalem ging nicht über Adummim, sondern gegen Abend dieses Ortes, von welcher Seite her man gar nicht hinein konnte. Den Weg von Bethagla her nach Adummim durchschnitt aber eine Straße aus dem Hirtental nach Jericho laufend etwa eine halbe Stunde vor Adummim. In der Nähe dieses Durchschnittes war eine sehr enge und gefährliche Passage. Und hier war eine Stelle durch einen steinernen Lehrstuhl bezeichnet, wo lange vor Christus die Parabel von dem Mann, der unter die Mörder gefallen und dem barmherzigen Samariter wirklich geschehen war. Als Jesus nach Adummim zog, ging Er mit seinen Jüngern ein Stückchen aus dem Weg hierher und lehrte auf dem Lehrstuhl vor den Jüngern und den versammelten Bewohnern der Gegend über das, was hier sich ereignet hatte. Er hatte den Sabbat in Adummim gefeiert und auch in der Synagoge gelehrt und eine Parabel erzählt, die sich auf die Wohltat der Freistätte für Verbrecher bezog hatte sie auf die Gnadenfrist der Buße auf dieser Erde angewandt. Er hat auch mehrere Leute besonders Wassersüchtige geheilt. Nach dem Sabbat ist Er mit den Jüngern nach dem Taufort zurückgegangen.

Am Abend des folgenden Tages ging Jesus mit seinen Jüngern nach der Stadt Nebo, welche jenseits des Jordan am Fuß des mehrere Stunden aufsteigenden Berges Nebo liegt. Es waren Boten gekommen, die Ihn baten, dahin zu kommen und zu lehren. Es wohnte hier ein ganz vermischtes Volk, Ägypter und Israeliten, die sich früher mit Götzendienst befleckt haben, auch Moabiter. Sie waren durch die Lehre Johannes erweckt, getrauten sich aber nicht herüber zu Jesus Taufplatz. Ich meine, sie durften nicht. Sie waren unter den Juden wegen eines Verbrechens ihrer Voreltern, das ich nicht mehr weiß, sehr in Verachtung und durften nicht überall hin, nur an gewisse Orte. Sie kamen daher demütig zu Jesus und baten Ihn, bei ihnen zu taufen. Die Jünger nahmen Wasser aus dem Taufbrunnen in Schläuchen mit. Es blieben nur Wächter am Taufort.

Nebo liegt durch einen Berg getrennt eine halbe Stunde vom Jordan, von Machärus wohl 5 bis 6 Stunden. Es hatte keinen fruchtbaren Boden. Um nach Nebo zu kommen, muss man in die jenseitigen Ufer aufsteigen und dann wieder hinab. Dem Taufort gerade gegenüber ist das Ufer ein Berg kein Ort, noch eine Anfuhr. Jenseits des Uferberges ist Nebo. Es ist ziemlich groß und auf hügeligem Grund und durch ein Tal vom Berg Nebo getrennt. Es ist hier noch ein Heidentempel. Aber verschlossen, es ist etwas drum gebaut.

Jesus bereitete hier unter freiem Himmel auf einem Lehrstuhl die Täuflinge vor die Jünger tauften. Die Taufwanne war über eine Badzisterne aufgestellt, in welche die Täuflinge traten und welche bis zu einer gewissen Höhe mit Wasser angefüllt war. Die Jünger hatten die Taufhemden mitgebracht, sie hatten sie aufgerollt und um den Leib gewickelt getragen. Während der Taufe wurden sie den Täuflingen angelegt und sie schwammen im Wasser um sie her. Nach der Taufe wurde ihnen noch eine Art Mäntelchen umgehängt. Bei Johannes war dies wie eine Stola, breit wie ein Handtuch, bei Jesus Taufe war es mehr wie ein eigentliches Mäntelchen, woran eine Stola wie ein Lappen genäht war mit Fransen daran. Es sind meist zarte Jünglinge und sehr alte Greise getauft worden. Viele aber wurden abgewiesen, sie sollten sich erst bessern. Jesus heilte auch mehrere Fieberkranke und Wassersüchtige, welche auf Tragbetten herbeigetragen wurden. Es sind bei den Heiden nicht so viele Besessene, wie bei den Juden.

Jesus segnete auch das Trinkwasser, das hier nicht gut war, es war trüb und salzig und sammelte sich in Felsen. Es war ein Becken da, worin es aus Schläuchen gelassen wurde. Jesus segnete es und zwar kreuzweise und verweilte mit der Hand auf einzelnen Punkten der Fläche.

Auf dem Rückweg in die Herberge vor Ono blieben Jesus und die Jünger den größten Teil des Tages auf dem nur eine Stunde langen Wege von Nebo nach der Überfahrtsstelle am Jordan. Jesus lehrte hier. Es standen hier viele Hütten und Zelte, wo die Leute aus Nebo ihr Obst und den ausgepressten Wein an die Vorüberreisenden verkauften. Vor diesen Leuten lehrte Jesus und kam mit den Jüngern erst abends in seine Herberge am Taufort zurück.

Jesus wanderte danach in der Runde herum zu einzelnen Bauern und hielt Lehrversammlungen. Es waren gute Leute darunter, welche, als Johannes noch hier taufte, die Volksmenge mit Lebensmitteln versahen. Jesus scheint alle noch bis in die kleinsten Winkel zu besuchen, weil Er bald den Ort hier verlassen und nach Galiläa gehen will.

Er war auch bei einem reichen Bauern, eine halbe Stunde von Ono, dessen Felder einen ganzen Berg bedecken. Daselbst ist ein Acker, auf dessen einer Seite noch geerntet wird, wenn man auf der anderen bereits zu säen im Begriffe steht. Jesus hat hier über eine Parabel vom Säen und Ernten gelehrt.

Es ist hier bei dem Bauern ein alter verfallener Lehrstuhl aus den Zeiten der Propheten wieder sehr schön hergestellt worden, wo Jesus gelehrt. Es sind noch mehrere solcher wieder hergestellt, seit Johannes hier getauft. Er hatte es ihnen befohlen, welches auch zu seiner Wegbereitung gehörte. Diese Lehrstühle waren hier, wie bei uns die Stationsbilder, seit den Zeiten der Propheten ganz verfallen. Elias und Elisäus hatten sich hier viel aufgehalten. Jesus wird den morgenden Sabbat in Ono feiern nachher folgt ein Fest, das sich auf Früchte beziehen muss. Ich habe in diesen Tagen ganze Körbe voll Früchte in die Synagogen und die Gerichtshäuser tragen sehen.

Am Taufort wird von den Jüngern schon alles abgebrochen und aufbewahrt. Bei dem Ort, wo der Stein liegt, auf dem die Bundeslade gestanden, da sind jetzt etwa an zwanzig Wohnungen umher. Bethabara liegt nicht dicht am Ufer, sondern wohl eine halbe Stunde von der Überfuhr. Aber man sieht es. Von der Überfuhr bis zu Johannes jetzigem Taufort über Bethabara sind gut anderthalb Stunden.

Ich habe Jesus in Ono von Haus zu Haus gehen gesehen. Ich wusste anfangs nicht warum, später hörte ich, sein Gehen habe Bezug auf den Zehnt, wozu Er diese Leute ermahnt auf Almosen, welche an dem nun eintretenden Fest der Baumfrüchte gereicht wurden. Am Abend feierte Er den Sabbat in der Synagoge, wo Er lehrte. Danach begannen die Vorbereitungen zum Neujahrsfest der Früchte, das nun eintrat. Es war ein dreifaches Fest: erstens, weil heute der Saft in die Bäume tritt, dann weil der Zehnt von den Früchten gereicht wird, endlich ein Dankfest wegen Fruchtbarkeit. Jesus lehrte über alles dieses. Man aß viele Früchte und schenkte den Armen ganze Figuren von Früchten auf Tafeln aufgetürmt. Es sind bis jetzt wohl noch zwanzig neue Jünger zu Jesus gekommen.

9. Jesus heilt in Phasael die Tochter des Esseners Jairus. Erste Rührung Magdalenas

Jesus verließ am Schluss des Festes Ono mit einigen und zwanzig Jüngern und reiste nach Galiläa. Er kehrte auf seiner Reise zuerst in der Gegend, wo Jakob sein Feld gehabt, in jenen Hirtenhäusern ein, in deren einem Joseph und Maria auf der Reise nach Bethlehem so hart abgewiesen wurden. Jesus hat die Bewohner der guten Herberge besucht und belehrt, bei denen der bösen Herberge aber hat Er übernachtet und sie ermahnt. Die Frau lebte noch, sie lag krank und Jesus heilte sie. Dann kam Jesus durch Aruma, wo Er früher schon gewesen. Jairus, ein Nachkomme des Esseners Chariot, der in dem nahegelegenen, etwas verachteten Ort Phasael wohnte der damals Jesus gebeten hatte, seine kranke Tochter zu heilen, was dieser ihm auch für die Zukunft versprochen, hatte heute Jesus einen Boten hierher entgegen gesandt und Ihn an seine versprochene Hilfe erinnert. Seine Tochter war gestorben. Da ließ Jesus seine Jünger allein weiterziehen und beschied sie, an einem bestimmten Ort wieder mit Ihm zusammenzutreffen. Er selbst aber folgte dem Boten des Jairus nach Phasael,

Als Jesus in das Haus des Jairus trat, lag die Tochter schon ganz zum Begräbnis bereitet in Tüchern und Binden eingewickelt und von der klagenden Familie umgeben. Jesus ließ noch mehrere Leute des Ortes um sie versammeln, befahl die Grabbinden und Tücher aufzulösen, fasste dann die Tote bei der Hand und befahl ihr aufzustehen. Da richtete sie sich in die Höhe und stand auf. Sie war etwa sechzehn Jahre alt und nicht gut. Sie liebte ihren Vater nicht, der sie doch über alles liebte. Sie ärgerte sich an seinem frommen Verkehr mit armen, verachteten Leuten. Jesus erweckte sie vom Tode des Leibes und der Seele. Sie hat sich gebessert und ist später zu der Gemeinde der heiligen Frauen gekommen. Jesus ermahnte alle, nichts von diesem Wunder zu sprechen und hat deswegen auch die Jünger nicht anwesend sein lassen. Es ist dieser nicht der Jairus von Kapharnaum gewesen, dessen Tochter Er später auch von den Toten erweckt hat.

Jesus verließ diesen Ort, ging gegen den Jordan, fuhr hinüber, wandelte in Peräa nördlich, kam bei Sukkoth wieder auf die Abendseite des Flusses und zog gegen Jezrael.

Jesus lehrte in Jezrael und tat viele Wunder unter einer großen Volksversammlung. Alle Jünger aus Galiläa waren Ihm hier entgegengekommen. Nathanael Chased Nathanael der Bräutigam, Petrus, Jakobus, Johannes, die Söhne der Maria Kleophä, alle waren hier. Lazarus, Martha, Seraphia (Veronika) und Johanna Chusa, die früher aus Jerusalem gereist, hatten Magdalena in Magdalum besucht und sie beredet, nach Jezrael zu ziehen, um den wundervollen, weisen, wohlredendsten und schönsten Jesus, von welchem das ganze Land voll sei, wenigstens zu sehen, wo nicht zu hören. Sie hatte den Bitten der Frauen nachgegeben und sie mit vieler, eitler Pracht hierher begleitet. Als sie nun aus der Herberge aus einem Fenster Jesus mit seinen Jüngern durch die Straße wandern sah und Jesus sie ernst anblickte, hat dieser Blick sie so tief in die Seele getroffen und so wunderbar in Beschämung und Verwirrung gesetzt, dass sie aus der Herberge in ein Haus der Aussätzigen, worin auch blutflüssige Frauen gewesen, in eine Art Hospital, dem ein Pharisäer vorgestanden, aus einem überwältigenden Gefühl ihres Elendes, geeilt ist. Die Leute der Herberge aber, denen ihr Wandel bekannt war, sprachen: «Da gehört sie hin zu den Aussätzigen und Blutflüssigen !»

Magdalena aber war in das Haus der Aussätzigen gelaufen, um sich zu demütigen, so sehr hatte sie der Blick Jesu erschüttert. Denn sie hatte sich aus Eitelkeit, um nicht mit so vielen armen Leuten zusammen zu sein, in eine vornehmere Herberge als die andern Frauen begeben. Martha und Lazarus und die andern Frauen sind hierauf mit ihr nach Magdalum zurückgereist und haben dort den nächsten Sabbat gefeiert. Es ist eine Synagoge dort.

10. Jesus in Kapharnaum. Gennabris und Kisloth-Tabor

Gegen Abend kam Jesus zum Sabbat nach Kapharnaum. Vorher besuchte Er seine Mutter. Er lehrte hier und wohnte wieder in dem Haus, das dem Bräutigam von Kana gehörte. Alle Jünger waren hier versammelt. Am Sabbat lehrte Er bis Sabbatschluss.

Man hatte Ihm von allen Seiten aus dem Lande sehr viele Kranke herzugetragen und Besessene herbeigeführt Er heilte öffentlich vor allen seinen Jüngern und trieb Teufel aus unter sich stets mehrendem Gedränge. Abgesandte von Sidon kamen und flehten Ihn an, dorthin zu kommen. Er versagte es. Dann kamen auch Leute aus Cäsarea Philippi oder Paneas und luden Ihn sehnlich dahin ein. Er aber hat sie auf weiteres vertröstet. Der Andrang nahm aber so zu, dass Er nach Sabbat Kapharnaum mit einigen Jüngern verließ und in ein Gebirge entwich, ungefähr eine Stunde von Kapharnaum nordöstlich zwischen dem See und dem Einfluss des Jordan gelegen, wo viele Schluchten sind, in denen Er sich abgesondert und gebetet hat. Es ist dasselbe Gebirge, auf dessen dem See näheren Hügel Er neulich von dem Berge, von Bethanat kommend, mit seinen Jüngern die Schiffe des Petrus und des Zebedäus auf dem See gesehen hat.

Die Jünger, die bei Ihm waren, gingen hinab zu den Fischerwohnungen an dem See, um von Jesus zu erzählen. Andreas blieb in Kapharnaum und hat dort unter der versammelten Menge gelehrt und erzählt.

Am Abend kam Jesus zu der Wohnung seiner Mutter zwischen Bethsaida und Kapharnaum. Hier hatten sich Lazarus, Martha und die andern jerusalemischen Frauen von Magdalum aus versammelt, um Abschied zu nehmen und nach Jerusalem zurückzukehren. Jesus tröstete sie über Magdalena. Er sagte, Martha sei zu besorgt, Magdalena ist sehr bewegt. Dennoch wird sie nochmals arg zurückfallen. Sie hatte ihren Putz nicht abgelegt, sie hatte erklärt, sie könne ihrem Stand nach sich nicht so gering kleiden als die andern Frauen usw.. Als darauf ein Fasttag in Kapharnaum wegen des Todes eines Mannes begann, der gegen das Gesetz Bilder in den Tempel hatte setzen lassen wollen, lehrte Jesus wieder in Kapharnaum. Es waren dahin wieder Kranke gebracht worden, deren Er viele heilte. Auch waren wieder Leute da, Ihn an andere Orte einzuladen. Es waren aber diesmal auch sehr verkehrte Pharisäer anwesend, welche Ihm widersprachen und Ihn fragten, was aus dem allem werden solle? Das ganze Land sei im Aufruhr wegen Ihm und Er lehre öffentlich und breite sich immer mehr aus. Er wies sie aber sehr ernsthaft ab und erklärte ihnen, Er werde noch öffentlicher zu lehren und zu handeln beginnen.

Am Abend begann ein Fasttag zum Gedächtnis der Vertilgung des Stammes Benjamin durch die übrigen Stämme wegen einer Schandtat. Ich sah, dass dieser Tag in der Gegend von Phasael. wo neulich Jesus die Tochter des Jairus erweckte in Aruma, Gibea usw. besonders streng begangen wurde, weil jene Ereignisse dort in der Gegend geschahen. Ich sah, dass die Frauen dort ein gewisses Opfer brachten und besonders Anteil an dem Fasten nahmen.

In der Nacht ging Jesus von Nathanael Chased abgeholt mit Andreas, Petrus und den Söhnen der Maria Kleophä und des Zebedäus nach Gennabris, Nathanaels Wohnort, Nathanael hatte Ihm dort eine Herberge bestellt. Er ist nicht in Nathanaels Haus, an dem sie vor der Stadt vorbeigekommen, eingekehrt, Nathanael der Bräutigam und seine Frau sind in dieser Zeit auch in Kapharnaum und Jezrael gewesen.

Der Taufort bei Ono wird abwechselnd von Leuten, Einwohnern dieses Ortes, bewacht. - Jesus lehrte und heilte in Gennabris ganz wütende Besessene. Es geht eine Handelsstraße durch diesen Ort, die Leute sind hier nicht so einfältig als wie an dem See. Obschon sie nicht offenbar widersprachen, haben doch manche die Lehre kälter aufgenommen.

Außer den künftigen Aposteln ist auch Jonathan, der Halbbruder des Petrus, mit in Gennabris gewesen. Die andern Jünger hatten sich um Kapharnaum und Bethsaida zerstreut, wo sie alles erzählten, was sie von Jesus gehört und gesehen.

Von Gennabris ging Jesus mit den nachmaligen Aposteln nach Bethulien, etwa drei Stunden von Gennabris, fünf von Tiberias und nicht weit von Jezrael gelegen. Es liegt an einer Anhöhe so steil, als wolle es herunterfallen hat Bruchstücke von so breiten Mauern, dass man mit Wagen darauf fahren könnte. Der Weg von hier nach Nazareth führt am Berge Tabor vorüber, von dem es nur ein paar Stunden südöstlich liegt.

Nathanael Chased hat sein Amt in Gennabris nun seinem Bruder oder Vetter übergeben und wird Jesus künftig nachfolgen.

In Bethulien einziehend wurde Jesus von Besessenen auf der Straße angeschrieen. Auf dem Markte blieb Er bei einem Lehrstuhl stehen und sendete einzelne seiner Jünger, dem Synagogenvorsteher zu sagen, er solle die Türen der Schule von allen Seiten öffnen lassen. Andere Jünger sendete er von Haus zu Haus, die Einwohner zu der Lehre zu rufen. Die Synagoge hatte ringsum Türen zwischen Säulen, welche bei großem Zulaufe immer geöffnet wurden. Jesus lehrte hier vom wahren Weizenkörnlein, das in die Erde gelegt werden müsse. Er wohnte hier in einer bestellten Herberge. Die Pharisäer hier widersprachen zwar nicht offenbar, doch murrten sie und Jesus wusste, dass sie fürchtend dagegen sprachen, dass Er den Sabbat hier halten sollte. Er sagte dieses seinen Jüngern und dass er den Sabbat ein paar Stunden weiter, zwischen Abend und Mitternacht gegen den Tabor zu, an einem Ort halten wolle, dessen Name mir jetzt nicht einfällt, aber die Leute färben dort Seide zu Fransen und Quasten.

Jesus heilte auch hier. - Alle die zurückgebliebenen Jünger hatten sich hier wieder zusammengefunden.

Als Jesus wegen des Murrens der Pharisäer Bethulien verließ, lehrte Er etwa eine kleine Viertelstunde vor der Stadt im Freien auf einem steinernen Lehrstuhl. Es waren noch zerstörte Mauern da umher und es scheint diese Stelle ehemals zum Umfang der Stadt gehört zu haben. Dann kam Er etwa um drei Uhr nachmittags nach Kisloth, welches ungefähr drei Stunden weit von hier am Fuß des Tabor liegt wohin Andreas und andere vorausgegangen waren, die Herberge vor Kisloth zu bestellen. Es hatte sich dort eine große Menge von Menschen aus der ganzen Gegend zusammengezogen, darunter viele Hirten mit ihren Stäben und durchreisende Kaufleute von Sidon und Tyrus. Jesu Wunder und Lehren waren schon im ganzen Land bekannt. Alles drängte sich nach den Orten, wo Er lehrte da es laut geworden war, dass Er hier den Sabbat feiern werde, so hatte sich alles, was unterwegs war, hier zusammengezogen.

Wo Jesus nun erschien, entstand immer eine große Bewegung. Man rief Ihm entgegen, warf sich vor Ihm nieder, drängte sich heran, Ihn zu berühren deshalb war Er meist unvermutet und plötzlich in seinem Kommen und Gehen, um sich dem Gedränge zu entziehen. Oft trennte Er sich auf dem Weg von seinen Jüngern, sendete sie andere Wege und ging allein. In den Orten mussten sie Ihm oft Platz in dem Gedränge machen. Manchem jedoch vergönnte Er auch Annäherung und Berührung und mancher wurde dadurch still in sich gerührt, bekehrt oder geheilt.

Am Abend kam Jesus in der von den Jüngern für Ihn bestellten Herberge vor Kisloth-Tabor an, wo Er schon zweimal gewesen ist. Kisloth mag wohl sieben Stunden Wegs von Nazareth sein und in gerader Linie etwa fünf. Weil die Wege hier im Lande so krumm durch die Täler laufen die Leute die Entfernung bald durch den Reiseweg, bald aber von den Bergen herab angeschaut bestimmen, so treffen ihre Angaben selten zusammen. Es liegen unbegreiflich viele Orte in Galiläa, doch kann man von einzelnen Höhen immer nur einige sehen.

Kisloth-Tabor ist meist ein Handelsort. Es sind mehrere reiche Kaufleute und viele arme Leute hier und viele Färbereien von roher Seide, welche zu Fransen und Quasten an den Priesterkleidern verarbeitet wird. Diese Färbereien waren sonst meist zu Tyrus am Meer, jetzt aber haben sich viele hierher gezogen. Die reichen Kaufleute gebrauchen die armen Leute in den Fabriken. Ich sah auch Leute wie Sklaven hier.

Vor der Herberge hatten die Jünger eine Stelle mit dicken Stricken, welche durch Pfähle gezogen waren, gegen den Andrang des Volkes eingezäunt. In diesem Raum lehrte Jesus vor der Herberge; und da Ihm unter andern reiche Kaufleute aus der Stadt zuhörten, lehrte Er vom Reichtum und den Gefahren der Gewinnsucht. Er sagte ihnen, ihr Stand sei noch gefährlicher als jener der Zöllner, welche sich eher bekehrten als sie dabei deutete Er auf die Stricke, welche Ihn von dem Andrang des Volkes trennten und sprach: «ein solcher Strick geht eher durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Himmelreich.» Diese Stricke von Kamelhaaren waren wohl armsdick und viermal übereinander durch die Pfähle vor der Herberge gezogen. Die reichen Leute verteidigten sich, dass sie doch auch Almosen von ihrem Gewinn gäben. Jesus aber erwiderte ihnen, das Almosen, welches sie vom Schweiße anderer Armen erpressten, bringe ihnen keinen Segen. Diese Lehre gefiel den Leuten gar nicht.

Kisloth war eine Levitenstadt, von Zabulon an die Leviten vom Stamm Merari abgetreten. Es war hier die vornehmste Schule in der ganzen Gegend. Sie war sehr groß und alles wurde mit vieler Feierlichkeit darin verrichtet. Wenn Jesus in den Synagogen am Sabbat lehrte, dienten die Priester des Ortes, reichten die Schriftrollen dar oder lasen gegenseitig, was Er begehrte. Er fragte und lehrte auch darüber. Es wurde auch gesungen, aber nicht auf pharisäische Weise. Ich hörte seine Stimme wohl unter den andern angenehm hervorklingen. Ich erinnere mich aber nicht, Ihn allein singen gehört zu haben.

Jesus lehrte am Morgen in der Schule von Kisloth. Andreas lehrte vor der Schule in anstoßenden Räumen die Kinder und unterrichtete das fremde andringende Volk von dem, was er von Jesus gehört und gesehen. Jesus lehrte von Hoffart und Eigendünkel. Er heilte heute nicht, weil, wie Er sagte, sie aufgeblasen wegen seiner Lehre hier in ihrer Stadt seien, sich vor andern besser glaubend als sei Er deswegen hierher gekommen, statt dass sie einsähen, Er komme wegen ihrer Not zu ihnen, auf dass sie sich demütigten und besserten.

Nach der Lehre hielt Er sich noch vor der Synagoge auf einem freien Platze auf, wo kleine zur Synagoge gehörige Zellen, wie Wachhäuschen in einem Vorhof waren. Hier heilte Er viele Kinder, welche an Konvulsionen und anderem Elend litten und die Ihm die Mütter brachten. Er heilte sie, weil sie unschuldig waren. Auch heilte Er mehrere Frauen, welche sich vor Ihm demütigten und zu Ihm sagten: «Herr, vernimm meine Schuld und mein Gebrechen!» Sie warfen sich vor Ihm nieder in der Halle und klagten sich an. Es waren Blutflüssige darunter und Frauen, die mit bösen Begierden geplagt waren und Befreiung von ihrer Versuchung erflehten.

Am Abend hielt Er den Sabbat in der Schule und aß in der Herberge. Seine nachmaligen Apostel und nähern Freunde waren mit Ihm am selben Tisch, die Jünger in andern Räumen, oder dienten. Tags darauf hielt Er den Sabbat in der Synagoge heilte, viele Kranke vor der Synagoge, auch ging er zu vielen, die man nicht tragen konnte, in die Häuser, sie zu heilen. Die Jünger leisteten Ihm Handreichung dabei, indem sie die Kranken trugen, führten, hoben und Raum machten, Bestellungen und Botschaften ausrichteten.

Alle Auslagen der Reisen und Almosen gehen bis jetzt aus dem Vermögen des Lazarus und Simeons Sohn Obed besorgte die Zahlungen.

Die kleinen Häuser vor der Synagoge, welche wie Wachhäuschen aussehen, sind kleine Zellen im Vorhof, wo die Frauen, durch ein Gitter getrennt, mit Jesus allein sprachen. Es war üblich, dass in diesen Zellen Sünderinnen, Büßende oder unreine Frauen auch sonst bei den Priestern Trost suchten.

Oben auf dem Berg Tabor ist keine Stadt, aber wohl Schanzen, Mauern und wie eine leere Festung, wo sich manchmal Kriegsvölker aufgehalten haben. Am Abend nach dem Sabbat war Jesus mit seinen nächsten Jüngern, den künftigen Aposteln, bei einem Pharisäer zur Mahlzeit. den seine Lehre sehr gerührt hatte und der gut geworden ist. Tags darauf war Jesus mit den Jüngern bei einer großen Mahlzeit, welche Ihm zu Ehren von den Vornehmen im öffentlichen Festhaus gegeben wurde. Er hat hier auch gelehrt und noch am selben Abend die Stadt verlassen und ist nach Jezrael gegangen, welches nicht viel mehr als drei Stunden von Kisloth- Tabor entfernt ist.

Hier in Jezrael schieden die Verwandten und Bethsaidischen Jünger, selbst Andreas und Nathanael von Ihm, um ihre Heimat zu besuchen. Er sagte ihnen, wo sie wieder zusammentreffen wollten. Etwa fünfzehn jüngere Jünger sind noch bei Ihm geblieben. Er lehrte und heilte hier. Hier sind allerlei geistliche und weltliche Schulen. Es ist ein großer Ort. Jesus hat auch von Naboths Weinberg gelehrt.

Von Jezrael ging Jesus anderthalb Stunden östlich nach einem Feld in einem Tal, zwei Stunden lang und zwei Stunden breit, worin viele Obstgärten mit niedern Einzäunungen. Es ist ein ungemein fruchtbares und reizendes Obsttal. Die Einwohner von Kisloth- Tabor und Jezrael sind meistens die Besitzer dieser Obstfelder. Es sind viele Zelte hier, von Stelle zu Stelle stehen sie paarweise und werden von Leuten aus Sichar bewohnt, welche hier das Obst bewachen und ernten. Ich meinte, sie müssten es tun, wie zur Frohn. Sie lösen sich ab. Es wohnen ungefähr vier in einem Zelt. Die Frauen wohnen von den Männern abgesondert beisammen und kochen für die Männer. Jesus lehrte diese Leute unter einem Zelt. Es sind hier auch so schöne Brunnen und Wasserquellen, die in den Jordan fließen. Die HauptqueIle kam aus Jezrael und war hier im Tale in einen schönen Brunnen gefasst, worüber eine Art Kapelle gebaut war. Es teilt sich die Quelle aus diesem Brunnenhause nach verschiedenen andern Brunnen in dem Tal, wo sich auch andere Wasser mit ihr vereinigen und so fließt sie endlich in den Jordan. Es waren etwa dreißig Wächter hier, welche Jesus lehrte. Die Frauen haben etwas ferner gestanden. Er lehrte von der Sklaverei der Sünde, von der sie sich losreissen sollten. Sie waren unbeschreiblich erfreut und gerührt, dass Er zu ihnen gekommen. Er war so liebevoll und herablassend gegen diese armen Leute, dass ich selbst darüber habe weinen müssen. Sie setzten Ihm und den Jüngern Früchte vor, von welchen sie gegessen haben. Es sind an einzelnen Stellen hier schon reife Früchte, an andern Bäumen ist erst Blüte. Es gibt da braune Früchte, wie Feigen, aber in Traubenbüscheln wachsend, auch gelbe Pflanzen, aus denen sie eine Art Brei bereiten. (Sie beschrieb sie wie Mais, die braunen Früchte wie Dattelpalmen, sie spricht auch von Durrha und vielen Kräutern, welche man salatartig esse die ganze Gegend als ein fettes Gartenland im Süden von Jezrael.). An diesem Tale liegt das Gebirge Gilboa und hier ist auch Saul umgekommen in der Schlacht mit den Philistern.

11. Jesus in Sunem. Alama und Kapharnaum

Am Abend zog Jesus durch Jezrael etwa drei Stunden weiter bis Sunem, einem offenen Ort auf einem Hügel. Einzelne Jünger waren vorausgegangen, Ihm die Herberge bei einem Gastmeister am Eingang der Stadt zu bestellen. Das Gartental, aus dem Er ging, liegt südlich von Jezrael. Er zog durch Jezrael an einer Seite ungestört und dann nordöstlich gegen Sunem. Bei dieser Stadt liegen in ein bis zwei Stunden weiter Entfernung noch zwei andere Städte, deren eine Jesus auf seinem Weg von Kisloth-Tabor nach Jezrael zur Seite hatte liegen lassen.

Die Leute in Sunem ernähren sich mit Weberei. Sie weben von gezwirnter Seide schmale Bahnen auf Ränder, einfach und auch mit Blumen. Dieser Ort liegt nicht mehr in dem Tale EsdreIon, sondern wieder mehr im Gebirge.

Es war hier ein erstaunliches Gedränge um Jesus. Es wird nun immer größer. Die Leute umringen Ihn überall, werfen sich nieder und rufen und jauchzen vom neuen Propheten, vom Gesandten Gottes. Viele von den Leuten meinen es gut, andere tun es aus Neugierde und des Lärmes halber. Das Gedränge ist hier so groß, dass es schier einem Aufstand gleicht und weil dieses hier in Galiläa immer mehr zunimmt, wird Er sich bald zurückziehen. Aus diesem Ort war die schöne Abisag, welche David in seinem Alter zu sich nahm. Auch hatte hier Elisäus eine Herberge gehabt, wo er oft einkehrte und den verstorbenen Knaben seiner Wirtin erweckte. Ich habe ein Bild davon gehabt, um mir den Ort zu merken. Es ist auch in dieser Stadt eine freie Herberge für gewisse Durchreisende, nämlich zum Andenken an Elisäus gestiftet. Ich weiß nicht, ob es in jenem nämlichen Haus oder auf dessen Stelle ist. Jesus lehrte an diesem Tag in der Schule und ging in viele Häuser, Kranke zu trösten und zu heilen. Der Ort lag etwas zerstreut um eine Anhöhe herum, die in der Mitte über die Stadt empor ragte. Es zog ein Weg hinauf, auf welchem die Häuser kleiner und unbedeutender wurden. Oben waren es nur Hütten. Auf dem Gipfel war ein freier Platz mit einem Lehrstuhl, jedoch gegen die Sonnenhitze mit einem Zeltdach auf Pfählen ausgespannt bedeckt.

Als Jesus am Morgen des folgenden Tages den Weg nach dem Lehrstuhl mit den Jüngern hinauf zog, gab es einen äußerst beschwerlichen Tumult in dem Ort. Die Menge hatte eine große Anzahl von Kranken herbeigebracht. welche auf den Tragbetten längs des Weges am Berg in die Höhe gestellt wurden. Er ist unter vielem Gedränge und Geschrei hinaufgestiegen und hat mehrere geheilt. Die Leute sind auf die Dächer gestiegen, um seine Handlungen und Lehren zu vernehmen. Oben von dem Lehrstuhl aus ist eine schöne Aussicht gegen den Tabor. Jesus hat hier sehr scharf gegen die Hoffart und die Prahlerei der Leute gelehrt, dass sie statt sich zu bekehren, Buße zu tun und die Gebote Gottes zu erfüllen, in eitlem Lärmen von Propheten und gekommenen Gesandten Gottes schreien. Sie rechneten es sich als eine Ehre und als eine Folge des Verdienstes an. Er komme aber, auf dass sie ihre Sünden erkennen sollten.

Um drei Uhr nachmittags ging Er von hier etwa drei Stunden nordöstlich nach einer größeren und zusammenhängenderen Stadt, die nicht so alt schien, als Sunem. Die Stadt hatte breite Mauern, worauf Bäume standen. Sie heißt Ulama und ist etwa fünf Stunden östlich vom Tabor. Arbela liegt etwa zwei Stunden nördlich von ihr. Es sind hier im Gebirge viele raue Wege mit spitzen weißen Kieselsteinen und es werden deshalb in dem Ort viele Sohlen, unter die Füße zu binden, gemacht. Dieses Ulama liegt auf einem Berg von Bergen umgeben und in einer unwegsamen Gegend. Die Berge sind aber doch bis zum Gipfel mit Wein bepflanzt. Ich habe auch baumhohe, sehr verwickelte Gewächse mit wohl armsdicken Ästen hier bemerkt; sie haben birnförmige, große den Kürbissen ähnliche Früchte, aus denen sie Flaschen machen. (Vermutlich ein großer Flaschenkürbis, die sie nicht kennt, denn sie sagt dabei, es sei kein rechtes Holz.). Die Stadt schien nicht so alt wie andere, ja sie hatte etwas, als sei sie nicht ganz fertig geworden. Die Einwohner waren nicht recht in alter jüdischer Einfalt, sie wollten etwas klüger und feiner sein. Es war, als wenn sich einmal Römer oder anderes Volk hier aufgehalten hätte. Auch hier war ein großer Zusammenlauf von Menschen, weil Jesus den Sabbat hier halten wollte. Es hatten sich mehrere Jünger zu Ihm gesammelt, unter andern der Halbbruder des Petrus Jonathan und die Witwensöhne. Es waren wieder an zwanzig. Auch Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus der Kleinere, Nathanael Chased und Nathanael der Bräutigam kamen hierher. Jesus hatte sie beschieden, dass sie seine Lehre anhören und Ihm behilflich sein sollten in seinen Heilungen wegen des großen Ungestümes der Menge. Das Volk hatte den Weg ausgekundschaftet, auf dem Er kommen würde empfing Ihn entgegenziehend. Sie trugen Zweige und streuten Grünes und hatten lange Bahnen Zeug, die sie quer über den Weg senkten, dass Er darüber schreiten musste und alle schrieen vom Propheten. Es waren auch Vorgesetzte dabei, welche Ordnung hielten und Ihn begrüßten. Es waren in dieser Stadt viele Besessene, welche gewaltig hinter Jesus herschrieen und ausriefen, wer Er sei. Er befahl ihnen zu schweigen. In der Herberge hatte Er auch keine Ruhe. Die Besessenen liefen herbei, tobten und schrieen. Er aber befahl ihnen, zu schweigen und ließ sie hinwegbringen.

In Ulama waren drei Schulen. Eine von Rechtsgelehrten, eine Jugendschule und die Synagoge. Jesus ging in verschiedene Häuser und heilte und tröstete und lehrte in der Schule, besonders von der Einfalt und von der Achtung gegen die Eltern. Denn an beiden fehlte es hier und Er strafte sie wieder besonders in seiner Lehre wegen ihrer Hoffart, dass der Prophet unter ihnen aufgestanden sei und dass sie doch die Zeit der Buße und Ermahnung mit eitler Prahlerei verderbten.

Nach dem Sabbatschluss gaben Ihm die Vornehmen eine Mahlzeit im öffentlichen Festhaus. Die Apostel und Jünger, welche zu Hause gewesen waren, hatten nur die ihrigen besucht und waren im Verkehr mit Maria gewesen, an welche die Frauen sich auch immer enger anschlossen.

Der Täufer befand sich noch immer an demselben Ort. Seine Anhänger verminderten sich immer mehr. Herodes kam und sendete öfters zu ihm.

Am Tag nach dem Sabbat ging Jesus morgens neun Uhr mit seinen Jüngern etwa eine Viertelstunde weit vor die Stadt, wo an einem Berg ein Lust- oder Badeort ist. Der Platz ist ungefähr so groß wie der Kirchhof in Dülmen und rings mit Hallen und Gebäuden umgeben. Es ist ein schöner Brunnen und Lehrstuhl dort. Jesus hatte die vielen Kranken, welche in der Stadt waren, dahin beschieden, denn Er hatte des Gedränges halber dort nicht geheilt. Die Jünger halfen die Ordnung erhalten, und die Kranken lagen rings in Hallen und Zelten auf Tragbetten. Es waren auch hierher so viele Menschen aus der Stadt gefolgt, dass sie nicht alle herzu konnten. Die Vorgesetzten und Priester hielten Ordnung. Jesus heilte viele dieser Kranken, indem Er von dem einen zu dem andern ging. Wenn ich sage viele, so meine ich gewöhnlich etwa dreißig. Wenn ich sage einige oder mehrere, so meine ich etwa zehn. - Er lehrte dann auch noch vom Tod Moses, dessen naher Gedächtnistag durch einen Fasttag gefeiert wurde. Die Speisen wurden bereits unter Asche gesetzt. Sie aßen an solchen Tagen ein anderes Brot als sonst. Jesus sprach in seiner Lehre vom Gelobten Land und dessen Fruchtbarkeit und dass dieses nicht nur von leiblicher, sondern auch von Seelennahrung zu verstehen sei. Denn es sei auch fruchtbar an Propheten und Stimmen Gottes und die Frucht derselben sei das verheißene Heil und die Buße in denen, die es empfangen wollten.

Ich sah Ihn nach dieser Lehre auch noch in ein anderes nahegelegenes Gebäude gehen, wohin die Besessenen gebracht waren. Sie tobten und schrieen, als Er kam. Es waren meistens junge Leute und auch Kinder. Er ließ sie in eine Reihe stellen und befahl ihnen zu ruhen und befreite sie alle mit Befehl. Einige wurden dadurch ohnmächtig. Die Eltern und Angehörigen waren zugegen. Er ermahnte und lehrte auch hier.

Nachdem Jesus noch in der Synagoge gelehrt hatte, verließ Er unbemerkt die Stadt. Die Jünger waren vor Ihm weggezogen. Er wusste das so einzurichten. Alle Städte umgehend, kamen sie gegen Kapharnaum. Er will um des großen Lärms willen Galiläa verlassen.

Jesus wanderte mit den Jüngern die ganze Nacht hindurch und kam morgens bei seiner Mutter an. Die Frau und Schwester des Petrus waren auch dort und die Braut von Kana und andere Frauen. Das Haus, welches Maria hier bewohnt, ist auf die gewöhnliche Art der dortigen Häuser und ganz geräumig. Sie ist nie allein dort, die Witwen wohnen nah und die Frauen von Bethsaida und Kapharnaum, zwischen welchen diese Häuser liegen, sind häufig hier, auch immer der eine oder andere Jünger. Ich sah, dass sie die Fasten hier hielten, dass man trauerte und die Frauen verschleiert waren, und dass Jesus zu Kapharnaum in der Schule lehrte, wo die Jünger und heiligen Frauen auch hinkamen.

Kapharnaum liegt in gerader Richtung über den Berg etwa eine Stunde vom Ufer des galiläischen Sees, in der Richtung des Tales über das mittäglicher liegende Bethsaida an zwei Stunden. Etwa eine gute halbe Stunde von Kapharnaum auf dem Weg nach Bethsaida liegen die Häuser, in deren einem Maria wohnt. Es fließt von Kapharnaum eine schöne Quelle nach dem See, die bei Bethsaida in viele Arme geteilt, das Land sehr fruchtbar macht. Maria führt keinen Haushalt, sie hat kein Vieh, kein Feld. Sie lebt als eine Witwe von den Gaben der Freunde, und ihre Beschäftigung ist spinnen, nähen und wirken mit kleinen Stäben, beten und andere Frauen trösten und unterrichten.

Jesus war an dem Tag seiner Ankunft allein bei ihr. Sie weinte der großen Gefahr halber, die Ihm drohte wegen des großen Aufsehens, das seine Lehre und seine Wunder im Lande machten. Denn zu ihr gelangte alles Murren, alle üble Nachrede derer, welche sich scheuten, Jesus in das Angesicht zu sprechen. Er sagte ihr aber, dass seine Zeit gekommen sei, dass Er diese Gegend verlassen wolle und nach Judäa hinabziehen, wo sie nach dem Osterfest noch größeren Ärger an Ihm nehmen würden.

Am Abend begann ein Dankfest wegen Regen in Kapharnaum. Die Synagoge und andere öffentliche Häuser wurden mit jungen grünen Bäumen und allerlei grünen Laubpyramiden festlich geschmückt und von dem Dach der Synagoge und andern größeren Häusern, auf welchen Galerien waren, wurde auf einem wundersamen, vielstimmigen Instrument geblasen. Es bliesen Diener der Synagoge, Leute wie die Küster bei uns. Dieses Instrument sieht aus, wie ein wohl vier Fuß langer Schlauch, an dem mehrere braune Pfeifen und Posaunenmündungen befestigt sind, welche, wenn der Schlauch nicht aufgeblasen war, dicht an ihm lagen. Als er aber durch den Atem eines in ein Mundstück blasenden Mannes erfüllt war, hielten ihn zwei andere nebenstehende Männer empor, und diese waren auch beschäftigt, durch Einblasen oder Blasebalgel Luft in ihn zu bringen und durch öffnen und schließen verschiedener Löcher aus den nach verschiedenen Richtungen sich aufrichtenden Pfeifen ein lautschallendes, mehrstimmiges Getön zu verursachen. Die zur Seite stehenden haben auch manchmal hineingeblasen.

Jesus hielt in der Synagoge eine überaus rührende Lehre vom Regen und der Dürre. Er erzählte darin von Elias, wie er auf dem Karmel um Regen gefleht und sechsmal seinen Diener gefragt und wie dieser das siebente Mal eine kleine Wolke aus dem Meer aufsteigen gesehen, welche immer größer geworden sei und endlich das ganze Land erquickt habe, und wie Elias nachher durch das Land gelaufen sei. Jesus legte das siebenmalige Fragen des Elias auf die Zeiträume bis zur Erfüllung der Verheißung aus, und die Wolke deutete Er als ein Vorbild dieser gegenwärtigen Zeit und den Regen auf die Ankunft des Messias, dessen Lehre sich ausbreiten und alles erquicken werde. Wer nun dürste, solle trinken, und wer sein Feld bestellt habe, der werde Regen erhalten. Er sagte dieses alles so rührend und wunderbar, dass alle Zuhörer weinten, auch Maria und die heiligen Frauen weinten.

Die Leute sind jetzt recht gut gestimmt hier in Kapharnaum. Es sind drei Priester hier an der Synagoge, und Jesus nimmt oft mit den vertrauteren Jüngern seine Mahlzeit in einem Haus ein, wo die Priester bei der Synagoge wohnen und wo eine Art Gastfreiheit für die Lehrer ist, welche an der Synagoge lehren.

Es wurde gestern abend und heute früh wieder auf dem wunderlichen Instrument geblasen und auch noch heut von dem Fest gefeiert, aber nur von den Kindern und Jünglingen, welche sich belustigten. - Jesus hatte gestern abend schon seine verwandten Jünger und die Jünger von Bethsaida entlassen, weil Er heute früh diese Gegend verlassen und gegen Judäa hinabreisen wollte. Es zogen nur etwa zwölf Jünger mit Ihm, die aus Nazareth, Jerusalem und von Johannes her waren.

12. Jesus in Dothaim und Sephoris. Hilft Schiffbrüchigen aus der Ferne

Nach diesem Dankfest wanderte Jesus mit etwa zwölf Jüngern aus Kapharnaum in südöstlicher Richtung, als wollte Er zwischen Kana und Sephoris hin. Maria und noch acht andere heilige Frauen gaben Ihm das Geleit, darunter waren Maria Kleophä, die drei Witwen, die Braut von Kana und die Schwester des Petrus. Sie gingen bis zu einer kleinen Stadt mit, wo sie zusammen eine Mahlzeit hielten und dann Abschied nahmen. -

Hier in der Nähe war der Brunnen, in den Joseph von seinen Brüdern gesperrt worden war, der Ort hieß Dothaim. (Es liegt aber noch ein anderes, viel größeres Dothaim im Felde EsdreIon, etwa vier Stunden gegen Mitternacht von Samaria). Dothaim ist ein kleiner Ort und die Leute lebten meistens von den durchziehenden Kaufleuten. Es liegt am Ende eines nicht großen Tales, das etwa für achtzig Stück Vieh Weide hat. An einer andern Seite liegt das große Gebäude, worin Jesus einmal viele Besessene beruhigte. Er kam diesmal gar nicht dahin. Der Ort liegt anderthalb Stunden zwischen Mitternacht und Morgen von Sephoris und vier bis fünf Stunden vom Berg Tabor.

Die Jünger waren vorausgegangen, Herberge zu bestellen. Es kamen Jesus und den heiligen Frauen ungefähr acht Männer und Priester entgegen und geleiteten sie in eine offene Gasthalle, worin niemand wohnte, wo aber schon alles zur Mahlzeit bereitet war. Vor den Eingang breiteten sie einen Teppich, Ihn zu ehren, über den Er gehen musste. Sie wuschen Ihm auch die Füße. Die Frauen aßen abgesondert hinter dem Herd. Jesus und die Jünger lagen zu Tisch. Man aß nur kalte Speisen, Honig und kleine Brote, grüne Kräuter, die man eintunkte und Früchte. Man trank Wasser mit Balsam vermischt. Sie gaben Ihm und den Frauen davon auch kleine Fläschchen mit. Die Priester aus der Stadt dienten stehend mit ungemeiner Liebe und Demut und Jesus sprach von Joseph, der hier verkauft worden war. Es war ein unbeschreiblich rührendes Bild. Ich musste weinen. Es ist mir dann so wunderbar, ich sehe es so dicht vor mir und möchte immer hineintreten und kann nicht, ich möchte dieses und jenes tun und vermag es nicht. - Die heiligen Frauen traten gleich nach der Mahlzeit den Rückweg an.

Jesus nahm von seiner Mutter allein abgesondert Abschied und grüßte dann die andern. Ich habe wohl gesehen, dass Er seine Mutter auch umarmte beim Scheiden und bei der Ankunft, wenn sie allein waren. Sonst reichte Er ihr die Hand oder neigte sich freundlich. Maria weinte. Sie ist noch sehr jung aussehend, aber fein und groß. Sie hat eine sehr hohe Stirne, eine längliche Nase, sehr große Augen sanft niedergeschlagen, einen sehr schönen roten Mund, eine angenehm bräunliche Farbe mit rötlich schimmernden Wangen.

Jesus blieb noch etwas länger in der Herberge lehrend, und die Männer, welche keine Zahlung für die Mahlzeit nahmen, begleiteten Ihn bis zum Brunnen Josephs, der etwa eine halbe Stunde weit von der Stadt im Tal liegt. Dieser Brunnen ist jetzt nicht mehr, wie er damals war, als Joseph hinein versenkt wurde. Damals war er eine leere Grube mit grünem Rand. Jetzt ist er ein geräumiger, viereckiger Behälter, wie ein kleiner Teich, und es ist ein Dach auf Säulen darüber gebaut. Er war voll Wasser und es wurden viele Fische darin aufbewahrt. Ich sah Fische, welche die Köpfe so kurios in der Höhe hatten, nicht spitz wie die unsern. Sie waren aber nicht so groß, wie ähnliche im galiläischen See. Der Zufluss des Wassers war nicht sichtbar. Es war eine Umzäunung um das Brunnenhaus und es wohnten Leute umher, welche die Aufsicht hatten. Jesus ging mit seinen Begleitern in das Brunnenhaus. Er hatte den ganzen Weg von Joseph und seinen Brüdern erzählt und lehrte auch hier am Brunnen davon. Ich sah, dass Er den Brunnen segnete, als Er ihn verließ. Nun kehrten die Leute nach Dothaim zurück und Jesus ging mit seinen Jüngern etwa noch eine starke Stunde Weges nach Sephoris, wo Er bei den Söhnen von Annas Schwester einkehrte.

Sephoris liegt auf einem Berg und ist von mehreren Bergen umgeben. Die Stadt ist größer als Kapharnaum. Es liegen viele einzelne Höfe um sie her, die mit zu ihr gehören. Jesus wurde von den Lehrern an der Synagoge hier nicht sehr geachtet, es waren auch viele böse Leute hier in der Stadt, und ich hörte hie und da üble Nachreden, dass Er herumstreiche und nicht bei seiner Mutter bleibe. Er heilte hier nicht und hielt sich sehr zurück. Doch lehrte Er am Sabbat in der Synagoge und herbergte dann auch nahe bei der Synagoge. Außerdem besuchte Er viele einzelne Leute und Haushalte, besonders Essener und ermahnte und tröstete sie, weil viele böse Leute hier lebten, welche sie wegen ihrer Liebe zu Ihm neckten und verleumdeten. Er hat auch in den umliegenden Höfen mehreren dieser Leute und seinen Vettern gesagt, Ihm jetzt nicht zu folgen und in der Stille seine Freunde zu bleiben und Gutes zu wirken, bis seine Laufbahn vollendet sei. Seine Verwandten tun hier viel Gutes und unterstützen auch die Heilige Jungfrau, der sie allerlei Bedürfnisse zusenden. Ich habe Ihn mit verschiedenen Familien so ungemein liebevoll und innig sprechen gesehen, dass ich es nicht genug beschreiben kann. Sein liebevolles Tun rührte mich zu Tränen.

Etwas aber sah ich in der Nacht von Jesus, was mir unbeschreiblich rührend und wundersam war. Es war ein großer Windsturm diese Nacht im Gelobten Land, und ich sah Jesus mit mehreren andern Leuten beten. Er betete mit ausgebreiteten Händen um Abwendung der Gefahr. Ich hatte von da einen Blick nach dem galiläischen See und sah einen großen Sturm auf demselben und die Schiffe des Petrus, des Andreas und Zebedäus in großer Not. Die Apostel sah ich ruhig in Bethanien schlafen, es waren nur ihre Knechte auf den Schiffen. Ich sah aber, während Jesus betend stand, seine Erscheinung auch dort auf den Schiffen, bald auf dem einen, bald auf dem andern, bald auf dem See. Es war, als arbeite Er, als halte Er zurück, als weise Er ab. Er war es nicht in Persönlichkeit, denn ich sah Ihn nicht gehen. Er stand etwas höher als die Notleidenden, Er schwebte. Die Leute sahen Ihn aber nicht, es war sein Geist im Gebete fortwirkend. Niemand wusste es, aber Er half. Vielleicht, dass die Schiffsknechte an Ihn geglaubt und seine Hilfe angerufen haben.

13. Jesus in Nazareth. Die drei Jünglinge. Das Purimfest

Von Sephoris wandelte Jesus auf Umwegen über einzelne Höfe, wo Er tröstete und lehrte, nach Nazareth, das nur zwei Stunden von Sephoris entfernt ist. Er hatte unter den Jüngern, welche jetzt bei Ihm waren, zwei oder drei junge Leute, Söhne von Essener-Witwen. In Nazareth kehrte Er bei Bekannten, welche Herberge gaben, ein und besuchte ohne Aufsehen einzelne gute Leute. Die Pharisäer kamen zu Ihm äußerlich ganz bescheiden, obgleich heimlich ärgerlich. Sie fragten Ihn, was Er nun vorhabe und warum Er nicht bei seiner Mutter bleibe? Er antwortete ihnen aber ernst und scharf. Es ist hier alles mit Vorbereitungen zu einem Fasttag beschäftigt wegen Esther und mit Zubereitungen zu dem Purimfest, das gleich darauf folgt. Jesus lehrte in der Synagoge sehr ernst.

In der Nacht habe ich Ihn abermals mit ausgebreiteten Armen beten sehen, und wie Er wieder auf dem galiläischen Meere bei einem Sturme helfend erschien. Dieses Mal war das Elend viel größer und waren viele andere Schiffe in Gefahr. Ich sah, dass Jesus die Hand an das Steuer legte, ohne dass der Steuermann Ihn bemerkte.

Die drei reichen Jünglinge von hier, welche früher schon einmal vergeblich gebeten, waren wieder bei Jesus, Ihn zu bitten, Er möge sie zu Jüngern aufnehmen. Sie sind beinahe vor Ihm niedergekniet. Er aber hat sie abgewiesen und ihnen gewisse Punkte gesagt, wenn sie diese befolgten, dann könnten sie zu Ihm kommen. Er wusste wohl, dass sie ganz zeitliche Absichten hatten, weil sie es nicht besser verstanden. Sie wollten Ihm folgen, wie einem Philosophen und gelehrten Rabbiner und dann mit großer Gelehrsamkeit der Stadt Nazareth eine Ehre machen. Auch mochten sie sich ärgern, dass armer Leute Kinder aus Nazareth bei Ihm waren und sie nicht.

Ich sah Jesus auch bis spät in die Nacht bei dem alten Essener Eliud von Nazareth. Dieser heilige Mann scheint bald vor Altersschwäche zu sterben. Er vermag nicht viel mehr und liegt meist auf seinem Lager. Jesus lag hingestreckt neben ihm bei seinem Lager und redete auf den Arm gestützt mit ihm. Dieser Mann ist ganz in Gott.

Bei Anbruch des Purimfestes wurde oben auf der Synagoge wieder Musik gemacht auf einem Instrument, das auf drei Füßen stand. Es war hohl und Pfeifen stiegen darin auf und ab, auf welchen durch Aus- und Einziehen eine Melodie gespielt wurde. Es spielten Kinder auch auf Harfen und Pfeifen. Heute hatten die Frauen und Jungfrauen zum Andenken an die Esther große Freiheiten und Rechte in der Synagoge. Sie waren nicht abgesondert und konnten sich dem Ort, wo die Priester standen, nahen. Es kamen auch Aufzüge von Kindern in wunderlichen Kleidungen, einige weiß, andere rot gekleidet, in die Synagoge. Auch trat eine Jungfrau auf, die eine Verzierung am Hals hatte, die recht fürchterlich aussah. Sie hatte nämlich einen blutroten Ring um den Hals, als sei er ihr abgeschnitten und vom Ring hingen viele blutrote Fäden wie Blutstreifen mit Knöpfen rings auf das weiße Kleid nieder, gerade als wenn Blut aus dem abgeschnittenen Hals flösse. Sie kam bei einer gewissen Vorstellung wie im Schauspiel vor und trug einen prächtigen Mantel, dessen Schleppe getragen wurde. Es folgten ihr Jungfrauen und Kinder. Sie hatte einen hohen, spitzen Aufsatz vorne am Kopf und einen langen Schleier. Sie trug etwas in der Hand, ich weiß nicht, ob Schwert oder Szepter. Es war dies eine große und sehr schöne Jungfrau. Ich weiß nicht recht, wie es war. Ich meinte, es sollte die Esther vorstellen und doch war es auch wieder, wie eine Judith, aber nicht die, welche den Holofernes getötet, denn es war eine Magd bei ihr, die einen schönen Korb trug, worin Geschenke für den ersten Priester waren. Sie beschenkte ihn mit Schildchen, die sie vor der Stirn oder Brust manchmal tragen, recht köstlich gemacht. Es lag aber auch in einem Winkel der Synagoge hinter einem Vorhang, wie auf einem Paradebett, die ausgestopfte Figur eines Mannes, wovon diese Jungfrau den Kopf abnahm und ihn dem Oberpriester überbrachte. Sie gab nach einer hergebrachten Freiheit den Priestern eine Ermahnung über ihre Hauptfehler, welche das Jahr hindurch geschehen waren, und zog sich zurück. Auch noch bei andern Festen hatten die Frauen solche Rechte, die Priester zu ermahnen.

In der Synagoge wurde das Buch Esther aus einer eigenen Rolle abwechselnd vorgelesen. Auch Jesus las daraus. Die Juden, besonders die Kinder, hatten kleine Brettchen mit Hämmern. Wenn man einen Faden zog, schlug der Hammer auf einen geschriebenen Namen, sie sprachen auch etwas dabei. Dieses geschah, so oft der Name Haman genannt wurde.

Es waren auch große Gastmahle. Jesus war bei dem Mahl der Priester in dem Festhaus. Alles war bei dieser Mahlzeit so geschmückt wie beim Laubhüttenfest, besonders waren sehr viele Blumenkränze, Rosen wie Köpfe so groß und ganze Pyramiden von Blumen da und sehr viele Früchte. Ein ganzes Lamm war auf' der Tafel und besonders musste ich mich über die Pracht der Geschirre wundern. Eine Art Schalen war da von vielen Farben und durchsichtig wie Edelsteine. Die Masse war wie von vielen durcheinander gedrehten bunten Glasfäden. Die Leute machten sich untereinander heute sehr viele Geschenke, besonders von Kleinodien und festlichen Kleidungsstücken, Talaren, Manipeln, Kopfschleiern, Gürteln unten mit Quasten behängt. Auch Jesus erhielt einen Festrock mit Quasten unten. Er wollte ihn aber nicht nehmen und gab ihn andern. Viele gaben ihre Geschenke auch den Armen, die überhaupt sehr reichlich bedacht wurden.

Nach dem Mahl wandelte Jesus von seinen Jüngern umgeben mit den Priestern in der Nähe von Nazareth in Lust- oder schön verzierte Lehrgärten. Sie hatten drei Schriftrollen und das Buch Esther wieder bei sich, aus welchen wechselseitig vorgelesen wurde. Scharen von Jünglingen und Jungfrauen folgten nach. Die Jungfrauen hörten jedoch die Lehre nur aus der Entfernung an. Ich sah auch an diesem Tag Männer herumgehen, welche eine Steuer sammelten.

Von Nazareth zog Jesus mit den Jüngern nach dem gegen vier Stunden entfernten Apheke, von wo Er zum Sabbat wieder nach Nazareth zurückkam und den sterbenden Eliud besuchte. Die Priester in Nazareth konnten nicht begreifen, woher Jesus nach so kurzer Abwesenheit die Gelehrsamkeit gekommen. Sie fanden seine Lehre unwidersprechlich und manche waren heimlich Ihm neidisch. Sie gaben Ihm das Geleit, als Er mit den Jüngern Nazareth verließ.

14. Jesus auf Lazari Gut bei Thirza und in Bethanien

Jesus zog den Weg, den die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten gegangen war, und kam mit seinen Jüngern durch den kleinen Ort, nicht weit von Legio, wo die Heilige Familie damals eingekehrt war, und wo eine verachtete Menschenart, wie Sklaven lebte. Jesus kaufte hier Brot, teilte es aus, und es vermehrte sich. Es entstand kein großer Auflauf dadurch. Er hielt sich dabei nicht lange auf und es geschah dieses, wie im Vorübergehen.

Auf der Weiterreise kamen Lazarus, Johannes Marcus und Obed entgegen, mit denen Jesus nach dem etwa fünf Stunden noch entfernten Gut Lazari bei Thirza wanderte. Sie kamen unbemerkt zur Nachtzeit an, wo schon alles zu ihrem Empfang vorbereitet war. Das Gut lag am Gebirge gegen Samaria zu, nicht fern von dem Feld Jakobs. Ein sehr alter Jude, der barfuss und gegürtet ging, war dort Verwalter. Er war schon auf dem Gut, da Maria und Joseph auf der Reise nach Bethlehem hier Herberge gehabt haben. Auf demselben Gut haben Martha und Magdalena im letzten Lehrjahr, da Jesus in Samaria lehrte, Ihn bewirtet und gebeten, zu dem kranken Lazarus zu kommen.

Nahe bei Lazari Gut war die nun kleine Stadt Thirza, in schöner Gegend, etwa sieben Stunden Wegs von Samaria, gelegen. Der Morgensonne ausgesetzt war Thirza sehr fruchtbar an Getreide, Wein und besonders Obst. Die Einwohner treiben meistens Landbau und tragen die Früchte zum Verkauf weg. Die Stadt ist ehedem groß und schön gewesen. Es hatten Könige hier gewohnt. Das Schloss ist aber abgebrannt und die Stadt im Krieg zerstört worden. Der König Amri hatte noch so lange in dem Haus gewohnt, das jetzt Lazarus gehört, bis Samaria erbaut war, wohin Er dann zog. Die Leute sind sehr fromm hier, sie halten sich sehr still. Der Ort ist jetzt klein und abgelegen. Ich glaube, es muss in unserer Zeit noch eine Spur davon da sein. Die Leute halten sich sehr von den Samaritanern zurück (3 Kön 16, 24), Jesus lehrte in der Synagoge von Thirza, heilte aber nicht.

Am Sabbat begann das Tempelweihfest Zorobabels. Aber nicht so feierlich, als das Makkabäer Weihfest. Es sind aber doch wieder in den Häusern, auf den Straßen und auf Feldern bei den Hirten und in der Synagoge sehr viele Lichter und Feuer angezündet worden. Jesus war den größten Teil des Tages mit all den Jüngern in der Synagoge zu Thirza. Er hat wieder in Lazarus Haus gegessen, aber nur weniges. Der größte Teil der Speisen wurde immer den Armen in Thirza ausgeteilt, deren es sehr viele dort gibt. Solche Austeilungen geschahen fortwährend bei seinem Hiersein. Die Stadt hat noch Spuren ihrer ehemaligen Größe durch Mauern und alte Türme. Es scheint, als habe ihr Umfang sonst das eine Viertelstunde entlegene Haus des Lazarus umfasst. Man sieht es an allerlei jetzt mit Gärten versehenen Mauerresten und Grundlagen. Lazarus hat diese Besitzung noch von seinem Vater. Er ist hier wie überall in großer Ehre und Achtung als ein sehr reicher und frommer, ja erleuchteter Mann. Sein Betragen ist auch sehr von dem aller andern Menschen ausgezeichnet. Er ist sehr ernst und redet sehr wenig. Dann aber sehr sanft und doch mit Gewicht.

Als das Fest zu Ende war, verließ Jesus mit Lazarus und den Jüngern Thirza und setzte die Reise nach Judäa fort. Der Weg war der Maria und Josephs nach Bethlehem, jedoch nicht gerade dieselben Pfade, aber derselbe Landstrich durch die Gebirge seitwärts von Samaria. Ich habe sie in der Nacht einen hohen Berg hinaufwandein sehen. Es war eine überaus milde helle Nacht und es lag ein sehr wohltätiger Taunebel über der Gegend. Es sind etwa achtzehn Begleiter bei Jesus. Sie gingen zwei und zwei auf den Pfaden, ein Trupp vor, einer nach Jesus und einzelne in der Mitte. Jesus steht oft stille, redet oder betet. Der Weg eignet sich dazu. Sie sind einen großen Teil der Nacht durch gegangen, haben dann am Morgen geruht und etwas zu sich genommen. Dann sind sie noch über ein kaltes Gebirge gezogen und haben alle Städte vermieden.

Unweit Samaria sah ich etwa sechs Jünger bei Ihm, als sich ein junger Mann aus Samaria vor Ihm auf dem Weg niederwarf und zu Ihm sagte: «Retter der Menschen, der Du Judäa befreien und herstellen willst» usw. Er glaubte auch an ein äußerliches von Christus zu gründendes Reich und bat Ihn dringend um Aufnahme, um ein Amt bei Ihm. Dieser Jüngling war ein Waise, hatte aber große Güter von seinem Vater geerbt und hatte ein Amt in Samaria. Jesus war ihm ganz freundlich und sagte ihm, wenn Er wieder komme, wolle Er ihm sagen, was er tun solle. Es gefalle Ihm sein guter Wille und seine Demut. Es sei nichts einzuwenden gegen das, was er sage usw. Ich sah aber, dass Er wohl wusste, dieser Jüngling hänge an seinem Reichtum, und dass Er ihm erst sagen will, was er tun soll, wenn alle Apostel von Ihm erwählt sind, denn Er will demselben eine Lehre dabei geben. Dieser Jüngling kommt in Zukunft noch einmal und das steht dann im Evangelium.

Abends vor Sabbat sah ich sie in der Herberge der Hirten zwischen den zwei Wüsten ankommen, etwa vier bis fünf Stunden von Bethanien, wo Maria und die heiligen Frauen übernachteten, als sie zu Jesus nach Bethanien vor der Taufe abgereist sind. Die Hirten aus der Gegend versammelten sich und brachten Geschenke und Lebensmittel. Die Herberge wurde zum Betort eingerichtet, eine Lampe angezündet, und sie blieben hier. Jesus lehrte und feierte den Sabbat hier. Er war auf dieser sehr unwegsamen und einsamen Reise auch an der Stelle gewesen, wo Maria auf der Reise nach Bethlehem so gefroren hat und wo ihr nachher so warm geworden ist.

Jesus verweilte den ganzen Sabbat über mit den Jüngern unter diesen Hirten, die sehr glücklich und gerührt waren. Selbst Jesus schien heiterer unter den schuldlosen einfachen Leuten. Nach dem Sabbat wandelte Jesus nach dem vier Stunden entfernten Bethanien.

15. Erste Osterfeier in Jerusalem

Jesus wohnte in Lazaris Haus zu Bethanien in demselben Raum, wie sonst. Er ist wie eine Synagoge und der Betort des Hauses. In der Mitte steht das gewöhnliche Pult, auf dem die Gebetsrolle und Schriften liegen. Seine SchlafsteIle ist ein anhängendes, abgeschlagenes Kämmerchen.

Am Morgen nach seiner Ankunft ging Martha nach Jerusalem zu Maria Marcus und den andern Frauen, um anzuzeigen, dass Jesus mit ihrem Bruder in das Haus der Maria Marcus kommen werde. Jesus kam mit Lazarus gegen Mittag dahin. Bei dem Mahl waren Veronika, Johanna Chusa, Susanna, die Jünger Jesu und Johannes aus Jerusalem, Johannes Marcus, die Simeonssöhne, Veronikas Sohn, Josephs von Arimathäa Vettern, in allem etwa neun Männer. Nikodemus und Joseph waren nicht dabei. Jesus sprach von der Nähe des Reiches Gottes, von seinem Beruf, von der Nachfolge und selbst dunkel von seinem Leiden.

Das Haus des Johannes Marcus liegt vor der Stadt an der Morgenseite, dem Ölberg gegenüber, und Jesus brauchte dahin nicht durch die Stadt zu gehen. Am Abend ging Er wieder mit Lazarus nach Bethanien. In Jerusalem wird da und dort schon von Ihm geredet, der neue Prophet von Nazareth sei in Bethanien. Manche freuen sich auf Ihn, andere sind ärgerlich. In den Gärten und am Wege des Ölberges standen hie und da Leute, auch einige Pharisäer, um Ihn zu sehen, wenn Er vorüberkomme. Sie mochten es zufällig gehört oder in Bethanien auskundschaftet haben, dass Er in die Stadt komme. Es redete Ihn aber keiner an. Einige wichen scheu hinter die Hecke zurück und sahen Ihm nach. Sie sagten zueinander: «Das ist der Prophet von Nazareth, Josephs des Zimmermanns Sohn.»

Es waren überhaupt viele Leute in Gärten und an Zäunen arbeitend wegen des herannahenden Festes, wo alles gereinigt und geschmückt, die Wege bereitet und die Hecken beschnitten und aufgebunden wurden. Auch zogen von allen Seiten her ärmere Juden und Arbeitsleute mit Eseln und Geräten nach Jerusalem hinein, welche während des Festes Taglöhnerdienste in der Stadt und den Gärten taten. Ein solcher Mann war auch Simon, der Jesus das Kreuz tragen helfen musste.

Tags darauf war Jesus wieder in Jerusalem und zwar im Haus Obeds des Sohnes Simeons in der Nähe des Tempels und in einem andern Haus, wo sonst des alten Simeon Familie gewohnt hatte, dem Tempel gegenüber. Er genoss dort eine Bewirtung, welche Martha und die andern Frauen bereitet und hingesandt hatten. Die Jünger aus Jerusalem, etwa neun an der Zahl, und noch einige andere fromme Männer waren anwesend, Nikodemus und Joseph von Arimathäa aber nicht. Jesus sprach sehr liebevoll und ernst von der Nähe des Reiches Gottes. Im Tempel war Er noch nicht.

Er geht ganz ohne Scheu umher und hat meist einen langen, gewirkten, weißen Rock an. Es ist ein Prophetenrock. Oft erscheint Er sehr gewöhnlich und fällt gar nicht auf und man verliert Ihn leicht aus den Augen. Manchmal aber ist seine Erscheinung ganz außerordentlich. Sein Antlitz ist dann leuchtend und übernatürlich. Als Er abends nach Bethanien zurückgekehrt war, kamen einige Jünger von Johannes zu Ihm, unter welchen Saturnin. Sie grüßten Ihn und erzählten von Johannes, dass nicht sehr viele Täuflinge mehr zu ihm kommen. Aber Herodes habe viel mit ihm zu schaffen. Nikodemus ist an diesem Abend zu Lazarus nach Bethanien gekommen und hat Jesus Lehre gehört.

Am folgenden Morgen ging Jesus zu Simon dem Pharisäer, der eine Herberge oder ein Festhaus in Bethanien hatte. Es war eine Mahlzeit bei ihm, wo Nikodemus, Lazarus, die Jünger des Johannes und die Jünger von Jerusalem versammelt waren. Auch Martha und die Frauen von Jerusalem waren zugegen. Nikodemus redete fast gar nicht in Jesus Gegenwart. Er hält sich zurück und hört nur mit Verwunderung zu. Joseph von Arimathäa ist gerade heraus und fragt wohl manchmal. Simon der Pharisäer ist nicht bös, aber jetzt noch ein schwankender Mann, der es mit Jesus Partei aus Freundschaft mit Lazarus hält. Aber auch mit den Pharisäern gut steht.

Jesus sprach bei dieser Mahlzeit vieles von den Propheten und der Erfüllung der Weissagungen. Er lehrte von dem Wunder der Empfängnis Johannes des Täufers, und wie Gott ihn von dem Kindermord des Herodes befreit habe und wie er nun die Wege bereitend aufgetreten sei. Er sprach auch von der geringen Aufmerksamkeit der Menschen auf die Erfüllung der Zeiten, wobei Er sagte: «Dreißig Jahre sind es! Und wer gedenkt noch daran, außer wenige fromme, einfältige Menschen, dass drei Könige wie ein Kriegsheer aus dem Morgenland mit kindlichem Vertrauen einem Stern folgten und kamen und suchten einen neugeborenen König der Juden und fanden ein armes Kind armer Leute? Drei Tage waren sie da! Wären sie zu einem vornehmen Fürstenkind gekommen, man hätte sie nicht so leicht vergessen!» Er erwähnte aber nicht. dass Er dieses Kind sei.

Von Lazarus und Saturnin begleitet ging Jesus in Bethanien in die Häuser mehrerer armen frommen Kranken von der Arbeiterklasse und heilte etwa sechs derselben. Es waren Lahme, Wassersüchtige und Schwermütige. Er befahl auch den Geheilten, aus dem Haus zu gehen und sich in die Sonne zu setzen. Es ist in Bethanien noch gar kein Auflauf wegen Jesus. Auch bei dieser Handlung blieb alles ganz still. Lazarus, den man sehr hoch achtet, trägt dazu bei, dass die Leute sich hier zurückhalten.

Am Abend da der erste Tag des Nisan eintrat, war ein Fest in der Synagoge. Es scheint das Neumondsfest gewesen zu sein, denn es war eine Art Beleuchtung in der Schule, wie eine Mondscheibe, welche unter dem Gebete immer vollkommener erleuchtet wurde, indem ein Mann nach und nach immer mehr Lichter hinter ihr anzündete.

Jesus war tags darauf mit Lazarus, Saturnin, Obed und andern Jüngern im Tempel beim Gottesdienst. Es ist ein Widder geopfert worden. Die Erscheinung Jesus im Tempel bringt eine eigentümliche Erschütterung unter den Juden hervor. Das Wunderbare dabei ist, dass jeder seine Empfindung in sich verbirgt und keiner es wagt, mit dem andern über den Eindruck zu sprechen, den ihm seine Erscheinung macht. Es war dies eine göttliche Fügung, um dem Heiland die Zeit seines Wirkens zu verlängern. Denn so sie sich gegenseitig beredeten, würde die Erbitterung wachsen. Jetzt aber kämpft in manchem Hass und Grimm mit heiliger Rührung. In anderen regt sich eine leise Begierde, Ihn näher zu kennen, und sie bemühen sich, durch andere Ihm bekannt zu werden. Es war auch ein Fasttag wegen des Todes der Kinder Aarons.

Im Haus des Lazarus waren die Jünger und viele andere fromme Leute zugegen. Jesus lehrte in einer großen Halle, worin ein Lehrstuhl war, auf die nämliche Weise wie neulich, da Er von den drei Königen sprach und wendete ihre Aufmerksamkeit auf Ereignisse aus früherer Zeit. Er sagte: «Sind es jetzt nicht gerade achtzehn Jahre, da ein kleiner Bachir, (das muss wohl so viel heißen als Schüler), im Tempel so wunderbar mit den Schriftgelehrten disputierte, und dass diese so erbittert über ihn wurden?» Er erzählte auch, was der kleine Bachir gelehrt habe.

Jesus war mit Obed, der am Tempel diente, und den andern jerusalemischen Jüngern wieder im Tempel bei der Sabbatsfeier. Sie standen paarweise bei den andern jungen israelitischen Männern. Jesus hatte ein weißes gewirktes Kleid, einen Gürtel und einen weißen Mantel an, ähnlich, wie ihn die Essener tragen. Es war aber doch etwas ausgezeichnetes an Ihm. Seine Kleidung war besonders rein und schien sehr zierlich, wahrscheinlich weil Er sie trug. Er sang und betete aus Rollen wechselnde Gesänge mit. Es waren auch Vorbeter da. Man war wieder befremdet und verwundert über ihn, ohne doch mit Ihm zu reden. Und selbst unter einander sprachen sie nicht öffentlich von Ihm. Ich sah aber die wunderbare Gemütsbewegung vieler. - Es wurden drei Lehren oder Predigten gehalten, von den Kindern Israel, ihrem Auszug aus Ägypten und vom Osterlamm. Auf einem Altar war ein Rauchopfer. Man konnte den Priester nicht sehen, wohl aber den Rauch und das Feuer. Das Feuer sah man durch eine Art Gitter, auf welchem etwas wie ein Osterlamm unter Verzierungen oder Strahlen ausgearbeitet war. Dadurch schimmerte das Feuer. Dieser Altar stand nahe bei dem Allerheiligsten, die Hörner desselben schienen bis in das Allerheiligste zu gehen. - Ich sah betende Pharisäer, welche manchmal eine lange schmale Bahn, die eigentlich ein Schleier gewesen, um den einen Arm wickelten.

Ungefähr um zwei Uhr nachmittags ging Jesus mit seinen Gefährten im Tempel in ein Gemach am Vorhof Israels, wo eine kleine Mahlzeit von Früchten und Broten, die gleich Zöpfen geflochten waren, bereit war. Sie hatten einen zum Speisemeister bestellt, der alles besorgte. Man konnte alles nötige in den dabei liegenden Räumen kaufen und bestellen. Fremde hatten dieses Recht. Der Tempel war wie eine ganze Stadt so groß, man konnte alles da haben. - Bei dieser Mahlzeit lehrte Jesus.

Nachdem die Männer weggegangen, aßen auch die Frauen daselbst.

Ich sah auch heute, was ich sonst nicht wusste: Lazarus hatte ein Amt am Tempel, so wie etwa bei uns ein Bürgermeister ein Kirchenamt haben kann. Er ging nämlich mit einer Büchse herum, eine Beisteuer sammelnd. - Jesus und die Seinigen blieben noch den ganzen Nachmittag im Tempel und ich sah Ihn nicht eher, als etwa neun Uhr abends in Bethanien zurück. Es waren bei diesem Sabbat unzählige Lampen und Lichter im Tempel.

