Anna Katharina Emmerich: Die drei Lehrjahre Jesu

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EMMERICK - VISIONEN
Das arme Leben und bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter Maria nebst den Geheimnissen des Alten Bundes nach den Visionen der gottseligen Anna Katharina Emmerick

aus den Tagebüchern des Clemens Brentano, Herausgegeben von Pater C. E. Schmöger von der Kongregation des allerheiligsten Erlösers (CSsR), Mit kirchlicher Druckerlaubnis, Immaculata Verlag Reussbühl / Luzern, Band 2: 1971, S. 100-372 (372 Seiten, Erste Auflage); Band 3: 1973, S. 9-502 (502 Seiten, Erste Auflage).

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Inhaltsverzeichnis

JESUS IN DER WÜSTE HOCHZEIT ZU KANA. ERSTE OSTERFEIER IN JERUSALEM

1. Jesu vierzigtägiges Fasten

Jesus ging vor Sabbat, von Lazarus begleitet, in die Herberge des Lazarus zur Wüste zu. Er sagte diesem auch allein, dass Er nach vierzig Tagen wieder kommen werde. Aus der Herberge setzte Er seinen Weg allein und barfuß fort. Er ging am Anfang nicht in der Richtung von Jericho, sondern gegen Mittag, als wolle Er gegen Bethlehem, als wolle Er zwischen dem Aufenthalt von Annas Verwandten und dem von Josephs Verwandten bei Maspha durch: dann wendete Er sich gegen den Jordan zu, umging alle Orte auf Fußpfaden und kam an dem Ort dicht vorüber, wo einmal die Arche gestanden und wo Johannes das Fest gefeiert hatten.

Etwa eine Stunde von Jericho bestieg Er das Gebirge und begab sich in eine weite Höhle. Dies Gebirge zieht sich von Jericho zwischen Morgen und Mittag über den Jordan hinüber gegen Madian hin.

Jesus hat hier bei Jericho sein Fasten begonnen, hat es in verschiedenen Teilen dieser Wüste jenseits des Jordan fortgesetzt und hier wieder beschlossen, wohin Ihn der Teufel auf den Berg getragen. Dieser Berg hat auf seiner Spitze eine sehr weite Aussicht. Er ist teils mit Gesträuch bewachsen, teils einsam und kahl. Er liegt eigentlich nicht so hoch wie Jerusalem selbst, aber er liegt auf tieferem Grund und auf diesem mehr einsam erhaben. Auf der Berghöhe von Jerusalem liegt der Hügel des Kalvarienberges am höchsten, so dass er mit der Höhe des Tempelgebäudes gleich ist. Von Bethlehems Seite und gegen Mittag liegt Jerusalem ganz gefährlich steil: von dieser Seite ist auch kein Eingang und alles von Palästen eingenommen.

Jesus bestieg in der Nacht den einen steilen wilden Berg in der Wüste, den man jetzt Quarantania nennt. Es sind drei Rücken auf diesem Berg und drei Höhlen, eine über der andern. Hinter der obersten Höhle, in welche Jesus ging, sah man in den steilen dunklen Abgrund hinunter: der ganze Berg war voll schrecklicher, gefährlicher Spalten. In derselben Höhle hatte vor 400 Jahren ein Prophet gewohnt, dessen Namen ich vergessen. Auch Elias hat einstens längere Zeit heimlich hier gewohnt: er erweiterte die eine Höhle. Ohne dass jemand wusste woher, kam er manchmal hier herab unter das Volk, prophezeite und stiftete Frieden. Vor 150 Jahren hatten etwa 25 Essener hier ihre Wohnungen. Am Fuße dieses Berges stand das Lager der Israeliten, als sie mit der Bundeslade und den Posaunen um Jericho herumzogen. Der Brunnen, dessen Wasser Elisäus versüßte, ist auch in der Gegend. St. Helena hat diese Höhlen zu Kapellen einrichten lassen. Ich habe einmal in einer derselben ein Gemälde der Versuchung an der Wand gesehen. Es ist später auch ein Kloster da oben gewesen. Ich kann mir immer nicht denken, wie nur die Arbeiter da hinauf kommen konnten. Helena hat sehr viele heilige Ort mit Kirchen geschmückt. Sie baute auch jene Kirche über das Geburtshaus der Mutter Anna, zwei Stunden vor Sephoris. In Sephoris selbst hatten Annas Eltern auch ein Haus. Wie traurig, dass die meisten dieser heiligen Orte bis an die Erinnerung an sie verwüstet sind! Wenn ich als junges Mädchen vor Tag im Winter durch den Schnee nach Coesfeld zur Kirche ging, sah ich alle diese heiligen Orte so deutlich und sah oft, wie gute Menschen, sie vor Verwüstung zu schützen, sich vor den zerstörenden Kriegsleuten platt in den Weg warfen.

Das Wort in der Schrift: «Er ward vom Geist in die Wüste geführt, heißt: der Heilige Geist, der in der Taufe, insofern Jesus alles Göttliche nach seiner Menschheit an sich geschehen ließ, über Ihn kam, bewegte Ihn, in die Wüste zu gehen und sich zu seinen Berufsleiden vor seinem himmlischen Vater menschlich vorzubereiten.

Jesus betete in der Höhle mit ausgebreiteten Armen kniend zu seinem himmlischen Vater um Kraft und Trost in allen Ihm bevorstehenden Leiden. Er sah alle seine Leiden voraus und flehte um die nötigen Gnaden in jedem einzelnen. Ich hatte Bilder von allem Kummer und allen Leiden und sah Jesus Trost und Verdienst für jedes empfangen. Eine weiße Lichtwolke groß wie eine Kirche ließ sich über Ihn nieder und nach den einzelnen Gebeten nahten Ihm geistige Gestalten, welche in seiner Nähe menschliche Form gewannen, Ihn ehrten und Ihm irgend einen Trost, eine Verheißung brachten. Ich erkannte, dass Jesus hier in der Wüste allen Trost, alle Stärkung, alle Hilfe, allen Sieg in Anfechtungen für uns erwarb, alles Verdienst im Kampf und Sieg für uns erkaufte, allen Wert der Abtötung und des Fastens für uns vorbereitete und dass Er hier alle seine bevorstehende Arbeit und Leiden Gott dem Vater aufopferte, um den künftigen Geistes- und Gebetsarbeiten der an Ihn Glaubenden einen Wert zu geben. Ich erkannte den Schatz, welchen Jesus der Kirche dadurch gründete und welchen sie in der vierzigtägigen Fastenzeit eröffnet. Jesus schwitzte bei diesem seinem Gebete Blut.

Jesus ging von diesem Berge wieder herab gegen den Jordan zu zwischen Gilgal und Johannes Taufstelle, welche etwa eine Stunde südlicher war. Er schiffte sich selbst auf einem Balken über diese schmale und tiefe Stelle des Jordan und wandelte, Bethabara zur Rechten lassend und mehrere Landstraßen, die zum Jordan führen, durchschneidend, auf Gebirgspfaden durch die Wildnis zwischen Morgen und Mittag ins Gebirge. Er kam durch ein Tal, das gegen Kallirhoe zieht, über ein Flüsschen und zog auf einem Gebirgsrücken mehr mitternächtlich bis wo Jachza in dem Tal gegenüber liegt. Hier hatten die Kinder Israel den Amorrhiterkönig Sichon geschlagen. Es waren in jener Schlacht drei Israeliten immer gegen sechzehn Feinde. Aber es geschah ein Wunder, es kam ein schreckliches Brausen über die Amorrhiter, welches sie erschreckte.

Jesus war nun auf einem sehr wilden Gebirge. Es war noch rauer hier, als auf dem Berg bei Jericho, welchem es ungefähr gegenüber liegt. Vom Jordan ist es etwa neun Stunden entfernt.

Dem Satan ist Jesu Gottheit und Bestimmung verborgen. Die Worte: «Dieses ist mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe», hat der Satan als bloß von einem Menschen, einem Propheten verstanden. Jesus ist jedoch bereits oft und vielfach innerlich bedrängt. Die erste Versuchung war: «Dies Volk ist zu verdorben! soll Ich alles das um dasselbe leiden und doch das Werk nicht vollenden?» Er hatte aber mit unendlicher Liebe und Barmherzigkeit diese Versuchung im Angesicht aller seiner Qualen besiegt.

Jesus betete in der Höhle teils liegend, teils kniend, teils stehend. Er war in seiner gewöhnlichen Kleidung, nur war sie weit und los. Er war nicht gegürtet und barfuß. Sein Mantel, ein paar Taschen und der Gürtel lagen an der Erde. Täglich war die Gebetsarbeit Jesus eine andere, täglich errang Er uns andere Gnaden und nie kehrte das vorhergegangene zurück. Ohne diese seine Arbeit würde uns der Widerstand gegen Versuchung nie verdienstlich werden können.

Jesus aß und trank nie, aber ich sah Ihn von Engeln erquickt werden. Er ward durch sein langes Fasten nicht hager, aber ganz weiß und bleich.

In der Höhle, die nicht ganz auf dem Gipfel des Berges lag, war ein Loch, durch welches ein rauer, kalter Wind hereinzog. Es war um diese Jahreszeit sehr kalt und neblig hier. Die Höhle war von buntgeadertem Gestein, das wie gemalt ausgesehen haben müsste, wäre es geglättet worden. Der Felsen, in dem sie lag, war mit wenig Gesträuch bewachsen. Sie war so geräumig, dass Jesus an einer Stelle knien oder liegen konnte, ohne unter dem Loch zu sein.

An einem Tag sah ich Ihn auf seinem Angesicht liegen. Seine bloßen Füße waren rot und von den rauen Wegen verwundet, denn Jesus war barfuß in die Wüste gewandelt. Bald richtete Er sich auf, bald betete Er auf dem Angesicht liegend. Er war von Licht umgeben. Auf einmal kam ein Brausen vom Himmel nieder. Es ergoss sich ein Licht in die Höhle und es kam eine ganze Schar von Engeln, welche allerlei trugen. Ich fühlte mich so gedrängt und überwältigt, dass ich mich wie in die Wand des Felsens hineingedrückt glaubte, mit der Empfindung, als versänke ich. begann ich zu rufen: «versinken soll ich! ich soll neben meinem Jesus versinken!»

Nun aber sah ich, dass die Engel sich vor Jesus beugten, Ihn verehrten und fragten, ob sie Ihm ihre Sendung vorstellen dürften und ob es noch sein Wille sei, für die Menschen als Mensch zu leiden, wie dieses sein Wille gewesen, da Er aus seinem himmlischen Vater herabgestiegen sei und Fleisch angenommen habe im Leib der Jungfrau? Da nun Jesus abermals diese Leiden annahm, richteten die Engel ein hohes Kreuz vor Ihm auf, welches sie in seinen einzelnen Teilen tragend herangekommen waren. Es war dies Kreuz in der Gestalt, wie ich es immer sehe. Aber es bestand aus vier Stücken, wie ich immer die Kreuzkelter sehe. Der obere Teil des Kreuzstammes nämlich, der zwischen den beiden eingesetzten Armen hervorsteigt, war auch abgesondert. Fünf Engel trugen den unteren Stamm des Kreuzes, drei den oberen Teil, drei den linken und drei den rechten Kreuzarm, drei den Klotz, worauf seine Füße ruhten, drei trugen eine Leiter, ein anderer einen Korb mit allerlei Stricken und Werkzeug, andere Speer, Rohr, Ruten, Geißeln, Dornenkrone, Nägel und alle seine Spottkleider, ja alles, was bei seinem Leiden vorkam.

Das Kreuz aber schien hohl, man konnte es auftun wie einen Schrank und es war in allen seinen Teilen mit unzähligen mannigfaltigen Marterwerkzeugen angefüllt. In der Mitte aber, wo Jesu Herz gebrochen ward, war eine Verschlingung von allen möglichen Bildern der Pein in den verschiedensten Instrumenten und war die Farbe des Kreuzes von einer rührend schmerzlichen Blutfarbe.

So waren alle Teile und Stellen des Kreuzes von verschiedenen schmerzlichen Farben, aus denen man die Pein erkennen konnte, welche da erlitten werden sollte und wo sie in Strahlen zum Herzen hinlief. Auch die Instrumente auf jeder Stelle waren die Gestalt der zukünftigen Peinen.

Es waren in dem Kreuze auch Gefäße mit Galle, Essig, aber auch Salben und Myrrhen und etwas wie Gewürz, wahrscheinlich auf Tod und Grablegung sich beziehend.

Außerdem waren darin eine Menge von langen aufgerollten Bahnen, wie handbreite Zettel von verschiedenen Farben, worauf verschiedene Leiden und Leidensarbeiten geschrieben waren. Die Farben deuteten auf verschiedene Grade und Arten von Finsternis, welche zu erleuchten und auszubleichen waren durch Leiden. Schwarz war das. was verloren ging, braun das Trübe, Dürre, Trockene, Vermischte, Schmutzige, rot das Schwere, Irdische, Sinnliche, gelb das Weichliche, Leiden scheuende. Es waren halbgelbe, halbrote Bahnen dabei, beides musste weiß werden. Dann waren auch eine Menge ganz weißer Bahnen darin, wie Milchbahnen und die Schrift war leuchtend in ihnen, man sah sie durch. Diese bezeichneten das Gewonnene, Vollendete.

Alle diese farbigen Bänder waren wie die Rechnung der Arten der Schmerzen und Arbeiten, welche Jesus in seinem Wandel und Leiden mit den Jüngern und anderen Menschen haben würde.

Auch wurden Jesus all jene Menschen vorgeführt, durch welche Er am meisten geheime Leiden haben würde: die Tücke der Pharisäer. der Verräter Judas, die mitleidslosen Juden bei seinem schmählichen bitteren Tod.

Alles ordneten und entwickelten die Engel vor dem Heiland mit einer unaussprechlichen Ehrfurcht und einer priesterlichen Ordnung. Als das ganze Leiden vor Ihm aufgerichtet und ausgesprochen war, sah ich Jesus und die Engel weinen.

Ich sah an einem späteren Tag auch, dass die Engel Jesus den Undank der Menschen, den Zweifel, Spott, Hohn, Verrat, Verleugnung der Freunde und Feinde bis zu seinem Tod und nach demselben in Bildern zeigten und alles, was von seiner Arbeit und Pein verloren gehe. Sie zeigten Ihm aber auch zum Trost alles, was gewonnen werde. Sie zeigten mit den Händen nach den Bildern.

In allen diesen Vorstellungen des Leidens Jesu sah ich das Kreuz Jesu wie immer von fünf Holzarten und mit eingesetzten Armen, unter jedem Arm einen Keil, einen Ruheklotz unter den Füßen. Das Stück des Stammes über dem Haupt, woran der Titel, sah ich einzeln aufgezapft, denn der Stamm war anfangs zu niedrig, um die Schrift über das Haupt zu setzen. Es war aufgesetzt wie der Deckel auf eine Nadelbüchse.

Jesus wird vom Satan mannigfach versucht

Der Satan kannte nicht die Gottheit Christi. Er hielt Ihn für einen Propheten. Er hatte seine Heiligkeit von Jugend auf gesehen und auch die Heiligkeit seiner Mutter, die gar nicht auf den Satan merkte. Sie nahm keine Versuchung auf. Es war kein Stoff in ihr, woran er anknüpfen konnte. Sie war die schönste Jungfrau und Frau, hatte aber nie mit Wissen Freier gehabt, außer bei dem heiligen Los mit den Zweigen im Tempel, da sie verehlicht werden sollte. Dass Jesus eine gewisse pharisäische Strenge in Nebengebräuchen gegen seine Jünger nicht hatte, machte den bösen Feind irre. Er hielt Ihn für einen Menschen, weil manche Unordnung der Jünger die Juden ärgerte. Weil er Jesus oft eifrig sah, wollte er Ihn bald als ein Ihm hierher folgender Jünger ärgern. Weil er Ihn barmherzig sah, wollte er Ihn bald als schwacher Greis rühren oder als Essener mit Ihm disputieren. So sah ich einmal den Satan im Eingang der Höhle in Gestalt des Sohnes einer der drei Witwen, den Jesus besonders liebte. Er machte ein Geräusch und dachte, Jesus sollte sich ärgern, dass der Jünger Ihm wider sein Verbot gefolgt sei. Jesus schaute nicht einmal nach ihm um. Der Satan schaute in die Höhle und brachte allerlei Geschwätz vor von Johannes dem Täufer, der wohl sehr böse auf Ihn werden solle, weil er vernommen habe, dass Er hie und da taufen lasse, was doch seine Sache nicht sei.

Danach sandte der Teufel die Erscheinungen von sieben oder neun seiner Jünger nacheinander hinauf. Sie kamen einzeln in die Höhle und sagten. Eustachius habe ihnen gesagt, dass Er hier sei. Sie hätten Ihn so ängstlich gesucht. Er solle sich hier oben nicht zu Grunde richten und sie nicht verlassen. Es werde so viel von Ihm geredet, Er solle dies und jenes doch nicht auf sich sitzen lassen. Jesus aber sagte nichts als: «weiche von Mir Satan, es ist jetzt nicht Zeit.» Da verschwanden sie alle.

Wieder einmal nahte der Satan in Gestalt eines altersschwachen und ehrwürdig aussehenden Esseners, der mühselig den steilen Berg heraufkletterte. Es wurde ihm so schwer, dass ich Mitleid mit dem alten Mann empfand. Er nahte der Höhle und sank unter dem Eingang mit lautem Stöhnen ohnmächtig nieder. Jesus aber schaute gar nicht nach ihm. Da richtete der Alte sich wieder auf und sagte, er sei ein Essener vom Berge Karmel, habe von Ihm gehört und sei schier sterbend Ihm hierher gefolgt. Er solle sich doch ein wenig zu ihm setzen und von heiligen Dingen mit ihm sprechen. Er wisse auch, was fasten und beten sei. Wenn zwei beisammen wären in Gott, so gehe die Auferbauung besser. Jesus sprach nur wenige Worte ungefähr wie: «weiche Satan, es ist jetzt nicht die Zeit!» Da sah ich, dass es der Satan gewesen, denn indem er sich wegwendete und verschwand, sah ich ihn dunkel werden und grimmig. Es wurde mir sehr lächerlich, dass er sich hingeworfen hatte und selbst wieder aufstehen musste.

Als der Satan Jesus wieder versuchen wollte, kam er in der Gestalt des alten Eliud. Er musste wissen, dass Jesus von den Engeln das Kreuz vorgestellt worden war, denn er sagte: er habe eine Offenbarung gehabt, welch schwere Kämpfe Jesus gezeigt worden seien. Er habe wohl gefühlt, dass Er dieselben nicht bestehen werde. Vierzig Tage zu fasten werde Er auch nicht im Stande sein. Darum habe er aus Liebe zu Ihm sich hierher begeben, Ihn nochmals zu sehen und zu bitten, dass er die Einöde mit Ihm teilen dürfe, um einen Teil seines Gelübdes zu übernehmen. Jesus aber achtete gar nicht auf den Versucher, erhob seine Hände zum Himmel und sprach: «Mein Vater nimm diese Versuchung von Mir!» worauf der Satan mit grimmiger Gestalt verschwand.

Jesus kniete hierauf betend und nach einiger Zeit sah ich drei Jünglinge nahen, welche bei seinem ersten Ausgang aus Nazareth mit Ihm gewesen waren und Ihn nachher verlassen hatten. Diese Jünglinge nahten schüchtern, warfen sich vor Jesus nieder und klagten, wie sie keine Ruhe hätten, bis Er ihnen vergeben. Er solle sich ihrer erbarmen, sie wieder aufnehmen und mit Ihm fasten lassen zur Buße. Sie wollten Ihm gewiss die treuesten Jünger werden. Sie taten sehr kläglich und gingen in der geräumigen Höhle mit allerlei Geräusch um Ihn. Jesus stand auf, erhob die Hände, flehte zu Gott und sie verschwanden.

Da Jesus an einem späteren Tage kniend in der Höhle betete, sah ich den Satan in einem schimmernden Kleide, als würde er durch die Luft getragen, an der steilen Seite des Felsens emporschweben. Diese ganz steile Seite, wo kein Eingang, aber einige Löcher in die Höhle waren, war die Morgenseite. Jesus sah nicht zum Satan, der einen Engel vorstellen wollte. Sein Licht ist aber dann nie durchsichtig, sondern wie aufgeschmiert und sein Gewand macht einen starren Eindruck, während das Gewand der Engel leicht und durchsichtig scheint. Er schwebte in den Eingang der Höhle und sagte: ich bin von deinem Vater gesandt, Dich zu trösten. Jesus sah nicht nach ihm. Dann erschien er wieder an einer Öffnung der Höhle an der ganz unzugänglichen Seite und sagte zu Jesus, er solle sehen, dass er ein Engel sei und hier herauf auf den Felsen schweben könne. Jesus sah aber nicht nach ihm. Da ward der Satan ganz grimmig und tat, als wenn er Ihn mit seinen Krallen durch die Öffnung fassen wolle und seine ganze Gestalt ward entsetzlich und er verschwand. Jesus aber schaute nicht nach ihm.

Auch in der Gestalt eines alten und ganz verwildert aussehenden Einsiedlers vom Berge Sinai sah ich den Satan zu Jesus in die Höhle kommen. Er kletterte mühsam am Berge herauf, hatte nur ein Fell um den Leib geworfen, einen langen Bart, aber etwas spitzes und listiges im Gesicht. Er sagte, es sei ein Essener vom Berge Karmel bei ihm gewesen und habe ihm von seiner Taufe. seiner Weisheit, seinen Wundern und nun von seinem strengen Fasten gesprochen. Da habe er sich in seinem Alter den weiten Weg hierher zu Ihm begeben, Er solle nun mit ihm reden, er habe eine lange Erfahrung in Abtötungen. Es sei genug. Er solle es nun daran geben, er wolle einen Teil davon übernehmen. Er redete sehr vieles Zeug daher. Jesus sah seitwärts und sagte: «Weiche von Mir Satan!» Da sah ich den Satan sich verfinstern und er rollte wie ein schwarzer Ball mit Gekrach den Berg hinab.

Ich tat da die innere Frage, wie es denn ihm so ganz verborgen sei, dass Christus Gott sei? Und ich erhielt darüber Weisungen und erkannte nun ganz deutlich den unbegreiflichsten Nutzen für die Menschen, dass der Satan und sie selber es nicht wussten und dass sie es mussten glauben lernen. Ein Wort sagte mir der Herr, das ich behalten, nämlich: «Der Mensch hat nicht gewusst, dass die Schlange, die ihn verführte, der Satan war, darum darf auch der Satan nicht wissen, dass es Gott ist, der den Menschen erlöst.» Ich sah auch, dass der Satan die Gottheit Christi nicht eher erfuhr, als da Er die Seelen aus der Vorhölle befreite.

An einem der folgenden Tage sah ich den Satan in Gestalt eines vornehmen Mannes aus Jerusalem vor die Höhle des betenden Jesus kommen. Er sagte, er komme aus großer Teilnahme für Ihn, denn er wisse wohl, dass Er bestimmt sei, die Freiheit der Juden herzustellen. Er erzählte dann von allem, was in Jerusalem über Jesus gesprochen und verhandelt werde und sagte, er komme nun zu Ihm, um seine Sache zu unterstützen: er sei ein Beamter des Herodes, Jesus möge mit ihm nach Jerusalem gehen und sich im Palast des Herodes verborgen halten, seine Jünger da selbst um sich versammeln, um sein Vorhaben in Gang zu bringen. Er solle jetzt gleich mit ihm gehen. Alles dieses setze er Jesus sehr weitläufig auseinander. Jesus sah nicht nach ihm, aber Er betete heftig und Ich sah den Satan zurückweichen und seine Gestalt gräulich werden und wie Feuer und Dampf aus seiner Nase kommen, worauf er verschwand.

Da Jesus zu hungern und besonders zu dürsten begann, kam der Satan in Gestalt eines frommen Einsiedlers herbei und sagte: es hungert mich so! Ich bitte Dich, gib mir doch von den Früchten, die da vor der Höhle an dem Berge stehen, denn ich will keine davon abbrechen, ohne den Besitzer zu fragen (er stellte sich, als halte er Jesus für den Besitzer). Dann lasse uns zusammensitzen und von guten Dingen sprechen. Es standen aber nicht am Eingang, sondern an der andern Seite gegen Morgen der Höhle in einiger Entfernung Feigen und eine Art Frucht, wie Nüsse, doch mit weichen Schalen, wie sie die Mispeln haben, auch Beeren. Jesus sagte: «weiche von Mir, du bist der Lügner von Anfang an und lasse keinen Schaden auf den Früchten zurück!» Da sah ich den Einsiedler in einer kleinen dunkeln Gestalt im Bogen über den Berg hinwegeilen und einen schwarzen Dampf von sich speien.

Der Satan kam auch in Gestalt eines Reisenden zu Jesus, fragte Ihn, ob er nicht von den schönen Trauben in der Nähe da essen dürfe, sie seien gut für den Durst. Jesus antwortete nichts, sah auch gar nicht nach ihm hin.

Tags darauf versuchte er Ihn ebenso mit einer Quelle.

Der Satan versucht Jesus durch Schaukünste

Der Satan kam zu Jesus in die Höhle als ein Schaukünstler und Weltweiser und sagte, er komme zu Ihm als einem Weisen und wolle Ihm zeigen, dass er auch etwas vermöge, Er solle einmal hier hineinsehen. Da zeigte er Ihm an seiner Hand hängend eine Maschine gleich einer Kugel, doch mehr noch einem Vogelkorb ähnlich. Jesus sah nicht nach ihm, wendete ihm den Rücken und ging zur Höhle hinaus. In dem Guckkasten, den Satan trug, sah man eine große Herrlichkeit der Natur, eine liebliche, üppige Gartenlust voll schattiger Lauben, kühler Quellen, reich beladener Fruchtbäume und köstlicher Trauben. Alles war ganz nah wie zum greifen und in immer schönerer lockender Abwechslung. Als Jesus aber dem Satan den Rücken wandte, entwich er.

Es war dies abermal eine Versuchung, das Fasten Jesu zu stören, welcher jetzt großen Hunger und Durst zu empfinden beginnt. Der Satan weiß gar nicht, was er aus Ihm machen soll. Er kennt zwar die Weissagungen von Ihm und fühlt auch, dass Er eine Gewalt über ihn übt, weiß aber nicht, dass Er Gott ist, noch dass Er der in seinem Werk der unverletzliche Messias ist, weil er Ihn fasten, Anfechtung leiden, hungern, weil er Ihn so arm und in vielem so leidend, so ganz menschlich sieht. Der Satan ist hierin teils so blind, wie die Pharisäer. Er hielt Ihn aber für einen heiligen Menschen, den er in jedem Fall versuchen und zum Falle bringen könne.

Der Satan versucht Jesus, Er solle Brot aus Steinen machen

Jesus litt von Hunger und Durst. Ich sah Ihn mehrmals vor der Höhle. Gegen Abend kam der Satan wie ein großer kräftiger Mann den Berg herauf. Er hatte unten zwei Steine aufgehoben, von der Länge kleiner Brote, aber eckig, denen er aufsteigend in seinen Händen die volle Gestalt der Brote gab. Er hatte etwas ungemein grimmiges, da er zu Jesus in die Höhle trat. Er hatte in jeder Hand einen der Steine und sagte zu Ihm etwa so viel wie: Du hast Recht, dass Du keine Früchte aßest, sie reizen nur die Esslust. Wenn Du aber Gottes geliebter Sohn bist, über den der Geist bei der Taufe gekommen, siehe ich habe gemacht, dass sie wie Brote aussehen, so mache Du Brot aus diesen Steinen. Jesus sah nicht zum Satan Ich hörte Ihn nur die Worte sagen: «der Mensch lebt nicht nur vom Brote.» Diese Worte habe ich allein deutlich behalten. Nun wurde der Satan ganz grimmig, streckte seine Krallen gegen Jesus aus, wobei ich die beiden Steine auf seinen Armen liegen sah und entfloh. Ich musste lachen, dass er seine Steine wieder mitnehmen musste.

Der Satan trägt Jesus auf die Zinne des Tempels. Dann auf den Berg Quarantania. Engel erquicken Jesus

Gegen Abend des folgenden Tages sah ich den Satan in der Gestalt eines mächtigen Engels zu Jesus mit großem Gebrause heranschweben. Er war in der Art kriegerischer Bekleidung, wie ich den heiligen Michael erscheinen sehe. Doch immer kann man durch seinen größten Glanz etwas finsteres und grimmiges durchsehen. Er prahlte gegen Jesus und sagte ungefähr: «ich will Dir zeigen, wer ich bin und was ich vermag und wie mich die Engel auf den Händen tragen. Sieh dort Jerusalem! Sieh den Tempel! ich will Dich auf seine höchste Spitze stellen. Da zeige, was Du vermagst und ob Engel Dich herunter tragen.» Indem er so hinzeigte, war es, als sähe ich Jerusalem und den Tempel dicht vor dem Berg liegend. Ich glaube aber, dass dies nur eine Vorstellung war. Jesus gab ihm keine Antwort. Der Satan fasste Ihn bei den Schultern und trug Ihn durch die Luft, aber niedrig schwebend, nach Jerusalem und stellte Ihn auf die Spitze eines Turmes, deren vier auf den vier Ecken des Tempelumfanges standen, die ich sonst nicht beachtet hatte. Dieser Turm stand an der Abendseite gegen Sion zu, der Burg Antonia gegenüber. Der Tempelberg ging da sehr steil hinab. Diese Türme waren wie Gefängnisse. In einem derselben wurden die kostbaren Kleider des Hohenpriesters bewacht. Sie waren oben platt, dass man darauf herumgehen konnte. Es erhob sich aber noch ein hohler Kegel in der Mitte dieser Fläche, der oben mit einer großen Kugel endete, auf der wohl für zwei Menschen zum stehen Raum war. Man hatte da den ganzen Tempel unter sich zu überschauen.

Auf diesen höchsten Punkt des Turmes stellte der Satan Jesus, der nichts sagte. Der Satan aber flog hinab auf den Grund und sagte: «wenn Du Gottes Sohn bist, so zeige deine Macht und lasse Dich auch herab. Denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln Befehl geben, dass sie Dich auf den Händen tragen, dass Du an keinen Stein stoßest.» Da sprach Jesus: «es steht auch geschrieben, du sollst deinen Herrn nicht in Versuchung führen.» Da kam der Satan ganz ergrimmt wieder zu Ihm und Jesus sagte: «brauche deine Gewalt, die dir gegeben ist.»

Da fasste Ihn der Satan sehr grimmig wieder an den Schultern und flog mit Ihm über die Wüste hin gegen Jericho zu. Auf dem Turm sah ich gegen Abend Dämmerlicht am Himmel. Er schien mir diesmal langsamer zu fliegen. Ich sah ihn in Zorn und Grimm mit Jesus bald hoch, bald niedrig und schwankend schweben, wie einer, der seine Wut auslassen will und des Gegenstandes nicht mächtig wird. Er trug Jesus auf denselben Berg, sieben Stunden von Jerusalem, auf welchem Er die Fasten begonnen hatte.

Ich sah, dass er Ihn dicht über einen alten Terebintenbaum wegtrug, der groß und mächtig in dem ehemaligen Garten eines der Essener stand, die vor Zeiten hier gewohnt. Auch Elias hatte sich hier aufgehalten. Er stand hinter der Höhle nicht weit von dem schroffen Abhang. Solche Bäume werden dreimal im Jahr angezapft und geben jedes mal einen etwas geringeren Balsam.

Der Satan stellte den Herrn auf der höchsten Spitze des Berges an einer überhängenden unzugänglichen Klippe hin, viel höher als die Höhle. Es war Nacht. Aber indem der Satan um sich her zeigte, war es hell und man sah die wunderbarsten Gegenden nach allen Richtungen der Welt. Der Teufel sagte ungefähr zu Jesus: «ich weiß, Du bist ein großer Lehrer und willst jetzt Schüler berufen und Deine Lehre ausbreiten. Sieh! hier alle diese herrlichen Länder, diese mächtigen Völker und sieh hier das kleine Judäa dagegen! Dorthin gehe! Ich will Dir alle diese Länder übergeben, wenn Du niederkniest und mich anbetest.» Mit diesem Anbeten meinte der Teufel eine Erniedrigung, welche damals oft unter den Juden und besonders den Pharisäern vor hohen Personen und Königen üblich war, wenn sie etwas von ihnen erlangen wollten. Der Teufel hatte hier eine ähnliche, nur erweiterte Versuchung vor, wie damals, als er in Gestalt des Beamten eines Herodes aus Jerusalem zu Jesus kam und Ihn nach Jerusalem in das Schloss forderte, Ihn dort zu unterstützen in seiner Sache. Wenn der Satan so umherzeigte, sah man große Länder und Meere, dann ihre Städte, dann ihre Könige in Pracht und Triumph und mit vielen Kriegsvölkern und Aufzügen umgeben einherziehen. Man sah dies alles ganz deutlich, als sei man nahe dabei und noch deutlicher. Man war wirklich überall darin und jedes Bild, jedes Volk war verschieden in Glanz und Pracht. Sitten und Gebräuchen.

Der Satan strich auch die einzelnen Vorzüge der Völker heraus und zeigte besonders nach einem Land, wo sehr große und prächtige Leute, schier wie Riesen waren. Ich meine, es war Persien und er riet Ihm vor allem, dahin lehren zu gehen. Palästina zeigte er Ihm aber ganz klein und unbedeutend. Es war dies ein ganz wunderbares Bild. Man sah so viel und so klar und alles war so glänzend und prächtig!

Jesus sprach nichts als die Worte: «du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und Ihm allein dienen. Weiche von Mir, Satan!» Da sah ich den Satan in einer unbeschreiblich gräulichen Gestalt sich von dem Felsen wegheben und in die Tiefe niederstürzen und verschwinden. als verschlinge ihn die Erde.

Gleich hierauf sah ich eine Schar von Engeln sich Jesus nahen, vor Ihm sich beugen und Ihn, wie auf den Händen, sanft mit Ihm an den Felsen niederschwebend, in die Höhle tragen, in welcher Jesus das vierzigtägige Fasten begonnen hatte. Es waren zwölf Engel und dienende Scharen, welche auch eine bestimmte Zahl hatten. Ich weiß nicht mehr gewiss, ob 72. Aber ich bin geneigt, es zu glauben, denn ich hatte während des ganzen Bildes eine Erinnerung an Apostel und Jünger. Es ward nun in der Höhle ein Dank- und Siegesfest und ein Mahl gefeiert. Ich sah die Höhle von den Engeln inwendig mit einer Weinlaube überziehen, von der herab eine Siegeskrone von Laub über Jesus schwebte. Alles dieses geschah in wunderbarer Ordnung und Feierlichkeit und war sinnbildlich und leuchtend und bald vollendet. Denn das in einer Intention hingepflanzte oder gebrachte folgte der Intention ganz lebendig nach und breitete sich nach seiner Bestimmung aus.

Die Engel brachten auch eine anfangs kleine Tafel heran mit himmlischen Speisen besetzt, welche sich schnell wachsend vergrößerte. Die Speisen und Gefäße waren solche, wie ich sie immer an Himmelstafeln sehe und ich sah Jesus und die zwölf Engel und auch die andern ihrer teilhaftig werden. Denn es war kein Essen durch den Mund und doch ein zusich-nehmen und übergehen der Fruchtgestalten in die Genießenden und ein erquickt- und teilhaftig-werden derselben. Es war, als wenn die innere Bedeutung der Speisen nun in den genießenden überging. Es ist das nicht auszusprechen.

Am Ende der Tafel stand ein leuchtender großer Kelch und kleine Becher um ihn her in der Gestalt, wie bei Einsetzung des Abendmahles, nur geistig und größer und auch ein Teller mit solchen dünnen Brotscheiben. Ich sah, dass Jesus aus dem großen Kelch in die Becher eingoss und Bissen des Brotes in dieselben tauchte und dass die Engel dieselben erhielten und wegbrachten. In dieser Handlung ging dies Bild vorüber und Jesus verließ die Höhle gegen den Jordan hinabgehend.

Die Engel. welche Jesus dienten, erschienen in verschiedener Form und Ordnung. Die welche zuletzt mit Wein und Brot verschwanden, waren in priesterlicher Kleidung. Ich sah aber in demselben Augenblick allerlei wunderbaren Trost über die jetzigen und späteren Freunde Jesu kommen. Ich sah Jesus der heiligen Jungfrau in Kana erscheinen im Gesicht und sie erquicken. Ich sah Lazarus und Martha gerührt und von Liebe zu Jesus erfüllt. Ich sah die stille Maria von einem Engel mit der Gabe vom Tisch des Herrn wirklich gespeist. Ich sah den Engel bei ihr und sie es ganz kindlich empfangen. Sie hatte alle Leiden und Versuchungen Jesus immer mitgesehen und lebte ganz in diesem Schauen und Mitleiden und wunderte sich nicht. Auch Magdalena sah ich wunderbar bewegt. Sie war mit Schmuck zu einem Fest beschäftigt, als sie eine plötzliche Angst über ihr Leben und innere Begierde nach Rettung überfiel, so dass sie ihren Schmuck an die Erde warf und von ihrer Umgebung verlacht wurde. Viele nachmalige Apostel sah ich auch erquickt und voll Sehnsucht. Den Nathanael sah ich in seiner Wohnung an alles denken, was er von Jesus gehört. Er war sehr von Ihm gerührt, aber schlug es wieder aus dem Sinn. Petrus, Andreas und alle andern sah ich gestärkt und gerührt. Es war dies ein sehr wunderbares Bild.

Maria lebte während dieser Zeit des Fastens Jesu anfänglich in dem Haus bei Kapharnaum. Sie hatte hier vielerlei Reden von Leuten zu hören, welche Jesus vorwarfen, dass Er herumziehe und niemand wisse, wo. Dass Er sie vernachlässige, da es doch seine Pflicht wäre, zum Tod Josephs für seiner Mutter Unterhalt ein Geschäft anzufangen usw. Überhaupt war jetzt im ganzen Land ein großes Gerede von Jesus, da nun das Wunder bei seiner Taufe, das Zeugnis des Johannes und die Erzählungen seiner zerstreuten Jünger zusammen kamen. Nur noch einmal bei Lazarus Erweckung und vor seinem Leiden war das Gerücht ebenso groß. Die heilige Jungfrau war sehr ernst und innerlich. Sie war nie ohne innere Bewegungen, Anschauungen und Mitleiden mit Jesus.

Gegen das Ende der vierzig Tage war Maria zu Kana in Galiläa bei den Eltern der Braut von Kana. Es sind dies angesehene Leute und wie die Vorgesetzten der Stadt. Sie haben ein schönes Haus fast mitten in der Stadt, die sehr angenehm und rein gebaut ist. Es geht eine Straße mitten durch. Ich meine von Ptolomais, man sieht die Straße von den Anhöhen gegen die Stadt kommen. Sie ist nicht so verwirrt und ungleich gebaut wie andere. Der Bräutigam heiratet hier ins Haus. Sie haben noch ein zweites Haus in der Stadt, das sie ganz eingerichtet der Tochter mitgeben. Die heilige Jungfrau wohnt jetzt darin. Der Bräutigam ist fast ebenso alt. wie Jesus und wie ein Hausvater bei seiner Mutter und führt ihr den Haushalt. Die guten Leute ziehen die heilige Jungfrau bei der Einrichtung ihrer Kinder zu Rate und zeigen ihr alles.

Johannes war in dieser Zeit immerfort mit Taufen beschäftigt. Herodes bemühte sich, dass er zu ihm komme. Er sendete auch an ihn, über Jesus ihn auszuholen. Johannes behandelte ihn aber immer geringschätzig und wiederholte sein altes Zeugnis von Jesus. Auch Abgesandte von Jerusalem waren wieder bei ihm, ihn über Jesus und ihn selbst zu Rede zu stellen. Johannes antwortete wie immer. er habe Ihn früher nicht mit Augen gesehen, er sei aber gesandt, seinen Weg zu bereiten.

Seit der Taufe Jesu lehrte Johannes immer, dass das Wasser durch die Taufe Jesu und den Heiligen Geist, der auf Jesus gekommen, geheiligt sei und dass aus dem Wasser sehr viel böses gewichen sei. Es war wie ein Exorzisieren des Wassers. Jesus ließ sich taufen, damit das Wasser geheiligt werde. Die Taufe Johannes war nun reiner und heiliger. Darum sah ich auch Jesus in einem abgesonderten Becken taufen und aus diesem in den Jordan und das allgemeine Taufbad leiten und auch Jesus und die Jünger von dem Wasser mitnehmen zu fernerer Taufe.

2. Jesus zieht an den Jordan und lässt taufen

Bei Tagesanbruch setzte Jesus an jener engen Stelle über den Jordan, wo Er vor vierzig Tagen hinübergefahren war. Es lagen dort Balken, sich überzuschiffen. Es war aber nicht die ÜberfahrsteIle des allgemeinen Landweges, sondern eine Nebenstelle. Jesus ging nun an der Morgenseite des Jordan hinab bis der Taufstelle Johannes gegenüber. Dieser lehrte und taufte, deutete aber gleich hinüber und rief: «Sehet das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt.» (Joh 1.36). Jesus ging nun vom Ufer zurück Bethabara zu.

Andreas aber und Saturnin, welche bei Johannes gestanden, eilten über den Jordan. Sie gingen den nämlichen Weg, den Jesus hinübergekommen. Es folgte auch einer der Vettern des Joseph von Arimathäa und zwei andere Jünger des Johannes. Sie eilten Jesus nach, der sich wendete und ihnen entgegen gehend sie fragte, was sie suchten. Da fragte Andreas freudig, Ihn wieder gefunden zu haben, wo Er wohne? Jesus sagte ihnen, sie sollten Ihm nachfolgen und führte sie nach einer Herberge vor Bethabara gegen das Wasser zu gelegen, wo sie sich niedersetzten. Jesus blieb mit den fünf Jüngern diesen Tag in Bethabara und nahm eine Mahlzeit mit ihnen ein. Er sprach vom Anfang seines Lehramtes und dass Er sich Jünger sammeln werde. Andreas erwähnte Ihm manche seiner Bekannten und lobte sie zu diesem Zwecke: er erwähnte Petrus, Philippus und Nathanael. Jesus sprach auch von der Taufe hier am Jordan und dass einige von ihnen hier taufen sollten. Da erwiderten sie, es sei hier keine bequeme Taufstelle, nur da, wo Johannes taufe und es sei doch nicht gut, wenn dieser verdrängt würde. Jesus aber sprach von des Johannes Bestimmung und Sendung und deren naher Vollendung überhaupt. und bestätigte alle Worte des Johannes, die er über sich und den Messias gesprochen.

Jesus sprach auch von der Vorbereitung in der Wüste zu seinem Lehramt und von der Vorbereitung, die zu jedem wichtigen Werk nötig sei. Er war innig und vertraulich gegen die Jünger. Diese waren etwas scheu und demütig.

Am folgenden Morgen ging Jesus mit den Jüngern von Bethabara an den Jordan zu den Überfahrhäusern und lehrte in einer Versammlung. Später ging Er über den Jordan und lehrte in einem kleinen Orte von etwa zwanzig Häusern eine Stunde vor Jericho. Es zogen Scharen von Täuflingen und Johannesjünger ab und zu, Ihn zu hören und dem Täufer von Ihm zu erzählen. Es war gegen Mittag, als Er hier lehrte.

Jesus beauftragte mehrere Jünger, zum Sabbat jenseits des Jordan, eine Stunde etwa stromaufwärts von Bethabara, einen Taufbrunnen wieder zu ordnen, wo Johannes von Ainon herabziehend getauft hatte, ehe er auf der Abendseite des Jordan gegenüber von Bethabara taufte.

Man wollte Jesus hier eine Mahlzeit bereiten. Er verließ aber den Ort und kehrte vor Sabbat über den Jordan nach Bethabara zurück, wo Er den Sabbat hielt und in der Synagoge lehrte. Er aß bei dem Vorsteher der Schule und schlief in dessen Haus.

Die Taufstelle, welche Johannes eine kurze Zeit vor der bei Jericho inne gehabt hatte, wurde von den Jüngern Jesus wieder hergestellt. Der Taufbrunnen hier war nicht ganz so groß, wie der des Johannes bei Jericho. Er hatte einen erhabenen Rand mit einspringender Zunge zum Stand des Taufenden und war mit einem kleinen Kanal umgeben, aus welchem das Wasser durch den Rand ins Becken gelassen werden konnte.

Es sind jetzt hier unten drei Taufbrunnen : dieser oberhalb Bethabara, dann der Taufbrunnen Jesu auf der emporgetauchten Insel im Jordan und der allgemeine Taufbrunnen des Johannes.

Als Jesus hier ankam, goss Er Taufwasser aus dem Inselbrunnen, in dem Er getauft worden war und das Andreas in einem Schlauche mitgebracht, in den Taufbrunnen und segnete ihn. Es wurden auch alle Getauften ganz wunderbar gerührt und bewegt. Andreas und Saturnin tauften. Es war keine ganze Eintauchung. Die Leute traten neben dem Rand ins Wasser. Es wurden ihnen die Hände auf die Schultern gelegt und der Taufende schöpfte dreimal mit der Hand über sie und taufte im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, welches Johannes nicht so tat, der ein dreistrahliges Schöpfgefäß hatte. Es ließen sich sehr viele Leute, besonders aus Peräa, taufen.

Jesus lehrte auf einem kleinen Rasenhügel in der Nähe stehend von der Buße und der Taufe und vom Heiligen Geist. Er sagte: «Mein Vater hat den Heiligen Geist herabgesandt, als Ich getauft wurde und hat gesagt: Das ist mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe. Das sagt Er aber zu jedem, welcher seinen himmlischen Vater liebt und seine Sünden bereut. Und über alle, welche getauft werden im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, sendet Er seinen Heiligen Geist. Alle sind dann seine Söhne, an denen Er Wohlgefallen hat, denn Er ist der Vater aller, welche seine Taufe empfangen und Ihm durch dieselbe geboren werden.»

Ich wundere mich immer, wie das alles im Evangelium so kurz steht und wie Jesus da gleich, als Andreas Ihm beim Zeugnis des Johannes gefolgt ist, mit Petrus zusammenkommt, der doch gar nicht da war, sondern in Galiläa. Noch wunderbarer aber kommt mir immer vor, wie nach dem Palmsonntagseinzug in Jerusalem so schnell das Abendmahl und die Passion folgt, wo ich immer so viele Lehren Jesu dazwischen höre und so viele Tage sehe. So meine ich, Jesus werde sich wohl noch an vierzehn Tage hier aufhalten, ehe Er nach Galiläa geht.

Andreas war noch nicht eigentlich zum Jünger aufgenommen. Jesus hatte ihn nicht gerufen. Er war selbst gekommen und hatte sich angeboten, er wolle gern bei Ihm sein. Er war dienstbegieriger und sich anbietender als Petrus, der dachte gar leicht, dazu bin ich zu gering, das ist über meine Kräfte und dabei ging er seinen Geschäften nach. Auch Saturnin und die beiden Vettern Josephs von Arimathäa. Aram und Themeni hatten sich so angeschlossen an Jesus.

Es wären aber noch viele andere Jünger des Johannes zu Jesus gekommen, dessen Taufstelle immer leerer ward, wenn nicht einige eigensinnige Jünger des Johannes, welchen das Übel gefiel, sie davon abgehalten hätten. Diese klagten gegen Johannes darüber und meinten, es sei unrecht von Jesus, hier zu taufen, das sei nicht seine Sache. Und Johannes hatte genug zu tun, ihre Kurzsichtigkeit zu belehren. Er sagte ihnen, sie sollten sich seiner Worte erinnern, wie er das immer vorausgesagt, dass er nur den Weg bereite und dass er nun bald ganz diesen Wandel verlassen werde, wenn die Wege bereitet seien. Sie hatten aber Johannes sehr lieb und es wollte ihnen das gar nicht in den Kopf. Es war schon so voll bei Jesus Taufstelle, dass Er zu seinen Jüngern sagte. sie wollten morgen weiter wandeln.

Jesus ging mit etwa zwanzig Begleitern, worunter Andreas, Saturnin, Aram und Themeni von Bethabara an der gewöhnlichen leichten ÜberfahrtssteIle über den Jordan und zog, Gilgal, rechts lassend, zur in einem engen Gebirgstal sehr versteckt liegenden Stadt Ophra. Hierdurch kamen immer die Leute aus der Gegend hinter Sodoma und Gomorrha, die auf Kamelen mit Waren zur Morgenseite des Jordan zogen und sich von Johannes taufen ließen. Es war hier ein Seitenweg aus Judäa zum Jordan. Der Ort lag sonst sehr vergessen, etwa drei bis vier Stunden von des Johannes Taufstelle, nicht ganz so weit von Jericho und von Jerusalem etwa sieben Stunden. Er lag kalt und hatte nicht viel Sonne, war aber gut gebaut. Die Leute hatten so einen Krämer-, Zöllner- oder Schmugglerwohlstand. Es war, als wenn sie von den Durchziehenden Nutzen zögen. Sie waren nicht böse, aber lau wie oft Krämer und Wirte, die guten Erwerb haben. Die Leute hatten sich noch nicht viel um die Taufe des Johannes gekümmert. Sie hungerten nicht nach dem Heil. Es war hier alles wie an einem Ort, von dem man sagt, er hat gute Nahrung.

Als sie dem Ort nahten, sendete Jesus die Neffen Josephs von Arimathäa voraus, die Schlüssel der Synagoge zu begehren und die Leute zur Lehre zu berufen. Er brauchte diese immer zu solchen Sendungen, denn sie waren sehr lieblich und geschickt. Beim Eintritt in die Stadt liefen Besessene und Wahnsinnige um Jesus her und schrieen aus der Ferne: «Da kommt der Prophet, Gottessohn, Jesus Christus, unser Feind! Er wird uns vertreiben.» Jesus befahl ihnen zu schweigen und zu ruhen. Sie wurden alle ruhig und folgten in die Synagoge nach, in welche Jesus schier bis ans andere Ende der Stadt gehen musste. Er lehrte hier bis zum Abend und ging nur einmal heraus, eine Erquickung zu nehmen. Er lehrte von der Nähe des Reiches Gottes und der Notwendigkeit der Taufe und ermahnte die Einwohner scharf, aus ihrer Lauigkeit und Sicherheit zu erwachen, auf dass das Gericht nicht über sie komme. Er sprach auch stark gegen ihren Wucher, ihren Schleichhandel und solche Sünden, wie die der Zöllner und Krämer. Die Leute widersprachen nicht, sie waren aber auch nicht sehr empfänglich, denn sie waren sehr in ihrer Krämerei befangen. Einige jedoch waren durch seine Lehre sehr gerührt und verändert. Es kamen mehrere der Angesehenen und Geringeren am Abend in die Herberge zu Ihm und waren fest entschlossen, sich taufen zu lassen. Sie zogen auch die folgenden Tage schon zu Johannes.

Von Ophra ging Jesus mit seinen Jüngern morgens gegen Bethabara zurück. Sie trennten sich auf dem Weg. Andreas wurde mit dem größeren Teil auf dem Weg vorausgesandt, den sie hierher gegangen waren. Jesus aber ging mit Saturnin und dem Vetter Josephs von Arimathäa näher gegen des Johannes Taufort zu, durch denselben Weg, wo dieser nach der Taufe zuerst Zeugnis von Ihm ausgerufen hatte. Er ging auf dem Weg in einige Häuser und lehrte und ermahnte die Leute zur Taufe. Am Nachmittag kamen sie wieder in Bethabara an und Jesus lehrte noch am selben Tag am Taufort und Andreas und Saturnin tauften. Da immer neue Scharen zur Taufe kamen, war Jesu Lehre meist dieselbe, dass sein himmlischer Vater zu allen Büßenden und Getauften gesagt habe: «Das ist mein lieber Sohn!» indem sie alle Gottes Kinder würden.

Die meisten Täuflinge waren aus dem Lande des Tetrarchen Philippus, der ein guter Mann war. Die Leute waren ziemlich glücklich und darum hatten sie noch wenig daran gedacht, sich taufen zu lassen.

Von Bethabara ging Jesus mit drei Jüngern durch das Tal hinauf gegen Dibon zu, wo Er zum Laubhüttenfest neulich gewesen war. Er lehrte in einzelnen Häusern und auch in der Synagoge, die von der Stadt entfernt in dem Talweg lag. In Dibon selber war Er nicht. Er übernachtete in einer etwas abgelegenen Herberge oder einem Schuppen, wo Feldarbeiter aus der Gegend unterkommen und Speise erhielten. Es wurde jetzt an der Sonnenseite gesät, was um Ostern reif wird. Sie graben hier das Land, denn es ist bald Grund, bald Stein, bald Sand und sie können das Werkzeug, womit sie sonst die Erde aufreißen, nicht anwenden. Sie haben einen Teil der ausstehenden Ernte jetzt erst eingetragen. Die Bewohner dieses Tales, das wohl eine Länge von drei Stunden einnahm, waren gute, einfach lebende Leute und gegen Jesus gut gesinnt.

Jesus erzählte in der Synagoge und bei den Feldarbeitern die Parabel vom Sämann und legte sie aus. Er legte die Parabel nicht immer aus, vor den Pharisäern erzählte Er sie oft nur ohne Auslegung.

Andreas und Saturnin sind mit anderen Jüngern nochmals nach Ophra gegangen, um die Leute, welche durch Jesu Lehre sehr erweckt worden, noch mehr zu bestärken.

Da Jesus aus der Herberge bei Dibon weiter ging, kam Er auf einem zwei Stunden südlicher vom Jordan gelegenen Weg, als der, auf welchem Er von Bethabara hergekommen war, nach Eleale, das von Dibon etwa vier Stunden entfernt war. Er kam mit etwa sieben Jüngern an und kehrte bei dem Synagogenvorsteher ein. Bei Sabbatanfang lehrte Er in der Synagoge über eine Parabel von schwankenden Ästen der Bäume, welche die Blüten abschüttelten und keine Früchte trügen. Er wollte damit den Einwohnern verweisen, dass sie sich größtenteils auf die Johannestaufe nicht besserten und von jedem Winde die Blüten der Buße sich abschütteln ließen, ohne Frucht zu tragen. Sie waren hier so. Er erwählte aber gerade dieses Gleichnis, weil sie hier meist vom Obstbau sich nährten. Sie trugen es weit weg, denn es war hier abgelegen und keine Landstraße. Sie machten auch Decken und grobe Stickereien in Menge.

Jesus hat bis jetzt noch keinen Widerspruch gefunden. Die Leute in Dibon und überall umher hatten Ihn sehr lieb und sagten immer, sie hätten nie einen solchen Lehrer gehört und die Greise verglichen Ihn immer mit den Propheten, von deren Lehre sie von ihren Voreltern gehört hatten.

Nach dem Sabbat ging Jesus etwa drei Stunden abendwärts nach Bethjesimoth, an der Morgen- und Sonnenseite eines Berges etwa eine Stunde vom Jordan gelegen. Auf dem Weg dahin kamen Andreas und Saturnin mit noch anderen Johannesjüngern wieder zu Ihm. Er sprach mit ihnen von den Kindern Israels, die hier gelagert waren und wie Josua und Moses mit ihnen gesprochen. Er machte eine Anwendung davon auf die jetzige Zeit und seine Lehre. Bethjesimoth ist nicht groß, aber sehr fruchtbar, besonders an Wein.

Als Jesus ankam, hatte man so eben dämonische, zusammengeschlossene Leute aus einem Hause, worin sie versperrt wurden, ins Freie geführt. Diese begannen zu toben und zu schreien: «Da kommt Er, der Prophet! Er will uns vertreiben!» Jesus wendete sich gegen sie, gebot ihnen Schweigen, ihre Fesseln sollten fallen und sie sollten Ihm in die Synagoge folgen. Da fielen ihre Fesseln durch ein Wunder. Die Leute wurden ganz ruhig, warfen sich vor Jesus nieder, dankten und folgten Ihm in die Synagoge. Er lehrte in Parabeln von der Fruchtbarkeit und dem Weinbau. Nachher hat Er viele Kranke in den Häusern besucht und geheilt. Der Ort liegt an keiner Hauptstraße, die Leute müssen ihre Früchte selbst zu Markt tragen.

Jesus hat hier zum ersten Mal, seitdem Er die Wüste verlassen, geheilt. Darum baten die Einwohner Ihn sehr, zu bleiben. Er ging aber mit Andreas, Saturnin, Josephs von Arimathäa Vettern und andern, in allem etwa zwölf Begleitern, schräg gegen Mitternacht bis an die öffentliche Überfuhr, zu der die Heerstraße von Dibon führte und über welche Er am Laubhüttenfest aus Gilgal gegen Dibon gereist war. Man musste hier ziemlich lange überfahren, weil eines steilen Ufers wegen die AnlandesteIlen nicht gerade einander gegenüber lagen. Von da wandelten sie noch etwa eine Stunde Wegs in der Richtung von Samaria über den Fuß eines Berges in ein Örtchen, das in einer Reihe von Häusern ohne Schule bestand.

Dieses Örtchen war durchaus von Hirten und gutmütigen Leuten bewohnt, die schier wie die Hirten an der Krippe gekleidet waren. Jesus lehrte auf einem erhöhten Platz, wo ein Lehrstuhl von Stein errichtet war, unter freiem Himmel. Die Leute hatten hier auch die Taufe des Johannes.

3. Jesus in Silo, Kibzaim und Thebez

Danach sah ich Jesus in Silo, das auf der Höhe eines sanft aufsteigenden Gebirges rings um einen hohen steilen Felsen lag, der eine große Fläche hatte. Auf dieser Fläche, der höchsten Höhe des Gebirges, hatte in erster Zeit nach dem Zug aus Ägypten durch die Wüste die Stiftshütte mit der Bundeslade gestanden. Es war da ein großer Raum mit einer teilweise verfallenen Mauer umgeben, in welchem noch die Reste der kleineren Halle umherlagen, welche über die Stiftshütte erbaut war. An der Stelle, wo die Bundeslade gestanden, war unter einem auf offenem Bogen ruhenden Dach eine solche Säule, wie in Gilgal und unter derselben war auch wie dort eine Art Gruft im Felsengrunde. Nicht weit von dem Ort der Bundeslade war ein Opferplatz und eine verdeckte Grube für die Abfälle beim Schlachten, denn sie durften hier drei- oder viermal im Jahr noch opfern. Auch die Synagoge lag auf dieser ummauerten Höhe, von der man eine außerordentlich weite Aussicht auf die Höhen von Jerusalem, auf das Meer von Galiläa und über viele Berge hatte.

Silo selber war eine etwas verfallene, nicht sehr bevölkerte Stadt mit einer Pharisäer- und Sadduzäerschule. Die Leute hier waren nicht gut, hoffärtig, voll Dünkel und falscher Sicherheit. In einiger Entfernung vor dem Stadttor mit zerstörten Türmen lag ein verfallenes Kloster der Essener und näher bei der Stadt stand noch das Haus, worin die Benjamiten die bei dem Laubhüttenfeste zu Silo gefangenen Jungfrauen eingesperrt hatten (Rich 21, 19-24).