Maria und die andern heiligen Frauen sind von Kapharnaum nach Jerusalem zu abgereist. Sie ziehen gegen Nazareth und am Tabor vorüber, aus welcher Gegend noch andere Frauen zu ihnen kommen, und über Samaria. Die galiläischen Jünger ziehen ihnen voraus, und Knechte, welche Pakete tragen, folgen nach. Bei den Jüngern sind Petrus, Andreas und der Halbbruder Jonathan, die Söhne des Zebedäus, die Söhne Mariä Kleophä und Nathanael Chased und Nathanael der Bräutigam.

Am vierten Nisan war Jesus mit etwa zwanzig Jüngern den ganzen Morgen im Tempel. Nachher hat Er im Haus Mariä Markus gelehrt und einen Imbiss genommen. Dann war Er in Bethanien bei dem Pharisäer Simon mit Lazarus.

Es werden jetzt schon viele Lämmer ausgemustert.

Jesus war abermals im Tempel und lehrte nachmittags im Haus Josephs von Arimathäa. Dieses Haus liegt in der Gegend von Johannes Markus Haus. Es ist ein Steinmetzhof dabei. Diese Gegend ist etwas abgelegen, und die Pharisäer kommen wenig dahin. Auch scheut sich jetzt noch niemand, sich Jesus zu nähern, denn der Hass gegen Ihn ist noch nicht zum Ausbruch gekommen.

Jesus zeigt sich immer freier und kühner in Jerusalem und im Tempel. Er ist mit Obed hervorgetreten zwischen dem Opferaltar und dem Tempel, wo über das Osterfest und dessen Gebräuche eine Lehre für die Priester gehalten wurde. Seine Jünger blieben im Vorhof Israels zurück. Die Pharisäer ärgerten sich sehr, Ihn zu sehen. Er redet auch mit Leuten auf der Straße.

Es kommen immer mehr Leute nach Jerusalem, besonders Arbeiter, Taglöhner, Diener, Handelsleute mit vielen Lebensmitteln. Es werden dicht um die Stadt und auf leeren Plätzen sehr viele Hütten und Zelte aufgeschlagen, um die Menge der Ostergäste zu beherbergen. Es werden viele Lämmer und anderes Vieh zur Stadt gebracht. Die Lämmer werden jetzt schon ausgesucht. Es ziehen auch sehr viele Heiden zum Fest in die Stadt.

In Bethanien lehrt und heilt Jesus öffentlich. Man hat Ihm auch fremde Kranke gebracht. Es sind Verwandte von Zacharias aus der Gegend von Hebron zu Ihm gekommen, Ihn dahin einzuladen.

Er war auch wieder im Tempel und hat abends, da nach dem Gottesdienst die Priester den Tempel verlassen hatten, an der Stelle, wo Er bei den Jüngern stand, vor diesen und anderen guten Leuten von der Nähe des Reiches Gottes, vom Osterfest und von der Nähe der Erfüllung aller Prophezeiungen und Bilder und des Osterlamms selber gelehrt. Er sprach sehr ernst und scharf und mehrere Priester, die noch hie und da zu tun hatten, wurden durch seine Reden bestürzt und heimlich unwillig. Hierauf ging Jesus nach Bethanien und von dort in der Nacht mit den Leuten von Hebron und einigen Jüngern etwa vier Stunden mittagswärts gegen Hebron.

Im Tempel werden jetzt mit Anstrengung die Vorbereitungen zum Fest gemacht und wird im innern Raum sehr vieles verändert. Wege und Hallen werden geöffnet und Gestelle und Scheidewände weggeräumt. Man kann nun von vielen Seiten zum Altar, es gewinnt alles ein ganz anderes Aussehen.

Auf dem Weg gegen Hebron zog Jesus mit den Jüngern und Verwandten Zacharias zwischen Jerusalem und Bethlehem hin. Es war höchstens ein Weg von fünf Stunden. Über Juta kam Er in das nahe Hebron, wo Er lehrte und ungestört viele Menschen heilte. Zu dem Sabbat kam Er nach Bethanien zurück. Der Weg ging hoch über Berge voll Sonne. Es war sehr heiß. Die Jünger, die von Johannes zu Jesus nach Bethanien gekommen waren, kehrten wieder zu Johannes zurück.

Am Sabbat war Jesus im Tempel und trat mit Obed bis in die Vorhalle hervor, wo der Lehrstuhl ist, auf dem Er später auch gelehrt. Hier saßen Priester und Leviten auf den kreisförmigen Sitzen um den Lehrstuhl, von welchem herab eine Lehre über das Osterfest gehalten wurde. Die Erscheinung Jesus erregte eine große Bestürzung unter den Anwesenden. Besonders als Er einzelne Einwürfe und Fragen tat, die niemand von ihnen beantworten konnte. Unter anderem sprach Er, die Zeit sei nahe, da das Vorbild des Osterlammes erfüllt werde. Dann werde dieser Tempel und dieser Dienst zu Ende gehen. Er sprach davon verblümt und doch so deutlich, dass ich lebhaft dabei an die Stelle des «Pange lingua» denken musste, wo es heißt «et antiquum documentum novo cedat ritui». Als sie Ihn fragten, woher Er das wisse, antwortete Er ihnen, sein Vater habe es Ihm gesagt, sprach aber nicht, wen Er damit meine. Überhaupt sprach Er nur ganz allgemein. Die Pharisäer sehr ergrimmt und doch voll Erstaunen wagten nichts gegen Ihn. Es war nicht erlaubt in diesen Teil des Tempels zu gehen. Er aber ist als ein Prophet hingegangen. Im letzten Jahr hat Er selbst dort gelehrt.

Nach dem Sabbat ging Jesus nach Bethanien. Ich habe Ihn bis jetzt noch nicht mit der stillen Maria sprechen gesehen. Ich glaube, ihr Ende ist nahe. Es scheint sich etwas mit ihr verändert zu haben. Sie liegt an der Erde auf grauen Decken und wird von Mägden im Arm gehalten. Sie war in einer Art Ohnmacht. Sie scheint mir der irdischen Welt näher gerückt und wird wohl auf Erden noch etwas leiden müssen. Sie war bis jetzt immer abwesenden Geistes, und nichts von der Welt wissend. Jetzt aber scheint sie mehr ins Leben zurückgesetzt. Sie wird nun wissen, dieser Jesus hier in Bethanien, der in ihrer Zeit und Nähe lebe, sei es, der so bitter leiden müsse. Sie wird noch im Leben, im Leibe die Schmerzen des Mitleids aushalten, und dann bald sterben.

In der Nacht vom Samstag hat Jesus die stille Maria besucht und lange mit ihr gesprochen. Sie saß teils auf ihrem Lager, teils ging sie umher. Sie ist nun ganz bei Verstand und weiß den Unterschied von Diesseits und Jenseits, und dass Jesus der Heiland und das Osterlamm ist, und dass Er so schrecklich leiden wird. Sie ist darüber unaussprechlich traurig und die Welt kommt ihr zum Erdrücken schwer und finster vor. Besonders aber betrübt sie der Undank der Menschen, welchen sie voraussieht. Jesus sprach lange mit ihr von der Nähe des Reiches Gottes und seinen Leiden, segnete und verließ sie. Sie wird bald sterben. Sie ist jetzt außerordentlich schön und groß, schneeweiß und leuchtend, und hat Hände wie Elfenbein und so lange schlanke Finger.

Jesus heilte am Morgen viele Leute in Bethanien ganz öffentlich, die man dahin gebracht hatte, darunter auch Fremde, die aufs Fest gekommen waren, Lahme, Blinde. Es kamen auch einige Männer aus dem Tempel zu Ihm und stellten Ihn zur Rede über sein Tun und Lassen, und wer Ihn berechtigt habe, gestern im Tempel in der Lehre mitzusprechen? Er antwortete ihnen sehr ernst und sprach wieder von seinem Vater. Die Pharisäer wagten sich nicht recht an Ihn, sie fühlten einen Schrecken in seiner Nähe und wussten nicht, was sie an Ihm hätten. Jesus aber lehrte tags darauf wieder im Tempel. Alle die galiläischen Jünger, welche auf der Hochzeit in Kana gewesen, sind nun gekommen. Maria und die heiligen Frauen wohnen bei Maria Markus. - Lazarus hat viele ausgemusterte Lämmer gekauft und schlachten lassen und unter die armen Taglöhner und Arbeiter verteilt.

16. Jesus weist die Krämer aus dem Tempelvorhof hinaus Paschamahl. Tod der stillen Maria

Da Jesus mit allen Jüngern zum Tempel kam, wies Er viele Krämer mit grünem Krautwerk, Vögeln, Lämmern und allerlei Esswaren in großer Liebe und Freundlichkeit aus dem Umfang des Vorhofs der Betenden weit zurück in den Vorhof der Heiden. Er ermahnte sie freundlich, dass dieses ganz unschicklich sei, besonders das Geblöke der Lämmer und des Viehes und half mit den Jüngern selbst ihre Tische tragen und ihnen Plätze anweisen.

Er heilte an diesem Tag auch viele kranke Fremde in Jerusalem, besonders arme lahme Arbeitsleute, welche in der Gegend des Cönaculum am Berge Sion wohnten. - Es ist eine erstaunliche Menge Volkes in Jerusalem. Es stehen ganze Lager von Hütten und Zelten um die Stadt. Auf großen Plätzen sind Gebäude, wie Straßen lang, worin alles zu haben ist, und in großen Vorräten liegt, was zu einem Zelt und dessen Einrichtung und zum Osterlammessen gehört. Es sind Magazine, in welchen alles das teils verkauft, teils vermietet wird. Scharen von Taglöhnern und armen Leuten aus ganz Israel sind beschäftigt, dergleichen hin und her zu tragen und aufzuschlagen. Diese Leute haben auch schon seit mehrerer Zeit in Jerusalem und umher alles weggeräumt, was den Raum stören kann, die Hecken beschnitten, die Wege geöffnet, die Lagerplätze geebnet und abgegrenzt. KrämersteIlen und Marktplätze eingerichtet. Ebenso wurden auch Wochen voraus alle Wege und schweren Passagen im Lande ausgebessert und bereitet. Alles das bezieht sich so auf das Pascha-Lamm, wie das Wegebereiten des Täufers auf das wahre Lamm Gottes.

Als Jesus wieder mit seinen Jüngern im Tempel war, wies Er die Krämer noch einmal hinweg. Da jetzt alle Zugänge wegen des bevorstehenden Osterlammschlachtens offen waren, hatten sich wieder viele bis zum Vorhof der Betenden vorgedrängt. Jesus wies sie zurück und schob ihre Tische hinweg. Es ging gewaltsamer, als das letzte Mal. Die Jünger räumten vor Ihm her. Es war aber freches Volk dabei, welches mit heftigen Gebärden und vorgestrecktem Hals sich Ihm widersetzte, so dass Jesus selbst mit einer Hand einen Tisch zurückschob. Sie vermochten nichts gegen Ihn. Der Platz wurde bald leer und alles bis zum äußersten Hof hinausgeschafft. Er sagte ihnen warnend, Er habe sie nun zweimal in Güte weggewiesen, wenn Er sie nochmals hier fände, werde Er Gewalt brauchen. Da schimpften die Frechsten nach Ihm hin: was sich der Galiläer, der Schüler von Nazareth hier herausnehme, sie fürchteten sich nicht vor Ihm. Hierauf hat das Wegschaffen begonnen. Es stand dabei viel Volk umher, das Ihn bewunderte. Die frommen Juden gaben Ihm recht und lobten Ihn in der Entfernung. Man rief auch: der Prophet von Nazareth! Die Pharisäer, die sich darüber ärgerten und schämten, hatten schon vor einigen Tagen in der Stille Ermahnungen an das Volk bekannt machen lassen, man solle während des Festes sich nicht an den Fremdling anhängen, Ihm nicht nachlaufen und nicht viel von Ihm schwätzen. Das Volk wird aber immer aufmerksamer auf Ihn. Denn es sind nun schon sehr viele Leute hier, die Er gelehrt oder geheilt hat.

Als Jesus beim Herausgehen aus dem Tempel in einem Vorhof einen Lahmen geheilt hatte, der Ihn angerufen, ging dieser, Jesus freudig verkündend, in den Tempel und verursachte großes Aufsehen.

Johannes der Täufer kommt nicht zum Fest. Er ist kein rechter Gesetzesjude, auch gar nicht wie andere Menschen. Er ist wie eine mit Fleisch bekleidete Stimme. Er hat aber jetzt wieder Zulauf von Täuflingen, weil so vieles Volk nach Jerusalem ziehend in Bewegung ist.

Am Abend wurde alles sehr still in Jerusalem. Man beschäftigte sich in den Häusern mit dem Ausfegen des Sauerteigs und Bereiten des ungesäuerten Brotes. Es wurden alle Geräte behängt und bedeckt. Auch im Haus des Lazarus am Berg Sion geschah dies, wo Jesus und die Seinigen das Osterlamm essen sollen. Jesus war selbst dabei, lehrte darüber, und es geschah alles unter seiner Anordnung. Es ging nicht so ängstlich dabei zu, als bei den andern Juden. Jesus erklärte ihnen, wovon es ein Vorbild sei, wie sie es ausüben sollten und was die Pharisäer unverständig zugesetzt hätten.

Jesus war tags darauf nicht im Tempel, sondern in Bethanien. Ich dachte noch, als sich so viele Krämer wieder im Tempel vorgedrungen hatten, wenn Er jetzt da wäre, es würde ihnen übel gehen. Nachmittags wurden im Tempel die Osterlämmer geschlachtet. Dies geschah mit unbeschreiblicher Ordnung und Fertigkeit. Jeder trug sein Osterlamm auf den Schultern herbei. Alle standen sehr ordentlich und jeder hatte Raum genug. Es waren drei Höfe um den Altar, wo sie stehen konnten; zwischen dem Altar und Tempel stand kein Volk. Vor den Schlachtenden waren Geländer und Gestelle mit Bequemlichkeiten. Sie standen jedoch so dicht, dass das Blut des einen Lammes den Schlächter des andern bespritzte. Ihre Kleider waren alle voll Blut. Die Priester standen in vielen Reihen bis zum Altar, und die vollen und leeren Blutbecken liefen von Hand zu Hand. Ehe die Israeliten die Lämmer ausweideten, stießen und kneteten sie dieselben auf eine eigene Art, so dass sie die Eingeweide, wobei der Nächststehende beim Halten des Lammes behilflich war, mit einem Griff leicht herausrissen. Das Hautabziehen ging sehr schnell, sie lösten die Haut etwas ab und befestigten sie an einen runden Stock, den sie bei sich hatten, hängten das Lamm um ihren Hals vor die Brust und drehten dann den Stock mit den beiden Händen um, auf welchen das Fell sich aufrollte. Gegen Abend war man mit dem Schlachten fertig. Ich sah einen blutroten Abendhimmel.

Lazarus, Obed und Saturnin schlachteten die drei Lämmer, welche Jesus und seine Freunde aßen. Die Mahlzeit war im Haus des Lazarus am Berg Sion. Dies ist ein großes Gebäude mit zwei Flügeln. Im Saale, wo sie aßen, war auch der Bratofen; doch ganz anders, als der Herd im Cönaculum. Er war mehr in die Höhe, so wie die Herde in Annas und Marias Haus und zu Kana. In der aufrecht führenden dicken Mauer waren Löcher, worin man das Lamm von oben herab stellte. Es war ausgespannt mit Holz, wie gekreuzigt. Der Saal war schön geschmückt und es aßen die drei Parteien an einer Tafel, welche mir auffallend ganz in Kreuzgestalt aufgestellt war. Lazarus saß oben am kurzen Kreuzende, wo auch viele Schüsseln mit bittern Kräutern standen.

Die Osterlämmer standen wie hier verzeichnet ist, und die einzelnen Namen stehen nach einzeln benannten Sitzen. Um Jesus her standen Verwandte und Jünger aus Galiläa, um Obed und Lazarus die jerusalemischen Jünger, um Saturnin die Johannesjünger. Alle zusammen waren mehr als dreißig.

Es war dieses Ostermahl auf andere Weise, als das letzte Ostermahl Jesu. Es war mehr jüdisch. Alle hatten hier Stäbe in der Hand, waren aufgeschürzt und aßen sehr geschwind. Dort hatte Jesus zwei Stäbe kreuzweise. Sie sangen auch Psalmen und aßen stehend sehr geschwind das Osterlamm ganz auf. Später lagen sie zu Tisch. Es war aber doch etwas anders, als wie es die Juden aßen. Jesus legte ihnen alles aus und sie ließen allerlei zugesetzte pharisäische Gebräuche weg. Jesus zerlegte die drei Lämmer und diente zu Tisch. Er sagte, dass Er dieses jetzt als ein Diener tue. Hernach waren sie noch bis in die Nacht zusammen und sangen und beteten.

Es war heute so still und schauerlich in Jerusalem. Die Juden, welche nicht schlachteten, hielten sich in den Häusern, die alle mit grünem dunklem Laubwerk geschmückt waren. Die ungeheuer vielen Menschen waren nach dem Schlachten so sehr im Innern der Häuser beschäftigt und alles hielt sich so still, dass es mir einen ganz betrübten Eindruck machte.

Ich sah heute auch, wo alle die Osterlämmer für die vielen Fremden, welche teils vor den Toren lagerten, gebraten wurden. Es waren vor und auch innerhalb der Stadt an gewissen Plätzen ganze lange breite niedere Mauern errichtet, so dass man oben darauf gehen konnte. In diesen Mauern war Ofen an Ofen. In gewissen Entfernungen wohnte ein Aufseher, der auf alles acht gab, und bei dem man das Nötige um ein Geringes haben konnte. Bei solchen Öfen kochten und brateten auch Reisende und Fremde zu andern Festen und Zeiten. - Das Verbrennen des Fettes des Osterlammes dauerte bis in die Nacht im Tempel, dann wurde nach der ersten Nachtwache der Altar gereinigt und sehr früh die Tore wieder geöffnet.

Jesus und seine Jünger hatten die Nacht meist mit Gebet und mit wenig Schlaf in Haus des Lazarus am Berge Sion zugebracht. Die galiläischen Jünger schliefen in angebauten Räumen. Als der Tag anbrach, gingen sie schon nach dem Tempel hinauf, der mit vielen Lampen erleuchtet war. Es zogen schon von allen Seiten her Leute mit ihren Opfern hinauf. Jesus mit seinen Jüngern war in einem Vorhof und lehrte. Wiederum stand eine Menge von Krämern bis dicht an den Vorhof der Betenden und Frauen. Sie waren kaum ein paar Schritte vom betenden Volk. Als aber noch mehrere heranzogen, wies Jesus sie zurück und befahl den Dastehenden zu weichen. Sie widersetzten sich und riefen die Wächter in der Nähe um Hilfe, und diese zeigten es dem Synedrium an, weil sie aus sich selbst es nicht wagten. Jesus befahl den Krämern, zu weichen. Und da sie frech trotzten, zog Er aus seinem Gewand einen von Binsen oder dünnen Weiden gedrehten Strick hervor, schob einen Ring daran zurück, wodurch die eine Hälfte sich in eine Menge Fäden, wie eine Geißel auflöste. So drang Er gegen die Krämer an, stieß die Tische um, trieb die Widerspenstigen vor sich her. Die Jünger gingen an beiden Seiten vor Ihm her und drängten und schoben alles hinweg. Nun kamen eine Menge Priester aus dem Synedrium und stellten Ihn zur Rede: wer Ihm ein Recht dazu gebe, hier so zu verfahren? Er sagte ihnen, wenn gleich das Heiligtum vom Tempel gewichen sei und er seinem Untergang entgegen gehe, so sei er doch ein geweihter Ort und das Gebet so vieler Gerechten sei zu ihm gewendet. Er sei kein Ort des Wuchers, des Betrugs und niedrigen Handelgetümmels. Da sie Ihn auf die Rede, sein Vater habe es Ihm befohlen, fragten, wer sein Vater sei, erwiderte Er: Er habe jetzt keine Zeit, dieses zu erklären und sie verstünden es auch nicht und somit wendete Er sich von ihnen und fuhr fort, die Krämer zu vertreiben.

Es waren aber auch zwei Scharen von Soldaten angekommen, und die Priester wagten nichts gegen Jesus, denn sie schämten sich selbst der Unordnung. Auch war viel Volk versammelt, das dem Propheten Recht gab, so dass die Soldaten selbst Hand mit anlegen mussten, die Krämertische wegzuschaffen und die umgestoßenen Tische und Waren wegzuräumen. So schafften Jesus und die Jünger die Krämer bis vor den äußersten Vorhof hinaus. Diejenigen aber, welche bescheiden waren und mit Tauben, kleinen Broten und andern Erquickungen in den Mauerzellen des Vorhofes nötig waren, ließ Jesus dastehen. Er ging hierauf mit den Seinigen in den Vorhof Israels. Es mochte dieses ungefähr 7 bis 8 Uhr Morgens geschehen sein.

Am Abend dieses Tages zog eine Art Prozession das Tal Kidron, die Erstlingsgarbe abzuschneiden.

Da Jesus an einem späteren Tag im Vorhof des Tempels ungefähr zehn Lahme und Stumme heilte, erregte dieses ein großes Aufsehen. Denn die Geheilten erfüllten alles mit ihrem Jubel. Man stellte Ihn abermals zur Rede. Er aber antwortete sehr scharf, und das Volk war sehr begeistert für Ihn. Er hörte nach dem Gottesdienst der Lehre in einer Halle des Tempels mit den Jüngern zu. Man lehrte über ein Buch Mose. Er machte öfters Einwürfe, denn es war hier eine Art Schule, wo man disputieren konnte, und alle brachte Er zum Schweigen und gab eine ganz verschiedene Auslegung.

Jesus war in allen diesen Tagen schier gar nicht bei seiner Mutter, die immer bei Maria Markus den ganzen Tag in Sorgen, Tränen und Gebet wegen des Aufsehens war, das Er machte. Den Sabbat hielt Jesus bei Lazarus in Bethanien, wohin Er nach dem Lärm, den seine Heilung im Tempel verursachte, sich zurückgezogen. Nach dem Sabbat aber suchten die Pharisäer Jesus im Haus der Maria Markus in Jerusalem, um Ihn einzuziehen. Sie fanden Ihn aber nicht, sondern seine Mutter und andere heilige Frauen, und geboten diesen, als seinen Anhängerinnen, mit harten Worten, die Stadt zu verlassen. Da wurden die Mutter Jesus und die andern Frauen sehr betrübt und eilten weinend nach Bethanien zu Martha. Maria trat weinend in die Stube, wo Martha bei ihrer kranken Schwester, der stillen Maria, war, welche wieder ganz im äußeren Leben war und alles, was sie sonst im Geiste gesehen hatte, nun zur Wirklichkeit werden sah. Sie konnte ihre Betrübnis nicht mehr ertragen und starb in der Gegenwart Marias, Maria Kleophas, Marthas und der anderen Frauen.

Nikodemus kam in diesen Tagen durch Vermittlung des Lazarus trotz der ausgesprochenen Verfolgung zu Jesus, der die Nacht hindurch neben ihm an der Erde liegend lehrte. Vor Tagesanbruch ging Jesus mit Nikodemus nach Jerusalem in das Haus des Lazarus am Sion. Hier kam auch Joseph von Arimathäa zu Ihm. Er sprach mit ihnen, und sie demütigten sich vor Ihm und erklärten, dass sie wohl erkannten, wie Er mehr als ein Mensch sei, und sie gelobten, Ihm treu zu dienen bis ans Ende. Jesus aber gebot ihnen Zurückhaltung. Sie baten Ihn, Er möge sie in der Liebe erhalten.

Darnach kamen noch alle Jünger, die das Pascha mit Ihm gegessen hatten. Er gab ihnen Lehren und Befehle für die nächste Zukunft. Sie reichten sich die Hände und weinten und trockneten die Tränen mit der schmalen Halsbahn, welche sie auch um das Haupt hüllten.

VOM SCHLUSS DES ERSTEN OSTERFESTES BIS ZUR BEKEHRUNG DER SAMARITERIN AM JAKOBSBRUNNEN

1. Der Brief des Königs Abgarus

Von Bethanien, wo Jesus einige Zeit in Verborgenheit sich noch aufgehalten hatte, zog Er an die Taufstelle bei Ono. Die Einrichtungen zum Taufen waren durch Aufseher gehütet worden. Es sammelten sich Jünger um Jesus und vieles Volk strömte herbei. Da Jesus vor der Menge lehrte, die teils im Kreise stehend, teils auf Holzgerüsten sitzend zuhörte, nahte auf einem Kamele ein Fremder mit sechs Begleitern, die auf Maultieren ritten, und machte in einiger Entfernung vom Lehrplatz Halt, wo Zelte aufgeschlagen waren. Er war von dem kranken König Abgarus mit Geschenken und einem Briefe an Jesus gesandt, worin Er gebeten wurde, Er möge doch nach Edessa kommen und ihn heilen. Abgarus war krank. Er hatte einen Ausschlag, der ihm in die Füße getreten war, dass er hinkte. Reisende hatten ihm von Jesus, seinen Wundern, dem Zeugnis des Johannes und der Erbitterung der Juden auf dem letzten Osterfest erzählt, was ihm großes Verlangen einflößte, von Jesus geheilt zu werden.

Der junge Mann, der den Brief zu überbringen hatte, konnte malen und hatte den Befehl, wenn Jesus nicht kommen würde, sein Bildnis zurückzubringen. Ich sah, wie dieser Mann sich vergebens bemühte, zu Jesus zu gelangen. Er suchte bald hier, bald dort durch die Volksmenge zu dringen, um die Lehre mitanzuhören und zugleich das Angesicht Jesus abzubilden. Da sagte Jesus einem der Jünger, er solle dem Mann, der hinter den Leuten herumwandle und nicht herzukommen könne, Platz machen und ihn auf ein nahe stehendes Gerüst führen. Der Jünger brachte den Gesandten dahin und stellte auch seine Begleiter mit ihren Gaben, die in Stoffen, Goldplättchen und sehr feinen Lämmern bestanden, so auf, dass sie sehen und hören konnten.

Der Gesandte froh, endlich Jesus zu erblicken, legte sein Malgerät vor sich auf die Knie, sah Jesus mit großer Verwunderung und Aufmerksamkeit an und arbeitete. Er hatte ein weißes Täfelchen vor sich, wie von Buchsbaum. Da riss er zuerst mit einem Stift den Umriss von Jesus Kopf und Bart ohne Hals hinein. Dann war es, als schmiere er Wachs darauf und drücke Formen hinein. Dann riss er mit dem Stift wieder allerlei hinein, tupfte und drückte wieder ab und so arbeitete er lange fort und konnte nie recht zu Stande kommen. So oft er Jesus ansah, war es, als erstaune er über sein Antlitz und müsse wieder frisch anfangen. Lukas malte nicht ganz auf diese Weise. Er wendete auch Pinsel an. Das Bild des Mannes hier schien mir teils erhaben, so dass man es auch fühlen konnte.

Jesus lehrte noch eine zeitlang weiter, und sendete dann den Jünger zu dem Mann und ließ ihm sagen, er möge näher kommen und seine Sendung erfüllen. Da ging der Mann von seinem Sitz herab zu Jesus, und die Diener mit den Geschenken und Lämmern gingen hinter ihm her. Er hatte ohne Mantel kurze Kleider an, schier nach der Weise eines der heiligen drei Könige. An dem linken Arm hatte er sein Gemälde an einem Riemen hängen. Es war herzförmig wie ein Schild, und in der Rechten hatte er das Schreiben des Königs. Er warf sich vor Jesus auf die Knie, verbeugte sich tief, so auch die Diener, und sprach: «Dein Knecht ist der Diener Abgars, des Königs von Edessa, der krank ist und Dir diesen Brief sendet und Dich bittet, diese Gaben von ihm anzunehmen». Da nahten die Knechte mit den Geschenken. Jesus sagte, es gefalle Ihm die gute Meinung seines Herrn, und befahl den Jüngern, die Geschenke zu sich zu nehmen und an den ärmsten Leuten hier herum zu verwenden. Jesus faltete den Brief auseinander und las ihn. Ich erinnere mich nur noch, dass unter anderem darin stand: Er könne Tote erwecken und er bitte Ihn, zu ihm zu kommen und ihn zu heilen. Der Brief war, als sei die Fläche, worauf geschrieben war, steifer, die ganze Umgebung aber des Briefes weich, wie von Zeug, Leder oder Seide, worin der Brief eingeschlagen wurde. Auch sah ich einen Faden daran hängen.

Als Jesus den Brief gelesen hatte, drehte Er die Brieffläche um und schrieb mit einem starken Stift, den Er aus dem Gewand zog und aus dem Er etwas heraus schob, auf die andere Seite des Briefes mehrere Worte ziemlich groß, und schlug den Brief wieder ein. Dann ließ Er sich Wasser geben, wusch das Angesicht und drückte das weiche Umschlagende des Briefes gegen sein Angesicht und gab es dem Gesandten, der damit auf das Bild drückte. Nun war das Bild ganz ähnlich. Der Maler war voll Freude und wendete das Bild, an dem Riemen hängend, gegen die Zuschauer, warf sich vor Jesus nieder und reiste sogleich wieder ab. Einige seiner Diener aber blieben zurück und folgten Jesus, der nach dieser Lehre über den Jordan an den zweiten Taufort zog, den Johannes verlassen hatte. Sie ließen sich hier taufen.

Ich sah, wie der Gesandte vor einer Stadt bei langen Steingebäuden, wie Ziegelbrennereien, übernachtete, und dass am andern Morgen einige Arbeiter, weil sie ein helles Leuchten, wie einen Brand gesehen, ungewöhnlich früh herzukamen, und dass irgend etwas Merkwürdiges mit dem Bild vorgegangen war. Es war ein großer Zusammenlauf. Der Maler zeigte ihnen das Bild und sah, dass auch das Tuch, womit Jesus sich berührt hatte, das Bild enthielt. Abgarus kam ihm eine Strecke durch seine Gärten entgegen und war durch den Brief und das Bild unbeschreiblich gerührt, Er besserte auch gleich sein Leben und schaffte die vielen Frauen ab, mit denen er sich versündigt hatte.

Ich habe früher einmal gesehen, wie nach dem Tod des Sohnes dieses Königs bei einem bösen Nachfolger das Gesichtsbild Jesu, welches öffentlich ausgestellt war, von einem frommen Bischof nebst einer brennenden Lampe durch einen davorgestellten Ziegel lange vermauert und nach langer Zeit wieder entdeckt wurde, da das Bild sich auch in den vorgestellten Stein abgebildet hatte.

2. Jesus in den Grenzen von Sidon und Tyrus

Von Ono begab sich Jesus mit den Jüngern an den mittleren Taufort oberhalb von Bethabara gegenüber von Gilgal und ließ hier durch Andreas, Saturnin, Petrus und Jakobus taufen. Es war eine große Volksmenge ab und zu versammelt. Dieser Zulauf des Volkes erregte neues Aufsehen bei den Pharisäern. Sie sendeten Briefe an alle Synagogenvorsteher des Landes, Jesus auszuliefern, wo man Ihn fände, und die Jünger zu ergreifen, über seine Lehre auszufragen und zurechtzuweisen. Jesus aber verließ von wenigen Jüngern begleitet den Taufort und wanderte durch Samaria und Galiläa in die Grenzen von Tyrus. Die anderen Jünger zerstreuten sich nach ihrer Heimat. Herodes ließ in dieser Zeit den Johannes durch Soldaten nach Kallirrhoe bringen, wo er ihn in einem Gewölbe seines Schlosses gegen sechs Wochen gefangen hielt. darnach wieder freigab.

Während Jesus mit wenigen Jüngern auf dem Wege durch Samaria über das Feld Esdrelon kam, kehrte Bartholomäus von der Taufe Johannes kommend nach seiner Heimat Dabbeseth zurück und traf mit den Jüngern zusammen. Andreas sprach mit ihm mit großer Begeisterung von dem Herrn. Bartholomäus hörte alles mit Freude und Ehrfurcht an, und Andreas, welcher sehr gerne unterrichtete Männer zu Jüngern vorschlug, nahte sich Jesu und sprach von Bartholomäus, dass dieser Ihm wohl gerne nachfolgen würde. Da nun Bartholomäus an Jesus vorüberging, zeigte Andreas denselben Jesus, der ihn anblickend zu Andreas sagte: «Ich kenne ihn. Er wird folgen. Ich sehe Gutes in ihm und werde ihn seiner Zeit berufen.» Ich sah auch, dass er hierauf mit Thomas zusammenkam, mit diesem von Jesus sprach und ihn für Jesus geneigt machte.

Jesus litt auf dieser eiligen Reise großen Mangel. Ich sah, verschiedenemal, wie Saturnin oder ein anderer Jünger Brot in einem Korb herbeitrug, und wie Jesus die harten Rinden im Wasser erweichte, um sie essen zu können.

In Tyrus kehrte Jesus in einer Herberge am Tor von der Landseite ein. Er war über einen hohen Bergrücken gezogen. Tyrus ist eine sehr große Stadt und hängt, wenn man von oben herunter kommt, so am Berge, als wenn sie herab rutschen wollte. In die Stadt hinein kam Jesus nicht. Er hielt sich an der Landseite längs der Mauer auf, wo nicht so viele Leute waren. Es war die Herberge auch in dieser sehr dicken Mauer, über welche eine Fahrstrasse sich hinzog. Jesus trug ein bräunliches Gewand und einen wollweißen Mantel und ging nur hie und da in die Armenhäuser an der Mauer. Saturnin und ein anderer Jünger waren mit Ihm nach Tyrus gekommen. Petrus, Andreas, Jakobus Minor, Thaddäus, Nathanael Chased und alle die Jünger, welche mit auf der Hochzeit zu Kana gewesen waren, folgten erst später einzeln reisend nach und kamen dann mit Jesus in dem jüdischen Versammlungshaus zusammen, welches in einem andern Stadtteil von Tyrus lag, wohin ein mit Bäumen bepflanzter breiter Damm führte. Zu diesem Haus, mit welchem die Schule verbunden war, gehörte ein großer Badegarten, der bis an das Wasser reichte, welches diesen Stadtteil vom festen Lande trennte. Der Badegarten war mit einer Mauer und innerhalb derselben mit einem lebendigen Zaun von in Figuren geschnittenem Strauchwerk umgeben. In der Mitte des Gartens umfing eine offene Säulenhalle mit Gängen und kleinen Gemächern die geräumige Badezisterne, in welche lebendiges Wasser floss. Man konnte in sie hinabsteigen und mitten auf ihrem Grunde erhob sich eine Säule mit Stufen und Handhaben, dass man so tief ins Wasser konnte, als man wollte. Alte jüdische Männer bewohnten diesen Ort. die von einer verschmähten Sekte oder Abkunft, aber gute und fromme Leute waren.

Es war rührend, wie Jesus die Jünger bei ihrer Ankunft begrüßte. Er reichte der Reihe nach einem jeden die Hände. Sie waren sehr ehrerbietig, doch vertraut und behandelten Ihn wie einen außerordentlichen, übernatürlichen Menschen. Sie waren unbeschreiblich froh, Ihn wieder zu sehen. Er lehrte lange vor ihnen, und sie berichteten, wie es ihnen ergangen war. Alle zusammen nahmen ein Mahl, bestehend aus Broten, Früchten, Honig und Fischen, welche die Jünger mitgebracht hatten.

Die Jünger waren teils in Jerusalem, teils in Gennabris vor großen Versammlungen zur Rechenschaft über Jesus, seine Lehre und Absichten und ihren Umgang mit Ihm von den Pharisäern gezogen und mannigfach belästigt worden. Petrus, Andreas und Johannes sah ich einmal mit gebundenen Händen. Sie zerrissen aber ihre Bande mit leichter Bewegung, wie durch ein Wunder. Man hatte sie in der Stille wieder entlassen, und sie waren in ihre Heimat zurückgekehrt.

Jesus ermahnte sie zur Beharrlichkeit und sagte ihnen, dass sie von ihrem Gewerbe sich mehr und mehr losmachen und seine Lehre in ihrer Umgegend unter dem Volke weiter verbreiten sollten. Er werde bald wieder bei ihnen sein und seinen öffentlichen Lehrwandel wieder beginnen, wenn Er zu ihnen nach Galiläa kommen werde.

Nachdem die Jünger wieder abgereist waren, hielt Jesus in der Schule am Badegarten vor vielen Männern, Frauen und Kindern eine Lehre und Ermahnung. Er sprach von Moses, von den Propheten, von der Nähe des Messias. Er legte die Dürre des Landes, das Gebet des Elias um Regen, die aufsteigende Wolke und den Regen auf diese Nähe aus. Er sprach vom Wasser und der Reinigung, heilte viele von den Kranken und wies sie zu der Taufe des Johannes. Er heilte mehrere Knaben, die auf Betten gebracht wurden. Er tauchte mehrere Knaben auf seinen Armen haltend ins Wasser, in welches erst von Saturnin aus einem Schlauch anderes Wasser gegossen war, das Er gesegnet hatte. Die beiden Jünger tauften sie. Auch waren einige erwachsene Knaben da, welche hinabstiegen und sich an dem Pfahl haltend untertauchten und auf diese Weise getauft wurden. Es war hier manches anders, als sonst. Viele der Erwachsenen mussten entfernt stehen bleiben. Es währte bis zum Einbruch der Nacht.

3. Jesus in Sichor Libnath

Als Jesus Tyrus verließ, zog Er ohne Begleiter seines Weges allein. Er hatte die beiden Jünger mit Aufträgen voraus nach Kapharnaum gesandt und auch zu Johannes dem Täufer. Er zog gegen zehn bis elf Stunden südöstlich von Tyrus nach der Stadt Sichor Libnath, durch welche Er auf der Herreise nach Tyrus schon gekommen war. Der See Merom mit den zwei Städten Adama und Seleucia lag Ihm weiter östlich zur Linken. Sichor Libnath, auch Amichores oder Wasser-Regen-Stadt geheißen, lag ein paar Stunden von Ptolemais landeinwärts an einem kleinen trüben See, der von einer Seite, weil von hohem Gebirge umgeben, unzugänglich war. Aus diesem See kam das sandige Flüsschen Belus, das bei Ptolemais sich ins Meer ergießt. Die Stadt war so groß, dass ich nicht begreifen kann, wie man so wenig von ihr weiß. Die Judenstadt Misael lag nicht ferne. Es ist hier das Land, das Salomon dem Könige Hiram geschenkt hat. Sichor ist ein gefreiter Ort, gehört aber unter Tyrus. Es ist viel Viehzucht hier. Ich sah viele große Schafe mit feiner Wolle, die über das Wasser schwimmen konnten. Es wird hier feines Wollzeug gewebt, das in Tyrus gefärbt wird. Ackerbau sah ich keinen, nur Obstbau. Im Wasser wächst eine Art Getreide mit großen Halmen, woraus Brot gebacken wird. Ich meine, es wird nicht gesät. Es zieht sich eine Straße von hier nach Syrien und Arabien, nach Galiläa führt keine Hauptstrasse. Jesus war auf einem Nebenwege nach Tyrus gekommen.

Vor Sichor waren zwei große Brücken. Die eine war hoch und lang, um, wenn alles überschwemmt war, darüber zu gehen. Bei der anderen konnte man unten durch die Bogen gehen. Die Häuser waren hoch gebaut und so eingerichtet, dass bei großem Wasser die Leute oben in Zelten wohnten. Die Einwohner sind meistens Heiden. Ich sah mehrere Gebäude mit Spitzen und Fähnchen, welche ich für Götzentempel hielt. Mich wunderte, dass mehrere Juden in großen Gebäuden wohnten, da sie doch hier die unterdrückte Partei waren. Es waren, glaube ich, geflüchtete Juden.

Das Haus, wo Jesus einkehrte, lag vor der Stadt an der Seite, wo Er herkam. Aber Er musste doch erst über das Wasser. In der Nähe des Hauses befand sich eine Synagoge. Er hatte diese Leute schon bei der Durchreise nach Tyrus angesprochen. Sie schienen seine Ankunft zu erwarten, denn sie kamen Ihm entgegen und empfingen Ihn sehr ehrerbietig. Es waren Juden, ein bejahrter Mann mit großer Familie, der in einem sehr schönen Haus wohnte, das wie ein Palast mit vielen anhängenden, kleineren Gebäuden war. Er führte aus Ehrfurcht Jesus nicht in dies Haus, sondern allein in eine Wohnung daneben, wo er Ihm die Füße wusch und Ihn bewirtete.

Ich sah einen großen Zug von allerlei Arbeitern, Männern, Frauen und Jünglingen, gemischtes Volk, Heiden, worunter auch braune und schwarze Menschen, wahrscheinlich Sklaven dieses Mannes, von ihrer Arbeit über einen großen Platz kommen und sich Speise holen. Sie hatten allerlei Schaufeln und Karren bei sich und trugen kleine leichte Schiffe wie Mulden auf den Schultern, in deren Mitte ein Sitz und Ruder, auch Fischergeräte waren. Sie wurden bei Brücken- und Uferbauten beschäftigt. Diese Leute empfingen Speise in Töpfen, auch Grünes und Vögel, es waren Menschen darunter, welche das Fleisch roh aßen. Jesus ließ sie an sich vorüberziehen, redete sie freundlich an, und sie freuten sich, einen solchen Mann zu sehen.

Zwei alte Juden kamen zu Jesus mit Schriftrollen. Sie aßen mit Ihm und Er legte ihnen manches aus, worauf sie sehr begierig waren. Sie waren Lehrer der Jugend.

Der reiche Jude und Herr des Hauses, bei welchem Jesus wohnt. heißt Simeon und ist aus der Gegend von Samaria, Er oder seine Vorfahren haben sich für den Tempel auf Garizim interessiert und mit den Samaritanern sich eingelassen und sind deswegen aus dem Lande vertrieben und hier ansässig geworden.

Jesus lehrte einen ganzen Tag bei dem Haus seines Wirtes auf einem öffentlichen mit Säulen umgebenen Platz, über die man Decken spannte. Der Hausherr ging ab und zu. Es waren sehr viele Juden versammelt, allen Alters und Geschlechtes. Heilen sah ich ihn nicht. Es waren keine Kranken und Krüppel hier. Die Leute sind trockener, hagerer Natur und groß. Jesus lehrte von der Taufe und sagte: es werden Jünger von ihm kommen, hier zu taufen. Auch an den Weg ging Jesus mit dem Hausherrn, wo die Sklaven von ihrer Arbeit zurückkamen, redete sie an und tröstete sie und erzählte ihnen eine Parabel. Es waren manche gute Leute darunter, die sehr gerührt waren. Sie empfingen wieder Lohn und Speise. Ich dachte an die Parabel, wo der Herr des Weinbergs die Taglöhner bezahlt. Sie wohnten etwa eine Viertelstunde vom Haus Simeons in einer Reihe von Hütten. Es war eine Art Gerechtigkeit, eine Frohn, welche sie dem Simeon abarbeiteten.

An einem folgenden Tag, da Jesus wieder den ganzen Tag über gelehrt hatte, kamen, als alle Juden sich entfernt hatten, etwa zwanzig Heiden zu Jesus. Diese hatten schon mehrere Tage zuvor darum bitten lassen. Simeons Haus war wohl eine halbe Stunde getrennt von der Stadt und die Heiden durften nicht weiter als an einem gewissen Turm oder Bogen kommen. Jetzt brachte Simeon aber diese zu Jesus, den sie ehrerbietig grüßten und um Belehrung baten. Er sprach lange mit ihnen in einem Saal, so spät noch, dass die Lampen angezündet wurden. Er tröstete sie, erzählte in einer Parabel von den heiligen drei Königen und sprach, dass das Licht sich zu den Heiden wenden werde.

Als die beiden nach Kapharnaum gesandten Jünger wieder zu Jesus nach Sichor zurückkamen und ihm die Ankunft der hierher berufenen vier Jünger meldeten, zog Jesus ihnen drei bis vier Stunden über ein Gebirge entgegen und traf mit ihnen in einer Herberge auf galiläischem Grund und Boden zusammen. Es waren außer den Berufenen noch sieben andere, unter denen Johannes und auch einige Frauen mitgekommen, von denen ich Maria Markus von Jerusalem und die Mutter Schwester des Bräutigam Nathanael erkannte. Die Gerufenen waren Petrus, Andreas, Jakobus Minor und Nathanael Chased. Als es schon dunkel war, wandelte Jesus mit diesen vieren und den beiden anderen Jüngern nach Sichor zurück. Die sieben Nichtgerufenen aber traten die Rückreise nach Galiläa an. Es war eine überaus anmutige Sommernacht: Alles duftete und der Himmel war sehr hell. Sie wandelten manchmal zusammen, manchmal einige vor und nach, Jesus in der Mitte allein. Einmal ruhten sie in einer sehr fruchtbaren Gegend unter Bäumen voll Obst und in der Nähe von feuchten Wiesen. Als sie wieder aufbrachen, erhob sich auch der Schwarm von Vögeln aus der Wiese, der immer mit ihnen gezogen war. Sie waren fast so groß wie Hühner, hatten rote Schnäbel und lange scharfe Flügel, fast wie die der Engel gemalt werden, und sie hatten ein wunderliches Gespräch durcheinander. Diese Vögel zogen mit bis in die Stadt, wo sie sich an den Wassern im Schilf niederließen. Sie konnten auf dem Wasser wie die Wasserhühner laufen. Es war ungemein rührend in der schönen Nacht, wenn Jesus manchmal still stand, betete oder lehrte, und die Vögel sich auch niederließen. So zogen sie über den Berg und jenseits hinab. Simeon kam ihnen entgegen, wusch allen die Füße, gab ihnen einen Becher und einen Bissen in einer Vorhalle und führte sie in sein Haus. Die Vögel gehörten dem Hausherrn, sie flogen aus wie Tauben und waren Wasservögel. Den Tag über lehrte Jesus hier, und am Abend feierten sie den Sabbat im Hause Simeons. Es waren etwa zwanzig Juden versammelt außer Jesus und den Jüngern. Die Synagoge war in einem unterirdischen Gewölbe, man ging Stufen hinab, sie war sehr ordentlich eingerichtet. Das Haus Simeons war sehr hoch. Es war ein Vorbeter da, welcher sang und las. Hernach lehrte Jesus. Die Jünger schliefen in demselben Haus mit Jesus.

Sie schliefen nur wenige Stunden und waren mit Tagesgrauen schon auf dem Weg durch Gebirgskrümmungen nach einem kleinen Judenstädtchen im Lande Chabul. Es wohnten auch dort vertriebene Juden, welche oft um Vereinigung gebeten hatten. Die Pharisäer wollten sie aber nicht aufnehmen. Sie hatten sich lange gesehnt. Jesus möchte zu ihnen kommen, hatten sich aber nicht für würdig gehalten und darum auch nicht nach Ihm geschickt. Er ging nun von selbst zu ihnen. Es war bei den vielen Windungen des Weges durchs Gebirge wohl an 5-6 Stunden.

In der Nähe des jüdischen Städtchens gingen ein paar Jünger voraus und zeigten bei dem Synagogenvorsteher die Ankunft Jesu an. Obschon es Sabbat war, machte Jesus dennoch diesen Weg, denn hier im Land beobachtete Er, wo es Not tat, dieses Gesetz nicht genau. Er ging zu den Vorstehern der Synagoge, die Ihn sehr demütig empfingen. Sie wuschen Ihm und den Jüngern die Füße und reichten ihnen einen Imbiss. Hierauf ließ Er sich zu allen Kranken herumführen und heilte wohl ungefähr zwanzig. Es waren darunter ganz krumme, lahme Menschen, blutflüssige Frauen, Blinde, Wassersüchtige, auch viele Kinder und Aussätzige.

Auf der Straße schrieen Ihm einige Besessene nach, welche Er befreite. Es ging übrigens sehr ordentlich und stille zu. Die Jünger halfen teils die Geheilten aufrichten, teils belehrten sie die Leute, welche nachfolgten und sich an den Türen versammelten. Jesus ermahnte die Kranken zum Glauben, ehe Er sie heilte, und zur Besserung des Lebens. Andere, die schon gläubig waren, heilte Er gleich. Er hob die Augen empor und betete über sie. Einzelne berührte Er oder fuhr auch mit der Hand über sie hin. Ich sah auch, dass Er Wasser segnete und selbst die Leute damit besprengte und von den Jüngern das Haus damit besprengen ließ. In einem der Häuser nahmen Er und die Jünger einen Bissen zu sich und einen Becher. Manche der Genesenen standen auf, warfen sich vor Ihm nieder, folgten ihm still freudig nach, wie man hier das Sakrament begleitet, aber immer in ehrerbietiger Ferne. Andern gebot Er zurückzubleiben.

Einigen befahl Jesus, sich im Wasser zu baden, das Er gesegnet. Dies waren Aussätzige und Kinder. Er ging an einen Brunnen bei der Synagoge und segnete ihn. Man ging Treppen hinab, denn er war tief liegend. Auch warf er Salz hinein, welches Er segnete. Er lehrte dabei von Elisäus, der das Wasser bei Jericho mit Salz geheiligt habe und sagte, was das Salz bedeute. Er befahl, die Leute sollten sich ferner aus diesem Brunnen waschen, wenn sie krank würden. Er segnete immer kreuzweise, die Jünger hielten Ihm dabei den Mantel, den Er manchmal ablegte, und reichten Ihm das Salz, das Er hineinwarf. Er tat dieses alles mit großem Ernst und großer Heiligkeit.

Ich erhielt dabei die innere Weisung, dass den Priestern dieselbe Gewalt des Heiles gegeben sei. Einige Kranke wurden auf den Betten zu Jesus getragen und Er heilte sie. Er hielt noch bei der Synagoge eine Lehre und nahm hier keine Mahlzeit ein. Den ganzen Tag hatte Jesus gelehrt und geheilt. Abends nach dem Sabbat aber verließ Er mit den Jüngern den Ort und befahl Abschied nehmend den betrübten Einwohnern, zurückzubleiben, was sie demütig taten. Er hatte ihnen das Wasser geweiht und gereinigt, weil sie schlechtes Wasser hatten. Es waren Schlangen und dickköpfige Tiere mit großen Schwänzen darin. Er kehrte mit den Jüngern ein paar Stunden von hier in einer im Gebirge liegenden, großen Herberge ein, wo sie aßen und schliefen. Diese Herberge hatten sie bei ihrem Herweg zur Seite liegen lassen.

Tags darauf kamen sehr viele Leute mit Kranken in dieser Gebirgsherberge zusammen, welche wussten, dass Jesus kommen werde. Es waren dies Leute, welche an beiden Seiten des Berges in Hütten und Erdhöhlen wohnten. An der Westseite gegen Tyrus wohnten Heiden, die auch gekommen waren, und an der Morgenseite wohnten arme Juden. Jesus lehrte von Reinigung, Abwaschung und Buße und heilte wohl an die dreißig Menschen.

Die Heiden waren abgesondert und Er lehrte sie erst, als die andern fort waren. Er sprach ihnen sehr tröstlich zu. Dies dauerte bis Nachmittag. Diese Leute haben kleine Gärten und Pflanzungen um ihre Höhlen und nähren sich teils von Schafmilch, woraus sie Käse kneten, den sie als Brot essen, teils sammeln sie die Früchte ihrer Gärten und auch wildwachsende und tragen sie zu Verkauf. Auch tragen viele davon gutes Wasser in Schläuchen nach dem Städtchen, wo Jesus gestern war, und an andere Orte. Es waren bei diesen Leuten viele Aussätzige. Jesus segnete Wasser und sie mussten sich darin waschen.

Gegen Abend kam Jesus nach Sichor Libnath zurück, wo Er noch lehrte und sagte, dass Er am andern Tag taufen werde. Es war im Hof des großen Hauses von Simeon ein rundes flaches Wasserbecken, das ringsum von einer Vertiefung umgeben war, in welche das überlaufende Wasser abfloss. Das Wasser war auch hier nicht gut und von üblem Geschmack, es war darum von Jesus gesegnet worden. Er warf auch Salz in Stücken wie Steine hinein, von dem in der Gegend ein ganzer Berg sich befand.

An diesem Becken, welches zuvor abgelassen und nochmals ausgefegt wurde, geschah die Taufe von ungefähr dreißig Personen. Der Hausherr, seine männlichen Hausgenossen, einige andere Juden des Ortes, auch mehrere Heiden, die neulich bei Jesus gewesen, und einige von den Sklaven aus den Hütten, mit denen Er mehrmals, wenn sie von der Arbeit kamen, gesprochen hatte, wurden getauft. Die Heiden mussten bis zuletzt warten und erst gewisse Abwaschungen gebrauchen. Jesus goss in das Taufbecken zuerst aus einem Fläschchen von dem Jordanwasser, das sie immer mit sich führten, und segnete das Wasser. Es ward auch Wasser in den Kreiskanal um das Becken gelassen, so dass die Täuflinge bis an die Knie drinnen standen.

Jesus lehrte sehr lange und bereitete sie vor. Die Täuflinge erschienen in langen grauen Mänteln mit Kapuzen über den Kopf, sie waren eine Art Betmäntel. Wenn sie in den Graben, der das Becken umgab, traten, legten sie den Mantel ab, hatten aber die Lenden verhüllt und um den Oberleib ein Rücken und Brust bedeckendes, an den Armen offenes Mäntelchen, wie ein Skapulier. Ein Jünger legte ihnen die Hand auf die Schulter und einer auf den Kopf. Der Taufende goss ihnen mehrmals Wasser mit einer flachen Schale aus dem Becken über den Kopf im Namen des Allerhöchsten. Zuerst taufte Andreas, dann Petrus und diesen löste Saturnin ab. Die Heiden wurden nachher getauft. Es dauerte dieses mit den Vorbereitungen bis gegen Abend.

Als die Leute hinweg waren, wandelten Jesus und die Jünger von einander getrennt aus dem Ort, vereinigten sich auf dem Weg wieder und zogen morgenwärts gegen Adama am See Merom. In schönem hohem Grase unter Bäumen hielten sie Nachtruhe.

4. Jesus in Adama. Wunderbare Bekehrung eines verstockten Juden

Obschon Adama sehr nahe schien, mussten Jesus und die Jünger doch noch einige Stunden an einem Wasser aufwärts gehen, um an die Überfuhr zu kommen, welche ohne Fährmann auf einem Balkenroste geschah, der für die Reisenden zu diesem Zweck am Ufer bereit lag. Um Mittag erreichten sie Adama, das auf allen Seiten mit Wasser umgeben war. An der Morgenseite der Stadt lag der See Merom, durch welchen mitten durch der Jordan floss, der in einem Bogen um die Stadt sich wendete, worüber fünf Brücken führten. Die steil abfallenden Ufer des tief liegenden Sees waren mit dichtem Röhricht und Strauchwerk bedeckt. Sein Wasser war trüb bis zur Mitte, wo der Jordan durchströmt. Um den See hielten sich viele reissende Tiere auf.

Indem Jesus mit den Jüngern dem vor der Stadt liegenden Badegarten nahte, traten Ihm mehrere vornehme Männer der Stadt, die hier auf Ihn gewartet hatten, entgegen und führten Ihn in die Stadt hinein nach dem auf freiem Platz liegenden, mit einem Vorhof und niederen Seiten- und Hintergebäuden umgebenen Schloss des Stadt-Obersten. Der Vorhof war mit verschiedenfarbigen glänzenden Platten eingefasst. Hier wurden Jesus und den Jüngern die Füße gewaschen und die Mäntel ausgeschüttelt und zurecht gestrichen. Auch wurden viele Früchte und Grün als Imbiss gereicht. Die Leute in Adama hatten den Gebrauch, alle Fremden welche zur Stadt kamen, zu diesem Schloss zu führen, dort auszufragen und wenn sie ihnen gefielen, gut zu bewirten in dem Glauben, dass ihnen diese Gastfreundschaft wieder zugute kommen werde. Fremde, die ihnen nicht gefielen, steckten sie auch wohl ins Gefängnis. Adama mit etwa zwanzig kleinen Ortschaften gehörte zu einer Landschaft, welcher ein Herodes zu befehlen hatte. Die Bewohner der Stadt waren samaritische Juden, welche infolge ihrer Absonderung noch mancherlei andere Verkehrtheiten angenommen hatten. Doch wurde keine Abgötterei hier getrieben, und auch die Heiden, die hier lebten, trieben ihren Götzendienst nur heimlich.

Jesus wurde darauf von den Männern, welche Ihn vor der Stadt empfangen hatten, in die drei Stockwerke hohe Synagoge geführt, wo sich ein großer Teil der Juden und im Hintergrund die Frauen versammelt hatten. Zuerst beteten und sangen sie zu Gott, dass sie alles zu seiner Ehre verstehen möchten, was Jesus vorbringen werde. Er lehrte hierauf von den Verheißungen, wie sie alle auf einander gefolgt seien und sich erfüllt hätten. Er lehrte auch von der Gnade, und wie dieselbe doch nicht verloren gehe, sondern einem anderen, der an Verdiensten der Nächste sei, gegeben werde, wenn jener, dem sie durch die Verdienste der Voreltern zuerst zukommen würde, nicht verdiene, sie zu empfangen. Er sagte ihnen auch von einer verdienstlichen Handlung ihrer Vorfahren in dieser Stadt vor so langen Zeiten, dass es ihnen fast unbekannt war, und dass ihnen dieses noch zu gut komme. Sie hatten einmal fremde vertriebene Leute aufgenommen.

Jesus und die Jünger wohnten in einer großen Herberge beim Tor, durch das sie in die Stadt hereingekommen waren.

In der Nähe des Badegartens vor der Stadt, doch mehr gegen Süden, war ein Lehrort. Rund um einen grünen Hügel, auf welchem der von einem Baum überschattete, schön aus Stein gehauene Lehrstuhl errichtet war, war ein großer Raum von einer fünffachen Reihe von Bäumen, welche dichten Schatten gaben, gegen die Sonne geschützt. Es war ein sehr angenehmer Ort und wurde Gnadenort genannt, weil die Leute glaubten, es sei ihnen einmal eine Gnade von daher gekommen. Von einem anderen Orte auf der Nordseite der Stadt war unter ihnen auch eine Sage im Umlauf, als wäre von daher ein großes Unglück über die Stadt gekommen.

Die Jünger gingen in einzelne Häuser der Stadtviertel, um die Leute an den Gnadenort einzuladen, wo Jesus eine große Lehre halten wollte. Am Abend vorher war ein Festmahl in der offenen Halle im Hof des Stadtobersten. Es waren gegen fünfzig Tischgenossen aus der Stadt an fünf Tischen versammelt. Jesus aß mit den Vornehmsten zusammen, an den anderen Tischen die Jünger unter die Gäste verteilt. Ich meine, Jesus und die Jünger hatten auch zum Mahl etwas beigetragen. Es standen ganze Bäumchen in Töpfen auf der Tafel. Jesus lehrte unter der Mahlzeit, ging auch von einem Tisch zum anderen und sprach mit den Gästen. Nach Tisch, da abgetragen und gedankt war, blieben die Bäumchen auf der Tafel stehen, und alle Anwesenden traten vor Jesus in einen Halbkreis. Er hielt eine Lehre und lud sie auf Morgen zu der großen Lehre ein, die Er am Gnadenorte halten wollte.

Am anderen Tage etwa gegen neun Uhr morgens begab sich Jesus mit den Jüngern zum Lehrplatz, wo mehr als hundert auserlesene Männer im Schatten der Bäume versammelt waren und im äußersten Kreis auch einige Frauen. Auf dem Wege dahin kamen Jesus und die Jünger an das Schloss des Stadtobersten, der gerade in seinem Prachtskleid und in Begleitung seiner Leute dahin ziehen wollte. Jesus aber befahl ihm, dieses nicht zu tun, sondern wie die anderen Männer im langen Mantel und Bußkleid zu erscheinen. Sie trugen wollfarbene Mäntel und Skapuliere, die auf der Brust gespalten, rückwärts ein ganzer Lappen und über der Schulter mit einem schmalen Riemen verbunden waren. Die Lappen waren schwarz und mit verschiedenfarbigen Buchstaben waren sieben Hauptsünden darauf verzeichnet. Die Frauen waren mit verhülltem Kopf. Da Jesus an den Lehrstuhl schritt, beugten sich die Leute ehrerbietig. Der Oberste und die Vohrnehmeren der Stadt standen dicht um den Lehrstuhl. Die Jünger hatten im äußeren Umkreis auch Leute um sich, darunter die Frauen, vor denen sie lehrten. Zuerst erhob Jesus seine Augen gegen den Himmel und betete laut zu dem Vater, von dem alles kommt, auf dass die Lehre reuige und offene Herzen gewinnen möge, und befahl den Leuten, Ihm nachzusprechen, welches sie taten. Seine Lehre währte ununterbrochen von neun Uhr morgens bis etwa vier Uhr nachmittags. Einmal war eine Pause, und sie brachten Ihm einen Becher zur Erquickung und einen Bissen. Die Zuhörer gingen ab und zu, je nachdem sie Geschäfte in der Stadt hatten. Jesus lehrte von der Buße und von der Taufe, von welcher Er hier umher überhaupt als von einer geistlichen Reinigung und Abwaschung sprach. Frauen wurden vor Pfingsten gar keine getauft, aber unter den Kindern wohl Mägdlein von fünf bis acht Jahren, doch keine erwachsenen. Ich weiß das Geheimnis hiervon nicht mehr. Auch von Moses, von den zerbrochenen Gesetzestafeln, von dem goldenen Kalb, von dem Donner und Blitz auf Sinai war die Lehre.

Als Jesus geendet hatte und die Lehre ganz fertig war, und bereits mehrere Leute, auch der Oberste, nach der Stadt zurückgegangen waren, trat ein alter, großer, wohlgebildeter Jude mit einem langen Bart ganz kühn zu Jesus an den Lehrstuhl und sagte: «Nun will ich auch mit Dir sprechen. Du hast 23 Wahrheiten vorgebracht. Es gibt deren aber 24». Und nun zählte er eine Reihe Wahrheiten hintereinander her und begann zu disputieren. Jesus aber sagte ihm: «Ich habe dich um deiner eigenen Bekehrung wegen hier geduldet, und hätte dich sonst vor allem Volke hinweg gewiesen, denn du bist ohne Einladung hierher gekommen. Du sagst, es gebe 24 Wahrheiten, und Ich hätte nur 23 gelehrt, du setzest mir aber schon 3 hinzu, denn es gibt nur 20, die Ich gelehrt.» Und nun zählte Jesus 20 Wahrheiten nach den Buchstaben des hebräischen Alphabets her, wornach jener auch hergezählt hatte, und lehrte hierauf über die Sünde und Strafe derjenigen, welche der Wahrheit etwas hinzusetzten. Der alte Jude wollte aber auf keine Art sein Unrecht erkennen, und es waren Leute da, die ihm beistimmten und ihn mit Schadenfreude anhörten. Jesus aber sagte zu ihm: «Du hast einen schönen Garten, bringe mir die gesundesten edelsten Früchte, sie sollen verderben zum Zeichen deines Unrechtes! Du hast einen geraden, gesunden Körper, du sollst verkrümmen, wenn du Unrecht hast, auf dass du sehest, wie das Edelste verdirbt und missgestaltet wird, wenn man der Wahrheit etwas hinzusetzt! Wenn du aber ein einziges Zeichen zu tun vermagst, sollen deine 24 Wahrheiten wahr sein.»

Da eilte der Jude mit seinen Gehilfen in seinen nicht entfernten Garten. Er hatte darin alles, was nur selten und kostbar war an Früchten, Gewürz und Blumen, auch in Gittern allerlei ausgesuchte seltene Tiere und Vögel und in der Mitte ein ziemliches Wasserbecken mit seltenen Fischen zu seiner Lust. Schnell sammelte er mit seinen Freunden die edelsten Früchte, gelbe Äpfel und jetzt schon Trauben in ein paar kleine Körbe, kleinere Früchte aber in einer wie von durcheinandergeflossenen bunten Glasfäden geschliffenen Schale. Außerdem nahm er auch in Gitterkörben verschiedene Vögel und seltene Tiere von der Größe eines Hasen und einer kleinen Katze mit sich.

Jesus hatte unterdessen noch von der Hartnäckigkeit gelehrt und von der Zerstörung, welche durch das Zusetzen zu der Wahrheit erfolge.

Als nun der alte Jude mit seinen Begleitern alle seine Raritäten in den Körben und Käfigen um den Lehrstuhl Jesus niedergesetzt hatte, gab es ein großes Aufsehen in der Versammlung. Da er aber stolzierend hartnäckig auf seiner früheren Behauptung blieb, erfüllten sich die Worte Jesus an allem, was er gebracht. Die Früchte begannen, sich innerlich zu bewegen. Es brachen von allen Seiten hässliche Würmer und Tiere aus ihnen hervor, welche sie zerfrassen, so dass bald von einem Apfel nichts mehr übrig blieb als ein Stückchen Schale, auf dem Kopf eines Wurmes hin und her wankend. Die mitgebrachten kleinen Tiere aber sanken in sich zusammen, ergossen Eiter, aus dem sich Würmer bildeten, welche die Tiere, die endlich wie rohes Fleisch wurden, benagten. All dies war so ekelhaft, dass die Versammlung, welche sich neugierig herangedrängt, entsetzt zu schreien und sich abzuwenden begann, um so mehr, da der Jude zu gleicher Zeit ganz gelb und bleich wurde und sich nach der einen Seite krumm zusammenzog.

Das Volk begann bei diesem Wunder ein ungeheures Geschrei und Getöse, und der alte Jude wehklagte, bekannte sein Unrecht und flehte zu Jesus um Erbarmen. Es war ein solcher Tumult, dass der Oberste aus der Stadt, welcher schon wieder zurückgegangen war, gerufen werden musste, um die Ruhe herzustellen, da der Jude sein Unrecht bekannte und eingestand, dass er zur Wahrheit etwas hinzugesetzt habe.

Auf die heftige Buße des Mannes und auf sein Flehen zu allen Anwesenden, sie sollten doch für ihn bitten, dass er wieder geheilt werde, segnete Jesus die Dinge, die er gebracht und ihn. Und alles kehrte alsbald wieder in seinen vorigen Zustand zurück: die Früchte, die Tiere und der Mann, welcher sich mit Tränen dankend vor Jesus niederwarf.

Dieser Mann hat sich so bekehrt, dass er einer der treuesten Anhänger Jesu wurde und noch viele andere zur Bekehrung brachte. Er teilte aus Buße einen großen Teil seiner schönen Gartenfrüchte an die Armen aus. Dieses Wunder machte einen großen Eindruck auf alle Zuhörer, welche um zu essen ab- und zugegangen waren. Solch ein Wunder war hier wohl nötig, denn diese Leute waren, wenn sie auch von ihren Irrtümern überzeugt wurden, doch sehr hartnäckig, wie dieses meistens bei Leuten gemischter Abkunft der Fall ist, denn sie stammten von Samaritanern, die in gemischte Ehen mit Heiden getreten und von Samaria vertrieben worden waren. Sie fasteten heute nicht wegen Zerstörung des Tempels zu Jerusalem, sondern wegen der Vertreibung aus Samaria. Sie gestanden zwar ein und klagten, dass sie in Irrtum gefallen, wollten aber doch nicht davon ablassen.

Sie hatten Jesus darum besonders gut aufgenommen, weil nach einer alten Offenbarung, die sie noch von den Heiden überkommen hatten, viele Zeichen eingetroffen waren, in deren Zeit ihnen Gnade von Gott widerfahren sollte. Jene Offenbarung war an dem Ort geschehen, den sie den Gnadenort nannten. Ich weiß nur noch, dass diese Heiden einmal in großer Bedrängnis an diesem Ort mit zum Himmel empor gestreckten Händen gebetet hatten und dass ihnen verkündet wurde: wenn sich neue Quellen in den See und eine neue Quelle sich in den Badebrunnen ergießen würden und wenn die Stadt sich nach dieser Seite bis zu dem Brunnen hinziehen würde, dann sollten sie Gnade erhalten. Nun waren aber in dieser Zeit schier alle diese Zeichen erfüllt. Es ergossen sich damals, ich meine fünf Wasser in den See, oder in diesen und den Jordan in der Nähe. Auch war ein Zeichen mit einem Arm des Jordan erfüllt und es war auch neues gutes Wasser in den Brunnen beim Gnadenorte geflossen.

An diesem Ort wird Jesus taufen, und es können sich alle diese Wasserprophezeiungen auf den Taufbrunnen beziehen. Sie hatten auch hier schlechtes Wasser. Die Stadt hatte sich auch nun ganz nach dieser Seite hingezogen. An der Nordseite lag sie tief und schwarz und voll Sumpfnebel und es wohnte da nur heidnisches Gesindel in kleinen Hütten. Nach der Südostseite aber waren viele neue Häuser, Gärten und neue Bauanlagen bis zum Gnadenort. Der Gnadenort war tief und es war eben umher. Durch eine Uferveränderung und einen entstandenen Berg hatte sich ein Arm vom Jordan westlich bis an diesen Garten gewendet, vereinte sich dann mit dem kleinen Fluss und kehrte mit diesem in sein Bett zurück. Es war dies eine ziemliche Strecke. Wenn das Jordanwasser hier flösse, war eines jener Zeichen.

Als Jesus am folgenden Tag wieder in der Synagoge lehrte, in deren Mitte ein prächtiger Gesetzesrollenschrank stand, da kamen die Juden barfuss in die Synagoge und durften sich an diesem Tag auch nicht waschen, darum hatten sie sich schon gestern nach der Lehre gewaschen und gebadet. Sie trugen heute in der Synagoge über den Kleidern des vorigen Tags noch einen langen schwarzen Mantel mit einer Kapuze. Er war an der Seite offen und mit Bändern gebunden. Am rechten Arm hatten sie zwei raue schwarze Manipel, am linken eine, hinten eine Schleppe. Sie beteten und sangen sehr flehentlich, steckten sich auf eine Weile in Säcke, die in der Mitte offen waren und legten sich so in den Gängen um die Synagoge auf das Angesicht nieder. Die Frauen taten dieses zu Hause.

Alles Feuer war gestern schon verdeckt gewesen. Erst am Abend sah ich eine Mahlzeit, aber bei unbedecktem Tisch in der Herberge Jesus, der mit seinen Jüngern allein aß. Die andern aßen in einer großen Halle im Hof. Es wurden kalte Speisen aus dem Haus des Stadtobersten hingebracht. Jesus lehrte über dem Essen. Es kamen abwechselnd viele Leute zu Tisch, auch alle Lahme und Krüppel. Es standen auch Schälchen mit Asche auf dem Tisch. Der alte bekehrte Jude gab viele seiner schönsten Früchte den Armen zum Besten.

Auch Tags darauf lehrte Jesus wieder in der Synagoge. Es war Sabbat. Nach der Lehre wandelte Er mit den Jüngern und etwa zehn Juden nach der nördlichen Seite vor die Stadt in die Berge. Die Gegend war dort hinaus rauer und wilder. Vor einem Haus verweilten sie unter Bäumen und nahmen etwas von dem, was man an Speise und Trank aus dem Haus brachte.

Jesus gab seinen Begleitern allerlei Verhaltensregeln. Denn Er sagte, Er gehe bald hier weg und komme nur noch einmal wieder. Unter anderem ermahnte Er sie, nicht so viele Bewegungen beim Gebet zu machen, was sie hier im Übermaß taten und vor allem nicht so streng gegen die Sünder und Heiden zu sein, sondern sich ihrer zu erbarmen. Hierbei erzählte Er die Parabel vom ungerechten Haushalter und legte sie ihnen wie ein Rätsel vor. Sie wunderten sich darüber, und Er sagte ihnen, warum die Handlung des Haushalters gelobt werde. Es schien mir, als verstehe Jesus unter dem ungerechten Haushalter die Synagoge, unter den andern Schuldnern die Sekten und Heiden. Die Synagoge solle den Sekten und Heiden die Schuld herabsetzen, da sie mit der Gewalt und den Gnaden ausgerüstet sei, d. i. unverdient und ungerecht den Reichtum besitze, um sich, wann etwa selbst verstoßen, in die Fürbitte der mild behandelten Schuldner flüchten zu können.

5. Die Parabel vom ungerechten Haushalter

Schon als Kind sah ich diese und die anderen Parabeln wie in lebenden Bildern vor meinen Augen vorübergehen und glaubte, einzelne Figuren aus ihnen hie und da im Leben wieder zu erkennen. So ging es mir auch mit diesem Haushalter, den ich immer als einen buckligen Rentmeister mit rötlichem Bart sehr flink und geschwind habe laufen sehen, und wie er die Unterpächter mit einem Rohr schreiben ließ. Ich sah den ungerechten Haushalter in der Wüste von Arabien, nicht weit von dem Ort, wo die Kinder Israel murrten, in einem Zeltschloss wohnen. Es hatte sein Herr, der weit weg wie über dem Libanon wohnte, ein Korn- und Ölfeld hier, das schon auf der Grenze des Gelobten Landes lag. An beiden Seiten des Feldes wohnten zwei Bauern, denen es verpachtet war. Der Haushalter war ein kleiner, buckliger Kerl, sehr fertig und listig, der dachte, der Herr komme noch nicht und schlemmte darauf los, und ließ alles drunter und drüber gehen. Auch die beiden Bauern verbrachten alles mit Zechen. Auf einmal sah ich den Herrn kommen. Ich sah fern über hohem Gebirge wie eine prächtige Stadt und Palast, und sah eine wunderschöne Straße von dem Palast gerade hierher, und sah den König von dort herabkommen mit einem großen Zug von Kamelen und kleinen niedrigen Wagen mit Eseln bespannt und seinem ganzen Hofstaat. Ich sah diese Ankunft so, wie ich etwa eine Straße aus dem himmlischen Jerusalem niederkommen sehe, und es war ein himmlischer König, der auf der Erde ein Weizen- und Ölgut hatte. Er kam aber doch auf Art der altväterischen Könige mit einem großen Zug. Ich sah ihn hoch oben herunterkommen, denn der Rentmeister, der kleine Kerl, war bei ihm verklagt, dass er alles verschleudere.

Die Schuldner des Herrn waren zwei Leute mit langen Röcken und vielen Knöpfen bis herunter. Der Rentmeister hatte ein Mützchen auf. Das Schloss des Rentmeisters lag etwas mehr gegen die Wüste, das Weizen- und Ölfeld, an dessen beiden Seiten die Bauern wohnten, lag mehr gegen das Land Kanaan. Sie lagen im Dreieck zueinander. Über dem Kornfeld kam der Herr nieder. Die beiden Schuldner verprassten die Einkünfte mit dem Rentmeister und hatten wieder arme Untertanen, die alles herschaffen mussten. Es war, als seien sie zwei üble Pfarrer und der Rentmeister wie ein nicht guter Bischof, aber er war mir doch auch wie ein Weltlicher, der alles anzuordnen hat. Der Rentmeister merkte oder sah die Ankunft des Herrn aus der Ferne und war in der größten Angst und bereitete ein großes Gastmahl und war sehr schwänzelnd und emsig. Als der Herr angelangt war, sprach er zum Rentmeister: «Ei, was muss ich von dir hören, dass du meine Güter verschwendest. Stelle Rechnung, du kannst nicht mehr Haushalter sein!» Da sah ich den Haushalter schnell die beiden Bauern berufen. Sie hatten Rollen, die sie aufrollten. Er fragte sie, was sie schuldig seien, denn das wusste er nicht einmal, und sie zeigten es. Er aber hatte ein krummes Rohr, da ließ er sie ganz geschwind weniger hinschreiben und dachte, wenn ich vertrieben werde, krieche ich bei ihnen unter und habe zu leben, denn ich kann nicht arbeiten.

Ich sah nun, dass die Bauern ihre Untergebenen zu dem Herrn schickten mit Kamelen und Eseln, und sie hatten Korn in Säcke und Oliven in Körbe geladen. Diejenigen, welche die Oliven brachten, brachten auch Geld. Das waren kleine Stäbchen von Metall in Bündeln, größer und kleiner, nach den Summen mit Ringen zusammengefügt. Der Herr sah aber an den Bündeln, die er voriges Mal empfangen, dass dies viel zu wenig sei und sah aus der falsch gestellten Rechnung die Absicht des Rentmeisters, und er lächelte gegen seine Hofherren und sprach: «Sieh, der Mann ist listig und klug, er will sich Freunde machen bei seinen Untergebenen. Die Kinder der Welt sind klüger in ihrem Treiben, als die Kinder des Lichtes, die selten im Guten so tun wie er im Bösen, dann würden sie belohnt wie dieser bestraft.» Ich sah aber, dass der bucklige Schelm abgesetzt und weiter zurück in die Wüste geschickt wurde. Es war dort Orgrund (gelber, harter, unfruchtbarer Eisensand, Ocker) und Ellernholz, und er war ganz bestürzt und betrübt. Ich sah aber doch, dass er endlich zu hacken und bauen begann. Die zwei Bauern sah ich auch vertreiben und ihnen etwas bessere Flecken im Sand anweisen. Die armen Unterbauern aber kriegten nun das Feld zu besorgen, denn ihnen war alles abgedrungen worden.

6. Jesus und die Jünger laden zur Taufe und zur Lehre bei Seleucia ein

Jesus und die Jünger verteilten sich durch die ganze Stadt Adama. Jesus hielt sich mehr in der Mitte der Stadt. Die Jünger aber gingen in die entfernteren Teile bis in die Häuser der Heiden und beriefen schier Haus für Haus die Leute, welche schon vorbereitet waren, zur Taufe auf den kommenden Tag und zu der Lehre, welche Jesus übermorgen jenseits des Sees auf einem grünen umzäunten Platz bei Seleucia halten werde. Sie lehrten bei dieser Einladung. Es währte dies bis zur Dämmerung, bei welcher die Jünger aus der Stadt an die Abendseite des Sees auf die Schiffe der Fischer sich begaben, welche bei Fackelschein an der breiteren Seite des Sees unterhalb des Jordaneinflusses fischten. Der Schein der Fackeln lockte die Fische heran, die sie mit Stacheln und Angeln fingen. Die Jünger halfen auf den Schiffen und lehrten die Fischer. Sie sagten ihnen auch, sie sollten ihre Fische hinüber auf den grünen Platz bei Seleucia bringen, wo die Lehre gehalten werden solle und sie gut belohnt würden. Dieser Platz war eine Art Tiergarten mit Wall und Zaun umgeben. Sie pflegten die wilden Tiere da einzusperren, die sie lebendig fingen. Es waren allerlei Gräben für sie dort. Der Platz gehörte zu Adama und war etwa anderthalb Stunden von Seleucia.

Da es Morgen wurde, kam Jesus zu den Jüngern und sie gingen mit Ihm auf einem Umweg, wo noch mehrere Hütten standen, nach der Stadt zurück. Und in diesen Hütten wurde getan, wie in den andern Häusern. In der Stadt ging Jesus mit den Jüngern in das Haus des Obersten auf dem freien Platz und nahm mit ihnen eine Erquickung ein. Es waren kleine Brote, deren immer zwei und zwei aneinander hingen. Es standen auch kleine Fische mit aufgereckten Köpfen auf einer großen, wie buntes, vielfarbiges Glas schimmernden schifförmigen Schale auf dem Tisch, und Jesus legte jedem Jünger einen solchen ganzen Fisch auf das Brötchen. Der Tisch hatte rings ausgehöhlte Löcher wie Teller, wohin die Portionen gelegt wurden.

Nach dieser Mahlzeit hielt Jesus eine Lehre in der gegen den Hof offenen Halle vor dem Obersten und seinem Hausgesinde, welches getauft werden sollte, und darnach begab Er sich an den Lehrplatz vor die Stadt, wo Ihn bereits viele Menschen erwarteten, und bereitete auch hier zu der Taufe vor. Die Leute gingen und kamen abwechselnd truppenweise, und von hier zogen sie in die Synagoge, beteten, streuten sich Asche aufs Haupt und büßten. Dann gingen sie nach dem Badegarten bei dem Gnadenort, wo sie sich paarweise in einer Badegrube von Vorhängen getrennt reinigten.

Als die Letzten den Lehrplatz verlassen hatten, begab sich Jesus mit den Jüngern auch dahin. Der Taufteich war jener Teich, in welchen das Wasser aus einem Arm des Jordan floss. Auch hier war das Becken mit einem so breiten Graben umgeben, dass darin Zwei einander vorübergehen konnten. In diesen Graben gingen fünf schließbare Ableitungsrinnen des mittleren Beckens und neben denselben führten fünf Zugänge hinüber. In der Mitte des Beckens war ein Pfahl, der durch einen bis zu dem Ufer reichenden Arm das Becken öffnete und schloss.

Dieser fünfrinnige Wasserbehälter war nicht besonders so zur Taufe eingerichtet worden. Es war dieses eine häufige Form in Palästina, deren Beziehung auf die fünf Zugänge des Teiches Bethesda, auf den Brunnen Johannes in der Wüste, auf den Taufbrunnen Jesus auf die heiligen fünf Wunden, oder irgend ein religiöses Geheimnis begründen mag.

Jesus lehrte hier noch immer näher auf die Taufe vorbereitend. Die Täuflinge waren abermals in langen Mänteln, die sie ablegten und dann mit der Lendenbedeckung und dem Brustmäntelchen in den umgebenden Graben stiegen, in welchen Wasser aus dem Mittelbecken gelassen war. Auf den Übergängen standen die Täufer und die Paten. Das Wasser wurde dreimal auf das Haupt mit einer Schöpfkelle gegossen im Namen Jehovas und seines Gesandten. Es tauften immer vier Jünger zugleich, und zwei legten die Hände auf. Dieses und die Vorbereitungen Jesu währten bis zum Abend. Viele wurden auch noch zurückgesetzt und abgewiesen.

Mit Tagesanbruch schifften die Jünger nach Seleucia und dem grünen Platz über. In einiger Entfernung von Adama war der See, der die Gestalt einer Violine hatte, schmäler und etwa nur eine kleine Viertelstunde breit. Seleucia, von mittlerer Größe, war eine Festung, mit einer Vormauer, dann einem Wall und wieder einer Mauer. Sie war besonders an der Nordseite ganz unzugänglich steil und ganz von heidnischen Soldaten bewohnt. Die Frauen wohnten in einem abgesonderten Teil der Stadt in langen Häusern und in einzelnen Kammern. Die wenigen Juden, die hier wohnten, waren sehr zurückgesetzt und lebten in elenden Mauerlöchern. Sie hatten auch schwere niedrige Arbeit in Gräben und Sumpf zu verrichten.

Eine Synagoge sah ich hier nicht, wohl aber einen runden Tempel. Er stand auf einem Säulenkreis, woran große tragende Figuren. In der Mitte stand eine sehr dicke Säule, in welcher die Treppen hinauf in den Tempel führten. Es waren darunter in der Erde Kellergewölbe, worin sie ihre Toten-Aschenkrüge stellten. Es war auch eine schwarze Stelle in der Nähe, wo sie die Leichen verbrannten. In dem Tempel standen Schlangengestalten mit Menschengesichtern, Menschenfiguren mit Hundsköpfen, auch eine Figur mit dem Mond und einem Fisch.

Es war hier umher wenig Fruchtbarkeit. Aber die Leute waren sehr arbeitsam, sie machten allerlei Strickwerk für Pferderüstung, auch waren viele Waffenschmiede da. Es war alles Soldatenwerksbereitung.

Die Jünger gingen in Seleucia umher und luden die Leute zu der Lehre und einer Mahlzeit zum grünen Platz ein. Indes tat Jesus dasselbe in den heidnischen Wohnungen zu Adama. Hierauf begaben sich die Jünger auf den grünen Platz des Tiergartens, der mit schönen Rasen und Blumen und Sträuchern bewachsen war, und rüsteten mit den Fischern, welche ihre Fische hier in einer Zisterne bewahrt hatten, die Mahlzeit zu. Die Tische waren breite Balken, welche aus dem See hinaufgeschleift wurden, etwa zwei Fuß breit. Hinter dem Garten waren Feuerherde, wo die Fische gebraten wurden. Es schienen hier öfters Mahlzeiten zu sein, denn es befanden sich eine Art flache Steinschalen, wie von der Natur gebildet, dort in Erdkellern, auf welchen die Gerichte aufgetragen wurden. Es waren Brote, Fische, Grünes und auch Früchte da.

Als dieses alles zubereitet war und gegen hundert heidnische Männer versammelt waren, kam auch Jesus über den See. Es folgten Ihm etwa zwölf Juden und der Oberste und auch mehrere Heiden von Adama. Jesus lehrte auf einem Hügel. Der Oberste und die anderen Juden hatten Anteil an der Besorgung des Mahles und dienten mit den Jüngern zu Tisch. Jesus lehrte, wie der Mensch aus Leib und Geist bestehe, und von der Nahrung des Leibes und des Geistes. Es stehe ihnen nun frei, seine Lehre zu hören, oder zu essen. Er tat dies, um sie zu prüfen. Und es gingen auch einige gleich zu Tisch und dann mehrere, so dass nur etwa der dritte Teil zuhörend blieb. Jesus lehrte aber auch vom Beruf der Heiden, und erzählte von den drei Königen, welche ihnen nicht unbekannt waren.

Als die Lehre und die Mahlzeit zu Ende war, zog Jesus gegen Abend mit den Jüngern und Juden nach Seleucia, welches wohl anderthalb Stunden südlich und nicht dicht am See lag. Die Leute waren schon dahin zurück. Hier wurde Er von den Vornehmsten vor der Stadt empfangen und mit einem Trunk und Bissen erquickt und auch die Jünger und Juden. Dann wurden sie in die Stadt eingeführt und Jesus begrüßte und lehrte die heidnischen Frauen nicht weit vom Tor auf einem Platz, wo sie sich versammelt hatten, Ihn zu sehen. Sie gehen wie die Jüdinnen gekleidet, doch nicht so ehrbar verschleiert, und sind, wie überhaupt die Menschen dieser Gegend nicht groß, aber stark und stämmig.

Jesus zog nun in ein großes Herbergshaus, wo sie Ihm ein Ehrenmahl bereitet hatten. Es wurde in dieser Gegend viel traktiert. Jesus, die Jünger und Juden aßen an einem Tisch allein. Die Juden wollten anfangs nicht hier essen. Jesus aber lehrte: was zum Mund eingehe, verunreinige den Menschen nicht und wenn sie nicht mitessen wollten, folgten sie nicht seiner Lehre. Er lehrte unermüdet während des ganzen Tisches.

Die Heiden hatten höhere Tische, als die Juden und auch einzelne Tischchen, und saßen auf Kissen mit unterschlagenen Beinen, wie die Leute im Dreikönigsland. Die Speisen waren Fische, Grünes, Honig, Früchte, auch braungebratenes Fleisch.

Jesus rührte sie so durch seine Lehre, dass sie sehr betrübt waren, als Er wieder von ihnen schied. Sie baten Ihn sehr zu bleiben, und Er ließ ihnen Andreas und Nathanael zurück. Die Heiden waren sehr auf neue Dinge begierig. Es war schon Dämmerung, als Er sie verließ.

Die Frauenwohnungen waren mit der Hinterseite in die Festungsmauer oder den Wall gebaut, nach vorne sahen sie nach einer breiten Straße. Es waren sehr schöne Häuser darunter, von Zeit zu Zeit durch Gärten und Hofplätze getrennt, wo sie wirtschafteten und wuschen. Jesus sprach mit ihnen an einem Versammlungsort.

Jesus hat in Seleucia auch von der Taufe, als einer Abwaschung gesprochen, und da sie Ihn noch länger besitzen wollten, sagte Er, dass sie bis jetzt nicht mehr zu fassen vermöchten.

Von Seleucia kehrte Jesus wieder nach Adama zurück. Hier war ein Dankfest der Neugetauften in der Synagoge, wo sie vor den andern standen und Lobgesänge sangen, und Jesus lehrte. Es wurden noch mehrere getauft, als Andreas und Nathanael von Seleucia zurückkamen. Der bekehrte Jude macht in allem einen Diener und Boten, ist ganz demütig und hilfreich.

Eine große Zahl Kranker hatte in Adama nicht zu den Lehren Jesu und zur Taufe kommen können. Darum ging Jesus mit Saturnin und dem verwandten Jünger sie in ihren Wohnungen aufzusuchen. Die anderen Jünger aber wanderten zu den zwei bis drei Stunden nördlich von Adama gelegenen Städten Azot, Kades, Berotha und Thisbe, um die Einwohner zu einer Lehre einzuladen, welche Jesus auf einem in der Richtung von Kades nach Berotha liegenden sanft aufsteigenden Berg halten wollte. Auf der Höhe dieses Berges, der grün und bewachsen war, befand sich ein alter Lehrstuhl in einem Raum, der mit einem Wall umgeben war. Die Jünger gingen teils zu den Vorstehern der Orte und forderten sie auf, das Volk zu der Lehre einzuladen, welche der Prophet aus Galiläa auf dem Berg den Tag nach dem Sabbat halten werde. Teils gingen sie selbst in einzelne Häuser und luden die Leute ein.

Indessen war Jesus in Adama bei vornehmen und armen Juden und Heiden, und heilte Wassersüchtige, Lahme, Blinde und Blutflüssige. Es fielen mir besonders zehn Besessene auf, Männer und Frauen, lauter Juden. Unter den Heiden sah ich nie so viele Besessene. Es waren Vornehme darunter, die in vergitterten Kammern der Häuser und in den Vorhöfen eingeschlossen waren. Wenn Jesus den Häusern sich nahte, fingen sie schrecklich an zu schreien und zu wüten. Wenn Er aber sich ihnen selber nahte, wurden sie still und sahen Ihn starr und verwirrt an. Ich sah, dass Er durch seinen Anblick allein den Teufel von ihnen trieb, der sichtbar von ihnen wich, zuerst wie ein Dampf, der dann einen menschlichen scheußlichen Schatten bildete und entfloh. Die Leute erstaunten und entsetzten sich darüber. Die Befreiten erbleichten und sanken in Ohnmacht zusammen. Jesus redete sie an, ergriff sie bei der Hand und befahl ihnen aufzustehen. Da kamen sie wie aus einem Traum, sanken auf die Knie, dankten und waren ganz andere Menschen. Da ermahnte sie Jesus und nannte die Fehler, von welchen sie sich bessern sollten.

Als die Jünger nach Adama zurückkamen, nahmen sie mit Jesus bei dem Obersten eine Mahlzeit. Sie hatten an jenen Orten auch Fische und Brot gekauft und auf den Lehrberg bestellt, um die Zuhörer zu speisen. Jesus erhielt von manchen Leuten und Orten Geschenke. Ich sah auch kleine Goldstängelchen, wie gewachsen. Diese Gaben wurden zu solchen Speisungen verwendet. Jesus hatte nichts mehr gegessen seit der Mahlzeit zu Seleucia.

Am Sabbat lehrte Er in der Synagoge von Adama. Es war hier in Adama übrigens auch eine Partei gegen Jesus, welche zwei Pharisäer an Johannes Lehrort gesandt, zu hören, was dieser von Ihm vorbringe, und auch nach Bethabara und Kapharnaum, wo sie bei ihresgleichen anzeigten, dass Er sich nun bei ihnen herumtreibe, taufe und Jünger mache. Als diese Leute wieder zurückkehrten, verleumdeten sie Jesus, murrten gegen Ihn, aber sie hatten nur eine kleine Partei.

Einmal fragten die Obern zu Adama Jesus, was Er denn von den Essenern halte? Sie wollten Ihn in Versuchung führen, weil sie eine Ähnlichkeit in seiner Gesinnung verspürt haben wollten, und weil Jakob Minor, der sein Verwandter und mit Ihm war, zu ihnen gehörte. Sie machten ihnen allerlei Beschuldigungen der Absonderung und besonders der Ehelosigkeit. Jesus antwortete ihnen sehr allgemein: man könne diesen Leuten nichts vorwerfen. Wenn sie den Beruf dazu hätten, seien sie sehr löblich. Jedoch habe jeder einen andern Beruf, und wenn ein Krummer gerad gehen wolle, werde es ihm nicht gelingen und anstehen. Als sie Ihm einwarfen, dass so wenig Familien durch dieselben entstünden, zählte ihnen Jesus sehr viele Familien von Essenern her, und sprach ihnen von deren wohlgeratenen Kindern. Er sprach von gutem und bösem Ehestand. Er nahm weder die Essener in Schutz, noch verwarf Er sie, und die Leute verstanden Ihn nicht. Sie hatten aber darauf gezielt, dass Jesus Familienglieder unter denselben und Umgang mit ihnen hatte.

7. Jesus auf dem Lehrberg bei Berotha

In der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag zog Jesus vor Tag von Adama, wo Er nach dem Sabbat Abschied genommen, doch ohne zu sagen, dass Er nicht wieder komme, mit seinen Jüngern und mehreren Juden nach dem Berg zur Lehre. Er ging bei dem Tor von Adama hinaus, durch das Er über eine Brücke hereingekommen war. Wenn sie zum andern Tor hinausgegangen wären, hätten sie nachher über den Fluss überfahren müssen, der von Azor nach Kades und bei Adama vorüber in den Jordan läuft. Sie ließen Kades zur Rechten und gingen gegen Westen an sanft aufsteigenden Bergterrassen. Diese Gegend hatte hohe Bergrücken, die große Flächen bildeten, und es waren nicht so viele Schluchten und verwirrte zerrissene Berge, wie im mittäglichen Palästina. Thisbe lag ihnen zur Linken, es lag sehr hoch. Es wohnte Tobias einmal da, er hatte seiner Frau Schwager oder Bruder dort verheiratet und war auch in der Wasserstadt Amichores gewesen und hätte dort zurückbleiben können. Aber er zog lieber mit in die Gefangenschaft, um seinem Volk zu nützen. Elias war auch in Thisbe, und Jesus reiste schon einmal durch.

Die Volksmenge war bereits auf dem Berg versammelt. Schon am Abend vorher waren Leute nach dem Sabbat heraufgezogen und hatten den Platz in Ordnung gebracht. Es war ein umwallter Raum oben und ein Lehrstuhl darin. Die Leute, welche an beiden Seiten des Berges in Reihen von Häusern wohnten, beschäftigten sich auch mit Zeltbereitung und hatten solche schon mit Stangen und Stricken fertig. Sie hatten sie heraufgebracht und den Lehrstuhl und andere Plätze überspannt. Diese Stelle war merkwürdig. Denn Josua hat hier ein Dankfest gehalten, als er die Kanaaniter besiegte. Es war auch Wasser in Schläuchen und Brot und Fische in Körben heraufgebracht. Diese Körbe waren wie bei uns die Bienenkörbe, man konnte oben noch einen darauf setzen, und es waren Fächer darin, dass man verschiedenes hineinlegen konnte.

Als Jesus auf der Höhe des Berges unter dem Volk ankam, jauchzte es Ihm entgegen: «Du bist der wahre Prophet! der Helfer!» usw. und wo Er durch die Menge ging, beugten sie sich vor Ihm. Es mochte wohl schon neun Uhr sein, als Er oben ankam, denn es war von Adama wohl sechs bis sieben Stunden hier herauf.

Es waren auch viele Besessene herauf geführt worden, welche tobten und schrieen. Jesus aber sah sie an und befahl ihnen zu schweigen. Und sie wurden ruhig und genasen von seinem Blick und Befehl.

Als Jesus auf die RednersteIle gekommen und das Volk durch die Jünger geordnet und ruhig war, betete Er erst zu dem himmlischen Vater, von dem alles kommt und das Volk betete auch. Hierauf begann Er seine Lehre. Er sprach aber von diesem Ort und was hier geschehen, von den Kindern von Israel, wie Josua damals hier erschienen und diese Länder von den Kanaaniten und dem Heidentum befreit und wie Azor zerstört worden sei, und erklärte dieses sinnbildlich: so komme jetzt die Wahrheit und das Licht abermals zu ihnen mit Gnade und Sanftmut, sie von der Macht der Sünde zu befreien, sie sollten nicht widerstehen wie die Kanaaniter, damit die Strafe Gottes nicht über sie komme, wie über Azor. Er erzählte auch eine Parabel, die Er später wieder brauchte, sie steht im Evangelienbuch, ich meine, es war von Weizen und Ackerbau. Er lehrte auch von Buße und der Ankunft des Reiches und sprach hier deutlicher von Sich und dem himmlischen Vater, als Er noch hier im Lande getan.

Hier kamen auch die Söhne der Johanna Chusa und der Veronika zu Ihm, die Lazarus abgesandt hatte, Ihn wegen der zwei Kundschafter zu warnen, welche die Pharisäer von Jerusalem nach Adama geschickt hatten. Die Jünger brachten sie in einer Pause zu Ihm, und Er sagte zu ihnen, sie möchten sich gar nicht so um Ihn ängstigen. Seinen Beruf werde Er erfüllen, Er danke für ihre Liebe usw. Die Abgesandten der Pharisäer waren mit den unzufriedenen Juden aus Adama auch hier oben. Jesus sprach nicht mit ihnen, lehrte aber laut, wie man auf Ihn lauere und Ihn verfolge. Doch werde es ihnen nicht gelingen, zu verhindern, was der Vater im Himmel Ihm aufgetragen habe. Er werde bald wieder unter ihnen erscheinen und die Wahrheit und das Reich verkünden.

Es waren auch viele Frauen mit ihren Kindern da und verlangten seinen Segen. Die Jünger waren aber besorgt und meinten, Er solle es nicht tun wegen der Lauerer, die zugegen waren. Doch Jesus verwies ihnen diese Angst und sagte, dass Er die Gesinnung der Frauen als gut sehe, und dass die Kinder gut werden würden, und Er ging durch die Reihen durch und segnete sie.

Es dauerte die Lehre bis gegen Abend von zehn Uhr Morgens, und dann wurde das Volk zur Speisung gelagert. Es waren an einer Seite des Berges Feuer mit Rosten, worauf die Fische geröstet wurden. Es war eine schöne Ordnung, die Einwohner jeder einzelnen Stadt lagen zusammen, und wieder die Leute der einzelnen Straßen und dann wieder die Familien und Nachbarn. Eine jede Straße hatte ihren Mann, der die Speise holte und verteilte. Die einzelnen Speisenden, oder einer von einer Anzahl, die zusammen aß, hatten ein zusammengerolltes Leder anhängen, welches aufgerollt zum Teller diente, auch hatten sie Speiseinstrumente, beinerne Messer und Löffel, am Stiel mit einem Gewerb verbunden bei sich. Teils hatten sie Flaschenkürbisse anhängen, teils gewickelte Becher von Bast, worin sie das Getränk aus den Schläuchen empfingen. Manche konnten sich solche Becher sehr schnell an Ort und Stelle oder unterwegs bereiten. Die Vorsteher empfingen die Speisen von den Jüngern und verteilten immer eine Portion unter vier oder fünf Zusammensitzenden, denen sie etwas Fisch und Brot auf das zwischen ihnen liegende Leder legten. Jesus segnete die Speisen, ehe sie ausgeteilt wurden, und es fand auch hier eine Vermehrung der Speise statt, denn sie reichte sonst bei weitem nicht hin für die paar tausend Menschen, welche zugegen waren. Jede Gruppe erhielt nur eine kleine Portion. Als sie aber gegessen hatten, waren sie alle satt und es blieb noch vieles übrig, das von den Armen in Körbe gesammelt und mitgenommen wurde.

Es waren einige römische durchziehende Soldaten unter den Zuhörern und zwar solche, die den Lentulus in Rom kannten oder denen er zu befehlen hatte. Denn er hatte auch Soldaten unter sich. Vielleicht waren sie auch von ihm beauftragt, sich um Jesus zu erkundigen. Denn sie kamen zu den Jüngern und baten um einige von Jesus gesegnete Brötchen, um sie dem Lentulus zukommen zu lassen. Sie erhielten solche Brötchen und steckten sie in Beutel, die sie über die Schulter hängen hatten.

Als die Mahlzeit zu Ende ging, war es schon dunkel und man brachte Fackeln. Jesus segnete das Volk und verließ mit den Jüngern den Berg. Er trennte sich aber von ihnen. Sie gingen einen nähern Weg nach Bethsaida und Kapharnaum zurück. Er selbst ging mit Saturnin und dem verwandten Jünger südwestlich nach einer Stadt zur Seite von Berotha, welche Zedad heißt, und übernachtete in einer Herberge vor der Stadt.

8. Jesus zieht über Gatepher nach Kapharnaum

Ich sah Jesus in der Nacht vom Montag auf den Dienstag im Gebirge mit Saturnin und dem andern Jünger wandeln. Weil Er nun einsam ging und betete, und sie ihn darüber fragten, lehrte Er sie vom einsamen Gebet und vom Gebet überhaupt. Er sprach ein Beispiel von Schlangen und Skorpionen: wenn ein Kind um einen Fisch bittet, wird ihm der Vater keinen Skorpion geben usw. Ich sah ihn an diesem Tag noch in verschiedenen kleinen Orten bei Hirten heilen und ermahnen und auch in der Stadt Gatepher, wo Jonas geboren ist, und wo Verwandte von Jesus wohnten. Er heilte auch hier und ging dann gegen Abend bis nach Kapharnaum.

Wie unermüdet war Jesus und wie scharf strengte Er auch die Jünger und Apostel an! Sie waren Anfangs manchmal erstaunlich müde. Welch ein Unterschied zwischen heutzutage! Die Jünger hatten, da sie auf der Landstraße zogen, den Leuten nach- und entgegenzugehen, sie zu belehren oder zu einer Lehre zu Jesus zu berufen.

Im Hause Mariä bei Kapharnaum waren Lazarus, Obed, die Neffen Josephs von Arimathäa, der Bräutigam von Kana und einige andere Jünger angekommen. Auch waren wohl sieben Frauen von Verwandten und Freunden bei Maria, Jesus zu erwarten. Man ging aus und ein und schaute ihm auf der Straße entgegen. Es kamen auch die Jünger Johannes und brachten die Nachricht seiner Gefangennahme, worüber große Betrübnis entstand. Diese Jünger gingen dann Jesus entgegen, trafen ihn nicht weit von Kapharnaum und brachten ihm die Botschaft. Er beruhigte sie und kam zu seiner Mutter allein. Er hatte seine Jünger vorausgesandt. Lazarus kam ihm entgegen und wusch ihm in der Vorhalle des Hauses die Füße.

Als Jesus in die Stube trat, verbeugten sich die Männer tief. Er grüßte sie, ging zu seiner Mutter und reichte ihr die Hände. Auch sie neigte sich mit großer Liebe und demütig. Es war hier kein sich in die Arme Stürzen. Es war alles voll zärtlicher, unbefangener Überwindung, die allen einen Ausdruck von Güte und innerer Herzensfülle gab. Nun ging Jesus auch zu den andern Frauen, welche sich verschleiert vor ihm niederknieten. Er segnete bei solchem Kommen und Gehen alle.

Ich sah nun ein Mahl bereiten, die Männer lagen um den Tisch. Am andern Ende der Tafel saßen die Frauen mit unterschlagenen Füßen. Man sprach von Johannes Gefangennahm mit Unwillen. Jesus verwies ihnen das, Er sagte, sie sollten nicht urteilen und zürnen, all dies müsse so sein. Wäre Johannes nicht hinweggenommen, so könnte Er nicht sein Werk beginnen und jetzt nach Bethanien gehen. Er erzählte auch von den Leuten, bei denen Er gewesen war. Von der Ankunft Jesu wusste niemand, als die Anwesenden und die vertrauten Jünger. Jesus schlief, wo die andern anwesenden Fremden schliefen, in einem Seitenanbau. Er bestellte die Jünger nach dem nächsten Sabbat in die Nähe von Bethoron auf ein einzelnes hochgelegenes Haus.

Ich sah ihn auch mit Maria allein sprechen. Sie weinte, dass Er gegen Jerusalem sich in Gefahr begebe. Er tröstete sie und sagte, sie möge nicht sorgen, Er werde seine Aufgabe vollbringen, die traurigen Tage seien noch nicht da. Er sagte auch, wie sie sich im Gebet verhalten sollte, und allen andern sagte Er, sie möchten sich allen Urteils und Gesprächs über Johannes Gefangennahme und die Handlungen der Pharisäer gegen Ihn enthalten. Sie könnten dadurch nur die Gefahr vermehren. Die Handlungsweise der Pharisäer läge auch in der göttlichen Vorsicht. Sie handelten zu ihrem eigenen Untergang.

Es war auch die Rede von Magdalena, und Er sagte abermals: sie sollten für sie beten und ihrer mit Liebe gedenken: sie werde schon kommen und wohl so gut werden, dass sie vielen ein Beispiel werde.

Darauf wandelte Jesus frühmorgens mit Lazarus und etwa fünf jerusalemischen Jüngern gegen Bethanien. Es wurde der Anfang des Neumonds gefeiert, und ich sah an den Synagogen in Kapharnaum und anderen Orten wieder lange geknüpfte Tücher heraushängen und Fruchtschnüre an den bedeutenderen Häusern.

9. Johannes der Täufer wird von Herodes gefangengenommen und in Machärus eingekerkert

Herodes hatte den Täufer schon einmal vom Taufplatz entführt und einige Wochen lang als Gefangenen bei sich zurückgehalten in der Meinung, ihn umzustimmen oder einzuschüchtern. Er hatte ihn aber aus Scheu vor der großen Volksmenge, welche herzugeströmt war, um Johannes zu hören, wieder entlassen. Johannes hatte sich darauf an seinen früheren Taufplatz bei Ainon gegenüber von Salem begeben, anderthalb Stunden östlich vom Jordan und zwei Stunden südlich von Succoth, wo sein Taufbrunnen in der Nähe eines etwa eine Viertelstunde großen Sees sich befand, aus dem zwei Bäche, einen Hügel umfließend, hinab in den Jordan sich ergießen. An diesem Hügel befand sich der Rest eines alten, noch bewohnbaren Schlosses mit Türmen, und es zogen sich Alleen und Gärten mit anderen Wohnungen darumher. Zwischen dem See und dem Hügel lag der Taufbrunnen des Johannes: inmitten des geräumigen, kesselförmig vertieften Gipfels des Hügels aber hatten seine Jünger über einer treppenförmig aufgemauerten Erhöhung eine Bedeckung mit Zeltwerk errichtet, wo Johannes lehrte. Diese Gegend gehörte dem Philippus: sie lag aber wie eine Spitze in das Land des Herodes hinein, welcher sich deshalb noch etwas scheute, sein Vorhaben an Johannes auszuführen.

Es war wieder ein ungemein großer Zulauf von Menschen zu Johannes, ihn zu hören: ganze Züge von Arabien mit Kamelen und Eseln und viele Hunderte von Menschen aus Jerusalem und ganz Judäa, Männer und Frauen. Die Scharen zogen abwechselnd ab und zu, bedeckten den Kesselhügel, lagerten an dem Rand hinauf und standen oben auf der Höhe. Es war eine große Ordnung dabei eingeführt und unterhalten von den Jüngern des Johannes. Ein Teil liegt, ein anderer sitzt in den Knien, ein anderer steht, so dass sie alle übereinander wegsehen können. Heiden und Juden sind getrennt, so auch Männer und Frauen, welche letztere immer zurückstehen. Die am Abhang sitzen, sind meistens gekauert und stützen den Kopf mit dem Arm auf den Knien, oder umfassen ein Knie, auf der andern Lende liegend oder sitzend.

Johannes ist, seit er von Herodes zurückgekehrt, wie von einem neuen Feuer durchgossen. Seine Stimme klingt ungemein lieblich und doch ganz gewaltig und übermäßig weit. Man versteht ein jedes Wort. Er ruft weit hinaus und ein paar tausend Menschen verstehen ihn. Er ist wieder mit Fellen bedeckt und rauer gekleidet als bei On, wo er oft ein langes Kleid anhatte. Er lehrte von Jesus, wie man ihn verfolgt habe in Jerusalem, und zeigte nach Obergaliläa, dort wandle Er, heile: Er werde bald wiederkommen, seine Verfolger würden nichts über ihn vermögen, bis sein Werk erfüllt sei.

Auch Herodes und seine Frau kamen mit einem Zug Soldaten zum Lehrort des Johannes. Er reiste von seinem Schloss zu Livias zwölf Stunden neben Dibon hin, wo er über zwei Arme eines Flüsschens musste. Bis gegen Dibon zu war der Weg ganz gut: dann aber wurde er sehr beschwerlich und ungleich, eigentlich nur für Fußgänger und Lasttiere gangbar. Herodes fuhr aber auf einem langen, schmalen Wagen, worauf man seitwärts lag und saß: es saßen noch mehrere bei ihm. Die gewöhnlichen Räder waren dicke, runde niedrige Scheiben ohne Speichen: es waren jedoch noch andere größere Räder und Rollen hinten angehängt. Der Weg war so ungleich, dass sie auf der einen Seite hohe, auf der andern niedere Räder ansteckten. Es ging sehr beschwerlich. Die Frau des Herodes saß auch auf einem solchen Wagen mit Kammerfrauen. Die Wagen wurden von Eseln gezogen. Soldaten und anderes Gefolge zogen vor und nach.

Herodes zog hin, weil Johannes jetzt wieder lauter und heftiger lehrte, als je zuvor, und weil er ihn gerne hörte und wissen wollte, ob er nichts gegen ihn vorbringe. Seine Frau lauerte aber nur auf eine Gelegenheit, ihn zum Äußersten gegen Johannes zu bringen. Sie stellte sich ganz wohlgesinnt, obschon sie nur aus Arglist mitfuhr. Eine heimliche Ursache für Herodes war es auch, dass er erfahren, Aretas ein arabischer König und Vater seiner verstoßenen ersten Frau sei zu Johannes gereist und halte sich unter dessen Jüngern auf. Er wollte nun diesen beobachten, ob er nicht gegen ihn unter dem Volk dort etwas anzettle. Diese erste, sehr schöne und gute Frau war nun wieder bei ihrem Vater, der von Johannes Lehre und Widerspruch gegen Herodes Tat gehört hatte und sich nun selbst zu seinem Trost von Johannes Lehre überzeugen wollte. Er erschien aber gar nicht auffallend, sondern war ganz einfach gekleidet unter Johannes Jüngern verborgen, zu denen er sich wie einer von ihnen hielt.

Herodes kehrte in dem alten Schloss an dem Hügel ein und saß, da Johannes lehrte, auf einer stufenförmigen Terrasse vor dem Schloss: seine Frau von ihren Leuten und Wachen umgeben auf Kissen unter einem Zeltdach. Johannes schrie zum Volke, sie sollten sich an der Ehe des Herodes nicht ärgern, sie sollten ihn ehren, ohne ihn nachzuahmen: das freute und ärgerte den Herodes. Die Gewalt, mit der Johannes sprach, ist unbeschreiblich. Er redete wie der Donner so laut und doch ganz lieblich und verständlich. Es war, als wollte er sein Letztes tun. Er hatte seinen Jüngern auch schon gesagt, seine Zeit gehe bald zu Ende. Sie sollten ihn aber nicht verlassen, sie sollten ihn besuchen, wenn er gefangen würde. Er hatte schon drei Tage nicht gegessen noch getrunken, nur gelehrt und von Jesus geschrieen und dem Herodes seinen Ehebruch verwiesen. Die Jünger baten ihn sehr, er möge doch einhalten und sich erquicken: er ließ aber nicht nach und war ganz begeistert.

Die Aussicht von der Anhöhe, auf der Johannes lehrte, ist ungemein schön: man kann auch den Jordan in der Ferne sehen, die umliegenden Städte, über Felder und Obstbäume hin. Es muss hier ehemals ein großer Bau gewesen sein: denn ich sehe noch dicke mit grünen Rasen überwachsene Bogen aus Steinen wie Brücken. An dem Schloss, wo Herodes wohnte, sind ein paar Türme neu hergestellt, worin er sich aufhält.

Es ist sehr quellenreich hier, und der Badebrunnen ist im besten Stand. Er ist ein künstliches Werk, denn eine Quelle kommt durch einen gewölbten Kanal aus dem Hügel, worauf Johannes lehrt. Der ovale Taufbrunnen hat drei schöne, grüne Terrassen, die ihn umgeben und wieder durch fünf Gänge durchschnitten sind. Er ist, obwohl viel kleiner, doch schöner im Stand, als Bethesda zu Jerusalem, der hie und da durch Schilf und hineinfallendes Laub der umgebenden Bäume verunreinigt ist. Der Taufbrunnen liegt hinter dem Hügel und etwa 150 Schritte hinter diesem der große Teich, in dem sehr viele Fische sind, die sich alle nach der Seite hinzudrängen schienen, wo Johannes lehrte, gleich als wollten sie zuhören. Es sind kleine Kähne, ausgehöhlte Balken, nur für höchstens zwei Mann auf dem Teich mit Sitzen in der Mitte zum Fischen. Johannes isst nur wenig und schlechte Kost und wenn er auch mit seinen Jüngern zusammen isst, isst er immer seht wenig. Er betet allein und des Nachts viel gegen Himmel schauend.

Johannes wusste es, dass seine Gefangenschaft nahe sei und hatte darum so begeistert geredet und gleichsam Abschied genommen. Er hatte Jesus lauter verkündet als je: Er komme nun, er selber aber müsse weichen, zu Ihm sollten sie sich wenden. Er selber werde bald entrissen werden. Sie seien ein raues, hartes Volk, sie sollten gedenken, wie er zuerst gekommen und die Wege des Herrn bereitet, Brücken und Stege gebaut. Steine gewälzt, die Taufbrunnen geordnet und die Wasser geleitet habe. Es sei eine schwere Arbeit gewesen mit harter Erde, harten Felsen, knorzigem Holz. Dann habe er es mit dem Volk zu tun gehabt, das so verhärtet, grob und eigensinnig. Die aber, die er gerührt habe, sollten nun zum Herrn gehen, zum geliebten Sohn des Vaters: wen Er aufnehmen werde, der sei aufgenommen, wen Er verwerfen werde, der sei verworfen. Er komme nun und werde lehren und taufen und vollenden, was er vorbereitet. Er verwies dem Herodes mehrfach vor allem Volk heftig seinen Ehebruch, und Herodes, der ihn sonst ehrte und fürchtete, ergrimmte innerlich, ließ aber nichts merken.

Die Lehre war geschlossen, die Scharen zogen nach allen Seiten hinweg, auch die Leute aus Arabien und Aretas, der Schwiegervater Herodes, mit ihnen. Herodes hatte ihn nicht zu sehen bekommen. Die Frau des Herodes war schon früher wieder fort und nun reiste auch Herodes ab, der seinen Grimm verbarg und freundlich von Johannes Abschied nahm.

Johannes sendete noch mehrere Jünger mit Botschaften nach verschiedenen Seiten ab, entließ die andern und begab sich in sein Zelt, im Gebet sich zu versammeln. Es dunkelte schon, die Jünger hatten sich entfernt. Da umringten etwa zwanzig Soldaten das Zelt, nachdem sie Wachen auf allen Seiten aufgestellt. Einer nach dem anderen trat hinein. Johannes erklärte, dass er ruhig folgen werde, er wisse, dass seine Zeit gekommen sei und dass er Jesus Platz machen müsse: sie brauchten ihn nicht zu fesseln, er folge ihnen freiwillig, sie sollten ihn ruhig abführen, um keine Störung zu machen. Und so gingen dann zwanzig Mann mit starken Schritten mit ihm von dannen. Er hatte nur sein raues Fell und seinen Stab. Es nahten aber einige Jünger, als man ihn wegführte, er nahm mit einem Blick Abschied von ihnen und sagte, sie sollten ihn in der Gefangenschaft besuchen. Nun aber entstand ein Zusammenlauf der Jünger und der Leute. Es hieß: sie haben Johannes weggeführt! Da war Wehklagen und Jammern! Sie wollten nach, wussten aber den Weg nicht: die Soldaten hatten sich bald von dem gewöhnlichen Wege abgewendet und zogen eine ganz fremde Bahn nach Süden zu. Es war große Verwirrung, Jammern und Wehklagen. Die Jünger zerstreuten sich nach allen Seiten und flohen wie bei Jesus Gefangennahme und verbreiteten die Nachricht im ganzen Land.

Johannes wurde zuerst in einen Turm zu Hesebon gebracht. Die Soldaten waren mit ihm die ganze Nacht hindurch gezogen. Gegen Morgen kamen ihnen andere Soldaten von Hesebon entgegen: denn es war schon laut geworden, dass Johannes gefangen sei, und es liefen hie und da Leute zusammen. Die Soldaten, welche ihn führten, schienen eine Art Leibwache des Herodes zu sein: sie hatten Helme und Schuppen und Ringe auf Brust und Schultern gegen Hiebe, auch lange Spieße.

In Hesebon sammelten sich viele Leute vor dem Gefängnis des Johannes, so dass die Wachen genug zu tun hatten, sie fortzutreiben. Es gingen oben Öffnungen aus dem Gefängnis, Johannes stand in seinem Kerker und rief mit lauter Stimme, dass die draußen es hörten: er habe die Wege bereitet. Felsen gebrochen, harte Bäume gefällt, Quellen geleitet. Brunnen gegraben, Brücken gebaut, er habe mit widerspenstigen, harten Gegenständen zu tun gehabt: so sei auch dieses Volk und darum sei er gefangen. Sie sollten sich zu jenem wenden, den er verkündigt habe, zu jenem, der über die gebahnten Wege herankomme. Wenn der Herr einziehe, treten die Wegbereiter ab, alle sollten sich zu Jesus wenden: er sei nicht würdig, dessen Schuhriemen aufzulösen. Jesus sei das Licht und die Wahrheit und der Sohn des Vaters usw. Seine Jünger lud er ein, ihn zu besuchen in seinem Gefängnis, denn man werde noch nicht wagen, Hand an ihn zu legen, seine Stunde sei noch nicht gekommen. Er redete und lehrte dies so laut und vernehmlich, als stehe er noch auf seiner Redestelle unter dem versammelten Volk. Nach und nach vertrieben die Wachen das Volk. Der Zulauf und die Reden Johannes wiederholten sich noch mehrmals.

Johannes wurde nun von Hesebon durch Soldaten nach dem hoch und steil liegenden Machärus in das Gefängnis abgeführt. Er saß mit mehreren in einem niederen schmalen überdeckten Wagen wie in einem Kasten, der mit Eseln bespannt war. In Machärus führten ihn die Soldaten den steilen Bergpfad hinan in die Festung: zogen mit ihm aber nicht durch das Tor hinein, sondern nebenan durch den Wall, wo sie einen sonst mit Rasen bedeckten Gang öffneten, der etwas niedersteigend zu einer Türe von Erz und durch diese unter dem Festungstor hinweg in ein großes unterirdisches Gewölbe führte, das von oben her Lichtöffnungen hatte und reinlich, aber ohne jede Art von Bequemlichkeit war.

Herodes war vom Taufplatz hinweg nach seinem Schloss Herodium gezogen, das der alte Herodes erbaut hatte, und wo er einmal zur Belustigung Leute in einem Teich hatte ertränken lassen. Hier hielt er sich aus Unmut verborgen und ließ niemand vor. Manche ließen sich melden, um über die Gefangennahme Johannes sich zu beschweren. Darüber wurde ihm bange und er verschloss sich in seinen Gemächern.

Nach einiger Zeit konnten die Jünger Johannes, wenn es ihrer nur wenige waren, dem Gefängnis sich nähern, mit Johannes reden und ihm durch das Gitter etwas reichen. Kamen aber ihrer viele, so wurden sie von den Wachen zurückgewiesen. Johannes befahl den Jüngern, in Ainon noch so lange zu taufen, bis Jesus dahinkommen und taufen lassen werde. Das Gefängnis war hell und gross, hatte aber als Lagerstätte nur eine Bank von Stein. Johannes war sehr ernst. Er hatte immer etwas Tiefsinniges, Trauriges in seinem Angesicht, als einer, der das Lamm Gottes liebte und verkündigte, aber wusste, dass sie es töten werden.

10. Jesus in Bethanien. Die Errichtung von Reiseherbergen für Jesus und die Jünger. Die verlorene und wiedergefundene Perle

Auf dem Weg von Kapharnaum nach Bethanien kam Jesus mit Lazarus und den fünf jerusalemischen Jüngern durch die Gegend von Bethulien. Nach der hoch gelegenen Stadt Bethulia selber kamen sie nicht: der Weg führte um sie herum gegen Jezrael, vor welchem Ort Lazarus eine Art Absteigherberge mit einem Garten besaß. Die Jünger waren vorausgegangen und hatten einen Imbiss bestellt. Es war ein vertrauter Mann von Lazarus hier. Es war früh am Morgen, da sie hier die Füße wuschen, die Kleider ausschüttelten, etwas aßen und ruhten. Von Jezrael gingen sie über ein Flüsschen, ließen Scythopolis und dann Salem links und über ein Bergende kamen sie gegen den Jordan zu. Dann setzten sie südlicher als Samaria über den Jordan, und ruhten, da es schon Nacht war, wenige Stunden an einer Anhöhe des Jordanufers, wo vertraute Hirten wohnten. Vor Tagesanbruch brachen sie wieder auf und zogen zwischen Hay und Gilgal durch die Wüste von Jericho. Jesus und Lazarus gingen zusammen, die Jünger aber zogen auf anderen Wegen voraus. Jesus und Lazarus wanderten den ganzen Tag auf einsamen Pfaden und berührten keine Orte, auch nicht die Herberge, welche Lazarus an dieser Seite der Wüste hatte. Wenige Stunden vor Bethanien ging Lazarus voraus und Jesus wandelte allein.

In Bethanien waren mit Lazarus und den fünf jerusalemischen Jüngern gegen fünfzehn Jünger und Anhänger Jesus und sieben Frauen versammelt: Saturnin, Nikodemus, Joseph von Arimathäa, seine Neffen, die Söhne Simeons, der Johanna Chusa und Veronica und Obeds. Frauen waren: Veronika, Johanna Chusa, Susanna, Maria Markus und die Witwe Obeds, Martha und ihre verständige bejahrte Dienerin, die eine der Pflegerinnen des Herrn und der Jünger wurde. Diese alle harrten stille und wie heimlich auf die Ankunft Jesu in einem großen unterirdischen Gewölbe des Schlosses des Lazarus. Gegen Abend kam Jesus an und ging durch eine Hintertüre in die Gärten. Lazarus kam ihm in einer Halle entgegen, wo er ihm die Füße wusch. Es war hier ein vertieftes Becken, wohin aus dem Haus ein Kanal geleitet war, in welchen Martha warmes und kaltes Wasser gemischt hineingoss, das in das Becken floss. Jesus auf dem Rand sitzend stellte die Füße hinein, und Lazarus wusch und trocknete sie. Dann schüttelte er Jesu Kleider aus, legte Ihm andere Sohlen an und reichte Ihm einen Imbiss und Trunk.

Nun begab sich Jesus mit ihm durch einen langen Laubgang zum Haus und hinab in das gewölbte Gemach. Die Frauen verschleierten sich und beugten sich kniend vor Ihm: die Männer beugten sich bloß tief. Er sprach eine Begrüssung aus und segnete sie alle. Dann legte man sich bald zur Mahlzeit. Die Frauen saßen an einer Seite des Tisches auf Polstern mit unterschlagenen Füßen.

Nikodemus war ungemein bewegt und begierig auf Jesu Worte. Die Männer sprachen mit Unwillen von Johannes Gefangenschaft. Jesus sagte: das habe so kommen müssen und sei der Wille Gottes: sie sollten von allen solchen Dingen nicht sprechen, um kein Aufsehen zu machen und dadurch Gefahr zu erregen. Wenn Johannes nicht hinweggetan worden wäre, hätte Er noch nicht hier wirken können. Die Blütenblätter müssten fallen, wenn die Frucht kommen solle.

Sie sprachen auch mit Unwillen von dem Lauern und Verfolgern der Pharisäer, und Jesus gebot auch hierin Friede und Stille. Er bedauerte die Pharisäer und erzählte die Parabel vom ungerechten Haushalter. Die Pharisäer seien auch ungerechte Haushalter, aber nicht so klug wie dieser, und hätten darum keine Zuflucht am Tage der Verwerfung.

Nach dem Mahl gingen sie in einen andern Raum, wo die Lampen angesteckt waren und Jesus vorbetete und sie den Sabbat hielten. Nachher sprach Jesus noch mit den Männern und sie gingen zur Ruhe.

Als das Haus stille geworden und alles im Schlaf war, erhob sich Jesus von seinem Lager und ging, allen unbemerkt, in die Höhle am Ölberg, wo Er am Tag vor seinem bittern Leiden im Gebete gerungen. Er betete auch jetzt mehrere Stunden zu seinem himmlischen Vater um Stärke in seiner Arbeit. Vor Tagesanbruch kehrte Er unbemerkt wieder nach Bethanien zurück.

Die Söhne Obeds, die Tempeldiener waren, gingen nun mit anderen nach Jerusalem: die übrigen Gäste aber hielten sich still im Hause und niemand wusste von Jesu Anwesenheit.

Jesus erzählte heute während der Mahlzeit von seinem Aufenthalt bei den Leuten in Obergaliläa, Amead, Adama und Seleucia: und da die Männer aus Eifer heftig gegen die Sekten sprachen, verwies Er ihnen diese Härte und erzählte ihnen eine Parabel von einem Mann, der auf dem Weg nach Jericho unter die Räuber gefallen sei, und wie sich ein Samaritan seiner mehr erbarmt habe, als ein Levite. Ich habe immer dieselbe Parabel erzählen hören, aber immer neu auslegen. Er sprach auch vom Schicksal, das über Jerusalem kommen werde.

In der Nacht, da alles ruhte, ging Jesus wieder an den Ölberg in die Höhle um zu beten. Er vergoss viele Tränen und erlitt große Angst und Bangigkeit. Er war wie ein Sohn, der zu großen Werken auszieht und sich erst an die Brust seines Vaters wirft, Trost und Stärkung zu empfangen. Mein Führer sagte mir, dass, so oft Jesus in Bethanien gewesen, wenn Er nur irgend eine Stunde erübrigen konnte, Er immer des Nachts hierher zu beten gegangen sei. Es sei dies ein Vorarbeiten zu seiner letzten Angst am Ölberg gewesen. Mir wurde auch gezeigt, dass Jesus hauptsächlich hier am Ölberg betete und trauerte, weil Adam und Eva aus dem Paradies verstoßen hier am Ölberg zuerst die unwirtbare Erde betreten hätten. Ich sah sie in dieser Höhle trauern und beten, und dass Kain im Garten des Ölbergs zuerst pflanzend ergrimmte und sich entschloss, Abel zu töten. Ich dachte an Judas. Ich sah Kain seinen Brudermord in der Gegend des Kalvarienberges vollbringen, und ihn am Ölberg von Gott zur Rechenschaft gezogen werden. Jesus war mit Tagesgrauen schon wieder in Bethanien.

Als der Sabbat vorüber war, geschah nun das, weshalb Jesus hauptsächlich nach Bethanien gekommen war. Die heiligen Frauen nämlich hatten mit Betrübnis erfahren, welchen Mangel Jesus und seine Begleiter auf ihren Reisen zu leiden hatten und wie es Jesus besonders auf der letzten eiligen Reise nach Tyrus so übel gegangen, dass Er die harten Brotrinden, die Ihm Saturnin zusammenbettelte, in Wasser eingeweicht essen musste. Darum hatten sich die Frauen zur Errichtung von Herbergen und zur Ausstattung derselben mit allen Bedürfnissen erboten: und Jesus hatte ihr Anerbieten angenommen. Das hierzu Notwendige mit ihnen zu bereden, war Jesus jetzt hierher gekommen. Da Er nun erklärte, Er werde fortan an allen Orten öffentlich lehren, boten sich Lazarus und die Frauen nochmals zur Errichtung von Herbergen an, weil besonders die Juden in den Städten um Jerusalem, von den Pharisäern aufgewiegelt. Jesus und seinen Jüngern nichts verabreichten. Sie baten also den Herrn, ihnen die Hauptruhepunkte seiner Lehrreisen und die Zahl seiner Jünger zu bestimmen, um die Zahl der Herbergen und das Maß der Vorräte darnach zu berechnen.

Hierauf gab ihnen Jesus die Richtung und die Ruhepunkte seiner Lehrreisen und die Zahl der Jünger ungefähr an: und es wurden etwa fünfzehn einzurichtende Herbergen mit vertrauten, teils verwandten Pflegern zu besetzen bestimmt, und zwar durch das ganze Land, mit Ausnahme des Landstriches von Chabul gegen Tyrus und Sidon hin.

Die heiligen Frauen überlegten nun zusammen, welchen Bezirk und welche Art Vorsorge eine jede von ihnen zu übernehmen hätte, und so teilten sie die Einsetzung der Herbergspfleger, die Lieferung von Gerätschaften, Decken, Kleidern, Sohlen usw. und deren Reinigung und Ausbesserung, und die Besorgung von Broten und anderen Nahrungsmitteln untereinander. All dies geschah vor und während der Mahlzeit und Martha war recht an ihrer Stelle. Darnach aber sollte durch das Los die Verteilung der Unkosten unter ihnen stattfinden.

Nach der Mahlzeit waren Jesus, Lazarus, die Freunde und heiligen Frauen in einem großen Gewölbe heimlich versammelt. Jesus saß an der einen Seite des Raumes an erhöhter Stelle auf einem Sitz, die Männer standen und saßen um Ihn her: die Frauen saßen an der andern Seite des Saales auf Stufen, die mit Teppichen und Kissen belegt waren. Jesus lehrte von der Barmherzigkeit Gottes mit seinem Volke, wie Er einen Propheten nach dem andern gesandt habe, wie sie alle verkannt und misshandelt worden, und wie dies Volk die letzte Gnadenzeit auch verworfen und wie es Ihm ergehen würde. Als Er lange darüber gesprochen, sagten einige zu Ihm: «Herr, erzähle uns dieses in einer schönen Parabel», und Jesus erzählte wieder die Parabel von einem König, der seinen Sohn in den Weinberg sendete, nachdem alle seine Diener von untreuen Rebleuten erschlagen worden, und wie sie auch diesen erschlagen hätten.

Am Schluss dieser Lehre waren einige der Männer hinausgegangen, und Jesus ging mit andern im Saal wandelnd hin und wieder. Martha aber, welche von den Frauen ab- und zuging, nahte sich Ihm und sprach viel von ihrer Schwester Magdalena nach der Erzählung Veronikas von ihr mit großer Sorge.

Während Jesus mit den Männern im Saal auf und ab ging, saßen die Frauen und spielten eine Art Losspiel zum Besten ihrer Verpflegungsämter. Sie hatten eine Tafel auf Rollen zwischen sich auf dem erhöhten Sitzplatz. Diese Tafel war ein in fünf Ecken sternförmig auslaufender, etwa zwei Zoll hoher Kasten. Auf der oberen Fläche dieses inwendig hohlen und in verschiedene Fächer geteilten Kastens waren von den fünf Ecken nach dem Mittelpunkt hin fünf vertiefte Rinnen eingeschnitten und zwischen diese Rinnen verschiedene Löcher eingebohrt. welche in das Innere des Kastens führten. Jede der Frauen hatte lange aufgereihte Perlenschnüre und viele andere kleine Edelsteine bei sich, von welchen jede nach der Spielordnung eine Anzahl vermischt, dicht zusammen in eine der Rinnen einlegte: dann legte eine nach der andern eine kleine feine Büchse am Ende der Rinne hinter die letzte Perle derselben und schnellte durch einen Druck der Hand einen kleinen feinen Pfeil aus der Büchse gegen die nächstliegende Perle, wodurch die ganze Linie einen Stoss erhielt, so dass einzelne Perlen oder Steinchen aus der Reihe aussprangen, und entweder durch die Öffnungen ins Innere des Kastens fielen, oder auf andere Rinnen übersprangen. Wenn alle Perlen aus den Linien ausgeschossen waren, wurde die Tafel, welche auf kleinen Rollen stand, etwas hin und hergerüttelt, wodurch die ins Innere gefallenen Perlen und Steinchen in mehrere kleine Kästchen fielen, welche man am Rand der Tafel herausziehen konnte, und deren jedes seine besondere Besitzerin hatte. So zog dann jede der heiligen Frauen ein Kästchen heraus und sah, was sie für ihr Amt gewonnen, und von ihrem Geschmeide verloren hatte. Obeds Witwe hatte ihren Mann noch nicht lange verloren, sie trauerte noch, und ihr Mann war noch vor der Taufe mit Jesus bei Lazarus gewesen.

In diesem Spiel ging den heiligen Frauen eine sehr köstliche Perle verloren, welche zwischen ihnen niedergefallen war. Als sie alles wegräumten und mit großer Sorge nach der Perle suchten und sie endlich mit der größten Freude wieder fanden, trat Jesus zu ihnen und erzählte ihnen die Parabel von der verlorenen Drachme und der Freude des Wiederfindens, und bildete aus ihrer verlorenen und nach fleißigem Suchen mit Freude wiedergefundenen Perle ein neues Gleichnis auf Magdalena. Er nannte sie eine Perle köstlicher als viele, welche von der Lostafel der heiligen Liebe auf die Erde gefallen und verloren gegangen sei. Mit welcher Freude sprach Er, würdet ihr diese kostbare Perle wiederfinden! Da fragten die Frauen ganz bewegt: «Ach Herr, wird diese Perle wieder zu finden sein?» und Jesus sagte ihnen: fleißiger noch als die Frau in der Parabel nach der Drachme, und als der Hirt nach dem verlorenen Schäflein zu suchen! Auf diese Rede versprachen alle tiefgerührt, noch emsiger nach Magdalena, als nach der Perle zu suchen und sich weit mehr zu freuen, wenn sie dieselbe wiedergefunden. Einige der Frauen baten auch den Herrn, Er möge doch den Jüngling von Samaria unter seine Jünger aufnehmen, welcher Ihn nach Ostern in Samaria auf dem Wege darum angefleht. Sie sprachen auch von der großen Tugend und Wissenschaft dieses Jünglings, welcher wie ich glaube mit einer von ihnen verwandt war. Aber Jesus sagte ihnen: er wird schwerlich kommen, er ist blind nach einer Seite, und legte ihnen dies aus, dass er an den Gütern hänge.

Am Abend trafen mehrere der Männer und Frauen bereits Anstalt, nach Bethoron zu gehen, wo Jesus am folgenden Tag lehren wollte. Er war in der Nacht wieder heimlich am Ölberg und betete mit großer Anstrengung, worauf Er mit Lazarus und Saturnin gegen Bethoron wanderte, was wohl sechs Stunden entfernt ist. Es war dies eine Stunde nach Mitternacht. Sie durchschnitten auf ihrem Weg die Wüste, und da sie noch zwei Stunden etwa von Bethoron entfernt waren, kamen ihnen die dahin berufenen Jünger entgegen, welche schon tags zuvor in einer Herberge bei Bethoron angekommen waren. Es waren Petrus, Andreas und deren Halbbruder Jonathan, Jakobus Major, Johannes, Jakobus Minor und Judas Thaddäus, der zum ersten Mal mitkam, dann Philippus, Nathanael Chased, auch der Bräutigam von Kana und einer oder zwei von den Söhnen der Witwen. Jesus ruhte mit ihnen in der Wüste unter einem Baum eine Zeitlang und lehrte. Er sprach abermals über die Parabel vom Herrn des Weinberges, der seinen Sohn sendet. Dann gingen sie zu der Herberge, wo sie etwas genossen. Saturnin hatte Münzen in einem Beutel von den Frauen erhalten und für Speise gesorgt.

11. Jesus in Bethoron. Die Mühsale und Beschwerden der Jünger

Gegen acht Uhr morgens kamen sie nach Bethoron. Ein paar Jünger gingen in die Wohnung des Synagogenvorstehers und begehrten die Schlüssel, ihr Meister wolle lehren: andere verteilten sich in den Straßen und riefen die Leute zur Schule. Jesus ging mit den übrigen hinein, und sie war bald mit Menschen gefüllt. Er lehrte hier abermals sehr scharf über die Parabel vom Herrn des Weinberges, dessen Knechte von den untreuen Winzern erschlagen wurden, und der endlich seinen Sohn sendete, den sie auch ermordeten, und wie der Herr andern seinen Weinberg geben werde. Auch sprach Er von der Verfolgung der Propheten, von der Gefangennahme des Johannes, und wie man auch Ihn verfolgen und Hand an Ihn legen werde, und von dem Gericht und Weh über Jerusalem. Seine Reden verursachten ein großes Aufsehen unter den Juden. Einige freuten sich, andere ergrimmten und murrten: «wo kommt Dieser plötzlich wieder her? man hat gar nichts von seiner Ankunft gehört!» Einige aber, die vernommen hatten, dass in der Talherberge sich Frauen befänden, die zu Jesus gehörten, gingen hinaus, diese über seine Absichten zu befragen.

Er heilte noch mehrere Fieberkranke und verließ nach einigen Stunden die Stadt.

In der Herberge waren Veronika, Johanna Chusa und Obeds Witwe angekommen und hatten einen Imbiss bereitet. Jesus und die Jünger aßen und tranken stehend, schürzten sich und zogen weiter. Er lehrte an diesem Tag noch in Kibzaim auf ähnliche Weise und in einzelnen kleinen Hirtenflecken. In Kibzaim waren nicht alle Jünger beisammen: aber sie sammelten sich wieder in einem geräumigen mit Nebengebäuden versehenen Hirtenhaus in den Grenzen von Samaria, wo Maria und Joseph auf der Reise nach Bethlehem aufgenommen worden waren, nachdem sie bei andern vergebens um Aufnahme gebeten hatten. Hier aßen und schliefen sie. Es waren ihrer etwa noch fünfzehn. Lazarus und die Frauen waren nach Bethanien zurückgegangen.

Am folgenden Tag zogen Jesus und die Jünger bald vereint, bald zerstreut in großer Eile durch mehrere größere und kleinere Orte, welche im Umkreis von einigen Stunden lagen, so durch Gabaa und Najoth, das etwa vier Stunden von Kibzaim entfernt sein mag. In allen diesen Orten ließ Jesus sich nicht die Zeit, in einer Synagoge zu lehren: Er lehrte auf Hügeln im Freien, auf öffentlichen Plätzen und in den Straßen der Orte, wo die Menge sich versammelte. Die Jünger zogen einzeln durch die Täler und kleinen Orte zu den zerstreuten Hirtenhäusern voraus und riefen die Leute nach den Orten hin, wo Jesus auftrat: mehrere jedoch waren um Ihn. Das ganze Tagwerk ging mit unglaublicher Mühseligkeit und Anstrengung von Ort zu Ort. Jesus heilte dabei viele Kranke, welche an die Orte hergebracht wurden und Ihn anriefen. Es waren Mondsüchtige darunter. Viele Besessene liefen Ihm schreiend nach, und Er gebot ihnen, zu schweigen und auszuweichen.

Was dieses Tagewerk noch beschwerlicher machte, das war die teilweise üble Gesinnung der Leute und der Hohn der Pharisäer. Diese Orte, Jerusalem nahe, waren voll von Leuten, welche gegen Jesus Partei genommen hatten. Es war hier wie heutzutage in den kleinen Orten, die alles nachschwätzen und nichts ergründen. Dazu kam die plötzliche Erscheinung Jesu mit so vielen Jüngern und seine sehr ernste und drohende Lehre: denn überall lehrte Er, wie zu Bethoron und sprach von der letzten Gnadenzeit und dann komme die Gerechtigkeit. Er lehrte immer von der Misshandlung der Propheten, von der Gefangennahme Johannes und von der Verfolgung gegen ihn selbst. Er stellte überall die Parabel vom Herrn des Weinberges auf und wie Er nun seinen Sohn gesandt habe, wie das Reich komme und der Sohn des Königs es in Besitz nehmen solle. Dabei rief Er oft Weh über Jerusalem und jene aus, welche sein Reich nicht annehmen und Buße tun würden. Diese strengen, drohenden Reden waren durch viele Handlungen der Liebe und durch Heilungen unterbrochen, und so ging es von Ort zu Ort.

Die Jünger hatten vieles auszustehen, was für sie oft sehr hart war. Wo sie hinkamen und Jesus ankündigten, hörten sie höhnische Reden: «Nun kommt Der auch wieder! Was will Er? Wo kommt Er her? Ist es Ihm nicht verboten?» Auch lachte man ihrer, rief ihnen nach und verspottete sie. Manche aber freuten sich: doch waren deren nicht sehr viele. Jesus selbst wagte keiner anzureden. Aber da, wo Er lehrte und wo die Jünger in der Nähe umher standen, oder Ihm durch die Straßen folgten, wendeten sich alle Schreier an sie, hielten sie an und fragten sie. Sie hatten seine strengen Worte halb oder falsch verstanden, und wollten eine Erklärung haben: dazwischen erschallte dann wieder Freudengeschrei. Jesus hatte Leute geheilt und das ärgerte sie, und sie zogen sich zurück. So ging es bis zum Abend unter beschwerlichem eilendem Wandern, ohne Erquickung und Labung.

Ich bemerkte, wie schwach und menschlich die Jünger anfänglich noch waren: wie oft sie, wenn Jesus so lehrte, und sie gefragt wurden, die Köpfe zusammensteckten und nicht begriffen, was Er eigentlich vorhabe. Sie waren nicht zufrieden mit ihrer Lage. Sie dachten einzeln: «nun haben wir alles im Stich gelassen und kommen jetzt in diese Verwirrung und den Lärm! Was ist das für ein Reich, wovon Er spricht? Wird Er es auch wirklich erringen?» So dachten sie, aber verbargen es in sich: nur ließen sie oft ihre Verlegenheiten sich anmerken. Johannes allein ging mit wie ein Kind, ganz gehorsam und unbefangen. Und doch hatten sie schon so viele Wunder gesehen und sahen sie immer!

Ungemein rührend war es, wie Jesus alle diese ihre Gedanken wusste und unbekümmert darum gar nicht dergleichen tat, keine Miene veränderte, immer ruhig und liebevoll und ernsthaft das Seinige forttat.

Jesus wanderte an diesem Tag noch bis in die Nacht, da sie diesseits eines Flüsschens, das die Grenze von Samaria macht, bei einigen Hirten übernachteten, wo sie wenig oder nichts erhielten. Das Wasser des Flüsschens war nicht zum trinken: es war schmal und hatte hier nicht weit von seinem Ursprung am Fuß des Garizim einen schnellen Lauf gegen Abend zu.

12. Jesus am Brunnen Jakobs bei Sichar. Dina die Samariterin

Am folgenden Tag ging Jesus über das Flüsschen und den Berg Garizim zur Rechten lassend gegen Sichar. Nur Andreas, Jakobus Major und Saturnin blieben bei Ihm, die übrigen gingen nach andern Richtungen. Jesus ging zu dem Brunnen Jakobs, der nördlich vom Berge Garizim und südlich vom Berge Ebal im Erbe Josephs auf einem kleinen Hügel ist, von welchem eine Viertelstunde westlich Sichar in einem Tal liegt, das sich wohl noch eine Stunde längs der Stadt westlich hinzieht. Von Sichar etwa zwei starke Stunden nördlich liegt Samaria auf einem Berg.

Mehrere tief eingeschnittene Wege winden sich von verschiedenen Seiten den kleinen Hügel hinauf zu dem von Bäumen und Rasensitzen umgebenen achteckigen Gebäude, welches den Brunnen Jakobs umschließt. Dies Brunnenhaus ist rings mit einer offenen Bogenstellung umgeben, unter welcher etwa zwanzig Menschen rings stehen können. Gerade dem Weg von Sichar gegenüber führt unter dieser offenen Halle eine gewöhnlich verschlossene Tür in das innere Brunnenhaus, dessen Dach oben eine Öffnung hatte, die manchmal mit einer Kuppe gedeckt wurde. Das Innere des Häuschens hat so viel Raum, dass man zwischen dem sitzhohen Steinrand des tiefen Brunnens und den Wänden bequem herumgehen kann. Der Brunnen ist mit einem hölzernen Deckel verschlossen: ist dieser geöffnet, so sieht man eine schwere Walze gerade vom Eingang nach der entgegengesetzten Seite hin quer über dem Brunnenrand liegen, an welcher der darin hängende Schöpfeimer vermittelst einer Kurbel schwer aufgewunden wird. Der Tür gegenüber befindet sich eine Pumpe, durch welche man Wasser auf die Höhe der Mauer des Brunnenhauses pumpen kann, welches an der Morgen-, Mittags- und Abendseite des Hauses nach außen unter der umgebenden Halle in drei dort in dem Boden angebrachte kleine Becken fließt, teils zum Fußwaschen und Reinigen der Reisenden, teils zum Tränken der Tiere.

Es war gegen Mittag, als Jesus mit den drei Jüngern zu dem Hügel kam. Er sendete sie nach Sichar, Speise zu holen: denn es hungerte Ihn. Er selbst ging allein den Hügel hinauf, sie zu erwarten. Es war ein heißer Tag, Jesus war sehr müde und dürstete. Er setzte sich eine Strecke vom Brunnen an den Rand des Weges, der von Sichar hinauf führte und schien den Kopf auf die Hand stützend auf jemand zu harren, der den Brunnen öffne und Ihm zu trinken gebe. Ich sah aber eine samaritische Frau von etwa dreißig Jahren, den Schlauch am Arm hängend, von Sichar aus den Hügel herauf steigen, um Wasser zu holen. Sie war schön und ich sah, wie rasch und kräftig mit großen Schritten sie den Hügel herauf ging. Ihr Anzug war vornehmer als gewöhnlich und schien etwas gewählt. Ihr blau und rot gestreiftes Kleid war mit großen gelben Blumen durchwirkt, die Ärmel in der Mitte des Ober- und Unterarmes mit gelben Armringen angeschlossen, schienen kraus um die Ellbogen. Sie trug einen weißen Brustlatz mit gelblichen Schnüren verziert. Den Hals hatte sie ganz mit einem wollgelben Kragen bedeckt, der dicht mit Perlen und Korallenschnüren behängt war. Ihr Schleier von einem feinen, reichen Wollengewebe hing lang über ihren Rücken nieder, und sie konnte diese hintere Seite mit einer Strippe zusammenziehen und um die Mitte des Leibes festbinden. So zusammengezogen endete der Schleier hinten mit einem Zipfel und bildete an den Seiten des Leibes zwei Falten, in welchen die Arme bequem mit den Ellbogen ruhen konnten. Fasste sie die beiden Seiten des Schleiers vor der Brust zusammen, so war der ganze Oberleib wie mit einem Mäntelchen verhüllt. Der Kopf der Frau war mit Binden umwunden, man sah keine Haare: vor der Stirne ragte an diesem Kopfputz wie ein Türmchen ein Hacken hervor, hinter welchem der vordere Teil des Schleiers aufgeschürzt ruhte, der über das Gesicht herabgelassen, bis zur Brust reichte.

Die Frau hatte ihre bräunliche, grobe, ziegen- oder kamelhaarne Schürze, worin oben Taschen waren, über den rechten Arm geworfen, so dass sie den ledernen Schlauch etwas bedeckte, welchen sie an diesem Arm hängen hatte. Diese Schürze schien eine gewöhnliche Arbeitsschürze beim Wasserschöpfen zu sein, um die Kleider nicht durch den Eimer oder Schlauch zu verderben.

Der Schlauch war von Leder, wie ein Sack ohne Naht: an zwei Seiten war er etwas ausgewölbt, als sei er mit gebogenen festen Holzflächen gefüttert: die andern zwei Seiten legten sich, wenn er leer war in Falten, wie die Falten einer Brieftasche zusammen. An den beiden festen Seiten waren mit Leder überzogene Handhaben befestigt, durch welche ein lederner Riemen gezogen war, an welchem die Frau den Schlauch an dem Arm trug. Die Mündung des Schlauches war enger und ließ sich zum Eingießen trichterartig auseinandertun und wieder schließen, wie man die Arbeitstaschen schließt. Leer hing der Schlauch platt an der Seite nieder, gefüllt rundete er sich und fasste so viel wie ein gewöhnlicher Wassereimer.

So sah ich die Frau rüstig den Hügel hinanschreiten, wo sie das Wasser am Brunnen Jakobs für sich und andere holte. Ich habe sie gar lieb, sie ist so gutmütig, so geistreich und freimütig. Sie heißt Dina (im Römischen Martyrologium heißt sie Photina), ist das Kind einer gemischten Ehe, und von samaritischer Sekte. Sie lebt in Sichar, wo sie eigentlich nicht gebürtig ist, ihren Verhältnissen nach unbekannt unter dem Namen Salome: aber man mag sie und den Mann wegen ihres offenen, freundlichen, dienstfertigen Wesens in dem Ort gar wohl leiden.

Wegen der Windungen des Pfades konnte Dina den Herrn nicht eher sehen, als bis sie vor Ihm stand. Sein Anblick, wie Er da so einsam dürstend am Weg zum Brunnen saß, hatte etwas ungemein Überraschendes. Er war mit einem langen weißen Rock, von feiner weißer Wolle, mit breitem Gürtel. wie mit einer Albe bekleidet. Es war ein Prophetenrock, den Ihm die Jünger gewöhnlich nachtrugen. Er legte ihn an, wenn Er bei öffentlichen Gelegenheiten lehrte oder prophetisch wirkte.

Dina, plötzlich aus dem Weg hervor Jesus entgegentretend, stutzte bei seinem Anblick, ließ den Schleier vor ihrem Angesicht nieder und zögerte, vorüberzugehen: denn der Herr saß dicht am Weg. Ich sah nach ihrer Gemütsart in ihrem Innern den flüchtigen Gedanken aufblitzen: ein Mann! Was will er hier? Ist dies eine Versuchung? Jesus, den sie als einen Juden erkannte, sah sie leuchtend und freundlich an, und indem Er die Füße zurückzog, weil der Weg hier sehr eng war, sagte Er zu ihr: «Gehe vorüber und gib mir zu trinken!»

Das rührte die Frau, weil die Juden und Samariter gegenseitig nur Blicke des Abscheues voneinander gewohnt waren, und sie verweilte noch und sprach: «Warum bist Du hier so allein zu dieser Stunde? Wenn man mich hier mit Dir erblicken würde, gäbe es ein Ärgernis. Da erwiderte Jesus, seine Gefährten seien in der Stadt. um Speisen zu holen, und Dina sprach: «Ja, die drei Männer, denen ich begegnete! Aber sie werden um diese Stunde wenig erhalten. Was die Sichemiten heute bereitet haben, brauchen sie für sich selbst.» Sie sprach, als sei ein Fest oder Fasttag heute in Sichar, und nannte einen andern Ort, wohin sie hätten nach Speise gehen sollen.

Jesus sagte ihr abermals: «Geh vorüber und gib mir zu trinken!» Da ging Dina an Ihm vorüber, der sich erhob und ihr zum Brunnen folgte, den sie aufschloss. Hierher wandelnd sprach sie: «Wie kannst Du als ein Jude von einer Samariterin zu trinken begehren?» Und Jesus antwortete ihr: «Kenntest du die Gabe Gottes und wüsstest du, wer Der ist, der von dir zu trinken begehrt, so hättest du Ihn selbst gebeten, und Er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.»

Da schloss Dina die Decke des Brunnens und den Eimer los und sprach zu Jesus, der sich auf den Rand des Brunnens setzte: «Herr, Du hast ja kein Schöpfgefäß, und die Quelle des Brunnens liegt sehr tief, woher hast Du denn das lebendige Wasser? Bist Du denn noch größer, als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gab und selbst daraus trank mit seinen Kindern und mit seinem Vieh?» Als sie dieses sagte, sah ich ein Bild, wie Jakob diesen Brunnen grub und wie das Wasser ihm entgegen quoll. Die Frau verstand aber Jesu Rede vom Quellwasser: und unter diesen Reden ließ sie den Eimer an der Walze, die schwer ging, nieder und zog ihn auf, und ich sah, dass sie ihre Ärmel mit den Armspangen in die Höhe schob, so dass sich das Zeug oben bauschte, und wie sie mit bloßem Arme ihren Schlauch aus dem Eimer füllte und eine kleine, aus Bast gewundene Tüte mit Wasser gefüllt Jesu reichte, welcher auf dem Rande des Brunnens sitzend trank und zu ihr sprach: «Wer von diesem Wasser trinkt, den dürstet bald wieder: wer aber von dem lebendigen Wasser, das Ich ihm geben werde, trinken wird, der wird in alle Ewigkeit nicht mehr dürsten! Ja, das Wasser, das Ich ihm gebe, wird in ihm eine Quelle werden, die sich bis ins ewige Leben erhebt.»

Dina sprach freudig zu Jesus: «Herr. gib mir solches lebendiges Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr so mühselig hier Wasser schöpfen muss!» Aber sie war doch durch seine Worte vom lebendigen Wasser gerührt und ahnte, ohne sich dessen ganz bewusst zu sein, Jesus verstehe unter dem lebendigen Wasser die Erfüllung der Verheißung. So sprach sie dann die Bitte um das lebendige Wasser in einer prophetischen Bewegung ihres Herzens aus. Ich habe immer gefühlt und erkannt, dass die Personen, mit welchen der Erlöser etwas zu tun hatte, nicht bloß nur einzelne Menschen waren: sie waren immer zugleich ein vollkommenes Bild einer ganzen Gattung von Menschen. Dass sie dies aber waren, das war die Fülle der Zeit: und so stand eigentlich in Dina der Samariterin die ganze samaritische, vom wahren Glauben Israels, vom Brunnen der lebendigen Wasser getrennte Sekte vor dem Erlöser.