Jesus kehrte mit seinen zwölf Begleitern in einem Haus ein, wo reisende Lehrer und Propheten einzukehren das Recht hatten. Dieses Haus hing mit den Schulen und Wohnungen der Pharisäer und Schriftgelehrten zusammen, welche hier eine Art von Seminarium hatten. Es waren gegen zwanzig derselben in ihren langen Kleidern mit Gürteln und rauen, lang an den Ärmeln niederhängenden Zöpfen um Jesus versammelt. Sie steilten sich, als wüssten sie nicht von Ihm und sprachen in allerlei Stichelreden zu Ihm: «Wie es nun wäre? Es seien ja zwei Taufen, die von Johannes und dann noch eine von dem Jesus, dem Zimmermannssohn aus Galiläa - welches denn nun wohl die rechte Taufe sei? Man höre auch, dass sich andere Frauen an die Mutter dieses Zimmermannssohnes anhängten, z. B. eine Witwe mit ihren beiden Söhnen, und so ziehe sie herum und mache ihrem Sohn Anhänger. Sie brauchten aber solche Neuerungen nicht, sie hätten die Verheißungen und ihr Gesetz.» Solche Reden führten sie nicht gerade und derb herauspolternd, sondern mit einer spitzen, grinsenden Freundlichkeit gegen Jesus. Er antwortete auf ihre spitzen Reden: Er sei der, von dem sie sprechen. Und da sie von der Stimme bei seiner Taufe sprachen, lehrte Er, es sei die Stimme seines himmlischen Vaters gewesen, der eines jeden Vaters sei, der die Sünde bereue und aus der Taufe wiedergeboren werde.

Da sie Ihn und seine Jünger nicht an die Stelle der Bundeslade, als einen sehr heiligen Platz lassen wollten, ging Er dennoch hin und verwies ihnen, dass sie hier wegen ihrer Bosheit die Bundeslade verloren hätten, dass sie nun bei dem leeren Platz ebenso fort führen, dass sie das Gesetz damals und immer verletzt hätten. Und wie die Bundeslade von ihnen gewichen, werde nun auch die Erfüllung des Gesetzes von ihnen weichen. Als sie nun aus dem Gesetz mit Ihm disputieren wollten, stellte Er sie zwei und zwei und fragte sie aus wie Kinder, legte ihnen allerlei tiefe Fragen aus dem Gesetz vor und sie konnten sie nicht beantworten. Sie waren ganz beschämt und zornig, stießen sich aneinander, murrten und fingen an hinwegzugehen. Jesus führte sie auch an die bedeckte Grube, wohin die Opferabfälle geworfen wurden, ließ sie aufdecken und sagte von ihnen in einem Gleichnis, dass sie wie die Grube seien, inwendig voll Unrat und Verwesung, zum Opfer nicht tauglich, äußerlich sauber zugedeckt und zwar hier, an einer Stelle, von welcher um der Sünden ihrer Voreltern willen das Heiligtum gewichen sei. Sie gingen alle ergrimmt von dem Ort hinweg.

In der Synagoge lehrte Jesus besonders viel von der Ehrfurcht vor dem Alter und der Liebe gegen die Eltern. Er lehrte sehr strenge davon, denn die Leute von Silo hatten einen üblen Gebrauch seit langem in ihrer Stadt: die Eltern, wenn sie sehr alt wurden, zu verachten, zurückzusetzen und zu verstoßen.

Von Bethel welches gegen Mittag liegt, führt eine Straße hierher, Lebona liegt in der Nähe. Es kann von hier etwa acht bis neun Stunden bis Samaria sein. Der Prophet Jonas liegt in Silo begraben.

Als Jesus Silo auf der anderen Seite der Stadt zwischen Abend und Mitternacht verließ, trennten sich Andreas, Saturnin und Josephs von Arimathäa Neffen von Ihm und zogen voraus nach Galiläa. Jesus aber kam mit den anderen Johannesjüngern, die bei Ihm waren, vor Sabbat in Kibzaim an. Es liegt im Tal zwischen Ästen des Gebirges, das sich durchs Land in der Mitte hinzieht und hier sich schier wie eine Wolfsklaue bildet. Die Leute waren hier gut und freundlich und recht für Jesus eingenommen. Sie warteten auf Ihn. Es war eine Levitenstadt. Jesus kehrte neben der Schule bei einem Vorsteher ein.

Es kamen hierher auch Lazarus mit Martha und seinem alten Diener, ferner Johanna Chusa und der Sohn Simeons, der am Tempel angestellt war, um Jesus zu begrüßen. Sie waren auf der Reise zur Hochzeit nach Kana begriffen und wussten durch Botschaft, dass sie mit Jesus hier zusammentreffen würden. Jesus zeichnete Lazarus beim Empfang immer als einen besonders geliebten Freund aus. Doch hörte ich Ihn nie fragen: «was macht dieser oder jener deiner Verwandten oder Bekannten?»

Kibzaim liegt einsam in einem Bergwinkel versteckt. Die Einwohner leben von Obstbau, auch sind Zelt- und Teppichmacher und besonders viele Sohlenmacher hier. Es hielt Jesus den Sabbat hier und heilte mehrere Kranke durch Befehl. Es waren Wassersüchtige und Schwachsinnige, die auf kleinen Betten zu Ihm vor die Schule getragen wurden. Es war die Mahlzeit bei einem vornehmen Leviten. Nach dem Sabbat ging Jesus noch bis Sichar, wo Er spät ankam und in einer bestimmten Herberge übernachtete. Lazarus und seine Gesellschaft zog von Kibzaim gerade nach Galiläa.

Am andern Morgen früh ging Jesus von Sichar nordöstlich gegen Thebez. In Sichar oder Sichem konnte Er nicht lehren. Es waren keine Juden hier, sondern Samaritaner und noch eine Art Leute, die seit einer babylonischen Gefangenschaft oder einem Krieg hierher gekommen sind. Sie gehen zum Tempel nach Jerusalem, opfern aber nicht mit. Bei Sichem ist schönes Feld, das Jakob für seinen Sohn Joseph gekauft hatte. Ein Teil davon gehört schon dem galiläischen Herodes. Es ist durch das Tal eine Grenze mit einem Erdwall, Pfad und Pfählen gezogen.

Durch Thebez das eine ziemliche Stadt ist, geht eine Landstraße. Es ist Handel hier. Es kommen da Kamele durch, hoch bepackt. Es ist gar wunderlich anzusehen, wenn die hochbepackten Tiere wie kleine Türme langsam über den Berg steigen und der Kopf auf dem langen Hals vor der hohen Last hin und her schwankt. Sie handeln auch mit roher Seide. Die Leute in Thebez waren nicht bös und widersetzten sich Jesus nicht. Aber sie waren auch nicht einfach und kindlich, sie waren lau, so wie wohlhabende Handelsleute oft sind. Die Priester und Schriftgelehrten waren etwas sicher und neutral. Als Jesus in den Ort kam, erhoben Besessene und Irrsinnige ihr Geschrei: «Da kommt der Prophet aus Galiläa! Er hat Macht über uns, Er wird uns vertreiben!» Er gebot ihnen zµ ruhen und da wurden sie ruhig. Jesus kehrte hier bei der Synagoge ein und da Ihm die Leute folgten und Ihm Kranke brachten, heilte Er viele. Am Abend lehrte Er in der Schule und feierte das Fest der Tempelweihe mit, welches an diesem Abend begann. Es wurden in der Schule und in allen Häusern sieben Lichter angezündet. Auch draußen auf dem Feld und auf den Wegen bei Hirtenwohnungen waren kleine Büschel auf Stangen angezündet. Thebez lag recht wunderbar auf der Höhe. In einiger Entfernung konnte man die Gebirgsstraße durchziehen sehen und wie die belasteten Kamele darüber herab gingen. In der Nähe sah man dies nicht.

Andreas, Saturnin und Josephs Neffen waren von Silo schon nach Galiläa gezogen. Andreas war bei den Seinigen zu Bethsaida gewesen und hatte dem Petrus gesagt, dass er den Messias, der nun herauf nach Galiläa ziehe, wieder gefunden habe und dass er Petrus zu Ihm bringen wolle. Diese alle zogen nach Arbela, das auch Betharbel heißt, zu Nathanael Chased, der dort Geschäfte hatte und holten ihn ab, mit ihnen nach Gennabris zu gehen und das Fest dort zu feiern, denn da hatte Chased damals seinen Sitz in einem hohen Haus, das mit mehreren andern einzeln vor der Stadt lag. Sie sprachen vieles von Jesus und waren eigens von Andreas dahin zum Feste geführt, weil dieser viel auf Nathanael hielt, wie sie alle. Sie wollten dessen Meinung hören. Er wollte aber auf die ganze Sache nicht viel halten.

Lazarus hatte Martha und Johanna Chusa zu Maria nach Kapharnaum gebracht, wohin sie wieder von Kana gereist war und zog nun nach Tiberias mit Simeons Sohn wieder hinab, wo sie mit Jesus zusammentreffen wollten. Auch der Bräutigam von Kana zog dahin, dem Herrn entgegen. Dieser Bräutigam war der Sohn von Sobes Tochter, der Schwester Annas. Er hieß auch Nathanael und war nicht von Kana, sondern heiratete nach Kana. Die Stadt Gennabris war volksreich, es ging eine Landstraße durch. Es war viel Gewerbe und Handel darin, auch mit Seide. Sie lag ein paar Stunden von Tiberias ins Land, doch von Gebirgen getrennt, so dass man etwa südlich gehen und sich zwischen Emmaus und Tiberias gegen Tiberias wieder herum wenden musste. Arbel lag zwischen Sephoris und Tiberias.

4. Erste förmliche Berufung des Petrus, Philippus und Nathanael

Jesus brach vor Tag von Thebez auf und zog mit den Jüngern erst östlich, dann sich gegen Norden wendend am Fuß der Berge im Jordanstal gegen Tiberias zu. Er zog durch Abel-Mehula, einen schönen Ort. wo das Gebirge sich mehr nördlich wendet, die Geburtsstadt des Elisäus. Die Stadt zieht sich über einen Bergrücken und ich bemerkte den großen Unterschied der Fruchtbarkeit an der Sonnen- und Nordseite. Die Leute waren hier ziemlich gut. Sie hatten von Jesu Wunder zu Kibzaim und Thebez gehört. Sie hielten Ihn auf dem Wege auf und wünschten. Er möge hier bleiben und heilen. Es war schier ein Auflauf. Jesus verweilte nicht lange. Der Ort war etwa vier Stunden von Thebez. Jesus zog neben Scythopolis und dem Jordan hin.

Als Jesus von Abelmehula weiter reiste, kamen Ihm, während die andern Freunde schon in Gennabris waren, Andreas mit Petrus und Johannes bei einem Städtchen, etwa sechs Stunden von Tiberias, entgegen. Petrus war mit Johannes in der Gegend der Fischerei wegen gewesen. Sie wollten auch nach Gennabris. Andreas aber beredete sie, erst dem Herrn entgegen zu gehen. Andreas führte nun seinen Bruder zu Jesus und dieser sprach unter andern Reden zu ihm: «Du bist Simon des Jonas Sohn, künftig wirst du Kephas heißen.» Es geschah dieses nur kurz in der Ansprache. Zu Johannes sagte Er etwas vom nächsten Wiedersehen. Hierauf zogen Petrus und Johannes nach Gennabris. Andreas aber blieb bei Jesus, der von hier in die Umgegend von Tarichäa wandelte.

Johannes der Täufer hat nun seine Taufstelle diesseits des Jordan verlassen und ist über den Jordan gezogen und hat da zu taufen fortgefahren, etwa eine Stunde über Bethabara, wo Jesus neulich taufen ließ und Johannes selbst früher getauft hatte. Er tat dies, weil viele Leute aus dem Lande des Tetrarchen Philippus, der ein gutmütiger Mann war, sich wollten taufen lassen, aber nicht gern über den Jordan gingen, besonders da auch viele Heiden darunter waren und weil durch Jesu letzte Anwesenheit in dieser Gegend viele Leute zur Taufe erweckt waren. Auch um zu zeigen, dass er nicht von Jesus getrennt sei, taufte er nun auf demselben Platz.

Als Jesus mit Andreas in die Nähe von Tarichäa kam, kehrte Er in einem zur Fischerei dem Petrus gehörigen Hause nahe am See ein, wo Andreas die Herberge schon bestellt hatte. In die Stadt ging Jesus nicht. Die Einwohner hatten etwas Finsteres, Widerwärtiges und waren sehr auf Wucher und Gewinn. Simon, der hier ein Amt hatte. war mit Thaddäus und Jakobus der Kleinere, seinen Brüdern, auf dem Fest in Gennabris, wo auch Jakobus Major und Johannes waren. Lazarus, Saturnin und Simeons Sohn kamen hier zu Jesus und auch der Bräutigam von Kana. Dieser lud Jesus und seine Begleiter auf seine Hochzeit.

Die Hauptursache, aus welcher Jesus ein paar Tage um Tarichäa verweilte, war, dass Er den künftigen Aposteln und Jüngern Zeit lassen wollte, sich die Gerüchte und das, was Andreas und Saturnin ihnen erzählt hatten, einander mitzuteilen und sich darüber zu verständigen. Ich sah auch. dass Andreas, während Jesus in der Gegend wandelte, in dem Hause blieb und mit einem Rohr Briefe auf Streifen von Baumbast schrieb. Man konnte das Geschriebene durch ein gespaltenes Holz zurückschieben und aufrollen. Es kamen in das Haus oft Männer und Jünglinge, welche Arbeit suchten. Andreas brauchte sie als Boten. Er schickte diese Briefe an Philippus und seinen Halbbruder Jonathan und nach Gennabris an Petrus und die andern, meldete ihnen, dass Jesus auf den Sabbat nach Kapharnaum kommen werde und beschied sie dahin. Von Kapharnaum aber kam eine Botschaft an Andreas, er möge Jesus doch bitten zu kommen, es warte schon mehrere Tage ein Bote aus Kades auf Ihn, der Ihn um Hilfe anflehen solle.

Jesus ging darauf mit Andreas, Saturnin, Obed und einigen Johannesjüngern von dem Fischerhause bei Tarichäa nach Kapharnaum, das nicht hart am See, sondern an der Höhe und Südseite eines Berges lag, der an der Abendseite des Sees ein Tal bildet, durch das der Jordan sich in den See ergießt. Jesus und die Seinigen wandelten verteilt. Andreas kam auf dem Wege mit seinem Stiefbruder Jonathan und mit Philippus zusammen, welche ihm auf seine Nachricht entgegen gekommen waren. Mit Jesus aber trafen sie nicht zusammen. Andreas sprach lebhaft mit ihnen. erzählte alles, was er von Jesus gesehen und beteuerte, Er sei wahrhaftig der Messias. Wenn sie Ihm folgen wollten, so brauchten sie Ihn gar nicht darum zu ersuchen. Sie sollten nur achtgeben. wenn sie es herzlich verlangten, werde Er sie mit einem Wink. einem Wort aufnehmen.

Maria und die heiligen Frauen waren nicht in Kapharnaum selbst, sondern in Marias Wohnung im Tal vor Kapharnaum gegen den See zu und hielten dort das Fest. Die Söhne der Maria Kleophä und Jakob der Größere und sein Bruder Johannes und Petrus, waren aber von Gennabris schon dort hingekommen, wie auch andere künftige Jünger. Chased (Nathanael), Thomas, Bartholomäus und Matthäus waren nicht dort, sonst aber viele andere Verwandte und Freunde der Heiligen Familie, welche nach Kana zur Hochzeit geladen waren und den Sabbat hier feierten, weil sie von Jesus gehört hatten.

Jesus wohnte mit Andreas, Saturnin, einigen Johannesjüngern, Lazarus und Obed in einem Haus, das dem Bräutigam Nathanael gehörte, dessen Eltern nicht mehr lebten, die ihm ein großes Erbe hinterlassen hatten.

Die von Gennabris hierher gekommenen künftigen Jünger hielten sich noch in einer gewissen Scheu zurück, denn sie schwankten teils zwischen der Autorität, welche das Urteil Nathanael Chaseds bei ihnen hatte und den großen Dingen, die Andreas und die andern Johannesjünger ihnen von Jesus gesagt hatten, teils hielt sie Blödigkeit und Andreas zurück, der ihnen gesagt. sie brauchten sich nicht anzutragen. sie sollten nur seine Lehre hören. sie werden dann schon bewegt werden.

Zwei Tage hatte der Mann aus Kades hier auf Jesus gewartet. Er nahte sich Ihm nun. warf sich zu seinen Füßen und sagte, er sei der Knecht eines Mannes von Kades. Sein Herr flehe Ihn (Jesus) an, mit ihm zu kommen und sein Söhnchen zu heilen, das den Aussatz und einen stummen Teufel habe. Es war dieser ein sehr getreuer Knecht und er stellte den Kummer seines Herrn mit großer Teilnahme vor. Jesus sagte ihm aber, dass Er nicht mitreisen könne. Dem Kind jedoch solle geholfen werden, denn es war ein schuldloser Knabe. Er sagte dem Knecht, sein Herr solle sich über seinen Sohn mit ausgebreiteten Armen legen und etwas Gewisses beten, dann werde der Aussatz von ihm weichen. Hierauf solle er. der Knecht, sich über den Knaben hinlegen und ihn anhauchen und es werde ein blauer Dampf von dem Knaben ausgehen, da werde er auch von der Stummheit geheilt sein. Ich hatte einen Blick, wie der Vater und der Knecht auf diese Weise den Knaben heilten.

Es waren bei dem Befehl, dass der Vater und der Knecht sich über das kranke Kind hinstrecken sollten. gewisse geheime Ursachen. Der Knecht war der eigentliche Vater des Kindes. was jedoch der Herr nicht wusste. Jesus aber wusste dies. Beide mussten eine Schuld von dem Kinde nehmen.

Die Stadt Kades lag etwa sechs Stunden von Kapharnaum an den Grenzen gegen Tyrus zu, gegen Abend von Paneas. sie war eine ehemalige Hauptstadt der Kananiter und jetzt eine Freistadt, wo sich vom Gericht Verfolgte hinflüchteten. Sie grenzte an eine Gegend, die Chabul heißt und die von Salomon dem König von Phönizien geschenkt wurde. Ich sehe diesen Strich immer dunkel, finster und unheimlich und dass Jesus ihn immer vermied, wenn Er nach Tyrus und Sidon ging. Ich meine, es wurde Mord und Räuberei dort getrieben.

Als Jesus am Sabbat in der Synagoge lehrte, waren ungemein viele Menschen versammelt und alle Freunde und Verwandten Jesu. Seine Lehre war den Leuten ganz neu und hinreißend. Er sprach von der Nähe des Reiches Gottes, von dem Licht, das man nicht unter den Scheffel stellen müsse, vom Sämann und vom Glauben gleich einem Senfkorn. Es waren dies aber nicht bloß jene Parabeln, sondern eine ganz andere Ausführung derselben. Die Parabeln waren nur kurze Beispiele und Gleichnisse, die Er aussprach und seine Lehre daraus ausführte. Ich habe zwar wohl mehrere Parabeln in seinen Lehren gehört, als im Evangelium vorkommen. Aber diese waren es, welche Er sehr oft wiederholte. jedoch immer wieder anders ausführte.

Nach Sabbatsschluss ging Jesus neben der Synagoge in ein kleines Tal mit seinen Jüngern, das wie ein Spazierplatz oder ein Absonderungsort war. Es standen Bäume vor dem Eingang und in dem Tal. Die Söhne der Maria Kleophä, des Zebedäus und andere Jünger gingen mit Ihm. Philippus aber, der scheu und demütig war. zögerte zurückbleibend und wusste nicht, ob er wohl mit in das Tal gehen dürfte. Da wendete sich Jesus, der vor ihm herging, mit dem Haupt zu ihm und sagte: «Folge Mir nach!» und Philippus ging nun freudig mit den andern. Es waren etwa zwölf.

Jesus lehrte an diesem Ort unter einem Baum von der Nachfolge und seiner Berufung. Andreas, der ungemein eifrig und begeistert war, dass die andern alle so überzeugt, als er von der Messiaswürde Jesu sein möchten und der sich freute, dass die Lehre Jesu am Sabbat alle so hingerissen hatte, hatte das Herz so voll, dass er, wo es sich fügte, den andern nochmals alles beteuerte, was er von Jesu Taufe und andern Wundern gesehen.

Ich hörte auch, dass Jesus den Himmel zum Zeugen anrief, sie würden noch größere Dinge sehen und dass Er von seiner Sendung von dem himmlischen Vater sprach.

Er sprach auch von ihrer Nachfolge: sie sollen bereit sein. Wenn Er sie rufe, sollen sie alles verlassen! Er wolle für sie alle sorgen und sie sollten keinen Mangel leiden. Sie mögen ihr Gewerbe immer noch treiben, denn Er werde Ostern, welche herannahen, noch erst anderes tun. Wenn Er sie aber rufen werde, sollen sie unbekümmert folgen. Solche Erklärungen tat Er auf unbefangene Fragen der Anwesenden: wie sie es mit den ihrigen halten sollten? So z. B. erwähnte Petrus, er könne doch seinen alten Stiefvater (Philipps Oheim) jetzt nicht gleich verlassen. Doch hob Jesus alle diese Besorgnisse schon durch die Erklärung, dass Er vor dem Osterfest nicht beginnen werde, dass sie sich von ihrem Gewerbe, nur insoweit als ihr Herz daran hänge, gleich trennen sollten. äußerlich könnten sie es treiben, bis Er sie rufe, einstweilen sollen sie die Übergabe ihrer Geschäfte vorbereiten. Nachher ging Er mit ihnen an dem entgegengesetzten Ende des Tales hinaus zum Wohnort seiner Mutter in der Häuserreihe zwischen Kapharnaum und Bethsaida. Die näheren Verwandten folgten dahin, ihre Mütter waren auch dort.

Tags darauf ging Jesus mit den Jüngern und Verwandten sehr früh nach Kana zu. Maria und die andern Frauen gingen den geraden kürzeren Weg allein. Es war nur ein schmaler Pfad und lief mehr über Gebirge. Die Frauen gingen mehr über solche Pfade, weil sie dort einsamer wandelten. Sie bedurften auch keiner breiten Pfade, weil sie gewöhnlich in einer Reihe hintereinander gingen. Voraus und nachfolgend in einiger Entfernung ging ein Führer. Ihr Weg lief ungefähr sieben Stunden von Kapharnaum zwischen Mittag und Abend.

Jesus machte mit seinen Begleitern einen Umweg über Gennabris, welcher Weg breiter und mehr zum Lehrwandel geeignet war. Denn Jesus stand oft still, deutete und erklärte etwas. Der Weg Jesu lief südlicher als Mariä Weg, er betrug von Kapharnaum ungefähr sechs Stunden nach Gennabris und wendete sich von dort gegen Abend drei Stunden bis Kana.

Gennabris war eine schöne Stadt. Es war eine Schule und eine Synagoge, auch eine Redeschule und viel Handel dort. Nathanael hatte sein Schreiberamt vor der Stadt in einem hohen Haus, es waren noch einige Häuser darum her. Nathanael kam nicht zur Stadt, obschon ihn seine Freunde, die Jünger, dazu aufforderten.

Jesus lehrte hier in der Synagoge und nahm mit einem Teil der Jünger einen Imbiss bei einem reichen Pharisäer. Andere der Jünger waren schon voraus gezogen. Zu Philippus hatte Jesus gesagt, er solle zu Nathanael gehen und ihn auf dem Weg zu Ihm bringen.

Jesus wurde sehr ehrenvoll hier in Gennabris behandelt. Die Leute wünschten. Er möge doch länger bei ihnen bleiben und sich der Kranken erbarmen, Er sei auch ihr Landsmann. Er ging aber bald wieder fort gegen Kana.

Indessen war Philippus bei Nathanael in dem Schreibereihaus. Es waren mehrere Schreiber darin. Er selber saß in einer Stube oben. Philippus hatte zuvor nie mit Nathanael von Jesus gesprochen, weil dieser nicht mit den andern zu Gennabris gewesen war. Er war gut mit ihm bekannt und sprach sehr begeistert und freudig von Jesus: Er sei der Messias, von dem die Weissagungen sprechen. Sie hätten Ihn nun gefunden. Jesus von Nazareth, den Sohn Josephs!

Nathanael war ein heiterer, rascher, doch fester und auf seiner Meinung bestehender Mann, dabei aber sehr redlich und aufrichtig. Er sagte zu Philippus: «Was kann von Nazareth besonders Gutes kommen?» denn er kannte wohl den Ruf der Nazarethaner, dass da ein widerwärtiger Geist und nicht viel Weisheit in den Schulen war. Er dachte, ein Mann. der dort seine Bildung geholt habe, könne höchstens seine gutmütigen einfacheren Freunde, nicht aber ihn und seine Ansprüche an Gelehrsamkeit befriedigen. Philippus aber sagte zu ihm, er solle kommen und sehen, wer Er sei. Er werde gleich auf dem Weg nach Kana hier vorbeiziehen. Nun ging Nathanael mit Philippus herab auf dem kurzen Weg, an dem das Haus von der Landstraße nach Kana abseits lag und Jesus stand mit einigen Jüngern still, wo dieser Weg in die Landstraße einläuft. Philippus war sehr erfreut und vertraulich, seit ihn Jesus gerufen hatte, so schüchtern er vorher gewesen. Er sagte laut, indem er sich mit Nathanael Jesus näherte: «Rabbi! da bringe ich den, welcher fragte, was kann Gutes von Nazareth kommen?» Jesus sprach aber zu den Jüngern, die bei Ihm standen, indem Nathanael vor Ihn trat: «Sieh da! ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist!» Das sagte Jesus ganz freundlich und liebevoll und Nathanael sagte: «Woher kennst Du mich?» Er wollte damit sagen: woher weißt Du, dass ich wahr und ohne Falschheit bin, da wir uns nie gesprochen haben? Da sagte Jesus zu ihm: «Eh dich Philippus gerufen hat, sah Ich dich, als du unter dem Feigenbaum standest» und bei diesen Worten blickte ihn Jesus auf eine ganz rührende, erinnernde Art an.

Da erwachte auf diesen Blick plötzlich die Erinnerung in Nathanael. dass Jesus derjenige Vorüberwandelnde sei, dessen ernster warnender Blick ihn mit einer wunderbaren Stärkung getroffen, als er unter einem Feigenbaum auf den Spielplätzen der warmen Bäder mit Versuchung kämpfend nach schönen Frauen geschaut hatte, welche an einer Seite der Wiese um Früchte spielten. Die Gewalt jenes Blickes und der Sieg, den Nathanael ihm zu verdanken hatte, war ihm gegenwärtig geblieben, das Bild jenes Mannes vielleicht nicht. Oder hatte er auch Jesus gleich wieder erkannt, so konnte er sich doch nicht denken, dass jener Blick Absicht desselben gewesen. Jetzt aber, da sich Jesus darauf berief und ihn wieder scharf anblickte, war er sehr erschüttert und gerührt. Er fühlte, dass Jesus vorüberwandelnd damals seine Gedanken gesehen und ihm ein schützender Engel gewesen. Denn er war so reinen Herzens, dass ein unreiner Gedanke ihn schon sehr betrübte. Er sah daher augenblicklich in Jesus seinen Retter und Heiland und dieses Erkennen seiner Gedanken durch Jesus war seinem aufrichtigen, raschen und dankbaren Herzen genug, Ihn augenblicklich freudig vor allen Jüngern anzuerkennen. Er demütigte sich vor Jesus gleich nach jenen Worten und sagte: «Rabbi, Du bist Gottes Sohn. Du bist der König Israels!» Da sagte Jesus: «Du glaubst schon, weil Ich sagte, Ich hätte dich unter dem Feigenbaum gesehen. Wahrlich, du wirst noch Größeres als das sehen!» und dann sagte Er noch beteuernd zu allen: «Wahrlich! wahrlich! Ihr werdet den Himmel sich auftun sehen und die Engel Gottes über dem Menschensohn auf- und niedersteigen!» Die andern Jünger aber verstanden den eigentlichen Sinn der Worte Jesu vom Feigenbaum nicht, wussten nicht, warum Nathanael Chased so schnell seine Gesinnung änderte. Die Ursache blieb auch allen als eine Gewissenssache verborgen, außer dem Johannes, dem Nathanael sie auf der Hochzeit zu Kana anvertraute. Nathanael fragte Jesus, ob er gleich alles verlassen und Ihm folgen solle, er habe einen Bruder, dem wolle er sein Amt übergeben. Jesus sagte ihm, was Er gestern abends den andern gesagt und lud ihn ein, Ihm nach Kana zur Hochzeit nachzukommen.

Dann setzten Jesus und die Jünger den Weg nach Kana fort. Nathanael Chased aber ging nach Hause zurück, sich zur Hochzeit zu rüsten, wo er am folgenden Morgen hinkam.

5. Hochzeit zu Kana

Kana an der Abendseite eines Hügels gelegen, ist ein angenehmer reinlicher Ort, kleiner als Kapharnaum. Es ist eine Synagoge mit drei Priestern dort. In der Nähe der Synagoge ist das öffentliche mit einem Vorhof und mit Lauben umgebene Festhaus, wo die Hochzeit gehalten wird. Von diesem Haus bis an die Synagoge sind Lauben und grüne Bogen gespannt, die mit Kränzen und Früchten behängt sind. Als Festhalle dient der aus dem Vorhof bis zur Feuerstelle führende Raum des Hauses. Diese Feuerstelle, eine hohe gestufte Mauer, welche jetzt wie ein Altar mit Gefäßen, Blumen und Geschenken für die Brautleute geschmückt ist, hat ungefähr noch ein Drittteil des Raumes hinter sich, wo die Frauen beim Hochzeitsmal abgesondert sitzen. Über dem Raum sieht man die mit Kränzen verzierten Balken des Hauses, zu denen man aufsteigen kann, um die daran befestigten Lampen anzuzünden.

Als Jesus mit seinen Jüngern vor Kana ankam, wurde Er von Maria, von den Brauteltern, dem Bräutigam und anderen, welche Ihm entgegen gegangen waren, sehr ehrerbietig empfangen. Er wohnte mit seinen vertrauteren Jüngern und namentlich mit den nachmaligen Aposteln in einem einzelnen Haus, welches der Mutter-Schwester des Bräutigams gehörte, die ebenfalls eine Tochter der Sobe, Annas Schwester, war. Sie vertrat bei der ganzen Feierlichkeit Mutterstelle bei dem Bräutigam. Der Vater der Braut hieß Israel und stammte aus Ruth von Bethlehem. Er war ein wohlhabender Mann, der ein großes Frachtgeschäft. Packhäuser, große Herbergen und Futterplätze für Karawanen längs der Heerstraße und viele Unterbeamte hatte. Der ganze Wohlstand des Ortes war unter Israel und wenigen andern geteilt. Die meisten Einwohner lebten von dem Verdienst der Arbeit, in der sie bei Israel standen. Die Mutter der Braut war etwas lahm, hinkte auf einer Seite und musste geführt werden.

Aus Galiläa waren alle Verwandten der heiligen Anna und Joachims, im ganzen über hundert Gäste, in Kana vereinigt. Von Jerusalem kamen Maria Markus, Johannes Markus, Obed und Veronika. Jesus selber brachte an Jüngern wohl fünfundzwanzig Gäste.

Wohl hatte Jesus schon in seinem zwölften Jahr bei der Kindermahlzeit im Hause der heiligen Anna, da Er von dem Tempel zurückkam, dem Bräutigam nach einigen geheimnisvollen Reden über Brot und Wein gesagt, dass Er einstens auf seiner Hochzeit erscheinen werde. Allein seine jetzige Teilnahme an dieser Hochzeit hatte doch, wie jedes andere Ereignis seines irdischen Wandels außer der höheren geheimnisvollen Ursache auch ihre äußerlichen, scheinbar gewöhnlichen Veranlassungen. Schon mehrmals hatte Maria Jesus durch Boten gebeten, auf diese Hochzeit zu kommen. Es war nach menschlicher Weise unter den Verwandten und Bekannten der Heiligen Familie das Gerede entstanden: Maria, seine Mutter, sei eine verlassene Witwe. Er ziehe durch das Land, kümmere sich nicht um sie und seine Familie. Er wollte darum auf die Hochzeit mit seinen Freunden kommen und ihr Ehre antun. Die Hochzeit wurde als eine eigene Sache von Ihm angesehen und Er hatte einen Teil des ganzen Festes über sich genommen. Darum war Maria schon so früh da und half, alles einzurichten. Jesus hatte übernommen, allen Wein auf der Hochzeit zu liefern, weshalb Maria so sorglich sagte, dass es an Wein fehle. Jesus hatte auch Lazarus und Martha, welche Maria in der Anordnung beistanden, nach Kana beschieden. Und Lazarus war es, der, was Jesus und Maria allein bekannt war, jenen Teil der Kosten trug, welche Jesus übernommen hatte. Jesus hatte ein großes Vertrauen zu ihm. Er empfing alles gern von ihm und dieser war selig, alles zu geben. Lazarus war auch bis zuletzt wie der Schatzmeister der Gemeinde. Er wurde während des ganzen Festes als ein besonders vornehmer Herr von dem Brautvater mit Auszeichnung behandelt, der sich persönlich viel um seine Bedienung bemühte. Lazarus war sehr fein gesittet, ernst, ruhig und mit freundlicher Zurückhaltung in seinem Benehmen. Er redete wenig und achtete stets mit Innigkeit auf Jesus.

Außer dem Wein hatte Jesus auch einen Teil des Mahles übernommen, nämlich die vorzüglicheren Speisen, Früchte und allerlei Vögel und Kräuter. Für alles dieses war gesorgt. Veronika hatte von Jerusalem einen Korb mit wunderbaren Blumen und kunstvollem Zuckerwerk mitgebracht. Jesus war wie der Herr des Festes. Er leitete alle Vergnügungen und würzte sie mit Lehren. Er teilte auch die ganze Festordnung ein und sagte, dass alle an diesen Tagen nach Brauch und Sitte sich ergötzen, aber aus allem in ihrer Freude Weisheit ziehen sollten. Unter anderem sagte Er, dass sie täglich zweimal das Haus verlassen wollten, um im Freien sich zu unterhalten.

So sah ich die Hochzeitsgäste, Männer und Frauen getrennt, in einem Lustgarten mit Unterredung und Spiel sich unterhalten. Die Männer lagen im Kreis an der Erde, in ihrer Mitte waren allerlei Früchte, welche sie nach gewissen Regeln sich zuwarfen und zutrieben, dass sie in gewisse Gruben, Kreise fallen sollten, welches wieder andere zu verhindern suchten. Ich sah Jesus dieses Spiel mit Früchten mitspielen mit einem freundlichen Ernst. Er sagte oft mit Lächeln ein weises Wort, das alle bewunderten, oder still gerührt aufnahmen, oder einzelne nicht verstanden und sich von klügeren erklären ließen. Er hatte die inneren Spielkreise und Gewinne geordnet und verteilte sie mit schönen oft ganz wunderbaren Bemerkungen. Jüngere Anwesende liefen und sprangen über Laubgehänge und Früchte. Die Frauen saßen allein und spielten auch mit Früchten, die Braut saß immer zwischen Maria und des Bräutigams Tante.

Auch eine Art Tanz wurde gehalten. Kinder musizierten und sangen Chöre dazwischen. Alle Tanzenden hatten Tücher in der Hand, mit welchen sich Männer und Jungfrauen berührten, wenn sie in Reihen oder geschlossenen Kreisen tanzten. Ohne diese Tücher berührten sie sich nie. Bei Braut und Bräutigam waren diese Tücher schwarz, bei den anderen gelb. Der Bräutigam und die Braut tanzten zuerst allein und dann tanzten alle zusammen. Die Jungfrauen waren verschleiert, doch war der Schleier über dem Gesicht etwas gelüftet, ihre Kleider waren hinten lang und vorn mit Schnüren etwas geschürzt. Der Tanz war kein Hüpfen und Springen, wie bei uns, mehr ein Wandeln in allerlei Linien und dabei bewegten sie sich oft auch mit Händen, Kopf und Leib nach der Musik. Es erinnerte mich an das Bewegen der pharisäischen Juden beim Gebet. Aber es war durchaus anmutig und ehrbar. Von den nachmaligen Aposteln tanzte keiner mit. Aber Nathanael Chased, Obed, Jonathan und andere Jünger. Die Tänzerinnen waren nur Jungfrauen. Alles war ungemein ordentlich und ruhigfreudig.

Mit jenen Jüngern, welche nachmals seine Apostel wurden, sprach Jesus in diesen Tagen viel allein. Die anderen Jünger waren nicht dabei zugegen. Jesus wandelte aber auch mit allen Jüngern und Gästen in der Gegend umher und lehrte und die nachmaligen Apostel legten wieder andern die gehörten Lehren Jesu aus. Dieses Wandeln der Gäste diente, dass man die Zubereitungen zum Fest desto ungestörter machen konnte. Doch waren mehrere Jünger und auch Jesus manchmal im Haus und bei den Zurüstungen, um dies oder jenes anzuordnen. Und weil mehrere darunter waren, welche ein Geschäft bei dem Brautzuge hatten.

Jesus wollte an diesem Fest allen seinen Freunden und Verwandten sich zu erkennen geben und wollte, dass alle, die Er bis jetzt erwählt hatte, sich untereinander und den Seinigen in der größeren Offenheit bei einem Fest bekannt würden.

Auch in der Synagoge, wo alle Gäste versammelt waren, lehrte Jesus von der Freude erlaubter Ergötzung, ihrer Bedeutung, ihrem Maße, ihrem Ernst, ihrer Weisheit. Dann auch von der Ehe, von Mann und Frau, von der Enthaltung und Keuschheit und der geistlichen Ehe. Am Schluss der Lehre trat das Brautpaar vor Jesus und Er belehrte sie einzeln.

Trauung. Spiel der Frauen. Lostafel der Männer

Am dritten Tag nach Jesu Ankunft war morgens ungefähr 9 Uhr die Trauung. Die Braut wurde von den Brautjungfern aufgeputzt. Ihre Kleidung war auf die Art, wie das Kleid der Mutter Gottes bei ihrer Hochzeit, ebenso auch ihre Krone, nur war diese reicher verziert. Das Netz ihrer Haare war aber nicht fein in einzelnen Linien verbunden, sondern mehr in dickeren Strängen. Als ihre Kleidung fertig war, wurde sie der Heiligen Jungfrau und den andern Frauen gezeigt.

Von der Synagoge aus wurde Braut und Bräutigam zum Festhaus abgeholt und von da zur Synagoge gebracht. Es waren sechs Knaben und sechs kleine Mägdlein, die Kränze trugen, bei dem Zug, dann sechs erwachsenere Knaben und Mädchen mit Pfeifen und anderen Instrumenten. Sie hatten an den Schultern gesteiftes Zeug, wie Flügel. Außerdem begleiteten die Braut zwölf Jungfrauen als Brautführerinnen und den Bräutigam zwölf junge Männer. Bei diesen war Obed, Veronikas Sohn, Josephs von Arimathäa Vettern und Nathanael Chased, auch einige Johannesjünger, aber keiner der nachmaligen Apostel.

Die Trauung geschah vor der Synagoge durch die Priester. Die Ringe, die sie wechselten, hatte der Bräutigam von Maria zum Geschenk erhalten und Jesus hatte sie bei seiner Mutter gesegnet. Merkwürdig war mir bei der Trauung, was ich bei der Trauung Josephs und Maria nicht beobachtet. Der Priester verwundete den Bräutigam und die Braut mit einem spitzen Instrumente an der Stelle des linken Ringfingers, wo der Ring hinzustecken kam. Er ließ von dem Bräutigam zwei, von der Braut einen Tropfen Blut in einen Becher Wein tröpfeln, welchen sie gemeinschaftlich austranken und den Becher weggaben. Es wurden dann noch manche andere Sachen, Tücher und Kleidungsstücke an dabeistehende Arme verschenkt. Als die Brautleute zum Festhaus zurückgebracht waren, empfing sie Jesus daselbst.

Vor dem Hochzeitsmahl sah ich alle wieder in dem Lustgarten versammelt. Die Frauen und Jungfrauen saßen in einer Laubhütte auf Decken und spielten um Früchte. Sie hatten abwechselnd ein dreieckiges Täfelchen auf dem Schoß, das am Rande mit Buchstaben beschrieben war. Sie drehten einen Zeiger auf der Tafel und je nachdem dieser stehen blieb, hatten sie gewisse Gewinne.

Für die Männer sah ich aber ein wundervolles Spiel durch Jesus selbst in dem Lusthaus zubereitet. In der Mitte des Hauses war eine runde Tafel mit ebenso vielen Portionen von verschiedenen Blumen. Kräutern und Früchten am Rande besetzt, als Mitspielende da waren. Diese Früchte hatte Jesus vorher ganz allein nach allerlei tiefsinnigen Bedeutungen geordnet. Über dieser Tafel lag eine andere bewegliche runde Scheibe mit einem Loch. Wenn diese Scheibe umgedreht wurde, kam das Loch über eine der Fruchtportionen zu stehen und diese gewann nun der Drehende als sein Los. In der Mitte der Tafel stand eine Weinrebe voll Trauben über einem Bund Weizenähren hervorragend, der sie umgab und je länger der Tisch gedreht wurde, um so höher stieg der Weinstock und Weizenbusch empor. Die nachmaligen Apostel und auch Lazarus spielten nicht mit. Ich erhielt auch darüber die Weisung: wer schon die Berufung habe zu lehren oder etwas mehr als die andern wisse, der solle nicht mitspielen, sondern die Ereignisse des Spiels beobachten und mit lehrreichen Anwendungen würzen und so das Ernste in der Heiterkeit hervorheben.

Es war aber in diesem von Jesus geordneten Spiel etwas ganz wunderbares und mehr als zufälliges. Denn das Los, das jedem Spielenden zufiel, war ganz bedeutend auf seine Eigenschaften, Fehler und Tugenden. Und Jesus legte einem jeden sein Los nach der Zusammenstellung der Früchte aus. Jedes Los ward zu einer Parabel über den Gewinnenden und ich fühlte, dass sie wirklich innerlich etwas mit diesen Früchten erhielten. So sehr nun alle einzeln gerührt und erweckt wurden durch die Worte Jesu und vielleicht auch durch den Genuss der Früchte, indem deren Bedeutung nun wirkend in sie überging, so war doch, was Jesus über jedes Los sagte, für alle andern, die es nicht betraf, ganz unverfänglich und nur ein erheiterndes und bedeutungsvolles Wort. Jeder einzelne fühlte aber einen tiefen Blick des Herrn in sein Inneres. Es war derselbe Fall, wie bei Jesu Rede zu Nathanael vom gesehen haben unter dem Feigenbaum, was ihn so tief traf und den andern verborgen blieb.

Ich erinnere mich noch, dass auch Reseda unter den Kräutern war und dass Jesus bei dem Lose Nathanaels Chased zu ihm sagte: «Siehst du nun wohl, dass Ich recht gesagt, Du seist ein wahrer Israelit ohne Falsch.»

Ein Los sah ich aber ganz wunderbar wirkend. Der Bräutigam Nathanael gewann eine merkwürdige Frucht. Es waren zwei Früchte an einem Stiel. Die eine glich mehr einer Feige, die andere mehr einem gekerbten Apfel und war hohl. Sie war rötlich, inwendig weiß und rot gestreift. Ich habe solche im Paradies gesehen.

Ich weiß nur, dass alles sehr erstaunte, als der Bräutigam diese Frucht gewann und dass Jesus von der Ehe und Keuschheit sprach und von der hundertfältigen Frucht der Keuschheit und dass dieses alles doch so gesprochen war, dass es die jüdischen Vorstellungen von der Ehe nicht verletzte, dass es aber einige Jünger, z. B. Jakobus der Kleinere, die Essener waren, noch tiefer verstanden.

Ich sah, dass die Anwesenden über dieses Los sich noch mehr verwunderten, als über die andern und dass Jesus ungefähr sagte, es könnten diese Lose, diese Früchte wohl noch größere Früchte tun, als ihre Bedeutung wunderbar scheine. Als der Bräutigam dieses Los für sich und die Braut gezogen und als beide davon genossen hatten, sah ich ihn sehr bewegt werden und erbleichen und einen dunklen Schatten von ihm weichen, so dass er mir viel heller und reiner, ja wie durchsichtig im Vergleich mit vorher erschien. Auch die Braut, die entfernt unter den Frauen saß, wurde nach dem Genuss der gelosten Frucht wie ohnmächtig, indem auch von ihr ein dunkler Schatten sich ablöste. Die Frucht, welche das Brautpaar genossen, hatte Beziehung auf die Keuschheit.

Mit den einzelnen Losen waren auch bestimmte Genugtuungen verbunden. So erinnere ich mich, dass Braut und Bräutigam etwas aus der Synagoge holen und gewisse Gebete verrichten sollten. Das Kraut, was Nathanael Chased gelost hatte, war ein Büschchen Ampfer.

Auch bei allen andern Jüngern, welche Lose genommen und davon gegessen hatten, erwachten ihre eigentümlichen Leidenschaften, widerstrebten ein wenig und wichen von ihnen, oder sie wurden im Kampf gegen dieselben gestärkt. Es ist ein gewisses übernatürliches Geheimnis in allen Früchten und Kräutern, was seit dem Fall des Menschen und der Natur mit ihm ein natürliches Geheimnis geworden, von dessen früherem Inhalt nur noch ein Begriff in der Bedeutung, der Gestalt, dem Geschmack und der Wirkung dieser Geschöpfe übrig ist. In Gesichten und auf himmlischen Tafeln erscheinen diese Früchte nach ihrer Bedeutung vor dem Fall, doch auch nicht immer ganz klar. Es ist nun alles zu verwirrt durch unsern Verstand und gewöhnlichen Lebensgebrauch derselben.

Als die Braut ohnmächtig wurde, nahm man ihr mehrere beschwerlichere Putzkleidungsstücke ab und mehrere Ringe von den Fingern, deren sie viele hatte. Unter andern zog man ihr eine goldene Trichterspitze von dem Mittelfinger, die wie ein Fingerhut darauf saß und sonst auch Ketten und Spangen von Arm und Brust, um sie zu erleichtern. Sie behielt nichts an sich von Schmuck, als den Trauring am linken Ringfinger, welchen ihr die Heilige Jungfrau geschenkt hatte und um den Hals ein Gehänge von Gold, schier wie ein gespannter Bogen gestaltet. In der großen Fläche war eine braune Masse, wie die am Trauring Marias und Josephs eingelegt und darauf eine liegende Figur abgebildet. welche eine Blumenknospe vor sich hielt und betrachtete.

Nach dem Spiel im Garten folgte das Hochzeitsmahl. Der Raum des Festhauses vor der geschmückten Feuerstelle war durch zwei niedere Schirmwände so, dass die zu Tisch liegenden Gäste sich sehen konnten, in drei Räume geteilt, in deren jedem eine schmale lange Tafel stand. Jesus lag im mittelsten Raum oben an der Tafel mit den Füßen gegen die geschmückte Feuerstelle zu. An diesem Tisch saßen Israel, der Brautvater, die männlichen Verwandten Jesu und der Braut und auch Lazarus. An den Seitentafeln saßen die andern Hochzeitsgäste und Jünger. Die Frauen saßen in dem Raum hinter der Feuerstelle, konnten aber alle Worte des Herrn hören. Der Bräutigam diente zu Tisch. Es war jedoch auch ein Speisemeister mit einer Schürze da und einige Diener. Bei den Frauen diente die Braut und einige Mägde.

Als die Speisen aufgetragen waren, wurde auch ein gebratenes Lamm vor Jesus gesetzt. Es hatte die Füße kreuzweise gebunden. Als nun der Bräutigam Jesu ein Kästchen brachte, worin die Zerlegmesser lagen, sagte Jesus zu ihm allein, er solle sich jener Kindermahlzeit zum Osterfeste erinnern, da Er eine Parabel von einer Hochzeit erzählt und ihm gesagt hatte, Er werde auf seine Hochzeit kommen. Dieses werde mit dem heutigen Tage erfüllt. Der Bräutigam wurde dadurch sehr ernsthaft, denn er hatte auf jenes Ereignis ganz vergessen. Jesus war bei dem Mahl, wie während der ganzen Hochzeit, sehr heiter und zugleich lehrreich. Er begleitete jede Handlung des Mahles mit einer Auslegung ihrer geistigen Bedeutung. Er sprach auch von der Fröhlichkeit und festlichen Aufheiterung. Er erwähnte, der Bogen müsse nicht immer gespannt sein, ein Feld müsse durch Regen erquickt werden. Er sagte Parabeln darüber. Als Jesus das Lamm zerlegte, erzählte Er besonders wunderbare Dinge. Er sprach vom Trennen des Lammes von der Herde, vom auserwähltwerden, nicht zur Lust, sondern um zu sterben. Dann vom Braten, vom ablegen der Rohheit durch das Feuer der Reinigung, dann vom zerlegen der einzelnen Glieder: so müssten die, welche dem Lamme folgen wollten, sich auch trennen von den innigst fleischlich Verwandten. Und als Er die einzelnen Stücke herumreichte und sie das Lamm nun aßen, sagte Er: also von den seinigen getrennt und zerteilt werde das Lamm in ihnen allen eine sie gemeinsam verbindende Nahrung. So auch müsse, wer dem Lamm folge, seiner Weide entsagen, seinen Leidenschaften absterben, von den Gliedern seiner Familie sich trennen und eine Nahrung und Speise der Vereinigung werden durch das Lamm und in seinem himmlischen Vater. Jeder Gast hatte einen Teller oder Brotkuchen vor sich. Jesus legte auch eine dunkelbraune Platte mit gelbem Rande vor, die herumgereicht wurde. Ich sah Ihn manchmal ein Büschchen Kraut in der Hand halten und darüber lehren.

Jesus hatte den zweiten Gang des Hochzeitsmahls und auch den Wein zu bestreiten übernommen es war für alles durch seine Mutter und Martha gesorgt. Als nun der zweite Gang, bestehend aus Vögeln, Fischen. Honigbereitungen, Früchten und einer Art Backwerk, welches Veronika mitgebracht hatte, auf den Seitentisch aufgetragen war, trat Jesus hinzu und schnitt jedes Gericht an. Dann legte Er sich wieder zu Tisch. Die Gerichte wurden aufgetragen, der Wein aber fehlte. Jesus lehrte. Da nun die heilige Jungfrau, welcher dieser Teil des Mahles zu besorgen oblag, sah, dass der Wein mangle, so ging sie zu Jesus und erinnerte Ihn, dass Er ihr gesagt. Er werde für den Wein sorgen. Jesus, der von seinem himmlischen Vater lehrte, erwiderte: «Frau, bekümmere dich nicht! mache dir und Mir keine Sorge! meine Stunde ist noch nicht gekommen.» Es war dies keine Härte gegen die Heilige Jungfrau. Er sprach zu ihr «Frau» und nicht «Mutter», weil Er in diesem Augenblick als Messias, als der Sohn Gottes, eine geheimnisvolle Handlung vor seinen Jüngern und allen Verwandten ausüben wollte und in göttlicher Kraft anwesend war.

In solchen Augenblicken, wo Jesus als das eingefleischte Wort handelte, wird ein jeder dadurch, dass er als der genannt ist, der er ist, mehr gewürdigt und in der Heiligkeit der Handlung gewissermassen durch die Nennung seines Namens, wie mit einer Würde, einem Amt belehnt. Maria war cie «Frau», welches Den geboren, der hier als ihr Schöpfer an den Wein gemahnt wird für seine Geschöpfe, denen Er zeigen will, dass Er der Sohn Gottes. und nicht, dass Er der Sohn Marias ist. Als Er am Kreuz starb und sie weinte, sagte Er auch: «Frau, siehe das ist dein Sohn!» auf Johannes deutend. Da Jesus ihr gesagt, Er werde für den Wein sorgen, tritt Maria hier auf in ihrer Würde als Mittlerin und Fürsprecherin und stellt Ihm den Mangel des Weines vor. Der Wein aber, den Er geben wollte, war mehr als Wein im gewöhnlichen Sinne, er bezog sich auf das Geheimnis des Weines, den Er einst in sein Blut verwandeln wollte. Er sagte daher: meine Stunde ist noch nicht gekommen, erstens, dass Ich den versprochenen Wein gebe, zweitens, dass Ich Wasser in Wein verwandle, drittens, dass Ich den Wein in mein Blut verwandle. Maria war nun nicht mehr besorgt für die Gäste der Brautleute. Sie hatte ihren Sohn gebeten und darum sagte sie zu den Dienern: «Tut alles, was Er euch sagen wird.»

Es ist dasselbe, als wenn die Braut Jesu, die Kirche, zu Ihm betet: «Herr, deine Söhne haben keinen Wein» es sagte Jesus zu ihr nicht Braut, sondern «Kirche bekümmere dich nicht, sei nicht beunruhigt, meine Stunde ist noch nicht gekommen!» und als sagte die Kirche zu den Priestern: «Beobachtet alle seine Winke und Befehle, denn Er wird euch helfen.»

Maria sagte also zu den Dienern, sie sollten die Befehle Jesu erwarten und erfüllen. Nach einiger Zeit befahl Jesus den Dienern, die leeren Krüge vor Ihn zu bringen und umzukehren. Sie brachten die Krüge heran, es waren drei Wasser- und drei Weinkrüge. und zeigten, dass sie leer waren, indem sie dieselben umgewendet über ein Becken hielten. Jesus befahl ihnen, sie allesamt mit Wasser zu füllen. Sie trugen sie fort zum Brunnen, der sich in einem Kellergewölbe befand und aus einem steinernen Wasserkasten und einer Pumpe bestand. Die Krüge waren groß und schwer von Erde. An einem vollen hatten zwei Mann an den beiden Henkeln des Kruges zu tragen. Sie hatten mehrere mit Zapfen geschlossene Röhren von oben nach unten. Und wenn das Getränk bis zu einer gewissen Höhe geleert war, wurde der niedere Zapfen geöffnet und dieser Ausguss gebraucht. Die Krüge wurden beim ausgießen nicht gehoben, sondern nur auf ihren hohen Füßen etwas gesenkt.

Die Mahnung Marias geschah leise, die Antwort Jesu laut, ebenso der Befehl, Wasser zu schöpfen. Als die Krüge gefüllt mit Wasser alle sechs bei dem Speise- oder Schenktisch aufgestellt waren, ging Jesus dahin und segnete die Krüge. Und als Er wieder zu Tisch lag, sagte Er: «Schenkt ein und bringt dem Speisemeister einen Trunk!» Da nun dieser den Wein versuchte, ging er zu dem Bräutigam und sagte, sonst gebe man den guten Wein zuerst und wenn die Gäste berauscht seien, dann gebe man gewöhnlich schlechteren. Er aber habe den köstlichen Wein zuletzt gegeben. Er wusste nicht, dass dieser Wein von Jesus zu besorgen übernommen war, wie dieser ganze Teil des Mahles, was allein nur der Heiligen Familie und der Hochzeitsfamilie bekannt war. Da tranken auch der Bräutigam und der Brautvater mit großem Erstaunen die Diener beteuerten, dass sie Wasser geschöpft und die Trinkgefäße und Becher auf den Tafeln gefüllt hätten. Nun tranken alle. Es war aber kein Lärm über das Wunder, es war eine Stille und Ehrfurcht in der ganzen Gesellschaft und Jesus lehrte viel über dieses Wunder. Er sagte unter anderem: die Welt gebe den starken Wein zuerst und betrüge die Berauschten mit schlechten Getränken, so aber nicht das Reich, welches sein himmlischer Vater Ihm gegeben. Das reine Wasser werde da zu köstlichem Wein, wie die Lauigkeit zum Geist und starkem Eifer werden müsse. Er sprach auch von der Mahlzeit, welche Er in seinem zwölften Jahr nach der Rückkehr von der Lehre im Tempel mit mehreren der hier Anwesenden als Knaben gefeiert und wie Er damals von Brot und Wein gesprochen und eine Parabel von einer Hochzeit erzählt habe, wo das Wasser der Lauigkeit in den Wein der Begeisterung verwandelt werde und wie dieses nun vollbracht sei. Dann sprach Er auch, dass sie größere Wunder erleben würden. Er werde mehrere Ostern halten und an den letzten Ostern werde Wein in Blut und Brot in Fleisch verwandelt werden Er werde bei ihnen bleiben und sie trösten und stärken bis ans Ende. Auch würden sie nach jenem Mahl Dinge an Ihm geschehen sehen, welche sie jetzt nicht verstehen könnten, so Er sie ihnen sagte. Er sagte dieses alles nicht so plan hin, sondern es war in Parabeln gehüllt, welche ich vergessen habe, es war aber dies der Sinn davon. Sie hörten alles mit Scheu und Verwunderung. Alle aber waren wie verwandelt durch diesen Wein ich sah, dass sie nicht durch das Wunder allein, sondern auch mit dem Wein selbst, wie früher durch die Früchte, innerlich eine wesentliche Stärkung und Veränderung empfangen hatten. Alle seine Jünger, seine Verwandte und alle Festgenossen waren nun überzeugt von seiner Macht und Würde und seiner Sendung. Sie glaubten alle an Ihn und in allen war dieser Glaube gleich verbreitet und sie waren alle besser und einig und innig geworden, die von dem Wein getrunken hatten. So war Er hier zum ersten Mal in seiner Gemeinde es war das erste Zeichen, welches Er in derselben und für dieselbe zu seiner Bestätigung in ihrem Glauben getan. Darum auch wird es als erstes Wunder in seiner Geschichte erzählt, wie das Abendmahl als das letzte, wo sie bereits glaubten.

Am Schluss des Mahles kam der Bräutigam noch zu Jesus allein und sprach mit Ihm sehr demütig und erklärte Ihm, wie er aller Begierde sich abgestorben fühle und gern mit seiner Braut in Enthaltung leben möge, so sie es ihm gestatte auch die Braut kam zu Jesus allein und sagte dasselbe und Jesus rief sie beide zusammen und sprach mit ihnen von der Ehe und der gottgefälligen Reinheit und den hundertfältigen Früchten des Geistes. Er sprach von vielen Propheten und heiligen Leuten, welche keusch gelebt und dem himmlischen Vater ihr Fleisch geopfert und wie sie viele verlorene Menschen, die sie zum Guten zurückgeführt, gleich geistlichen Kindern gewonnen hätten wie ihre Nachkommenschaft groß und heilig sei. Er sprach dies alles im Sinn von zerstreuen und von sammeln. Und sie taten ein Gelübde der Enthaltung, als Bruder und Schwester zu leben auf drei Jahre. Sie knieten vor Jesus und Er segnete sie.

Am Abend des vierten Tages der Hochzeit wurden Braut und Bräutigam in ihr Haus eingeführt mit einem feierlichen Zug. Es ward dabei ein Leuchter getragen mit brennenden Lichtern, welche einen Buchstaben darstellten. Kinder gingen vor dem Zug und trugen auf Zeug-Bahnen eine offene und eine geschlossene Blumenkrone und zerpflückten dieselben vor dem Hause der Brautleute und streuten sie umher. Jesus war in dem Haus und segnete sie. Die Priester waren zugegen. Seit dem Wunder Jesu bei dem Mahl waren sie ganz demütig und ließen Ihn alles verrichten.