Jesus dürstete am Brunnen Jakobs nach den erwählten Seelen Samarias, um sie mit den lebendigen Wassern zu erquicken, von welchen sie sich losgetrennt hatten. Und es war hier der noch rettungsfähige Teil der abtrünnigen Sekte von Samaria, welcher nach diesem lebendigen Wasser dürstete und gewissermaßen die offene Hand hinreichte, es zu empfangen. Samaria sprach aus Dina: «Gib mir, o Herr, den Segen der Verheißung, lösche mein langes Dürsten, hilf mir zu dem lebendigen Wasser, damit ich mehr Trost empfange, als nur aus diesem zeitlichen Brunnen Jakobs, durch welchen wir allein noch mit den Juden Gemeinschaft haben.»

Als Dina so gesprochen hatte, sagte Jesus zu ihr: «Gehe nach Hause, rufe deinen Mann und kehre wieder !» Und ich hörte, dass Er ihr dieses zweimal sagte, indem Er nicht hier sei, sie allein zu unterrichten. Hiermit aber sprach der Erlöser zur Sekte: «Samaria, rufe mir den herbei, dem du angehörst, den, der im geheiligten Bunde rechtmäßig dir verbunden ist.» Dina erwiderte dem Herrn: «Ich habe keinen Mann!»

Samaria gestand dem Bräutigam der Seelen, sie habe keinen Bund, niemanden gehöre sie an. Jesus versetzte: «Du sagst recht, denn fünf Männer hast du gehabt und der, mit dem du jetzt lebst, ist nicht dein Mann: das hast du wahr gesagt.» Mit diesen Worten sagte der Messias zur Sekte: «Samaria, du sprichst die Wahrheit. Mit den Götzen von fünf Völkern warst du vermählt, deine jetzige Verbindung mit Gott ist kein ehelicher Bund.» (Diese Worte Jesu deuteten auf fünf verschiedene heidnische Völkerschaften, die der König von Assyrien mit ihrem Götzendienst nach Samaria versetzt hatte, [2 Kön 17, 24] da der größte Tell des Volkes in die babylonische Gefangenschaft geführt worden war. Was von dem ursprünglichen Volk Gottes in Samaria übrig gewesen hatte sich mit diesen Heiden und ihrer Abgötterei vermischt.) Hier erwierderte Dina, die Augen niederschlagend und das Haupt beugend: «Herr, ich sehe, dass Du ein Prophet bist», und sie senkte ihren Schleier wieder. Es erkannte die samaritische Sekte die göttliche Sendung des Herrn und gestand sich schuldig.

Ganz als verstehe Dina den prophetischen Sinn der Worte Jesu: «und der, mit dem du jetzt lebst, ist nicht dein Mann», nämlich deine jetzige Verbindung mit dem wahren Gott ist unrechtmäßig, außergesetzlich, der Gottesdienst der Samariter ist durch Sünde und Eigenmacht getrennt von dem Bunde Gottes mit Jakob, ganz als fühle sie die Bedeutung dieser Worte, deutete sie gegen Süden auf den nahe liegenden Tempel auf dem Berge Garizim und sprach Belehrung suchen: «Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet und ihr sagt, zu Jerusalem sei der Ort, wo man anbeten müsse.» Da belehrte sie Jesus mit den Worten: «Frau! Glaube Mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf dem Garizim noch in Jerusalem den Vater anbetet.» Damit sprach Jesus: «Samaria, die Stunde kommt, wo nicht hier, noch im Tempel Gott in dem Heiligtum angebetet wird, weil Er unter euch wandelt» und weiter fuhr Er fort: «Ihr wisst nicht, was ihr anbetet, aber wir wissen, was wir anbeten, denn das Heil kommt von den Juden.» Hierbei sagte Er ihr ein Gleichnis von wilden unfruchtbaren Nebenschösslingen der Bäume, welche ins Holz und Laub schössen und keine Frucht brächten. Hiermit hatte der Heiland zu der Sekte gesprochen: «Samaria, du hast keine Sicherheit der Anbetung, du hast keinen Bund, kein Sakrament, kein Pfand des Bundes, keine Bundeslade, keine Frucht: all dies, die Verheißung und Erfüllung haben die Juden, aus ihnen wird der Messias geboren.»

Und weiter sprach Jesus: «Aber es kommt die Stunde, und sie ist schon da, wo die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Denn auch der Vater will solche Anbeter. Gott ist ein Geist und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.» Hiermit sprach der Erlöser: «Samaria, die Stunde kommt, ja sie ist schon da, wo der Vater von den rechten Anbetern in dem Heiligen Geist und in dem Sohn, welcher der Weg und die Wahrheit ist, angebetet werden muss.» Dina aber erwiderte Jesus: «Ich weiß, dass der Messias kommt. Wenn Er nun kommen wird, so wird Er uns alles eröffnen.» In diesen Worten sprach der Teil der samaritischen Sekte, welchem ein Anspruch an die Verheißung zustehen konnte, hier am Brunnen Jakobs: «Ich hoffe und glaube die Ankunft des Messias, Er wird uns helfen.» Jesus erwiderte ihr: «Ich bin es, Ich, der mit dir redet.»

Und dies war eben so viel, als hätte Er zu allen aus Samaria, welche sich bekehren wollten, gesagt: «Samaria! Ich kam zum Brunnen Jakobs und dürstete nach dir, du Wasser aus diesem Brunnen! Und da du Mich tränktest, verhieß Ich dir lebendiges Wasser, das nimmer dürsten lässt: und du gestandest Mir glaubend und hoffend deine Sehnsucht nach diesem Wasser. Sieh', Ich lohne dir, denn du hast meinen Durst nach dir durch dein Verlangen nach Mir gestillt. Samaria, Ich bin der Quell des lebendigen Wassers, Ich bin der Messias, der mit dir redet.»

Als Jesus gesagt: Ich bin es, der mit dir redet, blickte Ihn Dina staunend und von heiliger Freude zitternd an: plötzlich aber raffte sie sich auf, ließ ihren Wasserschlauch stehen, ließ den Brunnen offen und eilte den Hügel hinab nach Sichar, ihrem Mann und allen zu verkünden, was ihr geschehen. Es war strenge verboten, den Brunnen Jakobs offen stehen zu lassen. Aber was kümmerte sie noch der Brunnen Jakobs: was kümmerte sie ihr Eimer voll irdischen Wassers! Sie hatte lebendiges Wasser empfangen und ihr liebevolles freudiges Herz verlangte alle damit zu erquicken. Indem sie aber aus dem offen stehenden Brunnenhaus eilte, lief sie an den drei Jüngern vorüber, welche Speise gebracht hatten und schon eine zeitlang in kleiner Entfernung vor der Tür des Brunnenhauses befremdet standen, was nur ihr Meister so lange mit einer samaritischen Frau zu reden haben könne. Sie fragten Ihn aber nicht aus Ehrerbietung. Dina aber lief hinab nach Sichar und sagte ihrem Mann und anderen Leuten auf der Straße mit großem Eifer: «Kommet hinauf zum Brunnen Jakobs, da werdet ihr einen Mann sehen, der hat mir alles geheime Tun meines Lebens gesagt. Kommet. Er ist wohl der Christus!»

Währenddessen traten die drei Apostel zu Jesus an den Brunnen und boten Ihm kleine Brote und Honig aus ihrem Korb an, und sprachen: «Meister esse!» Jesus stand auf, verließ den Brunnen und sprach: «Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt.» Die Jünger aber sprachen untereinander: «Hat Ihm jemand zu essen gebracht?» Und dachten wohl heimlich gar, hat Ihm die samaritische Frau zu essen gebracht? Jesus wollte nicht verweilen, um hier noch erst zu essen, sondern Er ging den Hügel gegen Sichar hinab und während die Jünger hinter Ihm herwandelnd aßen, sprach Er zu ihnen: «Meine Speise ist, den Willen Dessen zu tun, der Mich gesandt hat, dass Ich sein Werk vollbringe.» Er meinte damit, dass Er die Leute in Sichar bekehre, nach deren Heil seine Seele hungere. Er sprach noch mehreres hiervon mit ihnen.

In der Nähe der Stadt kam Dina, die Samariterin, schon wieder Jesus entgegengeeilt. Sie gesellte sich ganz demütig, aber voll Freude und Offenheit zu Ihm, und Jesus sprach bald still stehend, bald sachte wandelnd noch vieles mit ihr. Er enthüllte all ihr Treiben von je und ihre ganze Gesinnung. Sie war sehr gerührt und versprach für sich und ihren Mann, alles zu verlassen und Jesus zu folgen, der ihr mancherlei Wege anzeigte, ihre persönlichen Verschuldungen zu büßen und zu tilgen.

Dina war eine geistreiche Frau von Stand aus gemischter Ehe, einer jüdischen Mutter und einem heidnischen Vater, auf einem Landsitz bei Damaskus geboren. Sie verlor ihre Eltern früh und wurde von einer ausschweifenden Amme genährt, wodurch sie böse Leidenschaften einsog. Fünf Männer hatte sie hintereinander gehabt: sie wurden teils durch Kummer, teils durch ihre Liebhaber hinweggeräumt. Sie hatte drei Töchter und zwei schon ziemlich erwachsene Söhne, die bei den Verwandten ihrer Väter zurückgeblieben waren, als sie selbst Damaskus verlassen musste.

Die Söhne kamen später zu den 72 Jüngern. Der Mann, mit dem sie jetzt lebte, war ein Verwandter eines ihrer früheren Männer, ein reicher Kaufmann. Sie zog, weil sie samaritischer Religion war, mit ihm nach Sichar, führte ihm den Haushalt und lebte unehelich mit ihm. In Sichar hielt man sie für Eheleute. Er war ein starker Mann, von etwa 36 Jahren mit rotem Angesicht und rötlichem Bart. Dina hatte manches gleich Magdalena in ihrem Leben, aber sie war noch tiefer gesunken: doch sah ich auch einmal, dass im Anfang von Magdalenas bösem Leben in Magdalum einer ihrer Liebhaber durch einen zweiten ums Leben kam. Dina war eine ungemein geistreiche, freimütige, leicht hingegebene, anmutige Frau von großer Lebendigkeit und Raschheit, aber immer in ihrem Gewissen gedrückt. Sie lebte jetzt ehrbarer, nämlich mit diesem ihrem angeblichen Mann allein in einem abgesonderten, mit einem Wassergraben umgebenen Haus nahe am Brunnentor in Sichar, wo man, ohne sie zu verachten, doch nicht viel mit ihr umging, weil sie abweichende Sitten hatte und etwas verschieden und gezierter gekleidet ging, was man ihr jedoch als einer Fremden zugut hielt.

Während Jesus mit der Frau sprach, folgten Ihm die Jünger immer in einiger Entfernung mit dem Gedanken was Er nur mit der Frau zu reden habe? «Wir haben die Speise mit solcher Mühe gekauft, warum isst Er nun nicht?»

In der Nähe von Sichar aber verließ Dina den Herrn und eilte voraus, ihrem Mann und vielen andern Leuten entgegen, die neugierig aus dem Tor heraus strömten, Jesus zu sehen. Und da Jesus nahte, stand Dina an der Spitze und zeigte ihnen den Herrn. Die Leute voll Freude jubelten und jauchzten Ihm Willkommen zu. Jesus aber winkte ihnen stillstehend mit der Hand, zu schweigen, redete einige Minuten freundlich zu ihnen und sagte ihnen unter anderem: sie sollten ja alles glauben, was die Frau ihnen gesagt habe. Er war auch in dieser Rede so wunderbar freundlich und sein Blick war so leuchtend und eindringend, dass alle Herzen erschüttert und zu Ihm hingerissen wurden. Dringend baten sie Jesus, doch auch in ihre Stadt zu kommen und zu lehren. Er versprach es ihnen, ging aber jetzt vorüber. Dieses geschah etwa zwischen drei und vier Uhr nachmittags.

Indem Er so mit den Samaritern vor dem Tor sprach, kamen alle die übrigen Jünger, worunter auch Petrus, die morgens nach anderer Richtung etwas zu bestellen gegangen waren, wieder zu Ihm. Auch sie waren erstaunt und nicht recht zufrieden, dass Er so lange mit den Samaritern sprach. Sie fühlten sich teils verlegen deswegen: denn sie waren in dem Vorurteil, gar nicht mit diesem Volk zu verkehren, aufgewachsen, und daher dergleichen ganz ungewohnt. Sie fühlten sich versucht Ärgernis zu nehmen. Sie gedachten an die Mühseligkeiten des gestrigen und vorgestrigen Tages, an allen Hohn und Beschimpfung, an allen bittern Mangel, den sie ertragen: und doch hatten sie erfahren, dass die Frauen in Bethanien so vieles hergeschossen und hatten es sich leichter erwartet. Nun sahen sie den Verkehr mit den Samaritern und meinten stille, auf diese Weise sei es freilich kein Wunder, dass man Ihn nicht besser aufnähme. Sie hatten auch immer wunderliche, irdische Gedanken von dem Reich im Kopf, das Jesus gründen werde, und dachten, wenn dies alles in Galiläa bekannt würde, so würde man sie vielleicht verhöhnen.

Petrus hatte in Samaria viel mit dem Jüngling gesprochen, der aufgenommen werden wollte, der sich aber noch immer besann: er sprach mit Jesus davon.

Jesus ging nun mit ihnen allen etwa eine halbe Stunde um die Stadt nordöstlich und sie ruhten dort unter den Bäumen. Auf diesem Weg und hier sprach der Herr mit ihnen von der Ernte. Er sagte: es sei ein Sprichwort das auch sie oft im Munde führten: «Es ist noch vier Monate und dann kommt die Ernte. Die Faulen wollten immer alle Arbeit weit hinausschieben, aber sie sollten nur sehen, alle Felder stünden weiß zur Ernte.» Damit meinte Er die Samaritern und die andern, welche zur Bekehrung reif seien. «Sie, die Jünger, seien zur Ernte berufen, aber sie hätten nicht gesät, andere hätten gesät, nämlich die Propheten und Johannes und Er selbst. Wer erntet, empfängt Lohn und sammelt die Früchte für das ewige Leben, so dass der Sämann und die Schnitter sich zusammen freuen: denn hier ist das Sprichwort wahr, ein anderer sät ein anderer erntet. Ich habe euch gesandt, das, was ihr nicht gebaut habt einzuernten, andere haben es gebaut ihr seid in die Arbeit eingetreten.» - Solches sprach Er mit den Jüngern, um ihnen Mut zu der Arbeit zu machen. Sie ruhten aber nur eine kurze Weile und trennten sich hierauf: mit Jesus blieben nur Andreas, Philippus, Saturnin und Johannes, die anderen gingen zwischen Thebez und Samaria gegen Galiläa zu.

Jesus ging aber nun, Sichar zur Rechten lassend, etwa eine Stunde südöstlich mit den Jüngern nach einem Feld, wo an zwanzig zerstreute Hirtenhäuser und Zelte standen. Hier in einem der größeren Häuser erwarteten Ihn die heilige Jungfrau und Maria Kleophä, dann die Frau Jakobs des Größeren und zwei der Witwen. Sie waren schon den ganzen Tag hier gewesen, hatten Speise mitgebracht und auch kleine Balsamflaschen. Sie bereiteten ein Mahl. Jesus reichte seiner Mutter bei dem Empfang beide Hände: sie neigte das Haupt vor Ihm, die Frauen grüßten, sich beugend und die Hände vor der Brust kreuzend. Es war vor dem Hause ein Baum, unter welchem die Mahlzeit eingenommen wurde.

Unter den hier umher wohnenden Hirten waren auch die Eltern der Jünglinge, welche Jesus nach Lazarus Erweckung auf der Reise nach Arabien und Ägypten mit sich nahm. Diese Leute hatten den Zug der heiligen drei Könige nach Bethlehem begleitet waren bei deren schneller Rückkehr hier im Lande zurückgeblieben und hatten sich mit Hirtentöchtern aus den Tälern bei Bethlehem verheiratet. Es zogen sich solche Hirtenansiedlungen durch die verschlungenen Täler von hier bis nach Bethlehem zu. Die Leute, welche hier wohnten, bauten auch das Feld auf dem Erbe Josephs, sie hatten es von den Sichemiten gepachtet. Es waren ihrer viele hier versammelt: sie waren keine Samariter.

Das Erste, was hier geschah, war, dass die heilige Jungfrau Jesus bat, Er möge doch einen lahmen Knaben heilen, welchen benachbarte Hirten hierher gebracht hatten. Sie hatten schon früher Maria um ihre Fürbitte gebeten. Es geschah dies sehr oft und war gar rührend, wenn sie Jesus bat. Jesus ließ den Knaben herbeitragen: die Eltern brachten ihn auf einem Tragebettchen vor das Haus, er war ungefähr neun Jahre alt. Jesus ermahnte die Eltern, und als sie etwas schüchtern erwartend zurücktraten, standen die Jünger bei Jesus. Er redete den Knaben an und beugte sich einwenig über ihn, dann nahm Er ihn bei der Hand und hob ihn empor: und er stieg von dem Tragbett herab, konnte wandeln und lief in die Arme seiner Eltern, die sich dann mit ihm vor Jesus niederwarfen. Alle Leute umher jubelten: Jesus ermahnte sie aber, dem himmlischen Vater zu danken. Er lehrte auch noch eine kleine Weile die versammelten Hirten und nahm dann mit den Jüngern eine kleine Mahlzeit ein, welche die Frauen in einer Laube vor dem Haus bei einem großen Baum zugerichtet hatten. Maria und die Frauen saßen abgesondert am Ende des Tisches. Ich glaube, dass dieses Haus vielleicht eine Herberge werden wird, welche von Seite der Frauen von Kapharnaum aus eingerichtet und bedient wird.

Es nahten sich nun schüchtern mehrere Leute aus Sichar und unter ihnen Dina, die Frau vom Brunnen. Sie wagten nicht gleich heranzukommen, weil sie nicht gewohnt waren, mit diesen jüdischen Hirten zu verkehren. Dina aber nahte zuerst und ich sah, dass sie mit den Frauen und der heiligen Jungfrau sprach, und dass nach der Mahlzeit Jesus mit den Jüngern von den heiligen Frauen Abschied nahm, welche sich gleich zur Rückreise nach Galiläa, wohin Jesus übermorgen abgeht, anschickten.

Jesus zog nun mit Dina und den andern Samaritern nach Sichar. Diese Stadt ist nicht sehr groß, hat aber breite Straßen und große Plätze. Das samaritische Bethaus ist geschmückter und reicher gebaut von außen, als die Synagoge an kleinen jüdischen Orten. Die Frauen in Sichar sind nicht so zurückgezogen, wie die Jüdinnen: sie verkehren mehr mit den Männern. Als Jesus nach Sichar kam, umgab Ihn gleich eine große Volksmenge. Er ging nicht in ihre Synagoge, Er lehrte durchwandelnd hie und da auf den Straßen und auf dem Platz, wo ein Redestuhl stand. Überall war der Zusammenlauf der Menschen sehr groß: sie waren voll der Freude, dass der Messias zu ihnen gekommen sei.

Dina, wenn gleich sehr gerührt und in sich gekehrt, ist doch unter den Frauen Ihm am nächsten stehend. Man achtet sie jetzt besonders, weil sie Jesus zuerst gefunden. Sie sandte auch ihren Mann, mit dem sie lebte, zu Jesus, der wenige ermahnende Worte zu ihm sprach. Der Mann stand ganz verschüchtert und sich seiner Sünde schämend vor Ihm. Jesus verweilte nicht lange in Sichar. Er zog zum entgegengesetzten Tor wieder hinaus und lehrte vor der Stadt noch hie und da bei Häusern und Gärten, welche sich eine gute Strecke weit im Tal hinzogen. Er blieb aber eine starke halbe Stunde weit vor Sichar in einer Herberge und versprach den Leuten, am folgenden Tag wieder in Sichar zu lehren.

Als Jesus wieder nach Sichar hineinging, lehrte Er den ganzen Tag in der Stadt auf dem Redestuhl und vor der Stadt auf Hügeln: am Abend aber wieder in der Herberge. Es waren Leute aus der ganzen Gegend da: sie strömten bald hier, bald dorthin. Es hieß: jetzt lehrt Er hier, jetzt lehrt Er dort. - Der Jüngling von Samaria hörte auch einmal zu, sprach aber nicht mit Jesus.

Dina ist überall voran und schreitet durch das Volk auf Jesus zu. Sie ist sehr aufmerksam, sehr gerührt und ernst. Sie hat wieder mit Ihm gesprochen, sie will sich gleich von dem Mann trennen. Sie wollen all das ihrige nach seinem Willen für die künftige Gemeinde und die Armen anwenden. Jesus sagte ihr, wie sie es tun sollte. Es waren sehr viele Leute gerührt und sie sagten zu der Frau: «Du hast recht gesagt: nun haben wir Ihn selbst gehört, Er ist der Messias!» Die gute Frau ist jetzt ganz obenan und so ernst und freudig: ich habe sie immer besonders lieb gehabt.

Jesus lehrte hier wie an den vorhergehenden Orten, von der Gefangenschaft des Johannes, von Verfolgung der Propheten, vom Vorläufer, Wegbereiter, von dem in den Weinberg gesandten Sohn, der erschlagen wird. Er spricht deutlich aus, dass der Vater Ihn gesandt habe. Er lehrte auch über alles, was Er der Frau am Brunnen gesagt, vom lebendigen Wasser, vom Berg Garizim, dass das Heil von den Juden komme, von der Nähe des Reiches und Gerichtes, von der Strafe über die bösen Knechte, welche den Sohn des Herrn des Weinbergs erschlagen. Viele fragten Ihn auch, wo sie sich taufen und reinigen lassen sollten, da Johannes gefangen sei? Und Jesus sagte ihnen, dass des Johannes Jünger bei Ainon jenseits des Jordan wieder taufen, und dass, bis Er hinkomme und taufen lassen werde, sie dahin gehen sollten. Es sind auch schon am folgenden Tag sehr viele dahin gezogen.

Am folgenden Tag lehrte Jesus in der Herberge und auf Hügeln in der Nähe allerlei Volk, Arbeiter und auch jene Sklaven, die Er einmal am Felde der Hirten bei Betharaba nach seiner Taufe getröstet hatte. Es waren auch viele Lauerer von den Pharisäern aus der Gegend zugegen. Sie hörten mit Ingrimm alle seine Lehren, steckten die Köpfe zusammen und murrten höhnisch: wagten aber nicht Ihn anzureden, und Er sah auch nicht nach ihnen. Auch mehrere samaritische Lehrer und Leute waren unbeugsam und verdrossen anwesend.

13. Jesus in Ginnäa und Atharot. Er beschämt die Bosheit der Pharisäer

Als Jesus mit fünf Jüngern die Herberge bei Sichar verließ, wandelte Er, Thebez zur Rechten und Samaria zur Linken lassend, sechs Stunden weit nach der Stadt Ginnäa oder Ginnim, welche in einem Tal auf der Grenze von Samaria und Galiläa lag. Sie kamen am späten Abend mit geschürzten Kleidern in Ginnäa an und begaben sich, da der Sabbat begann, gleich in die Synagoge. Die anderen voraus abgereisten Jünger waren auch hier. Das Gut mochte etwa dreiviertel Stunden von Ginäa entfernt sein. Die heiligen Frauen hatten nach der Abreise von Sichar in Thebez übernachtet. Es war am Tag vor Sabbat ein Fasttag wegen des Murrens der Kinder Israels. Am Sabbat lehrte Jesus in der Synagoge. Die Lesung war vom Zug durch die Wüste, von der Austeilung des Landes Kanaan und aus Jeremias. Jesus legte alles auf die Nähe des Reiches Gottes aus. Er sprach von dem Murren der Kinder Israels in der Wüste und wie sie einen viel näheren Weg hätten nehmen können, nach dem Gelobten Land, wenn sie die Gebote, die ihnen Gott auf Sinai gegeben, gehalten hätten: um ihrer Sünden willen aber seien sie immer wieder zurückgesetzt worden, und die Murrenden seien gar in der Wüste gestorben. So zögen auch sie noch immer in der Wüste herum, in der alle sterben würden, welche gegen das Reich Gottes murrten, das nahe sei und mit ihm das letzte Erbarmen Gottes. Ihr Leben aber sei das Irren in der Wüste: sie sollen nun den nächsten Weg zum verheißenen Reiche Gottes wandeln, der ihnen jetzt gezeigt werde. Er lehrte auch davon, wie die Kinder Israels nicht zufrieden mit dem Richteramt Samuels nach einem Könige geschrieen und wie sie den Saul erhalten hätten. Jetzt da die Prophezeiung erfüllt sei, dass wegen ihrer Gottlosigkeit das Szepter von Juda genommen werde, jetzt verlangten sie wieder nach einem König und nach der Herstellung des Reiches: Gott aber werde ihnen einen König, ihren eigentlichen König senden, wie der Herr des Weinberges seinen Sohn sende, nachdem seine Knechte von den treulosen Weinbauern erschlagen worden. Ebenso würden auch sie ihren König hinausstoßen und töten. Er lehrte aus den Psalmen von dem Ecksteine, den die Bauleute verwerfen und legte es auf den Sohn des Herrn des Weinberges aus. Dann sprach Jesus von der Strafe, die über Jerusalem kommen werde: der Tempel werde nicht mehr stehen und Jerusalem nicht mehr zu erkennen sein: auch von Elias und Elisäus war die Rede.

Es waren zwölf hartnäckige Pharisäer bei dieser Lehre, welche mit Jesus darnach disputierten. Sie zeigten eine Rolle und fragten, was das bedeute, dass Jonas drei Tage im Bauch des Walfisches liege? Jesus antwortete: so werde ihr König der Messias, drei Tage im Grabe ruhen, zum Schoße Abrahams absteigen und wieder auferstehen: sie lachten darüber. Dann traten drei Pharisäer ganz heuchlerisch hervor und sprachen:

«Ehrwürdiger Rabbi, du sprichst immer vom nächsten Weg, nenne uns diesen nächsten Weg.» Jesus erwiderte: «Kennt ihr die zehn Gebote auf Sinai?» Sie sagten: «Ja.» Und Er sprach: «Haltet das Erste davon und liebt den Nächsten wie euch selbst und leget den Untergebenen nicht schwere Bürden auf, die ihr selbst nicht befolgt: das ist der Weg!» Da sagten sie «Das wussten wir auch, was Du da sagst.» Und Jesus entgegnete Ihnen:«Dass ihr es wisst und doch nicht tut, ist eure Schuld, um die ihr werdet gezüchtigt werden.» Und Er warf ihnen vor, dass sie den Leuten so vieles aufbürdeten, und selbst das Gesetz nicht hielten, was sie gerade in dieser Stadt ganz besonders taten. Er sprach auch von den Kleidern der Priester, welche Gott Moses vorgeschrieben, und was sie bedeuteten, und wie sie alles das nicht erfüllten und statt dessen viel Äußerliches und Verkehrtes dazu setzten. Alle waren sehr erbittert konnten Ihm aber nichts anhaben. Manchmal sprachen einige untereinander:«Das ist also der Prophet aus Nazareth! Ja! der Zimmermannssohn!» Die meisten der Pharisäer verließen die Synagoge, ehe Jesus seine Lehre geendet: nur einer blieb bis zum Ende und lud Jesus und die Jünger zur Mahlzeit. Er war besser, als die anderen: doch war er auch ein Laurer.

Es waren auch Kranke vor die Schule gebracht worden: und die Pharisäer hatten Jesus gebeten, sie zu heilen, damit sie ein Zeichen sähen. Jesus heilte aber nicht und sagte, sie wollten nicht glauben an Ihn, und Er wolle sie auch kein Zeichen sehen lassen. Sie wollten Ihn aber am Sabbat in Versuchung führen, zu heilen, um Ihn darüber zu verklagen.

Als der Sabbat geschlossen war, reisten die meisten galiläischen Jünger nach Hause: Jesus aber ging mit Saturnin und zwei anderen Jüngern wieder nach dem Gut des Lazarus. Rührend war es zu sehen, wie Er hier vor den Kindern des Verwalters und Kindern aus der Nachbarschaft, zuerst vor den Knaben und dann vor den Mädchen eine Lehre hielt. Er sprach vom Gehorsam gegen die Eltern und von der Ehrerbietung gegen das Alter. Der Vater im Himmel habe ihnen ihre Väter gesetzt: wie sie diese ehrten, würden sie auch den himmlischen Vater ehren. Er sprach auch zu den Kindern von den Söhnen Jakobs und von den Kindern Israels, wie sie gemurrt hätten und darum nicht in das Gelobte Land gekommen wären: und doch sei das Gelobte Land so schön. Da zeigte Er ihnen die schönen Bäume und Früchte im Garten und sprach vom Himmelreich, wie das uns auch versprochen sei, so wir die Gebote Gottes erfüllen: dieses sei ein viel herrlicheres Land, das hier sei eine Wüste dagegen: sie sollten daher gehorchen und alles dankbar ertragen, was Gott über sie verhänge. Sie sollten nie murren, damit sie in das Himmelreich kämen. Sie sollten nicht zweifeln an dessen Schönheit, wie die Israeliten in der Wüste. Sie sollten glauben, dass es viel besser sei, als hier, ja über alles herrlich. Sie sollten sich das immer in Gedanken fest vorstellen und es verdienen durch jegliche Mühe und Arbeit. Jesus hatte bei dieser Lehre die kleineren der Kinder vor sich. Er hob einzelne an seine Brust, oder umfasste sie zu zwei mit den Armen.

Von dem Gut des Lazarus ging Jesus mit den drei Jüngern wieder südöstlich etwa vier Stunden zurück nach dem hochgelegenen Ort Atharot, einem Hauptsitz der Sadduzäer. Die hier wohnenden Sadduzäer hatten nach Ostern ebenso wie die Pharisäer von Gennabris die Jünger verfolgt, mehrere gefangen genommen und mit Verhören gequält. Einzelne von ihnen waren auch neulich in Sichar gewesen und hatten Jesu Lehren belauert da Er im besonderen auch die Härte der Pharisäer und Sadduzäer gegen die Samariter rügte. Sie hatten damals schon den Plan gemacht Jesus in Versuchung zu führen, und hatten Ihn aufgefordert den Sabbat in Atharot zu halten. Er wusste aber ihr Beginnen und ging den weiteren Weg nach Ginnäa. Mit den Pharisäern in Ginnäa hatten sie sich beredet und am Sabbat morgens Boten zu Ihm geschickt: «Er habe so schön von der Menschenliebe gelehrt. Man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst: Er möge doch nach Atharot kommen und einen Kranken heilen. Wenn Er ihnen dieses Zeichen tue, so wollen sie alle und auch die Pharisäer von Ginnäa an Ihn glauben und seine Lehre in der Gegend ausbreiten.»

Jesus kannte ihre Bosheit und wusste um den Betrug, den sie mit einem Mann gegen Ihn vor hatten. Dieser Mann lag schon mehrere Tage unbeweglich und tot. Sie aber behaupteten gegen alle Einwohner der Stadt er liege in Entzückung. Selbst seine Frau wusste nicht, dass er tot sei. Hätte nun Jesus ihn erweckt, so hätten sie gesagt dass er nicht tot gewesen. Sie kamen Jesus entgegen und führten Ihn vor das Haus des Toten, der einer der ersten Sadduzäer gewesen war und es am ärgsten gegen die Jünger getrieben hatte. Sie trugen ihn auf einem Tragbett heraus auf die Straße, als Jesus herankam. Es standen wohl fünfzehn Sadduzäer und alles Volk umher. Die Leiche sah ganz schön aus. Sie hatten sie aufgeschnitten und einbalsamiert um Jesus zu betrügen. Jesus sagte aber:«Dieser Mensch ist tot und bleibt tot.» Da sagten sie, er sei nur entzückt und wenn er tot sei, so sei er jetzt gestorben. Jesus aber sprach: «Er hat die Auferstehung geleugnet und wird hier nicht auferstehen! Ihr habt ihn mit Gewürzen gefüllt. Aber seht, mit weichen Gewürzen! Deckt seine Brust auf!» Da sah ich, dass einer auf der Brust des Toten die Haut wie eine Klappe aufhob und es brachen eine Menge Würmer sich reckend und rührend daraus hervor. Die Sadduzäer wurden ganz grimmig. Denn Jesus sagte alle seine Sünden und Verbrechen laut und öffentlich aus und dass dieses die Würmer des bösen Gewissens wären, welche er sonst bedeckt habe, und die jetzt sein Herz zerfressen. Er sprach auch drohend ihren Betrug und böse Absicht aus, und sprach sehr hart von den Sadduzäern und auch vom Gericht über Jerusalem und alle, welche das Heil nicht annehmen würden. Sie brachten den Toten aber ganz geschwind wieder in das Haus, und es war ein entsetzliches Lärmen und Schmähen. Als Jesus zum Tor mit den Jüngern wieder hinauszog, warf das aufgehetzte Gesindel mit Steinen hinter ihnen her. Denn die Aufdeckung der Würmer und seiner Bosheit hatte sie gewaltig geärgert.

Unter dem bösen Gesindel waren doch auch einzelne wohlgesinnte Leute, welche weinten. Es wohnten in einer Straße abgesondert kranke, blutflüssige Frauen, die an Jesus glaubten und flehten in der Ferne, denn sie durften als unrein nicht nahen. Er ging, es wohl wissend, barmherzig durch ihre Straße und da Er vorüber war, gingen sie in seine Fußstapfen und küssten sie, und Er schaute sich um, und sie genasen.

Jesus ging noch beinahe drei Stunden bis auf einen Hügel in der Nähe von Engannim. Es liegt dieser Ort ungefähr in derselben Linie wie Ginnäa, aber einige Stunden mehr östlich in einem andern Tal. Es ist dies die gerade Richtung nach Nazareth über Endor und Naim. Von Naim ist es etwa sieben Stunden.

Jesus übernachtete auf diesem Hügel, wohin Ihm Jünger aus Galiläa entgegen gekommen waren, in dem Schuppen einer offenen Herberge, wo sie auch etwas aßen, was die Jünger mitgebracht. Es waren Andreas und der Bräutigam Nathanael und zwei Knechte des sogenannten Hauptmannes von Kapharnaum. Sie baten Jesus sehr dringend, der Sohn des Mannes sei so krank, Er möge doch eilen. Er sagte aber, Er werde zur rechten Zeit kommen.

Dieser Hauptmann war ein in Ruhestand Versetzter von Galiläa. Er war von guter Gesinnung und hatte die Jünger in ihrer letzten Verfolgung gegen die Pharisäer unterstützt, hatte ihnen auch schon mit Geld und Lebensmitteln ausgeholfen. Er war aber noch nicht ganz gläubig, obschon er an die Wunder glaubte. Er wünschte sehr um des Kindes willen und auch um die Pharisäer zu beschämen, Jesus möchte das Wunder an seinem Sohn tun, und auch die Jünger wünschten es. Sie hatten mit Ihm gesprochen:«Da sollen sich die Pharisäer ärgern! da sollen sie sehen, wer Er ist dem wir folgen!»

Darum hatten auch Andreas und Nathanael die Botschaft übernommen. Jesus wusste dies. Er lehrte noch am Morgen der Weiterreise. Die zwei Knechte des Hauptmannes, welche Sklaven und Heiden waren, und Speise mitgebracht hatten, bekehrten sich und zogen mit Andreas und Nathanael wieder gegen Kapharnaum.

14. Jesus in Engannim und Naim

Von der Herberge auf dem Hügel wandelte Jesus mit Saturnin und dem Sohn der Mutterschwester des Bräutigams von Kana und einem Sohn der Witwe Obeds von Jerusalem, einem etwa sechzehn jährigen Jüngling in das nahegelegene Engannim. Er hatte hier weite Verwandte von der Familie Annas, die Essener waren. Diese Leute nahmen Jesus sehr demütig und vertraut bei sich auf. Sie wohnten abgesondert an einer Seite der Stadt und lebten sehr keusch. Es lebten hier auch viele Unverheiratete wie in einem Kloster zusammen. Es war aber nicht mehr die ganz strenge alte Verfassung. Sie waren wie andere gekleidet und gingen mit zur Schule. Sie unterhielten im Ort eine Art Hospital, das von kranken und elenden Menschen aller Sekten angefüllt war und wo an langen Tischen auch die Armen gespeist wurden. Sie nahmen alle auf und unterrichteten und besserten sie. In dem Krankensaal betteten sie einen schlechten Menschen immer zwischen ein paar gute, damit diese ihn ermahnten und besserten. Jesus kam auch nach diesem Hospital und heilte einzelne Kranke.

Jesus lehrte in der Synagoge von Engannim den ganzen Tag. Es waren ungemein viele Menschen aus der Gegend zugeströmt. Sie ruhten scharenweise vor der Synagoge, die sie nicht alle fasste. Wenn eine Schar heraus war, füllte die andere sie wieder an. Er lehrte hier, wie auf der ganzen Reise, nur nicht so drohend, weil die Leute gut gesinnt waren. Es war auch damals wie jetzt. Jedes Örtchen hatte nach der Gesinnung der Priester eine andere Gesinnung.

Jesus sagte, wenn Er gelehrt haben werde, dann wolle Er auch heilen. Er lehrte von der Nähe des Reiches und der Ankunft des Messias. Er führte alle Stellen der Schrift und der Propheten an und wies sie in der Zeit nach. Er sprach von Elias und was er gesagt und gesehen, und nannte die Jahreszahl, wann er es gesehen, und dass er einen Altar in einer Grotte aufgerichtet zur Ehre der Mutter des künftigen Messias. Er beschrieb nun die Zeit, dass es keine andere sein könne, erwähnte, dass das Szepter von Juda genommen sei, und erinnerte sie an den Zug der drei Könige. Er sprach all dies im allgemeinen, als wenn Er von einem Dritten spräche, und erwähnte sich und seine Mutter gar nicht. Er sprach auch von dem Mitleiden und der gütigen Behandlung der Samariter, erzählte die Parabel vom Samariter, doch erwähnte er Jericho nicht. Er sagte, dass er selbst erlebt habe, dass sie hilfreicher gegen die Juden seien, als diese gegen sie. Er erzählte die Geschichte von der samaritischen Frau, und wie sie Ihm Wasser gereicht, was ein Jude nicht so leicht einem Samariter getan haben würde, und wie gut sie ihn überhaupt aufgenommen hätten. Er lehrte auch hier von den Strafgerichten über Jerusalem und von den Zöllnern, deren einige in der Gegend wohnten.

Schon während Jesus noch in der Synagoge lehrte, hatte man aus der Stadt und der ganzen Gegend eine große Menge von Kranken herbeigeschafft. Wo Jesus vorübergehen musste, wurden sie den Häusern entlang auf Tragbetten und Kissen gelegt und Zeltdecken über sie gespannt, und die Ihrigen standen bei ihnen. Es war die Ordnung, dass alle Kranken eine Art beieinander standen. Es war wie ein ganzer Jahrmarkt von elenden Menschen.

Jesus kam nach der Lehre heraus, ging den Kranken entlang, welche Ihn demütig anflehten, und Er heilte unter stetem Lehren und Ermahnen wohl an vierzig Lahme, Blinde, Stumme, Gichtkranke, Fiebernde, Wassersüchtige usw. Besessene sah ich hier keine. Er lehrte auch noch auf einem Hügel in der Stadt, weil des Volkes zu viel war. Das Gedränge wurde aber zuletzt so groß, dass die Leute in die Häuser drangen und auf die Dächer stiegen und die Wände zerbrachen.

Als diese Unordnung begann, verlor sich Jesus in der Menge, verließ die Stadt und ging einen Seitenweg steil durchs Gebirge, wo es einsam war. Seine drei Jünger folgten Ihm nach, mussten Ihn noch suchen, fanden Ihn aber erst in der Nacht betend. Da sie Ihn nun fragten, was dann auch sie beten sollten, wenn Er bete, sprach Er ihnen auf eine ganz kurze Art einige Bitten des Vaterunsers vor, wie: «Geheiligt werde dein Name! Vergib uns unsere Schuld, als auch wir vergeben unsern Schuldigern, und erlöse uns von dem Bösen!» Er sagte: «Betet jetzt nur dieses und tut es auch», und lehrte noch gar wunderbar darüber. Sie taten es gar treulich, wenn Er nicht mit ihnen sprach und für sich allein wandelte.

Sie hatten jetzt immer etwas Speise in Beuteln bei sich, und wenn andere Reisende vorüber zogen, selbst auf Seitenwegen, so eilten sie in Befolgung der Worte Jesus ihnen nach und teilten ihnen, besonders wenn sie Arme waren, mit was sie bedurften.

Engannim ist eine Levitenstadt sie liegt am Abfall eines Tales, das gegen Jezrael zuläuft, auf einer Klaue des östlichen langen Seitengebirges queerüber. In dem Tal fließt der Bach gegen Mitternacht. Die Einwohner treiben hier Tuchweberei und Spinnerei zu Priesterkleidern und arbeiten auch Quasten, seidene Fransen und Knöpfe, welche am Saum dieser Kleider hängen. Die Frauen nähen diese Kleider. Es ist gutes Volk hier.

Jesus zog an Jezrael und an Endor vorbei und kam gegen Mittag vor Naim an und ging dort ohne Aufsehen vor der Stadt in eine Herberge.

Die Witwe von Naim, die Schwester von der Frau Jakobus des Größeren, wusste durch Andreas und Nathanael von seiner nahen Ankunft und hatte auf Ihn warten lassen. Sie kam nun mit einer andern Witwe zu Ihm in die Herberge. Sie warfen sich verschleiert vor Ihm nieder. Die Witwe von Naim bat Jesus, das Anerbieten dieser andern guten Witwe anzunehmen, welche alles das Ihrige zu der Kasse der heiligen Frauen für Verpflegung der Jünger und Armen hergeben und selbst dabei dienen wollte. Jesus nahm das Anerbieten der Witwe an, lehrte und tröstete beide. Sie brachten auch einige Gaben zu einem Mahl, welche die Jünger empfingen, und die Witwe gab ihnen sogleich eine Summe Geldes, welche sie zur Verpflegung nach Kapharnaum den Frauen sendeten.

Jesus ruhte hier mit den Jüngern, denn Er hatte am vorigen Tage in Engannim mit unbeschreiblicher Anstrengung gelehrt und geheilt und war von da etwa sieben Stunden bis hierher gereist. Die neuangekommene Witwe meldete Jesus auch eine andere Frau an, namens Maria, welche das Ihrige ebenfalls hergeben wollte. Jesus aber sagte, sie solle es weiter bewahren, wo es nötiger sein werde. Diese Frau war eine Ehebrecherin und von ihrem Mann, einem reichen Juden in Damaskus, wegen ihrer Untreue verstoßen. Sie hatte von Jesu Barmherzigkeit mit den Sündern gehört war sehr gerührt und hatte kein Verlangen, als Buße zu tun und Gnade zu finden. Sie suchte Martha auf, mit deren Familie sie ferne verwandt war, bekannte ihre Vergehen und bat sie um Fürsprache bei Jesu Mutter. Sie übergab ihr auch einen Teil ihres Vermögens. Martha, Johanna Chusa und Veronika nahmen sich der Büßerin mitleidsvoll an, brachten sie einmal in die Wohnung Marias bei Kapharnaum. Maria blickte sie ernst an und ließ sie längere Zeit in der Ferne stehen. Die Frau aber flehte unter heftigen Tränen und mit wachsender Reue: «O Mutter des Propheten! Bitte deinen Sohn für mich, dass ich vor Gott noch Gnade finde!» Sie war von einem stummen Teufel besessen und musste bewacht werden. Denn in ihren Anfällen konnte sie nicht um Hilfe rufen, und der Teufel trieb sie in das Feuer oder in das Wasser. Kam sie dann wieder zu sich, so lag sie in einer Ecke und weinte erbärmlich. Maria sandte für die Unglückliche einen Boten zu Jesus, der sagen ließ, Er werde seinerzeit kommen, ihr zu helfen.

JESU LEHRWANDERUNGEN IN DER LANDSCHAFT GENEZARETH UND AN DEN UFERN DES JORDAN

1. Der Abgesandte des Hauptmanns von Kapharnaum

Von Naim wandelte Jesus am Tabor vorüber und Nazareth zur Linken lassend nach Kana, wo Er bei einem Schriftgelehrten an der Synagoge einkehrte. Der Vorhof des Hauses war bald voll Menschen, die von Engannim aus seine Ankunft erfahren hatten und Ihn hier erwarteten. Er lehrte den ganzen Morgen, als ein Diener des Hauptmanns von Kapharnaum mit mehreren Begleitern auf Maultieren ankam. Er war sehr eilig und wie in großer Angst und Sorge, und suchte von allen Seiten vergebens durch das Volk zu Jesus durchzudringen, vermochte es aber nicht. Da er mehrmals vergebens zugedrungen war, begann er heftig zu rufen: «Ehrwürdiger Meister, lasse deinen Knecht vor Dich! Ich bin hier als Gesandter meines Herrn von Kapharnaum und als er selbst und als der Vater seines Sohnes, ich bitte Dich, doch gleich mit mir zu kommen, denn mein Sohn ist sehr krank und dem Tod nahe.» Jesus hörte nicht auf ihn. Er aber suchte, da man auf ihn aufmerksam wurde, noch mehr einzudringen, drang jedoch nicht durch und schrie von neuem dasselbe: «Komme doch gleich mit mir, mein Sohn ist am Sterben!» Da er so ungestüm schrie, wendete Jesus das Haupt zu ihm und redete dann zu ihm, dem Volk zu Gehör: «Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht so glaubt ihr nicht. Ich weiß deine Sache wohl. Ihr wollt damit prahlen und den Pharisäern trotzen und bedürft es ebenso sehr, als sie. Das ist nicht meine Sendung, dass ich Wunder tue zu euren Zwecken. Ich bedarf nicht eurer Bestätigung. Ich werde Mich bewähren, wo es der Wille meines Vaters ist, und werde Wunder tun, wo meine Sendung es erfordert!» Er sprach lang und schmähte ihn vor allem Volk: er warte darum schon lange auf Ihn, seinen Sohn heilen zu lassen, um damit gegen die Pharisäer zu prahlen. Sie sollten aber nicht Wunder an sich für andere begehren, sie sollten glauben und sich bekehren.

Das hörte der Mann ohne allen Erfolg an, ließ sich nicht irre machen und drang noch näher und rief nochmals: «Was kann das helfen, Meister? Mein Sohn ist am Sterben! Komme doch gleich mit mir, er ist vielleicht schon tot!» Da sagte Jesus zu ihm: «Gehe hin, dein Sohn lebt!» Der Mann sagte noch: «Ist das gewiss?» Und Jesus sagte: «Er ist gesund in dieser Stunde auf mein Wort.» Da glaubte Ihm der Mann und begehrte nicht weiter, dass Jesus mit ihm reise, bestieg sein Maultier und ritt sehr schnell nach Kapharnaum. Jesus sagte auch noch: Diesesmal wolle Er es noch tun, in einem ähnlichen Fall nicht wieder.

Ich sah diesen Mann nicht als den königlichen Beamten selbst, doch aber als den Vater des Sohnes. Er war ein erster Hausbeamte jenes Hauptmannes von Kapharnaum. Dieser hatte keine Kinder, aber lange darnach verlangt und hatte einen Sohn dieses seines vertrauten Dieners und seiner Frau als den seinen angenommen, der jetzt schon vierzehn Jahre alt war. Der Bote kam als der Gesandte und als der Herr und Vater selbst. Ich habe das alles gesehen und es ist mir das ganze Verhältnis erklärt worden. Darum hat vielleicht Jesus ihn auch so lange rufen lassen. Es war dies übrigens nicht bekannt.

Der Knabe hatte schon lange nach Jesus verlangt. Zuerst war die Krankheit gelinde, und sie verlangten schon nach Jesus um der Pharisäer wegen. Seit vierzehn Tagen aber wurde die Krankheit heftiger, und der Knabe hatte bei den vielen Arzneien immer gesagt: «Die vielen Tränkchen helfen mir nicht. Nur Jesus der Prophet von Nazareth wird mir helfen.» Da nun die Gefahr so groß war, hatten sie schon nach Samaria Botschaft mit den heiligen Frauen und dann wieder durch Andreas und Nathanael gegen Engannim geschickt. Endlich ritt der Vater und Verwalter selbst nach Kana, wo er Jesus fand. Jesus hatte aber gezögert, um ihre Absicht zu strafen.

Es war von Kana nach Kapharnaum eine Tagreise. Der Mann eilte aber so, dass er noch vor Nacht ankam. Ein paar Stunden von Kapharnaum waren ihm schon Knechte entgegen gekommen, die sagten, dass der Knabe gesund sei. Sie hätten ihm nachziehen und sagen sollen, er brauche sich weiter nicht zu bemühen, wenn er Jesus noch nicht gefunden hätte. Man hätte die Kosten sparen können, denn der Knabe sei um die siebente Stunde plötzlich von selbst gesund geworden. Da sagte er ihnen die Worte Jesu und sie wunderten sich und eilten mit ihm nach Hause. Ich sah aber den Hauptmann Serobabel mit dem Knaben ihm unter der Tür entgegen kommen. Der Knabe umarmte ihn, und er erzählte die Worte Jesu und seine mitgewesenen Knechte beteuerten alles. Da war ein großer Jubel. Ich sah auch ein Mahl bereiten. Der Jüngling saß zwischen seinem Pflegevater und wirklichen Vater und die Mutter saß auch dabei. Der Knabe liebte den rechten Vater ebenso sehr wie den vermeintlichen, und jener hatte auch große Gewalt im Haus.

Nachdem Jesus den Mann von Kapharnaum abgefertigt hatte, heilte Er noch mehrere Kranke, welche in einen Hof des Hauses gebracht waren. Es waren mehrere Besessene dabei, doch nicht von der bösartigen Gattung. Die Besessenen wurden oft mit zu seiner Lehre geführt. Wenn sie kamen, so tobten und warfen sie sich entsetzlich. Sobald aber Jesus ihnen Ruhe befahl, da wurden sie ganz still. Nach einer gewissen Zeit aber war es, als könnten sie es nicht länger mehr aushalten und sie fingen wieder an zu zucken. Dann winkte Jesus mit der Hand, und sie hielten wieder ein, und nach der Lehre befahl Er dem Satan auszuweichen, wobei sie gewöhnlich ein paar Augenblicke wie ohnmächtig zusammensanken und dann fröhlich dankend erwachten und nicht wussten, wie ihnen gewesen war. Es sind aber solche gutartige Besessene, Menschen, welche ohne ihre Schuld besessen sind. Ich kann es nicht deutlich erklären. Aber ich habe es hier und auch sonst deutlich gesehen, wie es zusammenhängt dass neben einem bösen Menschen, welcher aus Gnade und Langmut noch verschont bleibt, oft der Satan einen schwachen Unschuldigen, der jenem Bösen verwandt ist in Besitz nimmt. Es ist dann, als wenn dieser einen Teil der Strafe des andern auf sich nehme. Ich kann dies nicht so recht deutlich machen. Es hängt damit zusammen, dass wir Glieder eines Leibes sind, und es ist so, wie wenn ein gesundes Glied durch die Sünden eines andern Gliedes infolge eines geheimen inneren Bezuges erkrankt. Solche Besessene waren hier. Die Bösartigen sind viel fürchterlicher und wirken mit dem Satan mit. Die andern leiden nur, und sind dazwischen ganz fromm.

Jesus lehrte nachher in der Synagoge, wohin mehrere anwesende Schriftgelehrte aus Nazareth Ihn einluden. Sie sagten, es sei in seiner Vaterstadt erklungen, welche große Wunder Er in Judäa, Samaria und Engannim getan. Er wisse aber wohl, in Nazareth sei man der Meinung, wer nicht in der Schule der Pharisäer gelernt habe, der könne nicht viel wissen. Es sei daher ihr Wunsch, Er möge zu ihnen kommen und sie eines Besseren belehren. Sie meinten, Ihn dadurch zu locken. Jesus antwortete ihnen, Er werde noch nicht kommen, und wenn Er komme, dann werden sie das nicht von Ihm erhalten, was sie verlangten.

Nach der Synagoge war Er bei einem großen Mahl in dem Haus des Brautvaters von Kana. Die Witwe, die Tante des Bräutigams, die Braut und der Bräutigam waren auch zugegen. Nathanael, der Bräutigam, war als ein Jünger gleich zu Jesus gekommen und hatte bei der Lehre und Krankenheilung geholfen, Ordnung zu halten. Der Bräutigam und die Braut wohnen allein. Sie haben auch keine Wirtschaft, sie erhalten Speise von den Brauteltern. Ihr Vater hinkt ein wenig, es sind gute Leute. Kana ist ein schöner reinlicher Ort auf einer hohen Ebene. Es ziehen mehrere Landstraßen durch und es geht von hier ein Weg gerade nach Kapharnaum, wohin es etwa 7 Stunden sein mögen. Es senkt sich der Weg etwas dahin.

Nach der Mahlzeit ging Jesus zu seiner Wohnung und heilte noch mehrere Kranke, die Seiner harrten. Er heilt nicht immer auf dieselbe Art. Bald befiehlt Er, bald legt Er die Hände auf, manchmal beugt Er sich über sie, manchmal befiehlt Er, sich noch zu baden, bald mischt Er Staub in seinen Speichel und bestreicht ihre Augen. Manche ermahnt Er, andern sagt Er ihre Sünden, andere weist Er ab.

2. Jesus in Kapharnaum

Da Jesus mit den Jüngern, die mit Ihm nach Kana gekommen waren, von da nach Kapharnaum wanderte, folgte Ihm auch Nathanael, dessen Frau mit ihrer Tante und anderen dahin bereits vorausgegangen war. Der sieben Stunden lange Weg geht ziemlich gerade und führt an einem kleinen See, wie der zu Ainon, vorüber, um den Landhäuser mit Gärten liegen. Es fängt hier die herrliche fruchtbare Strecke von Genezareth an, in der an manchen Stellen Warttürme erbaut sind.

Als Jesus in die Nähe von Kapharnaum kam, tobten mehrere Besessene vor den Toren und in der Stadt und schrieen: «Der Prophet kommt! Was will Er hier? Was hat Er mit uns zu schaffen?» Als Er aber vor Kapharnaum ankam, da verliefen sich die Besessenen. Es war vor der Stadt ein Zelt errichtet. Der Hauptmann und der Vater des Knaben führten diesen zwischen sich Jesus entgegen, und es folgte seine ganze Familie, alle seine Knechte und Angehörigen und Sklaven. Diese waren Heiden, welche ihm Herodes sendete. Es war eine ganze Prozession. Alle warfen sich vor Jesus nieder und dankten. Sie wuschen Ihm die Füße und reichten Ihm einen Becher und Bissen. Jesus legte dem vor Ihm knienden Knaben unter Ermahnungen noch die Hand auf den Kopf und er erhielt nun den Namen Jesse, da er vorher Joel geheißen hatte. Der Hauptmann hieß Serobabel. Dieser ersuchte Jesus dringend, bei ihm in Kapharnaum einzukehren und eine Mahlzeit einzunehmen. Jesus aber schlug es ihm ab und verwies ihm nochmals seine Begierde, Wunder von Ihm zu sehen, um andere zu ärgern. Er sagte: «Ich würde den Knaben nicht geheilt haben, wenn der Glaube des Boten nicht so stark und dringend gewesen wäre.» Hierauf setzte Jesus seinen Weg fort.

Serobabel aber hatte ein großes Festmahl bereiten lassen. Alle Diener und Arbeiter seiner vielen umherliegenden Gärten waren herzu gerufen. Allen war das Wunder erzählt worden, alle glaubten gerührt an Jesus und während des Mahles stimmte das Gesinde und viele Arme, denen Geschenke ausgeteilt wurden, einen Lobgesang in der Vorhalle an.

Das Wunder war schon ganz früh in Kapharnaum bekannt gemacht. Serobabel sendete die Nachricht an die Mutter Jesu und an die Apostel, die ich alle wieder mit ihrer Fischerei beschäftigt sah. Ich sah auch, dass die Nachricht zu der Schwiegermutter des Petrus gebracht wurde, welche krank darniederlag.

Jesus ging um Kapharnaum herum nach der Wohnstelle seiner Mutter, wo noch etwa fünf Frauen und Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes versammelt waren. Sie kamen Ihm entgegen, und es war eine große Freude über seine Ankunft und seine Wunder. Er nahm hier ein Mahl ein und begab sich dann gleich mit den Jüngern nach Kapharnaum zum Sabbat. Die Frauen blieben zu Hause.

In Kapharnaum waren eine große Volksmenge und viele Kranke versammelt. Die Besessenen liefen und schrieen in den Straßen, als Jesus kam. Er gebot ihnen zu schweigen und ging mitten durch sie durch nach der Synagoge. Nach dem Gebet ward ein hartnäckiger Pharisäer Namens Manasse aufgerufen: an ihm sei die Reihe vorzulesen. Jesus aber begehrte die Rollen und sagte, dass Er lesen wolle. Da gaben sie Ihm die Rolle und Er las zuerst aus dem Anfang des fünften Buches Mose bis zu dem Murren der Kinder Israel und lehrte von dem Undank ihrer Väter und von der Barmherzigkeit Gottes mit ihnen und von der Nähe des Reiches, und dass sie sich jetzt hüten sollten, wie damals zu tun. Er legte alle jene Wege und Irrsale auf ihre jetzigen Irrtümer aus und stellte das damalige Gelobte Land dem jetzt so nahen Reich gegenüber. Dann las Er auch noch das erste Kapitel vom Isaias. Er legte es auf die jetzige Zeit aus und sprach von den Lastern und der Strafe, und wie sie so lange einen Propheten erwartet hätten und wie sie nun mit dem umgehen würden, den sie jetzt hätten. Er sprach von allerlei Tieren, die ihren Herrn erkannten, sie aber würden Ihn nicht erkennen. Er sprach auch, wie der, der ihnen helfe, durch ihre Misshandlung aussehen werde, und wie Jerusalem würde gestraft werden, wie die heilige Gemeinde nur sehr klein sein werde. Der Herr werde sie aber groß machen und die andern würden vertilgt werden. Er sprach, sie sollten sich bekehren und wenn sie auch ganz mit Blut bedeckt wären, sollten sie zu Gott schreien und sich bessern, und sie würden rein werden. Er lehrte dann noch von Manasse, wie er so schändlich gewesen sei und wie er gelästert habe vor Gott und darum zur Strafe gefangen nach Babyion geführt worden sei, und wie er sich bekehrt, zu Gott gebetet und noch Verzeihung erhalten habe. Er schlug auch eine Rolle wie zufällig auf und las die Stelle Isaias 7, 14. «Sieh eine Jungfrau wird gebären» und legte dieses auf sich aus und auf die Ankunft des Messias.

Dasselbe hatte Er bei seiner Anwesenheit in Nazareth vor seiner Taufe auch so ausgelegt und sie hatten Seiner noch gespottet und gesagt: «Butter und Honig haben wir Ihn nicht viel essen sehen bei seinem Vater, dem armen Zimmermann.»

Die Pharisäer und viele andere Leute in Kapharnaum waren gar nicht zufrieden, dass Er ihnen heute so scharf über den Undank lehrte: denn sie hatten sich etwas Schmeichelhaftes erwartet, weil Er so gut aufgenommen worden sei. Die Lehre dauerte ziemlich lange, und als Jesus herausging, hörte ich ein paar Pharisäer sich einander zuflüstern: «Sie haben Kranke ausgestellt, ob er es wagen wird, sie am Sabbat zu heilen?» Man hatte die Straße mit Fackeln und viele Häuser mit Lampen erleuchtet. Einige Häuser der Übelgesinnten waren dunkel. Die Leute hatten, wo Er vorüberging, noch Kranke vor den Häusern und Licht dabei. Andere wurden mit Licht in den Armen ihrer Angehörigen in die Türen geschleppt. Es war ein großes Getümmel und Jauchzen in den Straßen und mehrere Besessene schrieen Ihn an, und Er befreite sie mit Befehl. Einen solchen sah ich ganz wild und wütend gegen Jesus springen und mit einem fürchterlichen Angesicht und emporgesträubten Haaren Ihn anschreien: «Du! was willst Du hier? Was hast Du hier zu schaffen?» Da stieß ihn Jesus zurück und sagte: «Fahr aus, Satan!» Und ich sah den Menschen niederstürzen, als müsste er Hals und Beine gebrochen haben. Er richtete sich aber ganz verwandelt und sanft auf, kniete vor Jesus, weinte und dankte. Jesus befahl ihm, sich zu bessern. Viele sah ich Ihn so im vorübergehen heilen.

Darauf wandelte Jesus mit den Jüngern nach dem Haus seiner Mutter. Es war Nacht. Unterwegs sprach Petrus von seinem Haushalt: «er habe doch bei seiner Fischerei viel versäumt da er so lange abwesend gewesen sei, er müsse für Frau und Kinder und für seine Schwiegermutter sorgen.» Johannes erwidert ihm: «und er mit Jakobus für seine Eltern sorgen, das sei noch wichtiger, als eine Schwiegermutter», und so redeten sie ganz natürlich und teils scherzhaft miteinander. Jesus aber sagte: es werde bald die Zeit kommen, da sie dieses Fischen ganz aufgeben würden und andere Fische fangen. Johannes war viel kindlicher und vertrauter mit Jesus als die andern. Er war so lieblich und in alles ergeben, ohne Sorge und Widerspruch. Jesus ging zu seiner Mutter, die andern nach Haus.

Des anderen Tages ging Jesus früh mit seinen Jüngern nach Kapharnaum aus der Wohnung seiner Mutter, die etwa dreiviertel Stunden gegen Bethsaida zu liegt. Der Weg führte von da etwas aufwärts und dann wieder abwärts nach Kapharnaum. Ehe man zum Tor von Kapharnaum kam, lag ein Haus am Weg, welches dem Petrus gehörte, der es für Jesus und die Jünger bestimmte und einen frommen alten Mann als Verwalter dahin setzte. Vom See war das Haus etwa anderthalb Stunden entfernt. In Kapharnaum fanden sich alle Jünger aus Bethsaida und der Umgegend ein, auch Maria und die heiligen Frauen kamen dahin. Es waren sehr viele Kranke in den Straßen aufgestellt, als Jesus kam, welche schon Tags zuvor gekommen und noch nicht geheilt waren. Jesus heilte sehr viele auf dem Weg zur Synagoge, in welcher Er unter anderem über eine Parabel lehrte. Und da Er beim Herausgehen vor der Synagoge noch lehrte, warfen sich mehrere vor Ihm nieder und begehrten Vergebung ihrer Sünden. Es waren zwei ehebrecherische von ihren Männern verstoßene Frauen und etwa vier Männer, worunter die Verführer dieser Frauen. Sie zerflossen in Tränen und wollten ihre Sünden vor dem ganzen versammelten Volk bekennen. Jesus aber sagte zu ihnen, dass ihre Sünden Ihm bekannt seien. Es werde eine Zeit kommen, wo das offene Bekenntnis nötig sein werde. Hier aber könne es nur Ärgernis und ihnen Verfolgung bringen. Er ermahnte sie auch, über sich zu wachen, damit sie nicht zurückfielen, nie aber, selbst bei dem Rückfall, nicht zu verzweifeln, sondern sich zu Gott zu wenden und zur Buße. Er vergab ihnen ihre Sünden. Und da die Männer fragten, zu welcher Taufe sie gehen sollten, ob zu der Johannesjünger-Taufe, oder ob sie seiner Jünger Taufe harren sollten, sagte Er, sie sollten zur Johannesjünger-Taufe gehen.

Die Pharisäer, die gegenwärtig waren, wunderten sich sehr, dass Er Sünden zu vergeben wage, und setzten Ihn darüber zur Rede. Jesus aber brachte sie mit seinen Antworten zum Schweigen und sagte, es sei Ihm leichter, die Sünden zu vergeben, als zu heilen: denn wer aufrichtig bereue, dem seien die Sünden vergeben und er sündige nicht leicht wieder. Die Kranken aber, die geheilt würden am Leib, blieben oft an der Seele krank und gebrauchten ihren Leib zur Sünde. Sie fragten Ihn auch, ob denn nun, da diesen Frauen ihre Sünden vergeben seien, ihre Männer, die sie verstoßen, sie wieder nehmen müssten. Jesus sagte, hierüber erlaube die Zeit nicht zu sprechen. Er wollte sie ein andermal darüber belehren. Auch über das Heilen am Sabbat fragten sie Ihn, und Er verteidigte sich und sagte: wenn ihnen ein Tier in den Brunnen falle am Sabbat so zögen sie es heraus.

Nachmittags ging Er in das Haus vor Kapharnaum mit allen Jüngern: die heiligen Frauen waren schon dort. Es wurde hier eine Mahlzeit genommen, welche der Hauptmann Serobabel besorgt hatte. Dieser und Salathiel, der Vater des Knaben, lagen mit zu Tisch, Jesse der Knabe diente. Die Frauen saßen an einem andern Tisch. Jesus lehrte. Sie schleppten Ihm die Kranken bis in dieses Haus, und drangen mit Hilfegeschrei in den Speisesaal. Er heilte viele. Nach Tisch ging Er abermals in die Synagoge, und ich hörte Ihn unter anderem von Isaias lehren, wie er dem Könige Achaz prophezeit: «Sieh, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären usw.» (Is 7, 14).

Als Er die Synagoge verließ, heilte Er noch viele Menschen auf den Straßen bis in die Nacht. Unter diesen befanden sich viele blutflüssige Frauen, welche entfernt und verhüllt traurig standen und Ihm und dem Volk nicht nahen durften. Jesus wusste ihr Leid, wendete sich gegen sie und heilte sie mit einem Blick. Er berührte solche Leidende nie. Es liegt ein Mysterium in diesem Verbot das ich jetzt nicht aussprechen kann. An diesem Abende brach ein Fasttag an.

Als Er mit den Jüngern nach seiner Mutter Haus ging, war die Rede davon, dass Er am Morgen mit ihnen nach dem See gehen wolle, und ich hörte, dass Petrus sich wegen seines schlechten Schiffes entschuldigte.

Die Leute, denen Er die Sünden vergeben hatte, waren in Bußkleidern und verhüllt. Am vorletzteri Sabbat waren die Juden schwarz gekleidet gewesen und die ganze letzte Zeit war ein Bußleben wegen der Feier der Zerstörung Jerusalems. Darum auch seine strengen Lehren von der Strafe über Jerusalem. Bei dem Hinausgehen aus Kapharnaum führte der Weg Jesus an einem Gebäude vorüber, welches von Wasser umgeben war. Hier wurden die bösartigeren Besessenen abends eingesperrt. Sie tobten und schrieen bei seinem Vorübergehen: «Da geht Er! Was will Er? Warum will Er uns vertreiben?» Da Jesus gebot: «Schweigt und bleibt bis Ich wieder komme, dann ist eure Zeit zu weichen» wurden sie ruhig.

Als Er die Stadt verlassen hatte, versammelten sich die Pharisäer und Oberen der Stadt, und der Hauptmann Serobabel war auch dabei. Sie hielten Rat über alles, was sie gesehen und was sie von Jesus halten sollten, welche Maßregeln ergreifen. Sie sagten: «Welchen Aufstand und Unruhe macht dieser Mensch! Aller ruhige Gang wird gestört, die Leute verlassen ihre Arbeit und ziehen mit Ihm herum. Er beunruhigt und beschimpft alles mit seinen Strafreden. Er spricht immer von seinem Vater: ist er nicht von Nazareth, der Sohn des armen Zimmermanns? Wie kann Er solche Kühnheit und Sicherheit haben? Auf welches Recht stützt er sich? Er heilt und stört am Sabbat! Er vergibt die Sünden! Kommt seine Kraft von oben? Hat er geheime Künste? Wo hat Er alle seine Auslegungen der Schrift her? Ist er nicht in die Schule gegangen zu Nazareth? Er muss irgend einen geheimen Zusammenhang haben mit einem fremden Volk! Er spricht immer von der Ankunft des Reiches, der Nähe des Messias, der Zerstörung Jerusalems. Sein Vater Joseph war von vornehmem Geschlecht. Vielleicht ist Er ein unterschobenes Kind von einem andern mächtigen Vater, der sich Anhang im Land sucht und sich der Herrschaft von Judäa bemeistern will. Er muss eine große geheime Hinterlage, eine unbekannte Unterstützung haben, auf die Er sich verlässt sonst könnte Er nicht so sicher und kühn, als hätte Er alles Recht dazu, gegen allen Gebrauch und Autorität handeln. Er war oft lange abwesend, in welchen Verbindungen muss Er stehen? Wo mag Er seine Künste und Wissenschaften herhaben? Was ist zu tun mit Ihm?» So redeten sie in mancherlei Vermutungen und Ärgernis durcheinander. Der Hauptmann Serobabel hielt sich ganz ruhig und wusste sie zuletzt auch zu beruhigen. Denn er sagte zu ihnen, sie sollten sich ohne Sorge verhalten: «Ist seine Macht von Gott, so wird sie sich gewiss bestätigen. Ist es nicht so, so wird sie zerfallen. So lange Er uns heilt und bessert, dürfen wir Ihn gewiss lieben, und dem danken, der Ihn gesandt hat.»

Tags darauf wandelte Jesus des morgens mit etwa zwanzig Jüngern gegen den See, nicht den geraden Weg, sondern südlich um die Höhe herum, an welcher das Haus Marias gegen Abend liegt. Dieser Berg ist nur der Auslauf einer Wurzel des nördlich laufenden Berges, von diesem jedoch durch eine Tiefe etwas geschieden. Jesus ging einen Lehrweg. Es waren hier viele schöne Wässerchen, die von den Höhen in den See flossen. Es floss auch das Flüsschen von Kapharnaum an dieser Seite. Die Quellen durchschnitten hier das Land reichlich und flossen um Bethsaida herum. Jesus ruhte mehrmals mit ihnen an lustigen Plätzen und stand auch oft still und lehrte vom Zehnten. Die Jünger klagten über große Bedrückungen, welche zu Jerusalem mit den Zehnten geschähen, und meinten, ob dieses nicht abgestellt werden könne. Er sprach, dass den zehnten Teil aller Früchte dem Tempel und seinen Diener zu geben von Gott befohlen sei, damit die Menschen sich erinnerten, dass sie kein Eigentum, sondern nur das Gebrauchsrecht hätten. Auch von den Gemüsen sollte man den Zehnten geben durch Enthaltung. Die Jünger sprachen auch von Samaria und äußerten, dass es ihnen leid sei, seine Abreise von dort vielleicht befördert zu haben. Sie hätten nicht gewusst, dass diese Leute so begierig auf diese Lehre gewesen, und sie so gut aufgenommen hätten. Er wäre ohne ihr Drängen vielleicht länger dort geblieben. Jesus sagte aber, die zwei Tage, die Er dort gewesen, seien hinreichend gewesen, die Sichemiten hätten heißes Blut und seien schnell bewegt, es würden doch vielleicht nur zwanzig von den Bekehrten jetzt standhaft bleiben, die künftige, größere Ernte überlasse Er ihnen.

Die Jünger, von seiner letzten Lehre bewegt, sprachen mitleidig von den Samaritern, und erwähnten zu ihrem Lob die Geschichte des Mannes, der bei Jericho unter die Räuber gefallen, an dem der Priester und Levit vorübergegangen, und den der Samarit aufgenommen und mit Wein und Öl gesalbt habe. Diese Geschichte war bekannt. Sie war wirklich geschehen und zwar in den ersten Zeiten bei Jericho. Jesus nahm von ihrem Mitleiden mit dem Verwundeten und ihrer Freude an der Wohltat des Samariters die Veranlassung, ihnen eine ähnliche Parabel zu erzählen. Er begann von Adam und Eva und dem Sündenfall, den Er wie in der Bibel einfach erzählte, und wie sie aus dem Paradies gestoßen auch in eine Wüste voll Räubern und Mördern gekommen mit ihren Kindern und wie der Mensch daliege mit Sünden geschlagen und verwundet in der Wüste. Da habe der König des Himmels und der Erde alles mögliche getan, dem armen Menschen Hilfe zu verschaffen. Er habe sein Gesetz und ausgerüstete Priester gesandt und viele Propheten und alle seien vorübergegangen, und keiner habe dem Kranken geholfen: teils habe er die Hilfe auch verschmäht. Endlich habe er seinen eigenen Sohn geschickt in armer Gestalt zu den elenden Menschen. Und nun beschrieb Er seine eigene Armut: ohne Schuhe, ohne Kopfbedeckung, ohne Gürtel usw. und dieser habe Öl und Wein in seine Wunden gegossen, ihn zu heilen. Aber die selbst, welche mit allem gerüstet sich des Armen nicht erbarmt hätten, hätten den Sohn des Königs gefangen und getötet, der den Elenden mit Öl und Wein geheilt habe. Dies gab Er ihnen auf, darüber nachzudenken und Ihm zu sagen, was sie davon dächten, Er wolle es ihnen dann erklären. Sie verstanden Ihn nicht, merkten aber doch, dass Er sich mit dem armen Königssohn ganz beschrieben und hatten allerlei Gedanken und Geflüster untereinander: wer nur sein Vater sein möge, von dem Er immer spreche? Er berührte auch noch ihre gestrige Besorgnis um ihr Versäumnis bei der Fischerei und führte den Königssohn an, der alles verlassen, und da die andern bei ihrer Fülle den elenden Verwundeten darben ließen, dieser ihn mit Öl und Wein gesalbt habe. Er sprach: «der Vater werde die Diener seines Sohnes nicht verlassen, und sie würden alles reichlich wieder erhalten, wenn Er in seinem Reiche sie um sich versammeln werde.»

Unter solchen und manchen anderen Lehren kamen sie unterhalb Bethsaida an den See, wo des Petrus und Zebedäus Schiffe lagen. Es war eine abgeschlossene UfersteIle, und an dem Ufer waren mehrere leichte Erdhütten für die Fischer angebracht. Jesus ging mit den Jüngern hinab. Auf den Schiffen waren heidnische Sklaven und keine Juden, mit Fischen beschäftigt, weil ein Fasttag war. Zebedäus war in der Hütte am Ufer. Jesus sagte: sie sollten aufhören zu fischen, und an Land kommen, und sie taten es. Da lehrte Er auch hier.

Hierauf ging Er den See aufwärts gegen Bethsaida, welches wohl eine halbe Stunde von hier liegt. Die Fischergerechtigkeit des Petrus umfasst etwa eine Stunde des Ufers. Zwischen dem Lager der Schiffe und Bethsaida war eine Bucht. Es gossen sich hier viele kleine Bäche in den See, Arme des Baches, der von Kapharnaum durch das Tal kommt und mehrere andere Quellen aufnimmt. Vor Kapharnaum bildet er einen großen Teich. Jesus ging nicht ganz nach Bethsaida, sondern sie wendeten sich gegen Abend und gingen an der mitternächtlichen Seite des Tales bis an das Haus des Petrus, das an der Morgenseite der Anhöhe liegt, an deren Abendseite das Haus Mariä sich befindet.

Jesus ging mit Petrus in sein Haus, wo Maria und die andern heiligen Frauen versammelt waren. Die andern Jünger gingen nicht mit hinein, sie hielten sich in der Nähe im Garten auf, oder gingen voraus nach Marias Haus. Als Petrus mit Jesus in sein Haus ging, sagte er zu Ihm: «Herr, wir haben einen Fasttag gehabt, aber Du hast uns gesättigt.» Das Haus des Petrus war ganz gut in Ordnung, mit Vorhof und Garten, es war lang und oben konnte man darauf gehen und hatte eine schöne Aussicht nach dem See. Ich sah weder die Stieftochter des Petrus, noch Söhne, die er mit der Frau angeheiratet - sie schienen in der Schule zu sein. Seine Frau war bei den heiligen Frauen, er hatte keine Kinder mit ihr. Seine Schwiegermutter, eine kränkliche, hagere, große Frau ging an den Wänden sich stützend umher.

Jesus sprach lange mit den Frauen über die Einrichtung der Verpflegung hier oben an dem See, wo Er sich viel aufzuhalten gedenke. Er ermahnte sie ohne Verschwendung und Leichtsinn, aber auch ohne Sorge und Ängstlichkeit zu sein. Er für sich brauche sehr wenig, und es sei Ihm nur für die Jünger nötig und für die Armen. Von da ging Er mit den Jüngern nach Marias Wohnung, wo Er noch mit ihnen sprach und sich dann zum Gebet absonderte.

Der Bach von Kapharnaum fließt beim Haus des Petrus entlang, und er kann von da auf einem kleinen Kahn, in dessen Mitte ein Sitz ist, bis in den See mit seinem Fischgerät fahren.