Am Sabbat lehrte Jesus zweimal in der Synagoge von Kana. Er sprach auch von dem Hochzeitsfest und von dem Gehorsam und der frommen Gesinnung des Brautpaares. Als Er die Synagoge verließ, ward Er von Leuten, die sich vor Ihm niederwarfen, um Hilfe für Kranke angerufen.

Er tat hier zwei wunderbare Heilungen. Ein Mann war von einem Turm herabgestürzt. Er war tot und hatte alle Glieder zerschmettert. Jesus trat zu ihm, legte ihm die Glieder in Ordnung, berührte die Brüche und befahl ihm, aufzustehen und nach Hause zu gehen, welches er tat, nachdem er gedankt hatte. Er hatte Frau und Kinder. Er ward auch zu einem Besessenen geführt, der an einen Stein gefesselt war und befreite ihn. Er heilte auch Wassersüchtige und eine blutflüssige Frau, die eine Sünderin war. Es waren sieben, die Er heilte. Die Leute hatten nicht kommen dürfen während des Festes. Da aber verlautete, Er würde nach dem Sabbat wegziehen, so ließen sie sich nicht mehr halten. Die Priester ließen Ihn nach dem Wunder auf der Hochzeit alles tun diese Wunder geschahen in ihrer Gegenwart allein. Die Jünger waren nicht dabei.

6. Jesus in Kapharnaum und am See Genesareth

Nach dem Sabbat ging Jesus in der Nacht mit seinen Jüngern nach Kapharnaum. Der Bräutigam, sein Vater und mehrere andere begleiteten Ihn ein Stück Weges. Die Armen hatten sehr viel bei dem Hochzeitsmahl erhalten. Denn nichts kam zweimal auf den Tisch, alles wurde gleich ausgeteilt.

Ich sah schon vor dem Sabbat auf zwei Fasttage, welche danach eintraten, vorausgekocht. Alles Feuer wurde zugesetzt und die überflüssigen Fenster geschlossen. Die Wohlhabenden haben Stellen am Herde, wo unter heißer Asche alles warm bleibt. Diese Fasten hielt Jesus in Kapharnaum, wo Er auch in der Synagoge lehrte. Zweimal des Tages wurden Ihm Kranke gebracht, die Er heilte. Die Jünger aus Bethsaida gingen nach Hause und kamen teils wieder. Er ging auch in der Gegend umher und lehrte. In der Ruhezeit war Er bei Maria.

Andreas, Saturnin, Aram, Themeni und Eustachius wurden von Jesus an die große, von Johannes verlassene Taufstelle am Jordan diesseits von Jericho gesandt, wo sie nun taufen werden. Jesus begleitete sie ein Stück Weges und ging dann nach Bethulien. wo Er heilte und lehrte. Hierauf wandelte Er sieben bis acht Stunden zurück bis nordwestlich von Kapharnaum gegen Hanathon, in dessen Nähe ein Lehrberg ist. Die Höhe dieses Berges war langsam ansteigend wohl eine Stunde. Es war eine förmliche Einrichtung zum Lehren auf demselben. Ein steinerner erhöhter Lehrstuhl, mit Pfählen umgeben, konnte mit einem großen Zeltdach gegen Sonne und Regen überspannt werden. Der Raum des Zeltdaches umfasst sehr viele Menschen. Es wurde nach jeder Lehre wieder mit hinabgetragen. Auf dem Bergrücken liegen noch drei Hügel, unter denen der Berg der Seligkeiten. Wo Jesus lehrte, ist eine große Aussicht. Man sieht das galiläische Meer unter sich liegen und kann weit umher bis gegen Nazareth sehen. Der Berg ist an einzelnen Stellen bewachsen und angebaut, der Gipfel aber, wo Jesus lehrte, nicht. Es ist der Umfang desselben mit der Grundlage einer zerstörten Mauer umgeben, in welcher noch Überreste von Türmen zu sehen sind. Um den Berg herum liegen die Orte Hanathon, Bethanat und Nejel welche den Eindruck machen, als seien sie einmal eine sehr große Stadt im Zusammenhang gewesen.

Jesus hatte drei Jünger bei sich, einen Sohn der Tante des Bräutigams von Kana, einen Sohn der anderen Witwe und der Halbbruder des Petrus Jonathan. Durch diese waren die Leute auf den Lehrberg berufen worden. Jesus lehrte hier von der Verschiedenheit des Geistes der Menschen, jedes Ortes, ja der einzelnen Familien und von dem Geist, den sie durch die Taufe empfingen, wodurch sie einig würden untereinander durch Buße, Genugtuung und Versöhnung und einig mit dem himmlischen Vater. Er sagte ihnen auch, woran sie erkennen könnten, in welchem Grad sie den Heiligen Geist in der Taufe empfangen hätten. Er lehrte auch über das Gebet und einzelne Bitten ich wunderte mich, dass Er schon über einzelne Bitten des Vaterunsers lehrte, da Er doch dasselbe noch nicht ausgesprochen hatte. Diese Lehre dauerte von Mittag bis Abend, da Er nach Bethanat herab ging, wo Er übernachtete. Die Nacht zuvor war Er in Hanathon gewesen.

Am folgenden Tag ging Jesus von Bethanat in der Richtung gegen den See. Es waren in Bethanat noch fünf Johannesjünger zu Ihm gekommen, die nördlich von Apheka, der Vaterstadt des heiligen Thomas, aus einer Gegend am Mittelmeer waren. Sie waren lange bei Johannes gewesen und schlossen sich nun an Jesus.

Gegen Mittag sah ich Jesus mit den Jüngern auf einem Hügel zwischen dem Einfluss des Jordan und Bethsaida, etwa eine halbe Stunde vom See. Sie hatten die Aussicht auf den See und sahen Petrus und Johannes und Jakobus auf ihren Schiffen auf dem See. Petrus hatte ein großes Schiff, worauf seine Knechte waren. Er selbst war auf einem kleinen, das er lenkte. Johannes und Jakobus mit ihrem Vater hatten auch ein großes Schiff und kleinere. Ich sah auch das Schiff des Andreas. Es war nur klein und bei des Zebedäus Schiffen. Er selber war aber jetzt am Jordan. Als die Jünger die Freunde auf dem See erblickten, wollten sie hinab, um sie zu rufen. Jesus aber befahl ihnen zu bleiben. Ich hörte auch, dass sie sagten: «wie können diese Männer da nun noch herumfahren und fischen, nachdem sie gesehen, was Du getan und Deine Lehre gehört?» und dass Jesus ihnen sagte: «Ich habe sie noch nicht gerufen. Sie haben ein großes Gewerbe und besonders Petrus, wovon viele Menschen leben. Ich habe ihnen gesagt, so zu tun und sich zu bereiten, bis Ich sie rufe. Ich werde bis dahin noch vieles tun und auch noch zu Ostern nach Jerusalem gehen.»

An der Abendseite des Hügels standen etwa sechsundzwanzig Wohnungen, meistens von Fischern und Landleuten. Als Jesus da hinein ging, lief Ihm ein Besessener nach und schrie: «Da geht Er! Da kommt Er der Prophet, vor dem wir fliehen müssen!» Und es umgaben Ihn bald noch viele andere Besessene und schrieen und rasten und auch Leute, welche sie begleiteten, folgten ihnen. Jesus befahl ihnen ruhig zu sein und Ihm zu folgen. Er ging auf den Hügel und lehrte. Es waren wohl hundert Menschen mit den Besessenen um Ihn. Er lehrte auch von den bösen Geistern und wie ihnen Widerstand zu leisten sei und von Besserung des Lebens. Die Besessenen wurden befreit, sie wurden sehr still, weinten, dankten und sagten, sie wüssten nicht, wie ihnen vorher gewesen. Es waren diese Unglücklichen, unter denen einige aneinander geschlossen gewesen, aus verschiedenen Orten der Gegend hierher gebracht worden, weil die Leute gehört hatten, es käme der Prophet daher, der so heilig sei wie Moses. Sie hätten Jesus verfehlt, wenn einer sich nicht losgerissen und nach geschrieen hätte.

Jesus ging von hier zu seiner Mutter zwischen Kapharnaum und Bethsaida. Ersteres lag nicht weit von diesem Hügel etwas nördlicher. Am Abend, da der Sabbat begann, lehrte Jesus in der Synagoge von Kapharnaum. Sie hatten noch eine besondere Feier, die sich auf Tobias bezog, der in dieser Gegend gewesen war und viel Gutes getan hatte. Er hatte auch Güter an die Schulen und Synagogen hinterlassen. Jesus lehrte von der Dankbarkeit.

Nach dem Sabbat ging Jesus wieder zu seiner Mutter, mit welcher Er sich allein unterhielt, selbst einen Teil der Nacht hindurch. Er sprach von seinem künftigen Wandel, wie Er nun an den Jordan ziehe, an Ostern nach Jerusalem, wie Er dann die Apostel berufen und ganz öffentlich auftreten werde. Wie man Ihn in Nazareth verfolgen werde und von seiner folgenden Laufbahn und auf welche Weise sie und die anderen Frauen daran teilnehmen würden. Es war damals im Hause Marias eine schon sehr bejahrte Frau, dieselbe arme, verwandte Witwe, welche ihr in die Krippenhöhle als Magd von Anna war gesandt worden. Sie war so alt, dass Maria mehr ihr diente, als sie Maria.

Mit den acht Jüngern trat nun Jesus die Reise zum Jordan zum Taufort an. Sie nahmen vor Anbruch des Tages ihren Weg zur Morgenseite des Sees und kamen wieder über den Hügel. von wo aus sie die Schiffe der Apostel gesehen hatten. Über den Jordan, der in einem tiefen Bett floss, gingen sie etwa eine halbe Stunde vor seinem Einfluss in den See auf einer steilen hohen Brücke. Jenseits dieses Übergangs, in dem Winkel gegen den See zu, liegt ein kleiner Fischerort, mit vielen ausgebreiteten Netzen umgeben, er heißt Klein-Chorazin. Eine kleine Stunde nördlicher vom See ab liegt Bethsalda-Julias. Gross-Chorazin liegt ein paar Stunden östlich vom See. Hier war Matthäus Zöllner.

Jesus reiste an dem östlichen Seeufer hinab und blieb in Hippos über Nacht. Am anderen Morgen zog Er an Gadara vorüber, heilte in der Nähe dieser Stadt einen Besessenen, der an Stricken Ihm nachgeführt wurde, sich aber losriss und entsetzlich schrie: «Jesus! Du Sohn Davids! Jesus! wo willst Du hin? Du willst uns vertreiben!» Da stand Jesus still und befahl dem Teufel zu schweigen und von diesem Menschen zu weichen und wo er hinweichen sollte.

Ein paar Stunden von Gadara ging Jesus an den Jordan, fuhr hinüber und reiste. Scythopolis zu seiner Linken lassend, abendlich mittagswärts. Er kam über den Berg Hermon nach Jezrael einer Stadt, die an der Abendseite die Ebene Esdrelon hat. Jesus heilte hier sehr viele Leute öffentlich vor der Synagoge, hielt sich aber nur wenige Stunden in Jezrael auf, so dass Magdalena, welche auf die Bitten Marthas mit ihr auf dem Weg hierher sich befand, um Jesus zu sehen. bei ihrer Ankunft Ihn nicht mehr fand. Sie hörte nur von seinen Wundern aus dem Munde der Geheilten. Es trennten sich hier die Schwestern und Magdalena ging nach Magdalum zurück.

Danach sah ich Jesus in dem Ort Hay, nicht weit von Bethel und vom Taufplatz etwa neun Stunden entfernt. Der Ort war in früher Zeit einmal zerstört, aber kleiner wieder aufgebaut worden. Er lag ziemlich versteckt. Jesus heilte und lehrte hier.

Unter den Pharisäern des Ortes waren solche, welche bei der Lehre des zwölf jährigen Knaben Jesus im Tempel zugegen gewesen. Sie sprachen davon und legten es als eine Heuchelei aus, dass Er damals in einer Synagoge der Gelehrten sich unter die Schüler an die Erde gelegt, mit ihnen disputiert und dann die Lehrer gefragt habe, als wolle Er Unterweisung gegen die Reden seiner Gegner, z. B. «was meint ihr davon - unterrichtet uns - wann wird der Messias kommen?» Und so habe Er sie in allerlei Äußerungen gelockt und dann alles besser wissen wollen. Ob Er nicht dieser sei? fragten sie Ihn.

7. Jesus lässt am Jordan taufen

Von Hay zog Jesus an den vormaligen Taufort des Johannes, drei Stunden von Jericho am Jordan. Andreas und viele Jünger waren Ihm etwa eine Stunde weit entgegen gegangen. Es waren noch mehrere Jünger von Johannes und einige von Nazareth hier. Einzelne der Jünger gingen dann zum kleinen Ort Ono, etwa eine Stunde vom Taufort, und meldeten, dass Jesus den Sabbat hier feiern und heilen werde. Sie sprachen davon, dass Jesus die Lehre und das Werk des Johannes fortführe und deutlicher und kräftiger vollende, wozu Johannes den Grund gelegt. Vor Ono hatte Jesus eine eigene Herberge, etwa eine halbe Stunde vom Taufort entfernt. Lazarus hatte sie für Jesus gekauft und einen Mann dahin gesetzt, der die Speise bereitete. Doch Jesus aß gewöhnlich kalt. Diese Herberge diente Jesus zum Aufenthaltsort, wenn Er in dieser Gegend verweilte und von hier aus zog Er an verschiedene Orte im Umkreis, um zu lehren und zu taufen. Als Er zum Sabbat nach Ono kam, lehrte Er in der Synagoge und heilte viele Kranke, die herbeigebracht wurden, unter anderen eine ganz abgezehrte blutflüssige Frau.

Herodes hatte sich in letzter Zeit oft bei Johannes eingefunden, der ihn immer als einen Ehebrecher mit Verachtung behandelte. Herodes fühlte innerlich das Recht des Johannes. Aber seine Frau war wütend gegen diesen. Johannes lehrte nun immer von Jesus, taufte keinen mehr, sondern sendete alle über den Jordan hinüber zu Jesu Taufe.

Durch die von Kana aus an den Taufort vorausgeschickten Jünger war auf Jesu Anordnung vieles verändert worden und es wurde überhaupt alles nun feierlicher und ordentlicher gehalten als bei Johannes. Die Überfahrt war wegen des Zusammenlaufes des Volkes weiter stromabwärts verlegt, der große Taufzirkus des Johannes um einen Teich unter freiem Himmel war entfernt. Die Stelle, wo nun Jesus durch Andreas, Saturnin und abwechselnd durch die andern Jünger taufen ließ, während Er lehrte und die Täuflinge vorbereitete, war auf der kleinen Insel, wo Jesus getauft worden war, unter einem großen Zelt errichtet. Der Taufbrunnen Jesu auf dieser Insel war sehr verändert. Die fünf verdeckten Kanäle aus dem Jordan in diesen Brunnen waren aufgedeckt und die vier Steine aus demselben herausgenommen und auch der große, dreieckige, rotgeaderte Stein am Rand desselben, auf welchem Jesus gestanden, als der Heilige Geist über Ihn kam. Diese waren alle in die neue Taufstelle gebracht.

Dass die Stelle, wo Jesus getauft worden war, jene war, wo die Bundeslade gestanden, dass die Steine in dem Taufbrunnen jene waren, worauf sie im Jordansbett geruht, war nur Johannes und Jesus bekannt, ohne dass sie davon gesprochen hätten. So wusste es nun auch der Herr allein, dass es diese Steine waren, die nun den Taufstein bildeten. Die Juden hatten längst die Ruhestellen dieser Steine vergessen und es war den Jüngern nichts davon bekannt gemacht. Andreas hatte in den dreieckigen Stein ein rundes Becken ausgehauen und dieser lag auf den vier untergesetzten Steinen in einer Grube voll Wasser, welche diesen Taufstein wie einen Graben umgab, in welchen Wasser aus dem Taufbrunnen Jesu gebracht war. Das Wasser in dem dreieckigen Stein war auch daher und Jesus segnete es. Wenn die Täuflinge in den Graben um das dreieckige Becken stiegen, reichte ihnen dieses bis zur Brust.

Neben dieser Taufstelle war eine Art Altar, worauf die weißen Taufhemden lagen. Zwei Jünger legten den Täuflingen die Hände auf die Schultern und Andreas oder Saturnin oder manchmal ein anderer taufte sie dreimal mit der hohlen Hand aus dem Becken über ihr Haupt schöpfend im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die, welche tauften und die Hände auflegten, hatten weiße lange Röcke und Gürtel an und von den Schultern lange weiße Bahnen, wie breite Stolen niederhängen. Johannes taufte mit einer dreirinnigen, drei Wasserstrahlen gießenden Schale und sprach andere Worte von Jehova und seinem Gesandten. Es ist kein von Johannes Getaufter hier wieder getauft worden. Aber ich meine nach der Sendung des Heiligen Geistes bei der Taufe am Teiche Bethesda wurden sie wieder getauft. Auch hier ward noch keine Frau getauft. Das Taufen mit dreimaligem Untertauchen sah ich erst am Teich Bethesda anfangen.

Über dem Taufbecken war eine Öffnung im Zelt. Die Täuflinge standen an den Seiten, der Taufende und die Paten an den Ecken des Steines.

Jesus lehrte draußen auf einem erhöhten Lehrplatz, über den auch in der Hitze ein Zelt gespannt war, von der Taufe, der Buße und der Nähe des Reiches und vom Messias, wo sie Ihn suchen sollten: nicht unter den Vornehmen, sondern unter Geringen und Armen. Er nannte diese Taufe eine Abwaschung, die Johannestaufe eine Taufe zur Buße. Er sprach auch von einer Feuertaufe des Geistes, welche noch kommen werde.

Die Bäume und Sträuche, welche Johannes laubenförmig um die Taufinsel Jesu gepflanzt hatte, waren oben schön zusammen gezogen und der Baum im Taufbrunnen ragte daraus hervor. Ich sah auf seinem Gipfel eine Figur hervorragen wie ein Kindchen, das mit ausgebreiteten Ärmchen aus einem Weinstock wächst und mit der einen Hand gelbe Äpfel, mit der andern Rosen austeilt. Sie war ein Teil des Festschmuckes zur Feier des Beginnes der Taufe Jesu.

Jesus ist mit mehreren Jüngern von dem Taufort mittagwärts, gegen Abend vom toten Meer in die Gegend hingegangen, wo sich Melchisedech aufgehalten, als er den Jordan und die Berge abgemessen. Er hatte lange vor Abraham Vorfahren desselben dahin gebracht. Ihre Stadt aber ist mit Sodom und Gomorrha zugrunde gegangen. Jetzt sah man hier in einer dunkeln, durch schwarze, zerrissene Felsen und große Höhlen wüsten Gegend, die sich ungefähr eine halbe Stunde vom toten Meer landeinwärts dehnte, allerlei zerbrochene Mauern und halbe Türme der verwüsteten Stadt Hazezon Thamar. Da, wo jetzt das tote Meer ist, war vor dem Untergang jener gottlosen Städte nur der Jordan. Er war etwa eine Viertelstunde breit. Die Leute, die jetzt mehr landeinwärts in Höhlen und allerlei Ruinen angesiedelt sind, sind keine rechten Juden, sondern Sklaven aus dort durchziehenden Völkern, welche diesen die Feldarbeit tun müssen. Sie sind arm und demütig und sehr vernachlässigt. Sie haben sich Jesu Ankunft als eine unbegreifliche Gnade geschätzt und Ihn sehr liebevoll aufgenommen. Jesus hat viele geheilt.

In der jetzigen Zeit ist jene Gegend besser, als zu Jesu Zeit. Aber früher war sie unbeschreiblich schön und fruchtbar. Zu Abrahams Zeit ist sie durch Entstehung des toten Meeres aus einer der herrlichsten Gegenden zur Wüste geworden. Eine Menge von Städten und Städtchen hatten an dem mit Quadersteinen gemauerten Jordansufer gelegen und mitten und zwischen denselben die schönen Berge und Hügel. Alles war mit Dattelhainen, Weingärten, Früchten und Getreide überzogen. Die Herrlichkeit war gar nicht zu beschreiben. Der Jordan hatte sich, ehe das tote Meer entstand, unterhalb seiner großen Breite zwischen den versunkenen Städten in zwei Arme geteilt, der eine wendete sich ostwärts und nahm allerlei Wasser auf, der andere floss der Wüste zu, durch welche die Flucht nach Ägypten gegangen ist und floss bis in die Gegend von Mara, wo Moses die bittere Quelle versüßte und woher Annas Voreltern gewesen. Zwischen den Städten waren Salzbergwerke, das Wasser war aber nicht salzig. Es waren viele Springquellen dort.

Noch ferne in der nachmaligen Wüste haben die Völker das Jordanwasser getrunken und geehrt.

Die früh von Melchisedech nach Hazezon versetzten Vorfahren Abrahams sind sehr entartet und Abraham ward durch ein zweites Erbarmen Gottes zum gelobten Land geführt. Melchisedech ist hier gewesen, als der Jordan noch gar nicht da war. Er hat alles abgemessen und bestimmt. Er ist oft gekommen und gegangen und hat manchmal ein paar Leute, wie Sklaven bei sich gehabt.

Danach wandelte Jesus mit seinen Jüngern in der Richtung gegen Bethlehem durch ein Stück des Tales der Hirten nach Beth-Araba, drei Stunden vom Taufort. Er war schon einmal hier gewesen, als Er nach der Taufe die Hirten besuchte. Der Ort lebt von durchziehenden Karawanen und ist etwa vier Stunden von Bethanien. Er liegt auf den Grenzen von Juda und Benjamin.

Es waren hier viele Besessene, die vor dem Ort umherliefen und schrieen, da Jesus nahte. Er befahl ihnen, sich zu bedecken sie hatten sich in wenigen Minuten Schürzen von Laub gemacht. Jesus heilte sie und schickte aus dem Ort Leute, welche ihnen Kleider brachten. Es waren solche dabei, die plötzlich hoch aufgetrieben wurden.

Andreas und fünf andere Jünger waren hierher dem Herrn vom Taufort voraus gegangen und hatten gesagt, dass Er hier den Sabbat feiern werde. Er wohnte mit den Jüngern in einer Herberge allein, wie solche freie Herbergen damals immer in Städten für reisende Lehrer und Rabbiner waren. Auch Lazarus, Joseph von Arimathäa und andere von Jerusalem waren hierher gekommen.

Jesus lehrte in der Synagoge und auf einem steinernen Lehrstuhl, auf freiem Platz und an allen Ecken und Wegen. Denn es waren sehr viele Menschen hier, welche die Schule nicht fassen konnte. Er heilte sehr viele Kranke von mancherlei Art. Die Jünger führten sie herbei und machten ihnen Raum im Gedränge. Lazarus und Joseph von Arimathäa standen in der Ferne.

Am Schluss des Sabbats ging der Herr mit den Jüngern noch nach Ono zurück. Er kam durch den kleinen Ort Bethagla, wohin die Kinder Israels, als sie über den Jordan zogen, auch gekommen sind. Denn sie gingen nicht an einer Stelle, sondern in großer Breite über das trockene Flussbett. Als sie hier ankamen, ordneten sie die Kleidung und schürzten sich. Jesus kam auch an dem Bundesladenstein vorüber, wo Johannes das Fest gehalten hatte.

Lazarus und Joseph von Arimathäa kehrten nach Jerusalem zurück. Nikodemus war nicht gekommen, er hielt sich wegen seines Amtes mehr zurück. Aber er diente Jesu heimlich und meldete nachher der Gemeinde immer alle Gefahr.

Tags darauf war der erste und ich sah, dass in Jerusalem die dienende Klasse und die Beamten einen arbeitsfreien Tag hatten. Es war wie ein Freudenfest. Es war Ruhetag und es wurde heute nicht getauft.

Auf den Dächern der Synagogen hingen am Neumondsfest Fahnen an langen Stangen aus. Sie waren von Knoten unterbrochene Tücher, zwischen welchen Falten waren, die sich im Winde aufbauchten. Durch die Anzahl der Knoten zeigte man den Leuten in der Ferne an, der wievielte Monat eingetreten sei. Solche Fahnen wurden auch im Krieg als Zeichen des Sieges oder der Gefahr ausgesteckt.

Jesus bereitete durch Lehren den ganzen folgenden Tag viele Menschen zur Taufe vor, die sich schon gestern dort versammelt und umher gelagert hatten. Getauft wird auch heute nicht, da ein Fest wegen des Todes eines bösen Königs, (des Alexander Jannäus) gefeiert wird. Die Taufstelle ist sehr schön eingerichtet und geschmückt. Tags darauf begannen Andreas und die anderen Jünger früh die Taufe jener, welche Jesus gestern vorbereitet hatte.

Jesus aber ging mit Lazarus, welcher mit Obed, Simeons Sohn, gestern Abend wieder gekommen war mit diesem vom Taufort am Morgen früh zur Gegend von Bethlehem zwischen Bethagla und dem mehr abendlich liegenden Ophra, Jesus ging diesen Weg, weil Lazarus Ihm erzählen wollte, was man in Jerusalem von Ihm spreche weil Jesus ihn und durch ihn die Freunde unterrichten wollte, wie sie sich dabei verhalten sollten. Sie kamen auf dem Reiseweg Josephs und Marias nach Bethlehem ungefähr drei Stunden weit bis zu einer Reihe von armen Hirtenwohnungen in einsamer Gegend. Lazarus erzählte Jesus das Gerede in Jerusalem, wie man teils erbittert, teils spottend, teils neugierig von Ihm spreche wie sie sagten, sie wollen sehen, wenn Er auf Ostern zum Fest komme, ob Er dann auch so kühn sein werde mit seinen Wundern in einer großen Stadt wie beim unwissenden Volk und in Galiläa. Er erzählte Jesus auch, was die Pharisäer aus verschiedenen Orten von Ihm berichtet hätten und von ihrer Spioniererei. Jesus beruhigte ihn über all dieses und wies ihn auf allerlei Stellen in den Propheten, worin dies alles vorbedeutet sei. Er sagte ihm auch, dass Er noch etwa acht Tage am Jordan sein und dann wieder nach Galiläa ziehen werde, dass Er zu Ostern nach Jerusalem kommen, nachher aber seine Jünger berufen werde. Auch über Magdalena tröstete Er ihn, von der Er sagte, dass schon ein Funke des Heils in sie gefallen sei, der sie ganz entzünden werde.

Sie verweilten den Tag hindurch bei den Hirtenwohnungen, wo sie mit Brot, Honig und Früchten bewirtet wurden. Es wohnten hier etwa nur zwanzig Hirtenfrauen, Witwen, die einige erwachsene Söhne bei sich hatten, welche ihnen bei ihrem Alter behilflich waren. Ihre Wohnungen waren Zellen, etwas getrennt und teils von Reiserwerk, das noch lebendig wuchs. Es waren hier unter diesen Frauen einige, welche bei Christi Geburt in der Krippe angebetet und geopfert hatten. Jesus lehrte hier und ging in die einzelnen Hütten und heilte einige Frauen. Eine war sehr alt, krank und hager. Sie wohnte in einer kleinen Hütte und lag auf einem Lager von Laub, Jesus führte sie an der Hand heraus. Die Frauen hatten einen gemeinsamen Speise- und Betort.

Lazarus und Obed kehrten nach Jerusalem zurück. Jesus besuchte und heilte noch einige Kranke in der Gegend und gegen drei Uhr nach Mittag sah ich Ihn wieder am Taufort.

B. Jesus in Adummim und Nebo

Jesus ist mit den meisten seiner Jünger über Bethagla nach Adummim gegangen. Dieser Ort liegt ganz verborgen in einer schrecklich wilden Gegend von lauter Gebirgsschluchten, wo der Weg oft so schmal neben den Felsen hinläuft, dass kaum ein Esel gehen kann. Es liegt von Jericho etwa drei Stunden an der Grenze von Benjamin und Juda ganz versteckt. Ich habe es früher nie gesehen. Es liegt dieser Ort wunderbar steil. Er ist eine Freistatt für Verbrecher und Mörder gewesen, welche hier vor der Todesstrafe Schutz fanden. Sie sind entweder bis zu ihrer Besserung hier beobachtet oder nachher als Sklaven in Steinbrüchen und zu großen Bauarbeiten gebraucht worden. Der Ort hat deswegen der Steg der Roten, der Blutigen geheißen. Diese Freistätte ist schon vor David hier gewesen. Nach Jesus unter den ersten Verfolgungen der Gemeinde hat es geendet. Später wurde da ein Kloster, wie eine Festung von den ersten Ordensbrüdern des heiligen Grabes gebaut. (Sie versteht darunter jene Genossenschaft zur Bewahrung und Verehrung des heiligen Grabes, die sie unter den ersten Bischöfen von Jerusalem entstehen sah.) Die Leute lebten hier von Wein und Obstbau. Es war eine fürchterliche Wildnis von meist nackten Felsen; die Weinstöcke stürzten manchmal mit den Felsen nieder.

Der eigentliche Weg von Jericho nach Jerusalem ging nicht über Adummim, sondern gegen Abend dieses Ortes, von welcher Seite her man gar nicht hinein konnte. Den Weg von Bethagla her nach Adummim durchschnitt aber eine Straße aus dem Hirtental nach Jericho laufend etwa eine halbe Stunde vor Adummim. In der Nähe dieses Durchschnittes war eine sehr enge und gefährliche Passage. Und hier war eine Stelle durch einen steinernen Lehrstuhl bezeichnet, wo lange vor Christus die Parabel von dem Mann, der unter die Mörder gefallen und dem barmherzigen Samariter wirklich geschehen war. Als Jesus nach Adummim zog, ging Er mit seinen Jüngern ein Stückchen aus dem Weg hierher und lehrte auf dem Lehrstuhl vor den Jüngern und den versammelten Bewohnern der Gegend über das, was hier sich ereignet hatte. Er hatte den Sabbat in Adummim gefeiert und auch in der Synagoge gelehrt und eine Parabel erzählt, die sich auf die Wohltat der Freistätte für Verbrecher bezog hatte sie auf die Gnadenfrist der Buße auf dieser Erde angewandt. Er hat auch mehrere Leute besonders Wassersüchtige geheilt. Nach dem Sabbat ist Er mit den Jüngern zum Taufort zurückgegangen.

Am Abend des folgenden Tages ging Jesus mit seinen Jüngern zur Stadt Nebo, welche jenseits des Jordan am Fuß des mehrere Stunden aufsteigenden Berges Nebo liegt. Es waren Boten gekommen, die Ihn baten, dahin zu kommen und zu lehren. Es wohnte hier ein ganz vermischtes Volk, Ägypter und Israeliten, die sich früher mit Götzendienst befleckt haben, auch Moabiter. Sie waren durch die Lehre Johannes erweckt, getrauten sich aber nicht herüber zu Jesus Taufplatz. Ich meine, sie durften nicht. Sie waren unter den Juden wegen eines Verbrechens ihrer Voreltern, das ich nicht mehr weiß, sehr in Verachtung und durften nicht überall hin, nur an gewisse Orte. Sie kamen daher demütig zu Jesus und baten Ihn, bei ihnen zu taufen. Die Jünger nahmen Wasser aus dem Taufbrunnen in Schläuchen mit. Es blieben nur Wächter am Taufort.

Nebo liegt durch einen Berg getrennt eine halbe Stunde vom Jordan, von Machärus wohl 5 bis 6 Stunden. Es hatte keinen fruchtbaren Boden. Um nach Nebo zu kommen, muss man in die jenseitigen Ufer aufsteigen und dann wieder hinab. Dem Taufort gerade gegenüber ist das Ufer ein Berg kein Ort, noch eine Anfuhr. Jenseits des Uferberges ist Nebo. Es ist ziemlich groß und auf hügeligem Grund und durch ein Tal vom Berg Nebo getrennt. Es ist hier noch ein Heidentempel. Aber verschlossen, es ist etwas drum gebaut.

Jesus bereitete hier unter freiem Himmel auf einem Lehrstuhl die Täuflinge vor die Jünger tauften. Die Taufwanne war über eine Badzisterne aufgestellt, in welche die Täuflinge traten und welche bis zu einer gewissen Höhe mit Wasser angefüllt war. Die Jünger hatten die Taufhemden mitgebracht, sie hatten sie aufgerollt und um den Leib gewickelt getragen. Während der Taufe wurden sie den Täuflingen angelegt und sie schwammen im Wasser um sie her. Nach der Taufe wurde ihnen noch eine Art Mäntelchen umgehängt. Bei Johannes war dies wie eine Stola, breit wie ein Handtuch, bei Jesus Taufe war es mehr wie ein eigentliches Mäntelchen, woran eine Stola wie ein Lappen genäht war mit Fransen daran. Es sind meist zarte Jünglinge und sehr alte Greise getauft worden. Viele aber wurden abgewiesen, sie sollten sich erst bessern. Jesus heilte auch mehrere Fieberkranke und Wassersüchtige, welche auf Tragbetten herbeigetragen wurden. Es sind bei den Heiden nicht so viele Besessene, wie bei den Juden.

Jesus segnete auch das Trinkwasser, das hier nicht gut war, es war trüb und salzig und sammelte sich in Felsen. Es war ein Becken da, worin es aus Schläuchen gelassen wurde. Jesus segnete es und zwar kreuzweise und verweilte mit der Hand auf einzelnen Punkten der Fläche.

Auf dem Rückweg in die Herberge vor Ono blieben Jesus und die Jünger den größten Teil des Tages auf dem nur eine Stunde langen Weg von Nebo zur Überfahrtsstelle am Jordan. Jesus lehrte hier. Es standen hier viele Hütten und Zelte, wo die Leute aus Nebo ihr Obst und den ausgepressten Wein an die Vorüberreisenden verkauften. Vor diesen Leuten lehrte Jesus und kam mit den Jüngern erst abends in seine Herberge am Taufort zurück.

Jesus wanderte danach in der Runde herum zu einzelnen Bauern und hielt Lehrversammlungen. Es waren gute Leute darunter, welche, als Johannes noch hier taufte, die Volksmenge mit Lebensmitteln versahen. Jesus scheint alle noch bis in die kleinsten Winkel zu besuchen, weil Er bald den Ort hier verlassen und nach Galiläa gehen will.

Er war auch bei einem reichen Bauern, eine halbe Stunde von Ono, dessen Felder einen ganzen Berg bedecken. Daselbst ist ein Acker, auf dessen einer Seite noch geerntet wird, wenn man auf der anderen bereits zu säen im Begriffe steht. Jesus hat hier über eine Parabel vom Säen und Ernten gelehrt.

Es ist hier bei dem Bauern ein alter verfallener Lehrstuhl aus den Zeiten der Propheten wieder sehr schön hergestellt worden, wo Jesus gelehrt. Es sind noch mehrere solcher wieder hergestellt, seit Johannes hier getauft. Er hatte es ihnen befohlen, welches auch zu seiner Wegbereitung gehörte. Diese Lehrstühle waren hier, wie bei uns die Stationsbilder, seit den Zeiten der Propheten ganz verfallen. Elias und Elisäus hatten sich hier viel aufgehalten. Jesus wird den morgenden Sabbat in Ono feiern nachher folgt ein Fest, das sich auf Früchte beziehen muss. Ich habe in diesen Tagen ganze Körbe voll Früchte in die Synagogen und die Gerichtshäuser tragen sehen.

Am Taufort wird von den Jüngern schon alles abgebrochen und aufbewahrt. Bei dem Ort, wo der Stein liegt, auf dem die Bundeslade gestanden, da sind jetzt etwa an zwanzig Wohnungen umher. Bethabara liegt nicht dicht am Ufer, sondern wohl eine halbe Stunde von der Überfuhr. Aber man sieht es. Von der Überfuhr bis zu Johannes jetzigem Taufort über Bethabara sind gut anderthalb Stunden.

Ich habe Jesus in Ono von Haus zu Haus gehen gesehen. Ich wusste anfangs nicht warum, später hörte ich, sein Gehen habe Bezug auf den Zehnt, wozu Er diese Leute ermahnt auf Almosen, welche an dem nun eintretenden Fest der Baumfrüchte gereicht wurden. Am Abend feierte Er den Sabbat in der Synagoge, wo Er lehrte. Danach begannen die Vorbereitungen zum Neujahrsfest der Früchte, das nun eintrat. Es war ein dreifaches Fest: erstens, weil heute der Saft in die Bäume tritt, dann weil der Zehnt von den Früchten gereicht wird, endlich ein Dankfest wegen Fruchtbarkeit. Jesus lehrte über alles dieses. Man aß viele Früchte und schenkte den Armen ganze Figuren von Früchten auf Tafeln aufgetürmt. Es sind bis jetzt wohl noch zwanzig neue Jünger zu Jesus gekommen.

9. Jesus heilt in Phasael die Tochter des Esseners Jairus. Erste Rührung Magdalenas

Jesus verließ am Schluss des Festes Ono mit einigen und zwanzig Jüngern und reiste nach Galiläa. Er kehrte auf seiner Reise zuerst in der Gegend, wo Jakob sein Feld gehabt, in jenen Hirtenhäusern ein, in deren einem Joseph und Maria auf der Reise nach Bethlehem so hart abgewiesen wurden. Jesus hat die Bewohner der guten Herberge besucht und belehrt, bei denen der bösen Herberge aber hat Er übernachtet und sie ermahnt. Die Frau lebte noch, sie lag krank und Jesus heilte sie. Dann kam Jesus durch Aruma, wo Er früher schon gewesen. Jairus, ein Nachkomme des Esseners Chariot, der in dem nahegelegenen, etwas verachteten Ort Phasael wohnte der damals Jesus gebeten hatte, seine kranke Tochter zu heilen, was dieser ihm auch für die Zukunft versprochen, hatte heute Jesus einen Boten hierher entgegen gesandt und Ihn an seine versprochene Hilfe erinnert. Seine Tochter war gestorben. Da ließ Jesus seine Jünger allein weiterziehen und beschied sie, an einem bestimmten Ort wieder mit Ihm zusammenzutreffen. Er selbst aber folgte dem Boten des Jairus nach Phasael,

Als Jesus in das Haus des Jairus trat, lag die Tochter schon ganz zum Begräbnis bereitet in Tüchern und Binden eingewickelt und von der klagenden Familie umgeben. Jesus ließ noch mehrere Leute des Ortes um sie versammeln, befahl die Grabbinden und Tücher aufzulösen, fasste dann die Tote bei der Hand und befahl ihr aufzustehen. Da richtete sie sich in die Höhe und stand auf. Sie war etwa sechzehn Jahre alt und nicht gut. Sie liebte ihren Vater nicht, der sie doch über alles liebte. Sie ärgerte sich an seinem frommen Verkehr mit armen, verachteten Leuten. Jesus erweckte sie vom Tode des Leibes und der Seele. Sie hat sich gebessert und ist später zu der Gemeinde der heiligen Frauen gekommen. Jesus ermahnte alle, nichts von diesem Wunder zu sprechen und hat deswegen auch die Jünger nicht anwesend sein lassen. Es ist dieser nicht der Jairus von Kapharnaum gewesen, dessen Tochter Er später auch von den Toten erweckt hat.

Jesus verließ diesen Ort, ging gegen den Jordan, fuhr hinüber, wandelte in Peräa nördlich, kam bei Sukkoth wieder auf die Abendseite des Flusses und zog gegen Jezrael.

Jesus lehrte in Jezrael und tat viele Wunder unter einer großen Volksversammlung. Alle Jünger aus Galiläa waren Ihm hier entgegengekommen. Nathanael Chased Nathanael der Bräutigam, Petrus, Jakobus, Johannes, die Söhne der Maria Kleophä, alle waren hier. Lazarus, Martha, Seraphia (Veronika) und Johanna Chusa, die früher aus Jerusalem gereist, hatten Magdalena in Magdalum besucht und sie beredet, nach Jezrael zu ziehen, um den wundervollen, weisen, wohlredendsten und schönsten Jesus, von welchem das ganze Land voll sei, wenigstens zu sehen, wo nicht zu hören. Sie hatte den Bitten der Frauen nachgegeben und sie mit vieler, eitler Pracht hierher begleitet. Als sie nun aus der Herberge aus einem Fenster Jesus mit seinen Jüngern durch die Straße wandern sah und Jesus sie ernst anblickte, hat dieser Blick sie so tief in die Seele getroffen und so wunderbar in Beschämung und Verwirrung gesetzt, dass sie aus der Herberge in ein Haus der Aussätzigen, worin auch blutflüssige Frauen gewesen, in eine Art Hospital, dem ein Pharisäer vorgestanden, aus einem überwältigenden Gefühl ihres Elendes, geeilt ist. Die Leute der Herberge aber, denen ihr Wandel bekannt war, sprachen: «Da gehört sie hin zu den Aussätzigen und Blutflüssigen !»

Magdalena aber war in das Haus der Aussätzigen gelaufen, um sich zu demütigen, so sehr hatte sie der Blick Jesu erschüttert. Denn sie hatte sich aus Eitelkeit, um nicht mit so vielen armen Leuten zusammen zu sein, in eine vornehmere Herberge als die andern Frauen begeben. Martha und Lazarus und die andern Frauen sind hierauf mit ihr nach Magdalum zurückgereist und haben dort den nächsten Sabbat gefeiert. Es ist eine Synagoge dort.

10. Jesus in Kapharnaum. Gennabris und Kisloth-Tabor

Gegen Abend kam Jesus zum Sabbat nach Kapharnaum. Vorher besuchte Er seine Mutter. Er lehrte hier und wohnte wieder in dem Haus, das dem Bräutigam von Kana gehörte. Alle Jünger waren hier versammelt. Am Sabbat lehrte Er bis Sabbatschluss.

Man hatte Ihm von allen Seiten aus dem Lande sehr viele Kranke herzugetragen und Besessene herbeigeführt Er heilte öffentlich vor allen seinen Jüngern und trieb Teufel aus unter sich stets mehrendem Gedränge. Abgesandte von Sidon kamen und flehten Ihn an, dorthin zu kommen. Er versagte es. Dann kamen auch Leute aus Cäsarea Philippi oder Paneas und luden Ihn sehnlich dahin ein. Er aber hat sie auf weiteres vertröstet. Der Andrang nahm aber so zu, dass Er nach Sabbat Kapharnaum mit einigen Jüngern verließ und in ein Gebirge entwich, ungefähr eine Stunde von Kapharnaum nordöstlich zwischen dem See und dem Einfluss des Jordan gelegen, wo viele Schluchten sind, in denen Er sich abgesondert und gebetet hat. Es ist dasselbe Gebirge, auf dessen dem See näheren Hügel Er neulich von dem Berge, von Bethanat kommend, mit seinen Jüngern die Schiffe des Petrus und des Zebedäus auf dem See gesehen hat.

Die Jünger, die bei Ihm waren, gingen hinab zu den Fischerwohnungen an dem See, um von Jesus zu erzählen. Andreas blieb in Kapharnaum und hat dort unter der versammelten Menge gelehrt und erzählt.

Am Abend kam Jesus zu der Wohnung seiner Mutter zwischen Bethsaida und Kapharnaum. Hier hatten sich Lazarus, Martha und die andern jerusalemischen Frauen von Magdalum aus versammelt, um Abschied zu nehmen und nach Jerusalem zurückzukehren. Jesus tröstete sie über Magdalena. Er sagte, Martha sei zu besorgt, Magdalena ist sehr bewegt. Dennoch wird sie nochmals arg zurückfallen. Sie hatte ihren Putz nicht abgelegt, sie hatte erklärt, sie könne ihrem Stand nach sich nicht so gering kleiden als die andern Frauen usw.. Als darauf ein Fasttag in Kapharnaum wegen des Todes eines Mannes begann, der gegen das Gesetz Bilder in den Tempel hatte setzen lassen wollen, lehrte Jesus wieder in Kapharnaum. Es waren dahin wieder Kranke gebracht worden, deren Er viele heilte. Auch waren wieder Leute da, Ihn an andere Orte einzuladen. Es waren aber diesmal auch sehr verkehrte Pharisäer anwesend, welche Ihm widersprachen und Ihn fragten, was aus dem allem werden solle? Das ganze Land sei im Aufruhr wegen Ihm und Er lehre öffentlich und breite sich immer mehr aus. Er wies sie aber sehr ernsthaft ab und erklärte ihnen, Er werde noch öffentlicher zu lehren und zu handeln beginnen.

Am Abend begann ein Fasttag zum Gedächtnis der Vertilgung des Stammes Benjamin durch die übrigen Stämme wegen einer Schandtat. Ich sah, dass dieser Tag in der Gegend von Phasael. wo neulich Jesus die Tochter des Jairus erweckte in Aruma, Gibea usw. besonders streng begangen wurde, weil jene Ereignisse dort in der Gegend geschahen. Ich sah, dass die Frauen dort ein gewisses Opfer brachten und besonders Anteil an dem Fasten nahmen.

In der Nacht ging Jesus von Nathanael Chased abgeholt mit Andreas, Petrus und den Söhnen der Maria Kleophä und des Zebedäus nach Gennabris, Nathanaels Wohnort, Nathanael hatte Ihm dort eine Herberge bestellt. Er ist nicht in Nathanaels Haus, an dem sie vor der Stadt vorbeigekommen, eingekehrt, Nathanael der Bräutigam und seine Frau sind in dieser Zeit auch in Kapharnaum und Jezrael gewesen.

Der Taufort bei Ono wird abwechselnd von Leuten, Einwohnern dieses Ortes, bewacht. - Jesus lehrte und heilte in Gennabris ganz wütende Besessene. Es geht eine Handelsstraße durch diesen Ort, die Leute sind hier nicht so einfältig als wie an dem See. Obschon sie nicht offenbar widersprachen, haben doch manche die Lehre kälter aufgenommen.

Außer den künftigen Aposteln ist auch Jonathan, der Halbbruder des Petrus, mit in Gennabris gewesen. Die andern Jünger hatten sich um Kapharnaum und Bethsaida zerstreut, wo sie alles erzählten, was sie von Jesus gehört und gesehen.

Von Gennabris ging Jesus mit den nachmaligen Aposteln nach Bethulien, etwa drei Stunden von Gennabris, fünf von Tiberias und nicht weit von Jezrael gelegen. Es liegt an einer Anhöhe so steil, als wolle es herunterfallen hat Bruchstücke von so breiten Mauern, dass man mit Wagen darauf fahren könnte. Der Weg von hier nach Nazareth führt am Berge Tabor vorüber, von dem es nur ein paar Stunden südöstlich liegt.

Nathanael Chased hat sein Amt in Gennabris nun seinem Bruder oder Vetter übergeben und wird Jesus künftig nachfolgen.

In Bethulien einziehend wurde Jesus von Besessenen auf der Straße angeschrieen. Auf dem Markte blieb Er bei einem Lehrstuhl stehen und sendete einzelne seiner Jünger, dem Synagogenvorsteher zu sagen, er solle die Türen der Schule von allen Seiten öffnen lassen. Andere Jünger sendete er von Haus zu Haus, die Einwohner zu der Lehre zu rufen. Die Synagoge hatte ringsum Türen zwischen Säulen, welche bei großem Zulaufe immer geöffnet wurden. Jesus lehrte hier vom wahren Weizenkörnlein, das in die Erde gelegt werden müsse. Er wohnte hier in einer bestellten Herberge. Die Pharisäer hier widersprachen zwar nicht offenbar, doch murrten sie und Jesus wusste, dass sie fürchtend dagegen sprachen, dass Er den Sabbat hier halten sollte. Er sagte dieses seinen Jüngern und dass er den Sabbat ein paar Stunden weiter, zwischen Abend und Mitternacht gegen den Tabor zu, an einem Ort halten wolle, dessen Name mir jetzt nicht einfällt, aber die Leute färben dort Seide zu Fransen und Quasten.

Jesus heilte auch hier. - Alle die zurückgebliebenen Jünger hatten sich hier wieder zusammengefunden.

Als Jesus wegen des Murrens der Pharisäer Bethulien verließ, lehrte Er etwa eine kleine Viertelstunde vor der Stadt im Freien auf einem steinernen Lehrstuhl. Es waren noch zerstörte Mauern da umher und es scheint diese Stelle ehemals zum Umfang der Stadt gehört zu haben. Dann kam Er etwa um drei Uhr nachmittags nach Kisloth, welches ungefähr drei Stunden weit von hier am Fuß des Tabor liegt wohin Andreas und andere vorausgegangen waren, die Herberge vor Kisloth zu bestellen. Es hatte sich dort eine große Menge von Menschen aus der ganzen Gegend zusammengezogen, darunter viele Hirten mit ihren Stäben und durchreisende Kaufleute von Sidon und Tyrus. Jesu Wunder und Lehren waren schon im ganzen Land bekannt. Alles drängte sich zu den Orten, wo Er lehrte da es laut geworden war, dass Er hier den Sabbat feiern werde, so hatte sich alles, was unterwegs war, hier zusammengezogen.

Wo Jesus nun erschien, entstand immer eine große Bewegung. Man rief Ihm entgegen, warf sich vor Ihm nieder, drängte sich heran, Ihn zu berühren deshalb war Er meist unvermutet und plötzlich in seinem Kommen und Gehen, um sich dem Gedränge zu entziehen. Oft trennte Er sich auf dem Weg von seinen Jüngern, sendete sie andere Wege und ging allein. In den Orten mussten sie Ihm oft Platz in dem Gedränge machen. Manchem jedoch vergönnte Er auch Annäherung und Berührung und mancher wurde dadurch still in sich gerührt, bekehrt oder geheilt.

Am Abend kam Jesus in der von den Jüngern für Ihn bestellten Herberge vor Kisloth-Tabor an, wo Er schon zweimal gewesen ist. Kisloth mag wohl sieben Stunden Wegs von Nazareth sein und in gerader Linie etwa fünf. Weil die Wege hier im Lande so krumm durch die Täler laufen die Leute die Entfernung bald durch den Reiseweg, bald aber von den Bergen herab angeschaut bestimmen, so treffen ihre Angaben selten zusammen. Es liegen unbegreiflich viele Orte in Galiläa, doch kann man von einzelnen Höhen immer nur einige sehen.

Kisloth-Tabor ist meist ein Handelsort. Es sind mehrere reiche Kaufleute und viele arme Leute hier und viele Färbereien von roher Seide, welche zu Fransen und Quasten an den Priesterkleidern verarbeitet wird. Diese Färbereien waren sonst meist zu Tyrus am Meer, jetzt aber haben sich viele hierher gezogen. Die reichen Kaufleute gebrauchen die armen Leute in den Fabriken. Ich sah auch Leute wie Sklaven hier.

Vor der Herberge hatten die Jünger eine Stelle mit dicken Stricken, welche durch Pfähle gezogen waren, gegen den Andrang des Volkes eingezäunt. In diesem Raum lehrte Jesus vor der Herberge; und da Ihm unter andern reiche Kaufleute aus der Stadt zuhörten, lehrte Er vom Reichtum und den Gefahren der Gewinnsucht. Er sagte ihnen, ihr Stand sei noch gefährlicher als jener der Zöllner, welche sich eher bekehrten als sie dabei deutete Er auf die Stricke, welche Ihn von dem Andrang des Volkes trennten und sprach: «ein solcher Strick geht eher durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Himmelreich.» Diese Stricke von Kamelhaaren waren wohl armsdick und viermal übereinander durch die Pfähle vor der Herberge gezogen. Die reichen Leute verteidigten sich, dass sie doch auch Almosen von ihrem Gewinn gäben. Jesus aber erwiderte ihnen, das Almosen, welches sie vom Schweiße anderer Armen erpressten, bringe ihnen keinen Segen. Diese Lehre gefiel den Leuten gar nicht.

Kisloth war eine Levitenstadt, von Zabulon an die Leviten vom Stamm Merari abgetreten. Es war hier die vornehmste Schule in der ganzen Gegend. Sie war sehr groß und alles wurde mit vieler Feierlichkeit darin verrichtet. Wenn Jesus in den Synagogen am Sabbat lehrte, dienten die Priester des Ortes, reichten die Schriftrollen dar oder lasen gegenseitig, was Er begehrte. Er fragte und lehrte auch darüber. Es wurde auch gesungen, aber nicht auf pharisäische Weise. Ich hörte seine Stimme wohl unter den andern angenehm hervorklingen. Ich erinnere mich aber nicht, Ihn allein singen gehört zu haben.

Jesus lehrte am Morgen in der Schule von Kisloth. Andreas lehrte vor der Schule in anstoßenden Räumen die Kinder und unterrichtete das fremde andringende Volk von dem, was er von Jesus gehört und gesehen. Jesus lehrte von Hoffart und Eigendünkel. Er heilte heute nicht, weil, wie Er sagte, sie aufgeblasen wegen seiner Lehre hier in ihrer Stadt seien, sich vor andern besser glaubend als sei Er deswegen hierher gekommen, statt dass sie einsähen, Er komme wegen ihrer Not zu ihnen, auf dass sie sich demütigten und besserten.

Nach der Lehre hielt Er sich noch vor der Synagoge auf einem freien Platze auf, wo kleine zur Synagoge gehörige Zellen, wie Wachhäuschen in einem Vorhof waren. Hier heilte Er viele Kinder, welche an Konvulsionen und anderem Elend litten und die Ihm die Mütter brachten. Er heilte sie, weil sie unschuldig waren. Auch heilte Er mehrere Frauen, welche sich vor Ihm demütigten und zu Ihm sagten: «Herr, vernimm meine Schuld und mein Gebrechen!» Sie warfen sich vor Ihm nieder in der Halle und klagten sich an. Es waren Blutflüssige darunter und Frauen, die mit bösen Begierden geplagt waren und Befreiung von ihrer Versuchung erflehten.

Am Abend hielt Er den Sabbat in der Schule und aß in der Herberge. Seine nachmaligen Apostel und nähern Freunde waren mit Ihm am selben Tisch, die Jünger in andern Räumen, oder dienten. Tags darauf hielt Er den Sabbat in der Synagoge heilte, viele Kranke vor der Synagoge, auch ging er zu vielen, die man nicht tragen konnte, in die Häuser, sie zu heilen. Die Jünger leisteten Ihm Handreichung dabei, indem sie die Kranken trugen, führten, hoben und Raum machten, Bestellungen und Botschaften ausrichteten.

Alle Auslagen der Reisen und Almosen gehen bis jetzt aus dem Vermögen des Lazarus und Simeons Sohn Obed besorgte die Zahlungen.

Die kleinen Häuser vor der Synagoge, welche wie Wachhäuschen aussehen, sind kleine Zellen im Vorhof, wo die Frauen, durch ein Gitter getrennt, mit Jesus allein sprachen. Es war üblich, dass in diesen Zellen Sünderinnen, Büßende oder unreine Frauen auch sonst bei den Priestern Trost suchten.

Oben auf dem Berg Tabor ist keine Stadt, aber wohl Schanzen, Mauern und wie eine leere Festung, wo sich manchmal Kriegsvölker aufgehalten haben. Am Abend nach dem Sabbat war Jesus mit seinen nächsten Jüngern, den künftigen Aposteln, bei einem Pharisäer zur Mahlzeit. den seine Lehre sehr gerührt hatte und der gut geworden ist. Tags darauf war Jesus mit den Jüngern bei einer großen Mahlzeit, welche Ihm zu Ehren von den Vornehmen im öffentlichen Festhaus gegeben wurde. Er hat hier auch gelehrt und noch am selben Abend die Stadt verlassen und ist nach Jezrael gegangen, welches nicht viel mehr als drei Stunden von Kisloth- Tabor entfernt ist.

Hier in Jezrael schieden die Verwandten und Bethsaidischen Jünger, selbst Andreas und Nathanael von Ihm, um ihre Heimat zu besuchen. Er sagte ihnen, wo sie wieder zusammentreffen wollten. Etwa fünfzehn jüngere Jünger sind noch bei Ihm geblieben. Er lehrte und heilte hier. Hier sind allerlei geistliche und weltliche Schulen. Es ist ein großer Ort. Jesus hat auch von Naboths Weinberg gelehrt.

Von Jezrael ging Jesus anderthalb Stunden östlich nach einem Feld in einem Tal, zwei Stunden lang und zwei Stunden breit, worin viele Obstgärten mit niedern Einzäunungen. Es ist ein ungemein fruchtbares und reizendes Obsttal. Die Einwohner von Kisloth- Tabor und Jezrael sind meistens die Besitzer dieser Obstfelder. Es sind viele Zelte hier, von Stelle zu Stelle stehen sie paarweise und werden von Leuten aus Sichar bewohnt, welche hier das Obst bewachen und ernten. Ich meinte, sie müssten es tun, wie zur Frohn. Sie lösen sich ab. Es wohnen ungefähr vier in einem Zelt. Die Frauen wohnen von den Männern abgesondert beisammen und kochen für die Männer. Jesus lehrte diese Leute unter einem Zelt. Es sind hier auch so schöne Brunnen und Wasserquellen, die in den Jordan fließen. Die HauptqueIle kam aus Jezrael und war hier im Tale in einen schönen Brunnen gefasst, worüber eine Art Kapelle gebaut war. Es teilt sich die Quelle aus diesem Brunnenhause nach verschiedenen andern Brunnen in dem Tal, wo sich auch andere Wasser mit ihr vereinigen und so fließt sie endlich in den Jordan. Es waren etwa dreißig Wächter hier, welche Jesus lehrte. Die Frauen haben etwas ferner gestanden. Er lehrte von der Sklaverei der Sünde, von der sie sich losreissen sollten. Sie waren unbeschreiblich erfreut und gerührt, dass Er zu ihnen gekommen. Er war so liebevoll und herablassend gegen diese armen Leute, dass ich selbst darüber habe weinen müssen. Sie setzten Ihm und den Jüngern Früchte vor, von welchen sie gegessen haben. Es sind an einzelnen Stellen hier schon reife Früchte, an andern Bäumen ist erst Blüte. Es gibt da braune Früchte, wie Feigen, aber in Traubenbüscheln wachsend, auch gelbe Pflanzen, aus denen sie eine Art Brei bereiten. (Sie beschrieb sie wie Mais, die braunen Früchte wie Dattelpalmen, sie spricht auch von Durrha und vielen Kräutern, welche man salatartig esse die ganze Gegend als ein fettes Gartenland im Süden von Jezrael.). An diesem Tale liegt das Gebirge Gilboa und hier ist auch Saul umgekommen in der Schlacht mit den Philistern.

11. Jesus in Sunem. Alama und Kapharnaum

Am Abend zog Jesus durch Jezrael etwa drei Stunden weiter bis Sunem, einem offenen Ort auf einem Hügel. Einzelne Jünger waren vorausgegangen, Ihm die Herberge bei einem Gastmeister am Eingang der Stadt zu bestellen. Das Gartental, aus dem Er ging, liegt südlich von Jezrael. Er zog durch Jezrael an einer Seite ungestört und dann nordöstlich gegen Sunem. Bei dieser Stadt liegen in ein bis zwei Stunden weiter Entfernung noch zwei andere Städte, deren eine Jesus auf seinem Weg von Kisloth-Tabor nach Jezrael zur Seite hatte liegen lassen.