Da die heiligen Frauen von Jesus hörten, dass Er zum nächsten Sabbat nach Nazareth, welches neun bis zehn Stunden von hier ist, gehen wolle, sahen sie es nicht gern und wünschten, Er möchte hier bleiben oder wenigstens doch bald wieder hierher kommen. Er sagte: Er glaube nicht, dass Er lange dort bleiben werde: denn sie würden nicht mit Ihm zufrieden sein, weil Er nicht tun könne, was sie verlangten. Er sagte auch mehrere Punkte, die sie Ihm vorwerfen würden, und machte seine Mutter darauf aufmerksam. Er wolle es ihr sagen, so es eingetroffen.

3. Jesus in Bethsaida

Jesus ging mit den Jüngern von Marias Haus an der mitternächtlichen Seite des Tales dem Abhang des Berges entlang nach Bethsaida, welches etwa eine kleine Stunde Wegs war. Die heiligen Frauen gingen aus dem Haus des Petrus, dorthin in das Haus des Andreas, das am Ende von Bethsaida gegen Mitternacht lag, in gutem Stand, aber nicht so groß wie Haus des Petrus war.

Bethsaida ist ein kleines Fischerstädtchen, das nur in der Mitte etwas landeinwärts liegt und sich in zwei dünnen Armen an dem See hinstreckt. Von der Schiffstelle des Petrus gegen Norden, sieht man es vor sich liegen. Es ist meist von Fischern und außerdem von Deckenwebern und Zeltmachern bewohnt. Es ist ein rohes und einfältiges Volk und kommt mir immer vor, wie die Torfarbeiter gegen andere Leute bei uns zu Lande. Die Decken werden aus Ziegen- und Kamelhaaren gemacht. Die langen Haare, welche die Kamele am Hals und der Brust haben, kommen wie Fransen und Borten an die Ränder, weil sie so schön glänzend sind.

Der alte Hauptmann Serobabel war hier nicht mit. Er war ein schwächlicher Mann und konnte nicht weit gehen. Er hätte zwar reiten können, aber da hätte er doch Jesus Lehren unterwegs nicht gehört. Auch war er ja noch nicht getauft. Es waren sehr viele Leute aus den umliegenden Orten hier, auch viele Fremde von jenseits des Sees, aus der Landschaft Chorazim und aus Bethsaida-Julias gegenüber.

Jesus lehrte hier in der Synagoge, welche nicht sehr groß ist, von der Nähe des Reiches Gottes, und sprach es ziemlich deutlich aus, dass Er der König dieses Reiches sei, und erregte, die gewöhnliche Verwunderung seiner Jünger und Zuhörer. Er lehrte im allgemeinen, wie alle diese Tage, und heilte viele Kranke, welche vor die Synagoge gebracht wurden. Es schrieen Ihn auch mehrere Besessene an: «Jesus von Nazareth, Prophet, König der Juden!» Jesus befahl ihnen, zu schweigen, es sei noch nicht die Zeit, auszusprechen, wer Er sei.

Als Er seine Lehre und Heilung vollendet hatte, gingen sie zum Haus des Andreas, um zu essen. Aber Jesus ging nicht hinein und sagte, Er habe einen andern Hunger. Er ging aber mit Saturnin und einem andern Jünger etwa eine halbe Viertelstunde den See aufwärts von Andreas Haus in ein abgesondert am See liegendes Hospital, worin arme Aussätzige, Schwachsinnige und sonst verlorene, elende Menschen schier ganz vergessen schmachteten. Es waren fast ganz nackte Leute darunter. Es folgte Ihm niemand aus der Stadt um sich nicht zu verunreinigen. Die Zellen dieser armen Leute gingen rund um einen Hof. Sie kamen nicht heraus, man reichte ihnen die Speise durch Löcher in den Türen. Jesus ließ sie durch den Aufseher des Hauses herausführen, und durch seine Jünger Decken und Kleider bringen, sie zu verhüllen. Er lehrte und tröstete sie, ging von einem zum andern im Kreis herum, und heilte mit Auflegung der Hände viele. Manche überging Er noch und einzelnen befahl Er, sich zu baden und andere Verrichtungen. Die Genesenen sanken vor ihm nieder, dankten und weinten. Es war rührend - diese Leute waren ganz verkommen. Jesus nahm den Verwalter mit zu Andreas zur Mahlzeit. Es kamen nun die Angehörigen von einzelnen Geheilten aus Bethsaida dahin und holten sie freudig ab, brachten ihnen Kleider und brachten sie nach Haus und in die Synagoge, Gott zu danken.

Es war bei Andreas eine recht schöne Mahlzeit von guten, großen Fischen. Sie aßen in einer offenen Halle, die Frauen an einem Tisch allein. Andreas diente zu Tisch. Seine Frau war sehr geschäftig und fleißig, sie kam nicht viel aus dem Haus. Sie hatte eine Art von Gewerbe mit Netzstricken und hatte viele arme Dirnen, welche sie in großer Ordnung damit beschäftigte. Es waren auch arme, gefallene, verworfene Frauen darunter, die keine Zuflucht hatten, deren sie sich erbarmte. Sie beschäftigte, sie belehrte und führte zum Gebet an.

Am Abend lehrte Jesus noch in der Synagoge und ging dann mit den Jüngern hinweg. Er kam noch an vielen Kranken vorüber, die Er nicht heilte, und sagte, es sei jetzt ihre Zeit noch nicht gekommen. Nachdem Er von seiner Mutter Abschied genommen, ging Er mit allen Jüngern in das Herbergshaus vor Kapharnaum. Jesus sprach dort noch lange mit den Jüngern, sonderte sich dann ab und brachte auf einem spitz zulaufenden Hügel, der mit Zypressen bewachsen war, die Nacht im Gebet zu.

Kapharnaum liegt am Berg hinan in einem halben Bogen, hat viele Gartenterrassen und auch Weingärten; auf der Höhe wächst dicker Weizen wie Schilf. Es ist ein großer und angenehmer Ort, der entweder einmal größer war oder es war einmal noch eine andere Stadt hier. Denn es liegen nicht weit von ihr allerlei Trümmer, wie von einer Zerstörung.

4. Jesus in und um Klein-Sephoris. Die verschiedenen Arten seiner Heilungen

Jesus ging von Kapharnaum gegen Nazareth zu. Die Jünger aus Galiläa begleiteten Ihn etwa fünf Stunden weit. Er lehrte unterwegs von ihrer künftigen Bestimmung und riet dem Petrus, aus der Nähe des Sees hinweg in sein Haus vor Kapharnaum zu ziehen, als er mit Ihm von seinem Gewerbe sprach, das er aufgeben müsse. Sie kamen an mehreren Städten und auch an dem kleinen See mit den Landhäusern vorüber. In einem Hirtenfeld kamen ein paar besessene Männer zu Jesus gelaufen und begehrten Heilung. Sie waren Besitzer der Herden in der Gegend und nur dann und wann vom Teufel geplagt. Eben jetzt aber waren sie in gutem Zustand. Jesus heilte sie nicht und befahl ihnen, sich erst zu bessern und sagte ihnen ein Beispiel vom Magenüberladen, es sei, als wenn einer den kranken Magen geheilt haben wolle, um von neuem sich der Prasserei zu übergeben. Die Leute gingen ganz beschämt zurück. Die Jünger verließen Jesus ein paar Stunden vor Sephoris, auch Saturnin kehrte mit ihnen in das Haus des Petrus zurück. Bei Jesus blieben nur zwei Jünger aus Jerusalem, wohin sie zurück wollten. Er ging nach Unter-Sephoris, einer kleineren Stadt und kehrte bei Verwandten der heiligen Anna ein. Es ist dies nicht das elterliche Haus Annas, das liegt zwischen diesem Sephoris und Ober-Sephoris, welche Orte wohl eine Stunde getrennt sind. Es gehörten in einem Umfang von fünf Stunden viele Häuser zu Sephoris. In Gross-Sephoris ist Er diesmal nicht gewesen. Dort sind große Schulen aller Sekten und Gerichte.

In Nieder-Sephoris sind nicht viel reiche Leute. Sie bereiten dort Tücher, und die reichen Frauen Seidenquasten und Borten für den Tempel. Die ganze Gegend ist wie ein Lustgarten von vielen kleinen Dörfern und zerstreuten Gütern, mit Gärten und Alleen dazwischen. Das größere Sephoris ist ganz bedeutend und liegt weit auseinander mit Schlössern. Es ist eine sehr schöne Gegend hier mit Brunnen und sehr großem Vieh.

Jesu Verwandte hatten drei Söhne, deren einer, namens Colaja, ein Jünger Jesu war. Die Mutter wünschte, dass Er auch die andern aufnehmen möge und sprach von den Söhnen der Maria Kleophä. Jesus gab ihr auch Hoffnung. Diese Söhne sind nach Christi Tod zu Eleutheropolis von Joses Barsabas, der dort Bischof war, zu Priestern geweiht worden.

Es lehrte Jesus hier in der Synagoge, in der viele Leute aus der umliegenden Gegend zusammengekommen waren. Er ging auch mit seinen Vettern in der Gegend umher und lehrte hie und da kleine Versammlungen des Volkes, das Ihm nachzog und Ihn erwartete. Zurückkehrend heilte Er viele Menschen vor der Synagoge und lehrte dann in derselben von der Ehe und von der Ehescheidung. Er warf den Lehrern vor, dass sie allerlei zusetzten, und zeigte einem alten Lehrer in einer Rolle eine solche Stelle, die er zugesetzt, bewies ihm die Falschheit und befahl ihm, sie auszulöschen. Der Lehrer demütigte sich vor Ihm, ja warf sich an die Erde vor Ihm nieder vor allen andern, gestand seinen Fehler ein und dankte für die Belehrung.

Jesus hatte die Nacht im Gebet zugebracht. Von dem Haus seiner Verwandten in Klein-Sephoris ging Er zwischen Klein- und Gross-Sephoris in das ehemalige väterliche Gut Annas. Er hatte nur einen Jünger bei sich. Die jetzt hier Wohnenden waren durch Anheiratungen nicht mehr nahe mit Ihm verwandt. Es war aber noch eine alte wassersüchtige Frau hier bettlägerig, die Ihm näher verwandt war, und es saß gewöhnlich ein kleiner blinder Knabe bei ihr. Jesus betete mit der alten Frau, sie musste ihm nachsprechen. Er hielt ihr etwa eine Minute lang die Hand auf den Kopf und die Magengegend, da kam sie ganz in sich, war etwa eine Minute ohnmächtig und fühlte sich dann ganz erleichtert. Jesus gebot ihr aufzustehen. Die Wassersucht war noch nicht wie weggeblasen, sondern die Frau konnte gehen und war in kurzer Zeit darnach ohne Beschwerde durch Schweiß und Ausleerung entledigt. Die Frau bat Ihn für den blinden Knaben, der etwa acht Jahre alt war und nie gesehen und gesprochen hatte, aber er hörte. Sie lobte seine Frömmigkeit und seinen Gehorsam. Jesus legte ihm den Zeigefinger in den Mund und hauchte dann auf beide Daumen seiner Hand, oder benetzte sie mit Speichel und hielt sie betend und emporschauend auf die geschlossenen Augen des Knaben. Der schlägt die Augen auf. Das Erste, was er sieht ist Jesus sein Erlöser. Verwirrt vor Freude und Erstaunen sinkt er zu Jesus hin, dankt stammelnd und weint zu seinen Füßen. Jesus ermahnte ihn liebreich über den Gehorsam und die Elternliebe. Da er blind dieselbe geübt, solle er sie sehend noch treuer ausüben, und seine Augen nicht zur Sünde gebrauchen. Hernach kamen die Eltern, die Leute des Hauses, und es war eine große Freude und Lobpreisen.

Jesus heilte nicht einen wie den andern. Er heilte auch nicht anders, als die Apostel und die späteren Heiligen und Priester bis auf unsere Zeiten. Er legte die Hände auf und betete mit den Kranken. Er tat es aber schneller als die Apostel. Seine Heilungen und Wunder tat Er auch als Vorbild für seine Nachfolger und Jünger. Er tat sie immer auf eine Art, welche dem Übel und Bedürfnis angemessen war. Lahme berührte Er und ihre Muskeln wurden entbunden und sie richteten sich auf. Bei zerbrochenen Gliedern fasste Er den Bruch und sie fügten sich zusammen. Von Aussätzigen sah ich sogleich auf seine Berührung die Blattern sich trocken abschuppen, aber rote Flecken zurückbleiben, welche nach und nach jedoch schneller als gewöhnlich und nach dem Grad des Verdienstes der Heilung vergingen. Ich habe nie gesehen, dass ein Buckliger im Augenblick kerzengrad, ein krummer Knochen ein gerader Knochen gewesen sei. Nicht als habe Jesus es nicht gekonnt, sondern Er tat es nicht, denn seine Wunder waren kein Schauspiel, sie waren Werke der Barmherzigkeit sie waren ein Bild seiner Sendung, ein Entbinden, Versöhnen, Lehren, Entwickeln, Erlösen. Und so wie Er, um seiner Erlösung teilhaftig zu werden, die Mitwirkung der Menschen verlangte, so musste auch bei den Heilungen der Glaube, die Hoffnung, die Liebe, die Reue und Besserung der Menschen als Mitwirkung des Empfanges erscheinen. Jedem Zustand geschah sein Recht in der Behandlung, wodurch eine jede Krankheit und ihre Heilung ein Sinnbild einer geistlichen Krankheit, einer Sünde und Strafe und einer Heilung, einer Verzeihung und Besserung wurde. Nur bei den Heiden sah ich einige seiner Wunder auffallender und seltsamer. Die Wunder der Apostel und späteren Heiligen waren weit auffallender und dem gemeinen Naturgang widersprechender. Denn die Heiden bedurften Erschütterung, die Juden nur Entbindung. Oft heilte Er durch Gebet in die Ferne, oft durch einen Blick besonders blutflüssige Frauen, welche Ihm nicht zu nahen wagten, und auch nicht durften nach jüdischen Gesetzen. Solche Gesetze, welche einen geheimen Sinn hatten, befolgte Er, andere nicht. Darnach wandelte Jesus nach einer in gleicher Entfernung von Nazareth wie von Klein-Sephoris liegenden Schule, wohin der Jünger Parmenas von Nazareth zu Ihm kam. Dieser war schon als Knabe mit Jesus umgegangen und würde jetzt mit den anderen Jüngern Ihm auch schon gefolgt sein, wenn er nicht seine Eltern in Nazareth durch Botendienste zu ernähren hätte.

In der Schule waren viele Lehrer und Pharisäer aus Gross- und Klein-Sephoris, auch einiges Volk zusammengekommen, um mit Jesus über die Stelle von der Ehescheidung zu disputieren welche Er dem Lehrer in der Synagoge als unerlaubt eingeflickt verwiesen hatte. Sie hatten dieses in Gross-Sephoris sehr übel genommen. Denn diese eingeschobene Auslegung stammte aus ihrer Lehre her. Die Ehescheidungen wurden in dieser Stadt sehr leichtsinnig getrieben, und sie hatten ein eigenes Haus, wo sie die geschiedenen Frauen hineintaten. Jener Lehrer, der seine Schuld eingestanden, hatte eine Gesetzrolle abgeschrieben und kleine, verkehrte Auslegungen dazwischen eingeflickt. Sie disputierten lange gegen Jesus und wollten gar nicht einsehen, wie Er sich herausnehmen könne, das auszustreichen. Er brachte sie aber zum Schweigen, jedoch nicht zur Erkenntnis wie den Ersteren. Er bewies ihnen das Verbot der Einschaltung und daher die Pflicht der Austilgung und bewies ihnen die Falschheit jener Erklärung, und verwies die Umgehung des Gesetzes der Ehescheidung in ihrer Stadt scharf. Er sagte, in welchen Fällen es ganz unerlaubt sei, dass der Mann die Frau verstoße, und sagte, wenn ein Teil den andern gar nicht lieben könnte, so könne er sich mit Einwilligung des andern von ihm absondern, aber der stärkere Teil dürfe den andern nicht gegen dessen Willen und Schuld vertreiben. Er richtete aber wenig bei ihnen aus, sie waren geärgert und aufgeblasen, obschon sie Ihn nicht widerlegen konnten. Der in Unter-Sephoris von Jesus überwiesene und bekehrte Schriftgelehrte tat sich ganz von den Pharisäern ab und erklärte seiner Gemeinde, er werde ohne Zusatz künftig das Gesetz lehren, und wenn sie dies nicht wollten, sich ganz zurückziehen. Die eingeschaltete Stelle in dem Scheidungsgesetz war: «Wenn ein Teil der zwei Eheleute früher mit einem andern zu tun gehabt habe, so bestehe die Ehe nicht, und derjenige, welcher mit dem einen Teil zu tun gehabt habe, könne diesen als sein reklamieren, wenn die Leute auch gut zusammenlebten.» Dieses verwarf Jesus und nannte das Scheidungsgesetz nur als für ein rohes Volk gegeben. Zwei der vornehmsten Pharisäer bei diesem Disput waren selbst in der Lage, hieraus eine Scheidung für sich zu entwickeln, und darum hatten sie solche Zusätze aufgebracht. Es war nicht bekannt, aber Jesus wusste es und sagte: «Ihr verteidigt wohl in dieser Gesetzesverdrehung nicht etwa euere eigene Sache?» worüber sie sich ganz entsetzlich ärgerten.

5. Jesus in Nazareth. Die Pharisäer wollen Ihn von einem Berg herabstürzen

Jesus ging von hier nach Nazareth, wohin Er etwa zwei Stunden hatte. Er kehrte vor der Stadt in der Wohnung der Nachgelassenen seines verstorbenen Freundes des Esseners Eliud ein. Sie wuschen Ihm die Füße, gaben Ihm eine Erquickung und sagten davon, wie sehr die Nazarethaner sich seiner Ankunft erfreuten. Jesus erwiderte ihnen aber, diese Freude werde nicht lange dauern, denn sie würden nicht hören wollen, was Er ihnen sagen müsse. Er ging hierauf in die Stadt. Am Tor hatte man auf Ihn zu warten bestellt. Kaum erschien Er, als verschiedene Pharisäer und vieles Volk entgegenkamen. Man empfing Ihn sehr feierlich und wollte Ihn in eine öffentliche Herberge führen, wo sie Ihm eine Empfangsmahlzeit vor dem Sabbat angerichtet hatten. Er nahm es aber nicht an und sagte, Er habe jetzt anderes zu tun, und begab sich gleich in die Synagoge, wohin sie Ihm folgten, und sehr vieles Volk zusammenkam. Es war noch vor dem Anbruch des Sabbats.

Jesus lehrte hier von der Ankunft des Reiches, von der Erfüllung der Prophezeiungen, begehrte die Rolle des Isaias, rollte sie auf und las (61, 1.): «Der Geist des Herrn ist auf mir, deshalb, weil mich gesalbt der Herr hat, die frohe Botschaft zu bringen. Zu den Armen hat er mich gesandt, auf dass ich heile, die gedrückten Herzens sind und ankünde den Gefangenen Erlass und den Eingekerkerten Aufschließung.» Diese Stelle sprach Er ganz so, dass von Ihm selbst die Rede sei, dass der Geist Gottes über Ihm und Er gekommen sei, den armen, elenden Menschen das Heil zu verkünden, und wie alles Unrecht sollte ausgeglichen werden, die Witwen getröstet, die Kranken geheilt, den Sündern vergeben werden. Er sprach so schön und lieblich, dass alle verwundert und voll Freude waren und untereinander sagten: «Er spricht gerade, als wenn Er der Messias selber wäre!» Die Bewunderung hatte sie so gefesselt, dass sie voll Eitelkeit waren, dass Er aus ihrer Stadt sei. Jesus lehrte auch noch, als der Sabbat anging, von einer Stimme des Wegbereiters in der Wüste und wie alles ausgeglichen und geebnet werden solle.

Nachher war er mit ihnen bei einem Mahl. Sie waren sehr freundlich und sagten, es seien viele Kranke da, Er solle sie doch heilen. Jesus lehnte es aber ab, und sie nahmen es einstweilen so hin, meinten jedoch, Er werde es morgen wohl tun. Nach dem Mahl ging Er wieder zu den Essenern hinaus. Da diese noch sehr erfreut waren über seinen guten Empfang, sagte Er ihnen, sie sollten warten bis zum folgenden Tag, da würden sie anderes erfahren.

Als Jesus des anderen Morgens wieder zur Synagoge kam, wollte ein Jude, an dem die gewöhnliche Reihe war, die Rolle nehmen. Jesus aber verlangte die Rolle und lehrte aus dem 5. Buch Mose Kap. 4. von dem Gehorsam gegen die Gebote, und dass man nichts hinzu und davon tun solle und wie Moses den Kindern Israel alles wiederholt, was Gott geboten, und wie sie es schlecht gehalten hätten. Es kamen auch die zehn Gebote in der Lesung vor und die Auslegung des ersten Gebots von der Liebe Gottes. Jesus lehrte hierüber sehr streng und warf ihnen vor, wie sie allerlei zum Gesetz zuflickten, dem armen Volk Lasten auflegten und das Gesetz selbst nicht erfüllten. Er griff sie so ernst an, dass sie sich ärgerten. Denn sie konnten nicht sagen, dass Er die Unwahrheit spreche. Sie murrten aber und sagten zueinander: «Wie ist Er auf eimal so keck! Er ist kurze Zeit hier weg und stellt sich, Wunder wer Er wäre. Er spricht gar, als sei Er der Messias. Wir kennen aber seinen Vater, den armen Zimmermann, gut und Ihn auch. Wo hat er gelernt? Wie wagt er uns das zu bieten?» Und so fingen sie an, sich stille immer mehr über Ihn zu ärgern, denn sie waren beschämt und überwiesen vor allem Volk.

Jesus lehrte aber ruhig fort und ging zu seiner Stunde hinaus zu der Essenerfamilie. Hier kamen die Söhne des reichen Mannes zu Ihm, welche Ihn schon die vorigen Male um Aufnahme unter die Jünger so dringend gebeten hatten, deren Eltern aber nur weltlichen Ruhm und Gelehrsamkeit suchten. Sie verlangten, Er solle bei ihnen essen. Er nahm es nicht an. Sie baten nochmals um Aufnahme und sagten, dass sie alles erfüllt hätten, was Er ihnen geboten. Da sagte Er ihnen: «Wenn ihr das getan habt, so bedürft ihr nicht meine Schüler zu werden, so seid ihr selbst Meister», und somit wies er sie ab.

Er aß und lehrte bei den Essenern im häuslichen Kreis, und sie sprachen, wie sie auf mancherlei Weise bedrückt würden. Er riet ihnen, auch nach Kapharnaum zu ziehen, wo Er künftig wohnen werde.

Unterdessen hatten die Pharisäer sich untereinander beraten und aufgehetzt und beschlossen, wenn Er heute abend wieder so frei spreche, Ihm zu zeigen, dass Er kein Recht hier habe, und an Ihm auszuüben, was man in Jerusalem längst gewünscht. Sie hofften aber noch immer, Er würde einlenken und Wunder tun aus Respekt vor ihnen. Als Jesus zum Schluss des Sabbat in die Synagoge kam, hatten sie Kranke vor die Synagoge gebracht. Er aber ging durch sie durch und heilte keinen. In der Synagoge fuhr Er fort, von der Fülle der Zeit, von seiner Sendung, von der letzten Zeit der Gnade zu sprechen und von ihrem Verderben und ihrer Strafe, so sie sich nicht besserten, und wie Er gekommen sei, zu helfen, zu heilen und zu lehren. So ärgerten sie sich immer mehr und besonders da Er sprach: «Ihr sagt aber, Arzt heile dich selber! Wie du in Kapharnaum und sonst Wunder getan, tu sie nun auch hier in deiner Vaterstadt! Aber es gilt kein Prophet etwas in seiner Vaterstadt.» - Er verglich die jetzige Zeit mit großer Hungersnot und die einzelnen Städte mit armen Witwen und sagte: «zu Elias' Zeiten bei der Hungersnot waren auch viele Witwen im Land, und der Prophet sei doch zu keiner gesandt worden, als zu der Witwe zu Sarepta, und zu Elisäus' Zeiten seien viele Aussätzige gewesen, und er habe doch nur Naaman den Syrer geheilt», und so verglich Er ihre Stadt mit einem Aussätzigen, der nicht geheilt würde. Sie aber ergrimmten entsetzlich, dass Er sie mit Aussätzigen verglich, und standen von ihren Sitzen auf und tobten gegen Ihn und wollten Ihn ergreifen. Er sagte aber: «Haltet, was ihr lehrt und brecht den Sabbat nicht! Hernach tut, was ihr vorhabt!» Da ließen sie Ihn mit Murren und mancherlei Hohnreden fortlehren und verließen ihre Plätze und gingen hinab gegen die Tür.

Jesus aber lehrte noch weiter und legte seine letzten Worte aus, und dann begab Er sich aus der Synagoge. Ungefähr zwanzig ergrimmte Pharisäer umgaben Ihn vor der Tür und fassten Ihn an und sagten: «Wohlan nun komme mit uns an einen hohen Platz, da magst Du deine Lehre nochmals vorbringen, da wollen wir Dir antworten, wie auf deine Lehre zu antworten ist.» Er sagte ihnen aber, sie sollen Ihn lassen, Er wolle ihnen folgen, und sie gingen rings um Ihn, wie eine Wache, und viel Volk hintendrein. Es war auch ein unbändiges Schmähen und Höhnen im Augenblick, da der Sabbat geschlossen war. Sie tobten durcheinander, jeder wollte einen besseren Hohn anbringen: «Wir wollen Dir antworten! Du sollst zur Witwe von Sarepta gehen! Du sollst Naaman den Syrer heilen! Bist Du Elias, so fahre gegen Himmel, wir wollen Dir einen guten Platz zeigen! Wer bist Du? Warum hast Du deinen Anhang nicht mitgebracht? Du hattest nicht den Mut! Hast Du nicht mit deinen armen Eltern dein Brot gehabt? Und nun, da Du satt bist, willst Du uns schmähen! Aber wir wollen Dich hören! Du sollst reden vor allem Volk unter freiem Himmel: wir wollen Dir antworten!» Und so ging es unter Geschrei des Volkes den Berg hinan. Jesus aber lehrte immer ruhig fort und antwortete auf ihre Reden mit heiligen Sprüchen und tiefen Worten, welche sie teils beschämten, teils mehr ergrimmten.

Die Synagoge lag ganz an der Abendseite von Nazareth. Es ward schon dunkel. Sie hatten ein paar Leuchten bei sich und führten Ihn an der Morgenseite der Synagoge herum, und wendeten sich hinter ihr in einer breiten Straße wieder gegen Abend zur Stadt hinaus. Am Berg aufsteigend kamen sie an einen hohen Rücken, auf dessen mitternächtlicher Seite unten Sumpf war und der gegen Mittag zu einen Felsenvorsprung mit einem steilen Absturz bildete. Es war da eine Stelle, wo sie Verbrecher hinabzustürzen pflegten. Hier wollten sie Jesus nochmals zur Rede stellen und dann hinabstoßen. Der Abgrund ging in eine enge Schlucht. Als sie aber nicht mehr weit von dem Ort waren, stand Jesus, der wie ein Gefangener zwischen ihnen war, still, sie aber gingen schimpfend und höhnend weiter. Ich sah zwei lange, lichte Gestalten in diesem Augenblick neben Jesus und dass er eine Strecke zwischen dem nachdringenden Volk wieder zurückging und dann längs der Stadtmauer auf dem Bergrücken von Nazareth hin bis an das Tor, durch welches Er gestern hereingekommen. Er ging wieder in das Haus der Essener. Es war diesen nicht bange um Ihn gewesen: sie glaubten an Ihn und erwarteten Ihn. Er sprach mit ihnen von diesem Ereignis, sagte ihnen nochmals, nach Kapharnaum zu ziehen, erinnerte sie, dass Er ihnen diese Behandlung vorausgesagt und verließ nach etwa einer halben Stunde die Stadt in der Richtung, als gehe Er gegen Kana zu.

Nichts war lächerlicher als die Torheit, Verwirrung und der Lärm der Pharisäer, als sie Ihn auf einmal nicht mehr zwischen sich sahen. Es war ein Geschrei: «Halt! Wo ist Er? halt!» Das nachgehende Volk drang vor und sie zurück, es war auf dem schmalen Weg ein Gedränge und Getobe, einer ergriff den anderen, sie zankten und schrieen und liefen nach allen Schluchten und leuchteten in die Höhlen meinend, da habe Er sich verkrochen. Sie liefen Gefahr, selbst Hals und Bein zu brechen, und einer schimpfte den andern, dass Er durch seine Schuld entwischt sei. Endlich kehrten sie ganz still wieder um, da Jesus längst aus der Stadt war, und besetzten die ganze Gegend des Berges mit Wachen. Zurückkehrend sagten sie, «da sehe man, wer Er sei, ein Gaukler, der Teufel habe Ihm geholfen. Jetzt werde Er auf einmal in einem andern Winkel wieder hervorkommen und alles in Aufruhr bringen.»

Seinen Jüngern hatte Jesus schon zuvor befohlen, dass sie beim Schluss der Synagoge Nazareth verlassen und Ihn auf dem Weg nach Tarichäa an einem bestimmten Orte erwarten sollten, wohin von Kapharnaum her auch Saturnin mit anderen Jüngern bestellt war. In der Morgendämmerung fanden sich alle mit Jesus wieder zusammen und sie ruhten mit Ihm in einem einsamen Tal. Saturnin hatte Brot und Honig mitgebracht. Jesus redete mit ihnen von dem Ereignis zu Nazareth und wie sie sich ruhig und gehorsam verhalten müssten, um durch zu großes Aufsehen seine Arbeit nicht zu hindern. Dann zogen sie auf einsamen Wegen an Städten vorüber durch Täler gegen den Ausfluss des Jordan aus dem galiläischen Meer. Es lag eine große feste Stadt am Fuß eines Berges am südlichen Ende des galiäischen Meeres nicht weit vom Ausfluss des Jordan auf einer Landzunge. Es führte eine große Brücke und auch ein Damm zu ihr. Zwischen der Stadt und dem See sah man eine sanft abfallende grüne Fläche. Die Stadt heißt Tarichäa.

6. Heilung von Aussätzigen bei Tarichäa. Jesus belehrt die Jünger in Gleichnissen

Jesus ging nicht hinein in die Stadt, sondern nahte auf einem Seitenwege einer südlichen Mauer nicht weit vom Tor, an welche nach außen der Stadt eine Reihe von Hütten für Aussätzige angebaut war. Als Jesus dieser Reihe nahte, sagte Er zu den Jüngern: «Ruft aus der Ferne diese Aussätzigen heraus, dass sie Mir folgen und Ich sie heile! Wenn sie heraustreten, so entfernt euch, dass ihr euch nicht entsetzt und verunreinigt, und sprecht nicht von dem, was ihr seht. Denn ihr wisst den Grimm der Nazarethaner, und ihr müsst jetzt niemanden ärgern.» Da ging Jesus etwas vorwärts gegen den Jordan zu, und die Jünger riefen den Kranken zu: «Kommt heraus und folgt dem Propheten von Nazareth! Er wird euch helfen!» Und als sie die Leute hervorkommen sahen, eilten sie hinweg. Jesus wandelte langsam vom Weg zur Stadt ab nach der Gegend des Jordan. Es waren fünf Männer von verschiedenem Alter, welche in langen weiten weißen Kleidern ohne Gürtel und mit einer Kaputze über dem Kopf, die über dem Gesicht einen schwarzen Lappen mit Augenlöchern hatte, aus den Mauerzellen herauskamen und in einer Reihe Jesus bis auf einen abgesonderten Platz, wo Er still stand, nachgingen. Da warf sich der vorderste auf die Erde und küsste den Saum seines Kleides, und Jesus wendete sich zu ihm und legte ihm die Hand auf das Haupt, betete und segnete ihn und hieß ihn zur Seite treten. Dann tat der Zweite und sofort jeder bis zum fünften dasselbe. Nun schlugen sie ihre Gesichtsdecken auf und enthüllten ihre Hände. Die Rinde des Aussatzes löste sich rein von ihnen ab, und Jesus hielt ihnen eine Ermahnung von der Sünde, wodurch sie in diese Krankheit gefallen, und wie sie fortan leben sollten, und befahl ihnen, nicht zu sagen, dass Er sie geheilt habe. Sie erwiderten aber: «Herr, Du erscheinst so plötzlich bei uns! So lange haben wir auf Dich gehofft und nach Dir geseufzt, und hatten niemand, der Dir unser Elend sagte und Dich zu uns führte! Herr Du erscheinst so plötzlich! Wie sollen wir unsere Freude und deine Wunder verschweigen!» Er sagte ihnen nochmals, sie sollten nicht eher davon sprechen, bis sie das Gesetz erfüllt hätten. Sie sollten sich bei den Priestern melden, dass sie rein seien, und die gehörigen Opfer und Reinigungen verrichten, dann könnten sie es sagen, dass Er sie geheilt hätte. Nun warfen sie sich nochmals dankend nieder und kehrten zu ihren Zellen zurück. Jesus aber ging zu den Jüngern gegen den Jordan. Diese Aussätzigen waren nicht ganz versperrt, sie hatten einen abgesteckten Raum, wie weit sie gehen durften. Es kam niemand nahe zu ihnen, man redete aus der Ferne zu ihnen, stellte ihnen Nahrung auf bestimmte Stellen in Schüsseln hin, welche aber nicht wieder zurückgenommen, sondern von ihnen zerschlagen und vergraben wurden. Man brachte immer ein anderes Geschirr von geringem Wert.

Jesus ging mit den Jüngern noch eine weite Strecke durch angenehme Büsche und Alleen gegen den Jordan zu, wo sie an einer einsamen Stelle ruhten und Speise zu sich nahmen. Auf einem Kahn setzten sie dann über den Fluss. Es lagen immer solche Kähne, auf denen man selber überfuhr, an verschiedenen Stellen des Flusses, und diese wurden von Leuten, die an den Ufern arbeiteten und von Strecke zu Strecke am größten Teil des Flusses Hütten bewohnten, immer wieder an die Stelle zurückgeführt, wohin sie gehörten. Jesus ging mit den vier Jüngern nicht dicht an dem See herum, sondern aufwärts gegen Morgen der Stadt Galaad zu. Die vier Jünger bei Ihm waren:

Parmenas von Nazareth, Saturnin, und von den zwei andern hieß der eine Tharzissus, der andere, sein Bruder, Aristobolus. Tharzissus wurde später Bischof in Athen. Aristobolus wurde später dem Barnabas zugeordnet. Ich hörte das mit dem Ausdruck «verbrüdert», aber er war nur sein geistlicher Bruder. Er war viel mit Paulus und Barnabas, und ich meine Bischof in Britania. Sie waren Jesus durch Lazarus zugeführt. Sie waren Ausländer, ich glaube Griechen. Ihr Vater hatte sich vor kurzem in Jerusalem niedergelassen. Sie waren schiffende Handelsleute, ihre Sklaven oder Diener waren auf einem Handelstransport mit ihren Lasttieren zur Lehre Johannes gekommen und hatten sich von ihm taufen lassen. Durch diese wurden ihre Eltern über Johannes und Jesus berichtet, und zogen nun selbst mit den Söhnen zu Johannes. Vater und Söhne ließen sich taufen, nahmen die Beschneidung an und die Familie zog nach Jerusalem. Sie waren nicht ohne Vermögen, und sie haben nachher alles das Ihrige zu der Gemeinde gegeben. Die beiden Brüder waren groß, bräunlich, geschickt, und hatten eine feine Bildung. Sie waren ausgewachsene junge Männer, gewandt und behende, alles zu ordnen und bequem zu machen auf dem Weg.

Aus der Gegend, wo Jesus hinaufging, kam ein Flüsschen herunter: Er ging auch darüber. Der Prophet Elias hat sich einmal daran aufgehalten. Jesus erzählte davon und lehrte die Jünger den ganzen Weg über in lauter Gleichnissen von allerlei Ständen und Gewerben, von jedem Busch, Stein, von jeder Pflanze, jedem Ort und was sich so auf dem Weg darbot, hergenommen. Die Jünger fragten über alles, was sie in Sephoris und Nazareth mit Ihm erlebt hatten. Er sprach mit ihnen von der Ehe in Bezug auf den Disput mit den Pharisäern bei Sephoris, gegen die Scheidung und von der Unverbrüchlichkeit des Jaworts. Die Scheidung sei nur ausgesprochen von Mose für ein rohes sündhaftes Volk.

Sie fragten Ihn auch über den Vorwurf der Nazarethaner, dass Er keine Nächstenliebe habe, und in seiner Vaterstadt, die Ihm doch die nächste sei, nicht habe heilen wollen. Ob man denn seine Landsleute nicht als seine Nächsten halten müsse? Da lehrte sie Jesus sehr lange von der Nächstenliebe und legte ihnen allerlei Gleichnisse und Fragen vor. Er nahm diese Gleichnisse von verschiedenen Ständen in der Welt, auf die Er zu sprechen kam, indem Er auf einzelne Orte deutete, die man in der Ferne von hier sehen konnte, und wo diese und jene Gewerbe besonders getrieben wurden. Er sprach auch, wer Ihm nachfolgen wolle, müsse Vater und Mutter verlassen, und doch das vierte Gebot halten. Er müsse seine Vaterstadt behandeln, wie Er Nazareth, so sie es verdiente, und doch die Nächstenliebe üben. Gott der himmlische Vater sei der Nächste und Der, den Er gesandt habe. Dann sprach Er von der Nächstenliebe der Welt und von den Zöllnern bei Galaad, worauf sie zugingen, diese liebten jene am meisten, die ihnen brav Zoll bezahlten. Er zeigte auch auf Dalmanutha und sagte: diese Zeltmacher und Teppichweber lieben ihre Nächsten, die ihnen viel Zelte abkaufen: ihre eigenen Armen aber lassen sie ohne Obdach.

Dann nahm Er ein Gleichnis vom Sohlen machen her, das sich auf die Neugierde der Nazarethaner bezog. Es hieß darin: «Ich bedarf ihrer Ehre nicht, welche schön gefärbt dasteht, wie die bunten Sohlen auf der Werkstätte der Sohlenmacher, und die nachher unter die Füße in den Kot getreten wird.» Er sagte auch: «Sie sind wie die Sohlenmacher jener gestoßenStadt, auf die Er deutete, ihre eigenen Kinder verschmähen und verachten sie, und so sie in die Fremde gestoßen sind, und irgend etwas gelernt haben von schönen grünen Sohlen, eine neue Mode, so lassen sie dieselben wieder kommen, aus Neugier, und wollen dann prahlen mit den Sohlen, welche wie diese Ehre mit Füßen getreten werden.» Er stellte auch die Frage: «Wenn einer eine Sohle auf der Reise zerreisst und kommt zu diesen Sohlenmachern und will eine kaufen, werden sie ihm wohl die andere dazu schenken?» Ähnlich sprach Er von Fischern, Baumeistern und anderen Ständen.

Die Jünger fragten Ihn auch, wo er denn wohnen wolle? Ob Er in Kapharnaum ein Haus bauen wolle? Er sprach, dass Er nicht auf Sand baue, und erwähnte eine andere Stadt, die Er bauen wolle. Ich verstand es nicht immer, wenn sie gingen. Wenn sie saßen, verstand ich es besser. So viel erinnere ich mich, dass Er ein eigenes Schiffchen haben wolle, um auf dem See hin und herzufahren. Er wolle lehren zu Wasser und zu Land.

Sie gingen in das Land Galaaditis. Hier hatte sich auch Abraham mit Lot aufgehalten und es war damals schon eine Teilung unter ihnen. Jesus sprach davon und sagte ihnen auch, dass sie nicht von den geheilten Aussätzigen sprechen sollten, um niemand zu ärgern, und wie sie sich jetzt besonders behutsam halten möchten, kein Aufsehen zu machen, weil die Nazarethaner gewiss großen Lärm und Hass aufregen würden. Am Sabbat wolle Er wieder in Kapharnaum lehren. Da sollten sie die Nächstenliebe und den Dank der Menschen kennen lernen. Sie würden Ihn anders aufnehmen, als da Er den Sohn des Hauptmanns geheilt.

Sie mochten etwa einige Stunden nordöstlich in einem Bogen vom See gegangen sein, als sie gegen Galaad südlich von Gamala kamen. Es waren in dieser Stadt Heiden und Juden, wie meist in den Städten hier. Die Jünger wären gerne eingekehrt. Jesus aber sagte ihnen, wenn Er hier zu den Juden gehe, würden sie Ihn schlecht aufnehmen und Ihm nichts geben. Gehe Er zu den Heiden, so würden sich die Juden dran ärgern und Ihn verleumden. Er sagte auch von dieser Stadt, dass sie ganz zerstört werde, und dass sie sehr böse sei.

Die Jünger sprachen auch von einem gewissen Agabus, einem jetzt lebenden Propheten aus Argob hier in der Gegend, der seit längerer Zeit vom Wandel Jesu mancherlei Gesichte gehabt und auch unlängst von Ihm prophezeit hatte und später ein Jünger wurde. Jesus sagte, dass seine Eltern Herodianer seien und ihn in dieser Sekte erzogen hätten, er aber habe sich bekehrt. Er nannte die Sekten schön zugedeckte Gräber voll Verwesung.

Die Herodianer waren an der Ostseite des Jordan in Peräa, Trachonitis, Ituräa besonders häufig. Sie hielten sich heimlich und trieben ein dunkles Wesen und unterstützten sich insgeheim. Es kamen viele arme Leute zu ihnen, denen sie plötzlich aufhalfen. Sie waren äußerlich sehr pharisäisch, arbeiteten heimlich auf die Freiheit der Juden von den Römern und hingen mit Herodes zusammen. Sie trieben ein Wesen wie die Freimaurer. Ich fühlte bei den Worten Jesu, dass sie sich sehr heilig und edel anstellten, aber Heuchler waren.

Jesus blieb in einiger Entfernung von Galaad in einer Zöllnerherberge mit den Jüngern. Es waren da viele Zöllner zusammen, denen die Heiden Zoll für eingeführte Waren bezahlten. Sie schienen Ihn nicht zu kennen und Er redete sie nicht an, lehrte aber hier von der Nähe des Reiches und von dem Vater, der seinen Sohn in den Weinberg sendet, und gab es ganz deutlich zu verstehen, dass Er der Sohn sei, sagte auch, dass alle jene Kinder des Vaters seien, welche dessen Willen täten, wodurch ihnen die Sache wieder verhüllt wurde. Er ermahnte sie zur Taufe und es bekehrten sich mehrere und fragten, ob sie sich bei des Johannes Jünger taufen lassen sollten? Er antwortete, sie sollten harren, bis durch seine Jünger dort getauft werde. Die Jünger fragten Ihn heute auch, ob seine Taufe anders als des Johannes Taufe sei, weil sie Johannes Taufe empfangen. Er machte einen Unterschied und nannte jene eine Abwaschung der Buße.

In seiner Lehre vor den Zöllnern kam etwas von der Dreieinigkeit vor, von Vater, Sohn und Heiligen Geist in ihrer Einheit: doch ganz anders ausgesprochen. Diese Jünger hier scheuten sich gar nicht vor den Zöllnern.

Weil Jesus in Nazareth bei den Essenern gewohnt und die Pharisäer Ihm dieses auch vorgeworfen hatten, so fragten die Jünger nach den Essenern, und ich hörte, dass Jesus sie frageweise lobte. Er sprach allerlei Fehler gegen die Nächstenliebe und Gerechtigkeit aus und fragte dabei immer: tun die Essener dies? Tun die Essener jenes? usw.

In der Nähe von Galaad schrieen Jesus einige Besessene an, welche vor der Stadt in einer wüsten Gegend herumliefen. Sie waren ganz verlassen und raubten und töteten hier herum die Leute, und trieben allerhand Gräuel. Er sah nach ihnen hin und segnete sie, da wurden sie still und befreit und eilten zu Ihm und fielen zu seinen Füßen. Er ermahnte sie zur Buße und zur Taufe, und befahl ihnen zu warten, bis seine Jünger zu Ainon taufen würden. Bei Galaad war es steinig, ein weißer bröckliger Felsgrund.

Von da zog Jesus mit den Jüngern über die Berge, auf deren Südende Gamala liegt, in nordwestlicher Richtung dem See zu. Er kam an Gergesa vorüber, das in der Entfernung ungefähr von einer Stunde in einer Vertiefung des Bergrückens lag und einen Sumpf in der Nähe hatte, welcher von einem abgedämmten Bach entstand, der durch eine Schlucht in den See hinabfloss. Jesus sprach auf dem Weg mit den Jüngern von diesem Ort: ein Prophet sei einstens wegen seiner schiefen Gestalt von den Gergesenern sehr verspottet worden, und habe ihnen hierauf gesagt: «Hört ihr, die ihr meiner spottet, eure Kinder werden verstockt bleiben, wenn ein größerer als ich, hier lehren und heilen wird, und sie werden sich nicht freuen über das Heil aus Betrübnis über den Verlust von unreinen Tieren.» Es war dies eine Weissagung auf Jesus Christus und das Fahren der Teufel in die Schweine.

Jesus sprach mit den Jüngern auch davon, was Ihn zu Kapharnaum erwarte. Die Pharisäer aus Sephoris erbittert über seine Lehre von der Scheidung hätten nach Jerusalem geschickt, und die Nazarethaner hätten sich mit ihnen in ihren Klagen vereinigt. Und nun sei eine ganze Rotte von Pharisäern aus Jerusalem, Nazareth und Sephoris nach Kapharnaum gesandt, um dort auf Ihn zu lauern und wider Ihn zu streiten.

Auf diesem Weg begegneten ihnen große Züge von Heiden mit Maultieren und Ochsen, welche dicke Mäuler hatten, und mit schweren breiten Hörnern gesenkten Hauptes gingen. Es waren Handelskarawanen, welche von Syrien nach Ägypten zogen, und teils in der Gegend von Gerasa überschifften, teils höher oben über die Jordansbrücke zogen. Auch waren viele Leute dabei, welche sich an diese Züge angeschlossen hatten, um den Propheten zu hören. Eine Schar von ihnen kam zu Jesus heran und fragte, ob der Prophet in Kapharnaum lehre? Er aber sagte ihnen, sie sollten jetzt nicht nach Kapharnaum ziehen, sondern sich an dem Bergabhang nördlich bei Gerasa lagern, der Prophet werde bald dahinkommen. Er sprach aber so mit ihnen, dass sie sagten: «Herr, Du bist auch ein Prophet!» und sein Anblick machte sie zweifeln, ob Er es nicht selbst sei.

Als Jesus mit seinen Jüngern vor Gerasa in einer Herberge einkehrte, war ein solches Gedränge von Heiden und Reisenden, dass Jesus sich gleich absonderte. Aber die Jünger sprachen noch mit den Heiden von dem Propheten und belehrten sie.

Gerasa liegt am Abhang eines Tals, das vom See etwa anderthalb Stunden entfernt ist. Es ist größer und auch reinlicher als Kapharnaum, und wie schier alle Städte hier herum, heidnisch gemischt. Es sind Tempel hier. Die Juden sind der unterdrückte Teil: haben aber doch eine Schule und Lehrer. Es ist viel Handel und Gewerbe hier. Denn es kommen die Karawanen von Syrien und Asien nach Ägypten hier durch. Ich habe vor dem Tor ein langes Gebäude gesehen, wohl eine halbe Viertelstunde lang, worin lange eiserne Stangen und auch eiserne Röhren geschmiedet wurden. Sie schmiedeten die Stangen platt und löteten sie rund zusammen, es wurden auch bleierne Röhren gemacht. Sie arbeiteten nicht mit Holzfeuer, sondern brannten schwarze Klumpen, die sie aus der Erde herausholten. Das Eisen kommt aus Argob hierher.

Die durchziehenden Heiden hatten sich nördlich von Gerasa an der Südseite des Bergvorsprunges aufwärts steigend gelagert. Es waren auch Heiden aus der Stadt dort und einige Juden, die abgesondert standen. Die Heiden waren anders als die Juden gekleidet, sie hatten Röcke bis ans halbe Bein. Es mussten auch reiche dabei sein, denn ich sah Frauen, welche ihre Haare ganz zu einer Perlenkappe eingeflochten hatten. Einige hatten über dem Schleier heraus die Haare mit Perlen in ein Körbchen geflochten.

Jesus begab sich auf diese Anhöhe, lehrte die Scharen den Berg aufwandelnd, indem Er ihnen entlang ging und bald hier bald dort stehen blieb. Er wandelte hin und her und lehrte auf Art einer Unterhaltung mit den Reisenden. Er redete sie an mit Fragen und unterrichtete sie mit Antworten. Er fragte: «Wo seid ihr her? Was bewegt euch zu der Reise? Was erwartet ihr von dem Propheten?» und lehrte, wie sie werden müssen, um des Heils teilhaftig zu werden. Er sagte: «Selig sind die, welche so weit und mühsam gereist kommen, das Heil zu suchen! Wehe denen aber, unter denen es aufsteht, und die es nicht aufnehmen!» Er erklärte die Weissagung vom Messias, den Beruf der Heiden und erzählte den Beruf und den Zug der heiligen drei Könige, von welchen die Leute wussten.

Unter den Karawanen befanden sich auch Leute aus der Gegend und Stadt, wo der Diener Abgars von Edessa, der Jesus Bild und Brief dahin überbrachte, auf der Rückreise bei dem Ziegelofen übernachtet hatte. Jesus heilte keine Kranken hier. Die Leute waren meistens sehr gutmütig. Doch war eine Partei darunter, welche es gereute, mitgezogen zu sein. Sie hatten etwas ganz anderes von dem Propheten erwartet, was ihren Sinnen mehr schmeichelte.

Nach diesen Lehren, bei welchen Jesus auch in mancherlei Gleichnissen sprach, ging Er mit den vier Jüngern zu einem pharisäischen Judenlehrer speisen, welcher vor der Stadt wohnte und Ihn zu Gast geladen hatte, aber aus Hoffart nicht bei seiner Heidenlehre erschienen war. Es waren noch einige andere Pharisäer aus der Stadt zugegen. Sie nahmen Jesus sehr freundlich, aber heuchlerisch auf. Es ergab sich bei Tisch eine Gelegenheit, ihnen tüchtig die Wahrheit zu sagen. Ein heidnischer Sklave oder Diener brachte eine schöne bunte Schüssel mit allerlei köstlichem, aus Gewürzen zusammengekneteten Zuckerwerk, das in Figuren von Vögeln und Blumen geformt war, auf den Tisch. Einer der Anwesenden machte großen Lärm, dass an der Schüssel etwas Unreines sei, stieß den armen Sklaven zurück, beschimpfte ihn und setzte ihn unter andere Diener hinab. Da sagte Jesus: «Nicht die Schüssel, sondern was darin ist. ist voll Unreinigkeit.» Der Hausherr erwiderte: «Er irre, das Zuckerwerk sei ganz rein und köstlich.» Jesus sagte aber so viel als: «Es ist sehr unrein, denn es ist nichts, als aus Schweiß, Blut, Mark und Tränen der Witwen, Waisen und Armen zusammengeknetete Wollust», und hielt ihnen eine noch scharfe Lektion über ihr Treiben und Verschwenden, ihren Geiz und ihre Heuchelei. Sie wurden darüber sehr erbittert, konnten aber nichts erwidern und verließen das Haus bis auf den Hausherrn, der immer Jesus noch sehr heuchlerisch schmeichelte und eigentlich etwas zu erlauern hoffte, das er der Versammlung zu Kapharnaum gegen Ihn vorbringen könnte.

Gegen Abend lehrte Jesus nochmals die Heiden an dem Berg. Als sie fragten, ob sie sich bei Johannes Jüngern taufen lassen sollten und den Wunsch äußerten, sich hier im Land niederzulassen, riet Jesus ihnen, noch mit der Taufe zu warten, bis sie besser belehrt seien, und vorerst über den Jordan nach Obergaliäa in die Gegend von Adama zu ziehen, wo bereits belehrte Heiden und gute Leute seien, und wo Er auch noch lehren werde. Er lehrte sie noch bei Fackelschein. Dann verließ Er sie und ging zum Seeufer hinab bis zur Stelle, wo die Knechte des Petrus mit einer Barke auf Ihn warteten. Es war spät. Die drei Schiffsknechte gebrauchten Leuchten, da sie etwa eine halbe Stunde unterhalb Bethsaida-Julias sich einschifften. Das Schiffchen, worin Jesus überfuhr, hatten Petrus und Andreas mit ihren Knechten für Jesus gezimmert. Sie waren nicht bloß Schiffer und Fischer, sie bauten sich auch ihre Schiffe selber. Petrus hatte drei Schiffe und darunter ein sehr großes, so lang wie ein Haus. Das Schiffchen Jesu fasste etwa zehn Mann, es war der Breite und Länge nach ungefähr wie ein Ei gestaltet. Der hintere und vordere Teil war ein geschlossener Behälter, wo man allerlei aufbewahren und auch die Füße waschen konnte. In der Mitte stand der Mast und von dem Rand des Schiffes stützten Stangen gegen diesen. Oben um diese Stangen konnte man das Segel drehen. Um den Mast befanden sich Sitze. Auf diesem Schiffchen hat Jesus nachher oft gelehrt und ist darauf gegen das Ufer gefahren zwischen den anderen Schiffen herum. Die großen Schiffe hatten um den Mast runde terrassenförmige Verdecke, wie Galerien übereinander, worunter man durchsehen konnte, und oben konnte man mit Segeltuchwänden sich rund um Zellen absondern. An den den Mast stützenden Stangen waren Sprossen zum aufklettern, an beiden Seiten des Schiffes waren schwimmende Kasten oder Tonnen, wie Flügel oder Flossfedern, dass das Schiff im Sturm nicht umschlagen konnte, und welche sie beschwerten oder erleichterten, um das Schiff höher oder tiefer gehen zu machen. Manchmal waren sie mit Wasser gefüllt, manchmal leer. Auch pflegten die gefangenen Fische darin aufbewahrt zu werden. Man konnte Bretter hinten und vorn am Schiff herausschieben, um besser zu diesen Kasten, oder auch auf benachbarte Schiffe zu kommen und um die Netze zu ziehen. Wenn nicht gefischt wurde, führten sie auch Karawanen und Reisende über den See. Die Fischer- und Schifferknechte waren meist Sklaven, Heiden. Auch Petrus hatte Sklaven.

7. Jesus im Hause des Petrus, Massnahmen der Pharisäer Die Heilungen

Jesus landete oberhalb Bethsaida nicht weit vom Haus der Aussätzigen, wo Petrus, Andreas, Johannes, Jacobus Major und Minor, und Philippus seine Ankunft erwarteten. Er ging mit ihnen nicht durch Bethsaida, sondern auf dem kürzeren Weg über die Höhe zum Wohnhaus des Petrus im Tal zwischen Bethsaida und Kapharnaum, wo Maria und die anderen Frauen versammelt waren. Schwiegermutter des Petrus lag krank zu Bett. Jesus besuchte sie: heilte sie aber noch nicht. Es wurden Ihm die Füße gewaschen und es war ein Mahl, bei dem hauptsächlich davon die Rede war, dass von den verschiedenen Hauptschulen in Judäa und Jerusalem fünfzehn Pharisäer nach Kapharnaum gesandt worden seien, um auf Jesus zu lauern. Von den größeren Orten waren je zwei, von Sephoris nur einer, von Nazareth aber war jener junge Mann nach Kapharnaum gekommen, der Jesus schon mehrmals um Aufnahme gebeten, von Ihm aber noch das letztemal abgewiesen war. Er war als Schriftgelehrter der Kommission beigeordnet und hatte kurz zuvor noch geheiratet. Jesus sagte nun den Jüngern: «Seht, für wen ihr Mich gebeten! Er kommt, auf Mich zu lauern und verlangt mein Jünger zu sein!» Dieser junge Mensch wollte aus Eitelkeit zu Jesus, und weil Er ihn nicht aufnahm, hielt er sich nun zu Jesu Feinden. Es sollten diese Pharisäer sich länger in Kapharnaum aufhalten. Von den paarweise Angekommenen sollte einer zurückkehren und berichten, und der zweite sollte in Kapharnaum bleiben und auf Jesu Tun und Lehren lauern. Sie hatten bereits eine Versammlung gehalten und den Hauptmann Serobabel, Sohn und Vater, vor sich gehabt und über die Heilung und Lehre ausgefragt. Sie konnten die Heilung nicht leugnen, die Lehre nicht verwerfen. Doch waren sie nicht zufrieden, wie alles geschah. Es ärgerte sie, dass Jesus nicht bei ihnen studierte, dass Er mit gemeinen Leuten, Essenern, Fischern, Zöllnern und Sündern umging, dass Er keine Sendung von Jerusalem aus hatte, dass Er sie nicht als Gelehrte um Rat fragte, kein Pharisäer oder Sadduzäer war, dass Er bei den Samaritern gelehrt und am Sabbat heilte. Kurz, Er war ihnen nicht recht, weil sie sich selbst verachten mussten, wenn sie Ihn anerkannten. Der junge Mann von Nazareth war besonders ein heftiger Feind der Samariter, die er auf alle Weise verfolgte.

Die Freunde und Verwandten Jesu wünschten nicht, dass Er am Sabbat in Kapharnaum lehre, selbst seine Mutter war besorgt und sie äußerte sich, Er solle doch lieber wieder auf die andere Seite des Sees gehen. Bei solchen Gelegenheiten sprach Jesus kurz ablehnend, ohne Auseinandersetzungen.

Es waren in Bethsaida und Kapharnaum große Scharen von Kranken, Heiden und Juden. Mehrere Züge jener Reisenden, welche Jesus jenseits des Sees neulich begegnet waren, warteten hier auf Ihn. Bei Bethsaida waren große offene Herbergen mit Schilf gedeckt für Heiden und Juden getrennt. Oberhalb des Orts waren die heidnischen, unterhalb die jüdischen Bäder.

Petrus hatte viele jüdische Kranke in den Inbegriff seines Hauses aufgenommen, und Jesus heilte viele davon am Morgen des andern Tages. Er hatte dem Petrus gestern abend gesagt, er solle für heute seine Fischerei sein lassen und Ihm bei der Menschenfischerei helfen, bald werde Er ihn ganz abrufen. Petrus gehorchte, aber er war dabei in einiger Verlegenheit. Er hatte immer die Meinung, das Leben mit dem Herrn sei ihm zu hoch, er verstehe das nicht. Er glaubte, er sah die Wunder, er teilte gern alles mit, tat alles gern. Aber er meinte immer, er tauge doch nichts dazu, er sei zu einfältig, er sei nicht würdig, und daran knüpfte sich eine geheime Sorge um sein Geschäft. Auch war es ihm manchmal verdrießlich, dass man auf ihn schmähte, wie er, ein einfältiger Fischer, sich mit dem Propheten herumtreibe, in seinem Haus eine Niederlage von Schwärmerei und Aufruhr habe und sein Geschäft vernachlässige. Alles das kämpfte noch in ihm, denn er war nicht so begeistert so feurig wie Andreas und die andern damals, doch voll Glaube und Liebe. Aber er war schüchtern, an sein Geschäft gewöhnt und demütig und hielt sich gern in seiner Einfalt bei seinem Gewerbe auf.

Jesus ging von der Wohnung des Petrus über den Bergrücken dem nördlichen Ende von Bethsaida zu. Dieser ganze Weg war mit kranken Heiden und Juden angefüllt. Doch waren sie getrennt und die Aussätzigen ganz weit abgesondert. Es waren Blinde, Lahme, Stumme, Taube, Gichtbrüchige und besonders viele wassersüchtige Juden. Die Heilungen gingen mit größter Ordnung und Feierlichkeit vor. Die Leute waren schon zwei Tage hier, und die hiesigen Jünger, Andreas, Petrus und die anderen, welchen Jesus seine Ankunft gemeldet hatten sie bequem geordnet, denn es waren auf diesem Wege mehrere abgesonderte schattige Bergwinkel und Gärtchen. Jesus lehrte und ermahnte die Kranken, welche scharenweise im Kreis um Ihn getragen oder geleitet wurden. Mehrere verlangten, Ihm ihre Verbrechen zu bekennen, und Er trat mit ihnen an einen abgesonderten Ort. Sie sanken bekennend und weinend vor Ihm nieder. Unter den Heiden waren mehrere, welche Mord und Raub auf ihren Reisen begangen hatten. Manche ließ Jesus eine Zeitlang liegen, wendete sich zu anderen, und erst später wieder zu ihnen, sprechend: «Steh auf! Deine Sünden sind dir verziehen!» Unter den Juden waren Ehebrecher und Wucherer. Wenn Er ihre Reue erkannt hatte und ihnen den Ersatz befohlen, betete Er mit ihnen, legte ihnen die Hände auf und sie genasen. Vielen befahl Er, sich noch in einem Bad zu reinigen. Manche Heiden wies Er zur Taufe oder zu den bekehrten Heiden in Obergaliläa. Eine Schar trat nach der anderen vor Ihn, und die Jünger erhielten die Ordnung.

Jesus ging auch durch Bethsaida, wo es voll von Menschen, wie auf einer großen Wallfahrt war, und heilte auch hier in verschiedenen Herbergen und auf der Straße. Im Haus des Andreas war eine Erquickung bereitet. Hier waren auch Kinder: die etwa zehnjährige Stieftochter des Petrus mit anderen Mädchen ihres Alters, und zwei andere Töchterchen von etwa zehn und acht Jahren und ein Knabe des Andreas, der ein gelbes Röckchen mit einem Gürtel trug. Es waren auch ältere Frauen bei ihnen. Sie standen unter einem Obdach des Hauses und sprachen von dem Propheten, ob Er bald komme, liefen ab und zu, forschend, ob Er sich nahe. Sie waren hier, um Ihn zu sehen, denn gewöhnlich wurden die Kinder sehr zurückgehalten. Jesus, vorübergehend, blickte sie an und segnete sie. Ich sah Jesus nachher wieder zum Haus des Petrus zurückkehren und viele Leute heilen. Er hat wohl hundert Menschen heute geheilt, ihnen die Sünden vergeben und sie für die Zukunft angewiesen, was sie beginnen sollten.

Ich habe wieder gesehen, dass die Heilungsarten Jesu sehr verschieden waren, und dass Er wahrscheinlich so heilte, um den Jüngern zu zeigen, wie sie es nachher selbst und die Kirche zu ewigen Zeiten es machen sollte. In allem seinem Tun und Leiden war eine menschliche Form und Gestalt. Nichts war gauklerisch und plötzlich verwandelnd. Ich sah bei allen Heilungen einen gewissen Übergang nach Art der Krankheiten und Sünden. Ich sah bei allen, über die Er betete oder denen Er die Hand auflegte, eine Stille und Innerlichkeit von einigen Augenblicken eintreten, und sie erhoben sich genesend wie aus einer kleinen Ohnmacht. Lahme erhoben sich sanft, warfen sich vor Ihm nieder und waren gesund. Die ganze Kraft und Behendigkeit der Glieder trat erst nach einiger Zeit ein, bei einigen nach Stunden, bei andern nach Tagen. Ich sah Wassersüchtige, die nahe zu Ihm hinwanken konnten, und solche, die getragen wurden. Er legte ihnen meistens die Hand auf Kopf und Magen: sie konnten nach seinen Worten sogleich sich aufrichten und gehen, fühlten sich ganz leicht und das Wasser ging in Schweiß von ihnen. Aussätzige verloren gleich nach seiner Heilung die Schuppen, hatten aber doch noch rote Male, wo der Aussatz gesessen. Sehend sprechend hörend Gewordene hatten am Anfang noch das Gefühl der Ungewohnheit dieser Sinne. Ich sah Gichtgeschwollene geheilt, sie waren schmerzlos und konnten gehen. Die Geschwulst war nicht wie weggeflogen, sondern sie wich nur sehr bald. Krampfhafte waren gleich geheilt, die Fieber wichen. Die Menschen waren nicht im Augenblick wieder ganz stark und frisch, sie genasen wie eine verwelkte Pflanze nach dem Regen. Die Besessenen sanken gewöhnlich in kurze Ohnmacht und erholten sich dann frei, aber müde und mit beruhigtem Antlitz. Es ging alles sehr ruhig und ordentlich her, und nur den Ungläubigen und Feindseligen hatten die Wunder Jesu etwas Schreckliches.

Die Heiden, welche hierher gezogen kamen, waren meistens durch Leute, welche bei des Johannes Taufe und Lehre gewesen, auch durch Heiden aus Obergaliäa und wo sonst Jesus gelehrt und geheilt hatte, aufmerksam geworden und begehrten nach Unterricht. Manche hatten des Johannes Taufe, andere nicht. Jesus befahl ihnen nicht die Beschneidung. Er lehrte, wenn sie darüber fragten, von der Beschneidung des Herzens und aller Sinne und wie sie sich verhalten sollten. Er lehrte sie Nächstenliebe, Mäßigkeit, Abbruch, befahl ihnen die zehn Gebote zu halten, lehrte sie einzelne Teile eines Gebetes, wie einzelne Bitten des Vaterunsers und sagte ihnen auch, dass Er ihnen Jünger senden wolle.

8. Jesus lehrt und heilt in Kapharnaum

Am Vorabend wurden in Bethsaida und Kapharnaum Fahnen mit Knoten und Fruchtschnüren auf den Synagogen und öffentlichen Häusern ausgehängt, weil der letzte Tag des Monats Ab eintrat und mit dem Sabbat der erste Elul begann. Nachdem Jesus am Morgen noch viele kranke Juden in Bethsaida geheilt hatte, ging Er mit den Jüngern zum Haus des Petrus dicht vor Kapharnaum, wohin die Frauen schon vorausgegangen waren und wo Ihn wieder viele Kranke erwarteten. Es waren zwei taube Männer dabei, denen Jesus die Finger in die Ohren legte. Zwei andere wurden herangeführt die kaum gehen konnten, deren Arme unbeweglich steif und die Hände dick geschwollen waren. Jesus legte ihnen die Hand auf und betete und fasste sie bei beiden Händen und bewegte diese auf und ab und sie waren genesen. Die Geschwulst aber wich nicht augenblicklich, sondern nach ein paar Stunden. Er ermahnte sie auch, ihre Hände künftig zur Ehre Gottes zu gebrauchen; denn sie waren wegen Sünden in diesem Zustand. Er heilte noch viele und ging dann zum Sabbat in die Stadt.

Es waren unbeschreiblich viele Leute darin. Man hatte auch die Besessenen aus dem Gefängnis losgelassen und sie liefen Jesus auf den Straßen entgegen und schrieen Ihn an. Er befahl ihnen aber zu schweigen und auszufahren. Da folgten sie ruhig zur Synagoge zum Erstaunen aller Menschen und hörten seine Lehre. Die Pharisäer und besonders die fünfzehn Neuangekommenen saßen um seinen Lehrstuhl her und behandelten Ihn mit wirklicher Scheu und mit geheuchelter Ehrfurcht. Sie gaben Ihm die Rollen, und Er lehrte aus Isaias (Kap. 49.1, dass Gott seines Volkes nicht vergessen habe. Er las: wenn auch eine Frau ihres Kindes vergessen könne, so würde Gott seines Volkes doch nicht vergessen, und legte aus dem folgenden aus, dass Gott durch die Gottlosigkeit der Menschen nicht gebunden werden könne, sich der Verlassenen zu erbarmen. Es sei die Zeit nun gekommen, wovon der Prophet spreche, Sions Mauern sehe Er immerdar. Jetzt sei die Zeit, wo die Zerstörer fliehen würden und die Baumeister kommen. Er würde viele versammeln, sein Heiligtum zu zieren. Es würden so viele fromm und gut, so viele würden Wohltäter und Führer des armen Volkes werden, dass die unfruchtbare Synagoge sagen werde: wer hat mir diese Kinder gezeugt? Die Heiden werden sich zur Kirche bekehren, die Könige ihr dienen! Der Gott Jakobs werde dem Feind, werde der verdorbenen Synagoge ihre Leute entreißen und werde die, welche sich am Heiland wie Mörder vergreifen, gegeneinander wüten, und sich einander selbst erwürgen lassen (Is 50. 1. usw.). Er legte dieses auf den Untergang von Jerusalem aus, so es das Reich der Gnade nicht annehme. Gott frage, ob Er sich denn von der Synagoge geschieden habe? Ob sie dann einen Scheidebrief habe? Ob er dann sein Volk verkauft habe? Ja! Wegen der Sünden seien sie verkauft! Die Synagoge sei wegen ihrer Verbrechen verlassen! Er habe gerufen und gemahnt und es habe niemand geantwortet. Aber Gott sei mächtig, Er könne Himmel und Erde erschüttern. Alles legte Jesus auf seine Zeit aus. Er bewies, dass alles erfüllt sei. Er sagte, dass der Vater Ihn gesandt habe, das Heil zu verkünden und zu bringen, und die von der Synagoge Verlassenen und Verführten zu sammeln, und da Er die Stelle aussprach, als von sich, «Gott der Herr habe Ihm eine weise Zunge gegeben, die Verlassenen, Verirrten zurückzuführen, Er habe Ihm die Ohren früh geöffnet, seine Gebote zu hören und Er habe nicht widersprochen». Als Jesus dies sagte, nahmen es die Pharisäer ganz plump, als lobe Er sich selber. Wenn sie gleich von seiner Rede hingerissen waren und nach der Lehre zueinander sagten, «nie habe ein Prophet so gelehrt», so zischelten sie sich dennoch in die Ohren. Er legte dann noch die Stelle des Propheten, dass Er sich gewiss Mühe um sie gegeben habe, dass Er sich habe ins Angesicht schlagen und seinen Leib habe geißeln lassen, auf die Verfolgung aus, die er erduldet und noch erdulden werde. Er sprach von seiner Misshandlung in Nazareth: aber wer Ihn verdammen wolle, der solle hervortreten! Alle seine Feinde würden veralten und verfallen mit ihrer Lehre, der Richter werde über sie kommen. Die Gottesfürchtigen sollten seine Stimme hören, die Unwissenden ohne Erleuchtung sollten zu Gott rufen und hoffen! Das Gericht werde kommen, und die das Feuer angezündet, würden dann zu Grunde gehen (Is 50, 7). Das legte Er wieder auf den Untergang des jüdischen Volkes und Jerusalems aus.

Sie konnten Ihm kein Wort widersprechen, sie hörten ganz still zu, nur zischelten sie sich in die Ohren und höhnten und waren doch hingerissen. Er erklärte auch noch etwas aus Mose, das kommt aber immer zuletzt, und fügte noch eine Parabel an und sprach diese mehr zu seinen Jüngern, und zwar dem verräterischen jungen nazarethischen Schriftgelehrten zu Gehör. Es war die Parabel von den ausgeliehenen Talenten, weil dieser so eitel auf seine Kenntnisse war. Er wurde dadurch innerlich sehr beschämt, aber nicht gebessert. Jesus führte die Parabel nicht ganz so an, wie sie im Evangelium steht, aber ganz ähnlich.

Nach der Synagoge heilte Er noch auf der Straße und ging dann vor das Tor mit seinen Jüngern in das Haus des Petrus. Es waren auch Nathanael Chased und der Bräutigam und Thaddäus zu diesem Sabbat hierher von Kana gekommen. Thaddäus hielt sich öfters dort auf. Er ging überhaupt viel her und hin im Land, denn er handelte mit Fischernetzen, Segeltuch, Strickwerk. Das Haus wurde wieder voll von Kranken in der Nacht und es waren abgesondert auch mehrere blutflüssige Frauen da. Andere brachten Frauen auf einem Tragbett ganz eingewickelt. Sie sahen bleich und elend aus, und hatten schon lange sich nach seiner Hilfe gesehnt. Diesmal legte Er ihnen die Hände auf, und segnete sie, die Bettlägerigen befahl Er loszuwickeln und ihnen aufzustehen. Eine half der andern. Er ermahnte und entließ sie. In der Nacht sonderte Jesus sich zum Gebet ab.

Die lauernden Pharisäer in Kapharnaum hatten den Zweck ihrer Sendung nicht öffentlich ausgesprochen und hatten den Hauptmann Serobabel auch nur heimlich ausgefragt. Sie hielten sich hier auf unter dem Vorwand, wie manche Juden an andere Orte auf den Sabbat zu reisen, besonders wo ein berühmter Lehrer war, und auch weil viele in die Gegend Genezareth kommen, sich von Geschäften in der Schönheit und Fruchtbarkeit derselben zu erholen.

Am folgenden Tag ging Jesus sehr früh nach Kapharnaum. Es waren unbeschreiblich viele Menschen und Kranke vor der Synagoge versammelt, von denen Er viele heilte. Als Er in die Synagoge hineinkam, wo die Pharisäer sich versammelt hatten, schrieen Ihm viele Besessene entgegen, und einer, der besonders rasend war, kam gegen Ihn gerannt und schrie: «Was haben wir mit Dir Jesus von Nazareth? Du kamst uns zu verderben! ich weiß, Du bist der Heilige Gottes!» Da befahl ihm Jesus zu schweigen und von ihm auszufahren. Der Mensch stürzte zurück unter die andern und zerrte sich, aber der Teufel fuhr aus und schrie und der Mensch wurde ganz ruhig und warf sich vor Jesus nieder. Da sagten viele Leute, und besonders die Jünger den Pharisäern zu Gehör, die sich darüber ärgerten: «Was ist doch das für eine neue Lehre? Wer mag er sein? Er hat Gewalt über die unreinen Geister!»

Es war aber eine so erstaunliche Volksmenge, und waren so viele Kranke in und um der Synagoge, dass Jesus auf einer Stelle der Synagoge lehren musste, welche nach innen und auch nach dem menschenvollen Vorhof sah. Es standen die Pharisäer um Ihn nach innen, und nach außen lehrte Er zum Volk. Er wendete sich bald herein bald heraus. Die Hallen um die Synagoge waren geöffnet und die Zuhörer füllten nicht allein den Vorhof, sondern standen auch auf den flachen Dächern der den Vorhof einschließenden Gebäude, auf welche Stufen hinauf führten. Unten befanden sich Zellen und Räume für betende und büßende. Den Kranken waren besondere Plätze eingeräumt.

Jesus lehrte wieder sehr lebhaft aus Isaias und deutete alles auf diese Zeit und auf sich. «Die Zeiten seien erfüllt und das Reich nahe sich. Immer hätten sie sich nach der Erfüllung der Prophezeiungen gesehnt und den Propheten und Messias verlangt. der ihre Bürde ihnen abnehme. Wenn Er da sein werde, werden sie Ihn nicht wollen, weil Er nicht nach ihren verkehrten Vorstellungen sein werde.» Er nannte nun die Zeichen des Propheten, nach deren Erfüllung sie sich immer sehnten, die sie noch in den Schulen aus den Rollen lasen und darum beteten und zeigte deren Erfüllung. Er sagte: «Die Lahmen werden gehen, die Blinden sehen, Taube hören. Tun sie es etwa nicht? Was will diese Versammlung der Heiden zur Lehre? Was schreien die Besessenen? Warum fahren die Teufel aus? Warum loben die Genesenen Gott? Verfolgen Ihn die Verderber nicht? Umgeben Ihn nicht die Lauerer? Aber sie werden den Sohn des Weinbergsherrn hinausstoßen und erschlagen, und wie wird es ihnen ergehen? Wollt ihr das Heil nicht annehmen, so soll es doch nicht verloren sein, und ihr sollt es den Armen, Kranken, Sündern und Zöllnern, den Büßenden, den Heiden selbst nicht wehren, zu denen es sich von euch abwenden wird!» Auf diese Art war der Inhalt seiner Lehre. Er sagte auch: «Ihr erkennt Johannes als einen Propheten, den sie gefangen haben! Geht zu ihm in sein Gefängnis, fragt ihn, wessen Wege er bereitet hat und von wem er Zeugnis gibt!» Indem Er so lehrte, wurde der Grimm der Pharisäer immer größer, und sie zischelten und murrten sich in die Ohren.

Es schleppten aber unter seiner Lehre acht halbkranke Männer vier an einer unreinen Krankheit leidende vornehme Männer aus Kapharnaum zur Synagoge, nach einer Stelle in den Vorhof, wo Jesus sie sehen, und sie seine Worte hören konnten. Sie durften ihrer Krankheit halber nur an einer Seite durchgebracht werden, die jetzt aber durch das Gedränge eingenommen war, und deswegen mussten die Halbkranken die Bettlägerigen an einer Stelle über ein Mauerwerk heben und sich durch die Leute drängen, welche wichen, weil sie unrein waren. Als die Pharisäer dieses sahen, ärgerten sie sich und murrten über diese Leute, als offenbare Sünder, welche an einer unreinen Krankheit litten, und sprachen laut davon, welche Unordnung dies sei, dass solche Leute sich in ihre Nähe wagten! Da ihre Reden durch das Volk fortgehend zu diesen Kranken kamen, wurden sie sehr traurig und fürchteten sich, da Jesus ihre Sünden vernommen, möchte Er sie nicht heilen. Sie waren aber voll Reue und hatten sich längst nach seiner Hilfe gesehnt. Als Jesus aber dieses Murren der Pharisäer hörte, wendete Er sich im Augenblick, da die Kranken so betrübt wurden, hinaus mit seiner Rede nach dem Vorhof, wo sie lagen, sah sie liebevoll und ernst an und rief ihnen zu: «Euere Sünden sind euch vergeben!» Da brachen die armen Leute in Tränen aus. Die Pharisäer aber murrten mit großer Erbitterung: «Wie wagt Er das zu sagen? Wie kann Er Sünden vergeben!» Jesus aber sagte: «Folgt Mir hinab, und, seht was ich tue! Was ärgert ihr euch, dass Ich den Willen meines Vaters tue? Wollt ihr nicht das Heil, so sollt ihr es den Bußfertigen doch nicht missgönnen! Ihr ärgert euch, dass Ich am Sabbat heile. Ruht die Hand des Allmächtigen am Sabbat, Gutes zu tun und Böses zu strafen? Nährt Er, heilt Er, segnet Er nicht am Sabbat? Macht Er euch am Sabbat nicht krank? Lässt Er euch am Sabbat nicht sterben? Ärgert euch nicht, dass der Sohn am Sabbat den Willen und die Werke seines Vaters tut!» Und als Er den Kranken nahe gekommen war, stellte Er die Pharisäer ferne von ihnen in eine Reihe und sagte: «Bleibt hier, denn sie sind euch unrein, Mir sind sie es nicht, denn ihre Sünden sind ihnen vergeben! Und nun sagt: ist es schwerer zu einem reumütigen Sünder zu sagen: deine Sünden sind dir vergeben, als dem Kranken zu sagen: stehe auf und trage dein Bett von dannen?» Sie konnten nichts antworten, und Jesus ging zu den Kranken, legte einem nach dem andern die Hände auf, betete über sie wenige Worte, hob sie an den Händen empor und befahl ihnen, Gott zu danken und nicht mehr zu sündigen und ihre Betten hinwegzutragen. Sie standen alle Vier von den Betten auf. Die Acht, die sie getragen, die auch halb krank waren, waren ganz rüstig und halfen den andern aus den einhüllenden Decken. Diese schienen nur etwas müde und ungewohnt. Sie schlugen aber die Tragen ihrer Betten zusammen, nahmen sie auf die Schultern und es gingen alle zwölf freudig unter dem Gesang: «Gelobt sei der Herr Gott Israels! Er hat großes an uns getan, Er hat sich über sein Volk erbarmt und uns durch seinen Propheten geheilt», durch die staunende und jauchzende Menge von dannen.

Die Pharisäer aber voll Ärger und ganz beschämt gingen ihres Weges ohne Abschied zu nehmen. Es ärgerte sie alles, wie und was Jesus tat, und dass Er nicht mit ihnen einerlei Meinung war, dass sie nicht die Gerechten, Weisen, Erwählten waren, dass Er mit Leuten zu tun hatte, welche sie verachteten. Sie hatten tausend "Aber" und sagten auch, Er halte die Fasten nicht richtig, Er gehe mit Sündern, Heiden, Samaritern und allerlei Gesindel um. Er sei selbst von geringer Abkunft, Er lasse seinen Jüngern zu viel Freiheit und halte sie nicht in gehörigem Respekt. Kurz, alles war ihnen nicht recht. Und doch konnten sie nichts einwenden, konnten seine Weisheit und erstaunlichen Wunder nicht leugnen, und verwickelten sich nur immer mehr in größeren Grimm und Verleumdung. Wenn man das Leben Jesu so ansieht, so findet man alles Volk und die Priester so, wie viele auch heutzutage sind. Wenn Jesus jetzt käme, würde es Ihm mit vielen Schriftgelehrten und der Polizei noch viel schlimmer ergehen.

Die Krankheit jener Geheilten war ein unreiner Fluss. Sie waren ganz ausgezehrt und starr, als hätte sie der Schlag gerührt. Die acht andern waren teilweise an einer Seite gelähmt. Die Betten waren zwei Stangen mit Füßen und einem Querholz, in der Mitte war eine Matte gespannt. Sie rollten das ganze zusammen und trugen es auf den Schultern wie ein paar Stangen hinweg. Es war ungemein rührend, als diese Leute so singend durch das Volk zogen.

9. Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus. Des Petrus große Demut

Jesus ging nun ohne Verweilen mit den Jüngern zum Tor hinaus und den Berg entlang zum Haus des Petrus bei Bethsaida, denn sie hatten Ihn dringend gerufen, weil sie glaubten, die Schwiegermutter des Petrus wolle sterben. Ihre Krankheit hatte sehr zugenommen, denn sie hatte ein hitziges Fieber. Jesus ging gerade in ihre Kammer. Es waren noch andere mit Ihm, ich meine auch die Tochter des Petrus. Er trat an die Seite ihres Lagers, wo ihr Kopf lag, und lehnte sich gegen das Lager halb stehend, halb sitzend, so dass ihr Kopf Ihm nahe war. So sprach Er einiges mit ihr, und legte ihr die Hand auf Kopf und Brust, und sie wurde ganz still. Da stand Er vor ihr, nahm ihre Hand und hob sie ins Sitzen und sagte: «Gebt ihr zu trinken!» Es gab ihr die Tochter des Petrus aus einer schiffförmigen Schale zu trinken. Jesus segnete das Getränk und befahl ihr aufzustehen, und sie erhob sich von dem niedrigen Lager. Sie war ganz eingewickelt und hatte noch einen weiten Schlafrock darüber. Sie ließ die Einhüllung liegen, stieg herab, und dankte dem Herrn und mit ihr das ganze Haus.

Bei der Mahlzeit trug die Genesene mit anderen Frauen auf, und diente ganz gesund zu Tisch. Darnach ging Jesus mit Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes und mehreren anderen Jüngern an den See an die FischersteIle des Petrus und lehrte hauptsächlich davon, dass sie bald diese Arbeit ganz liegen lassen und Ihm folgen würden. Petrus wurde ganz bange, er warf sich vor Jesus auf die Knie nieder und bat, Er möge doch auf seine Unwissenheit und Schwäche sehen und nicht verlangen, dass er bei so wichtigen Dingen sein solle. Er sei so etwas gar nicht würdig und vermöge nicht, andere zu unterrichten. Jesus sagte, dass sie keine weltliche Sorge haben sollten, und dass Der, welcher den Kranken Gesundheit gebe, auch ihnen Nahrung und die Kraft zu ihren Verrichtungen geben werde. Die anderen waren ganz zufrieden. Petrus allein konnte vor Demut und Einfalt nicht begreifen, wie er kein Fischer, sondern ein Lehrer sein sollte. Es war dies noch immer nicht das Berufen, welches im Evangelium steht. Dies ist noch nicht gewesen. Jedoch hat Petrus sein Gewerbe schon mehr dem Zebedäus übergeben. Nach diesem Spaziergang am See ging Jesus wieder gegen Kapharnaum und fand ungemein viele Kranke vor der Stadt um das Haus des Petrus. Er heilte viele und lehrte noch in der Synagoge.

Als aber das Gedränge immer größer wurde, entzog sich Jesus der Menge unbemerkt und ging ohne alle Begleitung nach einer sehr angenehmen wilden Schlucht, welche sich südwärts von Kapharnaum von dem Gut Serobabels nach den Wohnungen seiner Knechte und Arbeiter hinzieht. In dieser Schlucht waren Höhlen, Büsche und Quellen, auch wurden viele Vögel und allerlei zahme seltene Tiere darin gehalten. Es war eine künstlich gepflegte Wildnis und der dem Serobabel gehörige, übrigens öffentliche Teil des Lustlandes, Genezareth. Jesus blieb hier die Nacht einsam im Gebet. Seine Jünger wussten nicht, wo Er war. Es war jetzt die zweite Ernte hier in der Gegend.

Frühmorgens verließ Jesus diese Wildnis, kehrte nicht mehr nach Kapharnaum zurück, sondern befahl dem Petrus, der mit anderen Jüngern Ihn aufgesucht hatte, dass er Ihm den Parmenas, Saturnin, Aristobolus und Tharzissus nach einem gewissen Ort hinsenden solle, wo Er mit ihnen zusammentreffen werde, und wanderte darauf nach dem Badsee von Bethulien. Er umging die Höhe des Tales, an der Magdalum liegt, das Ihm ein paar Stunden östlich zur Linken blieb. An der Mittagsseite dieser Höhe lag die Stadt Jotapata.

10. Jesus am Badsee von Bethulia und in Jotapata

Anfangs glaubte ich, Jesus werde nach Gennabris gehen, das etwa drei Stunden westlich von Tiberias zwischen Bergen liegt. Er kam aber nicht dahin, sondern an die Nordseite des Tales, wo der Brunnen von Bethuel ist. Sehr viele vornehme und wohlhabende Leute aus Galiläa und auch Judäa haben Lusthäuser und Gärten hier, welche sie in der schönen Jahreszeit bewohnen. An der Mittagsseite des Sees am nördlichen Abhang der Höhen von Bethuel, sind Reihen von Häusern und warme Bäder. Die morgendlichen sind wärmer, die mehr gegen Abend lauer. Die Bäder haben ein gemeinsames großes Becken und ringsum abgezeltete Eingänge, wo man getrennt in Trögen höher und tiefer liegt, auch kann man in das Gesamtbecken daraus zusammenkommen. Es sind viele Herbergen hier und man kann auch einzelne Häuser und Gärten pachten auf eine Zeit und hat alles übrige frei. Die Einnahme kommt Bethulien zugut, und das Ganze wird davon unterhalten. Der See selbst ist ungemein rein und spiegelklar bis auf den Grund, wo er schöne weiße Steinchen hat. Er entsteht aus einem Wasser, das von Abend kommt und aus dem Badsee in das Tal von Magdalum fließt. Der See wimmelt von kleinen Lustkähnen, welche in der Ferne wie Enten darauf aussehen. An der Mitternachtsseite des Sees stehen die Wohnungen der weiblichen Badegäste, gegen Mittag schauend. Ihre Lustwege und Spielplätze nähern sich jedoch an dem einfließenden Bach den Spielplätzen der Männer. Das Tal ist von beiden Seiten gegen den See sanft abhängend. Von den Wohnungen und den Bädern ziehen sich um den See Verbindungswege, Alleen, schattige überzogene Laubengänge, breit ausgespannte Bäume und Lauben, dazwischen liegen Wiesen mit sehr hohem, schönem Gras, Obst- und Wurzgärten und Tummelplätze. Die Aussicht ist ganz bezaubernd schön, voll Hügel und Berge und alles in der üppigsten Fruchtbarkeit, besonders an Trauben und Obst. Es ist jetzt hier die zweite Ernte im Jahr.

Jesus blieb an der Seite des Sees, wo Er hergekommen, in einer Reiseherberge. Es fanden sich bald Leute um Ihn, und Er lehrte vor der Herberge mit großer Milde. Es hörten auch viele Frauen zu. Am Morgen darauf sah ich viele kleine Kähne von der Mittagsseite des Badsees, wo die Bäder waren, herüber fahren und eine Gesellschaft der Angesehensten Jesus höflich einladen, zu ihnen hinüber zu kommen und sie zu lehren. Jesus fuhr mit ihnen hinüber und ging nach einer Herberge, wo man Ihm einen Imbiss gab. Er lehrte am Morgen in der Kühle und gegen Abend vor der Herberge unter schattigen Baumlauben an einem Hügel. Die meisten anwesenden standen um Ihn, und an einer Seite die verschleierten Frauen. Es war hier eine gefällige Ordnung, es waren meist gesittete und viele wohlgesinnte Leute, welche heiter und gutmütig gestimmt waren. Und weil es keine Parteien hier gab, so scheute sich keiner vor dem andern, sich seinem Gefühle hinzugeben, so dass sich alle ganz ehrerbietig und aufmerksam gegen Jesus benahmen. Als sie Ihn erst einmal gehört hatten, waren sie ganz erquickt und erfreut. Er lehrte von der Reinigung durch das Wasser, von der Vereinigung der Gesellschaft hier, und ihrer Gleichheit und dem Gefühl der Vertrautheit unter ihnen, von dem Geheimnis des Wassers, von der Sündenabwaschung, vom Bad der Taufe, von Johannes, von der Vereinigung und Liebe unter den Getauften, unter den Bekehrten usw. Außerdem hatte Er sehr anmutige Reden und Gleichnisse von der schönen Jahreszeit, der Gegend, den Bergen, Bäumen, Früchten und Herden und was alles sie umgab. - Ich sah die Gesellschaft kreisweise in seine Nähe treten und ordentlich wechseln, und Er wiederholte den abwechselnden Scharen die einzelnen Sätze seiner Lehre.

Ich sah Gichtkranke, welche umherschlichen. Es waren meistens Beamte und Offiziere, welche sich erholten. Ich erkannte diese an ihrer Kleidung, da sie den Ort verließen und wieder nach verschiedenen Besatzungen in der Gegend reisten. Denn während der Anwesenheit waren alle Leute gleich gekleidet, die Männer in feine gelbliche Wolle, wie in Röckchen von vier getrennten Lappen, welche zu einer Art Hose bis an die Knie gewickelt waren. Die Füße waren teils bloß, teils mit Sandalen. Den Oberleib bedeckte ein an den Seiten offenes Skapulier, das ein breiter Gürtel um den Leib schloss. Die Schultern bedeckte ein Ärmellappen bis auf den halben Oberarm. Ihr Kopf war unbedeckt. Sie machten Spiele, fochten mit Stäbchen und Schilden von Blättern, sie drangen in Reihen und einzeln gegeneinander an, um sich aus der Stelle zu drängen. Sie liefen um die Wette nach dem Ziel und sprangen über Schnüre und durch Reife, an welchen allerlei blinkende Sachen aufgehängt waren, welche sie nicht berühren durften, sonst klingelten sie und fielen ab und nach der Anzahl des Abgefallenen hatten sie verloren. Es lagen Früchte da, um die sie spielten. Ich sah andere auf Rohrflöten spielen. Andere hatten dicke, lange Schilfrohre, durch welche sie in die Ferne sahen und in den See, auch bliesen sie Kugeln oder Pfeilchen durch, als schössen sie nach den Fischen. Ich sah, dass sie diese Rohre in einen Ring gebogen um den Arm hängen konnten. Ich sah auch, dass sie bunte Glaskugeln auf die Spitze dieser Rohre steckten und damit hin und her schwankend in der Sonne spiegelten, und dass sich die ganze Landschaft in den Kugeln verkehrt spiegelte und sich drehte, als gehe der See über ihren Köpfen weg, woran alle sich belustigten.

Es waren ganz herrliche Früchte und besonders Trauben hier, und ich sah, dass einzelne sehr ehrerbietig und gefällig die schönsten Früchte Jesus brachten.

Die Frauenwohnungen sind an der anderen Seite des Tals, ihre Bäder jedoch diesseits, aber mehr gegen Abend und die Männer können sie nicht sehen. Am Rande des Baches, der in den See fließt, sah ich kleine Knaben mit geschürzten, weißwollenen Röcken, mit buntgeschälten Weidenruten Herden von mancherlei Wasservögeln treiben. Das Wasser aus diesem Bach und dem See wird hinauf bis zu den Herbergen an der Höhe und zu den Bädern geleitet, in Rinnen geschöpft, durch die es in höher liegende Becken und aus denen wieder gehoben, so fort steigt. Die Frauen sah ich auch mancherlei Spiele treiben auf der Wiese. Sie waren ganz ehrbar in wollweiße, feine, weite Hemden mit vielen Falten gekleidet, die zweimal gegürtet wurden. Die weiten Ärmel wurden mit Spangen hinauf- und hinabgeschoben, um die Hände hatten sie große, steife Krausen mit vielen Falten wie Pfauenräder. Sie hatten als Kopfputz eine aus mehreren immer niedriger und enger werdenden wülstigen Ringen, die mit Seide oder natürlich weißen Federchen umwunden waren, bestehende Haube, die wie ein Schneckenhaus von Federn aussah. Hinten war sie zusammengezogen und hing mit einem Zipfel in Quasten lang hernieder. Sie hatten keine Schleier, aber über dem Gesicht zwei fein gefaltete, weiße, durchsichtige Fächerhälften, welche niedergeschlagen die Nase bedeckten und Öffnungen vor den Augen hatten. Sie konnten sie auch halb und ganz zurückschlagen, wie sie es gegen die Sonne wünschten. In Gesellschaft der Männer schlugen sie sie nieder.

Ich sah die Frauen ein lustiges Spiel treiben. Jede hatte einen Gürtel mit einem Ring oder einer Schlinge um die Hüften. Sie fassten sich bei diesen Ringen im Kreis an und hatten die eine Hand frei. Es war aber im Gras irgend ein Kleinod versteckt und der Kreis drehte sich so lang hin und wieder, bis eine es fand, die sich dann niederbückte, es aufzuheben. Die anderen rissen dann den Kreis geschwinder um, die folgende bückte sich auch darnach, und jede wollte nicht gerne fallen; oft purzelten sie alle übereinander unter großem Gelächter.

Bethulien liegt anderthalb Stunden südlich im Gebirge vom See auf einer Höhe sehr einsam und wild. Es hat oben einen großen wilden Turm über sich und vieles alte verfallene Gemäuer und Türme. Es muss sonst größer und sehr fest gewesen sein. Es wachsen Bäume auf den Mauern und man kann darauf fahren. Ich sah von dem Bad Leute darauf spazieren gehen. Es liegt hoch um den Berg. Hier ist es, wo Judith gewesen. Das Lager des Holofernes zog sich von dem See durch die Schlucht von Jotapata herum bis gegen Dothan, welches ein paar Stunden mittäglich von Bethulien liegt. Von diesem Jotapata waren auch Leute da. Sie hörten aber Jesu Lehre nicht an, begaben sich nach Jotapata zurück und erzählten dort, dass Jesus hier sei. Jotapata liegt etwa anderthalb Stunden östlich von hier gegen Mittag wie in eine große Höhle, in einen Bergbusen, hineingebaut. Vor sich hatte es einen Berg, von dem man abwärts in die Stadt über tiefe wilde Gräben ging. Sie war wie in einen tiefen Steinbruch hineinbaut und der Berg hing ordentlich oben drüber. Nördlich von diesem Berg, nicht ganz zwei Stunden entfernt, lag Magdalum am Rand einer Schlucht, und seine Umgebung von Alleen, Gärten und allerlei Türmen erstreckte sich bis zur Mitte dieser Schlucht. Zwischen dem Berg und Magdalum standen Reste der überwachsenen Rinne einer Wasserleitung und man konnte durch ihre Bogen angenehm in die Landschaft sehen. Südlich von Jotapata sah man wieder einen wilden Berg und rechts und links in weite Schluchten hinaus. Es war ein wunderlicher verborgener Ort. Es hielten sich in Jotapata viele Herodianer auf. Sie hatten in einer Mauer der Festung ein geheimes Versammlungshaus. Diese Sekte bestand aus klugen, aufgeklärten Leuten und stand unter geheimen Obern. Sie hatten Zeichen, woran sie sich erkannten, und die Obern konnten auch merken, wenn einer etwas verriet, ich weiß nicht mehr, woran. Sie waren heimliche Feinde der Römer und arbeiteten an einer Rebellion für die Herodische Sache. Und obwohl heimliche Anhänger der Sadduzäer, erschienen sie doch äußerlich als Pharisäer und glaubten, beide Teile zu ihren Zwecken zu führen und zu leiten. Sie wussten wohl, dass die Zeit des Königs der Juden da sei, und hatten die Absicht, diesen Glauben zu ihren Zwecken zu benützen. Äußerlich waren sie aus Vorsicht sehr höflich und duldsam, aber ganz verräterische Schleicher. Sie hatten eigentlich gar keine Religion, arbeiteten aber unter dem Deckmantel der Religion auf ein weltliches freies Reich hin. Herodes unterstützte sie.

Als die Synagoge in Jotapata die Nähe Jesu erfahren hatte, sendete sie ein paar Herodianer ins Bad von Bethulien, um auf Ihn zu lauern und Ihn einzuladen, Jotapata zu besuchen. Jesus gab aber keine bestimmte Antwort. Es waren auch etwa sieben Jünger zu Jesus hierher gekommen, die früher manchmal ein paar Wochen mit Ihm gereist waren. Es waren ein paar Johannesjünger, auch verwandte Jünger aus der Gegend von Hebron und einer von den Vettern aus Klein-Sephoris. Sie hatten Ihn in Galiläa gesucht und hier gefunden. Ich sah Jesus während des Tages auch mit einzelnen Gästen hier vertraut sprechen. Es mussten Anhänger von Ihm darunter sein.

Als die Herodianer wieder nach Jotapata zurückgekehrt waren, bearbeitete man dort das Volk, wenn Jesus etwa kommen sollte. Man sagte, es sei möglich, dass Jesus der Prophet von Nazareth, der am vorigen Sabbat so viel Spektakel in Kapharnaum und am vorhergehenden Sabbat in Nazareth gemacht habe, von dem nahen Brunnen Bethuliens vielleicht nach Jotapata etwa gar auf den Sabbat kommen könnte, und man warnte die Leute, sich nicht verführen zu lassen, Ihm nicht zuzujauchzen, Ihn nicht so lange reden zu lassen, sondern Ihn so oft zu unterbrechen mit Murren und Einwürfen, als Er ihnen etwas Unbegreifliches, Fremdes vorbringe. So wurde das Volk vorbereitet.

Jesus hielt im Bad Bethulien noch eine kindliche Lehre. Es waren viele Männer in einem Kreis um Ihn her und Er ging mitten zwischen ihnen herum. Im Hintergrund entfernt und schüchtern standen mehrere gichtlahme Männer, welche das Bad hier brauchten und sich nie zu Jesus herangewagt hatten. Jesus wiederholte, was Er gestern und vorgestern gelehrt hatte, und ermahnte sie zur Reinigung von den Sünden. Alle liebten Ihn und waren gerührt, manche sagten: «Herr, wer Dich gehört, kann Dir nicht widerstehen.» Jesus fragte sie: «Ihr habt viel von Mir reden gehört und habt Mich selbst gehört. Wer glaubt ihr, dass Ich sei?» Da sagten Andere: «Herr, Du bist ein Prophet!» Andere: «Du bist mehr als ein Prophet! Kein Prophet lehrt solches, keiner tut deine Taten!» Andere aber schwiegen. Und Jesus, welcher fühlte, was diese dachten, zeigte auf die Schweigenden und sprach: «Diese haben recht!» Einer von ihnen sagte auch: «Herr, Du kannst alles. Ist es wahr? Sie sagen, Du hättest schon Tote erweckt, die Tochter des Jairus?» Er meinte jenen Jairus, der in einer Stadt nicht weit von Gibea wohnte, wo so verdorbenes armes Volk von Ihm gelehrt worden war. Jesus sagte:«Ja!» Und jener sprach noch davon, warum der Mann nur in einem so schlechten Ort lebt. Da lehrte Jesus von Quellen in der Wüste. Es sei nämlich gut, dass die Schwachen einen Führer hätten. Die Leute waren sehr vertraut. Er fragte sie dann: «Was wisst ihr von Mir? Was sagte man euch böses von Mir?» Da sagten einige: «Man klagt Dich an, dass Du am Sabbat deine Werke nicht einstellst und die Kranken heilst.» Da zeigte Jesus nach einem naheliegenden kleinen Schilfteich, an welchem Hirtenknaben zarte junge Lämmer und anderes junges Vieh weideten, und sagte: «Seht die schwachen Hirtenknaben und die jungen zarten Lämmer! Wenn eines derselben in den Sumpf stürzte und blöckte, würden die anderen nicht alle umherstehen und traurig schreien? Und die schwachen Knaben könnten nicht helfen und der Sohn des Herrn dieser Lämmer ginge vorüber am Sabbat und wäre gesandt, die Lämmer zu erhalten und zu weiden. Würde er sich nicht des Lammes erbarmen und es aus dem Sumpf ziehen?» Da hoben alle die Hände empor, wie die Kinder im Katechismus und schrieen: «Ja, ja! Er würde es tun!» Jesus aber fuhr weiter: «Und so es kein Lamm wäre, so es die gefallenen Kinder des himmlischen Vaters, so es eure Brüder wären, ja ihr selbst! Sollte der Sohn des himmlischen Vaters ihnen am Sabbat nicht helfen?» Alle riefen wieder: «Ja, ja!» Und Jesus zeigte nach den fernstehenden, gichtkranken Männern und sprach: «Seht diese kranken Brüder! Soll Ich ihnen nicht helfen, wenn sie am Sabbat Mich um Hilfe anflehen? Sollten sie keine Verzeihung der Sünden haben, so sie am Sabbat bereuen? Am Sabbat die Sünde bekennen und zum Vater im Himmel schreien?» Da riefen alle mit aufgereckten Händen: «Ja, ja!»

Jesus aber winkte jenen Gichtkranken und sie schlichen schwerfällig in den Kreis. Er sprach einige Worte vom Glauben mit ihnen, betete und sagte: «Streckt eure Arme aus!» Da streckten sie die kranken Arme gegen Ihn, und Er fuhr ihnen mit der Hand über den Arm, hauchte auf ihre Hände nur einen Augenblick, und sie fühlten sich geheilt und konnten ihre Glieder gebrauchen. Jesus sagte ihnen noch, sie sollten sich baden, und ermahnte sie, sich von gewissen Getränken zu enthalten. Sie warfen sich vor Ihm nieder und dankten Ihm und die ganze Gesellschaft war voll Lob und Preis.

Nun wollte Jesus von dannen gehen, sie baten Ihn aber, noch zu bleiben und waren voll Liebe und guter Gesinnung und sehr gerührt. Jesus sagte, Er müsse weiter gehen und seiner Sendung folgen. Sie beleiteten Ihn noch ein Stück Weges mit den Jüngern, und Er segnete sie und ging nach Jotapata, welches etwa anderthalb Stunden östlicher von hier liegt.

Es war Nachmittag, als Jesus hier ankam. Er wusch die Füße und nahm einen Bissen in einer Herberge vor der Stadt. In Jotapata gingen die Jünger vor Ihm her nach dem Vorsteher der Synagoge und begehrten die Schlüssel für ihren Meister, der lehren wolle. Es eilte viel Volk zusammen, und die Schriftlehrer und Herodianer waren voll Erwartung, Ihn in seiner Lehre zu fangen. Sie legten, als Er in der Synagoge war, Ihm Fragen über die Annäherung des Reiches, über die Zeitrechnung und Erfüllung der Wochen Daniels und über die Annäherung des Messias vor. Jesus hielt eine lange Lehre darüber und wies die ganze Erfüllung der Prophezeiungen mit dem Eintritt dieser Zeit nach. Er sprach auch von Johannes und dessen Weissagung. Sie sagten dabei ganz heuchlerisch: «Er möge sich doch in seinen Lehren etwas in acht nehmen und die jüdischen Gebräuche nicht verletzen. Er möge sich doch durch die Gefangenschaft Johannes warnen lassen! Was Er von der Erfüllung der Wochen Daniels und der Nähe des Messias und Königs der Juden sage, sei ganz vortrefflich und sei auch ganz ihre Meinung. Sie könnten aber doch den Messias nirgends finden, sie möchten hinschauen, wohin sie wollten.» Jesus hatte aber die Prophezeiungen ganz allgemein auf seine Person hingedeutet, und sie hatten es wohl verstanden, stellten sich aber an, als könne das niemand einfallen, und als hätten sie das gar nicht verstanden. Denn sie wünschten, dass Er recht deutlich heraus sprechen solle, um Ihn anklagen zu können. Da sagte Jesus zu ihnen: «Wie heuchelt ihr! Was wendet ihr euch von Mir ab und verachtet Mich! Ihr lauert auf Mich und wollt mit den Sadduzäern ein neues Komplott anstiften, wie am Pascha zu Jerusalem! Was warnt ihr Mich durch Johannes und vor Herodes?» Und nun sagte Er ihnen alle Schandtaten des Herodes ins Angesicht, alle seine Mordtaten, seine Angst vor dem neugeborenen König der Juden, seinen gräulichen Kindermord und sein scheussliches Ende, so auch die Verbrechen seiner Nachfolger, den Ehebruch des Antipas und die Gefangennahme Johannes. Er sprach auch von der heuchelnden geheimen Sekte der Herodianer, welche mit den Sadduzäern zusammenhingen und welchen Messias und welches Reich Gottes sie erwarteten. Er zeigte auch in die Ferne nach verschiedenen Orten und sagte: «Sie werden nichts gegen Mich vermögen, bis meine Sendung erfüllt ist. Ich werde noch zweimal Samaria, Judäa und Galiläa durchwandern! Ihr habt große Zeichen von Mir gesehen, ihr werdet noch größere sehen und werdet blind bleiben.» Dann sprach Er noch von dem Gericht, von dem Töten der Propheten und von der Strafe über Jerusalem. Die Herodianer aber, welche ein geheimer Orden waren, der sich nicht gern öffentlich verkünden sah, wurden ganz bleich, als Er von des Herodes Schandtaten redete und die Geheimnisse dieser Sekte gerade vor dem Volke aussprach. Sie schwiegen und verließen einzeln die Synagoge, so auch die Sadduzäer, welche hier die Schulen inne hatten. Pharisäer waren nicht hier.

Nun war Er mit den sieben Jüngern und dem Volke allein, und lehrte dieses noch eine Zeit lang. Viele waren gerührt und sagten, sie hätten nie so lehren gehört, und Er lehre besser, als ihre Lehrer. Sie besserten sich auch und folgten Ihm später nach. Ein großer Teil des Volkes aber, von den Sadduzäern und Herodianern aufgewiegelt. murrte und machte Tumult. Da verließ Jesus mit den Jüngern die Stadt und ging südlich durch das Tal und dann ein paar Stunden aufwärts in ein Erntefeld zwischen Bethulien und Gennabris, wo Er in einem großen Bauernhaus einkehrte. In diesem Haus waren gute Ihm bekannte Leute. Die heiligen Frauen übernachteten hier oft auf den Reisen nach Bethanien, und es kehrten die Boten hin und wieder hier ein.

11. Jesus auf dem Erntefeld von Dothaim und in Gennabris

Jesus hat auf diesem Erntefeld, welches dasselbe ist, auf welchem Er später mit den Jüngern die Ähren ausgerauft hat, bei den Schnittern, Ährensammlern und Binderinnen gelehrt. Er ging hie und da auf dem Feld umher und erzählte vom Sämann und vom steinigen Acker. Hier war der Acker auch steinig. Er sagte: dass Er auch gekommen sei, die guten Ähren zu sammeln, und erzählte das Gleichnis vom Ausraufen des Unkrautes bei der Ernte. Er verglich die Ernte mit dem Reich Gottes. Er erzählte dieses in Zwischenräumen der Arbeit, und ging von einem Feld zum andern.

Die Halme blieben hoch stehen, nur die Ähren wurden abgeschnitten und ins Kreuz gebunden.

Am Abend hielt Er eine große Lehre vor allen Arbeitern nach der Ernte an einem Hügel. Er sprach auch ein Gleichnis von einem Bach, der dort vorüberfloss, vom sanften, Segen bringenden Wandel, von der vorüberfließenden Welle der Gnade, vom Leiten der Gnade auf unser Feld usw. Er sendete hierauf die zwei Johannesjünger nach Ainon zu den Jüngern und ließ diesen sagen, sich gegen Machärus zu begeben und das Volk zu beruhigen, denn Er wusste, dass ein Tumult vor Machärus ausgebrochen war. Es hatten sich die Täuflinge zu Ainon sehr gehäuft, große Züge waren angekommen. Als sie aber hörten, der Prophet sei gefangen, so zogen sie gegen Machärus und viele Leute hängten sich an, sie tobten und schrieen, man solle den Johannes frei geben, dass er sie lehre und taufe. Sie warfen auch mit Steinen. Die Wachen schlossen alle Zugänge, Herodes stellte sich, als sei er nicht zuhause.

Jesus kehrte am Abend näher gegen Gennabris in einem zweiten Bauernhaus ein und lehrte dort auf dieselbe Art, auch vom Senfkörniein. Der Mann, bei dem Er wohnte, klagte Ihm über einen Nachbar, der ihm schon seit langer Zeit allerlei Abbruch an seinem Feld und seinen Gerechtigkeiten getan hatte. Jesus ging mit ihm nach dem Feld und ließ sich zeigen, um was er gekommen sei. Es war dies nach und nach schon ein bedeutendes Stück geworden. Und der Mann jammerte, dass er mit seinem Nachbarn nichts ausrichten könne. Jesus fragte ihn, ob er noch soviel habe, um sich und die Seinigen zu ernähren. Der Mann sagte: ja, er habe sein Auskommen noch gut. Da sagte ihm Jesus, dann habe er noch nichts verloren, denn es gebühre uns nichts, und so wir unser Auskommen hätten, das Leben zu fristen, hätten wir genug. Er solle jenem Mann noch mehr dazu geben, als er verlange, um dessen Hunger nach Gütern zu sättigen. Alles, was er mit freudigem Sinn, um Frieden zu erhalten, hier verlasse, finde er in seinem Reiche wieder. Jener Mann tue richtig nach seiner Art. Denn er habe sein Reich auf der Erde und suche darum an irdischem Gut zu wachsen, er wolle in seinem Reich nichts haben. Er solle von ihm lernen, wie man sich vergrößern müsse, und solle sich die Güter im Reich Gottes zu erwerben streben. Jesus nahm das Gleichnis von einem Fluss, welcher das Land diesseits abreiße und jenseits anlege. Es war eine Lehre, wie die vom ungerechten Haushalter, wo irdische Habsucht und List nach Bereicherung als Beispiel aufgestellt wurde, wie man im Geistigen handeln müsse. Der irdische Reichtum wurde dem himmlischen gegenübergestellt; die Lehre erschien etwas dunkel, aber sie war für den Begriff, die Religion und die Lage der Juden richtig und verständlich, weil alles an diesem Volk leiblich geschah.

Es war aber hier der Acker, auf welchem der Brunnen Josephs lag, und Jesus erzählte einen ähnlichen Streit im alten Testament, in welchem Abraham dem Lot noch mehr dazugab, als dieser wollte. Jesus setzte dieses auseinander und sagte: wo dann Lots Kinder hingekommen seien? Und ob Abraham nicht das Ganze erhalten habe? Ob auch wir nicht tun müssen, wie Abraham? Ob diesem das Reich nicht verheißen sei? Ob er es nicht erhalten habe? Nun aber sei dieses Reich ein Vorbild des Reiches Gottes, und der Streit Lots gegen Abraham sei ein Vorbild dieses Streites des Mannes mit seinem Nachbarn, und nun solle er wie Abraham tun und sich das Reich Gottes erwerben. Jesus sprach auch die Stelle in der Schrift aus, wo von diesem Streit steht (Gen 73, 7 usw.), und lehrte noch viel von dieser Sache und von dem Reich vor allen versammelten Ernteleuten.

Der ungerechte Bauer war mit seinem Anhang auch zugegen, hielt sich aber ganz still und stand fern. Er hatte seine Freunde angestiftet, Jesus manchmal in die Rede zu fallen mit allerlei spitzen Fragen. So fragte einer einmal: wo das endlich mit seiner Lehre hinaus wolle? Was dann daraus werden solle? Jesus antwortete ausweichend und sie konnten nichts mit der Antwort machen. Es hieß ungefähr: dem einen würde es zu lang, dem andern zu kurz scheinen hier. Er sprach dies alles in Gleichnissen von der Ernte, vom Sämann, Einsammeln, Verwerfen des Unkrautes, Brot und Speise des ewigen Lebens usw. Dieser sein Wirt ist auch Jesu Lehre gefolgt, er hat seinen Feind nicht verklagt, hat sein übriges Gut zur Gemeindekasse gegeben und seine Söhne sind Jünger geworden.

Es war auch hier viel die Rede von den Herodianern. Die Leute klagten, dass sie auf alles so lauern, und dass sie vor kurzem mehrere Ehebrecher von hier und Kapharnaum verklagt und gefangen nach Jerusalem gebracht hätten, die jetzt gerichtet werden sollten. Sie lobten es zwar, dass solche Leute aus ihrer Nähe weggebracht würden, aber das Gefühl. beständig belauert zu werden, war ihnen doch widerwärtig. Jesus lehrte ganz frei über diese Herodianer. Er sagte den Leuten, dass sie sich vor Sünde hüten sollten, aber auch vor der Heuchelei und dem Richten anderer. Sein eigenes Verbrechen müsse man zuerst bekennen, ehe man andere richte. Er schilderte nun die böse Art dieser Leute selber und lehrte nach dem Kapitel des Propheten Isaias, das am vorigen Sabbat in der Synagoge gelesen wurde, von den stummen Hunden, welche nicht bellen, die Sünde nicht abwehren und heimlich die Menschen zerreißen. Er erwähnte, wie sie diese Ehebrecher dem Gerichte überliefert hätten, während Herodes ihr Freund im Ehebruch lebe. Er sagte den Leuten auch, woran sie die Herodianer erkennen sollten.

Es waren hier in mehreren herumliegenden Hütten kranke, durch Arbeit erlahmte Menschen. Jesus besuchte diese Hütten, heilte die guten Leute und sagte ihnen, zur Lehre und Arbeit zu gehen, und sie taten es unter Lobgesang.

Jesus schickte von hier aus selbst noch einige Hirten nach Machärus mit der Aufforderung an die Jünger des Johannes, das Volk in Machärus zum Auseinandergehen zu bewegen, da dieser Tumult dem Johannes schweres Gefängnis oder gar den Tod verursachen könnte.

Herodes und seine Frau waren in Machärus. Ich sah, dass Herodes den Täufer vor sich rufen ließ. Herodes saß in einem großen Saal in der Nähe der Gefängnisse, von seiner Wache und mehreren Beamten und Schriftgelehrten und besonders von Herodianern und Sadduzäern umgeben. Johannes wurde durch einen Gang in diesen Saal gebracht und stand vor der großen offenen Tür zwischen den Wachen. Ich sah die Frau des Herodes mit großer Frechheit und voll Hohn an Johannes vorüber in den Saal hineinstreichen und sich auf einen hohen Sitz niederlassen. Diese Frau hatte eine andere Gesichtsform als die meisten jüdischen Frauen. Alle Formen waren sehr spitz und scharf und der Kopf selbst sehr spitz. Ihre Mienen waren in steter Bewegung. Sie war sehr schön gewachsen und in ihrer Kleidung sehr frech und getrieben, sehr eng geschnürt. Sie musste jedem unschuldigen Menschen ärgerlich sein und lockte doch alle Augen auf sich.

Herodes fragte den Johannes, er solle ihm deutlich sagen, was er von Jesus halte, der solchen Aufruhr in Galiläa mache. Wer Er denn sei? Ob Er an seine Stelle nun komme? Er habe zwar gehört, dass er früher von Ihm verkündet habe. Aber er habe dieses nicht besonders beachtet. Er solle nun nochmals ihm seine volle Meinung sagen, denn dieser Mensch führe wunderbare Reden, spreche von einem Reich, nenne sich in Gleichnissen einen Königssohn u. dgl., da Er doch der Sohn eines armen Zimmermannes sei. Nun sah ich, dass Johannes mit lauter Stimme und ganz, als rede er vor dem versammelten Volk, von Jesus Zeugnis gab: wie er nur sein Wegebereiter sei, wie er nichts sei gegen Ihn, wie nie ein Mensch noch Prophet das gewesen, noch sein werde, was Er sei. Dass Er der Sohn des Vaters, der Christus, der König der Könige, der Heiland und Hersteller des Reiches sei, dass keine Gewalt über die seine, dass Er das Lamm Gottes sei, welches die Sünden der Welt trage usw. So redete er von Jesus laut rufend, nannte sich seinen Vorläufer und Wegebereiter und geringsten Diener. Er sprach dies alles in solcher Begeisterung laut und hatte ein so übernatürliches Wesen, dass Herodes in die größte Angst kam und sich zuletzt gar die Ohren zuhielt. Er sagte hierauf zu Johannes: «Du weißt, dass ich dir wohl will, aber du redest Aufruhr erregend gegen mich vor dem Volk, indem du meine Ehe verwirfst! So du deinen verkehrten Eifer mäßigst und vor dem Volk meine Verbindung anerkennst, will ich dich freilassen, und du magst hingehen und lehren und taufen!» Da erhob Johannes abermals seine Stimme mit großem Ernst gegen Herodes und strafte ihn seines Wandels vor dem Volk und sagte ihm: «Ich kenne deine Gesinnung und weiß, dass du das Rechte erkennst und vor dem Gericht erzitterst. Aber du hast dich mit Schleppsäcken behängt und liegst in den Schlingen der Unzucht gefangen!» Der Grimm der Frau bei diesen Reden war nicht auszusprechen, und Herodes kam in solche Angst, dass er den Johannes schnell wegzubringen gebot. Er ließ ihn in einen anderen Kerker bringen, der keine Aussicht nach außen hatte, sodass er nicht mehr vom Volk gehört werden konnte.

Dieses Verhör hielt Herodes aus Sorge über den Aufruhr der Täuflinge und die Nachrichten der Herodianer von Jesu Wunder.

Es war aber im ganzen Land ein Gespräch wegen der strengen Hinrichtung einiger Ehebrecher in Jerusalem, welche die Herodianer aus Galiläa dahin geliefert hatten. Man sprach davon, dass man die kleinen Verbrecher hinrichte und die großen laufen lasse, und dass eben diese Ankläger, die Herodianer, dem ehebrecherischen Herodes zugetan seien, und dass dieser den Johannes gefangen genommen, weil er ihn des Ehebruches beschuldigt hatte. Herodes war dabei nicht guten Mutes. Ich habe diese Ehebrecher richten sehen. Man las ihnen ihr Verbrechen vor und stieß sie in einer Halle in ein schmales Loch, an dessen Rand sie standen. Sie fielen auf ein Messer, das ihnen die Kehle abschnitt, und unten in einem Gewölbe standen Büttel, welche die Leichname beiseite schleppten. Es war eine Maschine, in die sie stürzten. Es war in der Gegend, wo Jakobus gerichtet wurde.

Jesus lehrte auch am folgenden Tag noch unter den Ackerleuten, da Andreas, Jakobus und Johannes hierher zu ihm kamen. Nathanael war in seinem Haus in der Vorstadt bei Gennabris. Jesus sprach zu den Jüngern, Er werde nächstens durch Samaria nach dem Jordan zum Taufort gehen. Von dem Feld, wo er lehrte, war der Brunnen von Dothaim nicht sehr weit, bei welchem Joseph verkauft wurde.

Die Leute hatten hier Jesus auch gefragt, ob sie recht täten, dass sie arme, verlahmte Arbeiter, die nicht mehr arbeiten könnten, ernährten? Jesus antwortete, dass sie ihre Schuldigkeit täten. Sie sollten sich aber nicht rühmen, sonst hätten sie ihren Lohn hinweg. Er ging dann in die Hütten dieser Kranken, heilte viele derselben und sendete sie zur Lehre und Arbeit. Sie kamen und lobten Gott.

Von da ging Jesus nach Gennabris zum Sabbat in die Synagoge. Gennabris ist wohl so groß als Münster. Es liegt etwa eine Stunde von der Feldhöhe, auf der Jesus war, gegen Morgen an einem Abhang mit Gärten, Bädern und Lustorten. Von der Seite, wo Jesus herkam, war es durch tiefgehauene, stehende Wassergräben befestigt. Nach einer halben Stunde Wegs kam Jesus mit den Jüngern schon an die Mauern und Turmtore im Umfang der Stadt. Es waren hier noch mehrere Jünger aus der Gegend zusammengekommen, und es kamen etwa an zwölf mit Ihm in die Stadt, wo viele Pharisäer, Sadduzäer und besonders Herodianer an diesem Sabbat versammelt waren. Sie hatten sich vorgenommen, Jesus mit arglistigen Fragen in seiner Rede zu fangen und sagten untereinander, in kleinen Orten sei das schwerer, da sei Er kühner, als hier, sie freuten sich und waren ihrer Sache ganz sicher. Durch ihre Vorbereitung hielten sich die vielen anwesenden Menschen ganz ruhig und machten gar kein Aufsehen bei Jesu Ankunft. Er zog ruhig in die Stadt ein, und die Jünger wuschen Ihm vor der Synagoge die Füße. Die Schriftgelehrten und das Volk waren schon in der Synagoge versammelt. Man empfing Ihn ohne Aufsehen mit geheuchelter Ehrfurcht. Sie ließen Ihn vorlesen und auslegen. Er las wieder aus Isaias immer einen Satz und legte ihn wieder aus. Es war aus 54, 55, 56. Es handelte davon, wie Gott seine Kirche herstelle, wie Er sie köstlich erbauen wolle, wie alle kommen sollen zu trinken von dem Wasser und wie die, welche kein Geld haben, kommen sollen Brot zu essen. Sie strengten sich an, in der Synagoge gesättigt zu werden. Aber es sei kein Brot da, und wie das Wort seines Mundes, der Messias nämlich, sein Werk vollenden solle. Im Reich Gottes, in der Kirche sollten die Fremden, die Heiden auch wirken und fruchtbar sein, so sie glauben. Er nannte die Heiden Verschnittene, weil sie nicht an der Stammlinie des Messias teilhatten so wie die Altväter. Er legte sehr vieles davon aus auf sein Reich, auf die Kirche und den Himmel. Er verglich auch die jetzigen Lehrer der Juden mit stummen Hunden, welche nicht wachsam seien, sondern sich mästen, fressen und schwelgen. Er zielte auch auf die Herodianer und Sadduzäer damit, welche nur heimlich lauerten und ohne zu bellen die Menschen anfallen, ja den Hirten selbst. Er lehrte sehr scharf und treffend.

Am Schluss las Er auch aus Deuteronomium 11, 29. usw. vom Segen und Fluch auf Garizim und Hebal und noch vieles über die Gebote und das verheißene Land. Er legte aber alles auf das Reich Gottes aus.

Ein Herodianer trat ganz ehrerbietig zu Ihm und bat Ihn, doch zu erklären, wie groß denn die Zahl derer sein würde, welche in sein Reich kommen. Sie wollten Ihn mit dieser Frage fangen, weil alle durch die Beschneidung daran teilhaben sollten, und weil Er sogar von den Heiden und Verschnittenen dabei gesprochen und so viele Juden verworfen hatte. Jesus ging auf diese Frage nicht mit bestimmter Antwort ein, sondern Er lehrte weit umher und kam zuletzt auf einen Punkt, welcher die Frage ganz aufhob. Er antwortete etwa wieder mit einer Frage: wie viele denn aus der Wüste in Kanaan eingegangen seien? Und ob sie nicht alle durch den Jordan gegangen? Wie viele das Land denn wirklich besessen? Und ob sie es denn je ganz erobert hätten? Ob sie es nicht noch jetzt teils mit den Heiden teilen müssen? Ob sie nie und nirgends daraus vertrieben worden seien? Er sagte auch, es werde keiner in sein Reich eingehen, als durch den engen Weg und die Brauttür. Ich hatte die Erklärung, es sei dies Maria und die Kirche, in welcher wir durch die Taufe wiedergeboren werden, und aus welcher der Bräutigam geboren sei, auf dass Er uns durch sie in die Kirche hineinführe und durch sie wieder zu Gott. Er setzte dem Eingehen durch die Brauttür das Eingehen durch die Seitentür entgegen. Es war ein ähnliches Gleichnis, wie das vom guten Hirten und Mietling (Joh 10, 1.) Auch hier sagte Er: durch die Türe allein gehe der Eingang. Die Rede Jesu am Kreuz vor seinem Tod, da Er Maria die Mutter des Johannes, und diesen den Sohn Marias nennt, haben einen geheimen Sinn dieser Wiedergeburt aus- und ineinander durch Jesu Tod.

Sie konnten an diesem Abend Ihm nichts anhaben und hatten sich auch erst auf den Schluss des Sabbats dazu bereitet. Es ist wunderlich, wenn sie beisammen sind, so haben sie immer ein großes Maul, wie sie Jesus fangen und festhalten wollen in seinen Lehren, und wenn Er zugegen ist, können sie nichts vorbringen, sind ganz erstaunt und teils auch überzeugt, aber voll Grimm.

Jesus verließ die Synagoge ganz ruhig und sie brachten Ihn zu einer Mahlzeit bei einem Pharisäer, wo sie auch nichts vorbringen und ablauern konnten. Er erzählte hier eine Parabel von einer Mahlzeit, wozu der Herr die Gäste einlade zu einer bestimmten Zeit, dann aber werde die Tür geschlossen, und welche nicht zugegen wären, würden nicht eingelassen.

Er ging dann mit den Jüngern in das Haus eines Pharisäers schlafen, der mit Andreas bekannt war. Denn dieser rechtschaffene Mann hatte jene Jünger, worunter auch Andreas, welche nach dem Pascha hier vor Gericht waren gestellt worden, redlich verteidigt. Er war seit kurzem Witwer und noch nicht alt und ist bald zu den Jüngern gekommen. Er hieß Dinocus oder Dinotus, sein zwölf jähriger Sohn Josaphat. Sein Haus lag außerhalb der Abendseite der Stadt; Jesus war von der Mittagsseite in die Stadt gekommen, denn Er war die Feldhöhe gegen Dothaim zu, mittäglicher als Gennabris, hinabgezogen, und im Winkel wieder dahin zurückgekehrt. Das Haus des Pharisäers lag an der Abendseite und die Wohnung Nathanaels vor der Nordseite nach Galiläa zu.

Heute sah ich, dass Herodes nach jenem Verhör des Johannes Beamte zu dem aufrührerischen Volk schickte, welche der Menge sehr sanft vorstellten, sie möchten keine Sorge um Johannes haben und sich ruhig nach Hause begeben. Er befinde sich sehr wohl und genieße eine freundliche Behandlung. Herodes habe ihn nur näher bei sich haben wollen. Durch ihren Aufstand könnten sie einen bösen Schein auf ihn werfen und seine Lage verschlimmern. Sie sollten sich daher nach Hause begeben. Dann werde er wohl bald wieder zum Taufen erscheinen. Da nun auch die Boten von Jesus und die Johannesjünger mit ihren Aufträgen ankamen, so zerstreuten sich die Leute nach und nach. Herodes war aber in einer großen Bangigkeit und Unruhe. Die Hinrichtung der Ehebrecher in Jerusalem hatte das Volk auf die Erinnerung seiner ehebrecherischen Ehe gebracht, und es murrte laut darüber, dass er Johannes gefangen halte, weil er die Wahrheit gesagt und das Gesetz aufrecht gehalten, nach welchem jene in Jerusalem getötet worden. Zudem hörte er noch von den Taten und Lehren Jesu in Galiläa. Auch war es ihm zu Ohren gekommen, dass Er jetzt an den Jordan herabkommen und lehren wolle. Er war in großer Furcht, es möchte dadurch das unruhige Volk noch mehr aufgewiegelt werden. Und in dieser Angst sah ich ihn eine Versammlung von Pharisäern und Herodianern halten, um sich zu beratschlagen, wie man Jesus zurückhalten könne. Der Schluss war, dass er acht aus diesen zu Jesus absendete, welche Ihm ganz fein möchten zu verstehen geben, Er solle sich doch in Obergaliläa und jenseits des Sees mit seinen Lehren und Wundern aufhalten und nicht im Land des Herodes in Galiläa, und doch ja nicht nach dem Jordan herab ins Gebiet des Herodes kommen. Sie sollten Ihn warnen mit dem Beispiel des Johannes, weil Herodes sich leicht gezwungen sehen könnte, Ihn zu Johannes gefangen zu legen. Diese Gesandtschaft reiste heute nach Galiläa.

Am folgenden Morgen lehrte Jesus wieder in der Synagoge ohne viel Widerspruch. Denn sie wollten Ihn in der Mittagslehre alle zusammen anfallen. Er lehrte wieder abwechselnd aus Isaias und Deuteronomium. Es kam auch Gelegenheit vor, von würdiger Haltung des Sabbats zu reden, und Er lehrte viel davon. Die Kranken dieser Stadt hatten nicht gewagt, Ihn um Hilfe anzuflehen, so waren sie eingeschüchtert.

Jesus sprach in der Synagoge auch den Laurern zu Gehör von der Gesandtschaft des Herodes an Ihn: «Wenn sie kommen, so sollten sie den Füchsen sagen, sie möchten dem Fuchs die Nachricht bringen, er brauche sich um Ihn nicht zu ängstigen. Er möge ungehindert sein Treiben fortsetzen und sein Werk an Johannes vollenden. Er werde sich übrigens nicht an ihm stören und lehren, wohin Er gesandt sei, in jeder Gegend, und zu Jerusalem, wenn es nötig sei. Er werde seine Aufgabe vollenden und seinem Vater im Himmel Rechenschaft davon geben.» Sie ärgerten sich sehr darüber.

Nachmittags ging Jesus mit den Jüngern aus dem Haus des Pharisäers Dinotus ein wenig spazieren, und da sie vor das Tor kamen, wo das Haus Nathanaels lag, ging Andreas hinein und rief ihn herab. Nathanael stellte Jesus hier auch seinen Vetter, einen noch sehr jungen Mann vor, dem er sein Geschäft nun übergeben wolle, um Jesus ganz nachzufolgen. Ich meine, er wird jetzt schon mit Jesus hinabreisen.

Nach diesem Spaziergang gingen sie in die Stadt, in der an dieser Seite die Synagoge lag. Es hatten aber etwa zwölf arme, durch Arbeit erkrankte Taglöhner vom Land die Heilung ihres Gleichen von Jesus auf dem Erntefeld gehört und waren in Hoffnung einer ähnlichen Gnade in die Stadt gekrochen und hatten sich vor der Synagoge in eine Reihe gestellt, seine Hilfe anzurufen. Jesus ging tröstend an ihnen vorüber und ermahnte sie auf ihr Flehen zu einiger Geduld. Es folgten aber gleich hinter Ihm die Schriftgelehrten, die ergrimmten, dass es doch einige Fremde gewagt hätten, hier Heilung von Jesus zu verlangen, da es ihnen bisher gelungen war, die Kranken der Stadt zurückzuhalten. Sie fuhren die armen, elenden Menschen grob an und doch mit dem Scheine von frommer Absicht: «sie sollten hier keine Störung und Aufsehen machen und sich sogleich hinweg begeben, Jesus habe wichtigere Sachen mit ihnen zu verhandeln, es sei jetzt keine Zeit sich mit ihnen abzugeben»; da aber die armen, elenden Menschen nicht gleich von der Stelle konnten, ließen sie dieselben hinwegtreiben.

In der Synagoge lehrte Jesus meist von dem Sabbat und dessen Heiligung. Es kam dieses Gebot auch in den Stellen aus Isaias vor, welche heute gelesen wurden. Als Er darüber gelehrt hatte, fragte Er sie, indem Er nach dem tiefen Stadtgraben hindeutete, an dessen Rand ihre Esel grasten: «Wenn am Sabbat einer dieser Esel hinabstürzte, ob sie ihn herausziehen dürften am Sabbat, damit er nicht sterbe?» Sie schwiegen. «Ob sie dies wohl auch an einem Menschen tun dürften?» Sie schwiegen. «Ob sie wohl erlauben würden, dass ihnen selbst an Leib und Seele ein Heil am Sabbat widerfahre? Ob ein Werk der Barmherzigkeit am Sabbat erlaubt sei?» Auch hierauf schwiegen sie. Nun sagte Jesus: «Da ihr schweigt, muss Ich annehmen, dass ihr nichts dagegen einwenden könnt. Wo sind also die armen Kranken, welche Hilfe von Mir vor der Synagoge begehrten? Bringt sie hierher!» Da sie aber nicht daran wollten, sagte Jesus: «So ihr es nicht tun wollt, will Ich es durch meine Jünger tun lassen.» Sie besannen sich eines anderen und ließen die Kranken aufsuchen. Diese schlichen ganz elend herein. Es waren etwa zwölf, teils Lahme, teils schrecklich Geschwollene von Wassersucht, so dass die Finger dick auseinander standen. Diese Leute waren sehr erfreut, denn sie waren durch das Abweisen der Schriftgelehrten sehr traurig gewesen.

Jesus befahl ihnen, sich in eine Reihe zu stellen, und es war rührend zu sehen, wie die weniger Kranken selbst die Kränkeren vorausstellten, damit Jesus sie zuerst heilen solle. Jesus ging zu ihnen ein paar Stufen hinab und rief die Ersten heran. Sie waren meistens lahm in den Armen. Jesus betete über sie schweigend, indem Er die Augen emporhob und berührte ihre Arme sanft herabstreichend. Dann bewegte Er ihre Hände auf und ab und befahl ihnen zurückzutreten und Gott zu loben: sie waren geheilt. Die Wassersüchtigen konnten kaum gehen. Er legte ihnen die Hand auf Kopf und Brust, sie wurden kräftiger und konnten zurückgehen und das Wasser verließ sie nach wenigen Tagen ganz.

Während dieser Handlung entstand ein großes Zudringen des Volkes und anderer armer und kranker Leute, welche Gott mit den Genesenen laut lobten. Die Menge war so groß, dass die Schriftgelehrten voll Zorn und Beschämung weichen mussten und teils von dannen gingen. Jesus lehrte aber die versammelte Menge von der Nähe des Reiches, von Buße und Bekehrung bis zum Schluss des Sabbats. Die Schriftgelehrten mit allen ihren Einwürfen und Spitzfindigkeiten kamen gar nicht mehr zum Wort. Es war äußerst lächerlich, wie sie, die so gegeneinander geprahlt hatten, nun nicht einmal zur Rede kamen, und wie sie auch nicht das mindeste Recht gegen Jesus behielten und Ihm auch nichts hatten antworten können.

Nach dem Sabbat war in einem öffentlichen Lustort der Stadt ein großes Gastmahl wegen Vollendung der Ernte, und Jesus mit seinen Jüngern war dazu eingeladen. Es waren die meisten vornehmen Bürger und auch manche Fremde da, selbst einzelne reiche Bauern. Man aß an mehreren Tischen. Es befanden sich von allen Früchten, Obst und Getreide auf dem Tisch, selbst Geflügel, und alles, was besonders in dieser Ernte ergiebig gewesen, war doppelt da, auch Tiere, gebraten als Speise und geschlachtet und zur Zubereitung fertig, als ein Bild des Überflusses.

Man hatte Jesus und seinen Jüngern die obersten Stellen angewiesen. Aber ein hoffärtiger Pharisäer hatte sich im voraus obenan gesetzt. Jesus dem Tisch nahend sprach mit ihm heimlich und fragte, wie er an diesen Platz komme? Da sagte er: «Weil hier die löbliche Gewohnheit ist, dass die Gelehrten und Vornehmeren obenan sitzen,» Jesus entgegnete: «Die, welche auf Erden die ersten Plätze einzunehmen strebten, würden keinen Platz in dem Reich seines Vaters haben» und der Mann setzte sich ganz beschämt weiter hinab, wo er sich aber doch anstellte, als habe er dieses aus eigenem Besserdünken getan. Bei Tisch erklärte Jesus noch einiges vom Sabbat, besonders (Is 58, 7.) «brich dem Hungrigen dein Brot, und die so im Elend sind, führe ins Haus.» Und fragte auch: «Ob es nicht eine Gewohnheit dieses Festes, als eines Dankfestes des Überflusses sei, die Armen zu Gast zu ziehen und mit ihnen zu teilen? Er wundere sich, dass man dieses habe abkommen lassen, wo denn die Armen seien? Da sie Ihn eingeladen, obenan gesetzt und Ihn zum Meister der Tafel gemacht hätten, so müsse Er sich auch um die rechtmäßigen Gäste bekümmern. Sie sollten die Leute herbeirufen, die Er geheilt, und alle übrigen Armen.» Da sie es aber nicht gleich taten, gingen seine Jünger und riefen die Armen auf allen Straßen. Und als sie bald kamen, gab ihnen Jesus und die Jünger ihre Stellen, und die Schriftgelehrten machten sich nach und nach fort. Jesus aber und die Seinigen und einzelne gute Leute dienten den Armen und teilten noch alles aus, was übrig war, wodurch eine große Freude umher entstand. Dann begab Er sich mit den Seinigen zu dem Pharisäer Dinotus vor die Abendseite der Stadt zur Ruhe.

Tags darauf kamen am Morgen unzählige Kranke von Gennabris, aus der Stadt und aus der Gegend, an das Haus, wo Jesus herbergte, und Er heilte den ganzen Morgen. Es waren meistens Handlahme und Wassersüchtige. Der Sohn des Pharisäers Dinotus, bei dem Jesus wohnte, Namens Josaphat, von etwa zwölf Jahren, kam, als sein Vater Jesus ganz nachfolgte, auch mit ihm. Die jüdischen Knaben trugen einen langen Rock mit einem Zwickel an beiden Seiten, dessen Saum gespalten war, vorne bis auf die Füße waren Knöpfe und Schnüre. Wenn sie mehr erwachsen waren, erhielten sie erst die Art um die Beine gewickelter Beinkleider und andere Röcke wie die Großen. Wenn ihr Röckchen gegürtet war, war es kraus, sonst hing es gewöhnlich weit wie ein Hemd, oft war es auch geschürzt. Als Jesus von Dinotus Abschied nahm, drückte Er ihn an sich, und der Mann weinte sehr.

Jesus aber ging mit Nathanael. Andreas, Jakobus, Saturnin, Aristobulus, Tharzissus, Parmenas und noch Jüngern südlich durch Täler, etwa 2 - 3 Stunden weit, und übernachtete an einem Abhang, zwischen zwei Städten in einem leeren Schnitterschuppen. Die zur Linken gelegene Stadt hieß Ulama, die zur Rechten glaub ich Japhia. Ulama liegt gegen Tarichäa, etwa so wie Gennabris gegen Tiberias. Die rechts gelegene Stadt liegt tiefer als Bethulien; und sie sind auch eine gute Strecke voneinander entfernt, aber das Gebirge schiebt sich in der Ansicht so zusammen, dass man meint, Bethulien liege obendrüber. Dieser Ort liegt auch gegen Jesu Weg ganz nahe scheinend, als gehe er daraufzu. Der Weg aber krümmt sich, dass man ihn bald ganz aus dem Gesicht verliert.

Jenes Feld, wo Jesus die Ernteleute gelehrt, ist wirklich das Feld, wo Joseph seine Brüder mit den Herden angetroffen, und der länglich viereckige Brunnen ist jene Zisterne, in die sie Joseph hinabgelassen hatten.

12. Jesus in Abelmehola

Jesus ging von der Nachtherberge am Morgen mit den Jüngern etwa fünf Stunden weiter gegen Mittag und kam ungefähr um zwei Uhr nach der kleinen Stadt Abelmehola, wo der Prophet Elisäus geboren ist. Sie lag an einer Anhöhe des Berges Hermon, so dass die Türme mit der Höhe des Bergrückens gleich standen. Sie war nur ein paar Stunden von Scythopolis und abendwärts von ihr kam man in das Tal Jezrael. Sie lag mit der Stadt Jezrael selbst in gleicher Linie. Nicht sehr weit von Abelmehola und näher am Jordan lag ein Ort Bezech. Samaria lag südwestlich mehrere Stunden von hier. Abelmehola liegt in oder auf der Grenze von Samaria, ist aber von Juden bewohnt.

Jesus und seine Jünger setzten sich vor der Stadt auf einem Ruheplatz nieder, wie das Wanderer in Palästina pflegten, welche dann gewöhnlich von gastfreien Leuten aus der Stadt herein in ihr Haus geholt wurden. So geschah es auch hier. Leute, die am Weg vorübergingen, erkannten Jesus, der früher einmal um die Zeit es Laubhüttenfestes hier durchgekommen war und sagten es zu Hause. Da kam bald ein wohlhabender Bauer aus dem Ort mit Dienern und brachte Jesus und den Jüngern zu trinken, Brot und Honig, lud sie in sein Haus und sie folgten. Hier wusch er ihnen die Füße, gab ihnen andere Kleider, schüttelte und streckte die ihrigen aus, worauf sie dieselben wieder anlegten. Er ordnete auch gleich eine Mahlzeit an, zu der er mehrere Pharisäer, mit denen er gut stand, einlud, welche auch bald erschienen. Er war außerordentlich freundlich, aber innerlich doch ein Halunke. Er wollte vor den Leuten prahlen, dass der Prophet bei ihm sei, und von den Pharisäern Ihn ausforschen lassen. Sie meinten, so allein bei Tisch gehe das besser, als vor der Volksmenge in den Synagogen.

Kaum aber war der Tisch bereitet, als sich alle beweglichen Kranken des Ortes schon vor dem Haus und in dem Hof des Mannes versammelten, was diesen und die Pharisäer sehr ärgerte. Er ging hinaus und wollte sie hinwegweisen, Jesus aber sagte: «Ich habe eine andere Speise, nach der Mich hungert» und setzte sich nicht zu Tisch, sondern ging hinaus zu den Kranken und begann sie zu heilen, auch alle seine Jünger folgten ihm. Es waren mehrere Besessene da, welche Ihn anschrieen. Er heilte sie mit einem Blick und einfachen Befehl. Viele Kranke waren an einer oder beiden Händen lahm. Er fuhr ihnen mit der Hand über die Arme und bewegte sie ihnen einmal auf und ab. Andere waren wassersüchtig. Er legte ihnen die Hände auf Kopf und Brust. Andere waren auszehrend, andere hatten kleine, jedoch nicht bösartige Geschwüre an sich. Einigen sagte Er, sich zu baden, anderen, sie würden in wenigen Tagen ganz gesund sein und befahl ihnen gewisse Werke. Weit zurück an einer Mauer gelehnt standen verschleiert und verschämt seitwärtssehend, oder mit elendem Angesicht durch eine Falte des Schleiers nach Jesus dann und wann hinblickend, mehrere blutflüssige Frauen. Zuletzt ging Jesus zu ihnen hinüber, rührte sie an und heilte sie, und sie warfen sich vor Ihm nieder.

Alle diese Menschen jubelten und lobsangen. Die Pharisäer aber im Haus hatten alle Öffnungen des Hauses zugesetzt, ärgerten sich bei ihrem Gastmahl und lauschten manchmal durch das Gitter. Es dauerte dieses Heilen aber lang, und sie mussten, da sie nach Hause wollten, durch den Hof durch alle Kranken, Genesenen und Jubelnden durch, was ihnen ein rechter Stich ins Herz war. Die Menge war aber zuletzt so groß, dass sich Jesus im Haus verbergen musste, bis sie von dannen gezogen waren.

Es war schon in der Dämmerung, als fünf Leviten kamen und Jesus nebst den Jüngern in das Schulhaus, dem sie vorstanden, zur Herberge luden. Sie verließen den pharisäischen Bauern mit Dank, und Jesus gab Ihm noch eine kurze Lehre und bediente sich eines Ausdrucks, «wie von den Füchsen» bei den Herodianern. Der Mann stellte sich immer ganz freundlich. In dem Schulhaus nahmen Jesus und die Jünger einen kleinen Imbiss und schliefen in einem langen Gang, in dem Teppich ausgebreitet und die Lager durch Stellwände geschieden wurden. Es wurde in dem Haus eine Knabenschule gehalten. Auch wurden in einer Stube erwachsene Jungfrauen unterrichtet, welche gründliche Kenntnisse erlangten, um Jüdinnen zu werden. Diese Schule war seit der Zeit von Jakob her hier im Gebrauch. Da Jakob von Esau auf alle Weise verfolgt wurde, sendete Ihn Rebekka heimlich nach Abelmehola, wo er Herden und Knechte hatte und in Zelten wohnte. Rebekka hatte dort eine Schule für Kananiterinnen und andere heidnische Mädchen veranstaltet. Weil Esau, seine Kinder und Knechte, sowie auch andere Leute Isaaks sich mit solchen verheirateten, ließ Rebekka, die einen Widerwillen gegen solches Volk hatte, die Jungfrauen, welche es wünschten, an diesem Ort in den Sitten und der Religion Abrahams unterrichten, denn dieses Feld dort gehörte ihr.

Jakob hielt sich lange dort verborgen auf, und wenn man nach ihm fragte, sagte sie, er sei in der Fremde bei anderer Leute Herden. Manchmal kam er heimlich zu ihr, und sie hielt ihn einige Zeit verborgen vor Esau. Er grub bei Abelmehola einen Brunnen, denselben, an dem Jesus vor der Stadt gesessen. Die Leute hielten den Brunnen dort sehr in Ehren, und er war immer zugedeckt. Er grub auch noch eine Zisterne dort umher, lang und viereckig, in die man auf Treppen hinabsteigen konnte. Später wurde sein Aufenthalt bekannt, und weil Rebekka merkte, dass er sich auch wie Esau mit einer kananitischen Frau befassen würde, schickten Isaak und sie Jakob in ihre Heimat zu Laban, seinem Oheim, wo er die Rachel und Lia verdiente.

Es hatte aber Rebekka die Schule so weit von ihrer Wohnung im Lande Heth gesetzt, weil Isaak viel Streit mit den Philistern hatte, die ihm oft alles zuschanden machten. Sie hatte dort einen Mann aus ihrem Vaterland Mesopotamien und ihre Amme hingesetzt, die, glaube ich, dessen Frau war. Die Schülerinnen wohnten in Zelten und wurden in allem unterrichtet, was die Frau in herumziehenden Hirtenhaushalten wissen musste. Sie lernten auch die Pflichten einer Frau im Stamm Abrahams und dessen Religion. Sie hatten Gärten und pflanzten allerlei rankende Gewächse, wie Kürbisse, Melonen, auch Gurken und eine Art Getreide. Sie hatten sehr große Schafe, deren Milch sie aßen. Sie wurden auch im Lesen unterrichtet, was ihnen wie das Schreiben sehr schwer ankam. Man schrieb damals ganz seltsam auf braune, dicke Lappen. Es waren dies keine Rollen, wie später, es waren Rinden von Bäumen. Ich sah solche abziehen. Sie brannten die Buchstaben hinein. Sie hatten ein Kästchen, in welchem Zickzackfächer waren. Ich sah diese Fächer oben blinken, denn es lagen allerlei Zeichen von Metall darin, welche sie in einer Flamme heiß machten und in die Rinde nacheinander einbrannten. Ich habe das Feuer, worin sie es heiß machten und das sie auch zum Kochen, Braten und Backen und als Lampe brauchten, auf folgende Art bei ihnen gesehen und noch dabei gedacht, sie haben das Licht hier alle unter dem Scheffel stehen. In einem Gefäß, dessen Gestalt mich an den Aufsatz erinnerte, den manche heidnische Götterbilder auf dem Kopfe haben, brannte eine schwarze Masse, in deren Mitte ein Loch, vielleicht zum Luftzug, eingebohrt war. Die runden Türmchen um das Gefäß waren hohl und es wurde da wohl etwas zum Kochen hineingegossen. Über dieses Feuerbecken stülpten sie wie einen Scheffel, der oben dünn und wie fein durchlöchert war, auch an diesem waren rings so runde Türmchen, worin man etwas erwärmen konnte. An diesem Scheffel waren rings Öffnungen mit Schiebern, und wohin sie Licht haben wollten, machten sie so ein Fensterchen auf, da fiel das Licht der Flamme hin. Sie öffneten immer nach den Seiten, wo kein Zugwind herkam, der in den Zelten oft sein konnte. Unter dem Feuerbecken war auch ein kleiner Aschenraum, in dem sie dünne Brotkuchen backen konnten, und oben über dem Scheffel kochten sie in niedrigen Gefäßen Wasser, das sie abzapften zu Bädern und zum Waschen und Kochen. Sie brieten und rösteten auch darauf. Diese Gefäße waren dünn und leicht, sie nahmen dieselben auf allen Zügen mit sich und konnten sie leicht von einer Stelle zur andern bringen. Über einem solchen Feuerbecken wurden die Buchstaben heiß gemacht und dann eingebrannt in die Rinden.

Die kananitischen Menschen hatten schwarze Haare und waren bräuner als Abraham und seine Landsleute. Diese waren gelblicher und mit durchschimmernder Röte. Die kananitischen Frauen waren anders gekleidet als die Töchter Israels, Sie hatten von wollgelbem Zeug ein weites Röckchen bis an die Knie. Es bestand aus vier Lappen, welche unter den Knien mit einer Strippe zusammengezogen waren und ein weites Beinkleid mit getrennten Beinen bildeten, das nicht um die Lenden gewickelt war, wie bei den Juden, in seinen weiten Falten an beiden Seiten die Trennung bedeckte, um den Leib war dieses Beinkleid auch zusammengezogen. Der Oberleib war mit einem ähnlichen doppelten Zeuglappen über Rücken und Brust bedeckt. Die Lappen waren auf den Schultern zusammengebunden und diese Art weites Skapulier, ebenfalls an beiden Seiten offen, war unten mit einer Strippe um den Leib geschlossen, über welche Strippe es übersackte. So sahen Leib und Lenden wie ein weiter Sack aus, in der Mitte gebunden und unter den Knien plötzlich endend. Die Beine standen auf Sohlen und waren von diesen herauf bis an die Knie mit Riemen kreuzweise umwunden, zwischen welchen man das Bein durchsah. Die Arme waren mit einem feinen durchsichtigen Stofflappen bedeckt, der sich durch mehrere glänzende Metallringe zu einem Ärmel daran anschloss. Auf dem Kopf hatten sie eine Mütze von kleinen Federn, die oben in einer Spitze endeten, von welcher sich hinten eine Art Helmkamm herabbog, der mit einem starken Busch endigte. Sie waren schön von Körperbau, sonst aber viel unwissender als die Kinder Abrahams. Einige hatten auch noch lange Mäntel, oben enger, unten weiter. Die Frauen von Israel trugen eine gewickelte Bedeckung auf dem Leibe, darüber einen langen Hemdrock und zuletzt ein langes, vorne zugeknüpftes Kleid. Den Kopf hatten sie mit einem Schleier umwunden oder auch mit vielen Krausen hintereinander umgeben, wie die Leute jetzt am Hals tragen.

Ich sah auch, was sie zu Rebekkas Zeit lernten. Es war die Religion Abrahams, von der Erschaffung der Welt, von Adam und Eva und ihrer Einführung ins Paradies, von der Verführung Evas durch den Satan und von dem Sündenfall des ersten Menschenpaares durch Übertretung der von Gott gebotenen Enthaltsamkeit. Durch das Essen der verbotenen Frucht entstand alles sündhafte Gelüst im Menschen. Sie wurden gelehrt, dass der Satan den ersten Eltern ein göttliches Licht und Erkennen versprochen habe, dass die Menschen aber nach der Sünde blind geworden seien, dass ihnen wie ein Fell über die Augen gezogen worden, dass ihnen ein früher gehabtes Schauen verloren gegangen sei, und dass sie nun mühselig arbeiten, die Kinder in Schmerzen gebären und nach aller Erkenntnis demütig ringen müssten. Sie lernten auch, dass der Frau ein Sohn verheißen sei, der der Schlange das Haupt zertreten solle. Von Abel und Kain, von den Nachkommen Kains, wie sie ausgeartet und böse geworden und wie die Kinder Gottes, von der Schönheit der Töchter der Menschen angezogen, sich mit diesen verbunden und wie ein gottloser gewaltiger Menschenstamm von Riesen aus ihnen entstanden sei, voll von zauberhafter Macht, böser Wissenschaft und Kunst, ein Geschlecht, das alle Lüste und falsche Weisheit, alles, was zur Sünde lockt und von Gott abzieht, erfunden und gelehrt und die Menschen so verführt und verderbt habe, dass Gott sie alle bis auf Noe und seine Familie zu vertilgen beschlossen. Dieses Volk habe auf einem hohen Gebirge seinen Hauptsitz gehabt und sei immer höher und höher gedrungen, in der Sintflut aber sei dieser Berg versunken und zu einem Meer geworden. Sie lernten weiter von der Sintflut, von der Rettung Noes in der Arche, von Sem, Cham und Japhet, von der Sünde Chams und der abermaligen Bosheit der Menschen bei dem Turmbau zu Babel. Dieser Bau, seine Zerstörung, die Sprachverwirrung und feindselige Trennung der Menschen wurde ihnen wieder mit dem Treiben jener bösen, gewaltigen, zauberhaften Menschen auf dem hohen Berge zusammengestellt und als Folge unerlaubter, von Gottes Gesetz verbotener Vermählungen dargestellt. Auch auf dem Turm zu Babel wurde Zauberei und Abgötterei getrieben.