Die Leute in Sunem ernähren sich mit Weberei. Sie weben von gezwirnter Seide schmale Bahnen auf Ränder, einfach und auch mit Blumen. Dieser Ort liegt nicht mehr in dem Tale EsdreIon, sondern wieder mehr im Gebirge.

Es war hier ein erstaunliches Gedränge um Jesus. Es wird nun immer größer. Die Leute umringen Ihn überall, werfen sich nieder und rufen und jauchzen vom neuen Propheten, vom Gesandten Gottes. Viele von den Leuten meinen es gut, andere tun es aus Neugierde und des Lärmes halber. Das Gedränge ist hier so groß, dass es schier einem Aufstand gleicht und weil dieses hier in Galiläa immer mehr zunimmt, wird Er sich bald zurückziehen. Aus diesem Ort war die schöne Abisag, welche David in seinem Alter zu sich nahm. Auch hatte hier Elisäus eine Herberge gehabt, wo er oft einkehrte und den verstorbenen Knaben seiner Wirtin erweckte. Ich habe ein Bild davon gehabt, um mir den Ort zu merken. Es ist auch in dieser Stadt eine freie Herberge für gewisse Durchreisende, nämlich zum Andenken an Elisäus gestiftet. Ich weiß nicht, ob es in jenem nämlichen Haus oder auf dessen Stelle ist. Jesus lehrte an diesem Tag in der Schule und ging in viele Häuser, Kranke zu trösten und zu heilen. Der Ort lag etwas zerstreut um eine Anhöhe herum, die in der Mitte über die Stadt empor ragte. Es zog ein Weg hinauf, auf welchem die Häuser kleiner und unbedeutender wurden. Oben waren es nur Hütten. Auf dem Gipfel war ein freier Platz mit einem Lehrstuhl, jedoch gegen die Sonnenhitze mit einem Zeltdach auf Pfählen ausgespannt bedeckt.

Als Jesus am Morgen des folgenden Tages den Weg zum Lehrstuhl mit den Jüngern hinauf zog, gab es einen äußerst beschwerlichen Tumult in dem Ort. Die Menge hatte eine große Anzahl von Kranken herbeigebracht. welche auf den Tragbetten längs des Weges am Berg in die Höhe gestellt wurden. Er ist unter vielem Gedränge und Geschrei hinaufgestiegen und hat mehrere geheilt. Die Leute sind auf die Dächer gestiegen, um seine Handlungen und Lehren zu vernehmen. Oben von dem Lehrstuhl aus ist eine schöne Aussicht gegen den Tabor. Jesus hat hier sehr scharf gegen die Hoffart und die Prahlerei der Leute gelehrt, dass sie statt sich zu bekehren, Buße zu tun und die Gebote Gottes zu erfüllen, in eitlem Lärmen von Propheten und gekommenen Gesandten Gottes schreien. Sie rechneten es sich als eine Ehre und als eine Folge des Verdienstes an. Er komme aber, auf dass sie ihre Sünden erkennen sollten.

Um drei Uhr nachmittags ging Er von hier etwa drei Stunden nordöstlich nach einer größeren und zusammenhängenderen Stadt, die nicht so alt schien, als Sunem. Die Stadt hatte breite Mauern, worauf Bäume standen. Sie heißt Ulama und ist etwa fünf Stunden östlich vom Tabor. Arbela liegt etwa zwei Stunden nördlich von ihr. Es sind hier im Gebirge viele raue Wege mit spitzen weißen Kieselsteinen und es werden deshalb in dem Ort viele Sohlen, unter die Füße zu binden, gemacht. Dieses Ulama liegt auf einem Berg von Bergen umgeben und in einer unwegsamen Gegend. Die Berge sind aber doch bis zum Gipfel mit Wein bepflanzt. Ich habe auch baumhohe, sehr verwickelte Gewächse mit wohl armsdicken Ästen hier bemerkt; sie haben birnförmige, große den Kürbissen ähnliche Früchte, aus denen sie Flaschen machen. (Vermutlich ein großer Flaschenkürbis, die sie nicht kennt, denn sie sagt dabei, es sei kein rechtes Holz.). Die Stadt schien nicht so alt wie andere, ja sie hatte etwas, als sei sie nicht ganz fertig geworden. Die Einwohner waren nicht recht in alter jüdischer Einfalt, sie wollten etwas klüger und feiner sein. Es war, als wenn sich einmal Römer oder anderes Volk hier aufgehalten hätte. Auch hier war ein großer Zusammenlauf von Menschen, weil Jesus den Sabbat hier halten wollte. Es hatten sich mehrere Jünger zu Ihm gesammelt, unter andern der Halbbruder des Petrus Jonathan und die Witwensöhne. Es waren wieder an zwanzig. Auch Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus der Kleinere, Nathanael Chased und Nathanael der Bräutigam kamen hierher. Jesus hatte sie beschieden, dass sie seine Lehre anhören und Ihm behilflich sein sollten in seinen Heilungen wegen des großen Ungestümes der Menge. Das Volk hatte den Weg ausgekundschaftet, auf dem Er kommen würde empfing Ihn entgegenziehend. Sie trugen Zweige und streuten Grünes und hatten lange Bahnen Zeug, die sie quer über den Weg senkten, dass Er darüber schreiten musste und alle schrieen vom Propheten. Es waren auch Vorgesetzte dabei, welche Ordnung hielten und Ihn begrüßten. Es waren in dieser Stadt viele Besessene, welche gewaltig hinter Jesus herschrieen und ausriefen, wer Er sei. Er befahl ihnen zu schweigen. In der Herberge hatte Er auch keine Ruhe. Die Besessenen liefen herbei, tobten und schrieen. Er aber befahl ihnen, zu schweigen und ließ sie hinwegbringen.

In Ulama waren drei Schulen. Eine von Rechtsgelehrten, eine Jugendschule und die Synagoge. Jesus ging in verschiedene Häuser und heilte und tröstete und lehrte in der Schule, besonders von der Einfalt und von der Achtung gegen die Eltern. Denn an beiden fehlte es hier und Er strafte sie wieder besonders in seiner Lehre wegen ihrer Hoffart, dass der Prophet unter ihnen aufgestanden sei und dass sie doch die Zeit der Buße und Ermahnung mit eitler Prahlerei verderbten.

Nach dem Sabbatschluss gaben Ihm die Vornehmen eine Mahlzeit im öffentlichen Festhaus. Die Apostel und Jünger, welche zu Hause gewesen waren, hatten nur die ihrigen besucht und waren im Verkehr mit Maria gewesen, an welche die Frauen sich auch immer enger anschlossen.

Der Täufer befand sich noch immer an demselben Ort. Seine Anhänger verminderten sich immer mehr. Herodes kam und sendete öfters zu ihm.

Am Tag nach dem Sabbat ging Jesus morgens neun Uhr mit seinen Jüngern etwa eine Viertelstunde weit vor die Stadt, wo an einem Berg ein Lust- oder Badeort ist. Der Platz ist ungefähr so groß wie der Kirchhof in Dülmen und rings mit Hallen und Gebäuden umgeben. Es ist ein schöner Brunnen und Lehrstuhl dort. Jesus hatte die vielen Kranken, welche in der Stadt waren, dahin beschieden, denn Er hatte des Gedränges halber dort nicht geheilt. Die Jünger halfen die Ordnung erhalten, und die Kranken lagen rings in Hallen und Zelten auf Tragbetten. Es waren auch hierher so viele Menschen aus der Stadt gefolgt, dass sie nicht alle herzu konnten. Die Vorgesetzten und Priester hielten Ordnung. Jesus heilte viele dieser Kranken, indem Er von dem einen zu dem andern ging. Wenn ich sage viele, so meine ich gewöhnlich etwa dreißig. Wenn ich sage einige oder mehrere, so meine ich etwa zehn. - Er lehrte dann auch noch vom Tod Moses, dessen naher Gedächtnistag durch einen Fasttag gefeiert wurde. Die Speisen wurden bereits unter Asche gesetzt. Sie aßen an solchen Tagen ein anderes Brot als sonst. Jesus sprach in seiner Lehre vom Gelobten Land und dessen Fruchtbarkeit und dass dieses nicht nur von leiblicher, sondern auch von Seelennahrung zu verstehen sei. Denn es sei auch fruchtbar an Propheten und Stimmen Gottes und die Frucht derselben sei das verheißene Heil und die Buße in denen, die es empfangen wollten.

Ich sah Ihn nach dieser Lehre auch noch in ein anderes nahegelegenes Gebäude gehen, wohin die Besessenen gebracht waren. Sie tobten und schrieen, als Er kam. Es waren meistens junge Leute und auch Kinder. Er ließ sie in eine Reihe stellen und befahl ihnen zu ruhen und befreite sie alle mit Befehl. Einige wurden dadurch ohnmächtig. Die Eltern und Angehörigen waren zugegen. Er ermahnte und lehrte auch hier.

Nachdem Jesus noch in der Synagoge gelehrt hatte, verließ Er unbemerkt die Stadt. Die Jünger waren vor Ihm weggezogen. Er wusste das so einzurichten. Alle Städte umgehend, kamen sie gegen Kapharnaum. Er will um des großen Lärms willen Galiläa verlassen.

Jesus wanderte mit den Jüngern die ganze Nacht hindurch und kam morgens bei seiner Mutter an. Die Frau und Schwester des Petrus waren auch dort und die Braut von Kana und andere Frauen. Das Haus, welches Maria hier bewohnt, ist auf die gewöhnliche Art der dortigen Häuser und ganz geräumig. Sie ist nie allein dort, die Witwen wohnen nah und die Frauen von Bethsaida und Kapharnaum, zwischen welchen diese Häuser liegen, sind häufig hier, auch immer der eine oder andere Jünger. Ich sah, dass sie die Fasten hier hielten, dass man trauerte und die Frauen verschleiert waren, und dass Jesus zu Kapharnaum in der Schule lehrte, wo die Jünger und heiligen Frauen auch hinkamen.

Kapharnaum liegt in gerader Richtung über den Berg etwa eine Stunde vom Ufer des galiläischen Sees, in der Richtung des Tales über das mittäglicher liegende Bethsaida an zwei Stunden. Etwa eine gute halbe Stunde von Kapharnaum auf dem Weg nach Bethsaida liegen die Häuser, in deren einem Maria wohnt. Es fließt von Kapharnaum eine schöne Quelle zum See, die bei Bethsaida in viele Arme geteilt, das Land sehr fruchtbar macht. Maria führt keinen Haushalt, sie hat kein Vieh, kein Feld. Sie lebt als eine Witwe von den Gaben der Freunde, und ihre Beschäftigung ist spinnen, nähen und wirken mit kleinen Stäben, beten und andere Frauen trösten und unterrichten.

Jesus war an dem Tag seiner Ankunft allein bei ihr. Sie weinte der großen Gefahr halber, die Ihm drohte wegen des großen Aufsehens, das seine Lehre und seine Wunder im Lande machten. Denn zu ihr gelangte alles Murren, alle üble Nachrede derer, welche sich scheuten, Jesus in das Angesicht zu sprechen. Er sagte ihr aber, dass seine Zeit gekommen sei, dass Er diese Gegend verlassen wolle und nach Judäa hinabziehen, wo sie zum Osterfest noch größeren Ärger an Ihm nehmen würden.

Am Abend begann ein Dankfest wegen Regen in Kapharnaum. Die Synagoge und andere öffentliche Häuser wurden mit jungen grünen Bäumen und allerlei grünen Laubpyramiden festlich geschmückt und von dem Dach der Synagoge und andern größeren Häusern, auf welchen Galerien waren, wurde auf einem wundersamen, vielstimmigen Instrument geblasen. Es bliesen Diener der Synagoge, Leute wie die Küster bei uns. Dieses Instrument sieht aus, wie ein wohl vier Fuß langer Schlauch, an dem mehrere braune Pfeifen und Posaunenmündungen befestigt sind, welche, wenn der Schlauch nicht aufgeblasen war, dicht an ihm lagen. Als er aber durch den Atem eines in ein Mundstück blasenden Mannes erfüllt war, hielten ihn zwei andere nebenstehende Männer empor, und diese waren auch beschäftigt, durch Einblasen oder Blasebalgel Luft in ihn zu bringen und durch öffnen und schließen verschiedener Löcher aus den nach verschiedenen Richtungen sich aufrichtenden Pfeifen ein lautschallendes, mehrstimmiges Getön zu verursachen. Die zur Seite stehenden haben auch manchmal hineingeblasen.

Jesus hielt in der Synagoge eine überaus rührende Lehre vom Regen und der Dürre. Er erzählte darin von Elias, wie er auf dem Karmel um Regen gefleht und sechsmal seinen Diener gefragt und wie dieser das siebente Mal eine kleine Wolke aus dem Meer aufsteigen gesehen, welche immer größer geworden sei und endlich das ganze Land erquickt habe, und wie Elias nachher durch das Land gelaufen sei. Jesus legte das siebenmalige Fragen des Elias auf die Zeiträume bis zur Erfüllung der Verheißung aus, und die Wolke deutete Er als ein Vorbild dieser gegenwärtigen Zeit und den Regen auf die Ankunft des Messias, dessen Lehre sich ausbreiten und alles erquicken werde. Wer nun dürste, solle trinken, und wer sein Feld bestellt habe, der werde Regen erhalten. Er sagte dieses alles so rührend und wunderbar, dass alle Zuhörer weinten, auch Maria und die heiligen Frauen weinten.

Die Leute sind jetzt recht gut gestimmt hier in Kapharnaum. Es sind drei Priester hier an der Synagoge, und Jesus nimmt oft mit den vertrauteren Jüngern seine Mahlzeit in einem Haus ein, wo die Priester bei der Synagoge wohnen und wo eine Art Gastfreiheit für die Lehrer ist, welche an der Synagoge lehren.

Es wurde gestern abend und heute früh wieder auf dem wunderlichen Instrument geblasen und auch noch heut von dem Fest gefeiert, aber nur von den Kindern und Jünglingen, welche sich belustigten. - Jesus hatte gestern abend schon seine verwandten Jünger und die Jünger von Bethsaida entlassen, weil Er heute früh diese Gegend verlassen und gegen Judäa hinabreisen wollte. Es zogen nur etwa zwölf Jünger mit Ihm, die aus Nazareth, Jerusalem und von Johannes her waren.

12. Jesus in Dothaim und Sephoris. Hilft Schiffbrüchigen aus der Ferne

Nach diesem Dankfest wanderte Jesus mit etwa zwölf Jüngern aus Kapharnaum in südöstlicher Richtung, als wollte Er zwischen Kana und Sephoris hin. Maria und noch acht andere heilige Frauen gaben Ihm das Geleit, darunter waren Maria Kleophä, die drei Witwen, die Braut von Kana und die Schwester des Petrus. Sie gingen bis zu einer kleinen Stadt mit, wo sie zusammen eine Mahlzeit hielten und dann Abschied nahmen. -

Hier in der Nähe war der Brunnen, in den Joseph von seinen Brüdern gesperrt worden war, der Ort hieß Dothaim. (Es liegt aber noch ein anderes, viel größeres Dothaim im Felde EsdreIon, etwa vier Stunden gegen Mitternacht von Samaria). Dothaim ist ein kleiner Ort und die Leute lebten meistens von den durchziehenden Kaufleuten. Es liegt am Ende eines nicht großen Tales, das etwa für achtzig Stück Vieh Weide hat. An einer andern Seite liegt das große Gebäude, worin Jesus einmal viele Besessene beruhigte. Er kam diesmal gar nicht dahin. Der Ort liegt anderthalb Stunden zwischen Mitternacht und Morgen von Sephoris und vier bis fünf Stunden vom Berg Tabor.

Die Jünger waren vorausgegangen, Herberge zu bestellen. Es kamen Jesus und den heiligen Frauen ungefähr acht Männer und Priester entgegen und geleiteten sie in eine offene Gasthalle, worin niemand wohnte, wo aber schon alles zur Mahlzeit bereitet war. Vor den Eingang breiteten sie einen Teppich, Ihn zu ehren, über den Er gehen musste. Sie wuschen Ihm auch die Füße. Die Frauen aßen abgesondert hinter dem Herd. Jesus und die Jünger lagen zu Tisch. Man aß nur kalte Speisen, Honig und kleine Brote, grüne Kräuter, die man eintunkte und Früchte. Man trank Wasser mit Balsam vermischt. Sie gaben Ihm und den Frauen davon auch kleine Fläschchen mit. Die Priester aus der Stadt dienten stehend mit ungemeiner Liebe und Demut und Jesus sprach von Joseph, der hier verkauft worden war. Es war ein unbeschreiblich rührendes Bild. Ich musste weinen. Es ist mir dann so wunderbar, ich sehe es so dicht vor mir und möchte immer hineintreten und kann nicht, ich möchte dieses und jenes tun und vermag es nicht. - Die heiligen Frauen traten gleich nach der Mahlzeit den Rückweg an.

Jesus nahm von seiner Mutter allein abgesondert Abschied und grüßte dann die andern. Ich habe wohl gesehen, dass Er seine Mutter auch umarmte beim Scheiden und bei der Ankunft, wenn sie allein waren. Sonst reichte Er ihr die Hand oder neigte sich freundlich. Maria weinte. Sie ist noch sehr jung aussehend, aber fein und groß. Sie hat eine sehr hohe Stirne, eine längliche Nase, sehr große Augen sanft niedergeschlagen, einen sehr schönen roten Mund, eine angenehm bräunliche Farbe mit rötlich schimmernden Wangen.

Jesus blieb noch etwas länger in der Herberge lehrend, und die Männer, welche keine Zahlung für die Mahlzeit nahmen, begleiteten Ihn bis zum Brunnen Josephs, der etwa eine halbe Stunde weit von der Stadt im Tal liegt. Dieser Brunnen ist jetzt nicht mehr, wie er damals war, als Joseph hinein versenkt wurde. Damals war er eine leere Grube mit grünem Rand. Jetzt ist er ein geräumiger, viereckiger Behälter, wie ein kleiner Teich, und es ist ein Dach auf Säulen darüber gebaut. Er war voll Wasser und es wurden viele Fische darin aufbewahrt. Ich sah Fische, welche die Köpfe so kurios in der Höhe hatten, nicht spitz wie die unsern. Sie waren aber nicht so groß, wie ähnliche im galiläischen See. Der Zufluss des Wassers war nicht sichtbar. Es war eine Umzäunung um das Brunnenhaus und es wohnten Leute umher, welche die Aufsicht hatten. Jesus ging mit seinen Begleitern in das Brunnenhaus. Er hatte den ganzen Weg von Joseph und seinen Brüdern erzählt und lehrte auch hier am Brunnen davon. Ich sah, dass Er den Brunnen segnete, als Er ihn verließ. Nun kehrten die Leute nach Dothaim zurück und Jesus ging mit seinen Jüngern etwa noch eine starke Stunde Weges nach Sephoris, wo Er bei den Söhnen von Annas Schwester einkehrte.

Sephoris liegt auf einem Berg und ist von mehreren Bergen umgeben. Die Stadt ist größer als Kapharnaum. Es liegen viele einzelne Höfe um sie her, die mit zu ihr gehören. Jesus wurde von den Lehrern an der Synagoge hier nicht sehr geachtet, es waren auch viele böse Leute hier in der Stadt, und ich hörte hie und da üble Nachreden, dass Er herumstreiche und nicht bei seiner Mutter bleibe. Er heilte hier nicht und hielt sich sehr zurück. Doch lehrte Er am Sabbat in der Synagoge und herbergte dann auch nahe bei der Synagoge. Außerdem besuchte Er viele einzelne Leute und Haushalte, besonders Essener und ermahnte und tröstete sie, weil viele böse Leute hier lebten, welche sie wegen ihrer Liebe zu Ihm neckten und verleumdeten. Er hat auch in den umliegenden Höfen mehreren dieser Leute und seinen Vettern gesagt, Ihm jetzt nicht zu folgen und in der Stille seine Freunde zu bleiben und Gutes zu wirken, bis seine Laufbahn vollendet sei. Seine Verwandten tun hier viel Gutes und unterstützen auch die Heilige Jungfrau, der sie allerlei Bedürfnisse zusenden. Ich habe Ihn mit verschiedenen Familien so ungemein liebevoll und innig sprechen gesehen, dass ich es nicht genug beschreiben kann. Sein liebevolles Tun rührte mich zu Tränen.

Etwas aber sah ich in der Nacht von Jesus, was mir unbeschreiblich rührend und wundersam war. Es war ein großer Windsturm diese Nacht im Gelobten Land, und ich sah Jesus mit mehreren andern Leuten beten. Er betete mit ausgebreiteten Händen um Abwendung der Gefahr. Ich hatte von da einen Blick zum galiläischen See und sah einen großen Sturm auf demselben und die Schiffe des Petrus, des Andreas und Zebedäus in großer Not. Die Apostel sah ich ruhig in Bethanien schlafen, es waren nur ihre Knechte auf den Schiffen. Ich sah aber, während Jesus betend stand, seine Erscheinung auch dort auf den Schiffen, bald auf dem einen, bald auf dem andern, bald auf dem See. Es war, als arbeite Er, als halte Er zurück, als weise Er ab. Er war es nicht in Persönlichkeit, denn ich sah Ihn nicht gehen. Er stand etwas höher als die Notleidenden, Er schwebte. Die Leute sahen Ihn aber nicht, es war sein Geist im Gebete fortwirkend. Niemand wusste es, aber Er half. Vielleicht, dass die Schiffsknechte an Ihn geglaubt und seine Hilfe angerufen haben.

13. Jesus in Nazareth. Die drei Jünglinge. Das Purimfest

Von Sephoris wandelte Jesus auf Umwegen über einzelne Höfe, wo Er tröstete und lehrte, nach Nazareth, das nur zwei Stunden von Sephoris entfernt ist. Er hatte unter den Jüngern, welche jetzt bei Ihm waren, zwei oder drei junge Leute, Söhne von Essener-Witwen. In Nazareth kehrte Er bei Bekannten, welche Herberge gaben, ein und besuchte ohne Aufsehen einzelne gute Leute. Die Pharisäer kamen zu Ihm äußerlich ganz bescheiden, obgleich heimlich ärgerlich. Sie fragten Ihn, was Er nun vorhabe und warum Er nicht bei seiner Mutter bleibe? Er antwortete ihnen aber ernst und scharf. Es ist hier alles mit Vorbereitungen zu einem Fasttag beschäftigt wegen Esther und mit Zubereitungen zu dem Purimfest, das gleich darauf folgt. Jesus lehrte in der Synagoge sehr ernst.

In der Nacht habe ich Ihn abermals mit ausgebreiteten Armen beten sehen, und wie Er wieder auf dem galiläischen Meere bei einem Sturme helfend erschien. Dieses Mal war das Elend viel größer und waren viele andere Schiffe in Gefahr. Ich sah, dass Jesus die Hand an das Steuer legte, ohne dass der Steuermann Ihn bemerkte.

Die drei reichen Jünglinge von hier, welche früher schon einmal vergeblich gebeten, waren wieder bei Jesus, Ihn zu bitten, Er möge sie zu Jüngern aufnehmen. Sie sind beinahe vor Ihm niedergekniet. Er aber hat sie abgewiesen und ihnen gewisse Punkte gesagt, wenn sie diese befolgten, dann könnten sie zu Ihm kommen. Er wusste wohl, dass sie ganz zeitliche Absichten hatten, weil sie es nicht besser verstanden. Sie wollten Ihm folgen, wie einem Philosophen und gelehrten Rabbiner und dann mit großer Gelehrsamkeit der Stadt Nazareth eine Ehre machen. Auch mochten sie sich ärgern, dass armer Leute Kinder aus Nazareth bei Ihm waren und sie nicht.

Ich sah Jesus auch bis spät in die Nacht bei dem alten Essener Eliud von Nazareth. Dieser heilige Mann scheint bald vor Altersschwäche zu sterben. Er vermag nicht viel mehr und liegt meist auf seinem Lager. Jesus lag hingestreckt neben ihm bei seinem Lager und redete auf den Arm gestützt mit ihm. Dieser Mann ist ganz in Gott.

Bei Anbruch des Purimfestes wurde oben auf der Synagoge wieder Musik gemacht auf einem Instrument, das auf drei Füßen stand. Es war hohl und Pfeifen stiegen darin auf und ab, auf welchen durch Aus- und Einziehen eine Melodie gespielt wurde. Es spielten Kinder auch auf Harfen und Pfeifen. Heute hatten die Frauen und Jungfrauen zum Andenken an die Esther große Freiheiten und Rechte in der Synagoge. Sie waren nicht abgesondert und konnten sich dem Ort, wo die Priester standen, nahen. Es kamen auch Aufzüge von Kindern in wunderlichen Kleidungen, einige weiß, andere rot gekleidet, in die Synagoge. Auch trat eine Jungfrau auf, die eine Verzierung am Hals hatte, die recht fürchterlich aussah. Sie hatte nämlich einen blutroten Ring um den Hals, als sei er ihr abgeschnitten und vom Ring hingen viele blutrote Fäden wie Blutstreifen mit Knöpfen rings auf das weiße Kleid nieder, gerade als wenn Blut aus dem abgeschnittenen Hals flösse. Sie kam bei einer gewissen Vorstellung wie im Schauspiel vor und trug einen prächtigen Mantel, dessen Schleppe getragen wurde. Es folgten ihr Jungfrauen und Kinder. Sie hatte einen hohen, spitzen Aufsatz vorne am Kopf und einen langen Schleier. Sie trug etwas in der Hand, ich weiß nicht, ob Schwert oder Szepter. Es war dies eine große und sehr schöne Jungfrau. Ich weiß nicht recht, wie es war. Ich meinte, es sollte die Esther vorstellen und doch war es auch wieder, wie eine Judith, aber nicht die, welche den Holofernes getötet, denn es war eine Magd bei ihr, die einen schönen Korb trug, worin Geschenke für den ersten Priester waren. Sie beschenkte ihn mit Schildchen, die sie vor der Stirn oder Brust manchmal tragen, recht köstlich gemacht. Es lag aber auch in einem Winkel der Synagoge hinter einem Vorhang, wie auf einem Paradebett, die ausgestopfte Figur eines Mannes, wovon diese Jungfrau den Kopf abnahm und ihn dem Oberpriester überbrachte. Sie gab nach einer hergebrachten Freiheit den Priestern eine Ermahnung über ihre Hauptfehler, welche das Jahr hindurch geschehen waren, und zog sich zurück. Auch noch bei andern Festen hatten die Frauen solche Rechte, die Priester zu ermahnen.

In der Synagoge wurde das Buch Esther aus einer eigenen Rolle abwechselnd vorgelesen. Auch Jesus las daraus. Die Juden, besonders die Kinder, hatten kleine Brettchen mit Hämmern. Wenn man einen Faden zog, schlug der Hammer auf einen geschriebenen Namen, sie sprachen auch etwas dabei. Dieses geschah, so oft der Name Haman genannt wurde.

Es waren auch große Gastmahle. Jesus war bei dem Mahl der Priester in dem Festhaus. Alles war bei dieser Mahlzeit so geschmückt wie beim Laubhüttenfest, besonders waren sehr viele Blumenkränze, Rosen wie Köpfe so groß und ganze Pyramiden von Blumen da und sehr viele Früchte. Ein ganzes Lamm war auf' der Tafel und besonders musste ich mich über die Pracht der Geschirre wundern. Eine Art Schalen war da von vielen Farben und durchsichtig wie Edelsteine. Die Masse war wie von vielen durcheinander gedrehten bunten Glasfäden. Die Leute machten sich untereinander heute sehr viele Geschenke, besonders von Kleinodien und festlichen Kleidungsstücken, Talaren, Manipeln, Kopfschleiern, Gürteln unten mit Quasten behängt. Auch Jesus erhielt einen Festrock mit Quasten unten. Er wollte ihn aber nicht nehmen und gab ihn andern. Viele gaben ihre Geschenke auch den Armen, die überhaupt sehr reichlich bedacht wurden.

Nach dem Mahl wandelte Jesus von seinen Jüngern umgeben mit den Priestern in der Nähe von Nazareth in Lust- oder schön verzierte Lehrgärten. Sie hatten drei Schriftrollen und das Buch Esther wieder bei sich, aus welchen wechselseitig vorgelesen wurde. Scharen von Jünglingen und Jungfrauen folgten nach. Die Jungfrauen hörten jedoch die Lehre nur aus der Entfernung an. Ich sah auch an diesem Tag Männer herumgehen, welche eine Steuer sammelten.

Von Nazareth zog Jesus mit den Jüngern zu dem gegen vier Stunden entfernten Apheke, von wo Er zum Sabbat wieder nach Nazareth zurückkam und den sterbenden Eliud besuchte. Die Priester in Nazareth konnten nicht begreifen, woher Jesus nach so kurzer Abwesenheit die Gelehrsamkeit gekommen. Sie fanden seine Lehre unwidersprechlich und manche waren heimlich Ihm neidisch. Sie gaben Ihm das Geleit, als Er mit den Jüngern Nazareth verließ.

14. Jesus auf Lazari Gut bei Thirza und in Bethanien

Jesus zog den Weg, den die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten gegangen war, und kam mit seinen Jüngern durch den kleinen Ort, nicht weit von Legio, wo die Heilige Familie damals eingekehrt war, und wo eine verachtete Menschenart, wie Sklaven lebte. Jesus kaufte hier Brot, teilte es aus, und es vermehrte sich. Es entstand kein großer Auflauf dadurch. Er hielt sich dabei nicht lange auf und es geschah dieses, wie im Vorübergehen.

Auf der Weiterreise kamen Lazarus, Johannes Marcus und Obed entgegen, mit denen Jesus zum etwa fünf Stunden noch entfernten Gut des Lazarus bei Thirza wanderte. Sie kamen unbemerkt zur Nachtzeit an, wo schon alles zu ihrem Empfang vorbereitet war. Das Gut lag am Gebirge gegen Samaria zu, nicht fern von dem Feld Jakobs. Ein sehr alter Jude, der barfuss und gegürtet ging, war dort Verwalter. Er war schon auf dem Gut, da Maria und Joseph auf der Reise nach Bethlehem hier Herberge gehabt haben. Auf demselben Gut haben Martha und Magdalena im letzten Lehrjahr, da Jesus in Samaria lehrte, Ihn bewirtet und gebeten, zu dem kranken Lazarus zu kommen.

Nahe bei Lazari Gut war die nun kleine Stadt Thirza, in schöner Gegend, etwa sieben Stunden Wegs von Samaria, gelegen. Der Morgensonne ausgesetzt war Thirza sehr fruchtbar an Getreide, Wein und besonders Obst. Die Einwohner treiben meistens Landbau und tragen die Früchte zum Verkauf weg. Die Stadt ist ehedem groß und schön gewesen. Es hatten Könige hier gewohnt. Das Schloss ist aber abgebrannt und die Stadt im Krieg zerstört worden. Der König Amri hatte noch so lange in dem Haus gewohnt, das jetzt Lazarus gehört, bis Samaria erbaut war, wohin Er dann zog. Die Leute sind sehr fromm hier, sie halten sich sehr still. Der Ort ist jetzt klein und abgelegen. Ich glaube, es muss in unserer Zeit noch eine Spur davon da sein. Die Leute halten sich sehr von den Samaritanern zurück (3 Kön 16, 24), Jesus lehrte in der Synagoge von Thirza, heilte aber nicht.

Am Sabbat begann das Tempelweihfest Zorobabels. Aber nicht so feierlich, als das Makkabäer Weihfest. Es sind aber doch wieder in den Häusern, auf den Straßen und auf Feldern bei den Hirten und in der Synagoge sehr viele Lichter und Feuer angezündet worden. Jesus war den größten Teil des Tages mit all den Jüngern in der Synagoge zu Thirza. Er hat wieder in Lazarus Haus gegessen, aber nur weniges. Der größte Teil der Speisen wurde immer den Armen in Thirza ausgeteilt, deren es sehr viele dort gibt. Solche Austeilungen geschahen fortwährend bei seinem Hiersein. Die Stadt hat noch Spuren ihrer ehemaligen Größe durch Mauern und alte Türme. Es scheint, als habe ihr Umfang sonst das eine Viertelstunde entlegene Haus des Lazarus umfasst. Man sieht es an allerlei jetzt mit Gärten versehenen Mauerresten und Grundlagen. Lazarus hat diese Besitzung noch von seinem Vater. Er ist hier wie überall in großer Ehre und Achtung als ein sehr reicher und frommer, ja erleuchteter Mann. Sein Betragen ist auch sehr von dem aller andern Menschen ausgezeichnet. Er ist sehr ernst und redet sehr wenig. Dann aber sehr sanft und doch mit Gewicht.

Als das Fest zu Ende war, verließ Jesus mit Lazarus und den Jüngern Thirza und setzte die Reise nach Judäa fort. Der Weg war der Maria und Josephs nach Bethlehem, jedoch nicht gerade dieselben Pfade, aber derselbe Landstrich durch die Gebirge seitwärts von Samaria. Ich habe sie in der Nacht einen hohen Berg hinaufwandein sehen. Es war eine überaus milde helle Nacht und es lag ein sehr wohltätiger Taunebel über der Gegend. Es sind etwa achtzehn Begleiter bei Jesus. Sie gingen zwei und zwei auf den Pfaden, ein Trupp vor, einer nach Jesus und einzelne in der Mitte. Jesus steht oft stille, redet oder betet. Der Weg eignet sich dazu. Sie sind einen großen Teil der Nacht durch gegangen, haben dann am Morgen geruht und etwas zu sich genommen. Dann sind sie noch über ein kaltes Gebirge gezogen und haben alle Städte vermieden.

Unweit Samaria sah ich etwa sechs Jünger bei Ihm, als sich ein junger Mann aus Samaria vor Ihm auf dem Weg niederwarf und zu Ihm sagte: «Retter der Menschen, der Du Judäa befreien und herstellen willst» usw. Er glaubte auch an ein äußerliches von Christus zu gründendes Reich und bat Ihn dringend um Aufnahme, um ein Amt bei Ihm. Dieser Jüngling war ein Waise, hatte aber große Güter von seinem Vater geerbt und hatte ein Amt in Samaria. Jesus war ihm ganz freundlich und sagte ihm, wenn Er wieder komme, wolle Er ihm sagen, was er tun solle. Es gefalle Ihm sein guter Wille und seine Demut. Es sei nichts einzuwenden gegen das, was er sage usw. Ich sah aber, dass Er wohl wusste, dieser Jüngling hänge an seinem Reichtum, und dass Er ihm erst sagen will, was er tun soll, wenn alle Apostel von Ihm erwählt sind, denn Er will demselben eine Lehre dabei geben. Dieser Jüngling kommt in Zukunft noch einmal und das steht dann im Evangelium.

Abends vor Sabbat sah ich sie in der Herberge der Hirten zwischen den zwei Wüsten ankommen, etwa vier bis fünf Stunden von Bethanien, wo Maria und die heiligen Frauen übernachteten, als sie zu Jesus nach Bethanien vor der Taufe abgereist sind. Die Hirten aus der Gegend versammelten sich und brachten Geschenke und Lebensmittel. Die Herberge wurde zum Betort eingerichtet, eine Lampe angezündet, und sie blieben hier. Jesus lehrte und feierte den Sabbat hier. Er war auf dieser sehr unwegsamen und einsamen Reise auch an der Stelle gewesen, wo Maria auf der Reise nach Bethlehem so gefroren hat und wo ihr nachher so warm geworden ist.

Jesus verweilte den ganzen Sabbat über mit den Jüngern unter diesen Hirten, die sehr glücklich und gerührt waren. Selbst Jesus schien heiterer unter den schuldlosen einfachen Leuten. Nach dem Sabbat wandelte Jesus zum vier Stunden entfernten Bethanien.

15. Erste Osterfeier in Jerusalem

Jesus wohnte in Lazaris Haus zu Bethanien in demselben Raum, wie sonst. Er ist wie eine Synagoge und der Betort des Hauses. In der Mitte steht das gewöhnliche Pult, auf dem die Gebetsrolle und Schriften liegen. Seine SchlafsteIle ist ein anhängendes, abgeschlagenes Kämmerchen.

Am Morgen nach seiner Ankunft ging Martha nach Jerusalem zu Maria Marcus und den andern Frauen, um anzuzeigen, dass Jesus mit ihrem Bruder in das Haus der Maria Marcus kommen werde. Jesus kam mit Lazarus gegen Mittag dahin. Bei dem Mahl waren Veronika, Johanna Chusa, Susanna, die Jünger Jesu und Johannes aus Jerusalem, Johannes Marcus, die Simeonssöhne, Veronikas Sohn, Josephs von Arimathäa Vettern, in allem etwa neun Männer. Nikodemus und Joseph waren nicht dabei. Jesus sprach von der Nähe des Reiches Gottes, von seiner Berufung, von der Nachfolge und selbst dunkel von seinem Leiden.

Das Haus des Johannes Marcus liegt vor der Stadt an der Morgenseite, dem Ölberg gegenüber, und Jesus brauchte dahin nicht durch die Stadt zu gehen. Am Abend ging Er wieder mit Lazarus nach Bethanien. In Jerusalem wird da und dort schon von Ihm geredet, der neue Prophet von Nazareth sei in Bethanien. Manche freuen sich auf Ihn, andere sind ärgerlich. In den Gärten und am Wege des Ölberges standen hie und da Leute, auch einige Pharisäer, um Ihn zu sehen, wenn Er vorüberkomme. Sie mochten es zufällig gehört oder in Bethanien auskundschaftet haben, dass Er in die Stadt komme. Es redete Ihn aber keiner an. Einige wichen scheu hinter die Hecke zurück und sahen Ihm nach. Sie sagten zueinander: «Das ist der Prophet von Nazareth, Josephs des Zimmermanns Sohn.»

Es waren überhaupt viele Leute in Gärten und an Zäunen arbeitend wegen des herannahenden Festes, wo alles gereinigt und geschmückt, die Wege bereitet und die Hecken beschnitten und aufgebunden wurden. Auch zogen von allen Seiten her ärmere Juden und Arbeitsleute mit Eseln und Geräten nach Jerusalem hinein, welche während des Festes Taglöhnerdienste in der Stadt und den Gärten taten. Ein solcher Mann war auch Simon, der Jesus das Kreuz tragen helfen musste.

Tags darauf war Jesus wieder in Jerusalem und zwar im Haus Obeds des Sohnes Simeons in der Nähe des Tempels und in einem andern Haus, wo sonst des alten Simeon Familie gewohnt hatte, dem Tempel gegenüber. Er genoss dort eine Bewirtung, welche Martha und die andern Frauen bereitet und hingesandt hatten. Die Jünger aus Jerusalem, etwa neun an der Zahl, und noch einige andere fromme Männer waren anwesend, Nikodemus und Joseph von Arimathäa aber nicht. Jesus sprach sehr liebevoll und ernst von der Nähe des Reiches Gottes. Im Tempel war Er noch nicht.

Er geht ganz ohne Scheu umher und hat meist einen langen, gewirkten, weißen Rock an. Es ist ein Prophetenrock. Oft erscheint Er sehr gewöhnlich und fällt gar nicht auf und man verliert Ihn leicht aus den Augen. Manchmal aber ist seine Erscheinung ganz außerordentlich. Sein Antlitz ist dann leuchtend und übernatürlich. Als Er abends nach Bethanien zurückgekehrt war, kamen einige Jünger von Johannes zu Ihm, unter welchen Saturnin. Sie grüßten Ihn und erzählten von Johannes, dass nicht sehr viele Täuflinge mehr zu ihm kommen. Aber Herodes habe viel mit ihm zu schaffen. Nikodemus ist an diesem Abend zu Lazarus nach Bethanien gekommen und hat Jesus Lehre gehört.

Am folgenden Morgen ging Jesus zu Simon dem Pharisäer, der eine Herberge oder ein Festhaus in Bethanien hatte. Es war eine Mahlzeit bei ihm, wo Nikodemus, Lazarus, die Jünger des Johannes und die Jünger von Jerusalem versammelt waren. Auch Martha und die Frauen von Jerusalem waren zugegen. Nikodemus redete fast gar nicht in Jesus Gegenwart. Er hält sich zurück und hört nur mit Verwunderung zu. Joseph von Arimathäa ist gerade heraus und fragt wohl manchmal. Simon der Pharisäer ist nicht bös, aber jetzt noch ein schwankender Mann, der es mit Jesus Partei aus Freundschaft mit Lazarus hält. Aber auch mit den Pharisäern gut steht.

Jesus sprach bei dieser Mahlzeit vieles von den Propheten und der Erfüllung der Weissagungen. Er lehrte von dem Wunder der Empfängnis Johannes des Täufers, und wie Gott ihn von dem Kindermord des Herodes befreit habe und wie er nun die Wege bereitend aufgetreten sei. Er sprach auch von der geringen Aufmerksamkeit der Menschen auf die Erfüllung der Zeiten, wobei Er sagte: «Dreißig Jahre sind es! Und wer gedenkt noch daran, außer wenige fromme, einfältige Menschen, dass drei Könige wie ein Kriegsheer aus dem Morgenland mit kindlichem Vertrauen einem Stern folgten und kamen und suchten einen neugeborenen König der Juden und fanden ein armes Kind armer Leute? Drei Tage waren sie da! Wären sie zu einem vornehmen Fürstenkind gekommen, man hätte sie nicht so leicht vergessen!» Er erwähnte aber nicht. dass Er dieses Kind sei.

Von Lazarus und Saturnin begleitet ging Jesus in Bethanien in die Häuser mehrerer armen frommen Kranken von der Arbeiterklasse und heilte etwa sechs derselben. Es waren Lahme, Wassersüchtige und Schwermütige. Er befahl auch den Geheilten, aus dem Haus zu gehen und sich in die Sonne zu setzen. Es ist in Bethanien noch gar kein Auflauf wegen Jesus. Auch bei dieser Handlung blieb alles ganz still. Lazarus, den man sehr hoch achtet, trägt dazu bei, dass die Leute sich hier zurückhalten.

Am Abend da der erste Tag des Nisan eintrat, war ein Fest in der Synagoge. Es scheint das Neumondsfest gewesen zu sein, denn es war eine Art Beleuchtung in der Schule, wie eine Mondscheibe, welche unter dem Gebete immer vollkommener erleuchtet wurde, indem ein Mann nach und nach immer mehr Lichter hinter ihr anzündete.

Jesus war tags darauf mit Lazarus, Saturnin, Obed und andern Jüngern im Tempel beim Gottesdienst. Es ist ein Widder geopfert worden. Die Erscheinung Jesus im Tempel bringt eine eigentümliche Erschütterung unter den Juden hervor. Das Wunderbare dabei ist, dass jeder seine Empfindung in sich verbirgt und keiner es wagt, mit dem andern über den Eindruck zu sprechen, den ihm seine Erscheinung macht. Es war dies eine göttliche Fügung, um dem Heiland die Zeit seines Wirkens zu verlängern. Denn so sie sich gegenseitig beredeten, würde die Erbitterung wachsen. Jetzt aber kämpft in manchem Hass und Grimm mit heiliger Rührung. In anderen regt sich eine leise Begierde, Ihn näher zu kennen, und sie bemühen sich, durch andere Ihm bekannt zu werden. Es war auch ein Fasttag wegen des Todes der Kinder Aarons.

Im Haus des Lazarus waren die Jünger und viele andere fromme Leute zugegen. Jesus lehrte in einer großen Halle, worin ein Lehrstuhl war, auf die nämliche Weise wie neulich, da Er von den drei Königen sprach und wendete ihre Aufmerksamkeit auf Ereignisse aus früherer Zeit. Er sagte: «Sind es jetzt nicht gerade achtzehn Jahre, da ein kleiner Bachir, (das muss wohl so viel heißen als Schüler), im Tempel so wunderbar mit den Schriftgelehrten disputierte, und dass diese so erbittert über ihn wurden?» Er erzählte auch, was der kleine Bachir gelehrt habe.

Jesus war mit Obed, der am Tempel diente, und den andern jerusalemischen Jüngern wieder im Tempel bei der Sabbatsfeier. Sie standen paarweise bei den andern jungen israelitischen Männern. Jesus hatte ein weißes gewirktes Kleid, einen Gürtel und einen weißen Mantel an, ähnlich, wie ihn die Essener tragen. Es war aber doch etwas ausgezeichnetes an Ihm. Seine Kleidung war besonders rein und schien sehr zierlich, wahrscheinlich weil Er sie trug. Er sang und betete aus Rollen wechselnde Gesänge mit. Es waren auch Vorbeter da. Man war wieder befremdet und verwundert über ihn, ohne doch mit Ihm zu reden. Und selbst unter einander sprachen sie nicht öffentlich von Ihm. Ich sah aber die wunderbare Gemütsbewegung vieler. - Es wurden drei Lehren oder Predigten gehalten, von den Kindern Israel, ihrem Auszug aus Ägypten und vom Osterlamm. Auf einem Altar war ein Rauchopfer. Man konnte den Priester nicht sehen, wohl aber den Rauch und das Feuer. Das Feuer sah man durch eine Art Gitter, auf welchem etwas wie ein Osterlamm unter Verzierungen oder Strahlen ausgearbeitet war. Dadurch schimmerte das Feuer. Dieser Altar stand nahe bei dem Allerheiligsten, die Hörner desselben schienen bis in das Allerheiligste zu gehen. - Ich sah betende Pharisäer, welche manchmal eine lange schmale Bahn, die eigentlich ein Schleier gewesen, um den einen Arm wickelten.

Ungefähr um zwei Uhr nachmittags ging Jesus mit seinen Gefährten im Tempel in ein Gemach am Vorhof Israels, wo eine kleine Mahlzeit von Früchten und Broten, die gleich Zöpfen geflochten waren, bereit war. Sie hatten einen zum Speisemeister bestellt, der alles besorgte. Man konnte alles nötige in den dabei liegenden Räumen kaufen und bestellen. Fremde hatten dieses Recht. Der Tempel war wie eine ganze Stadt so groß, man konnte alles da haben. - Bei dieser Mahlzeit lehrte Jesus.

Nachdem die Männer weggegangen, aßen auch die Frauen daselbst.

Ich sah auch heute, was ich sonst nicht wusste: Lazarus hatte ein Amt am Tempel, so wie etwa bei uns ein Bürgermeister ein Kirchenamt haben kann. Er ging nämlich mit einer Büchse herum, eine Beisteuer sammelnd. - Jesus und die Seinigen blieben noch den ganzen Nachmittag im Tempel und ich sah Ihn nicht eher, als etwa neun Uhr abends in Bethanien zurück. Es waren bei diesem Sabbat unzählige Lampen und Lichter im Tempel.

Maria und die andern heiligen Frauen sind von Kapharnaum nach Jerusalem zu abgereist. Sie ziehen gegen Nazareth und am Tabor vorüber, aus welcher Gegend noch andere Frauen zu ihnen kommen, und über Samaria. Die galiläischen Jünger ziehen ihnen voraus, und Knechte, welche Pakete tragen, folgen nach. Bei den Jüngern sind Petrus, Andreas und der Halbbruder Jonathan, die Söhne des Zebedäus, die Söhne Mariä Kleophä und Nathanael Chased und Nathanael der Bräutigam.

Am vierten Nisan war Jesus mit etwa zwanzig Jüngern den ganzen Morgen im Tempel. Nachher hat Er im Haus Mariä Markus gelehrt und einen Imbiss genommen. Dann war Er in Bethanien bei dem Pharisäer Simon mit Lazarus.

Es werden jetzt schon viele Lämmer ausgemustert.

Jesus war abermals im Tempel und lehrte nachmittags im Haus Josephs von Arimathäa. Dieses Haus liegt in der Gegend von Johannes Markus Haus. Es ist ein Steinmetzhof dabei. Diese Gegend ist etwas abgelegen, und die Pharisäer kommen wenig dahin. Auch scheut sich jetzt noch niemand, sich Jesus zu nähern, denn der Hass gegen Ihn ist noch nicht zum Ausbruch gekommen.

Jesus zeigt sich immer freier und kühner in Jerusalem und im Tempel. Er ist mit Obed hervorgetreten zwischen dem Opferaltar und dem Tempel, wo über das Osterfest und dessen Gebräuche eine Lehre für die Priester gehalten wurde. Seine Jünger blieben im Vorhof Israels zurück. Die Pharisäer ärgerten sich sehr, Ihn zu sehen. Er redet auch mit Leuten auf der Straße.

Es kommen immer mehr Leute nach Jerusalem, besonders Arbeiter, Taglöhner, Diener, Handelsleute mit vielen Lebensmitteln. Es werden dicht um die Stadt und auf leeren Plätzen sehr viele Hütten und Zelte aufgeschlagen, um die Menge der Ostergäste zu beherbergen. Es werden viele Lämmer und anderes Vieh zur Stadt gebracht. Die Lämmer werden jetzt schon ausgesucht. Es ziehen auch sehr viele Heiden zum Fest in die Stadt.

In Bethanien lehrt und heilt Jesus öffentlich. Man hat Ihm auch fremde Kranke gebracht. Es sind Verwandte von Zacharias aus der Gegend von Hebron zu Ihm gekommen, Ihn dahin einzuladen.

Er war auch wieder im Tempel und hat abends, da nach dem Gottesdienst die Priester den Tempel verlassen hatten, an der Stelle, wo Er bei den Jüngern stand, vor diesen und anderen guten Leuten von der Nähe des Reiches Gottes, vom Osterfest und von der Nähe der Erfüllung aller Prophezeiungen und Bilder und des Osterlamms selber gelehrt. Er sprach sehr ernst und scharf und mehrere Priester, die noch hie und da zu tun hatten, wurden durch seine Reden bestürzt und heimlich unwillig. Hierauf ging Jesus nach Bethanien und von dort in der Nacht mit den Leuten von Hebron und einigen Jüngern etwa vier Stunden mittagswärts gegen Hebron.

Im Tempel werden jetzt mit Anstrengung die Vorbereitungen zum Fest gemacht und wird im innern Raum sehr vieles verändert. Wege und Hallen werden geöffnet und Gestelle und Scheidewände weggeräumt. Man kann nun von vielen Seiten zum Altar, es gewinnt alles ein ganz anderes Aussehen.

Auf dem Weg gegen Hebron zog Jesus mit den Jüngern und Verwandten Zacharias zwischen Jerusalem und Bethlehem hin. Es war höchstens ein Weg von fünf Stunden. Über Juta kam Er in das nahe Hebron, wo Er lehrte und ungestört viele Menschen heilte. Zu dem Sabbat kam Er nach Bethanien zurück. Der Weg ging hoch über Berge voll Sonne. Es war sehr heiß. Die Jünger, die von Johannes zu Jesus nach Bethanien gekommen waren, kehrten wieder zu Johannes zurück.

Am Sabbat war Jesus im Tempel und trat mit Obed bis in die Vorhalle hervor, wo der Lehrstuhl ist, auf dem Er später auch gelehrt. Hier saßen Priester und Leviten auf den kreisförmigen Sitzen um den Lehrstuhl, von welchem herab eine Lehre über das Osterfest gehalten wurde. Die Erscheinung Jesus erregte eine große Bestürzung unter den Anwesenden. Besonders als Er einzelne Einwürfe und Fragen tat, die niemand von ihnen beantworten konnte. Unter anderem sprach Er, die Zeit sei nahe, da das Vorbild des Osterlammes erfüllt werde. Dann werde dieser Tempel und dieser Dienst zu Ende gehen. Er sprach davon verblümt und doch so deutlich, dass ich lebhaft dabei an die Stelle des «Pange lingua» denken musste, wo es heißt «et antiquum documentum novo cedat ritui». Als sie Ihn fragten, woher Er das wisse, antwortete Er ihnen, sein Vater habe es Ihm gesagt, sprach aber nicht, wen Er damit meine. Überhaupt sprach Er nur ganz allgemein. Die Pharisäer sehr ergrimmt und doch voll Erstaunen wagten nichts gegen Ihn. Es war nicht erlaubt in diesen Teil des Tempels zu gehen. Er aber ist als ein Prophet hingegangen. Im letzten Jahr hat Er selbst dort gelehrt.

Nach dem Sabbat ging Jesus nach Bethanien. Ich habe Ihn bis jetzt noch nicht mit der stillen Maria sprechen gesehen. Ich glaube, ihr Ende ist nahe. Es scheint sich etwas mit ihr verändert zu haben. Sie liegt an der Erde auf grauen Decken und wird von Mägden im Arm gehalten. Sie war in einer Art Ohnmacht. Sie scheint mir der irdischen Welt näher gerückt und wird wohl auf Erden noch etwas leiden müssen. Sie war bis jetzt immer abwesenden Geistes, und nichts von der Welt wissend. Jetzt aber scheint sie mehr ins Leben zurückgesetzt. Sie wird nun wissen, dieser Jesus hier in Bethanien, der in ihrer Zeit und Nähe lebe, sei es, der so bitter leiden müsse. Sie wird noch im Leben, im Leibe die Schmerzen des Mitleids aushalten, und dann bald sterben.

In der Nacht vom Samstag hat Jesus die stille Maria besucht und lange mit ihr gesprochen. Sie saß teils auf ihrem Lager, teils ging sie umher. Sie ist nun ganz bei Verstand und weiß den Unterschied von Diesseits und Jenseits, und dass Jesus der Heiland und das Osterlamm ist, und dass Er so schrecklich leiden wird. Sie ist darüber unaussprechlich traurig und die Welt kommt ihr zum Erdrücken schwer und finster vor. Besonders aber betrübt sie der Undank der Menschen, welchen sie voraussieht. Jesus sprach lange mit ihr von der Nähe des Reiches Gottes und seinen Leiden, segnete und verließ sie. Sie wird bald sterben. Sie ist jetzt außerordentlich schön und groß, schneeweiß und leuchtend, und hat Hände wie Elfenbein und so lange schlanke Finger.

Jesus heilte am Morgen viele Leute in Bethanien ganz öffentlich, die man dahin gebracht hatte, darunter auch Fremde, die aufs Fest gekommen waren, Lahme, Blinde. Es kamen auch einige Männer aus dem Tempel zu Ihm und stellten Ihn zur Rede über sein Tun und Lassen, und wer Ihn berechtigt habe, gestern im Tempel in der Lehre mitzusprechen? Er antwortete ihnen sehr ernst und sprach wieder von seinem Vater. Die Pharisäer wagten sich nicht recht an Ihn, sie fühlten einen Schrecken in seiner Nähe und wussten nicht, was sie an Ihm hätten. Jesus aber lehrte tags darauf wieder im Tempel. Alle die galiläischen Jünger, welche auf der Hochzeit in Kana gewesen, sind nun gekommen. Maria und die heiligen Frauen wohnen bei Maria Markus. - Lazarus hat viele ausgemusterte Lämmer gekauft und schlachten lassen und unter die armen Taglöhner und Arbeiter verteilt.

16. Jesus weist die Krämer aus dem Tempelvorhof hinaus Paschamahl. Tod der stillen Maria

Da Jesus mit allen Jüngern zum Tempel kam, wies Er viele Krämer mit grünem Krautwerk, Vögeln, Lämmern und allerlei Esswaren in großer Liebe und Freundlichkeit aus dem Umfang des Vorhofs der Betenden weit zurück in den Vorhof der Heiden. Er ermahnte sie freundlich, dass dieses ganz unschicklich sei, besonders das Geblöke der Lämmer und des Viehes und half mit den Jüngern selbst ihre Tische tragen und ihnen Plätze anweisen.

Er heilte an diesem Tag auch viele kranke Fremde in Jerusalem, besonders arme lahme Arbeitsleute, welche in der Gegend des Cönaculum am Berge Sion wohnten. - Es ist eine erstaunliche Menge Volkes in Jerusalem. Es stehen ganze Lager von Hütten und Zelten um die Stadt. Auf großen Plätzen sind Gebäude, wie Straßen lang, worin alles zu haben ist, und in großen Vorräten liegt, was zu einem Zelt und dessen Einrichtung und zum Osterlammessen gehört. Es sind Magazine, in welchen alles das teils verkauft, teils vermietet wird. Scharen von Taglöhnern und armen Leuten aus ganz Israel sind beschäftigt, dergleichen hin und her zu tragen und aufzuschlagen. Diese Leute haben auch schon seit mehrerer Zeit in Jerusalem und umher alles weggeräumt, was den Raum stören kann, die Hecken beschnitten, die Wege geöffnet, die Lagerplätze geebnet und abgegrenzt. KrämersteIlen und Marktplätze eingerichtet. Ebenso wurden auch Wochen voraus alle Wege und schweren Passagen im Lande ausgebessert und bereitet. Alles das bezieht sich so auf das Pascha-Lamm, wie das Wegebereiten des Täufers auf das wahre Lamm Gottes.

Als Jesus wieder mit seinen Jüngern im Tempel war, wies Er die Krämer noch einmal hinweg. Da jetzt alle Zugänge wegen des bevorstehenden Osterlammschlachtens offen waren, hatten sich wieder viele bis zum Vorhof der Betenden vorgedrängt. Jesus wies sie zurück und schob ihre Tische hinweg. Es ging gewaltsamer, als das letzte Mal. Die Jünger räumten vor Ihm her. Es war aber freches Volk dabei, welches mit heftigen Gebärden und vorgestrecktem Hals sich Ihm widersetzte, so dass Jesus selbst mit einer Hand einen Tisch zurückschob. Sie vermochten nichts gegen Ihn. Der Platz wurde bald leer und alles bis zum äußersten Hof hinausgeschafft. Er sagte ihnen warnend, Er habe sie nun zweimal in Güte weggewiesen, wenn Er sie nochmals hier fände, werde Er Gewalt brauchen. Da schimpften die Frechsten nach Ihm hin: was sich der Galiläer, der Schüler von Nazareth hier herausnehme, sie fürchteten sich nicht vor Ihm. Hierauf hat das Wegschaffen begonnen. Es stand dabei viel Volk umher, das Ihn bewunderte. Die frommen Juden gaben Ihm recht und lobten Ihn in der Entfernung. Man rief auch: der Prophet von Nazareth! Die Pharisäer, die sich darüber ärgerten und schämten, hatten schon vor einigen Tagen in der Stille Ermahnungen an das Volk bekannt machen lassen, man solle während des Festes sich nicht an den Fremdling anhängen, Ihm nicht nachlaufen und nicht viel von Ihm schwätzen. Das Volk wird aber immer aufmerksamer auf Ihn. Denn es sind nun schon sehr viele Leute hier, die Er gelehrt oder geheilt hat.

Als Jesus beim Herausgehen aus dem Tempel in einem Vorhof einen Lahmen geheilt hatte, der Ihn angerufen, ging dieser, Jesus freudig verkündend, in den Tempel und verursachte großes Aufsehen.

Johannes der Täufer kommt nicht zum Fest. Er ist kein rechter Gesetzesjude, auch gar nicht wie andere Menschen. Er ist wie eine mit Fleisch bekleidete Stimme. Er hat aber jetzt wieder Zulauf von Täuflingen, weil so vieles Volk nach Jerusalem ziehend in Bewegung ist.

Am Abend wurde alles sehr still in Jerusalem. Man beschäftigte sich in den Häusern mit dem Ausfegen des Sauerteigs und Bereiten des ungesäuerten Brotes. Es wurden alle Geräte behängt und bedeckt. Auch im Haus des Lazarus am Berg Sion geschah dies, wo Jesus und die Seinigen das Osterlamm essen sollen. Jesus war selbst dabei, lehrte darüber, und es geschah alles unter seiner Anordnung. Es ging nicht so ängstlich dabei zu, als bei den andern Juden. Jesus erklärte ihnen, wovon es ein Vorbild sei, wie sie es ausüben sollten und was die Pharisäer unverständig zugesetzt hätten.

Jesus war tags darauf nicht im Tempel, sondern in Bethanien. Ich dachte noch, als sich so viele Krämer wieder im Tempel vorgedrungen hatten, wenn Er jetzt da wäre, es würde ihnen übel gehen. Nachmittags wurden im Tempel die Osterlämmer geschlachtet. Dies geschah mit unbeschreiblicher Ordnung und Fertigkeit. Jeder trug sein Osterlamm auf den Schultern herbei. Alle standen sehr ordentlich und jeder hatte Raum genug. Es waren drei Höfe um den Altar, wo sie stehen konnten; zwischen dem Altar und Tempel stand kein Volk. Vor den Schlachtenden waren Geländer und Gestelle mit Bequemlichkeiten. Sie standen jedoch so dicht, dass das Blut des einen Lammes den Schlächter des andern bespritzte. Ihre Kleider waren alle voll Blut. Die Priester standen in vielen Reihen bis zum Altar, und die vollen und leeren Blutbecken liefen von Hand zu Hand. Ehe die Israeliten die Lämmer ausweideten, stießen und kneteten sie dieselben auf eine eigene Art, so dass sie die Eingeweide, wobei der Nächststehende beim Halten des Lammes behilflich war, mit einem Griff leicht herausrissen. Das Hautabziehen ging sehr schnell, sie lösten die Haut etwas ab und befestigten sie an einen runden Stock, den sie bei sich hatten, hängten das Lamm um ihren Hals vor die Brust und drehten dann den Stock mit den beiden Händen um, auf welchen das Fell sich aufrollte. Gegen Abend war man mit dem Schlachten fertig. Ich sah einen blutroten Abendhimmel.

Lazarus, Obed und Saturnin schlachteten die drei Lämmer, welche Jesus und seine Freunde aßen. Die Mahlzeit war im Haus des Lazarus am Berg Sion. Dies ist ein großes Gebäude mit zwei Flügeln. Im Saale, wo sie aßen, war auch der Bratofen; doch ganz anders, als der Herd im Cönaculum. Er war mehr in die Höhe, so wie die Herde in Annas und Marias Haus und zu Kana. In der aufrecht führenden dicken Mauer waren Löcher, worin man das Lamm von oben herab stellte. Es war ausgespannt mit Holz, wie gekreuzigt. Der Saal war schön geschmückt und es aßen die drei Parteien an einer Tafel, welche mir auffallend ganz in Kreuzgestalt aufgestellt war. Lazarus saß oben am kurzen Kreuzende, wo auch viele Schüsseln mit bittern Kräutern standen.

Die Osterlämmer standen wie hier verzeichnet ist, und die einzelnen Namen stehen nach einzeln benannten Sitzen. Um Jesus her standen Verwandte und Jünger aus Galiläa, um Obed und Lazarus die jerusalemischen Jünger, um Saturnin die Johannesjünger. Alle zusammen waren mehr als dreißig.

Es war dieses Ostermahl auf andere Weise, als das letzte Ostermahl Jesu. Es war mehr jüdisch. Alle hatten hier Stäbe in der Hand, waren aufgeschürzt und aßen sehr geschwind. Dort hatte Jesus zwei Stäbe kreuzweise. Sie sangen auch Psalmen und aßen stehend sehr geschwind das Osterlamm ganz auf. Später lagen sie zu Tisch. Es war aber doch etwas anders, als wie es die Juden aßen. Jesus legte ihnen alles aus und sie ließen allerlei zugesetzte pharisäische Gebräuche weg. Jesus zerlegte die drei Lämmer und diente zu Tisch. Er sagte, dass Er dieses jetzt als ein Diener tue. Hernach waren sie noch bis in die Nacht zusammen und sangen und beteten.

Es war heute so still und schauerlich in Jerusalem. Die Juden, welche nicht schlachteten, hielten sich in den Häusern, die alle mit grünem dunklem Laubwerk geschmückt waren. Die ungeheuer vielen Menschen waren nach dem Schlachten so sehr im Innern der Häuser beschäftigt und alles hielt sich so still, dass es mir einen ganz betrübten Eindruck machte.

Ich sah heute auch, wo alle die Osterlämmer für die vielen Fremden, welche teils vor den Toren lagerten, gebraten wurden. Es waren vor und auch innerhalb der Stadt an gewissen Plätzen ganze lange breite niedere Mauern errichtet, so dass man oben darauf gehen konnte. In diesen Mauern war Ofen an Ofen. In gewissen Entfernungen wohnte ein Aufseher, der auf alles acht gab, und bei dem man das Nötige um ein Geringes haben konnte. Bei solchen Öfen kochten und brateten auch Reisende und Fremde zu andern Festen und Zeiten. - Das Verbrennen des Fettes des Osterlammes dauerte bis in die Nacht im Tempel, dann wurde nach der ersten Nachtwache der Altar gereinigt und sehr früh die Tore wieder geöffnet.

Jesus und seine Jünger hatten die Nacht meist mit Gebet und mit wenig Schlaf in Haus des Lazarus am Berge Sion zugebracht. Die galiläischen Jünger schliefen in angebauten Räumen. Als der Tag anbrach, gingen sie schon zum Tempel hinauf, der mit vielen Lampen erleuchtet war. Es zogen schon von allen Seiten her Leute mit ihren Opfern hinauf. Jesus mit seinen Jüngern war in einem Vorhof und lehrte. Wiederum stand eine Menge von Krämern bis dicht an den Vorhof der Betenden und Frauen. Sie waren kaum ein paar Schritte vom betenden Volk. Als aber noch mehrere heranzogen, wies Jesus sie zurück und befahl den Dastehenden zu weichen. Sie widersetzten sich und riefen die Wächter in der Nähe um Hilfe, und diese zeigten es dem Synedrium an, weil sie aus sich selbst es nicht wagten. Jesus befahl den Krämern, zu weichen. Und da sie frech trotzten, zog Er aus seinem Gewand einen von Binsen oder dünnen Weiden gedrehten Strick hervor, schob einen Ring daran zurück, wodurch die eine Hälfte sich in eine Menge Fäden, wie eine Geißel auflöste. So drang Er gegen die Krämer an, stieß die Tische um, trieb die Widerspenstigen vor sich her. Die Jünger gingen an beiden Seiten vor Ihm her und drängten und schoben alles hinweg. Nun kamen eine Menge Priester aus dem Synedrium und stellten Ihn zur Rede: wer Ihm ein Recht dazu gebe, hier so zu verfahren? Er sagte ihnen, wenn gleich das Heiligtum vom Tempel gewichen sei und er seinem Untergang entgegen gehe, so sei er doch ein geweihter Ort und das Gebet so vieler Gerechten sei zu ihm gewendet. Er sei kein Ort des Wuchers, des Betrugs und niedrigen Handelgetümmels. Da sie Ihn auf die Rede, sein Vater habe es Ihm befohlen, fragten, wer sein Vater sei, erwiderte Er: Er habe jetzt keine Zeit, dieses zu erklären und sie verstünden es auch nicht und somit wendete Er sich von ihnen und fuhr fort, die Krämer zu vertreiben.

Es waren aber auch zwei Scharen von Soldaten angekommen, und die Priester wagten nichts gegen Jesus, denn sie schämten sich selbst der Unordnung. Auch war viel Volk versammelt, das dem Propheten Recht gab, so dass die Soldaten selbst Hand mit anlegen mussten, die Krämertische wegzuschaffen und die umgestoßenen Tische und Waren wegzuräumen. So schafften Jesus und die Jünger die Krämer bis vor den äußersten Vorhof hinaus. Diejenigen aber, welche bescheiden waren und mit Tauben, kleinen Broten und andern Erquickungen in den Mauerzellen des Vorhofes nötig waren, ließ Jesus dastehen. Er ging hierauf mit den Seinigen in den Vorhof Israels. Es mochte dieses ungefähr 7 bis 8 Uhr Morgens geschehen sein.

Am Abend dieses Tages zog eine Art Prozession das Tal Kidron, die Erstlingsgarbe abzuschneiden.

Da Jesus an einem späteren Tag im Vorhof des Tempels ungefähr zehn Lahme und Stumme heilte, erregte dieses ein großes Aufsehen. Denn die Geheilten erfüllten alles mit ihrem Jubel. Man stellte Ihn abermals zur Rede. Er aber antwortete sehr scharf, und das Volk war sehr begeistert von Ihm. Er hörte nach dem Gottesdienst der Lehre in einer Halle des Tempels mit den Jüngern zu. Man lehrte über ein Buch Mose. Er machte öfters Einwürfe, denn es war hier eine Art Schule, wo man disputieren konnte, und alle brachte Er zum Schweigen und gab eine ganz verschiedene Auslegung.

Jesus war in allen diesen Tagen schier gar nicht bei seiner Mutter, die immer bei Maria Markus den ganzen Tag in Sorgen, Tränen und Gebet wegen des Aufsehens war, das Er machte. Den Sabbat hielt Jesus bei Lazarus in Bethanien, wohin Er nach dem Lärm, den seine Heilung im Tempel verursachte, sich zurückgezogen. Nach dem Sabbat aber suchten die Pharisäer Jesus im Haus der Maria Markus in Jerusalem, um Ihn einzuziehen. Sie fanden Ihn aber nicht, sondern seine Mutter und andere heilige Frauen, und geboten diesen, als seinen Anhängerinnen, mit harten Worten, die Stadt zu verlassen. Da wurden die Mutter Jesus und die andern Frauen sehr betrübt und eilten weinend nach Bethanien zu Martha. Maria trat weinend in die Stube, wo Martha bei ihrer kranken Schwester, der stillen Maria, war, welche wieder ganz im äußeren Leben war und alles, was sie sonst im Geiste gesehen hatte, nun zur Wirklichkeit werden sah. Sie konnte ihre Betrübnis nicht mehr ertragen und starb in der Gegenwart Marias, Maria Kleophas, Marthas und der anderen Frauen.

Nikodemus kam in diesen Tagen durch Vermittlung des Lazarus trotz der ausgesprochenen Verfolgung zu Jesus, der die Nacht hindurch neben ihm an der Erde liegend lehrte. Vor Tagesanbruch ging Jesus mit Nikodemus nach Jerusalem in das Haus des Lazarus am Sion. Hier kam auch Joseph von Arimathäa zu Ihm. Er sprach mit ihnen, und sie demütigten sich vor Ihm und erklärten, dass sie wohl erkannten, wie Er mehr als ein Mensch sei, und sie gelobten, Ihm treu zu dienen bis ans Ende. Jesus aber gebot ihnen Zurückhaltung. Sie baten Ihn, Er möge sie in der Liebe erhalten.

Darnach kamen noch alle Jünger, die das Pascha mit Ihm gegessen hatten. Er gab ihnen Lehren und Befehle für die nächste Zukunft. Sie reichten sich die Hände und weinten und trockneten die Tränen mit der schmalen Halsbahn, welche sie auch um das Haupt hüllten.

VOM SCHLUSS DES ERSTEN OSTERFESTES BIS ZUR BEKEHRUNG DER SAMARITERIN AM JAKOBSBRUNNEN

1. Der Brief des Königs Abgarus

Von Bethanien, wo Jesus einige Zeit in Verborgenheit sich noch aufgehalten hatte, zog Er an die Taufstelle bei Ono. Die Einrichtungen zum Taufen waren durch Aufseher gehütet worden. Es sammelten sich Jünger um Jesus und vieles Volk strömte herbei. Da Jesus vor der Menge lehrte, die teils im Kreise stehend, teils auf Holzgerüsten sitzend zuhörte, nahte auf einem Kamele ein Fremder mit sechs Begleitern, die auf Maultieren ritten, und machte in einiger Entfernung vom Lehrplatz Halt, wo Zelte aufgeschlagen waren. Er war von dem kranken König Abgarus mit Geschenken und einem Briefe an Jesus gesandt, worin Er gebeten wurde, Er möge doch nach Edessa kommen und ihn heilen. Abgarus war krank. Er hatte einen Ausschlag, der ihm in die Füße getreten war, dass er hinkte. Reisende hatten ihm von Jesus, seinen Wundern, dem Zeugnis des Johannes und der Erbitterung der Juden auf dem letzten Osterfest erzählt, was ihm großes Verlangen einflößte, von Jesus geheilt zu werden.

Der junge Mann, der den Brief zu überbringen hatte, konnte malen und hatte den Befehl, wenn Jesus nicht kommen würde, sein Bildnis zurückzubringen. Ich sah, wie dieser Mann sich vergebens bemühte, zu Jesus zu gelangen. Er suchte bald hier, bald dort durch die Volksmenge zu dringen, um die Lehre mitanzuhören und zugleich das Angesicht Jesus abzubilden. Da sagte Jesus einem der Jünger, er solle dem Mann, der hinter den Leuten herumwandle und nicht herzukommen könne, Platz machen und ihn auf ein nahe stehendes Gerüst führen. Der Jünger brachte den Gesandten dahin und stellte auch seine Begleiter mit ihren Gaben, die in Stoffen, Goldplättchen und sehr feinen Lämmern bestanden, so auf, dass sie sehen und hören konnten.

Der Gesandte froh, endlich Jesus zu erblicken, legte sein Malgerät vor sich auf die Knie, sah Jesus mit großer Verwunderung und Aufmerksamkeit an und arbeitete. Er hatte ein weißes Täfelchen vor sich, wie von Buchsbaum. Da riss er zuerst mit einem Stift den Umriss von Jesus Kopf und Bart ohne Hals hinein. Dann war es, als schmiere er Wachs darauf und drücke Formen hinein. Dann riss er mit dem Stift wieder allerlei hinein, tupfte und drückte wieder ab und so arbeitete er lange fort und konnte nie recht zu Stande kommen. So oft er Jesus ansah, war es, als erstaune er über sein Antlitz und müsse wieder frisch anfangen. Lukas malte nicht ganz auf diese Weise. Er wendete auch Pinsel an. Das Bild des Mannes hier schien mir teils erhaben, so dass man es auch fühlen konnte.

Jesus lehrte noch eine zeitlang weiter, und sendete dann den Jünger zu dem Mann und ließ ihm sagen, er möge näher kommen und seine Sendung erfüllen. Da ging der Mann von seinem Sitz herab zu Jesus, und die Diener mit den Geschenken und Lämmern gingen hinter ihm her. Er hatte ohne Mantel kurze Kleider an, schier nach der Weise eines der heiligen drei Könige. An dem linken Arm hatte er sein Gemälde an einem Riemen hängen. Es war herzförmig wie ein Schild, und in der Rechten hatte er das Schreiben des Königs. Er warf sich vor Jesus auf die Knie, verbeugte sich tief, so auch die Diener, und sprach: «Dein Knecht ist der Diener Abgars, des Königs von Edessa, der krank ist und Dir diesen Brief sendet und Dich bittet, diese Gaben von ihm anzunehmen». Da nahten die Knechte mit den Geschenken. Jesus sagte, es gefalle Ihm die gute Meinung seines Herrn, und befahl den Jüngern, die Geschenke zu sich zu nehmen und an den ärmsten Leuten hier herum zu verwenden. Jesus faltete den Brief auseinander und las ihn. Ich erinnere mich nur noch, dass unter anderem darin stand: Er könne Tote erwecken und er bitte Ihn, zu ihm zu kommen und ihn zu heilen. Der Brief war, als sei die Fläche, worauf geschrieben war, steifer, die ganze Umgebung aber des Briefes weich, wie von Zeug, Leder oder Seide, worin der Brief eingeschlagen wurde. Auch sah ich einen Faden daran hängen.

Als Jesus den Brief gelesen hatte, drehte Er die Brieffläche um und schrieb mit einem starken Stift, den Er aus dem Gewand zog und aus dem Er etwas heraus schob, auf die andere Seite des Briefes mehrere Worte ziemlich groß, und schlug den Brief wieder ein. Dann ließ Er sich Wasser geben, wusch das Angesicht und drückte das weiche Umschlagende des Briefes gegen sein Angesicht und gab es dem Gesandten, der damit auf das Bild drückte. Nun war das Bild ganz ähnlich. Der Maler war voll Freude und wendete das Bild, an dem Riemen hängend, gegen die Zuschauer, warf sich vor Jesus nieder und reiste sogleich wieder ab. Einige seiner Diener aber blieben zurück und folgten Jesus, der nach dieser Lehre über den Jordan an den zweiten Taufort zog, den Johannes verlassen hatte. Sie ließen sich hier taufen.

Ich sah, wie der Gesandte vor einer Stadt bei langen Steingebäuden, wie Ziegelbrennereien, übernachtete, und dass am andern Morgen einige Arbeiter, weil sie ein helles Leuchten, wie einen Brand gesehen, ungewöhnlich früh herzukamen, und dass irgend etwas Merkwürdiges mit dem Bild vorgegangen war. Es war ein großer Zusammenlauf. Der Maler zeigte ihnen das Bild und sah, dass auch das Tuch, womit Jesus sich berührt hatte, das Bild enthielt. Abgarus kam ihm eine Strecke durch seine Gärten entgegen und war durch den Brief und das Bild unbeschreiblich gerührt, Er besserte auch gleich sein Leben und schaffte die vielen Frauen ab, mit denen er sich versündigt hatte.

Ich habe früher einmal gesehen, wie nach dem Tod des Sohnes dieses Königs bei einem bösen Nachfolger das Gesichtsbild Jesu, welches öffentlich ausgestellt war, von einem frommen Bischof nebst einer brennenden Lampe durch einen davorgestellten Ziegel lange vermauert und nach langer Zeit wieder entdeckt wurde, da das Bild sich auch in den vorgestellten Stein abgebildet hatte.

2. Jesus in den Grenzen von Sidon und Tyrus

Von Ono begab sich Jesus mit den Jüngern an den mittleren Taufort oberhalb von Bethabara gegenüber von Gilgal und ließ hier durch Andreas, Saturnin, Petrus und Jakobus taufen. Es war eine große Volksmenge ab und zu versammelt. Dieser Zulauf des Volkes erregte neues Aufsehen bei den Pharisäern. Sie sendeten Briefe an alle Synagogenvorsteher des Landes, Jesus auszuliefern, wo man Ihn fände, und die Jünger zu ergreifen, über seine Lehre auszufragen und zurechtzuweisen. Jesus aber verließ von wenigen Jüngern begleitet den Taufort und wanderte durch Samaria und Galiläa in die Grenzen von Tyrus. Die anderen Jünger zerstreuten sich nach ihrer Heimat. Herodes ließ in dieser Zeit den Johannes durch Soldaten nach Kallirrhoe bringen, wo er ihn in einem Gewölbe seines Schlosses gegen sechs Wochen gefangen hielt. darnach wieder freigab.

Während Jesus mit wenigen Jüngern auf dem Wege durch Samaria über das Feld Esdrelon kam, kehrte Bartholomäus von der Taufe Johannes kommend nach seiner Heimat Dabbeseth zurück und traf mit den Jüngern zusammen. Andreas sprach mit ihm mit großer Begeisterung von dem Herrn. Bartholomäus hörte alles mit Freude und Ehrfurcht an, und Andreas, welcher sehr gerne unterrichtete Männer zu Jüngern vorschlug, nahte sich Jesu und sprach von Bartholomäus, dass dieser Ihm wohl gerne nachfolgen würde. Da nun Bartholomäus an Jesus vorüberging, zeigte Andreas denselben Jesus, der ihn anblickend zu Andreas sagte: «Ich kenne ihn. Er wird folgen. Ich sehe Gutes in ihm und werde ihn seiner Zeit berufen.» Ich sah auch, dass er hierauf mit Thomas zusammenkam, mit diesem von Jesus sprach und ihn für Jesus geneigt machte.

Jesus litt auf dieser eiligen Reise großen Mangel. Ich sah, verschiedenemal, wie Saturnin oder ein anderer Jünger Brot in einem Korb herbeitrug, und wie Jesus die harten Rinden im Wasser erweichte, um sie essen zu können.

In Tyrus kehrte Jesus in einer Herberge am Tor von der Landseite ein. Er war über einen hohen Bergrücken gezogen. Tyrus ist eine sehr große Stadt und hängt, wenn man von oben herunter kommt, so am Berge, als wenn sie herab rutschen wollte. In die Stadt hinein kam Jesus nicht. Er hielt sich an der Landseite längs der Mauer auf, wo nicht so viele Leute waren. Es war die Herberge auch in dieser sehr dicken Mauer, über welche eine Fahrstrasse sich hinzog. Jesus trug ein bräunliches Gewand und einen wollweißen Mantel und ging nur hie und da in die Armenhäuser an der Mauer. Saturnin und ein anderer Jünger waren mit Ihm nach Tyrus gekommen. Petrus, Andreas, Jakobus Minor, Thaddäus, Nathanael Chased und alle die Jünger, welche mit auf der Hochzeit zu Kana gewesen waren, folgten erst später einzeln reisend nach und kamen dann mit Jesus in dem jüdischen Versammlungshaus zusammen, welches in einem andern Stadtteil von Tyrus lag, wohin ein mit Bäumen bepflanzter breiter Damm führte. Zu diesem Haus, mit welchem die Schule verbunden war, gehörte ein großer Badegarten, der bis an das Wasser reichte, welches diesen Stadtteil vom festen Lande trennte. Der Badegarten war mit einer Mauer und innerhalb derselben mit einem lebendigen Zaun von in Figuren geschnittenem Strauchwerk umgeben. In der Mitte des Gartens umfing eine offene Säulenhalle mit Gängen und kleinen Gemächern die geräumige Badezisterne, in welche lebendiges Wasser floss. Man konnte in sie hinabsteigen und mitten auf ihrem Grunde erhob sich eine Säule mit Stufen und Handhaben, dass man so tief ins Wasser konnte, als man wollte. Alte jüdische Männer bewohnten diesen Ort. die von einer verschmähten Sekte oder Abkunft, aber gute und fromme Leute waren.

Es war rührend, wie Jesus die Jünger bei ihrer Ankunft begrüßte. Er reichte der Reihe nach einem jeden die Hände. Sie waren sehr ehrerbietig, doch vertraut und behandelten Ihn wie einen außerordentlichen, übernatürlichen Menschen. Sie waren unbeschreiblich froh, Ihn wieder zu sehen. Er lehrte lange vor ihnen, und sie berichteten, wie es ihnen ergangen war. Alle zusammen nahmen ein Mahl, bestehend aus Broten, Früchten, Honig und Fischen, welche die Jünger mitgebracht hatten.

Die Jünger waren teils in Jerusalem, teils in Gennabris vor großen Versammlungen zur Rechenschaft über Jesus, seine Lehre und Absichten und ihren Umgang mit Ihm von den Pharisäern gezogen und mannigfach belästigt worden. Petrus, Andreas und Johannes sah ich einmal mit gebundenen Händen. Sie zerrissen aber ihre Bande mit leichter Bewegung, wie durch ein Wunder. Man hatte sie in der Stille wieder entlassen, und sie waren in ihre Heimat zurückgekehrt.

Jesus ermahnte sie zur Beharrlichkeit und sagte ihnen, dass sie von ihrem Gewerbe sich mehr und mehr losmachen und seine Lehre in ihrer Umgegend unter dem Volke weiter verbreiten sollten. Er werde bald wieder bei ihnen sein und seinen öffentlichen Lehrwandel wieder beginnen, wenn Er zu ihnen nach Galiläa kommen werde.

Nachdem die Jünger wieder abgereist waren, hielt Jesus in der Schule am Badegarten vor vielen Männern, Frauen und Kindern eine Lehre und Ermahnung. Er sprach von Moses, von den Propheten, von der Nähe des Messias. Er legte die Dürre des Landes, das Gebet des Elias um Regen, die aufsteigende Wolke und den Regen auf diese Nähe aus. Er sprach vom Wasser und der Reinigung, heilte viele von den Kranken und wies sie zu der Taufe des Johannes. Er heilte mehrere Knaben, die auf Betten gebracht wurden. Er tauchte mehrere Knaben auf seinen Armen haltend ins Wasser, in welches erst von Saturnin aus einem Schlauch anderes Wasser gegossen war, das Er gesegnet hatte. Die beiden Jünger tauften sie. Auch waren einige erwachsene Knaben da, welche hinabstiegen und sich an dem Pfahl haltend untertauchten und auf diese Weise getauft wurden. Es war hier manches anders, als sonst. Viele der Erwachsenen mussten entfernt stehen bleiben. Es währte bis zum Einbruch der Nacht.

3. Jesus in Sichor Libnath

Als Jesus Tyrus verließ, zog Er ohne Begleiter seines Weges allein. Er hatte die beiden Jünger mit Aufträgen voraus nach Kapharnaum gesandt und auch zu Johannes dem Täufer. Er zog gegen zehn bis elf Stunden südöstlich von Tyrus zur Stadt Sichor Libnath, durch welche Er auf der Herreise nach Tyrus schon gekommen war. Der See Merom mit den zwei Städten Adama und Seleucia lag Ihm weiter östlich zur Linken. Sichor Libnath, auch Amichores oder Wasser-Regen-Stadt geheißen, lag ein paar Stunden von Ptolemais landeinwärts an einem kleinen trüben See, der von einer Seite, weil von hohem Gebirge umgeben, unzugänglich war. Aus diesem See kam das sandige Flüsschen Belus, das bei Ptolemais sich ins Meer ergießt. Die Stadt war so groß, dass ich nicht begreifen kann, wie man so wenig von ihr weiß. Die Judenstadt Misael lag nicht ferne. Es ist hier das Land, das Salomon dem Könige Hiram geschenkt hat. Sichor ist ein gefreiter Ort, gehört aber unter Tyrus. Es ist viel Viehzucht hier. Ich sah viele große Schafe mit feiner Wolle, die über das Wasser schwimmen konnten. Es wird hier feines Wollzeug gewebt, das in Tyrus gefärbt wird. Ackerbau sah ich keinen, nur Obstbau. Im Wasser wächst eine Art Getreide mit großen Halmen, woraus Brot gebacken wird. Ich meine, es wird nicht gesät. Es zieht sich eine Straße von hier nach Syrien und Arabien, nach Galiläa führt keine Hauptstrasse. Jesus war auf einem Nebenwege nach Tyrus gekommen.

Vor Sichor waren zwei große Brücken. Die eine war hoch und lang, um, wenn alles überschwemmt war, darüber zu gehen. Bei der anderen konnte man unten durch die Bogen gehen. Die Häuser waren hoch gebaut und so eingerichtet, dass bei großem Wasser die Leute oben in Zelten wohnten. Die Einwohner sind meistens Heiden. Ich sah mehrere Gebäude mit Spitzen und Fähnchen, welche ich für Götzentempel hielt. Mich wunderte, dass mehrere Juden in großen Gebäuden wohnten, da sie doch hier die unterdrückte Partei waren. Es waren, glaube ich, geflüchtete Juden.

Das Haus, wo Jesus einkehrte, lag vor der Stadt an der Seite, wo Er herkam. Aber Er musste doch erst über das Wasser. In der Nähe des Hauses befand sich eine Synagoge. Er hatte diese Leute schon bei der Durchreise nach Tyrus angesprochen. Sie schienen seine Ankunft zu erwarten, denn sie kamen Ihm entgegen und empfingen Ihn sehr ehrerbietig. Es waren Juden, ein bejahrter Mann mit großer Familie, der in einem sehr schönen Haus wohnte, das wie ein Palast mit vielen anhängenden, kleineren Gebäuden war. Er führte aus Ehrfurcht Jesus nicht in dies Haus, sondern allein in eine Wohnung daneben, wo er Ihm die Füße wusch und Ihn bewirtete.

Ich sah einen großen Zug von allerlei Arbeitern, Männern, Frauen und Jünglingen, gemischtes Volk, Heiden, worunter auch braune und schwarze Menschen, wahrscheinlich Sklaven dieses Mannes, von ihrer Arbeit über einen großen Platz kommen und sich Speise holen. Sie hatten allerlei Schaufeln und Karren bei sich und trugen kleine leichte Schiffe wie Mulden auf den Schultern, in deren Mitte ein Sitz und Ruder, auch Fischergeräte waren. Sie wurden bei Brücken- und Uferbauten beschäftigt. Diese Leute empfingen Speise in Töpfen, auch Grünes und Vögel, es waren Menschen darunter, welche das Fleisch roh aßen. Jesus ließ sie an sich vorüberziehen, redete sie freundlich an, und sie freuten sich, einen solchen Mann zu sehen.

Zwei alte Juden kamen zu Jesus mit Schriftrollen. Sie aßen mit Ihm und Er legte ihnen manches aus, worauf sie sehr begierig waren. Sie waren Lehrer der Jugend.

Der reiche Jude und Herr des Hauses, bei welchem Jesus wohnt. heißt Simeon und ist aus der Gegend von Samaria, Er oder seine Vorfahren haben sich für den Tempel auf Garizim interessiert und mit den Samaritanern sich eingelassen und sind deswegen aus dem Lande vertrieben und hier ansässig geworden.

Jesus lehrte einen ganzen Tag bei dem Haus seines Wirtes auf einem öffentlichen mit Säulen umgebenen Platz, über die man Decken spannte. Der Hausherr ging ab und zu. Es waren sehr viele Juden versammelt, allen Alters und Geschlechtes. Heilen sah ich ihn nicht. Es waren keine Kranken und Krüppel hier. Die Leute sind trockener, hagerer Natur und groß. Jesus lehrte von der Taufe und sagte: es werden Jünger von ihm kommen, hier zu taufen. Auch an den Weg ging Jesus mit dem Hausherrn, wo die Sklaven von ihrer Arbeit zurückkamen, redete sie an und tröstete sie und erzählte ihnen eine Parabel. Es waren manche gute Leute darunter, die sehr gerührt waren. Sie empfingen wieder Lohn und Speise. Ich dachte an die Parabel, wo der Herr des Weinbergs die Taglöhner bezahlt. Sie wohnten etwa eine Viertelstunde vom Haus Simeons in einer Reihe von Hütten. Es war eine Art Gerechtigkeit, eine Frohn, welche sie dem Simeon abarbeiteten.

An einem folgenden Tag, da Jesus wieder den ganzen Tag über gelehrt hatte, kamen, als alle Juden sich entfernt hatten, etwa zwanzig Heiden zu Jesus. Diese hatten schon mehrere Tage zuvor darum bitten lassen. Simeons Haus war wohl eine halbe Stunde getrennt von der Stadt und die Heiden durften nicht weiter als an einem gewissen Turm oder Bogen kommen. Jetzt brachte Simeon aber diese zu Jesus, den sie ehrerbietig grüßten und um Belehrung baten. Er sprach lange mit ihnen in einem Saal, so spät noch, dass die Lampen angezündet wurden. Er tröstete sie, erzählte in einer Parabel von den heiligen drei Königen und sprach, dass das Licht sich zu den Heiden wenden werde.

Als die beiden nach Kapharnaum gesandten Jünger wieder zu Jesus nach Sichor zurückkamen und ihm die Ankunft der hierher berufenen vier Jünger meldeten, zog Jesus ihnen drei bis vier Stunden über ein Gebirge entgegen und traf mit ihnen in einer Herberge auf galiläischem Grund und Boden zusammen. Es waren außer den Berufenen noch sieben andere, unter denen Johannes und auch einige Frauen mitgekommen, von denen ich Maria Markus von Jerusalem und die Mutter Schwester des Bräutigam Nathanael erkannte. Die Gerufenen waren Petrus, Andreas, Jakobus Minor und Nathanael Chased. Als es schon dunkel war, wandelte Jesus mit diesen vieren und den beiden anderen Jüngern nach Sichor zurück. Die sieben Nichtgerufenen aber traten die Rückreise nach Galiläa an. Es war eine überaus anmutige Sommernacht: Alles duftete und der Himmel war sehr hell. Sie wandelten manchmal zusammen, manchmal einige vor und nach, Jesus in der Mitte allein. Einmal ruhten sie in einer sehr fruchtbaren Gegend unter Bäumen voll Obst und in der Nähe von feuchten Wiesen. Als sie wieder aufbrachen, erhob sich auch der Schwarm von Vögeln aus der Wiese, der immer mit ihnen gezogen war. Sie waren fast so groß wie Hühner, hatten rote Schnäbel und lange scharfe Flügel, fast wie die der Engel gemalt werden, und sie hatten ein wunderliches Gespräch durcheinander. Diese Vögel zogen mit bis in die Stadt, wo sie sich an den Wassern im Schilf niederließen. Sie konnten auf dem Wasser wie die Wasserhühner laufen. Es war ungemein rührend in der schönen Nacht, wenn Jesus manchmal still stand, betete oder lehrte, und die Vögel sich auch niederließen. So zogen sie über den Berg und jenseits hinab. Simeon kam ihnen entgegen, wusch allen die Füße, gab ihnen einen Becher und einen Bissen in einer Vorhalle und führte sie in sein Haus. Die Vögel gehörten dem Hausherrn, sie flogen aus wie Tauben und waren Wasservögel. Den Tag über lehrte Jesus hier, und am Abend feierten sie den Sabbat im Hause Simeons. Es waren etwa zwanzig Juden versammelt außer Jesus und den Jüngern. Die Synagoge war in einem unterirdischen Gewölbe, man ging Stufen hinab, sie war sehr ordentlich eingerichtet. Das Haus Simeons war sehr hoch. Es war ein Vorbeter da, welcher sang und las. Hernach lehrte Jesus. Die Jünger schliefen in demselben Haus mit Jesus.

Sie schliefen nur wenige Stunden und waren mit Tagesgrauen schon auf dem Weg durch Gebirgskrümmungen nach einem kleinen Judenstädtchen im Lande Chabul. Es wohnten auch dort vertriebene Juden, welche oft um Vereinigung gebeten hatten. Die Pharisäer wollten sie aber nicht aufnehmen. Sie hatten sich lange gesehnt. Jesus möchte zu ihnen kommen, hatten sich aber nicht für würdig gehalten und darum auch nicht nach Ihm geschickt. Er ging nun von selbst zu ihnen. Es war bei den vielen Windungen des Weges durchs Gebirge wohl an 5-6 Stunden.

In der Nähe des jüdischen Städtchens gingen ein paar Jünger voraus und zeigten bei dem Synagogenvorsteher die Ankunft Jesu an. Obschon es Sabbat war, machte Jesus dennoch diesen Weg, denn hier im Land beobachtete Er, wo es Not tat, dieses Gesetz nicht genau. Er ging zu den Vorstehern der Synagoge, die Ihn sehr demütig empfingen. Sie wuschen Ihm und den Jüngern die Füße und reichten ihnen einen Imbiss. Hierauf ließ Er sich zu allen Kranken herumführen und heilte wohl ungefähr zwanzig. Es waren darunter ganz krumme, lahme Menschen, blutflüssige Frauen, Blinde, Wassersüchtige, auch viele Kinder und Aussätzige.

Auf der Straße schrieen Ihm einige Besessene nach, welche Er befreite. Es ging übrigens sehr ordentlich und stille zu. Die Jünger halfen teils die Geheilten aufrichten, teils belehrten sie die Leute, welche nachfolgten und sich an den Türen versammelten. Jesus ermahnte die Kranken zum Glauben, ehe Er sie heilte, und zur Besserung des Lebens. Andere, die schon gläubig waren, heilte Er gleich. Er hob die Augen empor und betete über sie. Einzelne berührte Er oder fuhr auch mit der Hand über sie hin. Ich sah auch, dass Er Wasser segnete und selbst die Leute damit besprengte und von den Jüngern das Haus damit besprengen ließ. In einem der Häuser nahmen Er und die Jünger einen Bissen zu sich und einen Becher. Manche der Genesenen standen auf, warfen sich vor Ihm nieder, folgten ihm still freudig nach, wie man hier das Sakrament begleitet, aber immer in ehrerbietiger Ferne. Andern gebot Er zurückzubleiben.

Einigen befahl Jesus, sich im Wasser zu baden, das Er gesegnet. Dies waren Aussätzige und Kinder. Er ging an einen Brunnen bei der Synagoge und segnete ihn. Man ging Treppen hinab, denn er war tief liegend. Auch warf er Salz hinein, welches Er segnete. Er lehrte dabei von Elisäus, der das Wasser bei Jericho mit Salz geheiligt habe und sagte, was das Salz bedeute. Er befahl, die Leute sollten sich ferner aus diesem Brunnen waschen, wenn sie krank würden. Er segnete immer kreuzweise, die Jünger hielten Ihm dabei den Mantel, den Er manchmal ablegte, und reichten Ihm das Salz, das Er hineinwarf. Er tat dieses alles mit großem Ernst und großer Heiligkeit.

Ich erhielt dabei die innere Weisung, dass den Priestern dieselbe Gewalt des Heiles gegeben sei. Einige Kranke wurden auf den Betten zu Jesus getragen und Er heilte sie. Er hielt noch bei der Synagoge eine Lehre und nahm hier keine Mahlzeit ein. Den ganzen Tag hatte Jesus gelehrt und geheilt. Abends nach dem Sabbat aber verließ Er mit den Jüngern den Ort und befahl Abschied nehmend den betrübten Einwohnern, zurückzubleiben, was sie demütig taten. Er hatte ihnen das Wasser geweiht und gereinigt, weil sie schlechtes Wasser hatten. Es waren Schlangen und dickköpfige Tiere mit großen Schwänzen darin. Er kehrte mit den Jüngern ein paar Stunden von hier in einer im Gebirge liegenden, großen Herberge ein, wo sie aßen und schliefen. Diese Herberge hatten sie bei ihrem Herweg zur Seite liegen lassen.

Tags darauf kamen sehr viele Leute mit Kranken in dieser Gebirgsherberge zusammen, welche wussten, dass Jesus kommen werde. Es waren dies Leute, welche an beiden Seiten des Berges in Hütten und Erdhöhlen wohnten. An der Westseite gegen Tyrus wohnten Heiden, die auch gekommen waren, und an der Morgenseite wohnten arme Juden. Jesus lehrte von Reinigung, Abwaschung und Buße und heilte wohl an die dreißig Menschen.

Die Heiden waren abgesondert und Er lehrte sie erst, als die andern fort waren. Er sprach ihnen sehr tröstlich zu. Dies dauerte bis Nachmittag. Diese Leute haben kleine Gärten und Pflanzungen um ihre Höhlen und nähren sich teils von Schafmilch, woraus sie Käse kneten, den sie als Brot essen, teils sammeln sie die Früchte ihrer Gärten und auch wildwachsende und tragen sie zu Verkauf. Auch tragen viele davon gutes Wasser in Schläuchen zum Städtchen, wo Jesus gestern war, und an andere Orte. Es waren bei diesen Leuten viele Aussätzige. Jesus segnete Wasser und sie mussten sich darin waschen.

Gegen Abend kam Jesus nach Sichor Libnath zurück, wo Er noch lehrte und sagte, dass Er am andern Tag taufen werde. Es war im Hof des großen Hauses von Simeon ein rundes flaches Wasserbecken, das ringsum von einer Vertiefung umgeben war, in welche das überlaufende Wasser abfloss. Das Wasser war auch hier nicht gut und von üblem Geschmack, es war darum von Jesus gesegnet worden. Er warf auch Salz in Stücken wie Steine hinein, von dem in der Gegend ein ganzer Berg sich befand.

An diesem Becken, welches zuvor abgelassen und nochmals ausgefegt wurde, geschah die Taufe von ungefähr dreißig Personen. Der Hausherr, seine männlichen Hausgenossen, einige andere Juden des Ortes, auch mehrere Heiden, die neulich bei Jesus gewesen, und einige von den Sklaven aus den Hütten, mit denen Er mehrmals, wenn sie von der Arbeit kamen, gesprochen hatte, wurden getauft. Die Heiden mussten bis zuletzt warten und erst gewisse Abwaschungen gebrauchen. Jesus goss in das Taufbecken zuerst aus einem Fläschchen von dem Jordanwasser, das sie immer mit sich führten, und segnete das Wasser. Es ward auch Wasser in den Kreiskanal um das Becken gelassen, so dass die Täuflinge bis an die Knie drinnen standen.

Jesus lehrte sehr lange und bereitete sie vor. Die Täuflinge erschienen in langen grauen Mänteln mit Kapuzen über den Kopf, sie waren eine Art Betmäntel. Wenn sie in den Graben, der das Becken umgab, traten, legten sie den Mantel ab, hatten aber die Lenden verhüllt und um den Oberleib ein Rücken und Brust bedeckendes, an den Armen offenes Mäntelchen, wie ein Skapulier. Ein Jünger legte ihnen die Hand auf die Schulter und einer auf den Kopf. Der Taufende goss ihnen mehrmals Wasser mit einer flachen Schale aus dem Becken über den Kopf im Namen des Allerhöchsten. Zuerst taufte Andreas, dann Petrus und diesen löste Saturnin ab. Die Heiden wurden nachher getauft. Es dauerte dieses mit den Vorbereitungen bis gegen Abend.

Als die Leute hinweg waren, wandelten Jesus und die Jünger von einander getrennt aus dem Ort, vereinigten sich auf dem Weg wieder und zogen morgenwärts gegen Adama am See Merom. In schönem hohem Grase unter Bäumen hielten sie Nachtruhe.

4. Jesus in Adama. Wunderbare Bekehrung eines verstockten Juden

Obschon Adama sehr nahe schien, mussten Jesus und die Jünger doch noch einige Stunden an einem Wasser aufwärts gehen, um an die Überfuhr zu kommen, welche ohne Fährmann auf einem Balkenroste geschah, der für die Reisenden zu diesem Zweck am Ufer bereit lag. Um Mittag erreichten sie Adama, das auf allen Seiten mit Wasser umgeben war. An der Morgenseite der Stadt lag der See Merom, durch welchen mitten durch der Jordan floss, der in einem Bogen um die Stadt sich wendete, worüber fünf Brücken führten. Die steil abfallenden Ufer des tief liegenden Sees waren mit dichtem Röhricht und Strauchwerk bedeckt. Sein Wasser war trüb bis zur Mitte, wo der Jordan durchströmt. Um den See hielten sich viele reissende Tiere auf.

Indem Jesus mit den Jüngern dem vor der Stadt liegenden Badegarten nahte, traten Ihm mehrere vornehme Männer der Stadt, die hier auf Ihn gewartet hatten, entgegen und führten Ihn in die Stadt hinein zum auf freiem Platz liegenden, mit einem Vorhof und niederen Seiten- und Hintergebäuden umgebenen Schloss des Stadt-Obersten. Der Vorhof war mit verschiedenfarbigen glänzenden Platten eingefasst. Hier wurden Jesus und den Jüngern die Füße gewaschen und die Mäntel ausgeschüttelt und zurecht gestrichen. Auch wurden viele Früchte und Grün als Imbiss gereicht. Die Leute in Adama hatten den Gebrauch, alle Fremden welche zur Stadt kamen, zu diesem Schloss zu führen, dort auszufragen und wenn sie ihnen gefielen, gut zu bewirten in dem Glauben, dass ihnen diese Gastfreundschaft wieder zugute kommen werde. Fremde, die ihnen nicht gefielen, steckten sie auch wohl ins Gefängnis. Adama mit etwa zwanzig kleinen Ortschaften gehörte zu einer Landschaft, welcher ein Herodes zu befehlen hatte. Die Bewohner der Stadt waren samaritische Juden, welche infolge ihrer Absonderung noch mancherlei andere Verkehrtheiten angenommen hatten. Doch wurde keine Abgötterei hier getrieben, und auch die Heiden, die hier lebten, trieben ihren Götzendienst nur heimlich.

Jesus wurde darauf von den Männern, welche Ihn vor der Stadt empfangen hatten, in die drei Stockwerke hohe Synagoge geführt, wo sich ein großer Teil der Juden und im Hintergrund die Frauen versammelt hatten. Zuerst beteten und sangen sie zu Gott, dass sie alles zu seiner Ehre verstehen möchten, was Jesus vorbringen werde. Er lehrte hierauf von den Verheißungen, wie sie alle auf einander gefolgt seien und sich erfüllt hätten. Er lehrte auch von der Gnade, und wie dieselbe doch nicht verloren gehe, sondern einem anderen, der an Verdiensten der Nächste sei, gegeben werde, wenn jener, dem sie durch die Verdienste der Voreltern zuerst zukommen würde, nicht verdiene, sie zu empfangen. Er sagte ihnen auch von einer verdienstlichen Handlung ihrer Vorfahren in dieser Stadt vor so langen Zeiten, dass es ihnen fast unbekannt war, und dass ihnen dieses noch zu gut komme. Sie hatten einmal fremde vertriebene Leute aufgenommen.

Jesus und die Jünger wohnten in einer großen Herberge beim Tor, durch das sie in die Stadt hereingekommen waren.

In der Nähe des Badegartens vor der Stadt, doch mehr gegen Süden, war ein Lehrort. Rund um einen grünen Hügel, auf welchem der von einem Baum überschattete, schön aus Stein gehauene Lehrstuhl errichtet war, war ein großer Raum von einer fünffachen Reihe von Bäumen, welche dichten Schatten gaben, gegen die Sonne geschützt. Es war ein sehr angenehmer Ort und wurde Gnadenort genannt, weil die Leute glaubten, es sei ihnen einmal eine Gnade von daher gekommen. Von einem anderen Orte auf der Nordseite der Stadt war unter ihnen auch eine Sage im Umlauf, als wäre von daher ein großes Unglück über die Stadt gekommen.

Die Jünger gingen in einzelne Häuser der Stadtviertel, um die Leute an den Gnadenort einzuladen, wo Jesus eine große Lehre halten wollte. Am Abend vorher war ein Festmahl in der offenen Halle im Hof des Stadtobersten. Es waren gegen fünfzig Tischgenossen aus der Stadt an fünf Tischen versammelt. Jesus aß mit den Vornehmsten zusammen, an den anderen Tischen die Jünger unter die Gäste verteilt. Ich meine, Jesus und die Jünger hatten auch zum Mahl etwas beigetragen. Es standen ganze Bäumchen in Töpfen auf der Tafel. Jesus lehrte unter der Mahlzeit, ging auch von einem Tisch zum anderen und sprach mit den Gästen. Nach Tisch, da abgetragen und gedankt war, blieben die Bäumchen auf der Tafel stehen, und alle Anwesenden traten vor Jesus in einen Halbkreis. Er hielt eine Lehre und lud sie auf Morgen zu der großen Lehre ein, die Er am Gnadenorte halten wollte.

Am anderen Tage etwa gegen neun Uhr morgens begab sich Jesus mit den Jüngern zum Lehrplatz, wo mehr als hundert auserlesene Männer im Schatten der Bäume versammelt waren und im äußersten Kreis auch einige Frauen. Auf dem Wege dahin kamen Jesus und die Jünger an das Schloss des Stadtobersten, der gerade in seinem Prachtskleid und in Begleitung seiner Leute dahin ziehen wollte. Jesus aber befahl ihm, dieses nicht zu tun, sondern wie die anderen Männer im langen Mantel und Bußkleid zu erscheinen. Sie trugen wollfarbene Mäntel und Skapuliere, die auf der Brust gespalten, rückwärts ein ganzer Lappen und über der Schulter mit einem schmalen Riemen verbunden waren. Die Lappen waren schwarz und mit verschiedenfarbigen Buchstaben waren sieben Hauptsünden darauf verzeichnet. Die Frauen waren mit verhülltem Kopf. Da Jesus an den Lehrstuhl schritt, beugten sich die Leute ehrerbietig. Der Oberste und die Vohrnehmeren der Stadt standen dicht um den Lehrstuhl. Die Jünger hatten im äußeren Umkreis auch Leute um sich, darunter die Frauen, vor denen sie lehrten. Zuerst erhob Jesus seine Augen gegen den Himmel und betete laut zu dem Vater, von dem alles kommt, auf dass die Lehre reuige und offene Herzen gewinnen möge, und befahl den Leuten, Ihm nachzusprechen, welches sie taten. Seine Lehre währte ununterbrochen von neun Uhr morgens bis etwa vier Uhr nachmittags. Einmal war eine Pause, und sie brachten Ihm einen Becher zur Erquickung und einen Bissen. Die Zuhörer gingen ab und zu, je nachdem sie Geschäfte in der Stadt hatten. Jesus lehrte von der Buße und von der Taufe, von welcher Er hier umher überhaupt als von einer geistlichen Reinigung und Abwaschung sprach. Frauen wurden vor Pfingsten gar keine getauft, aber unter den Kindern wohl Mägdlein von fünf bis acht Jahren, doch keine erwachsenen. Ich weiß das Geheimnis hiervon nicht mehr. Auch von Moses, von den zerbrochenen Gesetzestafeln, von dem goldenen Kalb, von dem Donner und Blitz auf Sinai war die Lehre.

Als Jesus geendet hatte und die Lehre ganz fertig war, und bereits mehrere Leute, auch der Oberste, zur Stadt zurückgegangen waren, trat ein alter, großer, wohlgebildeter Jude mit einem langen Bart ganz kühn zu Jesus an den Lehrstuhl und sagte: «Nun will ich auch mit Dir sprechen. Du hast 23 Wahrheiten vorgebracht. Es gibt deren aber 24». Und nun zählte er eine Reihe Wahrheiten hintereinander her und begann zu disputieren. Jesus aber sagte ihm: «Ich habe dich um deiner eigenen Bekehrung wegen hier geduldet, und hätte dich sonst vor allem Volke hinweg gewiesen, denn du bist ohne Einladung hierher gekommen. Du sagst, es gebe 24 Wahrheiten, und Ich hätte nur 23 gelehrt, du setzest mir aber schon 3 hinzu, denn es gibt nur 20, die Ich gelehrt.» Und nun zählte Jesus 20 Wahrheiten nach den Buchstaben des hebräischen Alphabets her, wornach jener auch hergezählt hatte, und lehrte hierauf über die Sünde und Strafe derjenigen, welche der Wahrheit etwas hinzusetzten. Der alte Jude wollte aber auf keine Art sein Unrecht erkennen, und es waren Leute da, die ihm beistimmten und ihn mit Schadenfreude anhörten. Jesus aber sagte zu ihm: «Du hast einen schönen Garten, bringe mir die gesundesten edelsten Früchte, sie sollen verderben zum Zeichen deines Unrechtes! Du hast einen geraden, gesunden Körper, du sollst verkrümmen, wenn du Unrecht hast, auf dass du sehest, wie das Edelste verdirbt und missgestaltet wird, wenn man der Wahrheit etwas hinzusetzt! Wenn du aber ein einziges Zeichen zu tun vermagst, sollen deine 24 Wahrheiten wahr sein.»

Da eilte der Jude mit seinen Gehilfen in seinen nicht entfernten Garten. Er hatte darin alles, was nur selten und kostbar war an Früchten, Gewürz und Blumen, auch in Gittern allerlei ausgesuchte seltene Tiere und Vögel und in der Mitte ein ziemliches Wasserbecken mit seltenen Fischen zu seiner Lust. Schnell sammelte er mit seinen Freunden die edelsten Früchte, gelbe Äpfel und jetzt schon Trauben in ein paar kleine Körbe, kleinere Früchte aber in einer wie von durcheinandergeflossenen bunten Glasfäden geschliffenen Schale. Außerdem nahm er auch in Gitterkörben verschiedene Vögel und seltene Tiere von der Größe eines Hasen und einer kleinen Katze mit sich.

Jesus hatte unterdessen noch von der Hartnäckigkeit gelehrt und von der Zerstörung, welche durch das Zusetzen zu der Wahrheit erfolge.

Als nun der alte Jude mit seinen Begleitern alle seine Raritäten in den Körben und Käfigen um den Lehrstuhl Jesus niedergesetzt hatte, gab es ein großes Aufsehen in der Versammlung. Da er aber stolzierend hartnäckig auf seiner früheren Behauptung blieb, erfüllten sich die Worte Jesus an allem, was er gebracht. Die Früchte begannen, sich innerlich zu bewegen. Es brachen von allen Seiten hässliche Würmer und Tiere aus ihnen hervor, welche sie zerfrassen, so dass bald von einem Apfel nichts mehr übrig blieb als ein Stückchen Schale, auf dem Kopf eines Wurmes hin und her wankend. Die mitgebrachten kleinen Tiere aber sanken in sich zusammen, ergossen Eiter, aus dem sich Würmer bildeten, welche die Tiere, die endlich wie rohes Fleisch wurden, benagten. All dies war so ekelhaft, dass die Versammlung, welche sich neugierig herangedrängt, entsetzt zu schreien und sich abzuwenden begann, um so mehr, da der Jude zu gleicher Zeit ganz gelb und bleich wurde und sich zur einen Seite krumm zusammenzog.

Das Volk begann bei diesem Wunder ein ungeheures Geschrei und Getöse, und der alte Jude wehklagte, bekannte sein Unrecht und flehte zu Jesus um Erbarmen. Es war ein solcher Tumult, dass der Oberste aus der Stadt, welcher schon wieder zurückgegangen war, gerufen werden musste, um die Ruhe herzustellen, da der Jude sein Unrecht bekannte und eingestand, dass er zur Wahrheit etwas hinzugesetzt habe.

Auf die heftige Buße des Mannes und auf sein Flehen zu allen Anwesenden, sie sollten doch für ihn bitten, dass er wieder geheilt werde, segnete Jesus die Dinge, die er gebracht und ihn. Und alles kehrte alsbald wieder in seinen vorigen Zustand zurück: die Früchte, die Tiere und der Mann, welcher sich mit Tränen dankend vor Jesus niederwarf.

Dieser Mann hat sich so bekehrt, dass er einer der treuesten Anhänger Jesu wurde und noch viele andere zur Bekehrung brachte. Er teilte aus Buße einen großen Teil seiner schönen Gartenfrüchte an die Armen aus. Dieses Wunder machte einen großen Eindruck auf alle Zuhörer, welche um zu essen ab- und zugegangen waren. Solch ein Wunder war hier wohl nötig, denn diese Leute waren, wenn sie auch von ihren Irrtümern überzeugt wurden, doch sehr hartnäckig, wie dieses meistens bei Leuten gemischter Abkunft der Fall ist, denn sie stammten von Samaritanern, die in gemischte Ehen mit Heiden getreten und von Samaria vertrieben worden waren. Sie fasteten heute nicht wegen Zerstörung des Tempels zu Jerusalem, sondern wegen der Vertreibung aus Samaria. Sie gestanden zwar ein und klagten, dass sie in Irrtum gefallen, wollten aber doch nicht davon ablassen.

Sie hatten Jesus darum besonders gut aufgenommen, weil nach einer alten Offenbarung, die sie noch von den Heiden überkommen hatten, viele Zeichen eingetroffen waren, in deren Zeit ihnen Gnade von Gott widerfahren sollte. Jene Offenbarung war an dem Ort geschehen, den sie den Gnadenort nannten. Ich weiß nur noch, dass diese Heiden einmal in großer Bedrängnis an diesem Ort mit zum Himmel empor gestreckten Händen gebetet hatten und dass ihnen verkündet wurde: wenn sich neue Quellen in den See und eine neue Quelle sich in den Badebrunnen ergießen würden und wenn die Stadt sich nach dieser Seite bis zu dem Brunnen hinziehen würde, dann sollten sie Gnade erhalten. Nun waren aber in dieser Zeit schier alle diese Zeichen erfüllt. Es ergossen sich damals, ich meine fünf Wasser in den See, oder in diesen und den Jordan in der Nähe. Auch war ein Zeichen mit einem Arm des Jordan erfüllt und es war auch neues gutes Wasser in den Brunnen beim Gnadenorte geflossen.

An diesem Ort wird Jesus taufen, und es können sich alle diese Wasserprophezeiungen auf den Taufbrunnen beziehen. Sie hatten auch hier schlechtes Wasser. Die Stadt hatte sich auch nun ganz nach dieser Seite hingezogen. An der Nordseite lag sie tief und schwarz und voll Sumpfnebel und es wohnte da nur heidnisches Gesindel in kleinen Hütten. Nach der Südostseite aber waren viele neue Häuser, Gärten und neue Bauanlagen bis zum Gnadenort. Der Gnadenort war tief und es war eben umher. Durch eine Uferveränderung und einen entstandenen Berg hatte sich ein Arm vom Jordan westlich bis an diesen Garten gewendet, vereinte sich dann mit dem kleinen Fluss und kehrte mit diesem in sein Bett zurück. Es war dies eine ziemliche Strecke. Wenn das Jordanwasser hier flösse, war eines jener Zeichen.

Als Jesus am folgenden Tag wieder in der Synagoge lehrte, in deren Mitte ein prächtiger Gesetzesrollenschrank stand, da kamen die Juden barfuss in die Synagoge und durften sich an diesem Tag auch nicht waschen, darum hatten sie sich schon gestern nach der Lehre gewaschen und gebadet. Sie trugen heute in der Synagoge über den Kleidern des vorigen Tags noch einen langen schwarzen Mantel mit einer Kapuze. Er war an der Seite offen und mit Bändern gebunden. Am rechten Arm hatten sie zwei raue schwarze Manipel, am linken eine, hinten eine Schleppe. Sie beteten und sangen sehr flehentlich, steckten sich auf eine Weile in Säcke, die in der Mitte offen waren und legten sich so in den Gängen um die Synagoge auf das Angesicht nieder. Die Frauen taten dieses zu Hause.

Alles Feuer war gestern schon verdeckt gewesen. Erst am Abend sah ich eine Mahlzeit, aber bei unbedecktem Tisch in der Herberge Jesus, der mit seinen Jüngern allein aß. Die andern aßen in einer großen Halle im Hof. Es wurden kalte Speisen aus dem Haus des Stadtobersten hingebracht. Jesus lehrte über dem Essen. Es kamen abwechselnd viele Leute zu Tisch, auch alle Lahme und Krüppel. Es standen auch Schälchen mit Asche auf dem Tisch. Der alte bekehrte Jude gab viele seiner schönsten Früchte den Armen zum Besten.

Auch Tags darauf lehrte Jesus wieder in der Synagoge. Es war Sabbat. Nach der Lehre wandelte Er mit den Jüngern und etwa zehn Juden zur nördlichen Seite vor die Stadt in die Berge. Die Gegend war dort hinaus rauer und wilder. Vor einem Haus verweilten sie unter Bäumen und nahmen etwas von dem, was man an Speise und Trank aus dem Haus brachte.