Bei diesen Lehren wurden dann die bekehrten Jungfrauen vor jeder Verbindung mit Götzendienern, vor allem eitlen Trachten nach Kunst, Zauberei. Reizen, Sinnenbelustigungen, vor bösem Schmuck und vor allem, was nicht zu Gott führt, gewarnt, als vor Dingen, welche alle zu den Sünden gehören, wegen welcher Gott die Menschen vertilgte. Sie wurden hingegen zur Gottesfurcht, zum Gehorsam und Untertänigkeit und zur treuen, einfältigen Übung aller Pflichten des Hirtenlebens angewiesen. Sie wurden auch in den Geboten unterrichtet, die Gott dem Noe gegeben, z. B. kein rohes Fleisch zu essen. Sie wurden auch gelehrt, wie Gott das Geschlecht Abrahams erwählt habe, sein auserwähltes Volk aus seinen Nachkommen zu bilden, aus dem der Erlöser geboren werden soll, und wie er den Abraham aus dem Land Ur herausgeführt und abgesondert habe. Sie wurden gelehrt, wie Gott zu Abraham weiße Männer gesandt habe, nämlich Männer, die weiß, die leuchtend erschienen, und diese hätten dem Abraham das Geheimnis des Segens Gottes gegeben, dass seine Nachkommenschaft groß werden soll über alle Völker der Erde. Es wurde ihnen von diesem übergebenen Geheimnis nur im allgemeinen, als von einem Segen gesprochen, aus welchem die Erlösung kommen werde. Sie lernten auch von Melchisedech als einem solchen weißen Mann, wie er Brot und Wein geopfert und Abraham gesegnet habe. Auch von dem Strafgericht Gottes über Sodoma und Gomorrha wurden sie belehrt.

Als Jesus diese Schule besuchte, hatten die Jungfrauen eine Zeitrechnung auf die Ankunft des Messias zu machen und alle trafen mit ihren Rechnungen auf die jetzige Zeit zusammen. In diesem Augenblick trat Jesus mit den Jüngern in die Schule. Es machte dies einen erschütternden Eindruck. Er lehrte darüber und legte alles sehr deutlich aus: der Messias sei schon da, werde aber nicht erkannt. Er sprach von dem unerkannten Messias und seinen nun erfüllten Vorzeichen. Von den Worten: «Eine Jungfrau wird einen Sohn gebären» sprach Er verhüllt. Dieses sei ihnen noch zu schwer zu verstehen, ermahnte sie, sich glücklich zu preisen, diese Zeit erlebt zu haben nach welcher Altväter und Propheten so lange geseufzt. Er sprach auch von den Verfolgungen und Leiden des Messias, legte ihnen Stellen davon aus und dass sie am künftigen Laubhüttenfest darauf achten sollen, was in Jericho geschehen werde. Er sprach von Wundern und von dem zu heilenden Blinden. Auch machte Er ihnen eine Zeitrechnung vom Messias, sprach von Johannes und von der Taufe und fragte: ob sie auch die Taufe wünschten? Er lehrte auch in der Parabel von der verlornen Drachme.

Die Jungfrauen saßen in der Schule mit unterschlagenen Beinen, manchmal ein Knie aufgerichtet. Jede hatte ein Bänkchen neben sich, welches einen Winkel bildete. An eine Seite lehnten sie sich seitwärts, auf die breitere legten sie beim Schreiben ihre Rollen, oft standen sie auch und hörten zu.

Es war in dem Haus, wo Jesus eingekehrt, auch eine Knabenschule, eine Art Waisenhaus, eine Stiftung für Erziehung elternloser und aus der Sklaverei losgekaufter Judenkinder, welche entfernt von jüdischer Lehre aufgewachsen waren. Es hatten in dieser Schule auch Pharisäer und Sadduzäer als Lehrer Anteil und waren auch Mädchen aufgenommen, von welchen die jüngeren durch bereits erwachsene Mädchen unterrichtet wurden.

Als Jesus in diese Schule ging, hatten die Knaben etwas von Hiob auszurechnen, womit sie nicht fertig werden konnten.

Jesus legte es ihnen aus und schrieb ihnen alles mit einigen Buchstaben auf. Er erklärte ihnen auch etwas von einem Maß von zwei Stunden Wegs oder Zeit, das ich nicht mehr weiß und erklärte den Knaben viel vom Buch Job, das von einigen Rabbinern als wahre Geschichte angefochten wurde, indem die Edomiter, aus deren Volk Herodes stammte, die Juden damit aufzogen und verspotteten, als glaubten sie an die Wahrheit dieser Geschichte von einem Mann aus dem Land Edom, den doch kein Mensch dort kenne. Es sei dies eine bloße Fabel gewesen, die Israeliten in der Wüste zu unterhalten. Jesus erklärte den Knaben nun die Geschichte Jobs, wie sie wirklich geschehen sei und erzählte sie zugleich in der Weise eines Propheten und Kinderlehrers, als sehe Er alles vor sich, als sei es seine eigene Geschichte, als habe Er alles gesehen und gehört, oder als habe Job sie ihm erzählt. Man wusste nicht, ob Er damals mitgelebt oder ob Er ein Engel Gottes oder Gott selbst sei. Das war den Knaben aber nicht sehr befremdend, denn sie fühlten bald, dass Jesus ein Prophet sei, und wussten auch von Melchisedech, dass man nicht gewusst habe, wer er war. Auch sprach Er in einer Parabel von der Bedeutung des Salzes und von dem verlorenen Sohn. Währenddessen waren die Pharisäer herzugekommen, welche sich sehr darüber ärgerten, als sie merkten, dass Jesus alles auf sich selber auslegte, was Er über den Messias in der Schule vorbrachte.

Am Abend dieses Tages ging Jesus mit den Leviten und den Kindern vor die Stadt. Die Mägdlein von Größeren geführt folgten nach. Manchmal blieb Er stehen, bis diese herankamen, während die Knaben vorausgingen, und lehrte in schönen Beispielen aus der Natur, welche Er von allen Gegenständen nahm, von Bäumen, Früchten, Blumen, Bienen, Vögeln, Sonne, Erde, Wasser, Herden und Feldarbeiten. So lehrte Er auch die Knaben unbeschreiblich schön von Jakob und dem Brunnen, den er hier gegraben und wie sich nun das lebendige Wasser zu ihnen ergieße, und was es heiße, die Brunnen verstopfen und verschütten, wie die Feinde Abrahams und Jakobs getan, und legte dieses auf jene, welche die Lehre und Wunder der Propheten unterdrücken wollen, die Pharisäer aus.

Als Jesus am folgenden Morgen in die Synagoge kam, waren alle Pharisäer und Sadduzäer, welche im Ort waren, und viel Volk versammelt. Er schlug Rollen auf und erklärte aus den Propheten. Sie disputierten mit Ihm ganz hartnäckig, aber Er beschämte sie alle. Es war aber ein Mann mit lahmen Armen und Händen bis an die Türe der Synagoge gekrochen. Er hatte sich so lange gesehnt und endlich war es ihm gelungen, dahin zu kommen, wo Jesus vorbei musste, wenn Er herausging. Einige Pharisäer ärgerten sich über ihn und befahlen ihm hinwegzugehen. Da er aber nicht wollte, versuchten sie ihn wegzuschieben. Er stemmte sich nun so gut er konnte gegen die Tür und sah gar wehmütig nach Jesus, der auf erhöhtem Stand durch die vielen Menschen getrennt und ziemlich entfernt war. Jesus aber wendete sich gegen ihn und sprach: «Was verlangst du von Mir?» Da sprach der Mann: «Herr, ich flehe, dass Du mich heilst, denn Du vermagst es, so Du willst.» Jesus sprach zu ihm: «Dein Glaube hat dir geholfen, strecke deine Hand aus über das Volk», und in dem Augenblick war dem Mann aus der Entfernung geholfen. Er streckte seine Hände empor und lobte Gott. Jesus sagte nun: «Geh nach Haus und mache kein Aufsehen!» Der Mann aber antwortete: «Herr, wie kann ich eine so große Wohltat verschweigen?» und er ging hinaus und verkündete es allen Menschen. Es kamen nun viele Kranke vor der Synagoge zusammen, welche Jesus heilte, als Er herausging. Nachher war Er bei einer Mahlzeit mit den Pharisäern, welche Ihn trotz ihres innern Ärgers äußerlich immer mit viel Höflichkeit behandelten, um Ihn auszulauern. Am Abend hat Er noch geheilt.

13. Jesus geht von Abelmehola nach Bezech

Jesus war am Morgen noch in der Schule von Abelmehola. Er ward zuletzt von den kleinen Mägdlein umgeben, welche dicht bei Ihm standen und Ihn an der Hand und und den Kleidern fassten. Er war ungemein freundlich und ermahnte die Kinder zum Gehorsam und zur Gottesfurcht. Die Größeren standen mehr zurück. Die gegenwärtigen Jünger waren etwas verlegen und bange, sie wünschten, Er möge hinweggehen. Sie meinten nach jüdischem Gebrauch, diese Vertraulichkeit mit den Kindern schicke sich nicht für einen Propheten und könne seinem Ruf schaden.

Jesus kümmerte sich nicht um sie, und als Er alle Kinder belehrt, die Erwachsenen ermahnt und die Lehrer im Guten bestärkt, sagte Er einem der Jünger, er solle jedem der kleineren Mägdlein ein Geschenk machen, und sie erhielten kleine Münzen, die aneinander befestigt waren, ich meine jedes ein paar Drachmen. Er segnete nachher die Kinder insgemein und verließ mit den Jüngern den Ort, gegen Osten dem Jordan zugehend.

Unterwegs lehrte Jesus noch auf dem Feld vor einzelnen Hütten, wo sich Haufen von Feldarbeitern und Hirten versammelten. Sie kamen erst nachmittags etwa gegen vier Uhr, vor Bezech an, welches etwa zwei Stunden östlich von Abelmehola am Jordan liegt. Es sind wie zwei Orte, an beiden Seiten eines Baches liegend, der in den Jordan fließt. Die Gegend ist hier hügelig und zerrissen und die Häuser liegen etwas zerstreut. Bezech ist mehr zwei Dörfer, als eine Stadt zu nennen. Die Einwohner sind hier einsam und ohne viel Verkehr. Sie sind meistens Ackerleute und ebnen ihr zerrissenes und hügeliges Bauland mit sehr viel Mühe. Außerdem verfertigen sie Ackergeräte für den Verkauf und machen grobe Teppiche und Zeltdecken.

Etwa anderthalb Stunden von hier macht der Jordan eine Wendung gegen Abend, als wolle er gerade gegen den Ölberg hinfließen, er wendet sich aber wieder zurück und umfasst so eine Art Halbinsel des östlichen Ufers, worauf eine Reihe Häuser liegen. Ehe Jesus nach Abelmehola von Galiläa herkam, musste Er über ein Flüsschen. Von Bezech mochte Ainon jenseits etwa vier Stunden sein.

Jesus kehrte vor dem Ort in einer Herberge ein, welche die erste der von Bethanien aus für Ihn und die Jünger eingerichteten Herbergen war, die Er auf dieser Reise berührte. Es war ein frommer, wohlgesinnter Mann hineingesetzt, der den Ankommenden entgegen kam, ihnen die Füße wusch und sie bewirtete. Jesus ging noch in den Ort, wo die Vorsteher der Schule Ihn auf der Straße empfingen und ging in verschiedene Häuser, wo Er Kranke heilte.

Es sind jetzt wohl dreißig Jünger hier bei Jesus. Es sind mit Lazarus Jünger aus Jerusalem und der Umgegend und mehrere Jünger des Johannes gekommen. Einige kamen gerade von Machärus mit einer Botschaft von Johannes an Jesus. Er ließ Ihn dringend ersuchen, Er solle doch deutlich auftreten und aussprechen, dass Er der Messias sei. - Unter den Gesandten von Johannes war der Sohn eines verwitweten Kleophas. Ich meine des Kleophas von Emmaus, der mit dem Kleophas, dem Mann der ältesten Schwester Mariä verwandt ist. Ein anderer dieser Jünger war Judas Barsabas, mit Zacharias aus Hebron verwandt. Seine Eltern hatten früher in Nazareth gewohnt und wohnten jetzt in Kana. Bei diesen Johannesjüngern fallen mir noch andere ein. Die Söhne der Maria Heli der älteren Schwester der HI. Jungfrau, waren Johannesjünger. Sie waren so lange nach ihrer Schwester Maria Kleophä geboren, dass sie kaum älter als deren Söhne waren. Sie folgten dem Täufer bis zu seiner Enthauptung und kamen dann zu den Jüngern Jesus.

Die beiden Eheleute, welche in Bezech der Herberge vorstanden, waren fromme, gute Leute, und lebten nach einem Gelübde in Enthaltung, obwohl sie keine Essener waren. Sie waren mit der Heiligen Familie ferne verwandt. Jesus sprach mehrmals während seines Hierseins allein mit diesen Leuten.

Alle anwesenden Freunde und Jünger aßen und schliefen in der neu angelegten Herberge mit Jesus. Es waren Geschirr, Decken, Teppiche, Lager, Scheidewände, auch Sohlen und einzelne Kleidungsstücke durch Vorsorge des Lazarus und der Frauen für sie bereit. Martha hatte nahe an der Wüste von Jericho ein Haus voll Frauen, welche allerlei hierzu bereiteten. Sie hatte manche arme Witwe und manche arme verkommene Person, die nach Besserung strebte, dort wohnen und arbeiten. All dies geschah still und ohne Öffentlichkeit. Es war aber keine Kleinigkeit, so viele Herbergen für so viele Menschen zu unterhalten, und in steter Übersicht zu haben und überall Boten hinzusenden oder selbst nachzusehen.

Jesus hielt am Morgen eine große herrliche Lehre auf einem Hügel mitten im Ort, wo die Einwohner Ihm einen Lehrstuhl zubereitet hatten. Es waren sehr viele Menschen da, auch etwa zehn Pharisäer, welche aus benachbarten Orten hierher gekommen waren, um auf seine Lehre zu lauern. Er lehrte hier sehr mild und liebevoll gegen das Volk, welches gutartig und durch den Besuch von Johannes Lehre und durch die Taufe, welche viele empfangen hatten, schon sehr gebessert war. Er ermahnte sie, zufrieden bei ihrem geringen Stand zu bleiben, arbeitsam und barmherzig zu sein. Er sprach von der Zeit der Gnade, von dem Reich, dem Messias, und deutlicher als sonst, von Sich selbst. Er sprach von Johannes und seinem Zeugnis, von dessen Gefangenschaft und Verfolgung. Er sprach auch von den königlichen Ehebrechern, die er ermahnt, deswegen sei er gefangen. In Jerusalem aber habe man die Ehebrecher, welche ihre Laster doch nicht so öffentlich getrieben, hingerichtet. Er sprach sehr deutlich und treffend. Er ermahnte jeden Stand, jedes Geschlecht und Alter insbesonders. Ein Pharisäer fragte, ob Er denn an Johnannes Stelle trete? Oder ob Er der sei, von dem Johannes gesprochen? Er antwortete umgehend, und verwies ihm seine lauernde Frage.

Jesus hielt nachher noch eine sehr rührende Ermahnung an die Knaben und Mägdlein. Er ermahnte die Knaben untereinander zur Geduld, und wenn ein anderer sie schlage oder werfe, es nicht zu erwidern, sondern geduldig zu leiden, sich zurückziehen und dem Feind zu vergeben. Nichts sollten sie erwidern, als die Liebe doppelt und selbst ihren Feinden sollten sie Liebe erweisen. Sie sollten nicht nach fremdem Eigentum verlangen, und wenn ein anderer Knabe gern ihre Federn, ihr Schreibzeug, ihr Spielwerk, ihre Früchte hätte, so sollten sie ihm noch mehr geben, als er wolle, und seine Habsucht ganz sättigen, wenn sie die Sachen weggeben dürften. Denn nur die Geduldigen, die Liebenden und Freigebigen würden einen Stuhl in seinem Reich erhalten. Und diesen Stuhl beschrieb Er ihnen ganz kindlich, wie einen schönen Thron.

Er sprach von den Gütern der Erde, die man hingeben müsse, um die Güter des Himmels zu erlangen. Die Mädchen ermahnte Er unter anderem, sich nicht um den Vorzug und schöne Kleider zu beneiden und zu Gehorsam, Elternliebe, Milde und Gottesfurcht.

Am Schluss der öffentlichen Lehre wendete Er sich zu seinen Jüngern, ermahnte und tröstete sie ungemein liebevoll, alles mit Ihm zu ertragen und keiner weltlichen Sorge nachzugeben. Er sagte ihnen, dass sie sein Vater im Himmel reichlich belohnen werde und sie das Reich mit Ihm besitzen sollten. Er sprach von der Verfolgung, die Er und sie mit erleiden würden, und sprach deutlich heraus: wenn die Pharisäer, die Sadduzäer, die Herodianer sie lieben oder loben würden, so sollten sie daraus merken, dass sie von seiner Lehre gewichen und seine Jünger nicht mehr seien. Er nannte diese Sekte mit bezeichnenden Beinamen. Er lobte aber die Einwohner hier vorzüglich wegen ihrer Mildtätigkeit, denn sie nahmen oft von den armen Waisen aus der Schule zu Abelmehola zu sich in ihre Dienste und Arbeit. Er lobte sie auch wegen einer neuen Synagoge, die sie gebaut durch Beisteuer, wozu auch fromme Leute aus Kapharnaum beigetragen. Dann heilte Er noch viele Kranke und aß mit allen Jüngern in der Herberge und ging am Abend, da der Sabbat anbrach, in die Synagoge.

Jesus lehrte in der Synagoge aus Isaias 51,12. «Ich bin euer Tröster.» Er sprach gegen die Menschenfurcht: sie sollten sich nicht vor den Pharisäern und andern Drängern fürchten und denken, dass Gott sie erschaffen und erhalten bis jetzt. Er legte die Worte: «Ich lege mein Wort in deinen Mund» aus, dass Gott den Messias gesandt, dass dieser Gottes Wort im Mund seines Volkes sei, und dass dieser Messias Gottes Worte spreche, und dass sie sein Volk seien. Alles das deutete Er so klar auf Sich, dass die Pharisäer untereinander flüsterten, Er gebe Sich für den Messias aus. Dann sagte Er, Jerusalem solle erwachen von seinem Rausch, der Grimm sei vorüber, die Gnade sei da. Keinen habe die unfruchtbare Synagoge geboren, der das arme Volk leite und aufrichte. Jetzt aber sollen die Verderber, die Heuchler und Unterdrücker gestraft und unterdrückt werden. Jerusalem solle sich erheben, Sion aufwachen! Alles legte Er im geistigen Sinn aus auf die frommen und heiligen Leute, auf die Bußetuenden, auf die, welche durch den Jordan der Taufe in das Verheißene Kanaan, in das Reich seines Vaters einziehen würden. Es solle kein Unbeschnittener, noch Unreiner, keiner, welcher seine Sinne nicht gebändigt, kein Sünder mehr das Volk verderben. So lehrte er fort von der Erlösung und dem Namen Gottes, der verkündet werde jetzt unter ihnen und auch aus Deuteronomium 16 bis 18 über die Richter und die Amtsleute, über das Rechtverdrehen, und das Bestechen und traf scharf auf die Pharisäer. Nachher heilte Er noch viele Kranke vor der Synagoge.

Tags darauf lehrte Jesus wieder in der Synagoge aus Isaias 51 und 52. und Deuteronomium 16 bis 21. Er sprach von Johannes und dem Messias, von den Kennzeichen des Messias in anderer Weise, als gewöhnlich, denn Er sprach es sehr deutlich aus, dass Er der Messias sei, da viele der Anwesenden durch die Lehren Johannes schon sehr vorbereitet waren. Es floss diese Lehre aus Isaias 52, 13 bis 15. Er sprach: der Messias werde sie versammeln, werde voll Weisheit sein, erhöht und verherrlicht werden und wie viele sich über das unter den Heiden zertretene und verwüstete Jerusalem entsetzt hätten, so werde auch sein Erlöser unter den Menschen ohne Ansehen, verfolgt und verachtet erscheinen. Er werde viele Heiden taufen und reinigen, die Könige würden von Ihm belehrt schweigen, und die, denen Er nicht verkündet worden sei, würden seine Lehre vernehmen, würden Ihn sehen. Er wiederholte auch alle seine Taten und Wunder seit seiner Taufe und alle Verfolgung, die Er erlitten zu Jerusalem und zu Nazareth, die Verachtung, das Lauern und Hohnlächeln der Pharisäer. Er erwähnte das Wunder zu Kana, die geheilten Blinden, Stummen, Tauben, Lahmen, die Erweckung der Tochter des Jairus zu Phasael. Er zeigte nach der Gegend hin und sagte: «Es ist nicht sehr weit von hier. Geht und fragt, ob dem nicht so sei!» Er sagte: «Ihr habt den Johannes gesehen und erkannt. Er hat euch gesagt, dass er sein Vorläufer, sein Wegbereiter sei! War Johannes weichlich, zärtlich, vornehm? Oder war er als einer aus der Wüste? Wohnte er in Palästen, aß er köstliche Speisen, trug er zarte Kleider, sprach er feine glatte Worte? Er sagte aber, dass er der Vorläufer sei. Trägt dann der Diener nicht die Kleider seines Herrn? Wird ein König, ein glänzender, mächtiger, reicher, wie ihr ihn erwartet, als euren Messias, einen solchen Vorläufer haben ? Aber ihr habt den Erlöser, und ihr wollt Ihn nicht erkennen, Er ist nicht nach eurer Hoffart und weil Er nicht so ist wie ihr, so wollt ihr Ihn nicht erkennen!»

Er lehrte auch noch vieles über Deuteronomium 18, 18.19. «Ich will ihnen einen Propheten erwecken, aus ihren Brüdern, und wer seine Worte in meinem Namen nicht hören wird, von dem will Ich Rechenschaft fordern.» Es war eine gewaltige Lehre, und es wagte keiner, Ihm zu widersprechen. Er sagte auch: «Johannes war einsam in der Wüste und ging zu niemand. Das war euch nicht recht. Ich gehe von Ort zu Ort, lehre und heile, und das ist euch auch nicht recht! Was wollt ihr für einen Messias? Jeder will etwas anderes! Ihr seid wie die Kinder, welche auf den Straßen laufen. Jedes macht sich ein anderes Instrument, darauf zu blasen, der eine ein tiefes Horn von Bast, der andere eine hohe Rohrpfeife.» Nun nannte Er allerlei Kinderspielwerk, und wie jedes wolle, man solle in seinem Ton singen und jedem gefalle nur sein Spielwerk.

Gegen Abend, als Jesus aus der Synagoge kam, war eine große Menge Kranker vor derselben versammelt. Viele lagen auf Tragbetten und es waren Zeltdächer über sie gespannt. Jesus ging von seinen Jüngern begleitet von einem zum andern und heilte sie. Dazwischen waren hie und da Besessene, welche tobten und Ihn anschrieen. Er befreite sie, indem Er vorüberging und ihnen zu schweigen befahl. Es waren hier Lahme, Schwindsüchtige. Wassersüchtige mit Geschwüren am Hals wie Drüsen, Taube und Stumme. Er heilte sie alle einzeln mit Auflegung der Hände, doch war seine Art und Berührung verschieden. Die Genesenen waren teils gleich ganz geheilt, nur noch etwas schwach, teils erleichtert, und die Genesung folgte schnell, je nachdem die Art des Übels und das Gemüt des Kranken war. Die Geheilten gingen von dannen und sangen einen Psalm Davids. Es waren aber so viele Kranke, dass Jesus nicht ganz herumkommen konnte. Die Jünger halfen Ihm mit Heben, Aufrichten, Loswickeln der Kranken, und Jesus legte Andreas, Johannes und Judas Barsabas die Hände auf den Kopf, und nahm ihre Hände in seine Hand und befahl ihnen, einem Teil der Kranken in seinem Namen zu tun, wie Er tue. Sie taten dieses auch sogleich und heilten viele.

Hierauf begab sich Jesus mit den Jüngern nach der Herberge, wo sie eine Mahlzeit hatten, sonst war niemand dabei. Er ließ aber einen großen Teil der Speisen, die übrig waren und die Er segnete, hinaus zu den vor Bezech lagernden armen Heiden und auch zu andern Armen bringen. Diesen Heidenkarawanen war von Jüngern gelehrt worden.

Von beiden Jordansufern war eine große Menge Volkes in Bezech versammelt. Alle, welche den Johannes gehört, wollten nun auch Jesus hören. Die Heidenkarawane hatte nach Ainon ziehen wollen, war aber herübergekommen, um Jesus zu hören. Bezech lag etwa dreiviertel Stunden vom Jordan, an einem rasch fließenden Bach, welcher den Ort in zwei Teile trennte.

14. Jesus verlässt Bezech und kommt nach Ainon. Maria von Suphan

Jesus lehrte und heilte noch vor der Herberge. Das Taufvolk, die Karavane der Heiden und viele andere Menschen zogen nach dem Jordan, um überzusetzen. Die Überfahrt war aber anderthalb Stunden südlich von Bezech unter einer Stadt Zarthan, welche eine Stunde unter Bezech am Jordan liegt. Jenseits liegt zwischen Bezech und Zarthan ein Ort Adam. Bei diesem Zarthan blieb der Jordan stehen, als die Kinder Israel hinüberzogen. Auch ließ Salomon hier einmal Gefäße gießen. Es sind noch solche Gewerbe hier, und abendlich von der Westwendung des Jordan liegt ein Bergwerk in einem Berg, der sich bis gegen Samaria zieht. Sie fanden da etwas, was man bei uns Erz nennt. Jesus lehrte immer unterwegs. Als Er gefragt wurde, ob Er nicht in Zarthan lehren wolle, sagte Er: Andere bedürfen es mehr, Johannes sei oft da gewesen, sie sollten fragen, ob er dort geschmaust und weichliche Speisen gegessen habe? Es war hier eine große Fähre auf dem Jordan. Unter dieser Überfuhr ist die Ausbeugung des Jordan nach Westen. Jenseits wanderten sie etwa zwei Stunden gegen Morgen an der Nordseite eines Flüsschens, das sich etwas unter der Überfuhr in den Jordan ergoss. Dann kamen sie über ein Flüsschen, nächst welchem Sukkoth ihnen zur Linken lag, als sie es überschritten hatten. Sie ruhten zwischen Sukkoth und Ainon, welche Orte etwa vier Stunden voneinander sein mochten, unter Zelten. Als sie über dem Jordan eine Strecke aufwärts gegangen waren, konnten sie jenseits Salem liegen sehen, das ihnen das Hügelufer verdeckt hatte. Es lag etwas unter der Mitte des westlichen Ausbugs des Jordan gegenüber von Ainon.

In Ainon waren unzählige Menschen versammelt. Die Heiden lagerten sich zwischen dem Hügel, worauf Ainon liegt und dem Jordan. Auch zehn Pharisäer waren hier, teils aus Ainon, teils von anderen Orten, darunter auch der Sohn des Simeon von Bethanien. Doch waren kluge und geistlose Leute unter ihnen.

Von der Nordseite des Hügels hinab liegt Ainon als eine kleine Stadt, wie sie sich wohl an Lustschlösser anbaut. An dieser Seite vor der Stadt war der Abfluss der Quelle des Taufbrunnens, der östlich des Hügels lag. Die Quelle war durch den Hügel in eisernen Röhren geleitet. Dieser Abfluss wurde gestaut und nur nach Bedürfnis herausgelassen. Es war ein Brunnenhaus dazu da.

Hier vor dem Ort kamen die Pharisäer, worunter Simon des Aussätzigen Sohn, Jesus und den Jüngern entgegen und empfingen sie ganz freundlich und ehrenvoll, brachten sie in ein Zelt, wuschen ihnen die Füße, schüttelten ihnen die Kleider aus und erquickten sie mit Honig und Brot und einem Becher. Jesus äußerte, dass oberflächlich denkende Leute unter ihnen seien. Es tat Ihm jedoch leid, dass sie dieser Sekte angehörten. Er folgte ihnen in die Stadt, wo Er gleich in einen Hof trat, in welchem eine große Menge von Kranken aller Art, fremde und einheimische, auf Ihn harrten. Sie lagen teils unter Zelten, teils unter gegen den Hof zu offenen Hallen. Manche konnten auch noch gehen, und Jesus half ihnen, einem nach dem andern mit Handauflegung und Ermahnung. Die Jünger halfen Ihm die Kranken heranbringen, aufrichten, loswickeln. Die Pharisäer und viele andere Leute waren zugegen. Mehrere blutflüssige Frauen standen bleich und eingehüllt entfernt. Als Jesus mit allen fertig war, ging Er auch zu diesen, legte ihnen die Hände auf und heilte sie. Es waren hier lahme, wassersüchtige, auszehrende Leute, mit Geschwüren an Hals und Leib, welche nicht unrein waren, und Taube, Stumme, Kranke aller Art.

Dieser Hof endete mit einer weiten Säulenhalle, in welche von der Stadt her ein Eingang war. Ich sah viele Zuschauer, die Pharisäer und auch mehrere Frauen in dieser Halle. Jesus aber hatte den Pharisäern hier, weil schale Leute unter ihnen waren, und sie Ihn doch teils aufrichtig und anständig empfangen hatten, einen gewissen Vorzug im Vergleich mit andern Orten zugestanden. Denn Er wollte ihrem Vorwurf begegnen, als gäbe Er sich immer nur mit Zöllnern, Sündern und Bettlern ab. Er wollte ihnen zeigen, dass Er sie in allen Ehren lasse, so sie sich anständig und wohlgesinnt betrügen. Sie machten sich darum besonders zu tun, die Leute in Ordnung zu halten, und Er ließ es geschehen.

Während Jesus heilte, trat zur hinteren Pforte der großen Halle eine schöne fremdgekleidete Frau von mittlerem Alter herein. Sie hatte Kopf und Haare mit einem dünnen Schleier umwunden, der mit Perlen durchflochten war. Den Oberleib bedeckte vom Hals an ein sich herzförmig endendes Mieder, das an den Seiten offen war. Dies Mieder wurde wie ein Skapulier übergehängt, um den Leib zusammengezogen und mit vom Rücken her reichenden Riemen geschlossen und war um Hals und Brust mit Schnüren und Perlen verziert. Aus ihm fielen zwei tief gefaltete Röcke, der eine kürzer, der andere länger, bis auf die Fußknöcheln. Beide waren von feiner weißer Wolle mit bunten großen Blumen durchnäht. Die Ärmel waren weit und mit Armbändern umschlossen, auf den Schultern war an die Achselverbindung des Rückenstückes und Bruststückes der obere Teil eines kurzen Mantels, der über beide Arme fiel. geheftet. Überdies war sie mit einer langen wollweißen Hülle bedeckt.

Sie trat sehr traurig und bang, voll Scham und Kummer herein; ihr bleiches Gesicht war verweint und von Trauer ganz verwirrt. Sie wollte zu Jesus. Es waren viele Menschen da, und sie konnte nicht hinzu. Die geschäftigen Pharisäer traten ihr entgegen. Sie sagte: «Führt mich zu dem Propheten, dass Er mir meine Sünden vergebe und mich heile!» Die Pharisäer versetzten: «Frau geh nach Haus! Was willst du hier? Er wird nicht mit dir reden. Wie kann Er dir deine Sünden vergeben? Er wird sich nicht mit dir befassen, du bist eine Ehebrecherin!» Als die Frau dies hörte, erblasste sie, kriegte ein schreckliches Angesicht, warf sich an die Erde hin, zerriss ihre Mantelhülle von oben bis unten, zerraufte sich die Decke ihres Hauptes und schrie: «Ach so bin ich dann verloren! Nun fassen sie mich! Sie zerreissen mich! Da sind sie!» Und nannte fünf Teufel, die in sie fuhren, den ihres Ehemannes, und vier ihrer Buhler. Es war ein schrecklicher Anblick. Einige umherstehende Frauen hoben sie auf und brachten die wehklagende gepeinigte Frau zu ihrer Wohnung zurück. Jesus wusste das wohl. Wollte aber die Pharisäer hier nicht beschämen, ließ ruhig alles geschehen und fuhr in seiner Heilung fort - denn ihre Stunde war noch nicht gekommen.

Hierauf begab Er sich mit den Jüngern und Pharisäern vom Volke begleitet durch die Stadt hinauf auf die Höhe zum Lehrplatz des Johannes in Mitte des von überwachsenen Wällen und einzelnen Gebäuden umgebenen Hügels, an welchem an der Seite, wo sie herauf kamen, das halbwüste Schloss lag, in dessen Turm Herodes bei Johannes Lehre gewohnt hatte. Es war der ganze Hügelrand schon mit harrendem Volke bedeckt.

Jesus stieg auf den Lehrhügel des Johannes, der mit einem Zelt, das nach allen Seiten offen war, überspannt war. Er hielt eine große Lehre, in welcher Er die Barmherzigkeit Gottes mit den Menschen und insbesondere mit seinem Volk und alle Führungen und Verheißungen, die ganze Schrift durchgehend, ausführte und die Erfüllung von allem in der jetzigen Zeit nachwies. Er sprach jedoch nicht so deutlich als zu Bezech, dass Er der Messias sei. Er sprach auch von Johannes, seiner Gefangenschaft und Arbeit. Es wurden die Scharen des Volkes abwechselnd, Ihn zu hören, ab- und zugeführt. Jesus fragte auch einzelne Scharen, warum sie getauft sein wollten und warum sie bis jetzt gewartet hätten und was sie unter der Taufe verstünden? Er teilte sie auch in Klassen, welche zuerst und welche erst später nach mehrerer Belehrung getauft werden sollten. Ich entsinne mich der Antwort von einer Schar der Täuflinge auf die Frage, warum sie bis jetzt ausharrern mussten? Es sagte einer: «Weil Johannes immer lehrte, dass einer komme, der größer sei als er, so hätten sie diesen gewartet, um noch größere Gnade zu erhalten.» Hierauf hoben alle, welche derselben Meinung waren, die Hände in die Höhe und bildeten eine Gesellschaft, welcher dann von Jesus gewisse Lehren und Anweisungen der Vorbereitung und Taufzeit gegeben wurden.

Nachmittags etwa gegen drei Uhr war diese Lehre geschlossen, und Jesus ging nebst den Jüngern mit den Pharisäern vom Hügel zur Stadt hinab, wo sie Ihm ein großes Mahl in einer offenen Herbergshalle bereitet hatten. Als aber Jesus in die Nähe des Festhauses kam, ging Er nicht mit hinein, sondern sagte: «Ich habe einen anderen Hunger», und fragte sie, obschon Er es wusste, nach dem Haus, wo die Frau wohne, das sie am Morgen von Ihm abgewiesen? Da zeigten sie Ihm das Haus nahe bei dem Festhaus, und Er ließ sie stehen und ging durch den Vorhof hinein.

Ich sah, als Jesus nahte, die große Qual und Angst der Frau im Haus. Der Teufel, der sie im Besitz hatte, trieb sie aus einem Winkel in den anderen. Sie war wie ein furchtsames Tier, das sich verkriechen will. Als Jesus durch den Hof einging und sich der Gegend nahte, wo sie war, floh sie durch einen Gang an dem Abhang des Hügels, worauf ihr Haus lag, in einen Keller und stieg dort in ein Gefäß wie ein Fass, doch oben enger als unten, und da sie sich darin verbergen wollte, zersprang es mit großem Geklirr. Es war ein großes irdenes Gefäß. Jesus aber stand still und rief: «Maria von Supha, Frau des ... (hier sprach Er den Namen ihres Mannes aus, den ich vergessen). Ich befehle dir im Namen Gottes, komme zu Mir!» Da kam die Frau von Kopf bis zu den Füßen ganz zugewickelt als zwänge sie der Teufel, noch in ihren Mantel sich zu verkriechen, wie ein Hund, der Schläge erwartet, auf allen Vieren zu Jesu Füßen gekrochen. Jesus aber sagte zu ihr: «steh auf!» da stand sie auf, zog aber die Hülle so heftig über ihr Gesicht und um ihren Hals, als wollte sie sich mit dem Tuch erwürgen. Da sprach der Herr: «decke dein Angesicht auf!» und sie wand den Schleier vom Gesicht. Ihre Augen hielt sie niedergeschlagen und abgewendet als zwänge sie eine innerliche Gewalt von Jesus hinweg, Er aber nahte sein Haupt dem ihrigen und sagte: «schau Mich an!» Und sie tat es, Er hauchte sie an, da zitterte sie und ein schwarzer Dampf wich nach allen Seiten von ihr. Sie sank vor Jesus in die Knie zusammen, Es waren aber ihre Mägde bei dem Lärm des zerspringenden Gefäßes genaht und standen in einiger Ferne. Jesus befahl ihnen, die Frau in das Haus auf ein Ruhebett zu bringen, und folgte ihr mit ein paar Jüngern, die bei Ihm waren. Er fand sie in heftigen Tränen. Er nahte ihr, legte ihr die Hand auf das Haupt und sprach: «Deine Sünden sind dir vergeben!» Sie weinte entsetzlich und richtete sich auf. Nun kamen ihre drei Kinder in die Stube, ein Knabe etwa von zwölf Jahren, und zwei Mägdlein von etwa neun und sieben Jahren. Diese hatten gelbgestickte Röckchen mit kurzen Armen. Jesus ging zu diesen Kindern, sprach mit ihnen freundlich, fragte und lehrte sie. Die Mutter sagte: «Danket dem Propheten! Er hat mich geheilt!» Da warfen sich die Kinder vor Jesus auf die Erde. Er aber segnete sie und führte sie einzeln zu der Mutter nach ihrem Alter und legte ihre Hände in die der Mutter, und es schien mir, als nähme Er dadurch einen Schimpf von den Kindern, als seien es nun rechtmäßige Kinder, denn es waren Kinder, die sie im Ehebruch empfangen. Jesus tröstete noch die Frau, dass sie mit ihrem Mann ausgesöhnt werden könne und ermahnte sie, in Reue und Buße fortzufahren und gerecht zu leben. Dann ging Er mit den Jüngern zur Mahlzeit bei den Pharisäern.

Es war diese Frau aus der Gegend von Supha im Moabiterland und ein Nachkomme von Orpha, der Witwe Cheljons, der Schwiegertochter Noemis, welche auf das Anraten Noemis nicht mit nach Bethlehem ging, wohin Ruth, die andere Witwe ihres Sohnes Mahalon sie begleitete. Diese Orpha, Witwe Cheljons, des Sohnes Elimelechs von Bethlehem, heiratete in Moab wieder, und aus dieser Familie stammte Maria die Suphanitin. Sie war eines Juden Frau und reich, sie war eine Ehebrecherin. Die drei Kinder, die sie bei sich hatte, waren außereheliche, Ihr Mann hatte sie verstoßen und die rechtmäßigen Kinder bei sich behalten. Sie wohnte in einem eigenen Haus in Ainon, war seit langer Zeit voll Reue und Buße, führte sich sehr gut und zurückgezogen auf, und andere rechtschaffene Frauen in Ainon waren ihr ganz gut. Die Lehre des Täufers gegen den Ehebruch des Herodes hatte sie noch mehr erschüttert. Sie war oft von fünf Teufeln besessen, welche sie plötzlich wieder eingenommen hatten, als sie mit ihrer letzten Hoffnung zu dem Hof ging, wo Jesus heilte und wo die Abweisung der Pharisäer, die sie in ihrer großen Kleinmütigkeit als wahrhaft annahm, sie an den Rand der Verzweiflung brachte, Durch ihre Abstammung von Orpha, Ruths Schwägerin hatte sie eine Berührung mit Jesu Abstammung aus David. Es wurde mir gezeigt, wie dieser abgeirrte Strom, der in ihr bis zu solcher Sünde getrübt worden, durch Jesu Gnade auch mit ihr wieder zur Reinheit kam und in die Kirche einging.

Jesus kam nun in das Festhaus zu den Pharisäern und den übrigen Jüngern und lag mit ihnen zu Tisch. Sie waren etwas geärgert, dass Er an ihnen vorübergegangen und selbst die Frau aufgesucht hatte, welche sie früher vor so vielen Leuten so hart abgewiesen hatten. Sie sprachen aber nichts davon, weil sie einen Verweis fürchteten. Jesus behandelte sie während des Mahles noch immer mit Achtung und lehrte in manchen Vergleichen und Parabeln, Gegen die Mitte des Mahles kamen die drei Kinder der Suphanitin in ihren Feierkleidern herein. Das eine Töchterlein trug ein weißes Krüglein mit wohlriechendem Wasser, das andere ein ähnliches mit Nardenöl, der Knabe hatte auch ein Gefäß. Sie traten in dem Saal an die offene Seite des Tisches, warfen sich vor Jesus nieder und stellten die Geschenke vor Ihm auf die Tafel. Es folgte ihnen Mara selbst mit ihren Mägden, wagte aber nicht hervorzutreten. Sie war verschleiert und trug eine Schale von schimmerndem, bunt in sich marmoriertem Glas, in welcher, von aufrechtstehenden feinen lebendigen Kräutern umgeben, allerhand teure Gewürze lagen. Ihre Kinder hatten auch solche kleinere Schalen niedergesetzt. Die Pharisäer schauten verdrießlich gegen die Frau und die Kinder. Jesus aber sagte zu der Frau: «nahe dich Mara!» Und sie trat demütig hinter Ihn, und ihre Kinder, denen sie es gab, setzten ihr Geschenk zu den andern auf die Tafel. Jesus dankte ihr. Die Pharisäer murrten, wie später bei Magdalenas Geschenk. Sie meinten, dieses sei eine große Verschwendung und sei ganz gegen die Mäßigkeit und gegen das Mitleid der Armen. Sie wollten aber nur etwas gegen die arme Frau einzuwenden haben. Jesus redete mit dieser sehr freundlich und auch gegen die Kinder, schenkte diesen einige Früchte, womit sie weggingen. Die Suphanitin stand immer noch verschleiert demütig hinter Jesus und Dieser sagte zu den Pharisäern: alle Gaben kommen von Gott. Für Köstliches gebe der Dank das Köstlichste, was er habe, es sei dies keine Verschwendung. Die Leute, welche diese Gewürze sammeln und bereiten, müssen auch leben, Er befahl aber einem der Jünger, den Wert davon unter die Armen zu verteilen. Er sprach nachher noch einiges über die Bekehrung und Reue dieser Frau und stellte ihre Achtung vor allen wieder her, forderte auch die Einwohner auf, ihr mit Liebe zu begegnen, Die Frau sprach kein Wort, sie weinte immer unter ihrem Schleier still hin, warf sich dann schweigend vor Jesus nieder und verließ den Speisesaal.

Jesus lehrte noch gegen den Ehebruch: wer sich rein fühle unter ihnen vom geistlichen Ehebruch? Er sprach, dass Johannes den Herodes nicht bekehrt, aber diese habe sich bekehrt. Er sprach vom verlorenen und wiedergefundenen Schaf, Er hatte die Frau auch zu Hause schon getröstet: «es sollen gute Kinder aus deinen Kindern werden» und hatte ihr Hoffnung gemacht, dass sie zu den Frauen bei Martha kommen solle, um für die Pflege zu arbeiten, Nach der Mahlzeit sah ich die Jünger noch vieles den Armen austeilen, Jesus aber begab sich noch an der Westseite des Hügels von Ainon hinab, wo das Lager der Heiden in einiger Entfernung lag. Es war, meine ich, auch seine Zeltherberge an dieser Seite. Er lehrte noch die Heiden. Ainon lag im Land des Herodes, aber es gehörte wie ein Gut, das über der Grenze liegt dem Tetrarchen Philippus. Doch waren wieder mehrere Soldaten des Herodes da, um zu lauern.

15. Jesus in Ramoth-Galaad

Von Ainon ging Jesus mit zwölf Jüngern an den Jabok und die nahe liegenden Orte. Andreas, Jakobus, Johannes und noch andere Jünger blieben in Ainon zurück, um an dem Taufteich zu taufen. Er lag östlich von dem Hügel, das Wasser kam aus dem Hügel in den Taufteich, füllte einen kleinen See dahinter, wässerte dann einige Wiesen als ein Bächlein und war an der Nordseite von Ainon wieder in einen Brunnen gefasst von welchem man es in den Jordan abfließen lassen konnte.

Ich sah Jesus mit den Jüngern etwa eine Stunde östlich von Sukkoth an der Mittagsseite des Jabok in einer Stadt lehren. Unter den vielen Kranken, die Er heilte, war ein Mann, der seit seiner Geburt das eine Auge geschlossen hatte. Jesus benetzte es mit seinem Speichel. Es öffnete sich und der Mann war sehend.

Jesus ging von hier über den Jabok, der in einem Tal fließt, und wendete sich östlich bis vor Mahanaim. einer reinlichen Stadt in zwei Teilen liegend. Er setzte sich vor dem Ort an den Brunnen und es kamen bald die Synagogenvorsteher und Ältesten der Stadt mit Wasserbecken, Speise und Trank. Sie bewillkommten Ihn, wuschen Ihm und den Jüngern die Füße und gossen Ihm auch Salbe auf das Haupt, gaben Ihm und den andern einen Bissen und Trunk und führten Ihn mit großer Liebe und Einfalt in die Stadt. Jesus hielt eine kurze Lehre vom Erzvater Jakob, was er hier umher alles erlebt habe. Diese Leute waren meistens von Johannes getauft. Es herrschte eine patriarchalische Einfalt und viele alte Sitten in allen Orten umher. Jesus verweilte nicht lange hier. Es war nur eine Ehrenbezeigung auf dem Durchzug.

Er zog von Mahanaim an dem Nordufer des Jabok noch etwa eine Stunde östlich, wo die Stelle war, wo Jakob und Esau zusammenkamen. Das Tal machte hier eine Bucht. Er lehrte seine Jünger über alle diese Wege. Nach einer Weile gingen sie wieder über den Jabok auf dessen mittägliches Ufer, nicht weit unter der Vereinigung zweier Flüsschen zum Jabok, Dann gingen sie etwa noch eine Meile östlich und hatten die Wüste Ephraim zur rechten Hand.

Hier gegen Osten des Waldes Ephraim auf einem Bergrücken über dem Tal liegt Ramoth-Galaad eine schöne, regelmäßig und reinlich gebaute Stadt, in welcher auch Heiden einige Straßen und einen Tempel inne hatten, Es versahen hier Leviten den Gottesdienst. Ein Jünger war vorausgegangen, Jesu Ankunft zu melden. Die Leviten und andere ansehnliche Leute, erwarteten Ihn schon in einem Zelt vor der Stadt bei einem Brunnen. Sie wuschen den Ankommenden die Füße, gaben ihnen einen Imbiss und Trunk und geleiteten sie in die Stadt wo schon sehr viele Kranke auf einem Platze versammelt waren, welche Jesus um Hilfe anflehten. Er heilte viele. Als der Abend anbrach, lehrte Er auch noch in der Synagoge. Denn es war dies der Sabbat vom Opferfest der Tochter Jephtes, der in dieser Stadt ein Trauer- und Volksfest war. Es waren besonders viele Jungfrauen und auch andere Leute aus der Gegend hier.

Jesus und die Jünger hatten eine Mahlzeit bei den Leviten und übernachteten in einem Haus bei der Synagoge. Hier in der Gegend waren keine angelegten Herbergen für Ihn. Aber in Ainon, Kamon und Mahanaim waren die Herbergen voraus gemietet und die Anzahl der Gäste bestimmt, Ramoth liegt terrassenförmig an einem Hügel und hinter diesem Hügel ist in einem kleinen Tal vor einer steilen Felsenwand der Teil der Stadt, den die Heiden bewohnen. Sie haben einen Tempel. Man kann ihre Häuser immer an den Figuren erkennen, welche auf den Dächern stehen. Auf dem Tempeldach stand ein Trupp von Figuren. In der Mitte war eine gekrönte Figur, welche ein Becken in der Hand trug und selbst in einem Becken oder über Quellen stand. Mehrere Kinderfiguren um sie her schöpften und gossen sich einander zu und zuletzt in das Becken der Mittelfigur.

Die Städte hier herum sind alle reinlicher und schöner, als die alten Judenstädte gebaut. Die Straßen sind sternförmig, nach einem Mittelpunkt laufend, die Ecken sind rund, und so im Zickzack laufen auch die Stadtmauern. - Es war sonst hier eine Freistätte für Verbrecher (Vgl. Dtn 4, 43; Jos 20, 8), ein großes abgelegenes Gebäude ist noch da, wo sie sonst wohnen mussten. Es ist aber verfallen und scheint nicht mehr recht im Gebrauch. Man macht hier Decken und stickt allerlei Blumen und Tiere hinein, teils zum Handel, teils werden Gewebe für den Tempel gemacht. Ich sah viele Frauen und Jungfrauen in langen Zelthäusern daran arbeiten. Die Leute sind hier mehr nach altväterlicher Art gekleidet und sehr reinlich. Ihre Kleider sind von feiner Wolle.

Jesus wohnte einem großen Gedächnisfest des Opfers der Tochter Jephtes bei. Er zog mit seinen Jüngern und den Leviten vor die Ostseite der Stadt auf einen schönen Platz im Freien, wo alle Anstalten zu dem Fest getroffen waren. Es war da alles Volk von Ramoth-Galaad in weiten Kreisen versammelt. Hier stand noch der Hügel mit dem Altar, worauf die Tochter Jephtes geopfert worden war, und diesem gegenüber ein Halbkreis von Rasensitzen für die Jungfrauen und auch Sitze für die Leviten und Richter der Stadt. Alles zog in einem langen ordentlichen Zug zu der Stelle hinaus. Die Jungfrauen von Ramoth und viele von andern Städten umher waren auf dem Fest und trugen Trauerkleider. Eine Jung/rau stellte, weiß gekleidet und verschleiert die Tochter Jephtes selbst vor. Eine Schar anderer Jungfrauen war ganz dunkel gekleidet, hatte das Kinn verhüllt und an einem Vorderarm schwarz gefranste Riemen niederhängen. Sie stellten die klagenden Gespielinnen der Jephtias vor. Es gingen blumenstreuende Mägdlein vor dem Zug und einige bliesen auf kleinen Flöten gar betrüblich. Auch drei Lämmer wurden hinausgeführt. Es war hier ein sehr rührendes und langes Fest mit allerlei Gebräuchen, Lehren und Gesängen in großer Ordnung, worin teils Handlungen jenes traurigen Opfers vorgestellt, teils Gedächtnisgesänge und Psalmen gesungen wurden. Die Vorstellerin der Jephtias wurde in Chören von den Gespielinnen getröstet und beklagt. Sie selbst verlangte nach ihrem Tod. Es wurde unter den Leviten auch in einigen Chören wie ein Rat über sie gehalten. Sie selbst trat herzu und sprach gewisse Reden, worin sie die Erfüllung des Gelübdes verlangte. Man hatte geschriebene Rollen bei allen diesen Handlungen, die man teils auswendig wusste, teils ablas.

Jesus aber war bei diesem Fest lebhaft teilnehmend. Er stellte selbst den obersten Richter oder Priester vor und sagte teils einige übliche Reden, teils hielt Er vor und unter dem Feste lange Lehren. Es wurden zum Gedächtnis der Jephtias drei Lämmer geopfert das Blut um den Altar gesprengt und das gebratene Fleisch den Armen gegeben. - Jesus lehrte auch die Mägdlein von der Eitelkeit und es kam dabei heraus, als hätte Jephtias vom Tod freigesprochen werden können, wenn sie nicht so eitel gewesen wäre.

Das Fest dauerte bis nachmittags. Die Mägdlein wechselten die Rolle der Jephtias das ganze Fest hindurch ab. Bald setzte sich diese, bald jene auf den Steinstuhl in die Mitte des Kreises und wechselte darauf mit der vorigen unter einem Zelt das Kleid. Sie war gekleidet wie die Jephtias beim Opfer.

Das Grabmal derselben stand noch auf einem Hügel und die Opferstelle der Lämmer daneben. Das Grabmal war ein viereckiger Sarkophag. Oben konnte man ihn öffnen. Als das Fett und die Opferstücke der Lämmer schier verbrannt waren, wurde der Rest mit der Asche und einigen Überbleibseln zu dem nahen Grabmal getragen und schief gegen die Öffnung gehalten, dass die Asche und die Reste in das Grab hinabfielen. Als die Lämmer geschlachtet wurden, sah ich das Blut um den Altar sprengen, und dass die Jungfrauen mit einem Stäbchen einen Tropfen auf den Zipfel des langen schmalen Schleiertuches empfingen, das sie über den Schultern hängen hatten.

Jesus sprach: «Jephtias! Du hättest zu Haus Gott danken sollen für den Sieg, den Er dem Volk gegeben. Aber du zogst eitel und den Ruhm einer Heldentochter suchend mit eitlem Putz und großem Festgeräusch hinaus, vor den Töchtern des Landes prahlend.»

Als die Festzeremonien zu Ende waren, zogen sie in einen nahe gelegenen Lustgarten, wo Lauben und Zelte und eine Mahlzeit bereitet war. Jesus nahm daran teil und setzte sich an einen Tisch, an welchem die Armen gespeist wurden. Er erzählte auch eine Parabel. Die Jungfrauen speisten in demselben Zelt, aber abgesondert durch eine halbmannshohe Scheidewand. Wenn man zu Tisch lag, sah man sich nicht. Aber stehend konnte man sich sehen. Nach dem Mahl ging Jesus mit den Jüngern, den Leviten und vielen andern zur Stadt. Es harrten Seiner viele Kranke, die Er heilte, auch Schwermütige und Mondsüchtige. Er lehrte auch noch in der Synagoge von Jakob und von Joseph und dessen Verkauf an die Ägyptier und sagte: «dass einst ein anderer um dieselbe Summe von einem seiner Brüder verkauft werde. Auch dieser werde die reuigen Brüder aufnehmen und in der Hungersnot mit Brot des ewigen Lebens erquicken.» Da erfuhr ich, dass Joseph um dreißig Silberlinge verkauft worden war. Es sprachen an diesem Abend auch noch einige Heiden aus der Stadt mit den Jüngern ganz demütig, ob sie wohl auch einen Teil an dem großen Propheten haben möchten, und diese meldeten es Jesus, der ihnen versprach, morgen zu ihnen zu kommen.

Jephte war als der Sohn einer heidnischen Mutter durch die rechtmäßigen Kinder seines Vaters aus Ramoth, das auch Maspha heißt vertrieben und lebte in dem nahen Land Tob mit anderem Kriegsgesindel von Freibeuterei. Er hatte von seiner verstorbenen heidnischen Frau eine einzige Tochter, die schön, außerordentlich klug und ziemlich eitel war. Jephte war ein sehr rascher, gewaltiger, fester Mann von einer großen Siegesbegierde und hielt streng auf sein Wort. Er war wie ein heidnischer Kriegsheld, obwohl er ein Jude war. Er war ein Werkzeug in der Hand Gottes, voll Begierde, zu siegen und das Haupt des Landes zu sein, aus dem er vertrieben worden war, tat er das feierliche Gelübde, dem Herrn als Brandopfer das zu opfern, was ihm nach dem Sieg zuerst aus seinem Haus entgegen kommen werde. Seine einzige Tochter erwartete er wohl nicht, die andern aus seinem Haus liebte er nicht.

Das Gelübde gefiel Gott nicht. Aber Er ließ es zu und die Erfüllung musste durch eine Fügung ihn selbst und seine Tochter strafen und seine Nachfolge in Israel vertilgen. Seine Tochter wäre vielleicht sehr bösartig durch den Sieg und die Erhebung des Vaters geworden. Jetzt büßte sie zwei Monate und starb für Gott und mochte auch ihren Vater zur Besinnung bringen und frömmer machen. Die Tochter kam mit einem großen Zug von Jungfrauen mit Gesang, Flöten und Pauken ihrem Vater wohl schon über eine Stunde Wegs vor der Stadt entgegen, noch ehe er jemand gesehen hatte. Als sie ihr Unglück erfuhr, ging sie in sich und verlangte zwei Monate vor dem Opfer mit ihren Gespielen in die Einsamkeit zu gehen, um ihren Tod als Jungfrau zu beweinen, da nun ihr Vater keine Nachkommen in Israel haben sollte, auch um sich durch Buße zu ihrem Opfertod zu bereiten. Sie zog mit mehreren Jungfrauen über das Tal von Ramoth in das Gebirge gegenüber und lebte da zwei Monate in Zelten unter Gebet und Fasten in Bußkleidern. Die Mägdlein von Ramoth wechselten bei ihr ab. Sie beweinte besonders ihre Eitelkeit und Ruhmsucht, Es wurde auch ein Rat und Gericht über sie gehalten, ob sie von dem Tod befreit werden könnte. Es war aber nicht möglich, denn sie war vom Vater mit einem heiligen Schwur verlobt worden, war daher ein Opfer, das auf keine Weise gelöst werden konnte. Ich sah auch, dass sie die Erfüllung selbst verlangte und mit großer Klugheit und Rührung sprach.

Ihr Opfertod war mit großer Trauer begleitet, ihre Gespielinnen sangen Klagelieder umher. Sie saß an demselben Ort wo sie am Feste vorgestellt wurde. Auch hier war nochmals Rat gehalten worden, ob sie gelöst werden könne. Aber sie trat abermals hervor und verlangte zu sterben, wie es auch bei der Festzeremonie geschah. Sie war in weißes Gewand gekleidet von der Brust bis zu den Füßen ganz umwickelt. Vom Kopf aber bis auf die Brust nur mit dünnem, durchsichtigen, weißen Stoff verschleiert, so dass man ihr Angesicht ihre Schultern und ihren Hals durchschimmern sah. Sie trat selbst vor den Altar, ihr Vater nahm nicht Abschied von ihr und verließ den Opferplatz. Sie trank aus einer Schale roten Trank. Ich glaube, um bewusstlos zu werden. Einer von den Kriegsleuten Jephtes, musste sie töten. Es wurden ihm die Augen verbunden, zum Zeichen, dass er nicht ein Mörder sei, da er nicht gesehen, als er sie getötet. Sie wurde in seinen linken Arm gelegt, er setzte ein spitziges kurzes Eisen auf ihren Hals an der Seite und stach ihr die Kehle ab. Als sie den roten Trank getrunken, war sie wie ohnmächtig und da fasste sie der Kriegsmann an. Zwei ihrer Gespielinnen, die wie ihre Brautführerinnen waren, auch in weißer Kleidung, fingen das Blut in einer Schale auf und gossen es auf den Altar. Sie wurde nachher von den Jungfrauen eingewickelt und der Länge nach auf den Altar gelegt, dessen Oberfläche ein Rost war. Das Feuer ward darunter angezündet, und als ihre Gewänder verkohlt waren und alles wie ein schwarzer Haufen aussah, nahmen Männer die Leiche mitsamt dem Rost und hoben denselben auf den Rand des nebenstehenden offenen Grabmales und ließen, den Rost schief haltend, die Leiche hinabgleiten, worauf das Grab geschlossen wurde. Dieses Grab stand noch zu Jesu Zeit.

Die Gespielinnen der Jephtias und viele Anwesende hatten ihre Schleier und Tücher mit ihrem Blut bezeichnet. Auch von der Asche des Opferfeuers wurde gesammelt. Ehe sie in der Opferkleidung hervortrat wurde sie von ihren Begleiterinnen unter einem Zelt gebadet und geschmückt herausgebracht.

Es war wohl über zwei Stunden Weges im Gebirge gegen Norden von Ramoth, wo Jephtias ihrem Vater mit ihren Gespielen entgegengekommen war. Sie ritten auf kleinen Eseln, die mit Bändern geschmückt und mit vielen klingenden Schellen behangen waren. Eine ritt vor Jephtias und zwei an ihrer Seite, dann folgten die andern mit Sang und Klang. Sie sangen das Lied des Mose über den Untergang der Ägypter. Als Jephte seine Tochter erblickte, zerriss er seine Kleider und war trostlos, Jephtias war nicht so traurig. Sie war still, als sie ihr Schicksal hörte.

Als sie zur Wüste mit den Gespielinnen ging, welche Nahrungsmittel mitnahmen, so viel zum Fasten gehörte, sprach ihr Vater das letzte Mal mit ihr, es war dies gewissermassen schon der Anfang des Opfers. Denn damals legte er ihr die Hand, wie man den Schlachtopfern tut, auf das Haupt und sprach die einfachen Worte: «gehe hin, du wirst keinen Mann haben,» und sie antwortete: «nein, ich werde keinen Mann haben.» Nachher sprach er nicht mehr mit ihr. Nach ihrem Tod ließ er ihr und seinem Siege ein Denkmal in Ramoth mit einem kleinen Tempel darüber erbauen und ordnete eine Gedächtnisfeier jährlich am Opfertag an, um das Andenken seines traurigen Gelübdes zur Warnung für alle Verwegenen zu erhalten. (Rich 11, 39.40,)

Jephtes Mutter war eine Heidin, die Jüdin geworden. Seine Frau war die Tochter eines aus Heiden und Juden unehelich geborenen Mannes, Seine Tochter war bei seiner Vertreibung nicht mit ihm im Land Tob gewesen, sondern die ganze Zeit in Ramoth geblieben, wo ihre Mutter indessen starb. Jephte war nach seiner Berufung aus Tob durch seine Landsleute noch nicht in seiner Geburtsstadt gewesen. Er hatte im Lager vor Mizpa alles abgeredet und gleich das Volk gesammelt, sein Haus und seine Tochter hatte er noch nicht gesehen. Als er das Gelübde tat, dachte er nicht an sie, sondern an die andern Verwandten, die ihn verstoßen hatten und darum strafte ihn Gott.

Vier Tage lang dauerte das Fest. Es ging Jesus mit seinen Jüngern auch in das Quartier der Heiden in Ramoth, welche Ihn mit großer Ehrerbietung am Eingang ihrer Straße empfingen. Nicht weit von ihrem Tempel war ein Lehrplatz, wohin mehrere Kranke und alte Leute gebracht wurden, welche Er heilte. Diejenigen, welche Ihn hatten rufen lassen, schienen Gelehrte, Priester und Philosophen zu sein. Sie wussten vom Zug der Könige, und wie sie die Geburt des Königs der Juden aus den Sternen gesehen, denn sie waren von einem verwandten Glauben und hatten auch mit den Sternen zu tun. Es war hier nicht weit ein solches Gerüst wie im Land der hl. drei Könige auf einem Hügel, auf welchem sie nach den Sternen sahen. Sie hatten sich lange nach Belehrung gesehnt und empfingen sie nun von Jesus selbst. Er sprach ganz tiefsinnige Lehren gegen sie aus von der heiligsten Dreifaltigkeit und ich hörte die Worte, die mir besonders auffielen: «Drei sind die Zeugnis geben, das Wasser; das Blut und der Geist, und diese sind in Eins beisammen.» Er sprach auch vom Sündenfall, vom verheißenen Erlöser und vieles von der Führung der Menschen, von der Sintflut, dem Zug durchs Rote Meer und den Jordan und von der Taufe. Er sagte ihnen, dass die Juden das Gelobte Land nicht ganz eingenommen hätten, und dass viele Heiden darin übrig geblieben. Dass Er nun komme, das einzunehmen, was sie übrig gelassen, und es seinem Reich einzuverleiben. Aber nicht mit dem Schwert, sondern mit der Liebe und Gnade. Er rührte viele ganz ungemein und sendete sie nach Ainon zur Taufe. Sieben alten Männern aber, welche nicht mehr hinkonnten, ließ Er von zwei Jüngern die Taufe hier geben. Es wurde ein Becken gebracht und vor sie gestellt, sie selbst traten in eine Badezisterne, welche hier nahe war, so, dass sie bis an die Knie im Wasser standen. Über das Wasserbecken wurde ein Geländer gestellt worauf sie sich lehnten. Zwei Jünger legten den Täuflingen die Hände auf die Schulter und Mathias der Johannesjünger goss ihnen nach der Reihe das Wasser aus einer Schale, woran ein Stil war, über den Kopf. Jesus sprach den Jüngern die Taufformel vor, die sie bei der Taufe sprechen sollten, Die Leute waren sehr reinlich, schön weiß gekleidet.

Jesus lehrte noch im allgemeinen das Volk von der Keuschheit und der Ehe. Die Frauen lehrte er besonders vom Gehorsam, der Demut und der Kinderzucht. Die Leute waren sehr gut und begleiteten Ihn mit großer Liebe zurück. Als Jesus in die Judenstadt zurückkehrte, heilte Er noch vor der Synagoge. Die Leviten hatten es nicht gern gesehen, dass Er bei den Heiden gewesen war, und Er lehrte auch in der Synagoge, wo das Jephte-Fest noch fortgesetzt wurde, von Berufung der Heiden und dass viele derselben vor den Kindern Israel in seinem Reich sitzen würden und dass Er gekommen sei, die Heiden, welche die Israeliten nicht bezwungen hätten, mit dem Gelobten Land durch die Gnade, Lehre und Taufe zu vereinigen. Er lehrte auch vom Sieg und Gelübde Jephtes,

Während Jesus in der Synagoge lehrte, feierten die Jungfrauen ihr Fest bei dem Monumente, das Jephte seiner Tochter errichtet hatte und das später erneuert und durch viele Beiträge vom Schmuck der Jungfrauen an den jährlichen Festen verschönert worden war. Es stand in einem runden Tempel, dessen Decke eine Öffnung hatte, In der Mitte dieses Tempels war ein kleineres rundes Tempelchen aus offenen Säulen bestehend, welche eine Art Kuppel trugen, zu der eine Treppe hinaufführte, welche in einer Säule verborgen war. Um die Kuppel herum windet sich aufsteigend eine Bahn, der die Vorstellung des Triumphzuges von Jephta in kindeshohen Figuren zur Seite läuft. Dieses Bildwerk ist von dünner Masse, schimmernd wie von Metallplatten und durchbrochen, so dass die Figuren hinab in das Tempelchen schauen. Oben angelangt steht man auf einer runden Metallplatte, von deren Mitte eine Stange mit Sprossen durch die Öffnung des Tempeldaches hinausreicht, so dass man an ihr durch die Öffnung hinaussteigend die Stadt und Gegend übersieht. Die Platte war um die Stange so geräumig, dass zwei Jungfrauen Hand in Hand, wenn eine an der Stange fasste, um sie im Kreise herumgehen konnten. In der Mitte diese Tempelchens auf einem Postament, befand sich die sitzende Figur der Tochter Jephtes von weißem Marmor auf einem ähnlichen Stuhl, wie sie vor dem Opfer gesessen. Ihr Kopf reichte schon in die erste Windung der schneckenförmigen Kuppel. Rings um die Figur war so viel Raum, dass wohl drei Menschen nebeneinander vorüber konnten.

Die Säulen des Tempelchens waren durch schöne Gitter verbunden. Das Äussere war von buntem geaderten Stein von verschiedenen Farben, die Wendelbahn um die Kuppel wurde mit jeder Windung weißer.

In dem Tempel um dieses Monument feierten die Jungfrauen nun das Fest der Jephtias, deren Bild die eine Hand mit einem Tuch gegen die Augen hält, als weine sie. Die andere Hand ist niedergesenkt und hält etwas wie einen abgebrochenen Zweig oder eine Blume. Die Feier der Jungfrauen war ganz geordnet. Bald spannten sie Vorhänge vom Umkreis des Tempels nach dem Monument hin und saßen, in kleine Versammlungen voneinander abgesondert im stillen Gebet und Seufzen und Klagen.

Das Bild in der Mitte sahen sie vor sich und bald stimmten sie Chöre, bald Wechselgesänge davor an. Auch traten sie paarweise vor das Bild, streuten Blumen, schmückten es mit Kränzen und sangen Trostlieder von der Vergänglichkeit des Lebens. Ich erinnere mich des Ausdruckes «heute mir, morgen dir!» Dann lobten sie die Seelenstärke der Jephtias und ihre Ergebung und priesen sie hoch als den Preis des Sieges. Dann zogen sie wieder in Scharen auf der Wendelbahn zu der Spitze des Monuments und sangen Siegeslieder. Einzelne stiegen auf die Stange hinan und schauten hinaus nach dem Sieger und sprachen das fürchterliche Gelübde aus. Dann kehrte der Zug wehklagend wieder hinab an das Monument, beklagte und tröstete die Jungfrau, dass sie ohne Mann sterben müsse. Alles war mit Dankliedern gegen Gott und Betrachtungen von Gottes Gerechtigkeit durchflochten. Es waren viele rührende Gebärden bei dem ganzen Spiel und alles mit Lust und Trauer und Andacht schön abwechselnd. Es wurde auch eine Mahlzeit in dem Tempel gehalten. Ich sah die Jungfrauen nicht an einem Tisch liegen, sondern sie saßen auf treppenförmigen Gestellen mit unterschlagenen Beinen immer drei übereinander im Kreise des Tempels und hatten kleine runde Tischchen neben sich. Sie hatten allerlei wunderliche Gerichte und figurierte Speisen, z. B., die eines Lammes von essbarer Masse, das auf dem Rücken lag. Aus seinem Leib aßen sie Grünes und andere Speisen heraus,

16. Jesus verlässt Ramoth und geht nach Arga, Azo und Ephron

Jesus ging, nachdem Er einer Mahlzeit der Leviten beigewohnt mit sieben Jüngern und einigen Leuten aus Ramoth mitternachtswärts über den Jabok und das Gebirge ansteigend etwa drei Stunden westlich, in das ehemalige Königreich Basan auf eine Stadt zu, welche in der Mitte von zwei spitzen und einem langen Berge lag. Sie heißt Arga und gehört in den Distrikt Argob in Halb-Manasse. Anderthalb oder zwei Stunden gegen Morgen von Arga, bei dem Ursprung des Baches Og, liegt eine große Stadt, Gerasa. Südöstlicher von dieser sieht man sehr hoch Jabesch-Galaad liegen. Das Land hier herauf ist steinig. In der Ferne meint man, es seien keine Bäume hier, es ist aber an vielen Orten mit kleinen, grünen Büschen überzogen. Das Königreich Basan geht hier an, und Arga ist die erste Stadt darin. Der Stamm Halb-Manasse aber erstreckt sich noch ein Stückchen südlicher. Etwa eine Stunde vom Jabok nördlich sah ich schon eine Grenzscheide durch Pfähle gemacht.

Jesus übernachtete mit seinen Begleitern etwa eine halbe Stunde vor der Stadt in einer offenen Herberge an der von Osten gegen Arga führenden großen Handelsstrasse. Sie hatten Speise bei sich. In der Nacht da alle schliefen, stand Jesus auf und ging allein ins Freie zu beten. Arga ist eine große volkreiche und ungemein reinliche Stadt und wie die meisten Städte hierzulande, wo auch Heiden wohnen, mit geraden, nicht engen Straßen und auf sternförmige Art gebaut. Die Leute haben eine ganz andere Lebensart als in Judäa und Galiläa und viel bessere Sitten. Es sind hier von Jerusalem und andern Orten gesandte Leviten, welche in der Synagoge lehren, und sie werden von Zeit zu Zeit abgelöst. Wenn die Leute nicht mit ihnen zufrieden sind, dürfen sie auch klagen und erhalten dann andere. Es werden auch keine schlechten Leute hier geduldet, und sie haben einen Strafort, wo sie sie hinsenden. Die Einwohner haben keinen eigenen Haushalt, d. h. sie bereiten die Speisen nicht zu Hause, sondern es sind große Kochhäuser, wo alles gekocht wird und wohin sie essen gehen, oder sich Speise holen lassen. Man schläft hier auf den Dächern der Häuser unter Zelten. Es sind hier sehr große Färbereien und zwar künstliche, besonders sehr schön violett. Das Verfertigen und Sticken von großen Teppichen ist hier noch viel künstlicher und weiter getrieben als in Ramoth. Zwischen der Stadt und den Stadtmauern laufen sehr viele Zeltgebäude hin, wo Frauen an ausgespannten langen Bahnen sitzen und arbeiten. Wegen dieser Geschäfte ist von Alters her die größte Reinlichkeit im Ort. Es wächst hier herum sehr vieles und ganz vortreffliches Öl. Die Ölbäume stehen in langen Reihen und ordentlich an Spalieren ausgebreitet. Auch sind hier in den Tälern nach dem Jordan hinab ganz vortreffliche Viehweiden und viele Kamele. Es wächst hier in der Gegend ein köstliches Holz, welches bei der Bundeslade und dem Tisch der Schaubrote angewendet worden ist. Der Baum hat eine schöne glatte Rinde, seine Zweige hängen wie bei einer Weide herab, die Blätter haben die Form von Birnblättern, sind aber viel größer, auf der einen Seite grün, auf der andern wie betaut grau. Er trägt Beeren wie Hagebutten, doch größer. Das Holz ist ungemein hart und zäh und lässt sich sehr fein, ja wie Bast auseinanderspalten. Es wird gebleicht getrocknet und ist dann unzerstörbar fest und schön. Der Baum hat ein sehr feines Mark in sich, aber ein Sägeschnitt vertilgt schon die Markrinne und es bleibt nichts als eine feine rötliche Ader in der Mitte der innersten Bohlen. Sie verarbeiten dieses Holz auch zu kleinen Tischen und allerlei eingelegten Arbeiten. Sie handeln auch mit Myrrhe und andern Spezereien, die jedoch hier nicht wachsen. Sie bekommen sie von den Karawanen, die hier oft wochenlang rasten und umpacken. Sie pressen diese Spezereien in Ballen und bereiten sie, um zum Balsamieren bei den Juden gebraucht zu werden, - Sie haben hier auch sehr große Kühe und Schafe.

Als Jesus am folgenden Morgen mit den Jüngern gegen die Stadt ging, kamen die Leviten und Ersten der Stadt, welche durch vorausgesandte Jünger benachrichtigt Ihn erwarteten. Sehr ehrerbietig führten sie Ihn in ein Gezelt, wuschen Ihm die Füße und reichten Ihm einen Imbiss. Er lehrte in der Synagoge und heilte dann sehr viele Kranke, worunter viele Schwindsüchtige. Auch ging Er in mehrere Häuser zu Kranken. Gegen drei Uhr war eine Mahlzeit. Jesus aß mit den Leviten in einem Festhaus, wohin die Speisen aus dem Speisehaus gebracht wurden. Am Abend lehrte Er wieder in der Synagoge, da der Sabbat anging. Am Morgen sprach Er viel von Mose in der Wüste am Berge Sinai und Horeb, und von Verfertigung der Bundeslade, von dem Tisch der Schaubrote usw. Denn die Leute hatten von hier Opfer dazu gegeben und Er sprach, als sei ihr Opfer vorbildlich gewesen und ermahnte sie, jetzt in der Zeit der Erfüllung auch ihre Herzen und Seelen durch Buße und Bekehrung zum Opfer darzubringen. Er legte ihre damaligen Opfer ganz auf ihren jetzigen Zustand aus, wie, weiß ich nicht mehr. Der Grund dieser Lehre war folgender:

Ich sah während Jesu Lehre ganz weitläufig und mit allen Umständen, dass zur Zeit des Auszugs aus Ägypten Moses Schwiegervater Jethro und Sephora die Frau Moses mit ihren zwei Söhnen und einer Tochter in Arga wohnten. Ich sah, dass Jethro und Moses Frau und Kinder zu ihm an den Berg Horeb reisten, wie Moses sie voll Freuden empfing und alles erzählte, wie Gott ihnen aus Ägypten geholfen habe, und wie Jethro opferte. Auch sah ich, wie Mose alle Israeliten selbst richtete, und wie Jethro ihm riet Unterrichter einzusetzen, und dann wieder nach Hause zog, Frau und Kinder des Mose aber bei dem Vater blieben. Ich sah wie Jethro alle die Wunder, die er gesehen, in Arga erzählte, und wie viele Leute dort große Verehrung für den Gott der Israeliten empfingen, und wie Jethro Geschenke und Opfer auf Kamelen hinsendete, wozu viele Argiter beigetragen. Diese Geschenke bestanden aus feinem Öl, das nachher in der Stiftshütte brannte, in sehr feinen langen Kamelhaaren zu Gespinnst und Gewebe von Decken und in gar schönem Holz, Setim, woraus nachher die Bundesladenstangen und der Tisch der Schaubrote gemacht wurden. Ich meine auch, sie sendeten eine Art Getreide, woraus die Schaubrote gemacht wurden. Es war jenes Mark aus einer rohrartigen Pflanze, wovon ich Maria Jesus schon früh Mus kochen sah.