Jesus gab seinen Begleitern allerlei Verhaltensregeln. Denn Er sagte, Er gehe bald hier weg und komme nur noch einmal wieder. Unter anderem ermahnte Er sie, nicht so viele Bewegungen beim Gebet zu machen, was sie hier im Übermaß taten und vor allem nicht so streng gegen die Sünder und Heiden zu sein, sondern sich ihrer zu erbarmen. Hierbei erzählte Er die Parabel vom ungerechten Haushalter und legte sie ihnen wie ein Rätsel vor. Sie wunderten sich darüber, und Er sagte ihnen, warum die Handlung des Haushalters gelobt werde. Es schien mir, als verstehe Jesus unter dem ungerechten Haushalter die Synagoge, unter den andern Schuldnern die Sekten und Heiden. Die Synagoge solle den Sekten und Heiden die Schuld herabsetzen, da sie mit der Gewalt und den Gnaden ausgerüstet sei, d. i. unverdient und ungerecht den Reichtum besitze, um sich, wann etwa selbst verstoßen, in die Fürbitte der mild behandelten Schuldner flüchten zu können.

5. Die Parabel vom ungerechten Haushalter

Schon als Kind sah ich diese und die anderen Parabeln wie in lebenden Bildern vor meinen Augen vorübergehen und glaubte, einzelne Figuren aus ihnen hie und da im Leben wieder zu erkennen. So ging es mir auch mit diesem Haushalter, den ich immer als einen buckligen Rentmeister mit rötlichem Bart sehr flink und geschwind habe laufen sehen, und wie er die Unterpächter mit einem Rohr schreiben ließ. Ich sah den ungerechten Haushalter in der Wüste von Arabien, nicht weit von dem Ort, wo die Kinder Israel murrten, in einem Zeltschloss wohnen. Es hatte sein Herr, der weit weg wie über dem Libanon wohnte, ein Korn- und Ölfeld hier, das schon auf der Grenze des Gelobten Landes lag. An beiden Seiten des Feldes wohnten zwei Bauern, denen es verpachtet war. Der Haushalter war ein kleiner, buckliger Kerl, sehr fertig und listig, der dachte, der Herr komme noch nicht und schlemmte darauf los, und ließ alles drunter und drüber gehen. Auch die beiden Bauern verbrachten alles mit Zechen. Auf einmal sah ich den Herrn kommen. Ich sah fern über hohem Gebirge wie eine prächtige Stadt und Palast, und sah eine wunderschöne Straße von dem Palast gerade hierher, und sah den König von dort herabkommen mit einem großen Zug von Kamelen und kleinen niedrigen Wagen mit Eseln bespannt und seinem ganzen Hofstaat. Ich sah diese Ankunft so, wie ich etwa eine Straße aus dem himmlischen Jerusalem niederkommen sehe, und es war ein himmlischer König, der auf der Erde ein Weizen- und Ölgut hatte. Er kam aber doch auf Art der altväterischen Könige mit einem großen Zug. Ich sah ihn hoch oben herunterkommen, denn der Rentmeister, der kleine Kerl, war bei ihm verklagt, dass er alles verschleudere.

Die Schuldner des Herrn waren zwei Leute mit langen Röcken und vielen Knöpfen bis herunter. Der Rentmeister hatte ein Mützchen auf. Das Schloss des Rentmeisters lag etwas mehr gegen die Wüste, das Weizen- und Ölfeld, an dessen beiden Seiten die Bauern wohnten, lag mehr gegen das Land Kanaan. Sie lagen im Dreieck zueinander. Über dem Kornfeld kam der Herr nieder. Die beiden Schuldner verprassten die Einkünfte mit dem Rentmeister und hatten wieder arme Untertanen, die alles herschaffen mussten. Es war, als seien sie zwei üble Pfarrer und der Rentmeister wie ein nicht guter Bischof, aber er war mir doch auch wie ein Weltlicher, der alles anzuordnen hat. Der Rentmeister merkte oder sah die Ankunft des Herrn aus der Ferne und war in der größten Angst und bereitete ein großes Gastmahl und war sehr schwänzelnd und emsig. Als der Herr angelangt war, sprach er zum Rentmeister: «Ei, was muss ich von dir hören, dass du meine Güter verschwendest. Stelle Rechnung, du kannst nicht mehr Haushalter sein!» Da sah ich den Haushalter schnell die beiden Bauern berufen. Sie hatten Rollen, die sie aufrollten. Er fragte sie, was sie schuldig seien, denn das wusste er nicht einmal, und sie zeigten es. Er aber hatte ein krummes Rohr, da ließ er sie ganz geschwind weniger hinschreiben und dachte, wenn ich vertrieben werde, krieche ich bei ihnen unter und habe zu leben, denn ich kann nicht arbeiten.

Ich sah nun, dass die Bauern ihre Untergebenen zu dem Herrn schickten mit Kamelen und Eseln, und sie hatten Korn in Säcke und Oliven in Körbe geladen. Diejenigen, welche die Oliven brachten, brachten auch Geld. Das waren kleine Stäbchen von Metall in Bündeln, größer und kleiner, nach den Summen mit Ringen zusammengefügt. Der Herr sah aber an den Bündeln, die er voriges Mal empfangen, dass dies viel zu wenig sei und sah aus der falsch gestellten Rechnung die Absicht des Rentmeisters, und er lächelte gegen seine Hofherren und sprach: «Sieh, der Mann ist listig und klug, er will sich Freunde machen bei seinen Untergebenen. Die Kinder der Welt sind klüger in ihrem Treiben, als die Kinder des Lichtes, die selten im Guten so tun wie er im Bösen, dann würden sie belohnt wie dieser bestraft.» Ich sah aber, dass der bucklige Schelm abgesetzt und weiter zurück in die Wüste geschickt wurde. Es war dort Orgrund (gelber, harter, unfruchtbarer Eisensand, Ocker) und Ellernholz, und er war ganz bestürzt und betrübt. Ich sah aber doch, dass er endlich zu hacken und bauen begann. Die zwei Bauern sah ich auch vertreiben und ihnen etwas bessere Flecken im Sand anweisen. Die armen Unterbauern aber kriegten nun das Feld zu besorgen, denn ihnen war alles abgedrungen worden.

6. Jesus und die Jünger laden zur Taufe und zur Lehre bei Seleucia ein

Jesus und die Jünger verteilten sich durch die ganze Stadt Adama. Jesus hielt sich mehr in der Mitte der Stadt. Die Jünger aber gingen in die entfernteren Teile bis in die Häuser der Heiden und beriefen schier Haus für Haus die Leute, welche schon vorbereitet waren, zur Taufe auf den kommenden Tag und zu der Lehre, welche Jesus übermorgen jenseits des Sees auf einem grünen umzäunten Platz bei Seleucia halten werde. Sie lehrten bei dieser Einladung. Es währte dies bis zur Dämmerung, bei welcher die Jünger aus der Stadt an die Abendseite des Sees auf die Schiffe der Fischer sich begaben, welche bei Fackelschein an der breiteren Seite des Sees unterhalb des Jordaneinflusses fischten. Der Schein der Fackeln lockte die Fische heran, die sie mit Stacheln und Angeln fingen. Die Jünger halfen auf den Schiffen und lehrten die Fischer. Sie sagten ihnen auch, sie sollten ihre Fische hinüber auf den grünen Platz bei Seleucia bringen, wo die Lehre gehalten werden solle und sie gut belohnt würden. Dieser Platz war eine Art Tiergarten mit Wall und Zaun umgeben. Sie pflegten die wilden Tiere da einzusperren, die sie lebendig fingen. Es waren allerlei Gräben für sie dort. Der Platz gehörte zu Adama und war etwa anderthalb Stunden von Seleucia.

Da es Morgen wurde, kam Jesus zu den Jüngern und sie gingen mit Ihm auf einem Umweg, wo noch mehrere Hütten standen, zur Stadt zurück. Und in diesen Hütten wurde getan, wie in den andern Häusern. In der Stadt ging Jesus mit den Jüngern in das Haus des Obersten auf dem freien Platz und nahm mit ihnen eine Erquickung ein. Es waren kleine Brote, deren immer zwei und zwei aneinander hingen. Es standen auch kleine Fische mit aufgereckten Köpfen auf einer großen, wie buntes, vielfarbiges Glas schimmernden schifförmigen Schale auf dem Tisch, und Jesus legte jedem Jünger einen solchen ganzen Fisch auf das Brötchen. Der Tisch hatte rings ausgehöhlte Löcher wie Teller, wohin die Portionen gelegt wurden.

Nach dieser Mahlzeit hielt Jesus eine Lehre in der gegen den Hof offenen Halle vor dem Obersten und seinem Hausgesinde, welches getauft werden sollte, und darnach begab Er sich an den Lehrplatz vor die Stadt, wo Ihn bereits viele Menschen erwarteten, und bereitete auch hier zu der Taufe vor. Die Leute gingen und kamen abwechselnd truppenweise, und von hier zogen sie in die Synagoge, beteten, streuten sich Asche aufs Haupt und büßten. Dann gingen sie zum Badegarten bei dem Gnadenort, wo sie sich paarweise in einer Badegrube von Vorhängen getrennt reinigten.

Als die Letzten den Lehrplatz verlassen hatten, begab sich Jesus mit den Jüngern auch dahin. Der Taufteich war jener Teich, in welchen das Wasser aus einem Arm des Jordan floss. Auch hier war das Becken mit einem so breiten Graben umgeben, dass darin Zwei einander vorübergehen konnten. In diesen Graben gingen fünf schließbare Ableitungsrinnen des mittleren Beckens und neben denselben führten fünf Zugänge hinüber. In der Mitte des Beckens war ein Pfahl, der durch einen bis zu dem Ufer reichenden Arm das Becken öffnete und schloss.

Dieser fünfrinnige Wasserbehälter war nicht besonders so zur Taufe eingerichtet worden. Es war dieses eine häufige Form in Palästina, deren Beziehung auf die fünf Zugänge des Teiches Bethesda, auf den Brunnen Johannes in der Wüste, auf den Taufbrunnen Jesus auf die heiligen fünf Wunden, oder irgend ein religiöses Geheimnis begründen mag.

Jesus lehrte hier noch immer näher auf die Taufe vorbereitend. Die Täuflinge waren abermals in langen Mänteln, die sie ablegten und dann mit der Lendenbedeckung und dem Brustmäntelchen in den umgebenden Graben stiegen, in welchen Wasser aus dem Mittelbecken gelassen war. Auf den Übergängen standen die Täufer und die Paten. Das Wasser wurde dreimal auf das Haupt mit einer Schöpfkelle gegossen im Namen Jehovas und seines Gesandten. Es tauften immer vier Jünger zugleich, und zwei legten die Hände auf. Dieses und die Vorbereitungen Jesu währten bis zum Abend. Viele wurden auch noch zurückgesetzt und abgewiesen.

Mit Tagesanbruch schifften die Jünger nach Seleucia und dem grünen Platz über. In einiger Entfernung von Adama war der See, der die Gestalt einer Violine hatte, schmäler und etwa nur eine kleine Viertelstunde breit. Seleucia, von mittlerer Größe, war eine Festung, mit einer Vormauer, dann einem Wall und wieder einer Mauer. Sie war besonders an der Nordseite ganz unzugänglich steil und ganz von heidnischen Soldaten bewohnt. Die Frauen wohnten in einem abgesonderten Teil der Stadt in langen Häusern und in einzelnen Kammern. Die wenigen Juden, die hier wohnten, waren sehr zurückgesetzt und lebten in elenden Mauerlöchern. Sie hatten auch schwere niedrige Arbeit in Gräben und Sumpf zu verrichten.

Eine Synagoge sah ich hier nicht, wohl aber einen runden Tempel. Er stand auf einem Säulenkreis, woran große tragende Figuren. In der Mitte stand eine sehr dicke Säule, in welcher die Treppen hinauf in den Tempel führten. Es waren darunter in der Erde Kellergewölbe, worin sie ihre Toten-Aschenkrüge stellten. Es war auch eine schwarze Stelle in der Nähe, wo sie die Leichen verbrannten. In dem Tempel standen Schlangengestalten mit Menschengesichtern, Menschenfiguren mit Hundsköpfen, auch eine Figur mit dem Mond und einem Fisch.

Es war hier umher wenig Fruchtbarkeit. Aber die Leute waren sehr arbeitsam, sie machten allerlei Strickwerk für Pferderüstung, auch waren viele Waffenschmiede da. Es war alles Soldatenwerksbereitung.

Die Jünger gingen in Seleucia umher und luden die Leute zu der Lehre und einer Mahlzeit zum grünen Platz ein. Indes tat Jesus dasselbe in den heidnischen Wohnungen zu Adama. Hierauf begaben sich die Jünger auf den grünen Platz des Tiergartens, der mit schönen Rasen und Blumen und Sträuchern bewachsen war, und rüsteten mit den Fischern, welche ihre Fische hier in einer Zisterne bewahrt hatten, die Mahlzeit zu. Die Tische waren breite Balken, welche aus dem See hinaufgeschleift wurden, etwa zwei Fuß breit. Hinter dem Garten waren Feuerherde, wo die Fische gebraten wurden. Es schienen hier öfters Mahlzeiten zu sein, denn es befanden sich eine Art flache Steinschalen, wie von der Natur gebildet, dort in Erdkellern, auf welchen die Gerichte aufgetragen wurden. Es waren Brote, Fische, Grünes und auch Früchte da.

Als dieses alles zubereitet war und gegen hundert heidnische Männer versammelt waren, kam auch Jesus über den See. Es folgten Ihm etwa zwölf Juden und der Oberste und auch mehrere Heiden von Adama. Jesus lehrte auf einem Hügel. Der Oberste und die anderen Juden hatten Anteil an der Besorgung des Mahles und dienten mit den Jüngern zu Tisch. Jesus lehrte, wie der Mensch aus Leib und Geist bestehe, und von der Nahrung des Leibes und des Geistes. Es stehe ihnen nun frei, seine Lehre zu hören, oder zu essen. Er tat dies, um sie zu prüfen. Und es gingen auch einige gleich zu Tisch und dann mehrere, so dass nur etwa der dritte Teil zuhörend blieb. Jesus lehrte aber auch von der Berufung der Heiden, und erzählte von den drei Königen, welche ihnen nicht unbekannt waren.

Als die Lehre und die Mahlzeit zu Ende war, zog Jesus gegen Abend mit den Jüngern und Juden nach Seleucia, welches wohl anderthalb Stunden südlich und nicht dicht am See lag. Die Leute waren schon dahin zurück. Hier wurde Er von den Vornehmsten vor der Stadt empfangen und mit einem Trunk und Bissen erquickt und auch die Jünger und Juden. Dann wurden sie in die Stadt eingeführt und Jesus begrüßte und lehrte die heidnischen Frauen nicht weit vom Tor auf einem Platz, wo sie sich versammelt hatten, Ihn zu sehen. Sie gehen wie die Jüdinnen gekleidet, doch nicht so ehrbar verschleiert, und sind, wie überhaupt die Menschen dieser Gegend nicht groß, aber stark und stämmig.

Jesus zog nun in ein großes Herbergshaus, wo sie Ihm ein Ehrenmahl bereitet hatten. Es wurde in dieser Gegend viel traktiert. Jesus, die Jünger und Juden aßen an einem Tisch allein. Die Juden wollten anfangs nicht hier essen. Jesus aber lehrte: was zum Mund eingehe, verunreinige den Menschen nicht und wenn sie nicht mitessen wollten, folgten sie nicht seiner Lehre. Er lehrte unermüdet während des ganzen Tisches.

Die Heiden hatten höhere Tische, als die Juden und auch einzelne Tischchen, und saßen auf Kissen mit unterschlagenen Beinen, wie die Leute im Dreikönigsland. Die Speisen waren Fische, Grünes, Honig, Früchte, auch braungebratenes Fleisch.

Jesus rührte sie so durch seine Lehre, dass sie sehr betrübt waren, als Er wieder von ihnen schied. Sie baten Ihn sehr zu bleiben, und Er ließ ihnen Andreas und Nathanael zurück. Die Heiden waren sehr auf neue Dinge begierig. Es war schon Dämmerung, als Er sie verließ.

Die Frauenwohnungen waren mit der Hinterseite in die Festungsmauer oder den Wall gebaut, nach vorne sahen sie nach einer breiten Straße. Es waren sehr schöne Häuser darunter, von Zeit zu Zeit durch Gärten und Hofplätze getrennt, wo sie wirtschafteten und wuschen. Jesus sprach mit ihnen an einem Versammlungsort.

Jesus hat in Seleucia auch von der Taufe, als einer Abwaschung gesprochen, und da sie Ihn noch länger besitzen wollten, sagte Er, dass sie bis jetzt nicht mehr zu fassen vermöchten.

Von Seleucia kehrte Jesus wieder nach Adama zurück. Hier war ein Dankfest der Neugetauften in der Synagoge, wo sie vor den andern standen und Lobgesänge sangen, und Jesus lehrte. Es wurden noch mehrere getauft, als Andreas und Nathanael von Seleucia zurückkamen. Der bekehrte Jude macht in allem einen Diener und Boten, ist ganz demütig und hilfreich.

Eine große Zahl Kranker hatte in Adama nicht zu den Lehren Jesu und zur Taufe kommen können. Darum ging Jesus mit Saturnin und dem verwandten Jünger sie in ihren Wohnungen aufzusuchen. Die anderen Jünger aber wanderten zu den zwei bis drei Stunden nördlich von Adama gelegenen Städten Azot, Kades, Berotha und Thisbe, um die Einwohner zu einer Lehre einzuladen, welche Jesus auf einem in der Richtung von Kades nach Berotha liegenden sanft aufsteigenden Berg halten wollte. Auf der Höhe dieses Berges, der grün und bewachsen war, befand sich ein alter Lehrstuhl in einem Raum, der mit einem Wall umgeben war. Die Jünger gingen teils zu den Vorstehern der Orte und forderten sie auf, das Volk zu der Lehre einzuladen, welche der Prophet aus Galiläa auf dem Berg den Tag nach dem Sabbat halten werde. Teils gingen sie selbst in einzelne Häuser und luden die Leute ein.

Indessen war Jesus in Adama bei vornehmen und armen Juden und Heiden, und heilte Wassersüchtige, Lahme, Blinde und Blutflüssige. Es fielen mir besonders zehn Besessene auf, Männer und Frauen, lauter Juden. Unter den Heiden sah ich nie so viele Besessene. Es waren Vornehme darunter, die in vergitterten Kammern der Häuser und in den Vorhöfen eingeschlossen waren. Wenn Jesus den Häusern sich nahte, fingen sie schrecklich an zu schreien und zu wüten. Wenn Er aber sich ihnen selber nahte, wurden sie still und sahen Ihn starr und verwirrt an. Ich sah, dass Er durch seinen Anblick allein den Teufel von ihnen trieb, der sichtbar von ihnen wich, zuerst wie ein Dampf, der dann einen menschlichen scheußlichen Schatten bildete und entfloh. Die Leute erstaunten und entsetzten sich darüber. Die Befreiten erbleichten und sanken in Ohnmacht zusammen. Jesus redete sie an, ergriff sie bei der Hand und befahl ihnen aufzustehen. Da kamen sie wie aus einem Traum, sanken auf die Knie, dankten und waren ganz andere Menschen. Da ermahnte sie Jesus und nannte die Fehler, von welchen sie sich bessern sollten.

Als die Jünger nach Adama zurückkamen, nahmen sie mit Jesus bei dem Obersten eine Mahlzeit. Sie hatten an jenen Orten auch Fische und Brot gekauft und auf den Lehrberg bestellt, um die Zuhörer zu speisen. Jesus erhielt von manchen Leuten und Orten Geschenke. Ich sah auch kleine Goldstängelchen, wie gewachsen. Diese Gaben wurden zu solchen Speisungen verwendet. Jesus hatte nichts mehr gegessen seit der Mahlzeit zu Seleucia.

Am Sabbat lehrte Er in der Synagoge von Adama. Es war hier in Adama übrigens auch eine Partei gegen Jesus, welche zwei Pharisäer an Johannes Lehrort gesandt, zu hören, was dieser von Ihm vorbringe, und auch nach Bethabara und Kapharnaum, wo sie bei ihresgleichen anzeigten, dass Er sich nun bei ihnen herumtreibe, taufe und Jünger mache. Als diese Leute wieder zurückkehrten, verleumdeten sie Jesus, murrten gegen Ihn, aber sie hatten nur eine kleine Partei.

Einmal fragten die Obern zu Adama Jesus, was Er denn von den Essenern halte? Sie wollten Ihn in Versuchung führen, weil sie eine Ähnlichkeit in seiner Gesinnung verspürt haben wollten, und weil Jakob Minor, der sein Verwandter und mit Ihm war, zu ihnen gehörte. Sie machten ihnen allerlei Beschuldigungen der Absonderung und besonders der Ehelosigkeit. Jesus antwortete ihnen sehr allgemein: man könne diesen Leuten nichts vorwerfen. Wenn sie die Berufung dazu hätten, seien sie sehr löblich. Jedoch habe jeder einen andern Beruf, und wenn ein Krummer gerad gehen wolle, werde es ihm nicht gelingen und anstehen. Als sie Ihm einwarfen, dass so wenig Familien durch dieselben entstünden, zählte ihnen Jesus sehr viele Familien von Essenern her, und sprach ihnen von deren wohlgeratenen Kindern. Er sprach von gutem und bösem Ehestand. Er nahm weder die Essener in Schutz, noch verwarf Er sie, und die Leute verstanden Ihn nicht. Sie hatten aber darauf gezielt, dass Jesus Familienglieder unter denselben und Umgang mit ihnen hatte.

7. Jesus auf dem Lehrberg bei Berotha

In der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag zog Jesus vor Tag von Adama, wo Er nach dem Sabbat Abschied genommen, doch ohne zu sagen, dass Er nicht wieder komme, mit seinen Jüngern und mehreren Juden zum Berg zur Lehre. Er ging bei dem Tor von Adama hinaus, durch das Er über eine Brücke hereingekommen war. Wenn sie zum andern Tor hinausgegangen wären, hätten sie nachher über den Fluss überfahren müssen, der von Azor nach Kades und bei Adama vorüber in den Jordan läuft. Sie ließen Kades zur Rechten und gingen gegen Westen an sanft aufsteigenden Bergterrassen. Diese Gegend hatte hohe Bergrücken, die große Flächen bildeten, und es waren nicht so viele Schluchten und verwirrte zerrissene Berge, wie im mittäglichen Palästina. Thisbe lag ihnen zur Linken, es lag sehr hoch. Es wohnte Tobias einmal da, er hatte seiner Frau Schwager oder Bruder dort verheiratet und war auch in der Wasserstadt Amichores gewesen und hätte dort zurückbleiben können. Aber er zog lieber mit in die Gefangenschaft, um seinem Volk zu nützen. Elias war auch in Thisbe, und Jesus reiste schon einmal durch.

Die Volksmenge war bereits auf dem Berg versammelt. Schon am Abend vorher waren Leute zum Sabbat heraufgezogen und hatten den Platz in Ordnung gebracht. Es war ein umwallter Raum oben und ein Lehrstuhl darin. Die Leute, welche an beiden Seiten des Berges in Reihen von Häusern wohnten, beschäftigten sich auch mit Zeltbereitung und hatten solche schon mit Stangen und Stricken fertig. Sie hatten sie heraufgebracht und den Lehrstuhl und andere Plätze überspannt. Diese Stelle war merkwürdig. Denn Josua hat hier ein Dankfest gehalten, als er die Kanaaniter besiegte. Es war auch Wasser in Schläuchen und Brot und Fische in Körben heraufgebracht. Diese Körbe waren wie bei uns die Bienenkörbe, man konnte oben noch einen darauf setzen, und es waren Fächer darin, dass man verschiedenes hineinlegen konnte.

Als Jesus auf der Höhe des Berges unter dem Volk ankam, jauchzte es Ihm entgegen: «Du bist der wahre Prophet! der Helfer!» usw. und wo Er durch die Menge ging, beugten sie sich vor Ihm. Es mochte wohl schon neun Uhr sein, als Er oben ankam, denn es war von Adama wohl sechs bis sieben Stunden hier herauf.

Es waren auch viele Besessene herauf geführt worden, welche tobten und schrieen. Jesus aber sah sie an und befahl ihnen zu schweigen. Und sie wurden ruhig und genasen von seinem Blick und Befehl.

Als Jesus auf die RednersteIle gekommen und das Volk durch die Jünger geordnet und ruhig war, betete Er erst zu dem himmlischen Vater, von dem alles kommt und das Volk betete auch. Hierauf begann Er seine Lehre. Er sprach aber von diesem Ort und was hier geschehen, von den Kindern von Israel, wie Josua damals hier erschienen und diese Länder von den Kanaaniten und dem Heidentum befreit und wie Azor zerstört worden sei, und erklärte dieses sinnbildlich: so komme jetzt die Wahrheit und das Licht abermals zu ihnen mit Gnade und Sanftmut, sie von der Macht der Sünde zu befreien, sie sollten nicht widerstehen wie die Kanaaniter, damit die Strafe Gottes nicht über sie komme, wie über Azor. Er erzählte auch eine Parabel, die Er später wieder brauchte, sie steht im Evangelienbuch, ich meine, es war von Weizen und Ackerbau. Er lehrte auch von Buße und der Ankunft des Reiches und sprach hier deutlicher von Sich und dem himmlischen Vater, als Er noch hier im Lande getan.

Hier kamen auch die Söhne der Johanna Chusa und der Veronika zu Ihm, die Lazarus abgesandt hatte, Ihn wegen der zwei Kundschafter zu warnen, welche die Pharisäer von Jerusalem nach Adama geschickt hatten. Die Jünger brachten sie in einer Pause zu Ihm, und Er sagte zu ihnen, sie möchten sich gar nicht so um Ihn ängstigen. Seinen Beruf werde Er erfüllen, Er danke für ihre Liebe usw. Die Abgesandten der Pharisäer waren mit den unzufriedenen Juden aus Adama auch hier oben. Jesus sprach nicht mit ihnen, lehrte aber laut, wie man auf Ihn lauere und Ihn verfolge. Doch werde es ihnen nicht gelingen, zu verhindern, was der Vater im Himmel Ihm aufgetragen habe. Er werde bald wieder unter ihnen erscheinen und die Wahrheit und das Reich verkünden.

Es waren auch viele Frauen mit ihren Kindern da und verlangten seinen Segen. Die Jünger waren aber besorgt und meinten, Er solle es nicht tun wegen der Lauerer, die zugegen waren. Doch Jesus verwies ihnen diese Angst und sagte, dass Er die Gesinnung der Frauen als gut sehe, und dass die Kinder gut werden würden, und Er ging durch die Reihen durch und segnete sie.

Es dauerte die Lehre bis gegen Abend von zehn Uhr Morgens, und dann wurde das Volk zur Speisung gelagert. Es waren an einer Seite des Berges Feuer mit Rosten, worauf die Fische geröstet wurden. Es war eine schöne Ordnung, die Einwohner jeder einzelnen Stadt lagen zusammen, und wieder die Leute der einzelnen Straßen und dann wieder die Familien und Nachbarn. Eine jede Straße hatte ihren Mann, der die Speise holte und verteilte. Die einzelnen Speisenden, oder einer von einer Anzahl, die zusammen aß, hatten ein zusammengerolltes Leder anhängen, welches aufgerollt zum Teller diente, auch hatten sie Speiseinstrumente, beinerne Messer und Löffel, am Stiel mit einem Gewerb verbunden bei sich. Teils hatten sie Flaschenkürbisse anhängen, teils gewickelte Becher von Bast, worin sie das Getränk aus den Schläuchen empfingen. Manche konnten sich solche Becher sehr schnell an Ort und Stelle oder unterwegs bereiten. Die Vorsteher empfingen die Speisen von den Jüngern und verteilten immer eine Portion unter vier oder fünf Zusammensitzenden, denen sie etwas Fisch und Brot auf das zwischen ihnen liegende Leder legten. Jesus segnete die Speisen, ehe sie ausgeteilt wurden, und es fand auch hier eine Vermehrung der Speise statt, denn sie reichte sonst bei weitem nicht hin für die paar tausend Menschen, welche zugegen waren. Jede Gruppe erhielt nur eine kleine Portion. Als sie aber gegessen hatten, waren sie alle satt und es blieb noch vieles übrig, das von den Armen in Körbe gesammelt und mitgenommen wurde.

Es waren einige römische durchziehende Soldaten unter den Zuhörern und zwar solche, die den Lentulus in Rom kannten oder denen er zu befehlen hatte. Denn er hatte auch Soldaten unter sich. Vielleicht waren sie auch von ihm beauftragt, sich um Jesus zu erkundigen. Denn sie kamen zu den Jüngern und baten um einige von Jesus gesegnete Brötchen, um sie dem Lentulus zukommen zu lassen. Sie erhielten solche Brötchen und steckten sie in Beutel, die sie über die Schulter hängen hatten.

Als die Mahlzeit zu Ende ging, war es schon dunkel und man brachte Fackeln. Jesus segnete das Volk und verließ mit den Jüngern den Berg. Er trennte sich aber von ihnen. Sie gingen einen nähern Weg nach Bethsaida und Kapharnaum zurück. Er selbst ging mit Saturnin und dem verwandten Jünger südwestlich nach einer Stadt zur Seite von Berotha, welche Zedad heißt, und übernachtete in einer Herberge vor der Stadt.

8. Jesus zieht über Gatepher nach Kapharnaum

Ich sah Jesus in der Nacht vom Montag auf den Dienstag im Gebirge mit Saturnin und dem andern Jünger wandeln. Weil Er nun einsam ging und betete, und sie ihn darüber fragten, lehrte Er sie vom einsamen Gebet und vom Gebet überhaupt. Er sprach ein Beispiel von Schlangen und Skorpionen: wenn ein Kind um einen Fisch bittet, wird ihm der Vater keinen Skorpion geben usw. Ich sah ihn an diesem Tag noch in verschiedenen kleinen Orten bei Hirten heilen und ermahnen und auch in der Stadt Gatepher, wo Jonas geboren ist, und wo Verwandte von Jesus wohnten. Er heilte auch hier und ging dann gegen Abend bis nach Kapharnaum.

Wie unermüdet war Jesus und wie scharf strengte Er auch die Jünger und Apostel an! Sie waren Anfangs manchmal erstaunlich müde. Welch ein Unterschied zwischen heutzutage! Die Jünger hatten, da sie auf der Landstraße zogen, den Leuten nach- und entgegenzugehen, sie zu belehren oder zu einer Lehre zu Jesus zu berufen.

Im Hause Mariä bei Kapharnaum waren Lazarus, Obed, die Neffen Josephs von Arimathäa, der Bräutigam von Kana und einige andere Jünger angekommen. Auch waren wohl sieben Frauen von Verwandten und Freunden bei Maria, Jesus zu erwarten. Man ging aus und ein und schaute ihm auf der Straße entgegen. Es kamen auch die Jünger Johannes und brachten die Nachricht seiner Gefangennahme, worüber große Betrübnis entstand. Diese Jünger gingen dann Jesus entgegen, trafen ihn nicht weit von Kapharnaum und brachten ihm die Botschaft. Er beruhigte sie und kam zu seiner Mutter allein. Er hatte seine Jünger vorausgesandt. Lazarus kam ihm entgegen und wusch ihm in der Vorhalle des Hauses die Füße.

Als Jesus in die Stube trat, verbeugten sich die Männer tief. Er grüßte sie, ging zu seiner Mutter und reichte ihr die Hände. Auch sie neigte sich mit großer Liebe und demütig. Es war hier kein sich in die Arme Stürzen. Es war alles voll zärtlicher, unbefangener Überwindung, die allen einen Ausdruck von Güte und innerer Herzensfülle gab. Nun ging Jesus auch zu den andern Frauen, welche sich verschleiert vor ihm niederknieten. Er segnete bei solchem Kommen und Gehen alle.

Ich sah nun ein Mahl bereiten, die Männer lagen um den Tisch. Am andern Ende der Tafel saßen die Frauen mit unterschlagenen Füßen. Man sprach von Johannes Gefangennahm mit Unwillen. Jesus verwies ihnen das, Er sagte, sie sollten nicht urteilen und zürnen, all dies müsse so sein. Wäre Johannes nicht hinweggenommen, so könnte Er nicht sein Werk beginnen und jetzt nach Bethanien gehen. Er erzählte auch von den Leuten, bei denen Er gewesen war. Von der Ankunft Jesu wusste niemand, als die Anwesenden und die vertrauten Jünger. Jesus schlief, wo die andern anwesenden Fremden schliefen, in einem Seitenanbau. Er bestellte die Jünger zum nächsten Sabbat in die Nähe von Bethoron auf ein einzelnes hochgelegenes Haus.

Ich sah ihn auch mit Maria allein sprechen. Sie weinte, dass Er gegen Jerusalem sich in Gefahr begebe. Er tröstete sie und sagte, sie möge nicht sorgen, Er werde seine Aufgabe vollbringen, die traurigen Tage seien noch nicht da. Er sagte auch, wie sie sich im Gebet verhalten sollte, und allen andern sagte Er, sie möchten sich allen Urteils und Gesprächs über Johannes Gefangennahme und die Handlungen der Pharisäer gegen Ihn enthalten. Sie könnten dadurch nur die Gefahr vermehren. Die Handlungsweise der Pharisäer läge auch in der göttlichen Vorsicht. Sie handelten zu ihrem eigenen Untergang.

Es war auch die Rede von Magdalena, und Er sagte abermals: sie sollten für sie beten und ihrer mit Liebe gedenken: sie werde schon kommen und wohl so gut werden, dass sie vielen ein Beispiel werde.

Darauf wandelte Jesus frühmorgens mit Lazarus und etwa fünf jerusalemischen Jüngern gegen Bethanien. Es wurde der Anfang des Neumonds gefeiert, und ich sah an den Synagogen in Kapharnaum und anderen Orten wieder lange geknüpfte Tücher heraushängen und Fruchtschnüre an den bedeutenderen Häusern.

9. Johannes der Täufer wird von Herodes gefangengenommen und in Machärus eingekerkert

Herodes hatte den Täufer schon einmal vom Taufplatz entführt und einige Wochen lang als Gefangenen bei sich zurückgehalten in der Meinung, ihn umzustimmen oder einzuschüchtern. Er hatte ihn aber aus Scheu vor der großen Volksmenge, welche herzugeströmt war, um Johannes zu hören, wieder entlassen. Johannes hatte sich darauf an seinen früheren Taufplatz bei Ainon gegenüber von Salem begeben, anderthalb Stunden östlich vom Jordan und zwei Stunden südlich von Succoth, wo sein Taufbrunnen in der Nähe eines etwa eine Viertelstunde großen Sees sich befand, aus dem zwei Bäche, einen Hügel umfließend, hinab in den Jordan sich ergießen. An diesem Hügel befand sich der Rest eines alten, noch bewohnbaren Schlosses mit Türmen, und es zogen sich Alleen und Gärten mit anderen Wohnungen darumher. Zwischen dem See und dem Hügel lag der Taufbrunnen des Johannes: inmitten des geräumigen, kesselförmig vertieften Gipfels des Hügels aber hatten seine Jünger über einer treppenförmig aufgemauerten Erhöhung eine Bedeckung mit Zeltwerk errichtet, wo Johannes lehrte. Diese Gegend gehörte dem Philippus: sie lag aber wie eine Spitze in das Land des Herodes hinein, welcher sich deshalb noch etwas scheute, sein Vorhaben an Johannes auszuführen.

Es war wieder ein ungemein großer Zulauf von Menschen zu Johannes, ihn zu hören: ganze Züge von Arabien mit Kamelen und Eseln und viele Hunderte von Menschen aus Jerusalem und ganz Judäa, Männer und Frauen. Die Scharen zogen abwechselnd ab und zu, bedeckten den Kesselhügel, lagerten an dem Rand hinauf und standen oben auf der Höhe. Es war eine große Ordnung dabei eingeführt und unterhalten von den Jüngern des Johannes. Ein Teil liegt, ein anderer sitzt in den Knien, ein anderer steht, so dass sie alle übereinander wegsehen können. Heiden und Juden sind getrennt, so auch Männer und Frauen, welche letztere immer zurückstehen. Die am Abhang sitzen, sind meistens gekauert und stützen den Kopf mit dem Arm auf den Knien, oder umfassen ein Knie, auf der andern Lende liegend oder sitzend.

Johannes ist, seit er von Herodes zurückgekehrt, wie von einem neuen Feuer durchgossen. Seine Stimme klingt ungemein lieblich und doch ganz gewaltig und übermäßig weit. Man versteht ein jedes Wort. Er ruft weit hinaus und ein paar tausend Menschen verstehen ihn. Er ist wieder mit Fellen bedeckt und rauer gekleidet als bei On, wo er oft ein langes Kleid anhatte. Er lehrte von Jesus, wie man ihn verfolgt habe in Jerusalem, und zeigte nach Obergaliläa, dort wandle Er, heile: Er werde bald wiederkommen, seine Verfolger würden nichts über ihn vermögen, bis sein Werk erfüllt sei.

Auch Herodes und seine Frau kamen mit einem Zug Soldaten zum Lehrort des Johannes. Er reiste von seinem Schloss zu Livias zwölf Stunden neben Dibon hin, wo er über zwei Arme eines Flüsschens musste. Bis gegen Dibon zu war der Weg ganz gut: dann aber wurde er sehr beschwerlich und ungleich, eigentlich nur für Fußgänger und Lasttiere gangbar. Herodes fuhr aber auf einem langen, schmalen Wagen, worauf man seitwärts lag und saß: es saßen noch mehrere bei ihm. Die gewöhnlichen Räder waren dicke, runde niedrige Scheiben ohne Speichen: es waren jedoch noch andere größere Räder und Rollen hinten angehängt. Der Weg war so ungleich, dass sie auf der einen Seite hohe, auf der andern niedere Räder ansteckten. Es ging sehr beschwerlich. Die Frau des Herodes saß auch auf einem solchen Wagen mit Kammerfrauen. Die Wagen wurden von Eseln gezogen. Soldaten und anderes Gefolge zogen vor und nach.

Herodes zog hin, weil Johannes jetzt wieder lauter und heftiger lehrte, als je zuvor, und weil er ihn gerne hörte und wissen wollte, ob er nichts gegen ihn vorbringe. Seine Frau lauerte aber nur auf eine Gelegenheit, ihn zum Äußersten gegen Johannes zu bringen. Sie stellte sich ganz wohlgesinnt, obschon sie nur aus Arglist mitfuhr. Eine heimliche Ursache für Herodes war es auch, dass er erfahren, Aretas ein arabischer König und Vater seiner verstoßenen ersten Frau sei zu Johannes gereist und halte sich unter dessen Jüngern auf. Er wollte nun diesen beobachten, ob er nicht gegen ihn unter dem Volk dort etwas anzettle. Diese erste, sehr schöne und gute Frau war nun wieder bei ihrem Vater, der von Johannes Lehre und Widerspruch gegen Herodes Tat gehört hatte und sich nun selbst zu seinem Trost von Johannes Lehre überzeugen wollte. Er erschien aber gar nicht auffallend, sondern war ganz einfach gekleidet unter Johannes Jüngern verborgen, zu denen er sich wie einer von ihnen hielt.

Herodes kehrte in dem alten Schloss an dem Hügel ein und saß, da Johannes lehrte, auf einer stufenförmigen Terrasse vor dem Schloss: seine Frau von ihren Leuten und Wachen umgeben auf Kissen unter einem Zeltdach. Johannes schrie zum Volke, sie sollten sich an der Ehe des Herodes nicht ärgern, sie sollten ihn ehren, ohne ihn nachzuahmen: das freute und ärgerte den Herodes. Die Gewalt, mit der Johannes sprach, ist unbeschreiblich. Er redete wie der Donner so laut und doch ganz lieblich und verständlich. Es war, als wollte er sein Letztes tun. Er hatte seinen Jüngern auch schon gesagt, seine Zeit gehe bald zu Ende. Sie sollten ihn aber nicht verlassen, sie sollten ihn besuchen, wenn er gefangen würde. Er hatte schon drei Tage nicht gegessen noch getrunken, nur gelehrt und von Jesus geschrieen und dem Herodes seinen Ehebruch verwiesen. Die Jünger baten ihn sehr, er möge doch einhalten und sich erquicken: er ließ aber nicht nach und war ganz begeistert.

Die Aussicht von der Anhöhe, auf der Johannes lehrte, ist ungemein schön: man kann auch den Jordan in der Ferne sehen, die umliegenden Städte, über Felder und Obstbäume hin. Es muss hier ehemals ein großer Bau gewesen sein: denn ich sehe noch dicke mit grünen Rasen überwachsene Bogen aus Steinen wie Brücken. An dem Schloss, wo Herodes wohnte, sind ein paar Türme neu hergestellt, worin er sich aufhält.

Es ist sehr quellenreich hier, und der Badebrunnen ist im besten Stand. Er ist ein kunstvolles Werk, denn eine Quelle kommt durch einen gewölbten Kanal aus dem Hügel, worauf Johannes lehrt. Der ovale Taufbrunnen hat drei schöne, grüne Terrassen, die ihn umgeben und wieder durch fünf Gänge durchschnitten sind. Er ist, obwohl viel kleiner, doch schöner im Stand, als Bethesda zu Jerusalem, der hie und da durch Schilf und hineinfallendes Laub der umgebenden Bäume verunreinigt ist. Der Taufbrunnen liegt hinter dem Hügel und etwa 150 Schritte hinter diesem der große Teich, in dem sehr viele Fische sind, die sich alle zur Seite hinzudrängen schienen, wo Johannes lehrte, gleich als wollten sie zuhören. Es sind kleine Kähne, ausgehöhlte Balken, nur für höchstens zwei Mann auf dem Teich mit Sitzen in der Mitte zum Fischen. Johannes isst nur wenig und schlechte Kost und wenn er auch mit seinen Jüngern zusammen isst, isst er immer seht wenig. Er betet allein und des Nachts viel gegen Himmel schauend.

Johannes wusste es, dass seine Gefangenschaft nahe sei und hatte darum so begeistert geredet und gleichsam Abschied genommen. Er hatte Jesus lauter verkündet als je: Er komme nun, er selber aber müsse weichen, zu Ihm sollten sie sich wenden. Er selber werde bald entrissen werden. Sie seien ein raues, hartes Volk, sie sollten gedenken, wie er zuerst gekommen und die Wege des Herrn bereitet, Brücken und Stege gebaut. Steine gewälzt, die Taufbrunnen geordnet und die Wasser geleitet habe. Es sei eine schwere Arbeit gewesen mit harter Erde, harten Felsen, knorzigem Holz. Dann habe er es mit dem Volk zu tun gehabt, das so verhärtet, grob und eigensinnig. Die aber, die er gerührt habe, sollten nun zum Herrn gehen, zum geliebten Sohn des Vaters: wen Er aufnehmen werde, der sei aufgenommen, wen Er verwerfen werde, der sei verworfen. Er komme nun und werde lehren und taufen und vollenden, was er vorbereitet. Er verwies dem Herodes mehrfach vor allem Volk heftig seinen Ehebruch, und Herodes, der ihn sonst ehrte und fürchtete, ergrimmte innerlich, ließ aber nichts merken.

Die Lehre war geschlossen, die Scharen zogen nach allen Seiten hinweg, auch die Leute aus Arabien und Aretas, der Schwiegervater Herodes, mit ihnen. Herodes hatte ihn nicht zu sehen bekommen. Die Frau des Herodes war schon früher wieder fort und nun reiste auch Herodes ab, der seinen Grimm verbarg und freundlich von Johannes Abschied nahm.

Johannes sendete noch mehrere Jünger mit Botschaften nach verschiedenen Seiten ab, entließ die andern und begab sich in sein Zelt, im Gebet sich zu versammeln. Es dunkelte schon, die Jünger hatten sich entfernt. Da umringten etwa zwanzig Soldaten das Zelt, nachdem sie Wachen auf allen Seiten aufgestellt. Einer nach dem anderen trat hinein. Johannes erklärte, dass er ruhig folgen werde, er wisse, dass seine Zeit gekommen sei und dass er Jesus Platz machen müsse: sie brauchten ihn nicht zu fesseln, er folge ihnen freiwillig, sie sollten ihn ruhig abführen, um keine Störung zu machen. Und so gingen dann zwanzig Mann mit starken Schritten mit ihm von dannen. Er hatte nur sein raues Fell und seinen Stab. Es nahten aber einige Jünger, als man ihn wegführte, er nahm mit einem Blick Abschied von ihnen und sagte, sie sollten ihn in der Gefangenschaft besuchen. Nun aber entstand ein Zusammenlauf der Jünger und der Leute. Es hieß: sie haben Johannes weggeführt! Da war Wehklagen und Jammern! Sie wollten nach, wussten aber den Weg nicht: die Soldaten hatten sich bald von dem gewöhnlichen Wege abgewendet und zogen eine ganz fremde Bahn nach Süden zu. Es war große Verwirrung, Jammern und Wehklagen. Die Jünger zerstreuten sich nach allen Seiten und flohen wie bei Jesus Gefangennahme und verbreiteten die Nachricht im ganzen Land.

Johannes wurde zuerst in einen Turm zu Hesebon gebracht. Die Soldaten waren mit ihm die ganze Nacht hindurch gezogen. Gegen Morgen kamen ihnen andere Soldaten von Hesebon entgegen: denn es war schon laut geworden, dass Johannes gefangen sei, und es liefen hie und da Leute zusammen. Die Soldaten, welche ihn führten, schienen eine Art Leibwache des Herodes zu sein: sie hatten Helme und Schuppen und Ringe auf Brust und Schultern gegen Hiebe, auch lange Spieße.

In Hesebon sammelten sich viele Leute vor dem Gefängnis des Johannes, so dass die Wachen genug zu tun hatten, sie fortzutreiben. Es gingen oben Öffnungen aus dem Gefängnis, Johannes stand in seinem Kerker und rief mit lauter Stimme, dass die draußen es hörten: er habe die Wege bereitet. Felsen gebrochen, harte Bäume gefällt, Quellen geleitet. Brunnen gegraben, Brücken gebaut, er habe mit widerspenstigen, harten Gegenständen zu tun gehabt: so sei auch dieses Volk und darum sei er gefangen. Sie sollten sich zu jenem wenden, den er verkündigt habe, zu jenem, der über die gebahnten Wege herankomme. Wenn der Herr einziehe, treten die Wegbereiter ab, alle sollten sich zu Jesus wenden: er sei nicht würdig, dessen Schuhriemen aufzulösen. Jesus sei das Licht und die Wahrheit und der Sohn des Vaters usw. Seine Jünger lud er ein, ihn zu besuchen in seinem Gefängnis, denn man werde noch nicht wagen, Hand an ihn zu legen, seine Stunde sei noch nicht gekommen. Er redete und lehrte dies so laut und vernehmlich, als stehe er noch auf seiner Redestelle unter dem versammelten Volk. Nach und nach vertrieben die Wachen das Volk. Der Zulauf und die Reden Johannes wiederholten sich noch mehrmals.

Johannes wurde nun von Hesebon durch Soldaten zum hoch und steil liegenden Machärus in das Gefängnis abgeführt. Er saß mit mehreren in einem niederen schmalen überdeckten Wagen wie in einem Kasten, der mit Eseln bespannt war. In Machärus führten ihn die Soldaten den steilen Bergpfad hinan in die Festung: zogen mit ihm aber nicht durch das Tor hinein, sondern nebenan durch den Wall, wo sie einen sonst mit Rasen bedeckten Gang öffneten, der etwas niedersteigend zu einer Türe von Erz und durch diese unter dem Festungstor hinweg in ein großes unterirdisches Gewölbe führte, das von oben her Lichtöffnungen hatte und reinlich, aber ohne jede Art von Bequemlichkeit war.

Herodes war vom Taufplatz hinweg nach seinem Schloss Herodium gezogen, das der alte Herodes erbaut hatte, und wo er einmal zur Belustigung Leute in einem Teich hatte ertränken lassen. Hier hielt er sich aus Unmut verborgen und ließ niemand vor. Manche ließen sich melden, um über die Gefangennahme Johannes sich zu beschweren. Darüber wurde ihm bange und er verschloss sich in seinen Gemächern.

Nach einiger Zeit konnten die Jünger Johannes, wenn es ihrer nur wenige waren, dem Gefängnis sich nähern, mit Johannes reden und ihm durch das Gitter etwas reichen. Kamen aber ihrer viele, so wurden sie von den Wachen zurückgewiesen. Johannes befahl den Jüngern, in Ainon noch so lange zu taufen, bis Jesus dahinkommen und taufen lassen werde. Das Gefängnis war hell und gross, hatte aber als Lagerstätte nur eine Bank von Stein. Johannes war sehr ernst. Er hatte immer etwas Tiefsinniges, Trauriges in seinem Angesicht, als einer, der das Lamm Gottes liebte und verkündigte, aber wusste, dass sie es töten werden.

10. Jesus in Bethanien. Die Errichtung von Reiseherbergen für Jesus und die Jünger. Die verlorene und wiedergefundene Perle

Auf dem Weg von Kapharnaum nach Bethanien kam Jesus mit Lazarus und den fünf jerusalemischen Jüngern durch die Gegend von Bethulien. Zur hoch gelegenen Stadt Bethulia selber kamen sie nicht: der Weg führte um sie herum gegen Jezrael, vor welchem Ort Lazarus eine Art Absteigherberge mit einem Garten besaß. Die Jünger waren vorausgegangen und hatten einen Imbiss bestellt. Es war ein vertrauter Mann von Lazarus hier. Es war früh am Morgen, da sie hier die Füße wuschen, die Kleider ausschüttelten, etwas aßen und ruhten. Von Jezrael gingen sie über ein Flüsschen, ließen Scythopolis und dann Salem links und über ein Bergende kamen sie gegen den Jordan zu. Dann setzten sie südlicher als Samaria über den Jordan, und ruhten, da es schon Nacht war, wenige Stunden an einer Anhöhe des Jordanufers, wo vertraute Hirten wohnten. Vor Tagesanbruch brachen sie wieder auf und zogen zwischen Hay und Gilgal durch die Wüste von Jericho. Jesus und Lazarus gingen zusammen, die Jünger aber zogen auf anderen Wegen voraus. Jesus und Lazarus wanderten den ganzen Tag auf einsamen Pfaden und berührten keine Orte, auch nicht die Herberge, welche Lazarus an dieser Seite der Wüste hatte. Wenige Stunden vor Bethanien ging Lazarus voraus und Jesus wandelte allein.

In Bethanien waren mit Lazarus und den fünf jerusalemischen Jüngern gegen fünfzehn Jünger und Anhänger Jesus und sieben Frauen versammelt: Saturnin, Nikodemus, Joseph von Arimathäa, seine Neffen, die Söhne Simeons, der Johanna Chusa und Veronica und Obeds. Frauen waren: Veronika, Johanna Chusa, Susanna, Maria Markus und die Witwe Obeds, Martha und ihre verständige bejahrte Dienerin, die eine der Pflegerinnen des Herrn und der Jünger wurde. Diese alle harrten stille und wie heimlich auf die Ankunft Jesu in einem großen unterirdischen Gewölbe des Schlosses des Lazarus. Gegen Abend kam Jesus an und ging durch eine Hintertüre in die Gärten. Lazarus kam ihm in einer Halle entgegen, wo er ihm die Füße wusch. Es war hier ein vertieftes Becken, wohin aus dem Haus ein Kanal geleitet war, in welchen Martha warmes und kaltes Wasser gemischt hineingoss, das in das Becken floss. Jesus auf dem Rand sitzend stellte die Füße hinein, und Lazarus wusch und trocknete sie. Dann schüttelte er Jesu Kleider aus, legte Ihm andere Sohlen an und reichte Ihm einen Imbiss und Trunk.

Nun begab sich Jesus mit ihm durch einen langen Laubgang zum Haus und hinab in das gewölbte Gemach. Die Frauen verschleierten sich und beugten sich kniend vor Ihm: die Männer beugten sich bloß tief. Er sprach eine Begrüssung aus und segnete sie alle. Dann legte man sich bald zur Mahlzeit. Die Frauen saßen an einer Seite des Tisches auf Polstern mit unterschlagenen Füßen.

Nikodemus war ungemein bewegt und begierig auf Jesu Worte. Die Männer sprachen mit Unwillen von Johannes Gefangenschaft. Jesus sagte: das habe so kommen müssen und sei der Wille Gottes: sie sollten von allen solchen Dingen nicht sprechen, um kein Aufsehen zu machen und dadurch Gefahr zu erregen. Wenn Johannes nicht hinweggetan worden wäre, hätte Er noch nicht hier wirken können. Die Blütenblätter müssten fallen, wenn die Frucht kommen solle.

Sie sprachen auch mit Unwillen von dem Lauern und Verfolgern der Pharisäer, und Jesus gebot auch hierin Friede und Stille. Er bedauerte die Pharisäer und erzählte die Parabel vom ungerechten Haushalter. Die Pharisäer seien auch ungerechte Haushalter, aber nicht so klug wie dieser, und hätten darum keine Zuflucht am Tage der Verwerfung.

Nach dem Mahl gingen sie in einen andern Raum, wo die Lampen angesteckt waren und Jesus vorbetete und sie den Sabbat hielten. Nachher sprach Jesus noch mit den Männern und sie gingen zur Ruhe.

Als das Haus stille geworden und alles im Schlaf war, erhob sich Jesus von seinem Lager und ging, allen unbemerkt, in die Höhle am Ölberg, wo Er am Tag vor seinem bittern Leiden im Gebete gerungen. Er betete auch jetzt mehrere Stunden zu seinem himmlischen Vater um Stärke in seiner Arbeit. Vor Tagesanbruch kehrte Er unbemerkt wieder nach Bethanien zurück.

Die Söhne Obeds, die Tempeldiener waren, gingen nun mit anderen nach Jerusalem: die übrigen Gäste aber hielten sich still im Hause und niemand wusste von Jesu Anwesenheit.

Jesus erzählte heute während der Mahlzeit von seinem Aufenthalt bei den Leuten in Obergaliläa, Amead, Adama und Seleucia: und da die Männer aus Eifer heftig gegen die Sekten sprachen, verwies Er ihnen diese Härte und erzählte ihnen eine Parabel von einem Mann, der auf dem Weg nach Jericho unter die Räuber gefallen sei, und wie sich ein Samaritan seiner mehr erbarmt habe, als ein Levite. Ich habe immer dieselbe Parabel erzählen hören, aber immer neu auslegen. Er sprach auch vom Schicksal, das über Jerusalem kommen werde.

In der Nacht, da alles ruhte, ging Jesus wieder an den Ölberg in die Höhle um zu beten. Er vergoss viele Tränen und erlitt große Angst und Bangigkeit. Er war wie ein Sohn, der zu großen Werken auszieht und sich erst an die Brust seines Vaters wirft, Trost und Stärkung zu empfangen. Mein Führer sagte mir, dass, so oft Jesus in Bethanien gewesen, wenn Er nur irgend eine Stunde erübrigen konnte, Er immer des Nachts hierher zu beten gegangen sei. Es sei dies ein Vorarbeiten zu seiner letzten Angst am Ölberg gewesen. Mir wurde auch gezeigt, dass Jesus hauptsächlich hier am Ölberg betete und trauerte, weil Adam und Eva aus dem Paradies verstoßen hier am Ölberg zuerst die unwirtbare Erde betreten hätten. Ich sah sie in dieser Höhle trauern und beten, und dass Kain im Garten des Ölbergs zuerst pflanzend ergrimmte und sich entschloss, Abel zu töten. Ich dachte an Judas. Ich sah Kain seinen Brudermord in der Gegend des Kalvarienberges vollbringen, und ihn am Ölberg von Gott zur Rechenschaft gezogen werden. Jesus war mit Tagesgrauen schon wieder in Bethanien.

Als der Sabbat vorüber war, geschah nun das, weshalb Jesus hauptsächlich nach Bethanien gekommen war. Die heiligen Frauen nämlich hatten mit Betrübnis erfahren, welchen Mangel Jesus und seine Begleiter auf ihren Reisen zu leiden hatten und wie es Jesus besonders auf der letzten eiligen Reise nach Tyrus so übel gegangen, dass Er die harten Brotrinden, die Ihm Saturnin zusammenbettelte, in Wasser eingeweicht essen musste. Darum hatten sich die Frauen zur Errichtung von Herbergen und zur Ausstattung derselben mit allen Bedürfnissen erboten: und Jesus hatte ihr Anerbieten angenommen. Das hierzu Notwendige mit ihnen zu bereden, war Jesus jetzt hierher gekommen. Da Er nun erklärte, Er werde fortan an allen Orten öffentlich lehren, boten sich Lazarus und die Frauen nochmals zur Errichtung von Herbergen an, weil besonders die Juden in den Städten um Jerusalem, von den Pharisäern aufgewiegelt. Jesus und seinen Jüngern nichts verabreichten. Sie baten also den Herrn, ihnen die Hauptruhepunkte seiner Lehrreisen und die Zahl seiner Jünger zu bestimmen, um die Zahl der Herbergen und das Maß der Vorräte darnach zu berechnen.

Hierauf gab ihnen Jesus die Richtung und die Ruhepunkte seiner Lehrreisen und die Zahl der Jünger ungefähr an: und es wurden etwa fünfzehn einzurichtende Herbergen mit vertrauten, teils verwandten Pflegern zu besetzen bestimmt, und zwar durch das ganze Land, mit Ausnahme des Landstriches von Chabul gegen Tyrus und Sidon hin.

Die heiligen Frauen überlegten nun zusammen, welchen Bezirk und welche Art Vorsorge eine jede von ihnen zu übernehmen hätte, und so teilten sie die Einsetzung der Herbergspfleger, die Lieferung von Gerätschaften, Decken, Kleidern, Sohlen usw. und deren Reinigung und Ausbesserung, und die Besorgung von Broten und anderen Nahrungsmitteln untereinander. All dies geschah vor und während der Mahlzeit und Martha war recht an ihrer Stelle. Darnach aber sollte durch das Los die Verteilung der Unkosten unter ihnen stattfinden.

Nach der Mahlzeit waren Jesus, Lazarus, die Freunde und heiligen Frauen in einem großen Gewölbe heimlich versammelt. Jesus saß an der einen Seite des Raumes an erhöhter Stelle auf einem Sitz, die Männer standen und saßen um Ihn her: die Frauen saßen an der andern Seite des Saales auf Stufen, die mit Teppichen und Kissen belegt waren. Jesus lehrte von der Barmherzigkeit Gottes mit seinem Volke, wie Er einen Propheten nach dem andern gesandt habe, wie sie alle verkannt und misshandelt worden, und wie dies Volk die letzte Gnadenzeit auch verworfen und wie es Ihm ergehen würde. Als Er lange darüber gesprochen, sagten einige zu Ihm: «Herr, erzähle uns dieses in einer schönen Parabel», und Jesus erzählte wieder die Parabel von einem König, der seinen Sohn in den Weinberg sendete, nachdem alle seine Diener von untreuen Rebleuten erschlagen worden, und wie sie auch diesen erschlagen hätten.

Am Schluss dieser Lehre waren einige der Männer hinausgegangen, und Jesus ging mit andern im Saal wandelnd hin und wieder. Martha aber, welche von den Frauen ab- und zuging, nahte sich Ihm und sprach viel von ihrer Schwester Magdalena nach der Erzählung Veronikas von ihr mit großer Sorge.

Während Jesus mit den Männern im Saal auf und ab ging, saßen die Frauen und spielten eine Art Losspiel zum Besten ihrer Verpflegungsämter. Sie hatten eine Tafel auf Rollen zwischen sich auf dem erhöhten Sitzplatz. Diese Tafel war ein in fünf Ecken sternförmig auslaufender, etwa zwei Zoll hoher Kasten. Auf der oberen Fläche dieses inwendig hohlen und in verschiedene Fächer geteilten Kastens waren von den fünf Ecken zum Mittelpunkt hin fünf vertiefte Rinnen eingeschnitten und zwischen diese Rinnen verschiedene Löcher eingebohrt. welche in das Innere des Kastens führten. Jede der Frauen hatte lange aufgereihte Perlenschnüre und viele andere kleine Edelsteine bei sich, von welchen jede nach der Spielordnung eine Anzahl vermischt, dicht zusammen in eine der Rinnen einlegte: dann legte eine nach der andern eine kleine feine Büchse am Ende der Rinne hinter die letzte Perle derselben und schnellte durch einen Druck der Hand einen kleinen feinen Pfeil aus der Büchse gegen die nächstliegende Perle, wodurch die ganze Linie einen Stoss erhielt, so dass einzelne Perlen oder Steinchen aus der Reihe aussprangen, und entweder durch die Öffnungen ins Innere des Kastens fielen, oder auf andere Rinnen übersprangen. Wenn alle Perlen aus den Linien ausgeschossen waren, wurde die Tafel, welche auf kleinen Rollen stand, etwas hin und hergerüttelt, wodurch die ins Innere gefallenen Perlen und Steinchen in mehrere kleine Kästchen fielen, welche man am Rand der Tafel herausziehen konnte, und deren jedes seine besondere Besitzerin hatte. So zog dann jede der heiligen Frauen ein Kästchen heraus und sah, was sie für ihr Amt gewonnen, und von ihrem Geschmeide verloren hatte. Obeds Witwe hatte ihren Mann noch nicht lange verloren, sie trauerte noch, und ihr Mann war noch vor der Taufe mit Jesus bei Lazarus gewesen.

In diesem Spiel ging den heiligen Frauen eine sehr köstliche Perle verloren, welche zwischen ihnen niedergefallen war. Als sie alles wegräumten und mit großer Sorge nach der Perle suchten und sie endlich mit der größten Freude wieder fanden, trat Jesus zu ihnen und erzählte ihnen die Parabel von der verlorenen Drachme und der Freude des Wiederfindens, und bildete aus ihrer verlorenen und nach fleißigem Suchen mit Freude wiedergefundenen Perle ein neues Gleichnis auf Magdalena. Er nannte sie eine Perle köstlicher als viele, welche von der Lostafel der heiligen Liebe auf die Erde gefallen und verloren gegangen sei. Mit welcher Freude sprach Er, würdet ihr diese kostbare Perle wiederfinden! Da fragten die Frauen ganz bewegt: «Ach Herr, wird diese Perle wieder zu finden sein?» und Jesus sagte ihnen: fleißiger noch als die Frau in der Parabel nach der Drachme, und als der Hirt nach dem verlorenen Schäflein zu suchen! Auf diese Rede versprachen alle tiefgerührt, noch emsiger nach Magdalena, als nach der Perle zu suchen und sich weit mehr zu freuen, wenn sie dieselbe wiedergefunden. Einige der Frauen baten auch den Herrn, Er möge doch den Jüngling von Samaria unter seine Jünger aufnehmen, welcher Ihn nach Ostern in Samaria auf dem Wege darum angefleht. Sie sprachen auch von der großen Tugend und Wissenschaft dieses Jünglings, welcher wie ich glaube mit einer von ihnen verwandt war. Aber Jesus sagte ihnen: er wird schwerlich kommen, er ist blind nach einer Seite, und legte ihnen dies aus, dass er an den Gütern hänge.

Am Abend trafen mehrere der Männer und Frauen bereits Anstalt, nach Bethoron zu gehen, wo Jesus am folgenden Tag lehren wollte. Er war in der Nacht wieder heimlich am Ölberg und betete mit großer Anstrengung, worauf Er mit Lazarus und Saturnin gegen Bethoron wanderte, was wohl sechs Stunden entfernt ist. Es war dies eine Stunde nach Mitternacht. Sie durchschnitten auf ihrem Weg die Wüste, und da sie noch zwei Stunden etwa von Bethoron entfernt waren, kamen ihnen die dahin berufenen Jünger entgegen, welche schon tags zuvor in einer Herberge bei Bethoron angekommen waren. Es waren Petrus, Andreas und deren Halbbruder Jonathan, Jakobus Major, Johannes, Jakobus Minor und Judas Thaddäus, der zum ersten Mal mitkam, dann Philippus, Nathanael Chased, auch der Bräutigam von Kana und einer oder zwei von den Söhnen der Witwen. Jesus ruhte mit ihnen in der Wüste unter einem Baum eine Zeitlang und lehrte. Er sprach abermals über die Parabel vom Herrn des Weinberges, der seinen Sohn sendet. Dann gingen sie zu der Herberge, wo sie etwas genossen. Saturnin hatte Münzen in einem Beutel von den Frauen erhalten und für Speise gesorgt.

11. Jesus in Bethoron. Die Mühsale und Beschwerden der Jünger

Gegen acht Uhr morgens kamen sie nach Bethoron. Ein paar Jünger gingen in die Wohnung des Synagogenvorstehers und begehrten die Schlüssel, ihr Meister wolle lehren: andere verteilten sich in den Straßen und riefen die Leute zur Schule. Jesus ging mit den übrigen hinein, und sie war bald mit Menschen gefüllt. Er lehrte hier abermals sehr scharf über die Parabel vom Herrn des Weinberges, dessen Knechte von den untreuen Winzern erschlagen wurden, und der endlich seinen Sohn sendete, den sie auch ermordeten, und wie der Herr andern seinen Weinberg geben werde. Auch sprach Er von der Verfolgung der Propheten, von der Gefangennahme des Johannes, und wie man auch Ihn verfolgen und Hand an Ihn legen werde, und von dem Gericht und Weh über Jerusalem. Seine Reden verursachten ein großes Aufsehen unter den Juden. Einige freuten sich, andere ergrimmten und murrten: «wo kommt Dieser plötzlich wieder her? man hat gar nichts von seiner Ankunft gehört!» Einige aber, die vernommen hatten, dass in der Talherberge sich Frauen befänden, die zu Jesus gehörten, gingen hinaus, diese über seine Absichten zu befragen.

Er heilte noch mehrere Fieberkranke und verließ nach einigen Stunden die Stadt.

In der Herberge waren Veronika, Johanna Chusa und Obeds Witwe angekommen und hatten einen Imbiss bereitet. Jesus und die Jünger aßen und tranken stehend, schürzten sich und zogen weiter. Er lehrte an diesem Tag noch in Kibzaim auf ähnliche Weise und in einzelnen kleinen Hirtenflecken. In Kibzaim waren nicht alle Jünger beisammen: aber sie sammelten sich wieder in einem geräumigen mit Nebengebäuden versehenen Hirtenhaus in den Grenzen von Samaria, wo Maria und Joseph auf der Reise nach Bethlehem aufgenommen worden waren, nachdem sie bei andern vergebens um Aufnahme gebeten hatten. Hier aßen und schliefen sie. Es waren ihrer etwa noch fünfzehn. Lazarus und die Frauen waren nach Bethanien zurückgegangen.

Am folgenden Tag zogen Jesus und die Jünger bald vereint, bald zerstreut in großer Eile durch mehrere größere und kleinere Orte, welche im Umkreis von einigen Stunden lagen, so durch Gabaa und Najoth, das etwa vier Stunden von Kibzaim entfernt sein mag. In allen diesen Orten ließ Jesus sich nicht die Zeit, in einer Synagoge zu lehren: Er lehrte auf Hügeln im Freien, auf öffentlichen Plätzen und in den Straßen der Orte, wo die Menge sich versammelte. Die Jünger zogen einzeln durch die Täler und kleinen Orte zu den zerstreuten Hirtenhäusern voraus und riefen die Leute zu den Orten hin, wo Jesus auftrat: mehrere jedoch waren um Ihn. Das ganze Tagwerk ging mit unglaublicher Mühseligkeit und Anstrengung von Ort zu Ort. Jesus heilte dabei viele Kranke, welche an die Orte hergebracht wurden und Ihn anriefen. Es waren Mondsüchtige darunter. Viele Besessene liefen Ihm schreiend nach, und Er gebot ihnen, zu schweigen und auszuweichen.

Was dieses Tagewerk noch beschwerlicher machte, das war die teilweise üble Gesinnung der Leute und der Hohn der Pharisäer. Diese Orte, Jerusalem nahe, waren voll von Leuten, welche gegen Jesus Partei genommen hatten. Es war hier wie heutzutage in den kleinen Orten, die alles nachschwätzen und nichts ergründen. Dazu kam die plötzliche Erscheinung Jesu mit so vielen Jüngern und seine sehr ernste und drohende Lehre: denn überall lehrte Er, wie zu Bethoron und sprach von der letzten Gnadenzeit und dann komme die Gerechtigkeit. Er lehrte immer von der Misshandlung der Propheten, von der Gefangennahme Johannes und von der Verfolgung gegen ihn selbst. Er stellte überall die Parabel vom Herrn des Weinberges auf und wie Er nun seinen Sohn gesandt habe, wie das Reich komme und der Sohn des Königs es in Besitz nehmen solle. Dabei rief Er oft Weh über Jerusalem und jene aus, welche sein Reich nicht annehmen und Buße tun würden. Diese strengen, drohenden Reden waren durch viele Handlungen der Liebe und durch Heilungen unterbrochen, und so ging es von Ort zu Ort.

Die Jünger hatten vieles auszustehen, was für sie oft sehr hart war. Wo sie hinkamen und Jesus ankündigten, hörten sie höhnische Reden: «Nun kommt Der auch wieder! Was will Er? Wo kommt Er her? Ist es Ihm nicht verboten?» Auch lachte man ihrer, rief ihnen nach und verspottete sie. Manche aber freuten sich: doch waren deren nicht sehr viele. Jesus selbst wagte keiner anzureden. Aber da, wo Er lehrte und wo die Jünger in der Nähe umher standen, oder Ihm durch die Straßen folgten, wendeten sich alle Schreier an sie, hielten sie an und fragten sie. Sie hatten seine strengen Worte halb oder falsch verstanden, und wollten eine Erklärung haben: dazwischen erschallte dann wieder Freudengeschrei. Jesus hatte Leute geheilt und das ärgerte sie, und sie zogen sich zurück. So ging es bis zum Abend unter beschwerlichem eilendem Wandern, ohne Erquickung und Labung.

Ich bemerkte, wie schwach und menschlich die Jünger anfänglich noch waren: wie oft sie, wenn Jesus so lehrte, und sie gefragt wurden, die Köpfe zusammensteckten und nicht begriffen, was Er eigentlich vorhabe. Sie waren nicht zufrieden mit ihrer Lage. Sie dachten einzeln: «nun haben wir alles im Stich gelassen und kommen jetzt in diese Verwirrung und den Lärm! Was ist das für ein Reich, wovon Er spricht? Wird Er es auch wirklich erringen?» So dachten sie, aber verbargen es in sich: nur ließen sie oft ihre Verlegenheiten sich anmerken. Johannes allein ging mit wie ein Kind, ganz gehorsam und unbefangen. Und doch hatten sie schon so viele Wunder gesehen und sahen sie immer!

Ungemein rührend war es, wie Jesus alle diese ihre Gedanken wusste und unbekümmert darum gar nicht dergleichen tat, keine Miene veränderte, immer ruhig und liebevoll und ernsthaft das Seinige forttat.

Jesus wanderte an diesem Tag noch bis in die Nacht, da sie diesseits eines Flüsschens, das die Grenze von Samaria macht, bei einigen Hirten übernachteten, wo sie wenig oder nichts erhielten. Das Wasser des Flüsschens war nicht zum trinken: es war schmal und hatte hier nicht weit von seinem Ursprung am Fuß des Garizim einen schnellen Lauf gegen Abend zu.

12. Jesus am Brunnen Jakobs bei Sichar. Dina die Samariterin

Am folgenden Tag ging Jesus über das Flüsschen und den Berg Garizim zur Rechten lassend gegen Sichar. Nur Andreas, Jakobus Major und Saturnin blieben bei Ihm, die übrigen gingen nach andern Richtungen. Jesus ging zu dem Brunnen Jakobs, der nördlich vom Berge Garizim und südlich vom Berge Ebal im Erbe Josephs auf einem kleinen Hügel ist, von welchem eine Viertelstunde westlich Sichar in einem Tal liegt, das sich wohl noch eine Stunde längs der Stadt westlich hinzieht. Von Sichar etwa zwei starke Stunden nördlich liegt Samaria auf einem Berg.

Mehrere tief eingeschnittene Wege winden sich von verschiedenen Seiten den kleinen Hügel hinauf zu dem von Bäumen und Rasensitzen umgebenen achteckigen Gebäude, welches den Brunnen Jakobs umschließt. Dies Brunnenhaus ist rings mit einer offenen Bogenstellung umgeben, unter welcher etwa zwanzig Menschen rings stehen können. Gerade dem Weg von Sichar gegenüber führt unter dieser offenen Halle eine gewöhnlich verschlossene Tür in das innere Brunnenhaus, dessen Dach oben eine Öffnung hatte, die manchmal mit einer Kuppe gedeckt wurde. Das Innere des Häuschens hat so viel Raum, dass man zwischen dem sitzhohen Steinrand des tiefen Brunnens und den Wänden bequem herumgehen kann. Der Brunnen ist mit einem hölzernen Deckel verschlossen: ist dieser geöffnet, so sieht man eine schwere Walze gerade vom Eingang zur entgegengesetzten Seite hin quer über dem Brunnenrand liegen, an welcher der darin hängende Schöpfeimer vermittelst einer Kurbel schwer aufgewunden wird. Der Tür gegenüber befindet sich eine Pumpe, durch welche man Wasser auf die Höhe der Mauer des Brunnenhauses pumpen kann, welches an der Morgen-, Mittags- und Abendseite des Hauses nach außen unter der umgebenden Halle in drei dort in dem Boden angebrachte kleine Becken fließt, teils zum Fußwaschen und Reinigen der Reisenden, teils zum Tränken der Tiere.

Es war gegen Mittag, als Jesus mit den drei Jüngern zu dem Hügel kam. Er sendete sie nach Sichar, Speise zu holen: denn es hungerte Ihn. Er selbst ging allein den Hügel hinauf, sie zu erwarten. Es war ein heißer Tag, Jesus war sehr müde und dürstete. Er setzte sich eine Strecke vom Brunnen an den Rand des Weges, der von Sichar hinauf führte und schien den Kopf auf die Hand stützend auf jemand zu harren, der den Brunnen öffne und Ihm zu trinken gebe. Ich sah aber eine samaritische Frau von etwa dreißig Jahren, den Schlauch am Arm hängend, von Sichar aus den Hügel herauf steigen, um Wasser zu holen. Sie war schön und ich sah, wie rasch und kräftig mit großen Schritten sie den Hügel herauf ging. Ihr Anzug war vornehmer als gewöhnlich und schien etwas gewählt. Ihr blau und rot gestreiftes Kleid war mit großen gelben Blumen durchwirkt, die Ärmel in der Mitte des Ober- und Unterarmes mit gelben Armringen angeschlossen, schienen kraus um die Ellbogen. Sie trug einen weißen Brustlatz mit gelblichen Schnüren verziert. Den Hals hatte sie ganz mit einem wollgelben Kragen bedeckt, der dicht mit Perlen und Korallenschnüren behängt war. Ihr Schleier von einem feinen, reichen Wollengewebe hing lang über ihren Rücken nieder, und sie konnte diese hintere Seite mit einer Strippe zusammenziehen und um die Mitte des Leibes festbinden. So zusammengezogen endete der Schleier hinten mit einem Zipfel und bildete an den Seiten des Leibes zwei Falten, in welchen die Arme bequem mit den Ellbogen ruhen konnten. Fasste sie die beiden Seiten des Schleiers vor der Brust zusammen, so war der ganze Oberleib wie mit einem Mäntelchen verhüllt. Der Kopf der Frau war mit Binden umwunden, man sah keine Haare: vor der Stirne ragte an diesem Kopfputz wie ein Türmchen ein Hacken hervor, hinter welchem der vordere Teil des Schleiers aufgeschürzt ruhte, der über das Gesicht herabgelassen, bis zur Brust reichte.

Die Frau hatte ihre bräunliche, grobe, ziegen- oder kamelhaarne Schürze, worin oben Taschen waren, über den rechten Arm geworfen, so dass sie den ledernen Schlauch etwas bedeckte, welchen sie an diesem Arm hängen hatte. Diese Schürze schien eine gewöhnliche Arbeitsschürze beim Wasserschöpfen zu sein, um die Kleider nicht durch den Eimer oder Schlauch zu verderben.

Der Schlauch war von Leder, wie ein Sack ohne Naht: an zwei Seiten war er etwas ausgewölbt, als sei er mit gebogenen festen Holzflächen gefüttert: die andern zwei Seiten legten sich, wenn er leer war in Falten, wie die Falten einer Brieftasche zusammen. An den beiden festen Seiten waren mit Leder überzogene Handhaben befestigt, durch welche ein lederner Riemen gezogen war, an welchem die Frau den Schlauch an dem Arm trug. Die Mündung des Schlauches war enger und ließ sich zum Eingießen trichterartig auseinandertun und wieder schließen, wie man die Arbeitstaschen schließt. Leer hing der Schlauch platt an der Seite nieder, gefüllt rundete er sich und fasste so viel wie ein gewöhnlicher Wassereimer.

So sah ich die Frau rüstig den Hügel hinanschreiten, wo sie das Wasser am Brunnen Jakobs für sich und andere holte. Ich habe sie gar lieb, sie ist so gutmütig, so geistreich und freimütig. Sie heißt Dina (im Römischen Martyrologium heißt sie Photina), ist das Kind einer gemischten Ehe, und von samaritischer Sekte. Sie lebt in Sichar, wo sie eigentlich nicht gebürtig ist, ihren Verhältnissen nach unbekannt unter dem Namen Salome: aber man mag sie und den Mann wegen ihres offenen, freundlichen, dienstfertigen Wesens in dem Ort gar wohl leiden.

Wegen der Windungen des Pfades konnte Dina den Herrn nicht eher sehen, als bis sie vor Ihm stand. Sein Anblick, wie Er da so einsam dürstend am Weg zum Brunnen saß, hatte etwas ungemein Überraschendes. Er war mit einem langen weißen Rock, von feiner weißer Wolle, mit breitem Gürtel. wie mit einer Albe bekleidet. Es war ein Prophetenrock, den Ihm die Jünger gewöhnlich nachtrugen. Er legte ihn an, wenn Er bei öffentlichen Gelegenheiten lehrte oder prophetisch wirkte.

Dina, plötzlich aus dem Weg hervor Jesus entgegentretend, stutzte bei seinem Anblick, ließ den Schleier vor ihrem Angesicht nieder und zögerte, vorüberzugehen: denn der Herr saß dicht am Weg. Ich sah nach ihrer Gemütsart in ihrem Innern den flüchtigen Gedanken aufblitzen: ein Mann! Was will er hier? Ist dies eine Versuchung? Jesus, den sie als einen Juden erkannte, sah sie leuchtend und freundlich an, und indem Er die Füße zurückzog, weil der Weg hier sehr eng war, sagte Er zu ihr: «Gehe vorüber und gib mir zu trinken!»

Das rührte die Frau, weil die Juden und Samariter gegenseitig nur Blicke des Abscheues voneinander gewohnt waren, und sie verweilte noch und sprach: «Warum bist Du hier so allein zu dieser Stunde? Wenn man mich hier mit Dir erblicken würde, gäbe es ein Ärgernis. Da erwiderte Jesus, seine Gefährten seien in der Stadt. um Speisen zu holen, und Dina sprach: «Ja, die drei Männer, denen ich begegnete! Aber sie werden um diese Stunde wenig erhalten. Was die Sichemiten heute bereitet haben, brauchen sie für sich selbst.» Sie sprach, als sei ein Fest oder Fasttag heute in Sichar, und nannte einen andern Ort, wohin sie hätten nach Speise gehen sollen.

Jesus sagte ihr abermals: «Geh vorüber und gib mir zu trinken!» Da ging Dina an Ihm vorüber, der sich erhob und ihr zum Brunnen folgte, den sie aufschloss. Hierher wandelnd sprach sie: «Wie kannst Du als ein Jude von einer Samariterin zu trinken begehren?» Und Jesus antwortete ihr: «Kenntest du die Gabe Gottes und wüsstest du, wer Der ist, der von dir zu trinken begehrt, so hättest du Ihn selbst gebeten, und Er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.»

Da schloss Dina die Decke des Brunnens und den Eimer los und sprach zu Jesus, der sich auf den Rand des Brunnens setzte: «Herr, Du hast ja kein Schöpfgefäß, und die Quelle des Brunnens liegt sehr tief, woher hast Du denn das lebendige Wasser? Bist Du denn noch größer, als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gab und selbst daraus trank mit seinen Kindern und mit seinem Vieh?» Als sie dieses sagte, sah ich ein Bild, wie Jakob diesen Brunnen grub und wie das Wasser ihm entgegen quoll. Die Frau verstand aber Jesu Rede vom Quellwasser: und unter diesen Reden ließ sie den Eimer an der Walze, die schwer ging, nieder und zog ihn auf, und ich sah, dass sie ihre Ärmel mit den Armspangen in die Höhe schob, so dass sich das Zeug oben bauschte, und wie sie mit bloßem Arme ihren Schlauch aus dem Eimer füllte und eine kleine, aus Bast gewundene Tüte mit Wasser gefüllt Jesu reichte, welcher auf dem Rande des Brunnens sitzend trank und zu ihr sprach: «Wer von diesem Wasser trinkt, den dürstet bald wieder: wer aber von dem lebendigen Wasser, das Ich ihm geben werde, trinken wird, der wird in alle Ewigkeit nicht mehr dürsten! Ja, das Wasser, das Ich ihm gebe, wird in ihm eine Quelle werden, die sich bis ins ewige Leben erhebt.»

Dina sprach freudig zu Jesus: «Herr. gib mir solches lebendiges Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr so mühselig hier Wasser schöpfen muss!» Aber sie war doch durch seine Worte vom lebendigen Wasser gerührt und ahnte, ohne sich dessen ganz bewusst zu sein, Jesus verstehe unter dem lebendigen Wasser die Erfüllung der Verheißung. So sprach sie dann die Bitte um das lebendige Wasser in einer prophetischen Bewegung ihres Herzens aus. Ich habe immer gefühlt und erkannt, dass die Personen, mit welchen der Erlöser etwas zu tun hatte, nicht bloß nur einzelne Menschen waren: sie waren immer zugleich ein vollkommenes Bild einer ganzen Gattung von Menschen. Dass sie dies aber waren, das war die Fülle der Zeit: und so stand eigentlich in Dina der Samariterin die ganze samaritische, vom wahren Glauben Israels, vom Brunnen der lebendigen Wasser getrennte Sekte vor dem Erlöser.

Jesus dürstete am Brunnen Jakobs nach den erwählten Seelen Samarias, um sie mit den lebendigen Wassern zu erquicken, von welchen sie sich losgetrennt hatten. Und es war hier der noch rettungsfähige Teil der abtrünnigen Sekte von Samaria, welcher nach diesem lebendigen Wasser dürstete und gewissermaßen die offene Hand hinreichte, es zu empfangen. Samaria sprach aus Dina: «Gib mir, o Herr, den Segen der Verheißung, lösche mein langes Dürsten, hilf mir zu dem lebendigen Wasser, damit ich mehr Trost empfange, als nur aus diesem zeitlichen Brunnen Jakobs, durch welchen wir allein noch mit den Juden Gemeinschaft haben.»

Als Dina so gesprochen hatte, sagte Jesus zu ihr: «Gehe nach Hause, rufe deinen Mann und kehre wieder !» Und ich hörte, dass Er ihr dieses zweimal sagte, indem Er nicht hier sei, sie allein zu unterrichten. Hiermit aber sprach der Erlöser zur Sekte: «Samaria, rufe mir den herbei, dem du angehörst, den, der im geheiligten Bunde rechtmäßig dir verbunden ist.» Dina erwiderte dem Herrn: «Ich habe keinen Mann!»

Samaria gestand dem Bräutigam der Seelen, sie habe keinen Bund, niemanden gehöre sie an. Jesus versetzte: «Du sagst recht, denn fünf Männer hast du gehabt und der, mit dem du jetzt lebst, ist nicht dein Mann: das hast du wahr gesagt.» Mit diesen Worten sagte der Messias zur Sekte: «Samaria, du sprichst die Wahrheit. Mit den Götzen von fünf Völkern warst du vermählt, deine jetzige Verbindung mit Gott ist kein ehelicher Bund.» (Diese Worte Jesu deuteten auf fünf verschiedene heidnische Völkerschaften, die der König von Assyrien mit ihrem Götzendienst nach Samaria versetzt hatte, [2 Kön 17, 24] da der größte Tell des Volkes in die babylonische Gefangenschaft geführt worden war. Was von dem ursprünglichen Volk Gottes in Samaria übrig gewesen hatte sich mit diesen Heiden und ihrer Abgötterei vermischt.) Hier erwierderte Dina, die Augen niederschlagend und das Haupt beugend: «Herr, ich sehe, dass Du ein Prophet bist», und sie senkte ihren Schleier wieder. Es erkannte die samaritische Sekte die göttliche Sendung des Herrn und gestand sich schuldig.

Ganz als verstehe Dina den prophetischen Sinn der Worte Jesu: «und der, mit dem du jetzt lebst, ist nicht dein Mann», nämlich deine jetzige Verbindung mit dem wahren Gott ist unrechtmäßig, außergesetzlich, der Gottesdienst der Samariter ist durch Sünde und Eigenmacht getrennt von dem Bunde Gottes mit Jakob, ganz als fühle sie die Bedeutung dieser Worte, deutete sie gegen Süden auf den nahe liegenden Tempel auf dem Berge Garizim und sprach Belehrung suchen: «Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet und ihr sagt, zu Jerusalem sei der Ort, wo man anbeten müsse.» Da belehrte sie Jesus mit den Worten: «Frau! Glaube Mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf dem Garizim noch in Jerusalem den Vater anbetet.» Damit sprach Jesus: «Samaria, die Stunde kommt, wo nicht hier, noch im Tempel Gott in dem Heiligtum angebetet wird, weil Er unter euch wandelt» und weiter fuhr Er fort: «Ihr wisst nicht, was ihr anbetet, aber wir wissen, was wir anbeten, denn das Heil kommt von den Juden.» Hierbei sagte Er ihr ein Gleichnis von wilden unfruchtbaren Nebenschösslingen der Bäume, welche ins Holz und Laub schössen und keine Frucht brächten. Hiermit hatte der Heiland zu der Sekte gesprochen: «Samaria, du hast keine Sicherheit der Anbetung, du hast keinen Bund, kein Sakrament, kein Pfand des Bundes, keine Bundeslade, keine Frucht: all dies, die Verheißung und Erfüllung haben die Juden, aus ihnen wird der Messias geboren.»

Und weiter sprach Jesus: «Aber es kommt die Stunde, und sie ist schon da, wo die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Denn auch der Vater will solche Anbeter. Gott ist ein Geist und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.» Hiermit sprach der Erlöser: «Samaria, die Stunde kommt, ja sie ist schon da, wo der Vater von den rechten Anbetern in dem Heiligen Geist und in dem Sohn, welcher der Weg und die Wahrheit ist, angebetet werden muss.» Dina aber erwiderte Jesus: «Ich weiß, dass der Messias kommt. Wenn Er nun kommen wird, so wird Er uns alles eröffnen.» In diesen Worten sprach der Teil der samaritischen Sekte, welchem ein Anspruch an die Verheißung zustehen konnte, hier am Brunnen Jakobs: «Ich hoffe und glaube die Ankunft des Messias, Er wird uns helfen.» Jesus erwiderte ihr: «Ich bin es, Ich, der mit dir redet.»

Und dies war eben so viel, als hätte Er zu allen aus Samaria, welche sich bekehren wollten, gesagt: «Samaria! Ich kam zum Brunnen Jakobs und dürstete nach dir, du Wasser aus diesem Brunnen! Und da du Mich tränktest, verhieß Ich dir lebendiges Wasser, das nimmer dürsten lässt: und du gestandest Mir glaubend und hoffend deine Sehnsucht nach diesem Wasser. Sieh', Ich lohne dir, denn du hast meinen Durst nach dir durch dein Verlangen nach Mir gestillt. Samaria, Ich bin der Quell des lebendigen Wassers, Ich bin der Messias, der mit dir redet.»

Als Jesus gesagt: Ich bin es, der mit dir redet, blickte Ihn Dina staunend und von heiliger Freude zitternd an: plötzlich aber raffte sie sich auf, ließ ihren Wasserschlauch stehen, ließ den Brunnen offen und eilte den Hügel hinab nach Sichar, ihrem Mann und allen zu verkünden, was ihr geschehen. Es war strenge verboten, den Brunnen Jakobs offen stehen zu lassen. Aber was kümmerte sie noch der Brunnen Jakobs: was kümmerte sie ihr Eimer voll irdischen Wassers! Sie hatte lebendiges Wasser empfangen und ihr liebevolles freudiges Herz verlangte alle damit zu erquicken. Indem sie aber aus dem offen stehenden Brunnenhaus eilte, lief sie an den drei Jüngern vorüber, welche Speise gebracht hatten und schon eine zeitlang in kleiner Entfernung vor der Tür des Brunnenhauses befremdet standen, was nur ihr Meister so lange mit einer samaritischen Frau zu reden haben könne. Sie fragten Ihn aber nicht aus Ehrerbietung. Dina aber lief hinab nach Sichar und sagte ihrem Mann und anderen Leuten auf der Straße mit großem Eifer: «Kommet hinauf zum Brunnen Jakobs, da werdet ihr einen Mann sehen, der hat mir alles geheime Tun meines Lebens gesagt. Kommet. Er ist wohl der Christus!»

Währenddessen traten die drei Apostel zu Jesus an den Brunnen und boten Ihm kleine Brote und Honig aus ihrem Korb an, und sprachen: «Meister esse!» Jesus stand auf, verließ den Brunnen und sprach: «Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt.» Die Jünger aber sprachen untereinander: «Hat Ihm jemand zu essen gebracht?» Und dachten wohl heimlich gar, hat Ihm die samaritische Frau zu essen gebracht? Jesus wollte nicht verweilen, um hier noch erst zu essen, sondern Er ging den Hügel gegen Sichar hinab und während die Jünger hinter Ihm herwandelnd aßen, sprach Er zu ihnen: «Meine Speise ist, den Willen Dessen zu tun, der Mich gesandt hat, dass Ich sein Werk vollbringe.» Er meinte damit, dass Er die Leute in Sichar bekehre, nach deren Heil seine Seele hungere. Er sprach noch mehreres hiervon mit ihnen.

In der Nähe der Stadt kam Dina, die Samariterin, schon wieder Jesus entgegengeeilt. Sie gesellte sich ganz demütig, aber voll Freude und Offenheit zu Ihm, und Jesus sprach bald still stehend, bald sachte wandelnd noch vieles mit ihr. Er enthüllte all ihr Treiben von je und ihre ganze Gesinnung. Sie war sehr gerührt und versprach für sich und ihren Mann, alles zu verlassen und Jesus zu folgen, der ihr mancherlei Wege anzeigte, ihre persönlichen Verschuldungen zu büßen und zu tilgen.

Dina war eine geistreiche Frau von Stand aus gemischter Ehe, einer jüdischen Mutter und einem heidnischen Vater, auf einem Landsitz bei Damaskus geboren. Sie verlor ihre Eltern früh und wurde von einer ausschweifenden Amme genährt, wodurch sie böse Leidenschaften einsog. Fünf Männer hatte sie hintereinander gehabt: sie wurden teils durch Kummer, teils durch ihre Liebhaber hinweggeräumt. Sie hatte drei Töchter und zwei schon ziemlich erwachsene Söhne, die bei den Verwandten ihrer Väter zurückgeblieben waren, als sie selbst Damaskus verlassen musste.

Die Söhne kamen später zu den 72 Jüngern. Der Mann, mit dem sie jetzt lebte, war ein Verwandter eines ihrer früheren Männer, ein reicher Kaufmann. Sie zog, weil sie samaritischer Religion war, mit ihm nach Sichar, führte ihm den Haushalt und lebte unehelich mit ihm. In Sichar hielt man sie für Eheleute. Er war ein starker Mann, von etwa 36 Jahren mit rotem Angesicht und rötlichem Bart. Dina hatte manches gleich Magdalena in ihrem Leben, aber sie war noch tiefer gesunken: doch sah ich auch einmal, dass im Anfang von Magdalenas bösem Leben in Magdalum einer ihrer Liebhaber durch einen zweiten ums Leben kam. Dina war eine ungemein geistreiche, freimütige, leicht hingegebene, anmutige Frau von großer Lebendigkeit und Raschheit, aber immer in ihrem Gewissen gedrückt. Sie lebte jetzt ehrbarer, nämlich mit diesem ihrem angeblichen Mann allein in einem abgesonderten, mit einem Wassergraben umgebenen Haus nahe am Brunnentor in Sichar, wo man, ohne sie zu verachten, doch nicht viel mit ihr umging, weil sie abweichende Sitten hatte und etwas verschieden und gezierter gekleidet ging, was man ihr jedoch als einer Fremden zugut hielt.

Während Jesus mit der Frau sprach, folgten Ihm die Jünger immer in einiger Entfernung mit dem Gedanken was Er nur mit der Frau zu reden habe? «Wir haben die Speise mit solcher Mühe gekauft, warum isst Er nun nicht?»

In der Nähe von Sichar aber verließ Dina den Herrn und eilte voraus, ihrem Mann und vielen andern Leuten entgegen, die neugierig aus dem Tor heraus strömten, Jesus zu sehen. Und da Jesus nahte, stand Dina an der Spitze und zeigte ihnen den Herrn. Die Leute voll Freude jubelten und jauchzten Ihm Willkommen zu. Jesus aber winkte ihnen stillstehend mit der Hand, zu schweigen, redete einige Minuten freundlich zu ihnen und sagte ihnen unter anderem: sie sollten ja alles glauben, was die Frau ihnen gesagt habe. Er war auch in dieser Rede so wunderbar freundlich und sein Blick war so leuchtend und eindringend, dass alle Herzen erschüttert und zu Ihm hingerissen wurden. Dringend baten sie Jesus, doch auch in ihre Stadt zu kommen und zu lehren. Er versprach es ihnen, ging aber jetzt vorüber. Dieses geschah etwa zwischen drei und vier Uhr nachmittags.

Indem Er so mit den Samaritern vor dem Tor sprach, kamen alle die übrigen Jünger, worunter auch Petrus, die morgens nach anderer Richtung etwas zu bestellen gegangen waren, wieder zu Ihm. Auch sie waren erstaunt und nicht recht zufrieden, dass Er so lange mit den Samaritern sprach. Sie fühlten sich teils verlegen deswegen: denn sie waren in dem Vorurteil, gar nicht mit diesem Volk zu verkehren, aufgewachsen, und daher dergleichen ganz ungewohnt. Sie fühlten sich versucht Ärgernis zu nehmen. Sie gedachten an die Mühseligkeiten des gestrigen und vorgestrigen Tages, an allen Hohn und Beschimpfung, an allen bittern Mangel, den sie ertragen: und doch hatten sie erfahren, dass die Frauen in Bethanien so vieles hergeschossen und hatten es sich leichter erwartet. Nun sahen sie den Verkehr mit den Samaritern und meinten stille, auf diese Weise sei es freilich kein Wunder, dass man Ihn nicht besser aufnähme. Sie hatten auch immer wunderliche, irdische Gedanken von dem Reich im Kopf, das Jesus gründen werde, und dachten, wenn dies alles in Galiläa bekannt würde, so würde man sie vielleicht verhöhnen.

Petrus hatte in Samaria viel mit dem Jüngling gesprochen, der aufgenommen werden wollte, der sich aber noch immer besann: er sprach mit Jesus davon.

Jesus ging nun mit ihnen allen etwa eine halbe Stunde um die Stadt nordöstlich und sie ruhten dort unter den Bäumen. Auf diesem Weg und hier sprach der Herr mit ihnen von der Ernte. Er sagte: es sei ein Sprichwort das auch sie oft im Munde führten: «Es ist noch vier Monate und dann kommt die Ernte. Die Faulen wollten immer alle Arbeit weit hinausschieben, aber sie sollten nur sehen, alle Felder stünden weiß zur Ernte.» Damit meinte Er die Samaritern und die andern, welche zur Bekehrung reif seien. «Sie, die Jünger, seien zur Ernte berufen, aber sie hätten nicht gesät, andere hätten gesät, nämlich die Propheten und Johannes und Er selbst. Wer erntet, empfängt Lohn und sammelt die Früchte für das ewige Leben, so dass der Sämann und die Schnitter sich zusammen freuen: denn hier ist das Sprichwort wahr, ein anderer sät ein anderer erntet. Ich habe euch gesandt, das, was ihr nicht gebaut habt einzuernten, andere haben es gebaut ihr seid in die Arbeit eingetreten.» - Solches sprach Er mit den Jüngern, um ihnen Mut zu der Arbeit zu machen. Sie ruhten aber nur eine kurze Weile und trennten sich hierauf: mit Jesus blieben nur Andreas, Philippus, Saturnin und Johannes, die anderen gingen zwischen Thebez und Samaria gegen Galiläa zu.

Jesus ging aber nun, Sichar zur Rechten lassend, etwa eine Stunde südöstlich mit den Jüngern nach einem Feld, wo an zwanzig zerstreute Hirtenhäuser und Zelte standen. Hier in einem der größeren Häuser erwarteten Ihn die heilige Jungfrau und Maria Kleophä, dann die Frau Jakobs des Größeren und zwei der Witwen. Sie waren schon den ganzen Tag hier gewesen, hatten Speise mitgebracht und auch kleine Balsamflaschen. Sie bereiteten ein Mahl. Jesus reichte seiner Mutter bei dem Empfang beide Hände: sie neigte das Haupt vor Ihm, die Frauen grüßten, sich beugend und die Hände vor der Brust kreuzend. Es war vor dem Hause ein Baum, unter welchem die Mahlzeit eingenommen wurde.

Unter den hier umher wohnenden Hirten waren auch die Eltern der Jünglinge, welche Jesus nach Lazarus Erweckung auf der Reise nach Arabien und Ägypten mit sich nahm. Diese Leute hatten den Zug der heiligen drei Könige nach Bethlehem begleitet waren bei deren schneller Rückkehr hier im Lande zurückgeblieben und hatten sich mit Hirtentöchtern aus den Tälern bei Bethlehem verheiratet. Es zogen sich solche Hirtenansiedlungen durch die verschlungenen Täler von hier bis nach Bethlehem zu. Die Leute, welche hier wohnten, bauten auch das Feld auf dem Erbe Josephs, sie hatten es von den Sichemiten gepachtet. Es waren ihrer viele hier versammelt: sie waren keine Samariter.

Das Erste, was hier geschah, war, dass die heilige Jungfrau Jesus bat, Er möge doch einen lahmen Knaben heilen, welchen benachbarte Hirten hierher gebracht hatten. Sie hatten schon früher Maria um ihre Fürbitte gebeten. Es geschah dies sehr oft und war gar rührend, wenn sie Jesus bat. Jesus ließ den Knaben herbeitragen: die Eltern brachten ihn auf einem Tragebettchen vor das Haus, er war ungefähr neun Jahre alt. Jesus ermahnte die Eltern, und als sie etwas schüchtern erwartend zurücktraten, standen die Jünger bei Jesus. Er redete den Knaben an und beugte sich einwenig über ihn, dann nahm Er ihn bei der Hand und hob ihn empor: und er stieg von dem Tragbett herab, konnte wandeln und lief in die Arme seiner Eltern, die sich dann mit ihm vor Jesus niederwarfen. Alle Leute umher jubelten: Jesus ermahnte sie aber, dem himmlischen Vater zu danken. Er lehrte auch noch eine kleine Weile die versammelten Hirten und nahm dann mit den Jüngern eine kleine Mahlzeit ein, welche die Frauen in einer Laube vor dem Haus bei einem großen Baum zugerichtet hatten. Maria und die Frauen saßen abgesondert am Ende des Tisches. Ich glaube, dass dieses Haus vielleicht eine Herberge werden wird, welche von Seite der Frauen von Kapharnaum aus eingerichtet und bedient wird.

Es nahten sich nun schüchtern mehrere Leute aus Sichar und unter ihnen Dina, die Frau vom Brunnen. Sie wagten nicht gleich heranzukommen, weil sie nicht gewohnt waren, mit diesen jüdischen Hirten zu verkehren. Dina aber nahte zuerst und ich sah, dass sie mit den Frauen und der heiligen Jungfrau sprach, und dass nach der Mahlzeit Jesus mit den Jüngern von den heiligen Frauen Abschied nahm, welche sich gleich zur Rückreise nach Galiläa, wohin Jesus übermorgen abgeht, anschickten.

Jesus zog nun mit Dina und den andern Samaritern nach Sichar. Diese Stadt ist nicht sehr groß, hat aber breite Straßen und große Plätze. Das samaritische Bethaus ist geschmückter und reicher gebaut von außen, als die Synagoge an kleinen jüdischen Orten. Die Frauen in Sichar sind nicht so zurückgezogen, wie die Jüdinnen: sie verkehren mehr mit den Männern. Als Jesus nach Sichar kam, umgab Ihn gleich eine große Volksmenge. Er ging nicht in ihre Synagoge, Er lehrte durchwandelnd hie und da auf den Straßen und auf dem Platz, wo ein Redestuhl stand. Überall war der Zusammenlauf der Menschen sehr groß: sie waren voll der Freude, dass der Messias zu ihnen gekommen sei.

Dina, wenn gleich sehr gerührt und in sich gekehrt, ist doch unter den Frauen Ihm am nächsten stehend. Man achtet sie jetzt besonders, weil sie Jesus zuerst gefunden. Sie sandte auch ihren Mann, mit dem sie lebte, zu Jesus, der wenige ermahnende Worte zu ihm sprach. Der Mann stand ganz verschüchtert und sich seiner Sünde schämend vor Ihm. Jesus verweilte nicht lange in Sichar. Er zog zum entgegengesetzten Tor wieder hinaus und lehrte vor der Stadt noch hie und da bei Häusern und Gärten, welche sich eine gute Strecke weit im Tal hinzogen. Er blieb aber eine starke halbe Stunde weit vor Sichar in einer Herberge und versprach den Leuten, am folgenden Tag wieder in Sichar zu lehren.

Als Jesus wieder nach Sichar hineinging, lehrte Er den ganzen Tag in der Stadt auf dem Redestuhl und vor der Stadt auf Hügeln: am Abend aber wieder in der Herberge. Es waren Leute aus der ganzen Gegend da: sie strömten bald hier, bald dorthin. Es hieß: jetzt lehrt Er hier, jetzt lehrt Er dort. - Der Jüngling von Samaria hörte auch einmal zu, sprach aber nicht mit Jesus.

Dina ist überall voran und schreitet durch das Volk auf Jesus zu. Sie ist sehr aufmerksam, sehr gerührt und ernst. Sie hat wieder mit Ihm gesprochen, sie will sich gleich von dem Mann trennen. Sie wollen all das ihrige nach seinem Willen für die künftige Gemeinde und die Armen anwenden. Jesus sagte ihr, wie sie es tun sollte. Es waren sehr viele Leute gerührt und sie sagten zu der Frau: «Du hast recht gesagt: nun haben wir Ihn selbst gehört, Er ist der Messias!» Die gute Frau ist jetzt ganz obenan und so ernst und freudig: ich habe sie immer besonders lieb gehabt.

Jesus lehrte hier wie an den vorhergehenden Orten, von der Gefangenschaft des Johannes, von Verfolgung der Propheten, vom Vorläufer, Wegbereiter, von dem in den Weinberg gesandten Sohn, der erschlagen wird. Er spricht deutlich aus, dass der Vater Ihn gesandt habe. Er lehrte auch über alles, was Er der Frau am Brunnen gesagt, vom lebendigen Wasser, vom Berg Garizim, dass das Heil von den Juden komme, von der Nähe des Reiches und Gerichtes, von der Strafe über die bösen Knechte, welche den Sohn des Herrn des Weinbergs erschlagen. Viele fragten Ihn auch, wo sie sich taufen und reinigen lassen sollten, da Johannes gefangen sei? Und Jesus sagte ihnen, dass des Johannes Jünger bei Ainon jenseits des Jordan wieder taufen, und dass, bis Er hinkomme und taufen lassen werde, sie dahin gehen sollten. Es sind auch schon am folgenden Tag sehr viele dahin gezogen.

Am folgenden Tag lehrte Jesus in der Herberge und auf Hügeln in der Nähe allerlei Volk, Arbeiter und auch jene Sklaven, die Er einmal am Felde der Hirten bei Betharaba nach seiner Taufe getröstet hatte. Es waren auch viele Lauerer von den Pharisäern aus der Gegend zugegen. Sie hörten mit Ingrimm alle seine Lehren, steckten die Köpfe zusammen und murrten höhnisch: wagten aber nicht Ihn anzureden, und Er sah auch nicht nach ihnen. Auch mehrere samaritische Lehrer und Leute waren unbeugsam und verdrossen anwesend.

13. Jesus in Ginnäa und Atharot. Er beschämt die Bosheit der Pharisäer

Als Jesus mit fünf Jüngern die Herberge bei Sichar verließ, wandelte Er, Thebez zur Rechten und Samaria zur Linken lassend, sechs Stunden weit zur Stadt Ginnäa oder Ginnim, welche in einem Tal auf der Grenze von Samaria und Galiläa lag. Sie kamen am späten Abend mit geschürzten Kleidern in Ginnäa an und begaben sich, da der Sabbat begann, gleich in die Synagoge. Die anderen voraus abgereisten Jünger waren auch hier. Das Gut mochte etwa dreiviertel Stunden von Ginäa entfernt sein. Die heiligen Frauen hatten nach der Abreise von Sichar in Thebez übernachtet. Es war am Tag vor Sabbat ein Fasttag wegen des Murrens der Kinder Israels. Am Sabbat lehrte Jesus in der Synagoge. Die Lesung war vom Zug durch die Wüste, von der Austeilung des Landes Kanaan und aus Jeremias. Jesus legte alles auf die Nähe des Reiches Gottes aus. Er sprach von dem Murren der Kinder Israels in der Wüste und wie sie einen zum Gelobten Land viel näheren Weg hätten nehmen können, wenn sie die Gebote, die ihnen Gott auf Sinai gegeben, gehalten hätten: um ihrer Sünden willen aber seien sie immer wieder zurückgesetzt worden, und die Murrenden seien gar in der Wüste gestorben. So zögen auch sie noch immer in der Wüste herum, in der alle sterben würden, welche gegen das Reich Gottes murrten, das nahe sei und mit ihm das letzte Erbarmen Gottes. Ihr Leben aber sei das Irren in der Wüste: sie sollen nun den nächsten Weg zum verheißenen Reiche Gottes wandeln, der ihnen jetzt gezeigt werde. Er lehrte auch davon, wie die Kinder Israels nicht zufrieden mit dem Richteramt Samuels nach einem Könige geschrieen und wie sie den Saul erhalten hätten. Jetzt da die Prophezeiung erfüllt sei, dass wegen ihrer Gottlosigkeit das Szepter von Juda genommen werde, jetzt verlangten sie wieder nach einem König und nach der Herstellung des Reiches: Gott aber werde ihnen einen König, ihren eigentlichen König senden, wie der Herr des Weinberges seinen Sohn sende, nachdem seine Knechte von den treulosen Weinbauern erschlagen worden. Ebenso würden auch sie ihren König hinausstoßen und töten. Er lehrte aus den Psalmen von dem Ecksteine, den die Bauleute verwerfen und legte es auf den Sohn des Herrn des Weinberges aus. Dann sprach Jesus von der Strafe, die über Jerusalem kommen werde: der Tempel werde nicht mehr stehen und Jerusalem nicht mehr zu erkennen sein: auch von Elias und Elisäus war die Rede.

Es waren zwölf hartnäckige Pharisäer bei dieser Lehre, welche mit Jesus darnach disputierten. Sie zeigten eine Rolle und fragten, was das bedeute, dass Jonas drei Tage im Bauch des Walfisches liege? Jesus antwortete: so werde ihr König der Messias, drei Tage im Grabe ruhen, zum Schoße Abrahams absteigen und wieder auferstehen: sie lachten darüber. Dann traten drei Pharisäer ganz heuchlerisch hervor und sprachen:

«Ehrwürdiger Rabbi, du sprichst immer vom nächsten Weg, nenne uns diesen nächsten Weg.» Jesus erwiderte: «Kennt ihr die zehn Gebote auf Sinai?» Sie sagten: «Ja.» Und Er sprach: «Haltet das Erste davon und liebt den Nächsten wie euch selbst und leget den Untergebenen nicht schwere Bürden auf, die ihr selbst nicht befolgt: das ist der Weg!» Da sagten sie «Das wussten wir auch, was Du da sagst.» Und Jesus entgegnete Ihnen:«Dass ihr es wisst und doch nicht tut, ist eure Schuld, um die ihr werdet gezüchtigt werden.» Und Er warf ihnen vor, dass sie den Leuten so vieles aufbürdeten, und selbst das Gesetz nicht hielten, was sie gerade in dieser Stadt ganz besonders taten. Er sprach auch von den Kleidern der Priester, welche Gott Moses vorgeschrieben, und was sie bedeuteten, und wie sie alles das nicht erfüllten und statt dessen viel Äußerliches und Verkehrtes dazu setzten. Alle waren sehr erbittert konnten Ihm aber nichts anhaben. Manchmal sprachen einige untereinander:«Das ist also der Prophet aus Nazareth! Ja! der Zimmermannssohn!» Die meisten der Pharisäer verließen die Synagoge, ehe Jesus seine Lehre geendet: nur einer blieb bis zum Ende und lud Jesus und die Jünger zur Mahlzeit. Er war besser, als die anderen: doch war er auch ein Laurer.

Es waren auch Kranke vor die Schule gebracht worden: und die Pharisäer hatten Jesus gebeten, sie zu heilen, damit sie ein Zeichen sähen. Jesus heilte aber nicht und sagte, sie wollten nicht glauben an Ihn, und Er wolle sie auch kein Zeichen sehen lassen. Sie wollten Ihn aber am Sabbat in Versuchung führen, zu heilen, um Ihn darüber zu verklagen.

Als der Sabbat geschlossen war, reisten die meisten galiläischen Jünger nach Hause: Jesus aber ging mit Saturnin und zwei anderen Jüngern wieder zum Gut des Lazarus. Rührend war es zu sehen, wie Er hier vor den Kindern des Verwalters und Kindern aus der Nachbarschaft, zuerst vor den Knaben und dann vor den Mädchen eine Lehre hielt. Er sprach vom Gehorsam gegen die Eltern und von der Ehrerbietung gegen das Alter. Der Vater im Himmel habe ihnen ihre Väter gesetzt: wie sie diese ehrten, würden sie auch den himmlischen Vater ehren. Er sprach auch zu den Kindern von den Söhnen Jakobs und von den Kindern Israels, wie sie gemurrt hätten und darum nicht in das Gelobte Land gekommen wären: und doch sei das Gelobte Land so schön. Da zeigte Er ihnen die schönen Bäume und Früchte im Garten und sprach vom Himmelreich, wie das uns auch versprochen sei, so wir die Gebote Gottes erfüllen: dieses sei ein viel herrlicheres Land, das hier sei eine Wüste dagegen: sie sollten daher gehorchen und alles dankbar ertragen, was Gott über sie verhänge. Sie sollten nie murren, damit sie in das Himmelreich kämen. Sie sollten nicht zweifeln an dessen Schönheit, wie die Israeliten in der Wüste. Sie sollten glauben, dass es viel besser sei, als hier, ja über alles herrlich. Sie sollten sich das immer in Gedanken fest vorstellen und es verdienen durch jegliche Mühe und Arbeit. Jesus hatte bei dieser Lehre die kleineren der Kinder vor sich. Er hob einzelne an seine Brust, oder umfasste sie zu zwei mit den Armen.

Von dem Gut des Lazarus ging Jesus mit den drei Jüngern wieder südöstlich etwa vier Stunden zurück zum hochgelegenen Ort Atharot, einem Hauptsitz der Sadduzäer. Die hier wohnenden Sadduzäer hatten nach Ostern ebenso wie die Pharisäer von Gennabris die Jünger verfolgt, mehrere gefangen genommen und mit Verhören gequält. Einzelne von ihnen waren auch neulich in Sichar gewesen und hatten Jesu Lehren belauert da Er im besonderen auch die Härte der Pharisäer und Sadduzäer gegen die Samariter rügte. Sie hatten damals schon den Plan gemacht Jesus in Versuchung zu führen, und hatten Ihn aufgefordert den Sabbat in Atharot zu halten. Er wusste aber ihr Beginnen und ging den weiteren Weg nach Ginnäa. Mit den Pharisäern in Ginnäa hatten sie sich beredet und am Sabbat morgens Boten zu Ihm geschickt: «Er habe so schön von der Menschenliebe gelehrt. Man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst: Er möge doch nach Atharot kommen und einen Kranken heilen. Wenn Er ihnen dieses Zeichen tue, so wollen sie alle und auch die Pharisäer von Ginnäa an Ihn glauben und seine Lehre in der Gegend ausbreiten.»

Jesus kannte ihre Bosheit und wusste um den Betrug, den sie mit einem Mann gegen Ihn vor hatten. Dieser Mann lag schon mehrere Tage unbeweglich und tot. Sie aber behaupteten gegen alle Einwohner der Stadt er liege in Entzückung. Selbst seine Frau wusste nicht, dass er tot sei. Hätte nun Jesus ihn erweckt, so hätten sie gesagt dass er nicht tot gewesen. Sie kamen Jesus entgegen und führten Ihn vor das Haus des Toten, der einer der ersten Sadduzäer gewesen war und es am ärgsten gegen die Jünger getrieben hatte. Sie trugen ihn auf einem Tragbett heraus auf die Straße, als Jesus herankam. Es standen wohl fünfzehn Sadduzäer und alles Volk umher. Die Leiche sah ganz schön aus. Sie hatten sie aufgeschnitten und einbalsamiert um Jesus zu betrügen. Jesus sagte aber:«Dieser Mensch ist tot und bleibt tot.» Da sagten sie, er sei nur entzückt und wenn er tot sei, so sei er jetzt gestorben. Jesus aber sprach: «Er hat die Auferstehung geleugnet und wird hier nicht auferstehen! Ihr habt ihn mit Gewürzen gefüllt. Aber seht, mit weichen Gewürzen! Deckt seine Brust auf!» Da sah ich, dass einer auf der Brust des Toten die Haut wie eine Klappe aufhob und es brachen eine Menge Würmer sich reckend und rührend daraus hervor. Die Sadduzäer wurden ganz grimmig. Denn Jesus sagte alle seine Sünden und Verbrechen laut und öffentlich aus und dass dieses die Würmer des bösen Gewissens wären, welche er sonst bedeckt habe, und die jetzt sein Herz zerfressen. Er sprach auch drohend ihren Betrug und böse Absicht aus, und sprach sehr hart von den Sadduzäern und auch vom Gericht über Jerusalem und alle, welche das Heil nicht annehmen würden. Sie brachten den Toten aber ganz geschwind wieder in das Haus, und es war ein entsetzliches Lärmen und Schmähen. Als Jesus zum Tor mit den Jüngern wieder hinauszog, warf das aufgehetzte Gesindel mit Steinen hinter ihnen her. Denn die Aufdeckung der Würmer und seiner Bosheit hatte sie gewaltig geärgert.

Unter dem bösen Gesindel waren doch auch einzelne wohlgesinnte Leute, welche weinten. Es wohnten in einer Straße abgesondert kranke, blutflüssige Frauen, die an Jesus glaubten und flehten in der Ferne, denn sie durften als unrein nicht nahen. Er ging, es wohl wissend, barmherzig durch ihre Straße und da Er vorüber war, gingen sie in seine Fußstapfen und küssten sie, und Er schaute sich um, und sie genasen.

Jesus ging noch beinahe drei Stunden bis auf einen Hügel in der Nähe von Engannim. Es liegt dieser Ort ungefähr in derselben Linie wie Ginnäa, aber einige Stunden mehr östlich in einem andern Tal. Es ist dies die gerade Richtung nach Nazareth über Endor und Naim. Von Naim ist es etwa sieben Stunden.

Jesus übernachtete auf diesem Hügel, wohin Ihm Jünger aus Galiläa entgegen gekommen waren, in dem Schuppen einer offenen Herberge, wo sie auch etwas aßen, was die Jünger mitgebracht. Es waren Andreas und der Bräutigam Nathanael und zwei Knechte des sogenannten Hauptmannes von Kapharnaum. Sie baten Jesus sehr dringend, der Sohn des Mannes sei so krank, Er möge doch eilen. Er sagte aber, Er werde zur rechten Zeit kommen.

Dieser Hauptmann war ein in Ruhestand Versetzter von Galiläa. Er war von guter Gesinnung und hatte die Jünger in ihrer letzten Verfolgung gegen die Pharisäer unterstützt, hatte ihnen auch schon mit Geld und Lebensmitteln ausgeholfen. Er war aber noch nicht ganz gläubig, obschon er an die Wunder glaubte. Er wünschte sehr um des Kindes willen und auch um die Pharisäer zu beschämen, Jesus möchte das Wunder an seinem Sohn tun, und auch die Jünger wünschten es. Sie hatten mit Ihm gesprochen:«Da sollen sich die Pharisäer ärgern! da sollen sie sehen, wer Er ist dem wir folgen!»

Darum hatten auch Andreas und Nathanael die Botschaft übernommen. Jesus wusste dies. Er lehrte noch am Morgen der Weiterreise. Die zwei Knechte des Hauptmannes, welche Sklaven und Heiden waren, und Speise mitgebracht hatten, bekehrten sich und zogen mit Andreas und Nathanael wieder gegen Kapharnaum.

14. Jesus in Engannim und Naim

Von der Herberge auf dem Hügel wandelte Jesus mit Saturnin und dem Sohn der Mutterschwester des Bräutigams von Kana und einem Sohn der Witwe Obeds von Jerusalem, einem etwa sechzehn jährigen Jüngling in das nahegelegene Engannim. Er hatte hier weite Verwandte von der Familie Annas, die Essener waren. Diese Leute nahmen Jesus sehr demütig und vertraut bei sich auf. Sie wohnten abgesondert an einer Seite der Stadt und lebten sehr keusch. Es lebten hier auch viele Unverheiratete wie in einem Kloster zusammen. Es war aber nicht mehr die ganz strenge alte Verfassung. Sie waren wie andere gekleidet und gingen mit zur Schule. Sie unterhielten im Ort eine Art Hospital, das von kranken und elenden Menschen aller Sekten angefüllt war und wo an langen Tischen auch die Armen gespeist wurden. Sie nahmen alle auf und unterrichteten und besserten sie. In dem Krankensaal betteten sie einen schlechten Menschen immer zwischen ein paar gute, damit diese ihn ermahnten und besserten. Jesus kam auch nach diesem Hospital und heilte einzelne Kranke.