Jesus lehrte am Sabbat in der Synagoge aus Isaias und Deuteronomium 21, 26. Er kam auch schon am Morgen auf Balak und den Propheten Bileam zu sprechen, und ich sah viel von beiden, weiß es aber jetzt nicht mehr zusammenzureimen. Heute abend in der Sabbatlehre erzählte Er auch beispielweise, aus den vorgelesenen Gesetzen des Mose hervorgehend, die Geschichte, wie Sambri nebst der Madianitin durch Phinees erstochen wird, Num 25, 7, 8, (Anna Katharina erzählte noch auf eine bewunderungswürdige Art wovon sie doch gar nie gehört, noch jemals gelesen hat eine Menge der Gesetze des Mose aus Buch 5. Kap. 21 - 26, und zwar besonders solche, welche ihrem Stand und ihrer Gesinnung entsprechend sind, z, B. wenn man Vogelnester ausnehme, solle man die Alten zurücklassen. Man solle die Nachlese der Ernte den Armen lassen, vom Pfandnehmen der Armen, vom Borgen usw.. All dies habe Jesus gelehrt und besonders vom Nicht-zurückhalten des Arbeitslohns, weil die Leute hier viele Arbeiter gehabt. - Sie freute sich sehr, dass all dies in der Bibel steht, und wundert sich, dass sie es so richtig hört.)

Nach dem Sabbat ging Jesus in die Herberge der Heiden, welche Ihn durch die Jünger sehnlich hatten einladen lassen. Sie empfingen Ihn mit großer Demut und Liebe. Er lehrte sie von der Berufung der Heiden und dass Er nun komme, jene Heiden zu erobern, welche Israel nicht besiegt habe. Sie fragten Ihn über die Erfüllung der Prophezeiungen, dass das Szepter von Juda genommen werden solle zur Zeit des Messias. Er lehrte darüber. Sie begehrten auch getauft zu werden und wussten von den drei Königen. Er legte ihnen die Taufe aus und sagte, sie sei für sie eine Vorbereitung zur Teilnahme am Reich des Messias. Diese wohlgesinnten Heiden waren Durchreisende, welche ein paar Wochen hier liegen blieben und auf das Zusammentreffen mit einer Karawane harrten. Es waren fünf Familien und zusammen 37 Menschen. Sie konnten nicht nach Ainon zur Taufe ziehen, weil sie die Karawane zu versäumen fürchteten. Sie fragten Jesus auch, wo sie sich niederlassen sollten, und Er wies ihnen den Ort an, Ich habe nie gehört, dass Er den Heiden von der Beschneidung sprach, aber wohl von der Enthaltsamkeit und dass sie nur eine Frau haben sollten.

Diese Heiden wurden hierauf von Saturnin und Judas Barsabas getauft. Sie traten in eine Badezisterne und beugten sich über ein großes vorstehendes Becken, welches Jesus gesegnet hatte. Das Wasser wurde ihnen dreimal über das Haupt gegossen.

Alle waren weiß gekleidet und machten Jesus nachher ein Geschenk mit goldenen Spangen und Ohrgehängen, womit sie handelten, für die Kasse seiner Jünger. Es wurde zu Geld gemacht und den Armen verteilt. Jesus lehrte hierauf noch in der Synagoge, heilte und nahm mit den Leviten ein Mahl.

Nach dem Mahl ging Jesus von mehreren Leuten des Ortes begleitet ein paar Stunden weiter von hier nördlich nach einer kleinen Stadt die Azo hieß. Es waren hier viele Menschen versammelt, denn am Abend begann die Feier eines Festes von Gedeons Sieg. Jesus wurde von den Leviten vor der Stadt empfangen. Es wurden Ihm die Füße gewaschen und ein Imbiss gereicht, dann ging Er in die Synagoge und lehrte.

Azo war zu Jephtes Zeit eine Festung, die in dem Krieg, da er aus dem Land Tob gerufen wurde, zerstört wurde. Jetzt war Azo ein sehr reinlicher kleiner Ort, in einer langen Reihe liegend. Es waren gar keine Heiden hier und die Leute waren besonders gut, fleißig und gesittet und hatten vielen Ölbau. Die Ölbäume sind vor der Stadt auf Terrassen kunstmäßig gepflanzt und gezogen. Auch wird hier Stoff bereitet und gestickt. Die Lebensart ist wie in Arga. Die Leute halten sich für besonders reine Juden vom Stamm Manasse, weil sie ganz unvermischt mit Heiden leben. Man ist sehr reinlich hier, der Weg führt durch ein sanftes Tal hinab, in welchem die Stadt westlich von einem Berg liegt.

Als Debbora in Israel richtete und Sisara von der Jahel getötet wurde (Rich 4, 17.20), lebte eine Frau, aus dem vertilgten Stamm Benjamin von einer übrig gebliebenen Frau abstammend, lange verborgen in Maspha. Sie trug und wusste ihr Geschlecht zu verbergen, dass niemand sie erkannte. Sie hatte Gesichte, prophezeite und diente den Israeliten oft als Spion. Wo sie aber gebraucht wurde, schlug es immer schlecht aus. Es lagen damals die Madianiten hier, zu denen sie in Mannskleidern, wie ein stattlicher Soldat gekleidet kam und sich für Abinuem ausgab, einen von den Helden, welche bei der Niederlage Sisaras vorkommen. Sie hatte sich, um zu spionieren, schon durch mehrere Lager durchgeschlichen und gab nun im Zelt des Anführers vor, als wolle sie ganz Israel in seine Hand geben. Sie trank sonst niemals Wein und war sehr behutsam und keusch. Hier aber berauschte sie sich und wurde als Frau entdeckt. Man nagelte sie mit Hand und Fuß auf ein Brett und warf sie in ein Loch mit dem Ausdruck: Hier sei sie nebst ihrem Namen begraben.

Von Azo aus war Gedeon in das Lager der Madianiten gebrochen. Er stammte von Manasse und wohnte mit seinem Vater bei Silo. Damals war eine elende Zeit in Israel. Die Madianiten und andere Heiden drangen überall ins Land, verwüsteten die Felder und nahmen die Ernte hinweg. Gedeon, ein Sohn des Joas des Ezriters, in Ephra wohnhaft, war sehr tapfer und auch mildtätig. Er drosch oft seinen Weizen etwas früher aus und teilte den Bedürftigen mit. Ich sah ihn morgens vor Tagesanbruch im Tau nach einem ungemein dicken Baum gehen, unter dem versteckt er seine Tenne hatte. Er war ein sehr schöner und kräftiger Mann. Die Eiche bedeckte mit ihren breiten Ästen ein weites Felsenbecken, in dem sie stand, und dieses Becken war von einem Hügelrand umgeben, der bis an die Zweige des Baumes reichte, so dass man von außen nicht gesehen werden konnte und am Fuß der Eiche wie in einem weiten Gewölbe stand. Der Stamm war wie von vielen einzelnen Stämmen zusammengewunden. Der Boden war fester Felsengrund. Rings in dem Walle waren Löcher, worin das Getreide in Fässern von Bast bewahrt wurde. Sie droschen mit einer Walze, die sich um den Baum auf Rädern drehte, und es waren hölzerne Hämmer an der Walze, die niederfielen. Es war oben in dem Baume ein Sitz, wo man sich umsehen konnte. Die Madianiten standen von Basan herab bis über den Jordan in das Feld Esdrelon hinein. Das Jordanstal wimmelte von weidenden Kamelen. Dieses diente dem Gedeon sehr. Er kundschaftete mehrere Wochen lang alles aus und schlich sich mit seinen dreihundert Mann ziemlich weit bis gegen Azo hinauf. Ich sah ihn zum Lager der Madianiten schleichen und an einem Zelt lauern. Da sagte ein Soldat dem andern: «Ich habe geträumt, es falle ein Brot hier von dem Berg herunter und werfe das Zelt um.» Dieser versetzte: «Das ist kein gutes Zeichen, Gedeon fällt gewiss mit den Israeliten über uns her.» In der folgenden Nacht drang Gedeon nur mit einem kleinen Haufen von hier aus ins Lager, Posaunen blasend und mit Fackeln in der Hand. Seine andern Haufen taten es von andern Seiten. Die Feinde kamen in Verwirrung, ermordeten sich teils selbst und wurden von den Kindern Israel überall vertrieben und erschlagen. Der Berg, von dem nach dem Traum des Soldaten das Brot rollte, lag gleich hinter Azo. Von hier griff auch Gedeon persönlich an.

In Azo wurde jetzt das Jahresfest von Gedeons Sieg gefeiert. Vor der Stadt ist eine große Eiche im Schoße eines Hügels und unter derselben ist ein Altar von Steinen. Zwischen diesem Baum und dem Berg, von dem der Soldat das Brot herunterrollen sah, war die verkleidete Prophetin begraben. Diese Art Bäume sind anders als unsere Eichen. Sie tragen eine große Frucht mit einer grünen Schale, unter der ein ausnehmend harter Kern sitzt auch in einem Töpfchen wie unsere Eicheln. Aus diesem Kern machen die Juden dort die Knöpfe an ihren Stäben. Es war von dieser Eiche bis in die Stadt eine ganze Reihe von Laubhütten mit allerlei Früchten ausgeschmückt für die große Menge des versammelten Volkes.

Jesus und die Jünger zogen mit den Leviten in einer Prozession zu der Eiche. Es wurden fünf kleine Ziegenböcke mit roten Kränzen um den Hals vorausgeführt und in kleine vergitterte Höhlen in den Hügelrand um den Baum eingesperrt. Auch Kuchen trug man zum Opfer und blies dabei Posaunen. Es wurden allerlei Rollen abgelesen von Gedeon und Siegespsalmen gesungen. Dann wurden die Böcklein geschlachtet, zerlegt, und mehrere Teile auch von den Kuchen auf den Altar gelegt. Das Blut ward nun um den Altar gesprengt und ein Levite hatte ein Rohr, aus welchem er Feuer in das unter dem Rost des Altars liegende Holz blies, zum Andenken, dass der Engel Gedeons Opfer mit einem Stabe angezündet hatte (Rich 6, 21).

Jesus hielt an das versammelte Volk eine Lehre. Darüber ging der Morgen hin. Am Nachmittag ging Jesus nebst den Leviten und den angesehensten Einwohnern ins Tal südlich vor die Stadt wo um eine kleine Quelle ein Bade- und Belustigungsort angelegt war. Hier waren auch die Frauen und Jungfrauen in einem abgesonderten Garten versammelt und spielten und belustigten sich. Es war hier eine Mahlzeit bereitet und die Armen hatten Tische obenan nach einem alten Herkommen. Jesus setzte sich an den Tisch der Armen. Er erzählte die Parabel vom verlorenen Sohn und dem Kalb das ihm der Vater schlachtete. Die Nacht brachte Jesus auf dem Dach der Synagoge unter einem Zelt zu. Die Leute schlafen hier auf den Dächern.

Das Fest dauerte am folgenden Tag noch fort und die Laubhütten wurden gleich für das Laubhüttenfest das etwa in 14 Tagen eintritt aufgerichtet. Am Morgen hielt Jesus eine Lehre in der Synagoge und heilte vor der Schule viele Blinde, Schwindsüchtige und mehrere gutartig Besessene. Darnach war noch eine Mahlzeit und dann verließ Jesus die Stadt, begleitet von den Leviten und anderen. Es waren gegen dreißig Begleiter.

Der Weg führte zuerst über den Berg, von welchem der Soldat das Gerstenbrot ins Lager der Madianiten hinabgerollen gesehen (Richter 7, 13). Hierauf stiegen sie in eine Schlucht quer über einen schmalen lang gestreckten und hohen Berg und zogen jenseits etwa noch eine Stunde nördlich in einem Tal an einen angenehmen kleinen See, bei welchem einige Gebäude standen, welche den Leviten von Az gehörten. Ein Bach fließt durch diesen See und das Tal in den Jordan hinab. Etwa sechs Stunden nordöstlich von hier liegt Betharamphtha-Julias um einen Berg.

Jesus nahm an dem See einen Imbiss. Sie hatten gebratene Fische, Honig, Brote und Balsamkrüglein mitgenommen. Der Weg von Azo hierher betrug etwa drei Stunden, Jesus erzählte unterwegs und hier Parabeln vom Sämann und vom steinigen Acker. Es war sehr steinig unterwegs hierher. Er erzählte auch eine Parabel von den Fischen und ihrem Fang. Es waren kleine Schiffe auf dem Teich und man fischte mit Hamen. Die gefangenen Fische wurden den Armen zurückgebracht.

Anderthalb Stunden von hier liegt Ephron. Von hier kann man es nicht sehen. Aber wohl die höheren Berge gegenüber. Jesus trennte sich hier von den Leuten aus Azo, welches der beste Ort auf allen seinen Wegen hier war, und ging nach Ephron. Er ward vor Ephron von den dortigen Leviten wie gewöhnlich empfangen. Es lagen vor dem Ort schon viele Kranke in hölzernen Kasten, welche man oben mit einem Gewerbe aufrichtete. Er heilte sie, Ephron liegt an der mittäglichen Anhöhe eines enges Passes, in dem ein oft versiegender Bach nach dem Jordan fließt zu dem man in der Schlucht weit hinabsieht. Gegenüber liegt ein schmaler höherer Berg, auf welchem die Tochter Jephtes mit ihren Mägdlein auf ein Siegeszeichen ihres Vaters geharrt hatte, das durch aufsteigenden Rauch gegeben wurde, worauf sie zurückgeeilt nach Ramoth und mit großer Pracht ihrem Vater entgegen gezogen ist, Jesus hat hier viele Leute geheilt und gelehrt.

Die hiesigen Leviten waren von einer alten Sekte der Rechabiten. Jesus verwies ihnen die allzu große Strenge und Härte ihrer Meinungen und ermahnte auch das Volk, vielen ihrer Gebote nicht zu folgen. Er erwähnte in dieser Lehre jener Leviten bei Bethsames, welche die von den Philistern zurückgekehrte Bundeslade (1 Sam 6, 15. usw.) unrecht (zu neugierig) angesehen und gestraft worden seien. Die Rechabiten stammen von Jethro dem Schwiegervater des Mose her. Sie lebten ehemals unter Zelten, hatten keinen Ackerbau und tranken keinen Wein. Sie waren Sänger und Torhüter am Tempel. Jene, welche bei Bethsames die rücckehrende Arche gegen das Gebot angesehen hatten und mit dem Tod gestraft wurden, waren Rechabiten, die dort unter Zelten gewohnt hatten. Jeremias versuchte sie einmal vergeblich, im Tempel Wein zu trinken, und ihr Gehorsam gegen ihre Gesetze wurde Israel zum Beispiel aufgestellt. Jetzt zu Jesus Zeit wohnten sie nicht mehr unter Zelten, hatten aber doch noch viel seltsame Gebräuche. Sie trugen ein härenes Ephod (Skapulier) als Cilicium auf blossem Leib und darüber ein Kleid von Fellen, außerdem ein reines, schönes, weißes Kleid und einen sehr breiten Gürtel. Durch ihre bessere Kleidung unterschieden sie sich von den Essenern. Sie hatten übertriebene Reinheitsgesetze und seltsame Gebräuche bei der Verheiratung, beurteilten aus gelassenem Blut, ob der Mensch heiraten müsse oder nicht, und verbanden die Menschen ihres Stammes nach diesen Zeichen oder verboten anderen die Ehe. Sonst wohnten sie auch in Argob und Jabesch und in Judäa. Sie waren ohne Widerspruch und ganz demütig und nahmen die Lehre und Verweise Jesu gut auf. Jesus verwies ihnen hauptsächlich ihre unerbittliche Strenge gegen Ehebrecher und Mörder, deren Wiederaussöhnung sie gar nicht annehmen wollten. Sie hielten auch die Fasten sehr streng.

Es waren hier an dem Berg mehrere Gießereien und Metallschmieden. Sie machten Töpfe und Rinnen, auch Röhren für Wasserleitungen, wobei zwei Rinnen zusammengelötet wurden.

17. Jesus in Betharamphtha-Julias, Abigail, die verstoßene Frau des Tetrarchen Philippus

Von Ephron wandelte Jesus mit seinen Jüngern und mehreren Rechabiten etwa fünf Stunden nordöstlich nach Betharamphtha-Julias, einer schönen, höher gelegenen Stadt. Unterwegs lehrte Er an einem Bergwerk, wo das Erz gegraben wird, das man in Ephron verarbeitet. In Betharamphtha waren auch Rechabiten und Priester unter denselben. Jene von Ephron schienen mir unter diesen zu stehen.

Die Stadt liegt groß und ausgedehnt um den Berg. Der westliche Teil ist von den Juden bewohnt, der östliche und ein Teil der Höhe von den Heiden. Beide Teile der Stadt sind durch einen gemauerten Weg und durch einen Lustplatz mit Alleen geschieden. Oben auf dem Berg liegt ein schönes Schloss mit Türmen, Gärten und Bäumen. Es wohnte eine geschiedene Frau des Tetrarchen Philippus hier oben, welcher die Einkünfte dieser Gegend zum Unterhalt angewiesen sind. Sie hatte fünf erwachsene Töchter bei sich und stammte von den Königen von Gessur. Sie hieß Abigail und war schon eine bejahrte Frau, stark und schön und von sehr gutem und wohltätigem Charakter.

Philippus war älter als der Herodes von Peräa und Galiläa. Er war ein friedfertiger, aber wohllebender Heide, des anderen Herodes Halbbruder von einer anderen Mutter. Dieser Philippus hatte zuerst eine Witwe mit einer Tochter geheiratet. Als aber der Mann dieser Abigail bei ihm durchreiste, ich meine, in einen Krieg, oder da er nach Rom ging, ließ er seine Frau bei ihm zurück. Diese wurde unterdessen von Philippus verführt und geheiratet, worüber ihr Mann aus Betrübnis nachher starb. Als nun nach einigen Jahren die erste wegen Abigail verstoßene Frau des Philippus zum Sterben kam, bat sie vor ihrem Tod den Philippus, sich doch wenigstens ihrer Tochter zu erbarmen. Philippus aber der Abigail müde, heiratete nun diese seine Stieftochter und verwies die Abigail mit ihren fünf Töchtern nach Betharam, das auch Julias zu Ehren einer römischen Kaiserdame genannt war. Sie lebte hier sehr wohltätig und den Juden geneigt mit einer großen Begierde nach Heil und Erkenntnis. Sie war aber unter einer beschränkenden Aufsicht von einigen Beamten des Philippus, welche auf sie achtgaben. Philippus hatte auch einen Sohn. Seine jetzige Frau war viel jünger als er.

Jesus wurde in Betharam gut empfangen und bewirtet. Er heilte am Morgen nach seiner Ankunft viele kranke Juden, lehrte am Abend in der Synagoge und auch am Morgen über den Zehnten und die Erstgeburt Deuteronomium 26-29, und Isaias Kap. 60,

Abigail stand bei den Einwohnern in einem sehr guten Lob, sie sendet auch Gaben an die Juden herab zur Bewirtung Jesu und der Jünger. - Am ersten Tisri war die Feier des Neujahrsfestes. Es wurde auf der Höhe der Synagoge mit allerlei Instrumenten musiziert. Es waren auch Harfen dabei, besonders aber wurde viel mit großen Posaunen geblasen, woran mehrere Mündungen waren. Ich sah auch wieder das wunderliche zusammengesetzte Instrument mit Blasebälgen spielen, wie einmal auf der Synagoge von Kapharnaum. Alles war an diesem Festtag mit Früchten und Blumen geschmückt. Unter den verschiedenen Klassen des Volkes waren verschiedene Gebräuche. In der Nacht beteten besonders viele Frauen mit Lichtern und Schäffeln darüber auf den Gräbern in langen Kleidern. Ich sah auch, dass alle sich badeten, die Frauen in den Häusern und die Männer in den Badeorten. Die verheirateten Männer und Jünglinge badeten getrennt, so auch die Frauen und Jungfrauen. Das viele Baden bei den Juden ging, da das Wasser nicht überall im Überfluss war, mit Sparsamkeit zu. Sie lagen auf dem Rücken in Trögen und schöpften das Wasser mit einer Muschel über sich. Es war oft mehr ein Abwaschen als ein Bad. Sie badeten heute vor der Stadt in ganz kaltem Wasser. Es geschah auch, dass alle sich gegenseitig beschenkten und besonders die Armen wurden mit Gaben bedacht. Sie bekamen zuerst eine große Mahlzeit und es waren auf einem langen Wall viele Geschenke von Lebensmittel, Kleidern und Decken für sie ausgestellt. Jeder, der Geschenke von seinen Freunden erhielt, gab davon wieder an die Armen ab. Die anwesenden Rechabiten lenkten und ordneten alles und sahen, was und wie ein jeder mit den Armen teilte. Sie hatten drei Rollen, in welche sie die Tugend jedes Gebers diesem unbewusst aufschrieben. Die eine Rolle hieß das Buch des Lebens, die andere der Mittelstraße, die dritte des Todes. Die Rechabiten übten allerlei solche Ämter, und waren auch am Tempel die Türhüter, Zahlmeister und besonders Sänger, was sie auch am heutigen Feste übten. Auch Jesus bekam in Betharamphtha Geschenke an Kleidern, Decken und Münzen, welche Er an die Armen austeilen ließ.

Während der öffentlichen Feste ging Jesus zu den Heiden. Abigail hatte Ihn dringend um seine Anwesenheit gebeten, und die Juden selbst, denen sie vieles Gute erwiesen, baten Ihn, mit ihr zu reden. Ich sah Ihn nebst einigen seiner Jünger durch die Judenstadt nach der Heidenstadt auf einen öffentlichen mit Bäumen bepflanzten Lustplatz gehen, der zwischen beiden Stadtteilen lag, und wo gewöhnlich die Zusammenkunft der Juden und Heiden bei Geschäften war. Hier war Abigail mit ihrem Gefolge, ihren fünf erwachsenen Töchtern und vielen heidnischen Jungfrauen und anderen Heiden versammelt. Abigail war eine große, starke Frau von etwa fünfzig Jahren, wohl eben so alt als Philippus. Sie hatte etwas Trauriges und Sehnsüchtiges an sich, verlangte nach Hilfe und Belehrung, wusste aber nicht was sie anfangen sollte. Denn sie war in ihre Verhältnisse verwickelt und von Aufsehern belauert. Sie warf sich vor Jesus nieder, der sie aufrichtete und sie und alle Anwesenden belehrte, indem Er auf und ab ging. Er sprach von der Erfüllung der Prophezeiungen, dem Beruf der Heiden und von der Taufe. Von allen Orten, wo Jesus gewesen, seit Er Ainon verlassen, waren fortwährend Züge von Juden und Heiden dahin gezogen und von seinen zurückgelassenen Jüngern getauft worden. Andreas, Jakobus Minor, Johannes und die Jünger des Johannes des Täufers waren dort mit Taufen beschäftigt. Von dem gefangenen Täufer gingen ab und zu Boten.

Jesus empfing von Abigail die gewöhnlichen Ehrenbezeigungen. Sie hatte jüdische Diener bestellt, welche Ihm die Füße wuschen und Ihm den Willkommengruß reichten. Sie bat Ihn sehr demütig um Vergebung, dass sie seine Ansprache gewünscht, sagte, dass sie schon lange nach seiner Lehre verlangt habe und bat Ihn, an einem Fest teilzunehmen, das sie Ihm bereitet habe. Jesus war sehr gütig gegen alle und besonders gegen sie, und alle seine Worte, wie sein Anblick erschütterten sie tief. Denn sie war voll Kummer und von halber Erkenntnis. Diese Lehre der Heiden dauerte bis gegen Nachmittag. Dann begab sich Jesus auf Abigails Einladung nach der Morgenseite der Stadt, nicht weit vom Tempel der Heiden, wo viele Bäder und eine Art Volksfest war. Denn die Heiden feierten auch den heutigen Neumond mit besonderer Pracht. Ehe Jesus hierher kam, führte Ihn der Weg durch die Scheidestraße zwischen der Juden- und Heidenstadt. Da lagen in den Mauerwohnungen viele arme kranke Heiden in Kasten voll Stroh und Spreu. Die Heiden hatten sehr viele Arme hier. Jesus heilte jetzt keine.

An dem Belustigungsort der Heiden, wo die Mahlzeit war, lehrte Jesus die Heiden lange, teils auf- und abwandelnd, teils beim Mahl. Er sprach in allerlei Parabeln von Tieren, um ihr unnützes, unfruchtbares Treiben darzustellen. Er sprach vom beständigen, oft so unnützen Arbeiten der Spinne, von der Geschäftigkeit der Ameisen und Wespen und stellte es der schönen geordneten Arbeit der Bienen gegenüber. Das Mahl, woran Abigail zu Tisch liegend teilnahm, wurde größtenteils auf Jesu Befehl den Armen verteilt. Es waren auch an diesem Tag große Festlichkeiten im Heidentempel, der sehr prächtig war und von fünf Seiten große, offene Säulenhallen hatte, durch die man durchsehen konnte. In der Mitte war eine hohe Kuppel. Es waren mehrere Götter in verschiedenen Hallen dieses Tempels. Der Hauptgott aber hieß Dagon, war oben wie ein Mensch und hinten wie ein Fisch. Auch noch andere Götter in Tiergestalten waren darin, doch keine so schöne Figuren, wie bei den Griechen und Römern. Ich sah Mädchen Kränze bei den Bildern aufhängen und singen und tanzen, auch auf einem dreifüßigen Tischchen von Götzenpriestern räuchern, Auf der Kuppel des Tempels war eine wunderliche künstliche Einrichtung die Nacht durch in Bewegung. Es bewegte sich eine leuchtende Kugel mit Sternen umgeben über das Dach hin, und man konnte sie von außen und auch im Tempel sehen. Es stellte etwas vom Sternenlauf und Neumond oder neuem Jahre vor. Die Kugel bewegte sich langsam und wenn sie auf der anderen Seite ankam, hörten die Spiele und Feste auf dieser Seite des Tempels auf und begannen auf der Seite, wo der Mond ankam.

Nicht weit von dem Festort, wo Jesus die Mahlzeit einnahm, war ein großer Lustplatz, worauf die Jungfrauen spielten. Sie waren geschürzt, hatten die Beine bewickelt, hatten Bogen, Pfeile und kleine Spieße mit Blumen umwunden, und liefen an einem wunderbaren Festgerüst von Zweigen, Blumen und allerlei Verzierungen vorüber. Sie schossen und warfen im Lauf nach Vögeln, die angebunden waren, und nach verschiedenen Tieren, Böckchen und kleinen Eseln, die um das Gerüst eingezäunt waren. Es befand sich an diesem Festgebäude ein hässliches Götzenbild mit einem breiten offenen Rachen, wie ein Tier, sonst wie ein Mensch mit vorhängenden Händen. Es war hohl und unter ihm Feuer. Die getöteten Tiere wurden ihm in den Rachen gelegt, verbrannten und fielen in das Feuer nieder. Die Tiere welche nicht getroffen wurden, wurden abgesondert und wie heilig gehalten. Es wurden ihnen die Sünden der anderen von den Priestern aufgelegt und so wurden sie in Freiheit gesetzt. Es war etwas, wie die Versöhnungstiere der Juden. Wäre das widerliche Martern der Tiere nicht gewesen und der hässliche Götze, so hätte mir die Schnelligkeit und Geschicklichkeit der Jungfrauen sehr gut gefallen. Es dauerte das Fest bis gegen Abend, und als der Mond aufging, wurden die Tiere geopfert, Am Abend war der ganze Tempel und das Schloss der Abigail voll Fackeln.

Jesus lehrte auch nach der Mahlzeit und es bekehrten sich viele Heiden, die nach Ainon zur Taufe zogen. Am Abend stieg Er bei Fackelschein den Berg wieder hinauf und sprach mit Abigail in der Vorhalle ihres Schlosses unter Säulen. Es waren einige Beamte des Philippus bei ihr, welche sie stets beobachteten.

Sie war dadurch sehr gehindert in allem, was sie tat, und gab dem Herrn ihre Verlegenheit durch einen Blick zu verstehen, den sie auf diese Männer warf. Jesus kannte aber ihr ganzes Innere und die Bande, welche sie gefangen hielten. Er hatte Mitleid mit ihr. Sie fragte, ob sie versöhnt werden könne mit Gott. Ein Punkt drücke sie unaufhörlich, der Ehebruch an ihrem rechten Mann und dessen Tod. Jesus tröstete sie und sagte, ihre Sünden seien ihr vergeben, sie solle in guten Werken fortfahren, harren und beten. Sie war vom Geschlecht der Jebusiten. Diese Heiden pflegten ihre krüppelhaften Kinder verkommen zu lassen und hatten viel Aberglauben mit Zeichen der Geburt.

In allen den Orten, wo Jesus zuletzt durchgekommen war, war man nun beschäftigt, die Zurüstungen auf das Laubhüttenfest zu machen. Man trug Lattenwerk zusammen und schlug leichte Zelt- und Laubengerüste in Betharamphtha hie und da auf Dächer. Die Jungfrauen waren beschäftigt, sich nach Pflanzen und Blumen umzusehen, sie in Wasser und in Keller zu setzen, um sie frisch zu halten. Es sind vor dem Fest so viele Fasttage und es wird so viel gebraucht dabei wegen der Gastmähler, dass jetzt schon alles zugetragen wird. Die Lieferungen von allem Bedarf sind unter viele Leute verteilt und dafür werden die Armen belohnt und freigehalten und am Ende erhalten sie noch ein reichliches Fest und eine Belohnung, Man sieht in allen diesen Orten keine öffentlichen Kaufläden. In Jerusalem sind außen um den Tempel einige Plätze, wo Buden beisammen stehen. Sonst ist in anderen Städten höchstens hie und da am Tor ein Zelt wo Decken verkauft werden, besonders wo Karawanen durchziehen. Leute in Wirtshäusern zusammensitzen, wie bei uns, sieht man nicht. Hie und da steht in einem Mauerwinkel ein Mann bei einem Zelt mit einem Schlauch oder Krug. Es kommt ein Reisender und lässt sich ein Krüglein füllen. Selten setzt sich einer hin und trinkt. Betrunkene auf Straßen sieht man nicht, Leute, die Wasser verkaufen, tragen Schläuche an einer Stange über dem Nacken an beiden Seiten hängend. Geschirr und Eisenwerk holt sich jeder, was er braucht, auf Eseln, da, wo es bereitet wird.

Am folgenden Tag heilte Jesus in der Mauerstraße zwischen der Heiden- und Judenstadt alle die armen kranken Heiden, welche in den Löchern so elend dalagen, und die Jünger teilten ihnen Almosen aus. Nachher lehrte Er noch zum Abschied in der Synagoge, weil bei diesem Fest auch der Gedächtnistag von Isaaks Opferung ist, sprach Er von dem wahren und wirklichen Isaak, was sie jedoch nicht verstanden. Er sprioht in allen diesen Orten sehr deutlich von dem Messias, doch nicht bestimmt, dass Er es sei.

18. Jesus in Abila und Gadara

Jesus ging hierauf mit den Jüngern von Leviten begleitet drei Stunden nordwestlich gegen eine Schlucht, in welcher der Bach Karith nach dem Hieromax fließt zu der schönen Stadt Abila, welche in dieser Schlucht liegt. Die Leviten begleiteten Ihn halbwegs bis an einen Berg und gingen dann zurück. Es war drei Uhr nachmittags, als Jesus vor Abila, welches um die Quelle des Baches Karith gebaut ist von den Leviten der Stadt, wobei auch mehrere Rechabiten waren, empfangen wurde. Es waren bei diesen drei Jünger aus Galiläa, die Jesus hier erwarteten. Sie führten Ihn gleich in die Stadt an einen sehr schönen Brunnen. Es war die Quelle des Baches Karith. Das schöne Brunnenhaus auf Säulen lag in der Mitte von Säulengängen, welche die Synagoge und andere Gebäude mit diesem Mittelpunkt der Stadt verbanden, die sich nach den beiden Seiten der Anhöhe sanft aufsteigend mit ihren Straßen sternförmig um diese Gebäude verbreitete, so dass man von allen Straßen aus auf diesen Brunnen sehen konnte. Hier an diesem Brunnen wurden Jesus und den Jüngern von den Leviten die Füße gewaschen und der gewöhnliche Imbiss gereicht, In den benachbarten Gärten und an den Gebäuden waren Jungfrauen und Männer mit den Vorrichtungen für das Laubhüttenfest beschäftigt.

Von hier zog Jesus mit ihnen nördlich im Tal etwa eine halbe Stunde vor die Stadt hinaus, wo über den Bach eine breite Brücke von Steinen gebaut war, auf welcher zum Gedächtnis des Elias eine Lehrsäule unter einem von acht Säulen getragenen Dach stand. Die beiden Ufer des schmalen Baches waren treppenförmig für die Zuhörer eingerichtet und ganz mit Menschen bedeckt. Der Lehrstuhl war eine kleine Säule mit einer Kanzel. Man ging in der Säule hinauf, Jesus lehrte nach allen Seiten sich wendend.

Es war aber heute ein Gedächtnistag des Elias in dieser Stadt, weil ihm heute an dem Bach hier etwas geschehen war. Nach dieser Lehre war in einem Bade- und Belustigungsplatz vor der Stadt noch eine Mahlzeit. Mit dem Sabbat aber wurde sie geschlossen, weil am folgenden Tag ein Fasttag wegen Ermordung des Godolias (2 Kön 25, 22-25) war. Es wurde auch noch mit Posaunen geblasen.

Ich sah an dem Bergabhang östlich der Stadt Abila eine einzelne schöne Grabhöhle und einen kleinen Garten davor, in welchem die Frauen von drei Familien aus Abila eine Totenfeier hielten. Sie saßen verhüllt, weinten und sprachen Klagelieder und legten sich oft mit dem Angesicht auf die Erde. Sie töteten auch mehrere sehr schön gefiederte Vögel, rupften sie und verbrannten die schönen schimmernden Federn auf dem Grab. Das Fleisch der Vögel erhielten die Armen. Es war das Grab einer ägyptischen Frau, von der sie herstammten. Vor dem Auszug der Kinder Israel lebte in Ägypten eine uneheliche Verwandte des damaligen Pharao, welche Moses sehr geneigt war und den Israeliten große Dienste tat. Sie war eine Prophetin und entdeckte dem Moses in der letzten Nacht die Mumie Josephs. Sie nannten sie Segola. Eine Tochter dieser Segola war Aarons Frau. Er trennte sich aber von ihr und heiratete Elisabeth, die Tochter Aminadabs vom Stamm Juda. Mit diesem Aminadab hatte die geschiedene Frau auch eine Beziehung, welche ich nicht mehr weiß, Segola's Tochter, welche von Aaron und ihrer Mutter gut ausgestattet worden war und die besonders viele Schätze mit aus Ägypten genommen hatte, folgte den Israeliten und heiratete noch auf dem Zug einen anderen. Sie schloss sich den Madianiten an vom Geschlecht Jethros. Ihre Nachkommen ließen sich bei Abila nieder, wohnten unter Zelten und ihre Leiche wurde dort in ein Grab gelegt. Erst nach Elias Zeiten wurde Abila erbaut und damals setzten sich ihre Nachkommen hier fest. Denn zu Elias Zeiten sah ich die Stadt nicht, sie müsste dann früher einmal zerstört worden sein. Es waren noch drei Familien von ihrem Geschlecht hier. Es war der Todestag der Tochter Segolas, ihre Mumie war aus der Wüste hierher gebracht und begraben worden. Die Frauen brachten Ohrenringe und Geschmeide den Leviten zu ihrem Andenken. Jesus lobte diese Frau und lehrte von der Milde ihrer Mutter Segola auf dem Lehrstuhl des Elias. Die Frauen hörten zu, hinter den Männern stehend. Bei der Mahlzeit in dem Badegarten waren sehr viele Arme und jeder Gast musste zuerst von seiner Portion den Armen etwas vorlegen,

Tags darauf sah ich die Leviten Jesus in einen großen mit Zellen umgebenen Hof führen, wo gegen zwanzig Taubstumme und Blindgeborene von Wärtern und ein paar Ärzten wie in einem Hospital gepflegt wurden. Die Taubstummen waren ganz wie Kinder. Jeder hatte ein Gärtchen, worin er spielte und pflanzte. Sie kamen bald alle um Jesus herum, lächelten und zeigten mit den Fingern auf den Mund, Jesus schrieb mit dem Finger allerlei Zeichen in den Sand. Sie sahen aufmerksam zu und zeigten bei jedem, was Er schrieb, auf diesen oder jenen Gegenstand umher. Er gab ihnen so etwas von Gott zu verstehen. Ich weiß nicht ob Er Buchstaben oder Figuren machte und ob sie früher schon so abgerichtet worden waren. Nachher legte ihnen Jesus die Finger in die Ohren und berührte sie mit dem Daumen und Zeigfinger unter der Zunge. Da wurden sie heftig bewegt schauten um sich, sie hörten, sie weinten, sie lallten und sprachen, sie warfen sich vor Jesus nieder und brachen dann in ein sehr rührendes eintöniges Singen von wenigen Worten aus. Es lautete fast wie das rührende Singen des Zugs der heiligen drei Könige.

Jesus ging dann auch zu den blinden Männern, die still in einer Reihe standen. Er betete und legte ihnen die zwei Daumen auf die Augen. Und sie taten die Augen auf, sahen den Heiland und Erlöser und mischten ihren Lobgesang mit dem der Taubstummen, welche Ihn nun loben und seine Lehre hören konnten. Es war ein unbeschreiblich liebliches und freudiges Bild. Die ganze Stadt kam in Freude und Jubel, da Jesus mit den Genesenen heraustrat welchen Er sich zu baden befahl.

Dann ging Er mit den Jüngern und Leviten durch die Stadt zum Lehrstuhl des Elias. Es war eine große Bewegung in der Stadt. Man hatte auf die Nachricht von seinem Wunder mehrere Besessene losgelassen. An einer Straßenecke liefen blödsinnige Frauen herzu und schwätzten mit geschwinden Worten gegen Ihn: «Jesus von Nazareth! Prophet! Du bist Prophet! Du bist Jesus! Du bist der Christus, der Prophet!» Es waren gutmütige Törinnen, Jesus gebot ihnen zu schweigen. Da waren sie still. Er legte ihnen die Hand auf das Haupt und sie sanken auf die Knie und weinten, wurden ganz still, schämten sich und wurden ruhig von den Ihrigen zurückgeführt. Auch mehrere wütende Besessene drangen durch das Volk, als wenn sie Jesus zerreissen wollten. Er blickte nach ihnen. Da kamen sie wie winselnde Hunde zu seinen Füßen. Er trieb die Teufel mit Befehl aus ihnen. Da sanken sie zusammen. Es ging ein dunkler Dampf von ihnen. Sie erholten sich, weinten, dankten und wurden von den Ihrigen nach Hause gebracht. Gewöhnlich befahl Jesus ihnen, sich zu reinigen. Er lehrte wieder auf dem Lehrstuhl über dem Bach von Elias, von Moses und dem Auszug aus Ägypten; auch von den Geheilten und den Prophezeiungen, dass zur Zeit des Messias die Stummen sprechen, die Blinden sehen würden, Er sprach auch von denen, welche diese Zeichen sehen und nicht erkennen,

Ich sah dabei vieles von Elias. Er war ein langer hagerer Mann, hatte eingefallene rötliche Wangen, einen scharfen glänzenden Blick, dünnen langen Bart, kahlen Kopf, nur hinten um das Haupt einen Kranz von Haaren. Oben auf dem Kopf hatte er drei dicke Knoten, schier wie Zwiebeln gestaltet, einen in der Mitte des Hauptes, zwei mehr vorwärts auf der Stirne. Er trug ein Kleid von zwei Fellen, die auf den Schultern zusammengeheftet, an der Seite offen und um den Leib mit einem Strick gebunden waren. Über die Schultern und um die Knie hingen die Zotten der Felle. Er hatte einen Stab in der Hand, seine Schienbeine waren noch viel brauner als sein Gesicht. Elias war neun Monate hier und zwei Jahre drei Monate in Sarepta bei der Witwe. Er lebte hier in einer Höhle am östlichen Abhang des Tales, nicht weit vom Bach. Ich sah, wie ihm der Vogel Speise brachte. Zuerst kam eine kleine dunkle Gestalt wie ein Schatten aus der Erde, die einen dünnen Kuchen vor sich in den Händen hatte. Es war dies kein Mensch und kein Tier. Es war der böse Feind, der ihn versuchte. Elias nahm aber dieses Brot nicht und wies ihn zurück. Nachher sah ich einen Vogel wie eine Gans in die Nähe seiner Höhle kommen mit Brot und Speise, die er unter das Laub verbarg. Es war, als verberge es der Vogel für sich selbst der kein Rabe, sondern ein Wasservogel gewesen sein muss, denn er hatte Häute zwischen den Klauen. Sein Kopf hatte etwas breites und es hingen ihm wie Backentaschen neben dem Schnabel nieder, auch unter dem Schnabel hatte er einen Kropf hängen. Er klapperte auf Art eines Storchs. Ich sah auch, dass dieser Vogel ganz heimlich mit Elias wurde, so dass dieser ihm links und rechts deutete, als sende er ihn aus und locke ihn an. Ich habe dieselbe Art Vögel oft bei den Einsiedlern gesehen, auch bei Zosimus und Maria von Ägypten. Als Elias bei der Witwe zu Sarepta war, wurde ihnen außer dem vermehrten Öl und Mehl manchmal von Raben Speise gebracht,

Jesus ging mit den Leviten auch zu der Höhle des Elias. An dem östlichen Abhang des Tales unter einem weit überhängenden Felsenblock war eine schmale Steinbank, worauf Elias von dem Felsen überdeckt geschlafen. Das Lager war noch mit Moos überzogen. Als der Sabbat des vierten Tisri begann und der Fasttag aus war, war ein Mahl in dem Badegarten, wobei abermals die Armen gespeist wurden,

Nachdem Jesus am folgenden Morgen wieder in der Synagoge gelehrt und geheilt hatte, wandelte Er mit den Jüngern, Leviten, Rechabiten und einigen Leuten der Stadt auf der westlichen Anhöhe des Gebirges wohl im Umfang einer Stunde zwischen Weinbergen und lehrte. Es waren auf diesem Gebirge bis gegen Gadara hin viele teils natürliche, teils durch Kunst aufgetürmte Steinhaufen, um welche die Reben gepflanzt wurden. Die Weinstöcke waren wohl armsdick und standen weit voneinander. Die Zweige waren sehr weit gezogen. Die Trauben waren oft armslang und hatten Beeren so groß wie Pflaumen. Die Blätter waren auch größer als bei uns, doch gegen die Trauben klein. Die Leviten fragten Jesus allerlei Stellen aus den Psalmen, die sich auf den Messias bezogen, sie sagten: «Du bist gewiss der Nächste am Messias. Du wirst es uns sagen!» Es war unter anderen die Stelle: «Dixit dominus Domino meo» und aus Isaias, die vom Keltertreter mit Blut besprengten Kleider Jes, 63, 3, Jesus erklärte ihnen alles sehr tiefsinnig und legte es auf Sich aus. Sie saßen bei dieser Erklärung um einen Weinhügel herum und aßen Beeren. Die Rechabiten hatten nicht mitessen wollen, weil der Wein ihnen verboten war. Jesus forderte sie aber dazu auf und gebot es ihnen, sagend, wenn sie damit sündigten, solle die Schuld auf Ihn kommen. Da sie von diesem ihrem Gesetz sprachen, kam auch die Rede darauf, dass Jeremias es ihnen einmal auf Gottes Befehl geboten und sie es nicht getan. Jetzt befahl es ihnen aber Jesus, und sie taten es. Gegen Abend gingen sie zurück. Es war noch eine Mahlzeit, wobei die Armen gespeist wurden. Dann lehrte Jesus in der Synagoge und übernachtete im Haus der Leviten auf dem Dach unter einem Zelt.

Von den Leviten begleitet wanderte Jesus von Abila nach Gadara, wo Er abends vor dem kleinen jüdischen Stadtteil ankam, der von dem größeren heidnischen Teil, der wohl vier Götzentempel hat, getrennt lag. Ich erkannte Gadara gleich als eine Heidenstadt, weil das Götzenbild des Baal unter einem großen Baum stand. Jesus wurde hier gut empfangen. Es waren Pharisäer und Sadduzäer und ein Synedrium für diese Gegend hier, wenn gleich nur drei- bis vierhundert männliche Juden hier lebten. Es kamen hier auch noch einige andere galiläische Jünger zu Jesus: Nathanael (Chased), Jonathan, der Halbbruder des Petrus, und ich meine Philippus. Jesus wohnte vor der Judenstadt in einer Herberge, wo bereits eine große Menge Lauben zum Laubhüttenfest aufgeschlagen waren,

Am Morgen darauf, als Jesus zur Synagoge zur Lehre ging, war eine große Menge von Kranken vor derselben versammelt und viele tobende Besessene. Die Pharisäer und Sadduzäer, welche gutgesinnt schienen, wollten diese Leute wegweisen. Sie sollten nicht so zudringlich sein. Es sei jetzt nicht Zeit hierzu. Jesus aber sprach ganz freundlich, sie möchten doch bleiben, Er sei um ihretwillen gekommen, und heilte viele.

Das jüdische Synedrium hier hatte sich währenddessen beratschlagt, ob sie Ihn lehren lassen sollten, weil so viel Widerspruch gegen Ihn sei. Sie gestanden es aber einstimmig zu. Sie hatten hier sehr vorteilhaft von Jesus im voraus sprechen hören und besonders von der Heilung des Hauptmannssohnes von Kapharnaum,

Die neu angekommenen Jünger sprachen auch mit Jesus von einem anderen Heilsbedürftigen von Kapharnaum, der seine Hilfe sehr verdiene.

Jesus lehrte in der Synagoge von Elias, von Achab und Jezabel und von dem Götzen Baal, der in Samaria aufgerichtet worden. Auch von Jonas erzählte Jesus, dass er kein Brot vom Raben erhalten habe, weil er ungehorsam gewesen. Auch vom König Balthasar von Babyion war die Rede, der die heiligen Gefäße missbrauchte und die Schrift an der Wand gesehen. Aus Isaias aber lehrte Jesus sehr lang und kräftig, und legte es sehr wunderbar auf Sich aus und sprach auch ganz tiefsinnig von seinem Leiden und Sieg. Er sprach vom Keltertreten, vom roten, blutigen Gewand, vom einsamen Arbeiten, vom Zertreten der Völker. Vorher sprach Er von der Erneuerung Sions, von den Wächtern auf Sions Mauern, und ich fühlte, dass Er die Kirche damit meinte. Er lehrte so klar für mich, aber so tief und ernst, dass die jüdischen Gelehrten betroffen und erschüttert wurden, ohne Ihn jedoch zu verstehen. Sie kamen auch noch in der Nacht zusammen und schlugen allerlei Rollen nach und sprachen hin und her. Denn sie meinten, Er müsse mit irgend einem benachbarten Volk verbunden sein und nächstens mit einem großen Kriegsheer kommen wollen und Judäa erobern.

Der Götze Baal vor dem Eingang der Heidenstadt, war von Metall. Er saß unter einem großen Baum, hatte einen breiten Kopf und ein großes Maul. Der Kopf war oben spitz, wie ein Zuckerhut und es war ein Kranz von Blättern wie eine Krone darum. Der breite, dicke und kurze Götze, saß wie ein aufgerichteter Ochse. In der einen Hand hatte er einen Büschel Ähren, in der anderen hatte er ein Kraut, ich weiß nicht ob Trauben oder sonst ein Gewächs. Er hatte sieben Löcher im Leib und saß in einer Art Kessel, worin man Feuer unter ihm machen konnte. An seinen Festen wurde er bekleidet.

Gadara ist eine Festung. Die Heidenstadt ist ziemlich groß und liegt etwas unter der höchsten Höhe des Berges. Am nördlichen Fuß des Berges sind warme Bäder mit schönen Gebäuden.

Als am folgenden Morgen, da Jesus viele Kranke vor der Stadt heilte, die Priester zu Ihm kamen, sagte Er zu ihnen: «Was seid ihr heute nacht so in Sorgen über meine gestrige Lehre gewesen? Warum fürchtet ihr euch vor einem Kriegsheer, da Gott die Gerechten beschützt? Erfüllt das Gesetz und die Propheten! Warum fürchtet ihr euch?» Er lehrte dann wieder wie gestern in der Synagoge.

Gegen Mittag kam eine heidnisches Frau ganz scheu zu den Jüngern und flehte, Jesus möge in ihr Haus kommen und ihr Kind heilen. Jesus kam auch mit mehreren Jüngern in die Heidenstadt. Der Mann dieser Frau empfing Ihn am Tor und führte Ihn in das Haus. Da warf sich die Frau vor Ihm nieder und sagte: «Herr! ich habe von deinen Taten gehört und dass Du größeres tust, als Elias. Sieh! Mein einziges Knäblein ist am Sterben und unsere weise Frau kann ihm nicht helfen. Erbarme Dich über uns!» Der Knabe lag aber in der Ecke in einem Kästchen und war etwa drei Jahre alt. Sein Vater war gestern abend im Weinberg gewesen und das Kind mit ihm. Es hatte wenig Beeren gegessen, und der Vater hatte es laut wimmernd zurückgebracht. Die Mutter hatte es bis jetzt immer im Schoße gehabt und alles vergeblich versucht. Es war schon ganz wie tot. Ja es schien wirklich tot. Da lief sie zur Judenstadt und bat Jesus. Denn die Heiden hatten von seinen gestrigen Heilungen gehört. Jesus sagte zu ihr: «Lasse Mich mit dem Kind allein und schicke Mir zwei meiner Jünger!» Es kamen aber Judas Barsabas und Nathanael der Bräutigam herein. Jesus nahm den Knaben von seinem Lager in die Arme und legte ihn mit seiner Brust an die seine und hatte ihn quer um Sich liegen und an Sich geschlossen und beugte sein Angesicht zu des Kindes Angesicht und hauchte es an. Da schloss das Kind die Augen auf, regte sich und Jesus stellte das Kind vor Sich in die Höhe und befahl den beiden Jüngern die Hände auf des Kindes Haupt zu legen und es zu segnen. Sie taten es: da wurde das Kind ganz gesund, und Er brachte es seinen harrenden Eltern, welche es umarmten, und sich vor Jesus unter Tränen niederwarfen. Die Frau rief: «Groß ist der Herr Gott Israels! Er ist über alle Götter! Mein Mann hat mir das schon gesagt und ich will auch keinem anderen Gott mehr dienen!» Es waren bald viele Leute versammelt und sie brachten dem Herrn noch mehrere Kinder. Ein Knäblein mit einem Jahr heilte Er durch Händeauflegung, Ein Knabe von sieben Jahren hatte Konvulsionen und war wie schwachsinnig. Er war dämonisch krank, doch ohne heftige Anfälle und oft wie lahm und stumm, Jesus segnete ihn und befahl, ihn zu baden in einem Bad aus drei Wassern gemischt, aus dem warmen Brunnen Amathus, nördlich am Fuß des Berges von Gadara, aus dem Bach Karith bei Abila und aus dem Jordan. Die Juden hatten hier Jordans Wasser von der Gegend, wo Elias hinübergegangen, in Schläuchen vorrätig und brauchten es bei Aussätzigen.

Es klagten unter den Heidinnen auch die Mütter, dass sie so viel Unglück mit ihren Kindern hätten, und die Priesterin sie nicht immer heilen könne. Da befahl ihnen Jesus, diese Priesterin zu rufen. Diese Frau kam ungern und wollte nicht herein. Sie war ganz verhüllt. Jesus befahl ihr zu nahen. Sie sah Ihn aber nicht an und wendete das Gesicht ab und ihr Betragen war auf die Art wie das der Besessenen, welche innerlich gezwungen werden, sich von dem Anblick Jesu abzuwenden, aber doch auf seinen Befehl wieder herannahen, Jesus sagte aber zu den versammelten Heidinnen und Männern: «Ich will euch zeigen, welche Weisheit ihr in dieser Frau und ihrer Kunst verehrt», und somit befahl Er, ihre Geister sollten sie verlassen. Da ging wie ein schwarzer Dampf von ihr und allerlei Gestalten von Ungeziefer, Schlangen, Kröten, Ratten, Drachen wichen in diesem Dampf wie Schatten von ihr ab. Es war ein gräulicher Anblick und Jesus sagte: «Seht! welcher Lehre ihr folgt,» Die Frau aber sank auf die Erde in die Knie und weinte und wimmerte. Nun war sie ganz geschmeidig und gutwillig und Jesus befahl ihr zu sagen, wie sie es machte, um die Kinder zu heilen, und sie sagte unter Tränen halb wider ihren Willen, wie sie gelehrt sei, wobei denn herauskam, dass sie die Kinder durch Zauberei krank machte, um sie zur Ehre der Götter zu heilen. Jesus befahl ihr nun mit Ihm und den Jüngern dahin zu gehen, wo der Gott Moloch stehe, und Er ließ mehrere heidnische Priester dazu rufen. Es versammelte sich viel Volk umher, denn die Heilung der Kinder war schon bekannt geworden, Es war dieser Ort kein Tempel, sondern ein Hügel, rings von Gräbern umgeben, und der Gott selbst war zwischen den Gräbern unter der Erde in einem Gewölbe, das mit einem Deckel verdeckt war. Jesus sagte den Götzenpriestern, sie möchten ihren Gott doch hervorrufen. Und da sie ihn durch eine Maschine heraufsteigen machten, bedauerte sie Jesus, dass sie einen Gott haben, der sich nicht selbst helfen könne.

Er sagte der Priesterin, sie sollte nun laut das Lob ihres Gottes aussprechen und erzählen, wie sie ihm dienten und was er ihnen dafür gäbe. Da ging es der Frau wie dem Propheten Balaam, sie sagte laut alle Gräuel dieses Dienstes aus und verkündete die Wunder des Gottes Israels vor allem Volk. Jesus befahl nun seinen Jüngern, den Götzen umzuwerfen und hin und her zu wälzen. Sie taten es, Er sagte aber: «Seht, welchen Götzen ihr dient. Seht die Geister, die ihr anbetet.» Und es erschienen aus dem Bilde herausfahrend vor den Augen aller Anwesenden allerlei teuflische Gestalten, die zitterten und umherkrochen und wieder in die Erde hinab bei den Gräbern verschwanden. Die Heiden waren sehr erschreckt und beschämt. Jesus sagte: «Wenn wir euren Götzen wieder in die Grube hinabwerfen, wird er wohl in Stücke gehen!» Die Priester baten ihn aber, Er möge ihn doch nicht zerbrechen. Und Er ließ ihn wieder aufrichten und hinab haspeln. Die meisten Heiden waren sehr gerührt und beschämt besonders die Priester. Einige waren jedoch sehr unwillig. Das Volk aber war ganz auf Jesu Seite. Er hielt ihnen noch eine schöne Lehre und es bekehrten sich viele. Der Moloch saß wie ein Ochse auf den Hinterbeinen und hatte die Arme, wie einer, der etwas auf die beiden Arme fassen will, und diese Arme konnte er mit einem Gewerbe an sich ziehen. Der Kopf war in einen weiten Rachen gespalten, und auf der Stirn hatte er ein gekrümmtes Horn. Er saß in einer weiten Schale, hatte um den Leib herum mehrere Vorsprünge wie offene Taschen. Bei Festen wurden ihm lange Riemen um den Hals gehängt. In dem Becken unter ihm wurde Feuer gemacht beim Opfer. Es brannten immer viele Lampen um den Rand des Beckens vor ihm. Sonst hatten sie ihm oft Kinder geopfert. Jetzt durften sie nicht mehr. Sie opferten ihm allerlei Tiere, welche sie in den Öffnungen seines Leibes verbrannten, oder durch die Öffnung des Kopfes hineinwarfen. Das schönste Opfer war für ihn eine syrische Kamelziege. Es waren auch Zugwerke da, an denen sie sich zum Götzen hinablassen konnten, der ganz in der Erde und zwischen lauter Gräbern stand. Sein Dienst war nicht mehr recht im Gang. Sie riefen ihn nur bei Zaubereien an, und die Frau hatte besonders wegen der kranken Kinder mit ihm zu tun. In jede der Taschen an seinem Leib erhielt er besondere Opfer. Sonst wurden ihm die Kinder in die Arme gelegt und durch das Feuer unter ihm und in ihm (er war hohl) verzehrt. Er zog dann die Arme an sich und erdrückte sie, dass sie nicht laut schrieen.

Er hatte ein Gewerb in den Beinen und sie konnten ihn auch aufstellen. Er war mit umgeben.

19. Jesus in Dion und Jogbeha

Die Heiden, deren Kinder Jesus geheilt hatte, fragten Ihn, wo sie sich hinwenden sollten, denn sie wollten dem Götzendienst absagen, Jesus sprach ihnen von der Taufe, und dass sie sich einstweilen ruhig verhalten und harren sollten. Er sprach ihnen von Gott als einem Vater, dem wir unsere bösen Gelüste opfern müssen und der keiner anderen Opfer als der unserer Herzen bedürfe, Jesus sprach gegen die Heiden immer deutlicher aus, als gegen die Juden, dass Gott unserer Opfer nicht bedürfe. Er ermahnte sie zu Reue und Buße, zum Dank für die Wohltaten und zur Barmherzigkeit gegen die Elenden. In der Judenstadt schloss Er noch den Sabbat, nahm ein Mahl ein, und dann begann der Sabbat des Fasttags wegen Anbetung des goldenen Kalbes, welcher am achten Tisri gehalten wurde, weil der siebente, der gewöhnliche Fasttag, diese Jahr auf den Sabbat fiel.

Jesus verließ nachmittags die Stadt. Die Heiden, deren Kinder Er geheilt, dankten Ihm nochmals vor der Heidenstadt. Er segnete sie und ging mit zwölf Jüngern hinab durch das Tal südlich von Gadara. Dann über einen Berg bis zu dem Flüsschen, das aus dem Gebirge unter Betharamphtha-Julias, wo die Bergwerke sind, herabkommt. Es waren drei Stunden von Gadara bis zu der Herberge an dem Flüsschen, wo Jesus mit den Jüngern Einkehr nahm. Die dort umherwohnenden Juden waren mit dem Einsammeln von Früchten beschäftigt und wurden von Jesus belehrt.

Es war aber auch ein Trupp Heiden in der Gegend, welche an dem Flüsschen von einem Heckengewächs weiße Blumen sammelten, aber auch große hässliche Käfer und Insekten. Als Jesus ihnen nahte, zogen sie sich zurück und waren wie scheu. Es wurde mir gezeigt, dass sie diese Tiere für den Götzen Beelzebub zu Dion sammelten. Ich sah den Götzen vor dem Tor der Stadt unter einem großen Weidenbaum sitzen. Er hatte eine affenartige Gestalt mit kurzen Armen und dünnen Beinen, doch auf menschliche Art sitzend. Sein Kopf war spitz und hatte zwei kleine gekrümmte Hörner, wie Mondsicheln, sein Gesicht war gräulich mit sehr langer Nase. Das Kinn war niedrig, doch vorstehend, das Maul groß und tierisch, der Leib schlank, um den Schoß eine Schürze, die Beine dünn und lang mit Krallen an den Zehen. In der einen Hand hatte er ein Gefäß auf einem Stil, in der anderen eine Schmetterlingsfigur, die aus der Larve schlüpfte. Dieser Schmetterling sah aber teils wie ein Vogel, teils wie ein ekelhaftes Insekt aus und war sehr blinkend und bunt. Rund um den Kopf des Götzen über der Stirn war ein Kranz von ekelhaften Käfern und fliegenden Würmern. Einer hielt den anderen gepackt und über der Stirn in der Mitte des spitzen Kopfes zwischen den Hörnern saß einer größer und ekelhafter als alle anderen. Sie waren schimmernd und von allerlei Farben, aber von gräulicher giftiger Gestalt, mit langen Bäuchen, Füßen, Zangen und Stacheln. Als Jesus in die Nähe der Heiden kam, welche solche Tiere für den Götzen suchten, da fuhr die ganze Krone auseinander wie ein dunkler Schwarm, der in die Löcher und Winkel der Gegend flog und allerlei grässliche schwarze Geistergestalten krochen bang mit ihnen in die Löcher. Es waren dies die bösen Geister, die mit diesen Käfern im Beelzebub geehrt wurden.

Am folgenden Vormittag kam Jesus vor Dion an und zwar vor dem jüdischen Teil der Stadt, der viel kleiner als die Heidenstadt ist, welche schön gebaut an einem Bergabhang liegt und mehrere Tempel hat. Die Judenstadt ist ganz getrennt. Da, wo Jesus vor der Stadt ankam, waren die Laubhütten schon größtenteils fertig, und unter einer derselben wurde Er von den Priestern und Vorgesetzten des Ortes mit Fußwaschung und Imbiss feierlich empfangen. Er wandte sich sogleich zu den vielen Kranken, welche unter den Laubhütten bis zu der Stadt lagen und standen. Die Jünger waren helfend und Ordnung haltend. Es waren Kranke aller Art: Lahme, Stumme, Blinde, Wassersüchtige, Gichtbrüchige. Er heilte und ermahnte viele. Es waren einige dabei, welche zwischen dreifüßigen Krücken aufrecht standen. Es waren Krücken, auf welchen sie lehnen konnten, ohne die Füße zu gebrauchen, fast wie Laufstühle. Zuletzt kam Er zu den kranken Frauen. Diese lagen, lehnten und saßen der Stadt näher unter einer langen Laubhütte, welche über einen terrassenförmigen Erdsitz gebaut war. Dieser Sitz war mit einem feinen, schönen von oben niederhängenden Gras belegt, welches wie sanfte, seidene Haare niederhing, und darüber waren Teppiche gebreitet. Es waren mehrere blutflüssige Frauen ganz verhüllt entfernter, und auch einige melancholische, ganz finster und braunbleich dasitzend. Jesus redete sie sehr liebevoll an und heilte sie, eine nach der anderen, und gab ihnen verschiedene Weisungen und Winke zur Besserung einzelner Fehler und Sünden und zu Genugtuungen. Er heilte und segnete auch mehrere Kinder, welche die Mütter brachten. Diese Arbeit währte bis Nachmittag und endete mit einer allgemeinen Freude. Alle Genesenen zogen lobsingend, ihre Betten und Krücken tragend und ganz heiter und froh, von ihren freudigen Verwandten, Freunden und Dienern begleitet in schöner Ordnung, wie sie geheilt worden waren, in die Stadt. Jesus mit den Jüngern und Leviten war in ihrer Mitte. Die Demut und der Ernst Jesu in solchen Fällen ist unaussprechlich. Die Kinder und Frauen zogen voraus und sangen den 40, Psalm Davids: «Heil Dem, der sich des Dürftigen annimmt,» Sie gingen zur Synagoge und dankten Gott. Dann war ein Mahl unter einer Laubhütte von Obst Vögeln, Honigwaben und geröstetem Brot. Als der Sabbat aber zu Ende ging, begaben sich alle in Trauerkleidern zur Synagoge, denn es begann der große Versöhnungstag der Juden.

Jesus hielt an diesem Tag eine Bußpredigt in der Synagoge und sprach gegen die bloß körperliche Reinigung, ohne auch die Seele zu bändigen. Es geißelten sich einzelne Juden unter ihren weiten Mänteln um die Lenden und Beine. Auch die Heiden in Dion hatten ein Fest mit erstaunlich vielen Räucherungen. Sie setzten sich auf Stühle, unter denen Rauchwerk angezündet wurde.

Ich sah auch die Feier des Versöhnungsfestes in Jerusalem, viele Reinigungen des Hohenpriesters, seine mühsamen Vorbereitungen und Enthaltungen, das Opfern, Blutsprengen und Räuchern, auch den Sühnbock und wie über zwei Böcke gelost wurde. Der eine wurde geopfert, der andere in die Wüste getrieben. Dem letzteren wurde etwas an den Schweif gebunden, worin Feuer war. In der Wüste ist er geängstigt in den Abgrund gestürzt. In diese Wüste, die über dem Ölberg hinaus beginnt, ist auch David einmal gegangen. Der Hohepriester war gewaltig betrübt und verwirrt. Er hatte gewünscht, ein anderer möchte an seiner Stelle das Amt tun und ging mit großer Angst ins Allerheiligste. Er bat das Volk sehr, für ihn zu beten. Das Volk meinte auch, er müsse eine Sünde auf sich haben, und war sehr besorgt, es möchte ihm im Allerheiligsten ein Unglück geschehen. Es drückte ihn das Gewissen, weil er Anteil an der Ermordung des Zacharias, des Vaters des Johannes, gehabt und seine Sünde wucherte in seinem Schwiegersohn, der Jesus verurteilte. Er war nicht Kaiphas, ich meine, es war sein Schwiegervater.

Im Allerheiligsten war das Heiligtum nicht mehr in der Bundeslade, nur allerlei Tüchlein und Behälter. Die Bundeslade war neu und ganz neumodisch. Die Engel waren anders, sie saßen mit drei Bahnen umgeben, einen Fuß oben und einen an den Seiten niederhängend; die Krone war noch zwischen ihnen. Es war allerlei Heiliges in der Lade, Öl und Rauchwerk. Ich erinnere mich noch, dass der Hohepriester räucherte und Blut sprengte, dass er ein Tüchlein aus dem Heiligtum nahm und sich an einem Finger verwundete oder Blut am Finger hatte, und dass er dieses mit Wasser gemischt einer Reihe von Priestern zu trinken brachte. Es war eine Art Vorbild der heiligen Kommunion. Ich sah auch, dass der Hohepriester von Gott gestraft, sehr elend und mit dem Aussatz geschlagen wurde. Es war eine große Verwirrung im Tempel. Ich habe eine ganz erschütternde Lesung im Tempel aus Jeremias gehört und dabei vieles aus dem Leben der Propheten und von dem Gräuel der Abgötterei in Israel gesehen.

So sah ich, worüber auch eine Lesung im Tempel handelte, dass Elias nach seinem Tod einen Brief an den König Joram schrieb. Die Juden wollten es nicht glauben, sondern sie legten es so aus, als habe Elisäus, der den Brief dem Joram überbrachte, ihn gehabt als einen prophetischen Brief, den Elias ihm zurückgelassen. Auch mir kam es kurios vor. Da wurde ich schnell gegen Morgen getragen und sah im Vorüberreisen den Prophetenberg mit Schnee und Eis bedeckt. Es waren aber schon Türme darauf. Es war vielleicht ein Bild, wie er zu Jorams Zeit gewesen. Ich kam dann östlicher zum Paradies und sah darin die wunderbaren, schönen Tiere wandeln und spielen und auch die schimmernden Mauern, und sah einander gegenüber Henoch und Elias unter dem Tor liegend schlafen. Elias sah im Geist alles, was in Palästina vor sich ging. Ein Engel legte eine weiße, feine Rolle und eine Rohrfeder vor ihn, er richtete sich auf und schrieb auf seinen Knien. Ich sah einen kleinen Wagen, wie einen Stuhl, über einen Hügel oder über Stufen seitwärts neben dem Tor von innen hervorkommen, der mit drei wunderschönen, weißen Tieren bespannt war. Ich sah Elias darauf steigen und wie auf einem Wetterbogen schnell nach Palästina fahren. Es war über einem Haus in Samaria, wo er still stand. Ich sah, dass Elisäus darin betete und emporsah und dass Elias den Brief vor ihm niederfallen ließ und dass dieser denselben dem König Joram brachte. Die drei Tiere vor Elias Wagen waren zwei hinten und eines vorn gespannt. Es waren unbeschreiblich liebliche, feine Tiere, ungefähr so groß wie kleine Rehe, schneeweiß, mit langen, weißen Seidenhaaren. Sie hatten sehr feine Beine, kleine, bewegliche Köpfe und auf der Stirn ein zierliches, nach vorn etwas gekrümmtes Horn, Mit eben solchen Tieren sah ich auch bei seiner Himmelfahrt den Wagen bespannt.

Auch die Geschichte des Elisäus und der Sunamitin sah ich. Er tat noch wunderbarere Dinge als Elias. Elisäus war feiner in Sitten und Kleidung, Elias war ganz ein Mensch Gottes, und nicht nach Sitte der Menschen. Er hatte etwas wie Johannes der Täufer, der von seinem Schlage war. Ich sah auch, wie des Elisäus Knecht Giezi dem Mann nachlief, den Elisäus vom Aussatz geheilt hatte (Naaman). Es war Nacht Elisäus schlief. Er holte ihn am Jordan ein und begehrte Geschenke im Namen seines Herrn von ihm.

Der Knecht arbeitete am folgenden Tag ganz ruhig, als wisse er von nichts, an Splintwänden, um SchlafsteIlen damit abzusondern, Elisäus fragte ihn: wo bist du gewesen? Und er hielt ihm alles vor, und der Knecht und seine Nachkommen wurden aussätzig.

Als mir die Abgötterei der Menschen, die Tier- und Götzenanbetung von den ersten Zeiten an und die häufige Hinwendung der Israeliten zu den Götzen und die große Barmherzigkeit Gottes durch die Propheten gezeigt wurde, und ich mich wunderte, wie die Menschen nur solchen Gräuel anbeten konnten, wurde mir in einem Bild derselbe Gräuel als noch jetzt bestehend gezeigt aber nur auf eine geistliche Weise. Ich sah nämlich unzählige Bilder durch die ganze Welt, wie Götzendienst in der Christenheit getrieben wurde, und zwar sah ich es in schier allen den Gestalten, in welchen es ehemals geschah. Ich sah Priester, welche Schlangen anbeteten neben dem Sakrament und ihre verschiedenen Leidenschaften glichen verschiedenen Figuren solcher Schlangen. Ich sah auch bei Vornehmen und Gelehrten allerlei solche Tiere, die sie anbeteten, während sie über alle Religion sich hinausdachten. Ich sah Kröten und allerlei hässlichere Tiere bei geringen, armen, versunkenen Leuten. Ich sah auch Gemeinden im Götzendienst, z, B, eine dunkle reformierte Kirche im Norden mit leerem, gräulichem Altar, über welchem Raben standen, die sie anbeteten. Sie sahen zwar nicht solche Tiere, aber sie beteten sie in ihren Eitelkeiten und aufgeblasenem Eigendünkel an. Ich sah Geistliche, welchen Möpschen, kleine Fratzen, die Blätter beim Brevierbeten umkehrten. Ja ich sah bei einigen förmliche alte Götzenbilder, wie Moloch, Baal mitten unter den Büchern auf dem Tisch stehen und herrschen, ja ihnen Bissen reichen, und sah einfältige, fromme Leute, die von ihnen verlacht und verachtet wurden.

Ich sah, dass es jetzt so gräulich ist als je und dass diese Götzenbilder nichts zufälliges hatten, sondern dass, wenn die Gottlosigkeit und Abgötterei der jetzigen Menschen auf einmal eine körperliche Gestalt und ihr Empfinden ein Handeln würde, dieselben Götzen dastehen würden.

Als Jesus Dion wieder verließ, kamen aus der Heidenstadt sehr scheu mehrere Heiden zu Ihm, die von seinen Heilungen in Gadara gehört hatten, und brachten Ihm Kinder, die Er heilte. Er bewegte die Eltern, dass sie sich zur Taufe entschlossen. Dann ging Er mit zwölf Jüngern fünf Stunden südlich und über den Bach, der aus dem Tal von Ephron niederkommt. Eine halbe Stunde mittäglich von diesem Bach liegt in einer Schlucht hinter einem Wald ganz verborgen Jogbeha, Der Ort ist klein und vergessen. Er ist durch einen Propheten und Kundschafter des Moses und Jethro entstanden, dessen Name wie Malachai klang. Er ist ein anderer als der letzte Prophet Malachias. Jethro, der Schwiegervater des Mose, hatte ihn zum Knecht. Er war sehr treu und klug, und Moses sendete ihn hier ins Land. Er ging wohl ein paar Jahre, ehe Moses hierher kam, weit im Land umher bis um den See oben und kundschaftete alles aus. Damals wohnte Jethro noch gegen das Rote Meer zu und zog erst nach seinem Kundschaften nach Arga mit der Frau des Mose und Söhnen. Dieser Malachai wurde zuletzt als Kundschafter verfolgt. Man setzte ihm nach und wollte ihn hier ermorden. Es war noch keine Stadt hier, aber es wohnten einige Leute in Zelten daselbst. Der Verfolgte sprang in einen Sumpf oder eine Zisterne, worauf ihm ein Engel erschien und half. Der Engel brachte ihm auf einem langen Streifen den Befehl, noch drei Jahre zu bleiben und zu kundschaften. Die umliegenden Zeltbewohner zogen ihm ihre Kleider an. Sie trugen rote, lange Röcke und rote Jacken. Er kam zu kundschaften auch in die Gegend von Betharamphtha. Er wohnte unter den Zeltbewohnern von Jogbeha und half den Leuten sehr auf mit seinem Geist.

In der Schlucht war ein langer ganz mit Schilf bedeckter Wassergraben und an der Stelle, wo Malachai sich verbarg, eine verstopfte Quelle, die später wieder aufzusprudeln begann und sehr viel Sand ausspülte. Manchmal kamen auch Dampf und kleine Kiesel heraus. Allmählich warf sich ein Hügel um die Quelle auf, der sich beraste. Der Sumpf wurde durch einen abgetragenen Berg verschüttet und dann darauf gebaut. So entstand um die Quelle her, die mit einem schönen Brunnenhaus bedeckt wurde, die Stadt Jogbeha, welches heißt: er wird erhöht werden. Schon in viel früherer Zeit musste die versumpfte Zisterne umbaut gewesen sein, denn es waren übermooste Mauerreste da und in diesen Löchern, wie für Fische. Es war eine Ruine wie das Fundament eines alten Zeltschlosses, Malachai lehrte die Leute hier auch, mit schwarzem Erdpech mauern.

Jesus wurde in dem versteckten Jogbeha sehr freundlich empfangen. Es wohnten hier abgesondert von den anderen Einwohnern Leute von der Sekte der Karaiten. Sie trugen lange gelbe Skapuliere, weiße Kleider und Schürzen von rauen Fellen. Die Jünglinge hatten kürzere Kleidung und die Beine umwickelt. Es sind ihrer ungefähr vierhundert Männer. Sonst waren sie stärker, haben aber viele Unterdrückung erlitten. Sie stammen von Esra her und einem Nachkommen Jethros. Einmal hatte einer ihrer Lehrer einen großen Disput gegen einen pharisäischen großen Lehrer. Sie hielten sehr streng an dem Buchstaben des Gesetzes und verwarfen alle mündlichen Zusätze, lebten sehr einfach und arm und hatten alles Vermögen gemeinsam. Keiner durfte mit Geld und Gut wegziehen, Es gab unter ihnen keinen Armen, sie ernährten einander und selbst die Auswärtigen wurden von hier aus unterstützt. Vor dem Alter hatten sie große Verehrung. Es waren auch viele sehr alte Leute hier. Die Jungen waren sehr ehrerbietig und hatten Vorgesetzte, welche sie Älteste nannten. Sie waren große Gegner der Pharisäer, welche die mündlichen Zusätze im Gesetz verteidigten, hatten aber in einigen Punkten Ähnlichkeit mit den Sadduzäern, doch nicht in den Sitten, worin sie sehr strenge waren. Es hatte einer der Ihrigen hier einmal eine Frau aus Benjamin geheiratet. Den hatten sie verwiesen. Es war zu der Zeit, als der Streit mit Benjamin war. Sie duldeten nicht das mindeste Bild, aber sie glaubten, die Seelen der Verstorbenen gehen in andere über, auch in Tiere, und belustigen sich mit den schönen Tieren im Paradies. Sie warteten auf den Messias und beteten sehr nach ihm. Aber sie erwarteten ihn als einen weltlichen König. Sie hielten Jesus für einen Propheten. Sie waren sehr reinlich, doch hielten sie nichts auf irgend eine Reinigung, das Wegwerfen von den Schüsseln und ähnliche Beschwerden, die nicht im Gesetz standen. Sie lebten genau nach dem Gesetz, aber erklärten es viel freier als die Pharisäer.

Sie lebten hier sehr still und abgesondert, duldeten keine Eitelkeit und Putz und nährten sich von geringer Arbeit. Es wµchsen Weiden hier. Sie flochten Körbe, auch Bienenkörbe. Es gab viele Bienen hier. Sie machten auch grobe Decken und leichte hölzerne Gefäße und arbeiteten zusammen unter langen Zelten, Ihre Laubhütten standen schon gerüstet vor dem Ort. Sie bewirteten Jesus mit Honig und Brot unter Asche gebacken. Jesus lehrte hier. Jesus belehrte sie in allem, und sie hörten Ihn auch sehr ehrerbietig an. Er äußerte ihnen auch den Wunsch, sie möchten in Judäa wohnen und lobte die Verehrung der Kinder gegen die Eltern, der Schüler gegen die Lehrer und die Hochachtung gegen das Alter überhaupt. Auch ihre große Aufmerksamkeit gegen die Armen und Kranken, welche sie in wohlgeordneten Häusern sehr gut pflegten.