Jesus lehrte in der Synagoge von Engannim den ganzen Tag. Es waren ungemein viele Menschen aus der Gegend zugeströmt. Sie ruhten scharenweise vor der Synagoge, die sie nicht alle fasste. Wenn eine Schar heraus war, füllte die andere sie wieder an. Er lehrte hier, wie auf der ganzen Reise, nur nicht so drohend, weil die Leute gut gesinnt waren. Es war auch damals wie jetzt. Jedes Örtchen hatte nach der Gesinnung der Priester eine andere Gesinnung.

Jesus sagte, wenn Er gelehrt haben werde, dann wolle Er auch heilen. Er lehrte von der Nähe des Reiches und der Ankunft des Messias. Er führte alle Stellen der Schrift und der Propheten an und wies sie in der Zeit nach. Er sprach von Elias und was er gesagt und gesehen, und nannte die Jahreszahl, wann er es gesehen, und dass er einen Altar in einer Grotte aufgerichtet zur Ehre der Mutter des künftigen Messias. Er beschrieb nun die Zeit, dass es keine andere sein könne, erwähnte, dass das Szepter von Juda genommen sei, und erinnerte sie an den Zug der drei Könige. Er sprach all dies im allgemeinen, als wenn Er von einem Dritten spräche, und erwähnte sich und seine Mutter gar nicht. Er sprach auch von dem Mitleiden und der gütigen Behandlung der Samariter, erzählte die Parabel vom Samariter, doch erwähnte er Jericho nicht. Er sagte, dass er selbst erlebt habe, dass sie hilfreicher gegen die Juden seien, als diese gegen sie. Er erzählte die Geschichte von der samaritischen Frau, und wie sie Ihm Wasser gereicht, was ein Jude nicht so leicht einem Samariter getan haben würde, und wie gut sie ihn überhaupt aufgenommen hätten. Er lehrte auch hier von den Strafgerichten über Jerusalem und von den Zöllnern, deren einige in der Gegend wohnten.

Schon während Jesus noch in der Synagoge lehrte, hatte man aus der Stadt und der ganzen Gegend eine große Menge von Kranken herbeigeschafft. Wo Jesus vorübergehen musste, wurden sie den Häusern entlang auf Tragbetten und Kissen gelegt und Zeltdecken über sie gespannt, und die Ihrigen standen bei ihnen. Es war die Ordnung, dass alle Kranken eine Art beieinander standen. Es war wie ein ganzer Jahrmarkt von elenden Menschen.

Jesus kam nach der Lehre heraus, ging den Kranken entlang, welche Ihn demütig anflehten, und Er heilte unter stetem Lehren und Ermahnen wohl an vierzig Lahme, Blinde, Stumme, Gichtkranke, Fiebernde, Wassersüchtige usw. Besessene sah ich hier keine. Er lehrte auch noch auf einem Hügel in der Stadt, weil des Volkes zu viel war. Das Gedränge wurde aber zuletzt so groß, dass die Leute in die Häuser drangen und auf die Dächer stiegen und die Wände zerbrachen.

Als diese Unordnung begann, verlor sich Jesus in der Menge, verließ die Stadt und ging einen Seitenweg steil durchs Gebirge, wo es einsam war. Seine drei Jünger folgten Ihm nach, mussten Ihn noch suchen, fanden Ihn aber erst in der Nacht betend. Da sie Ihn nun fragten, was dann auch sie beten sollten, wenn Er bete, sprach Er ihnen auf eine ganz kurze Art einige Bitten des Vaterunsers vor, wie: «Geheiligt werde dein Name! Vergib uns unsere Schuld, als auch wir vergeben unsern Schuldigern, und erlöse uns von dem Bösen!» Er sagte: «Betet jetzt nur dieses und tut es auch», und lehrte noch gar wunderbar darüber. Sie taten es gar treulich, wenn Er nicht mit ihnen sprach und für sich allein wandelte.

Sie hatten jetzt immer etwas Speise in Beuteln bei sich, und wenn andere Reisende vorüber zogen, selbst auf Seitenwegen, so eilten sie in Befolgung der Worte Jesus ihnen nach und teilten ihnen, besonders wenn sie Arme waren, mit was sie bedurften.

Engannim ist eine Levitenstadt sie liegt am Abfall eines Tales, das gegen Jezrael zuläuft, auf einer Klaue des östlichen langen Seitengebirges queerüber. In dem Tal fließt der Bach gegen Mitternacht. Die Einwohner treiben hier Tuchweberei und Spinnerei zu Priesterkleidern und arbeiten auch Quasten, seidene Fransen und Knöpfe, welche am Saum dieser Kleider hängen. Die Frauen nähen diese Kleider. Es ist gutes Volk hier.

Jesus zog an Jezrael und an Endor vorbei und kam gegen Mittag vor Naim an und ging dort ohne Aufsehen vor der Stadt in eine Herberge.

Die Witwe von Naim, die Schwester von der Frau Jakobus des Größeren, wusste durch Andreas und Nathanael von seiner nahen Ankunft und hatte auf Ihn warten lassen. Sie kam nun mit einer andern Witwe zu Ihm in die Herberge. Sie warfen sich verschleiert vor Ihm nieder. Die Witwe von Naim bat Jesus, das Anerbieten dieser andern guten Witwe anzunehmen, welche alles das Ihrige zu der Kasse der heiligen Frauen für Verpflegung der Jünger und Armen hergeben und selbst dabei dienen wollte. Jesus nahm das Anerbieten der Witwe an, lehrte und tröstete beide. Sie brachten auch einige Gaben zu einem Mahl, welche die Jünger empfingen, und die Witwe gab ihnen sogleich eine Summe Geldes, welche sie zur Verpflegung nach Kapharnaum den Frauen sendeten.

Jesus ruhte hier mit den Jüngern, denn Er hatte am vorigen Tage in Engannim mit unbeschreiblicher Anstrengung gelehrt und geheilt und war von da etwa sieben Stunden bis hierher gereist. Die neuangekommene Witwe meldete Jesus auch eine andere Frau an, namens Maria, welche das Ihrige ebenfalls hergeben wollte. Jesus aber sagte, sie solle es weiter bewahren, wo es nötiger sein werde. Diese Frau war eine Ehebrecherin und von ihrem Mann, einem reichen Juden in Damaskus, wegen ihrer Untreue verstoßen. Sie hatte von Jesu Barmherzigkeit mit den Sündern gehört war sehr gerührt und hatte kein Verlangen, als Buße zu tun und Gnade zu finden. Sie suchte Martha auf, mit deren Familie sie ferne verwandt war, bekannte ihre Vergehen und bat sie um Fürsprache bei Jesu Mutter. Sie übergab ihr auch einen Teil ihres Vermögens. Martha, Johanna Chusa und Veronika nahmen sich der Büßerin mitleidsvoll an, brachten sie einmal in die Wohnung Marias bei Kapharnaum. Maria blickte sie ernst an und ließ sie längere Zeit in der Ferne stehen. Die Frau aber flehte unter heftigen Tränen und mit wachsender Reue: «O Mutter des Propheten! Bitte deinen Sohn für mich, dass ich vor Gott noch Gnade finde!» Sie war von einem stummen Teufel besessen und musste bewacht werden. Denn in ihren Anfällen konnte sie nicht um Hilfe rufen, und der Teufel trieb sie in das Feuer oder in das Wasser. Kam sie dann wieder zu sich, so lag sie in einer Ecke und weinte erbärmlich. Maria sandte für die Unglückliche einen Boten zu Jesus, der sagen ließ, Er werde seinerzeit kommen, ihr zu helfen.

JESU LEHRWANDERUNGEN IN DER LANDSCHAFT GENEZARETH UND AN DEN UFERN DES JORDAN

1. Der Abgesandte des Hauptmanns von Kapharnaum

Von Naim wandelte Jesus am Tabor vorüber und Nazareth zur Linken lassend nach Kana, wo Er bei einem Schriftgelehrten an der Synagoge einkehrte. Der Vorhof des Hauses war bald voll Menschen, die von Engannim aus seine Ankunft erfahren hatten und Ihn hier erwarteten. Er lehrte den ganzen Morgen, als ein Diener des Hauptmanns von Kapharnaum mit mehreren Begleitern auf Maultieren ankam. Er war sehr eilig und wie in großer Angst und Sorge, und suchte von allen Seiten vergebens durch das Volk zu Jesus durchzudringen, vermochte es aber nicht. Da er mehrmals vergebens zugedrungen war, begann er heftig zu rufen: «Ehrwürdiger Meister, lasse deinen Knecht vor Dich! Ich bin hier als Gesandter meines Herrn von Kapharnaum und als er selbst und als der Vater seines Sohnes, ich bitte Dich, doch gleich mit mir zu kommen, denn mein Sohn ist sehr krank und dem Tod nahe.» Jesus hörte nicht auf ihn. Er aber suchte, da man auf ihn aufmerksam wurde, noch mehr einzudringen, drang jedoch nicht durch und schrie von neuem dasselbe: «Komme doch gleich mit mir, mein Sohn ist am Sterben!» Da er so ungestüm schrie, wendete Jesus das Haupt zu ihm und redete dann zu ihm, dem Volk zu Gehör: «Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht so glaubt ihr nicht. Ich weiß deine Sache wohl. Ihr wollt damit prahlen und den Pharisäern trotzen und bedürft es ebenso sehr, als sie. Das ist nicht meine Sendung, dass ich Wunder tue zu euren Zwecken. Ich bedarf nicht eurer Bestätigung. Ich werde Mich bewähren, wo es der Wille meines Vaters ist, und werde Wunder tun, wo meine Sendung es erfordert!» Er sprach lang und schmähte ihn vor allem Volk: er warte darum schon lange auf Ihn, seinen Sohn heilen zu lassen, um damit gegen die Pharisäer zu prahlen. Sie sollten aber nicht Wunder an sich für andere begehren, sie sollten glauben und sich bekehren.

Das hörte der Mann ohne allen Erfolg an, ließ sich nicht irre machen und drang noch näher und rief nochmals: «Was kann das helfen, Meister? Mein Sohn ist am Sterben! Komme doch gleich mit mir, er ist vielleicht schon tot!» Da sagte Jesus zu ihm: «Gehe hin, dein Sohn lebt!» Der Mann sagte noch: «Ist das gewiss?» Und Jesus sagte: «Er ist gesund in dieser Stunde auf mein Wort.» Da glaubte Ihm der Mann und begehrte nicht weiter, dass Jesus mit ihm reise, bestieg sein Maultier und ritt sehr schnell nach Kapharnaum. Jesus sagte auch noch: Diesesmal wolle Er es noch tun, in einem ähnlichen Fall nicht wieder.

Ich sah diesen Mann nicht als den königlichen Beamten selbst, doch aber als den Vater des Sohnes. Er war ein erster Hausbeamte jenes Hauptmannes von Kapharnaum. Dieser hatte keine Kinder, aber lange darnach verlangt und hatte einen Sohn dieses seines vertrauten Dieners und seiner Frau als den seinen angenommen, der jetzt schon vierzehn Jahre alt war. Der Bote kam als der Gesandte und als der Herr und Vater selbst. Ich habe das alles gesehen und es ist mir das ganze Verhältnis erklärt worden. Darum hat vielleicht Jesus ihn auch so lange rufen lassen. Es war dies übrigens nicht bekannt.

Der Knabe hatte schon lange nach Jesus verlangt. Zuerst war die Krankheit gelinde, und sie verlangten schon nach Jesus um der Pharisäer wegen. Seit vierzehn Tagen aber wurde die Krankheit heftiger, und der Knabe hatte bei den vielen Arzneien immer gesagt: «Die vielen Tränkchen helfen mir nicht. Nur Jesus der Prophet von Nazareth wird mir helfen.» Da nun die Gefahr so groß war, hatten sie schon nach Samaria Botschaft mit den heiligen Frauen und dann wieder durch Andreas und Nathanael gegen Engannim geschickt. Endlich ritt der Vater und Verwalter selbst nach Kana, wo er Jesus fand. Jesus hatte aber gezögert, um ihre Absicht zu strafen.

Es war von Kana nach Kapharnaum eine Tagreise. Der Mann eilte aber so, dass er noch vor Nacht ankam. Ein paar Stunden von Kapharnaum waren ihm schon Knechte entgegen gekommen, die sagten, dass der Knabe gesund sei. Sie hätten ihm nachziehen und sagen sollen, er brauche sich weiter nicht zu bemühen, wenn er Jesus noch nicht gefunden hätte. Man hätte die Kosten sparen können, denn der Knabe sei um die siebente Stunde plötzlich von selbst gesund geworden. Da sagte er ihnen die Worte Jesu und sie wunderten sich und eilten mit ihm nach Hause. Ich sah aber den Hauptmann Serobabel mit dem Knaben ihm unter der Tür entgegen kommen. Der Knabe umarmte ihn, und er erzählte die Worte Jesu und seine mitgewesenen Knechte beteuerten alles. Da war ein großer Jubel. Ich sah auch ein Mahl bereiten. Der Jüngling saß zwischen seinem Pflegevater und wirklichen Vater und die Mutter saß auch dabei. Der Knabe liebte den rechten Vater ebenso sehr wie den vermeintlichen, und jener hatte auch große Gewalt im Haus.

Nachdem Jesus den Mann von Kapharnaum abgefertigt hatte, heilte Er noch mehrere Kranke, welche in einen Hof des Hauses gebracht waren. Es waren mehrere Besessene dabei, doch nicht von der bösartigen Gattung. Die Besessenen wurden oft mit zu seiner Lehre geführt. Wenn sie kamen, so tobten und warfen sie sich entsetzlich. Sobald aber Jesus ihnen Ruhe befahl, da wurden sie ganz still. Nach einer gewissen Zeit aber war es, als könnten sie es nicht länger mehr aushalten und sie fingen wieder an zu zucken. Dann winkte Jesus mit der Hand, und sie hielten wieder ein, und nach der Lehre befahl Er dem Satan auszuweichen, wobei sie gewöhnlich ein paar Augenblicke wie ohnmächtig zusammensanken und dann fröhlich dankend erwachten und nicht wussten, wie ihnen gewesen war. Es sind aber solche gutartige Besessene, Menschen, welche ohne ihre Schuld besessen sind. Ich kann es nicht deutlich erklären. Aber ich habe es hier und auch sonst deutlich gesehen, wie es zusammenhängt dass neben einem bösen Menschen, welcher aus Gnade und Langmut noch verschont bleibt, oft der Satan einen schwachen Unschuldigen, der jenem Bösen verwandt ist in Besitz nimmt. Es ist dann, als wenn dieser einen Teil der Strafe des andern auf sich nehme. Ich kann dies nicht so recht deutlich machen. Es hängt damit zusammen, dass wir Glieder eines Leibes sind, und es ist so, wie wenn ein gesundes Glied durch die Sünden eines andern Gliedes infolge eines geheimen inneren Bezuges erkrankt. Solche Besessene waren hier. Die Bösartigen sind viel fürchterlicher und wirken mit dem Satan mit. Die andern leiden nur, und sind dazwischen ganz fromm.

Jesus lehrte nachher in der Synagoge, wohin mehrere anwesende Schriftgelehrte aus Nazareth Ihn einluden. Sie sagten, es sei in seiner Vaterstadt erklungen, welche große Wunder Er in Judäa, Samaria und Engannim getan. Er wisse aber wohl, in Nazareth sei man der Meinung, wer nicht in der Schule der Pharisäer gelernt habe, der könne nicht viel wissen. Es sei daher ihr Wunsch, Er möge zu ihnen kommen und sie eines Besseren belehren. Sie meinten, Ihn dadurch zu locken. Jesus antwortete ihnen, Er werde noch nicht kommen, und wenn Er komme, dann werden sie das nicht von Ihm erhalten, was sie verlangten.

Nach der Synagoge war Er bei einem großen Mahl in dem Haus des Brautvaters von Kana. Die Witwe, die Tante des Bräutigams, die Braut und der Bräutigam waren auch zugegen. Nathanael, der Bräutigam, war als ein Jünger gleich zu Jesus gekommen und hatte bei der Lehre und Krankenheilung geholfen, Ordnung zu halten. Der Bräutigam und die Braut wohnen allein. Sie haben auch keine Wirtschaft, sie erhalten Speise von den Brauteltern. Ihr Vater hinkt ein wenig, es sind gute Leute. Kana ist ein schöner reinlicher Ort auf einer hohen Ebene. Es ziehen mehrere Landstraßen durch und es geht von hier ein Weg gerade nach Kapharnaum, wohin es etwa 7 Stunden sein mögen. Es senkt sich der Weg etwas dahin.

Nach der Mahlzeit ging Jesus zu seiner Wohnung und heilte noch mehrere Kranke, die Seiner harrten. Er heilt nicht immer auf dieselbe Art. Bald befiehlt Er, bald legt Er die Hände auf, manchmal beugt Er sich über sie, manchmal befiehlt Er, sich noch zu baden, bald mischt Er Staub in seinen Speichel und bestreicht ihre Augen. Manche ermahnt Er, andern sagt Er ihre Sünden, andere weist Er ab.

2. Jesus in Kapharnaum

Da Jesus mit den Jüngern, die mit Ihm nach Kana gekommen waren, von da nach Kapharnaum wanderte, folgte Ihm auch Nathanael, dessen Frau mit ihrer Tante und anderen dahin bereits vorausgegangen war. Der sieben Stunden lange Weg geht ziemlich gerade und führt an einem kleinen See, wie der zu Ainon, vorüber, um den Landhäuser mit Gärten liegen. Es fängt hier die herrliche fruchtbare Strecke von Genezareth an, in der an manchen Stellen Warttürme erbaut sind.

Als Jesus in die Nähe von Kapharnaum kam, tobten mehrere Besessene vor den Toren und in der Stadt und schrieen: «Der Prophet kommt! Was will Er hier? Was hat Er mit uns zu schaffen?» Als Er aber vor Kapharnaum ankam, da verliefen sich die Besessenen. Es war vor der Stadt ein Zelt errichtet. Der Hauptmann und der Vater des Knaben führten diesen zwischen sich Jesus entgegen, und es folgte seine ganze Familie, alle seine Knechte und Angehörigen und Sklaven. Diese waren Heiden, welche ihm Herodes sendete. Es war eine ganze Prozession. Alle warfen sich vor Jesus nieder und dankten. Sie wuschen Ihm die Füße und reichten Ihm einen Becher und Bissen. Jesus legte dem vor Ihm knienden Knaben unter Ermahnungen noch die Hand auf den Kopf und er erhielt nun den Namen Jesse, da er vorher Joel geheißen hatte. Der Hauptmann hieß Serobabel. Dieser ersuchte Jesus dringend, bei ihm in Kapharnaum einzukehren und eine Mahlzeit einzunehmen. Jesus aber schlug es ihm ab und verwies ihm nochmals seine Begierde, Wunder von Ihm zu sehen, um andere zu ärgern. Er sagte: «Ich würde den Knaben nicht geheilt haben, wenn der Glaube des Boten nicht so stark und dringend gewesen wäre.» Hierauf setzte Jesus seinen Weg fort.

Serobabel aber hatte ein großes Festmahl bereiten lassen. Alle Diener und Arbeiter seiner vielen umherliegenden Gärten waren herzu gerufen. Allen war das Wunder erzählt worden, alle glaubten gerührt an Jesus und während des Mahles stimmte das Gesinde und viele Arme, denen Geschenke ausgeteilt wurden, einen Lobgesang in der Vorhalle an.

Das Wunder war schon ganz früh in Kapharnaum bekannt gemacht. Serobabel sendete die Nachricht an die Mutter Jesu und an die Apostel, die ich alle wieder mit ihrer Fischerei beschäftigt sah. Ich sah auch, dass die Nachricht zu der Schwiegermutter des Petrus gebracht wurde, welche krank darniederlag.

Jesus ging um Kapharnaum herum zur Wohnstelle seiner Mutter, wo noch etwa fünf Frauen und Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes versammelt waren. Sie kamen Ihm entgegen, und es war eine große Freude über seine Ankunft und seine Wunder. Er nahm hier ein Mahl ein und begab sich dann gleich mit den Jüngern nach Kapharnaum zum Sabbat. Die Frauen blieben zu Hause.

In Kapharnaum waren eine große Volksmenge und viele Kranke versammelt. Die Besessenen liefen und schrieen in den Straßen, als Jesus kam. Er gebot ihnen zu schweigen und ging mitten durch sie durch zur Synagoge. Nach dem Gebet ward ein hartnäckiger Pharisäer Namens Manasse aufgerufen: an ihm sei die Reihe vorzulesen. Jesus aber begehrte die Rollen und sagte, dass Er lesen wolle. Da gaben sie Ihm die Rolle und Er las zuerst aus dem Anfang des fünften Buches Mose bis zu dem Murren der Kinder Israel und lehrte von dem Undank ihrer Väter und von der Barmherzigkeit Gottes mit ihnen und von der Nähe des Reiches, und dass sie sich jetzt hüten sollten, wie damals zu tun. Er legte alle jene Wege und Irrsale auf ihre jetzigen Irrtümer aus und stellte das damalige Gelobte Land dem jetzt so nahen Reich gegenüber. Dann las Er auch noch das erste Kapitel vom Isaias. Er legte es auf die jetzige Zeit aus und sprach von den Lastern und der Strafe, und wie sie so lange einen Propheten erwartet hätten und wie sie nun mit dem umgehen würden, den sie jetzt hätten. Er sprach von allerlei Tieren, die ihren Herrn erkannten, sie aber würden Ihn nicht erkennen. Er sprach auch, wie der, der ihnen helfe, durch ihre Misshandlung aussehen werde, und wie Jerusalem würde gestraft werden, wie die heilige Gemeinde nur sehr klein sein werde. Der Herr werde sie aber groß machen und die andern würden vertilgt werden. Er sprach, sie sollten sich bekehren und wenn sie auch ganz mit Blut bedeckt wären, sollten sie zu Gott schreien und sich bessern, und sie würden rein werden. Er lehrte dann noch von Manasse, wie er so schändlich gewesen sei und wie er gelästert habe vor Gott und darum zur Strafe gefangen nach Babyion geführt worden sei, und wie er sich bekehrt, zu Gott gebetet und noch Verzeihung erhalten habe. Er schlug auch eine Rolle wie zufällig auf und las die Stelle Isaias 7, 14. «Sieh eine Jungfrau wird gebären» und legte dieses auf sich aus und auf die Ankunft des Messias.

Dasselbe hatte Er bei seiner Anwesenheit in Nazareth vor seiner Taufe auch so ausgelegt und sie hatten Seiner noch gespottet und gesagt: «Butter und Honig haben wir Ihn nicht viel essen sehen bei seinem Vater, dem armen Zimmermann.»

Die Pharisäer und viele andere Leute in Kapharnaum waren gar nicht zufrieden, dass Er ihnen heute so scharf über den Undank lehrte: denn sie hatten sich etwas Schmeichelhaftes erwartet, weil Er so gut aufgenommen worden sei. Die Lehre dauerte ziemlich lange, und als Jesus herausging, hörte ich ein paar Pharisäer sich einander zuflüstern: «Sie haben Kranke ausgestellt, ob er es wagen wird, sie am Sabbat zu heilen?» Man hatte die Straße mit Fackeln und viele Häuser mit Lampen erleuchtet. Einige Häuser der Übelgesinnten waren dunkel. Die Leute hatten, wo Er vorüberging, noch Kranke vor den Häusern und Licht dabei. Andere wurden mit Licht in den Armen ihrer Angehörigen in die Türen geschleppt. Es war ein großes Getümmel und Jauchzen in den Straßen und mehrere Besessene schrieen Ihn an, und Er befreite sie mit Befehl. Einen solchen sah ich ganz wild und wütend gegen Jesus springen und mit einem fürchterlichen Angesicht und emporgesträubten Haaren Ihn anschreien: «Du! was willst Du hier? Was hast Du hier zu schaffen?» Da stieß ihn Jesus zurück und sagte: «Fahr aus, Satan!» Und ich sah den Menschen niederstürzen, als müsste er Hals und Beine gebrochen haben. Er richtete sich aber ganz verwandelt und sanft auf, kniete vor Jesus, weinte und dankte. Jesus befahl ihm, sich zu bessern. Viele sah ich Ihn so im vorübergehen heilen.

Darauf wandelte Jesus mit den Jüngern zum Haus seiner Mutter. Es war Nacht. Unterwegs sprach Petrus von seinem Haushalt: «er habe doch bei seiner Fischerei viel versäumt da er so lange abwesend gewesen sei, er müsse für Frau und Kinder und für seine Schwiegermutter sorgen.» Johannes erwidert ihm: «und er mit Jakobus für seine Eltern sorgen, das sei noch wichtiger, als eine Schwiegermutter», und so redeten sie ganz natürlich und teils scherzhaft miteinander. Jesus aber sagte: es werde bald die Zeit kommen, da sie dieses Fischen ganz aufgeben würden und andere Fische fangen. Johannes war viel kindlicher und vertrauter mit Jesus als die andern. Er war so lieblich und in alles ergeben, ohne Sorge und Widerspruch. Jesus ging zu seiner Mutter, die andern nach Haus.

Des anderen Tages ging Jesus früh mit seinen Jüngern nach Kapharnaum aus der Wohnung seiner Mutter, die etwa dreiviertel Stunden gegen Bethsaida zu liegt. Der Weg führte von da etwas aufwärts und dann wieder abwärts nach Kapharnaum. Ehe man zum Tor von Kapharnaum kam, lag ein Haus am Weg, welches dem Petrus gehörte, der es für Jesus und die Jünger bestimmte und einen frommen alten Mann als Verwalter dahin setzte. Vom See war das Haus etwa anderthalb Stunden entfernt. In Kapharnaum fanden sich alle Jünger aus Bethsaida und der Umgegend ein, auch Maria und die heiligen Frauen kamen dahin. Es waren sehr viele Kranke in den Straßen aufgestellt, als Jesus kam, welche schon Tags zuvor gekommen und noch nicht geheilt waren. Jesus heilte sehr viele auf dem Weg zur Synagoge, in welcher Er unter anderem über eine Parabel lehrte. Und da Er beim Herausgehen vor der Synagoge noch lehrte, warfen sich mehrere vor Ihm nieder und begehrten Vergebung ihrer Sünden. Es waren zwei ehebrecherische von ihren Männern verstoßene Frauen und etwa vier Männer, worunter die Verführer dieser Frauen. Sie zerflossen in Tränen und wollten ihre Sünden vor dem ganzen versammelten Volk bekennen. Jesus aber sagte zu ihnen, dass ihre Sünden Ihm bekannt seien. Es werde eine Zeit kommen, wo das offene Bekenntnis nötig sein werde. Hier aber könne es nur Ärgernis und ihnen Verfolgung bringen. Er ermahnte sie auch, über sich zu wachen, damit sie nicht zurückfielen, nie aber, selbst bei dem Rückfall, nicht zu verzweifeln, sondern sich zu Gott zu wenden und zur Buße. Er vergab ihnen ihre Sünden. Und da die Männer fragten, zu welcher Taufe sie gehen sollten, ob zu der Johannesjünger-Taufe, oder ob sie seiner Jünger Taufe harren sollten, sagte Er, sie sollten zur Johannesjünger-Taufe gehen.

Die Pharisäer, die gegenwärtig waren, wunderten sich sehr, dass Er Sünden zu vergeben wage, und setzten Ihn darüber zur Rede. Jesus aber brachte sie mit seinen Antworten zum Schweigen und sagte, es sei Ihm leichter, die Sünden zu vergeben, als zu heilen: denn wer aufrichtig bereue, dem seien die Sünden vergeben und er sündige nicht leicht wieder. Die Kranken aber, die geheilt würden am Leib, blieben oft an der Seele krank und gebrauchten ihren Leib zur Sünde. Sie fragten Ihn auch, ob denn nun, da diesen Frauen ihre Sünden vergeben seien, ihre Männer, die sie verstoßen, sie wieder nehmen müssten. Jesus sagte, hierüber erlaube die Zeit nicht zu sprechen. Er wollte sie ein andermal darüber belehren. Auch über das Heilen am Sabbat fragten sie Ihn, und Er verteidigte sich und sagte: wenn ihnen ein Tier in den Brunnen falle am Sabbat so zögen sie es heraus.

Nachmittags ging Er in das Haus vor Kapharnaum mit allen Jüngern: die heiligen Frauen waren schon dort. Es wurde hier eine Mahlzeit genommen, welche der Hauptmann Serobabel besorgt hatte. Dieser und Salathiel, der Vater des Knaben, lagen mit zu Tisch, Jesse der Knabe diente. Die Frauen saßen an einem andern Tisch. Jesus lehrte. Sie schleppten Ihm die Kranken bis in dieses Haus, und drangen mit Hilfegeschrei in den Speisesaal. Er heilte viele. Nach Tisch ging Er abermals in die Synagoge, und ich hörte Ihn unter anderem von Isaias lehren, wie er dem Könige Achaz prophezeit: «Sieh, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären usw.» (Is 7, 14).

Als Er die Synagoge verließ, heilte Er noch viele Menschen auf den Straßen bis in die Nacht. Unter diesen befanden sich viele blutflüssige Frauen, welche entfernt und verhüllt traurig standen und Ihm und dem Volk nicht nahen durften. Jesus wusste ihr Leid, wendete sich gegen sie und heilte sie mit einem Blick. Er berührte solche Leidende nie. Es liegt ein Mysterium in diesem Verbot das ich jetzt nicht aussprechen kann. An diesem Abende brach ein Fasttag an.

Als Er mit den Jüngern nach seiner Mutter Haus ging, war die Rede davon, dass Er am Morgen mit ihnen zum See gehen wolle, und ich hörte, dass Petrus sich wegen seines schlechten Schiffes entschuldigte.

Die Leute, denen Er die Sünden vergeben hatte, waren in Bußkleidern und verhüllt. Am vorletzteri Sabbat waren die Juden schwarz gekleidet gewesen und die ganze letzte Zeit war ein Bußleben wegen der Feier der Zerstörung Jerusalems. Darum auch seine strengen Lehren von der Strafe über Jerusalem. Bei dem Hinausgehen aus Kapharnaum führte der Weg Jesus an einem Gebäude vorüber, welches von Wasser umgeben war. Hier wurden die bösartigeren Besessenen abends eingesperrt. Sie tobten und schrieen bei seinem Vorübergehen: «Da geht Er! Was will Er? Warum will Er uns vertreiben?» Da Jesus gebot: «Schweigt und bleibt bis Ich wieder komme, dann ist eure Zeit zu weichen» wurden sie ruhig.

Als Er die Stadt verlassen hatte, versammelten sich die Pharisäer und Oberen der Stadt, und der Hauptmann Serobabel war auch dabei. Sie hielten Rat über alles, was sie gesehen und was sie von Jesus halten sollten, welche Maßregeln ergreifen. Sie sagten: «Welchen Aufstand und Unruhe macht dieser Mensch! Aller ruhige Gang wird gestört, die Leute verlassen ihre Arbeit und ziehen mit Ihm herum. Er beunruhigt und beschimpft alles mit seinen Strafreden. Er spricht immer von seinem Vater: ist er nicht von Nazareth, der Sohn des armen Zimmermanns? Wie kann Er solche Kühnheit und Sicherheit haben? Auf welches Recht stützt er sich? Er heilt und stört am Sabbat! Er vergibt die Sünden! Kommt seine Kraft von oben? Hat er geheime Künste? Wo hat Er alle seine Auslegungen der Schrift her? Ist er nicht in die Schule gegangen zu Nazareth? Er muss irgend einen geheimen Zusammenhang haben mit einem fremden Volk! Er spricht immer von der Ankunft des Reiches, der Nähe des Messias, der Zerstörung Jerusalems. Sein Vater Joseph war von vornehmem Geschlecht. Vielleicht ist Er ein unterschobenes Kind von einem andern mächtigen Vater, der sich Anhang im Land sucht und sich der Herrschaft von Judäa bemeistern will. Er muss eine große geheime Hinterlage, eine unbekannte Unterstützung haben, auf die Er sich verlässt sonst könnte Er nicht so sicher und kühn, als hätte Er alles Recht dazu, gegen allen Gebrauch und Autorität handeln. Er war oft lange abwesend, in welchen Verbindungen muss Er stehen? Wo mag Er seine Künste und Wissenschaften herhaben? Was ist zu tun mit Ihm?» So redeten sie in mancherlei Vermutungen und Ärgernis durcheinander. Der Hauptmann Serobabel hielt sich ganz ruhig und wusste sie zuletzt auch zu beruhigen. Denn er sagte zu ihnen, sie sollten sich ohne Sorge verhalten: «Ist seine Macht von Gott, so wird sie sich gewiss bestätigen. Ist es nicht so, so wird sie zerfallen. So lange Er uns heilt und bessert, dürfen wir Ihn gewiss lieben, und dem danken, der Ihn gesandt hat.»

Tags darauf wandelte Jesus des morgens mit etwa zwanzig Jüngern gegen den See, nicht den geraden Weg, sondern südlich um die Höhe herum, an welcher das Haus Marias gegen Abend liegt. Dieser Berg ist nur der Auslauf einer Wurzel des nördlich laufenden Berges, von diesem jedoch durch eine Tiefe etwas geschieden. Jesus ging einen Lehrweg. Es waren hier viele schöne Wässerchen, die von den Höhen in den See flossen. Es floss auch das Flüsschen von Kapharnaum an dieser Seite. Die Quellen durchschnitten hier das Land reichlich und flossen um Bethsaida herum. Jesus ruhte mehrmals mit ihnen an lustigen Plätzen und stand auch oft still und lehrte vom Zehnten. Die Jünger klagten über große Bedrückungen, welche zu Jerusalem mit den Zehnten geschähen, und meinten, ob dieses nicht abgestellt werden könne. Er sprach, dass den zehnten Teil aller Früchte dem Tempel und seinen Diener zu geben von Gott befohlen sei, damit die Menschen sich erinnerten, dass sie kein Eigentum, sondern nur das Gebrauchsrecht hätten. Auch von den Gemüsen sollte man den Zehnten geben durch Enthaltung. Die Jünger sprachen auch von Samaria und äußerten, dass es ihnen leid sei, seine Abreise von dort vielleicht befördert zu haben. Sie hätten nicht gewusst, dass diese Leute so begierig auf diese Lehre gewesen, und sie so gut aufgenommen hätten. Er wäre ohne ihr Drängen vielleicht länger dort geblieben. Jesus sagte aber, die zwei Tage, die Er dort gewesen, seien hinreichend gewesen, die Sichemiten hätten heißes Blut und seien schnell bewegt, es würden doch vielleicht nur zwanzig von den Bekehrten jetzt standhaft bleiben, die künftige, größere Ernte überlasse Er ihnen.

Die Jünger, von seiner letzten Lehre bewegt, sprachen mitleidig von den Samaritern, und erwähnten zu ihrem Lob die Geschichte des Mannes, der bei Jericho unter die Räuber gefallen, an dem der Priester und Levit vorübergegangen, und den der Samarit aufgenommen und mit Wein und Öl gesalbt habe. Diese Geschichte war bekannt. Sie war wirklich geschehen und zwar in den ersten Zeiten bei Jericho. Jesus nahm von ihrem Mitleiden mit dem Verwundeten und ihrer Freude an der Wohltat des Samariters die Veranlassung, ihnen eine ähnliche Parabel zu erzählen. Er begann von Adam und Eva und dem Sündenfall, den Er wie in der Bibel einfach erzählte, und wie sie aus dem Paradies gestoßen auch in eine Wüste voll Räubern und Mördern gekommen mit ihren Kindern und wie der Mensch daliege mit Sünden geschlagen und verwundet in der Wüste. Da habe der König des Himmels und der Erde alles mögliche getan, dem armen Menschen Hilfe zu verschaffen. Er habe sein Gesetz und ausgerüstete Priester gesandt und viele Propheten und alle seien vorübergegangen, und keiner habe dem Kranken geholfen: teils habe er die Hilfe auch verschmäht. Endlich habe er seinen eigenen Sohn geschickt in armer Gestalt zu den elenden Menschen. Und nun beschrieb Er seine eigene Armut: ohne Schuhe, ohne Kopfbedeckung, ohne Gürtel usw. und dieser habe Öl und Wein in seine Wunden gegossen, ihn zu heilen. Aber die selbst, welche mit allem gerüstet sich des Armen nicht erbarmt hätten, hätten den Sohn des Königs gefangen und getötet, der den Elenden mit Öl und Wein geheilt habe. Dies gab Er ihnen auf, darüber nachzudenken und Ihm zu sagen, was sie davon dächten, Er wolle es ihnen dann erklären. Sie verstanden Ihn nicht, merkten aber doch, dass Er sich mit dem armen Königssohn ganz beschrieben und hatten allerlei Gedanken und Geflüster untereinander: wer nur sein Vater sein möge, von dem Er immer spreche? Er berührte auch noch ihre gestrige Besorgnis um ihr Versäumnis bei der Fischerei und führte den Königssohn an, der alles verlassen, und da die andern bei ihrer Fülle den elenden Verwundeten darben ließen, dieser ihn mit Öl und Wein gesalbt habe. Er sprach: «der Vater werde die Diener seines Sohnes nicht verlassen, und sie würden alles reichlich wieder erhalten, wenn Er in seinem Reiche sie um sich versammeln werde.»

Unter solchen und manchen anderen Lehren kamen sie unterhalb Bethsaida an den See, wo des Petrus und Zebedäus Schiffe lagen. Es war eine abgeschlossene UfersteIle, und an dem Ufer waren mehrere leichte Erdhütten für die Fischer angebracht. Jesus ging mit den Jüngern hinab. Auf den Schiffen waren heidnische Sklaven und keine Juden, mit Fischen beschäftigt, weil ein Fasttag war. Zebedäus war in der Hütte am Ufer. Jesus sagte: sie sollten aufhören zu fischen, und an Land kommen, und sie taten es. Da lehrte Er auch hier.

Hierauf ging Er den See aufwärts gegen Bethsaida, welches wohl eine halbe Stunde von hier liegt. Die Fischergerechtigkeit des Petrus umfasst etwa eine Stunde des Ufers. Zwischen dem Lager der Schiffe und Bethsaida war eine Bucht. Es gossen sich hier viele kleine Bäche in den See, Arme des Baches, der von Kapharnaum durch das Tal kommt und mehrere andere Quellen aufnimmt. Vor Kapharnaum bildet er einen großen Teich. Jesus ging nicht ganz nach Bethsaida, sondern sie wendeten sich gegen Abend und gingen an der mitternächtlichen Seite des Tales bis an das Haus des Petrus, das an der Morgenseite der Anhöhe liegt, an deren Abendseite das Haus Mariä sich befindet.

Jesus ging mit Petrus in sein Haus, wo Maria und die andern heiligen Frauen versammelt waren. Die andern Jünger gingen nicht mit hinein, sie hielten sich in der Nähe im Garten auf, oder gingen voraus nach Marias Haus. Als Petrus mit Jesus in sein Haus ging, sagte er zu Ihm: «Herr, wir haben einen Fasttag gehabt, aber Du hast uns gesättigt.» Das Haus des Petrus war ganz gut in Ordnung, mit Vorhof und Garten, es war lang und oben konnte man darauf gehen und hatte eine schöne Aussicht zum See. Ich sah weder die Stieftochter des Petrus, noch Söhne, die er mit der Frau angeheiratet - sie schienen in der Schule zu sein. Seine Frau war bei den heiligen Frauen, er hatte keine Kinder mit ihr. Seine Schwiegermutter, eine kränkliche, hagere, große Frau ging an den Wänden sich stützend umher.

Jesus sprach lange mit den Frauen über die Einrichtung der Verpflegung hier oben an dem See, wo Er sich viel aufzuhalten gedenke. Er ermahnte sie ohne Verschwendung und Leichtsinn, aber auch ohne Sorge und Ängstlichkeit zu sein. Er für sich brauche sehr wenig, und es sei Ihm nur für die Jünger nötig und für die Armen. Von da ging Er mit den Jüngern nach Marias Wohnung, wo Er noch mit ihnen sprach und sich dann zum Gebet absonderte.

Der Bach von Kapharnaum fließt beim Haus des Petrus entlang, und er kann von da auf einem kleinen Kahn, in dessen Mitte ein Sitz ist, bis in den See mit seinem Fischgerät fahren.

Da die heiligen Frauen von Jesus hörten, dass Er zum nächsten Sabbat nach Nazareth, welches neun bis zehn Stunden von hier ist, gehen wolle, sahen sie es nicht gern und wünschten, Er möchte hier bleiben oder wenigstens doch bald wieder hierher kommen. Er sagte: Er glaube nicht, dass Er lange dort bleiben werde: denn sie würden nicht mit Ihm zufrieden sein, weil Er nicht tun könne, was sie verlangten. Er sagte auch mehrere Punkte, die sie Ihm vorwerfen würden, und machte seine Mutter darauf aufmerksam. Er wolle es ihr sagen, so es eingetroffen.

3. Jesus in Bethsaida

Jesus ging mit den Jüngern von Marias Haus an der mitternächtlichen Seite des Tales dem Abhang des Berges entlang nach Bethsaida, welches etwa eine kleine Stunde Wegs war. Die heiligen Frauen gingen aus dem Haus des Petrus, dorthin in das Haus des Andreas, das am Ende von Bethsaida gegen Mitternacht lag, in gutem Stand, aber nicht so groß wie Haus des Petrus war.

Bethsaida ist ein kleines Fischerstädtchen, das nur in der Mitte etwas landeinwärts liegt und sich in zwei dünnen Armen an dem See hinstreckt. Von der Schiffstelle des Petrus gegen Norden, sieht man es vor sich liegen. Es ist meist von Fischern und außerdem von Deckenwebern und Zeltmachern bewohnt. Es ist ein rohes und einfältiges Volk und kommt mir immer vor, wie die Torfarbeiter gegen andere Leute bei uns zu Lande. Die Decken werden aus Ziegen- und Kamelhaaren gemacht. Die langen Haare, welche die Kamele am Hals und der Brust haben, kommen wie Fransen und Borten an die Ränder, weil sie so schön glänzend sind.

Der alte Hauptmann Serobabel war hier nicht mit. Er war ein schwächlicher Mann und konnte nicht weit gehen. Er hätte zwar reiten können, aber da hätte er doch Jesus Lehren unterwegs nicht gehört. Auch war er ja noch nicht getauft. Es waren sehr viele Leute aus den umliegenden Orten hier, auch viele Fremde von jenseits des Sees, aus der Landschaft Chorazim und aus Bethsaida-Julias gegenüber.

Jesus lehrte hier in der Synagoge, welche nicht sehr groß ist, von der Nähe des Reiches Gottes, und sprach es ziemlich deutlich aus, dass Er der König dieses Reiches sei, und erregte, die gewöhnliche Verwunderung seiner Jünger und Zuhörer. Er lehrte im allgemeinen, wie alle diese Tage, und heilte viele Kranke, welche vor die Synagoge gebracht wurden. Es schrieen Ihn auch mehrere Besessene an: «Jesus von Nazareth, Prophet, König der Juden!» Jesus befahl ihnen, zu schweigen, es sei noch nicht die Zeit, auszusprechen, wer Er sei.

Als Er seine Lehre und Heilung vollendet hatte, gingen sie zum Haus des Andreas, um zu essen. Aber Jesus ging nicht hinein und sagte, Er habe einen andern Hunger. Er ging aber mit Saturnin und einem andern Jünger etwa eine halbe Viertelstunde den See aufwärts von Andreas Haus in ein abgesondert am See liegendes Hospital, worin arme Aussätzige, Schwachsinnige und sonst verlorene, elende Menschen schier ganz vergessen schmachteten. Es waren fast ganz nackte Leute darunter. Es folgte Ihm niemand aus der Stadt um sich nicht zu verunreinigen. Die Zellen dieser armen Leute gingen rund um einen Hof. Sie kamen nicht heraus, man reichte ihnen die Speise durch Löcher in den Türen. Jesus ließ sie durch den Aufseher des Hauses herausführen, und durch seine Jünger Decken und Kleider bringen, sie zu verhüllen. Er lehrte und tröstete sie, ging von einem zum andern im Kreis herum, und heilte mit Auflegung der Hände viele. Manche überging Er noch und einzelnen befahl Er, sich zu baden und andere Verrichtungen. Die Genesenen sanken vor ihm nieder, dankten und weinten. Es war rührend - diese Leute waren ganz verkommen. Jesus nahm den Verwalter mit zu Andreas zur Mahlzeit. Es kamen nun die Angehörigen von einzelnen Geheilten aus Bethsaida dahin und holten sie freudig ab, brachten ihnen Kleider und brachten sie nach Haus und in die Synagoge, Gott zu danken.

Es war bei Andreas eine recht schöne Mahlzeit von guten, großen Fischen. Sie aßen in einer offenen Halle, die Frauen an einem Tisch allein. Andreas diente zu Tisch. Seine Frau war sehr geschäftig und fleißig, sie kam nicht viel aus dem Haus. Sie hatte eine Art von Gewerbe mit Netzstricken und hatte viele arme Dirnen, welche sie in großer Ordnung damit beschäftigte. Es waren auch arme, gefallene, verworfene Frauen darunter, die keine Zuflucht hatten, deren sie sich erbarmte. Sie beschäftigte, sie belehrte und führte zum Gebet an.

Am Abend lehrte Jesus noch in der Synagoge und ging dann mit den Jüngern hinweg. Er kam noch an vielen Kranken vorüber, die Er nicht heilte, und sagte, es sei jetzt ihre Zeit noch nicht gekommen. Nachdem Er von seiner Mutter Abschied genommen, ging Er mit allen Jüngern in das Herbergshaus vor Kapharnaum. Jesus sprach dort noch lange mit den Jüngern, sonderte sich dann ab und brachte auf einem spitz zulaufenden Hügel, der mit Zypressen bewachsen war, die Nacht im Gebet zu.

Kapharnaum liegt am Berg hinan in einem halben Bogen, hat viele Gartenterrassen und auch Weingärten; auf der Höhe wächst dicker Weizen wie Schilf. Es ist ein großer und angenehmer Ort, der entweder einmal größer war oder es war einmal noch eine andere Stadt hier. Denn es liegen nicht weit von ihr allerlei Trümmer, wie von einer Zerstörung.

4. Jesus in und um Klein-Sephoris. Die verschiedenen Arten seiner Heilungen

Jesus ging von Kapharnaum gegen Nazareth zu. Die Jünger aus Galiläa begleiteten Ihn etwa fünf Stunden weit. Er lehrte unterwegs von ihrer künftigen Bestimmung und riet dem Petrus, aus der Nähe des Sees hinweg in sein Haus vor Kapharnaum zu ziehen, als er mit Ihm von seinem Gewerbe sprach, das er aufgeben müsse. Sie kamen an mehreren Städten und auch an dem kleinen See mit den Landhäusern vorüber. In einem Hirtenfeld kamen ein paar besessene Männer zu Jesus gelaufen und begehrten Heilung. Sie waren Besitzer der Herden in der Gegend und nur dann und wann vom Teufel geplagt. Eben jetzt aber waren sie in gutem Zustand. Jesus heilte sie nicht und befahl ihnen, sich erst zu bessern und sagte ihnen ein Beispiel vom Magenüberladen, es sei, als wenn einer den kranken Magen geheilt haben wolle, um von neuem sich der Prasserei zu übergeben. Die Leute gingen ganz beschämt zurück. Die Jünger verließen Jesus ein paar Stunden vor Sephoris, auch Saturnin kehrte mit ihnen in das Haus des Petrus zurück. Bei Jesus blieben nur zwei Jünger aus Jerusalem, wohin sie zurück wollten. Er ging nach Unter-Sephoris, einer kleineren Stadt und kehrte bei Verwandten der heiligen Anna ein. Es ist dies nicht das elterliche Haus Annas, das liegt zwischen diesem Sephoris und Ober-Sephoris, welche Orte wohl eine Stunde getrennt sind. Es gehörten in einem Umfang von fünf Stunden viele Häuser zu Sephoris. In Gross-Sephoris ist Er diesmal nicht gewesen. Dort sind große Schulen aller Sekten und Gerichte.

In Nieder-Sephoris sind nicht viel reiche Leute. Sie bereiten dort Tücher, und die reichen Frauen Seidenquasten und Borten für den Tempel. Die ganze Gegend ist wie ein Lustgarten von vielen kleinen Dörfern und zerstreuten Gütern, mit Gärten und Alleen dazwischen. Das größere Sephoris ist ganz bedeutend und liegt weit auseinander mit Schlössern. Es ist eine sehr schöne Gegend hier mit Brunnen und sehr großem Vieh.

Jesu Verwandte hatten drei Söhne, deren einer, namens Colaja, ein Jünger Jesu war. Die Mutter wünschte, dass Er auch die andern aufnehmen möge und sprach von den Söhnen der Maria Kleophä. Jesus gab ihr auch Hoffnung. Diese Söhne sind nach Christi Tod zu Eleutheropolis von Joses Barsabas, der dort Bischof war, zu Priestern geweiht worden.

Es lehrte Jesus hier in der Synagoge, in der viele Leute aus der umliegenden Gegend zusammengekommen waren. Er ging auch mit seinen Vettern in der Gegend umher und lehrte hie und da kleine Versammlungen des Volkes, das Ihm nachzog und Ihn erwartete. Zurückkehrend heilte Er viele Menschen vor der Synagoge und lehrte dann in derselben von der Ehe und von der Ehescheidung. Er warf den Lehrern vor, dass sie allerlei zusetzten, und zeigte einem alten Lehrer in einer Rolle eine solche Stelle, die er zugesetzt, bewies ihm die Falschheit und befahl ihm, sie auszulöschen. Der Lehrer demütigte sich vor Ihm, ja warf sich an die Erde vor Ihm nieder vor allen andern, gestand seinen Fehler ein und dankte für die Belehrung.

Jesus hatte die Nacht im Gebet zugebracht. Von dem Haus seiner Verwandten in Klein-Sephoris ging Er zwischen Klein- und Gross-Sephoris in das ehemalige väterliche Gut Annas. Er hatte nur einen Jünger bei sich. Die jetzt hier Wohnenden waren durch Anheiratungen nicht mehr nahe mit Ihm verwandt. Es war aber noch eine alte wassersüchtige Frau hier bettlägerig, die Ihm näher verwandt war, und es saß gewöhnlich ein kleiner blinder Knabe bei ihr. Jesus betete mit der alten Frau, sie musste ihm nachsprechen. Er hielt ihr etwa eine Minute lang die Hand auf den Kopf und die Magengegend, da kam sie ganz in sich, war etwa eine Minute ohnmächtig und fühlte sich dann ganz erleichtert. Jesus gebot ihr aufzustehen. Die Wassersucht war noch nicht wie weggeblasen, sondern die Frau konnte gehen und war in kurzer Zeit darnach ohne Beschwerde durch Schweiß und Ausleerung entledigt. Die Frau bat Ihn für den blinden Knaben, der etwa acht Jahre alt war und nie gesehen und gesprochen hatte, aber er hörte. Sie lobte seine Frömmigkeit und seinen Gehorsam. Jesus legte ihm den Zeigefinger in den Mund und hauchte dann auf beide Daumen seiner Hand, oder benetzte sie mit Speichel und hielt sie betend und emporschauend auf die geschlossenen Augen des Knaben. Der schlägt die Augen auf. Das Erste, was er sieht ist Jesus sein Erlöser. Verwirrt vor Freude und Erstaunen sinkt er zu Jesus hin, dankt stammelnd und weint zu seinen Füßen. Jesus ermahnte ihn liebreich über den Gehorsam und die Elternliebe. Da er blind dieselbe geübt, solle er sie sehend noch treuer ausüben, und seine Augen nicht zur Sünde gebrauchen. Hernach kamen die Eltern, die Leute des Hauses, und es war eine große Freude und Lobpreisen.

Jesus heilte nicht einen wie den andern. Er heilte auch nicht anders, als die Apostel und die späteren Heiligen und Priester bis auf unsere Zeiten. Er legte die Hände auf und betete mit den Kranken. Er tat es aber schneller als die Apostel. Seine Heilungen und Wunder tat Er auch als Vorbild für seine Nachfolger und Jünger. Er tat sie immer auf eine Art, welche dem Übel und Bedürfnis angemessen war. Lahme berührte Er und ihre Muskeln wurden entbunden und sie richteten sich auf. Bei zerbrochenen Gliedern fasste Er den Bruch und sie fügten sich zusammen. Von Aussätzigen sah ich sogleich auf seine Berührung die Blattern sich trocken abschuppen, aber rote Flecken zurückbleiben, welche nach und nach jedoch schneller als gewöhnlich und nach dem Grad des Verdienstes der Heilung vergingen. Ich habe nie gesehen, dass ein Buckliger im Augenblick kerzengrad, ein krummer Knochen ein gerader Knochen gewesen sei. Nicht als habe Jesus es nicht gekonnt, sondern Er tat es nicht, denn seine Wunder waren kein Schauspiel, sie waren Werke der Barmherzigkeit sie waren ein Bild seiner Sendung, ein Entbinden, Versöhnen, Lehren, Entwickeln, Erlösen. Und so wie Er, um seiner Erlösung teilhaftig zu werden, die Mitwirkung der Menschen verlangte, so musste auch bei den Heilungen der Glaube, die Hoffnung, die Liebe, die Reue und Besserung der Menschen als Mitwirkung des Empfanges erscheinen. Jedem Zustand geschah sein Recht in der Behandlung, wodurch eine jede Krankheit und ihre Heilung ein Sinnbild einer geistlichen Krankheit, einer Sünde und Strafe und einer Heilung, einer Verzeihung und Besserung wurde. Nur bei den Heiden sah ich einige seiner Wunder auffallender und seltsamer. Die Wunder der Apostel und späteren Heiligen waren weit auffallender und dem gemeinen Naturgang widersprechender. Denn die Heiden bedurften Erschütterung, die Juden nur Entbindung. Oft heilte Er durch Gebet in die Ferne, oft durch einen Blick besonders blutflüssige Frauen, welche Ihm nicht zu nahen wagten, und auch nicht durften nach jüdischen Gesetzen. Solche Gesetze, welche einen geheimen Sinn hatten, befolgte Er, andere nicht. Darnach wandelte Jesus nach einer in gleicher Entfernung von Nazareth wie von Klein-Sephoris liegenden Schule, wohin der Jünger Parmenas von Nazareth zu Ihm kam. Dieser war schon als Knabe mit Jesus umgegangen und würde jetzt mit den anderen Jüngern Ihm auch schon gefolgt sein, wenn er nicht seine Eltern in Nazareth durch Botendienste zu ernähren hätte.

In der Schule waren viele Lehrer und Pharisäer aus Gross- und Klein-Sephoris, auch einiges Volk zusammengekommen, um mit Jesus über die Stelle von der Ehescheidung zu disputieren welche Er dem Lehrer in der Synagoge als unerlaubt eingeflickt verwiesen hatte. Sie hatten dieses in Gross-Sephoris sehr übel genommen. Denn diese eingeschobene Auslegung stammte aus ihrer Lehre her. Die Ehescheidungen wurden in dieser Stadt sehr leichtsinnig getrieben, und sie hatten ein eigenes Haus, wo sie die geschiedenen Frauen hineintaten. Jener Lehrer, der seine Schuld eingestanden, hatte eine Gesetzrolle abgeschrieben und kleine, verkehrte Auslegungen dazwischen eingeflickt. Sie disputierten lange gegen Jesus und wollten gar nicht einsehen, wie Er sich herausnehmen könne, das auszustreichen. Er brachte sie aber zum Schweigen, jedoch nicht zur Erkenntnis wie den Ersteren. Er bewies ihnen das Verbot der Einschaltung und daher die Pflicht der Austilgung und bewies ihnen die Falschheit jener Erklärung, und verwies die Umgehung des Gesetzes der Ehescheidung in ihrer Stadt scharf. Er sagte, in welchen Fällen es ganz unerlaubt sei, dass der Mann die Frau verstoße, und sagte, wenn ein Teil den andern gar nicht lieben könnte, so könne er sich mit Einwilligung des andern von ihm absondern, aber der stärkere Teil dürfe den andern nicht gegen dessen Willen und Schuld vertreiben. Er richtete aber wenig bei ihnen aus, sie waren geärgert und aufgeblasen, obschon sie Ihn nicht widerlegen konnten. Der in Unter-Sephoris von Jesus überwiesene und bekehrte Schriftgelehrte tat sich ganz von den Pharisäern ab und erklärte seiner Gemeinde, er werde ohne Zusatz künftig das Gesetz lehren, und wenn sie dies nicht wollten, sich ganz zurückziehen. Die eingeschaltete Stelle in dem Scheidungsgesetz war: «Wenn ein Teil der zwei Eheleute früher mit einem andern zu tun gehabt habe, so bestehe die Ehe nicht, und derjenige, welcher mit dem einen Teil zu tun gehabt habe, könne diesen als sein reklamieren, wenn die Leute auch gut zusammenlebten.» Dieses verwarf Jesus und nannte das Scheidungsgesetz nur als für ein rohes Volk gegeben. Zwei der vornehmsten Pharisäer bei diesem Disput waren selbst in der Lage, hieraus eine Scheidung für sich zu entwickeln, und darum hatten sie solche Zusätze aufgebracht. Es war nicht bekannt, aber Jesus wusste es und sagte: «Ihr verteidigt wohl in dieser Gesetzesverdrehung nicht etwa euere eigene Sache?» worüber sie sich ganz entsetzlich ärgerten.

5. Jesus in Nazareth. Die Pharisäer wollen Ihn von einem Berg herabstürzen

Jesus ging von hier nach Nazareth, wohin Er etwa zwei Stunden hatte. Er kehrte vor der Stadt in der Wohnung der Nachgelassenen seines verstorbenen Freundes des Esseners Eliud ein. Sie wuschen Ihm die Füße, gaben Ihm eine Erquickung und sagten davon, wie sehr die Nazarethaner sich seiner Ankunft erfreuten. Jesus erwiderte ihnen aber, diese Freude werde nicht lange dauern, denn sie würden nicht hören wollen, was Er ihnen sagen müsse. Er ging hierauf in die Stadt. Am Tor hatte man auf Ihn zu warten bestellt. Kaum erschien Er, als verschiedene Pharisäer und vieles Volk entgegenkamen. Man empfing Ihn sehr feierlich und wollte Ihn in eine öffentliche Herberge führen, wo sie Ihm eine Empfangsmahlzeit vor dem Sabbat angerichtet hatten. Er nahm es aber nicht an und sagte, Er habe jetzt anderes zu tun, und begab sich gleich in die Synagoge, wohin sie Ihm folgten, und sehr vieles Volk zusammenkam. Es war noch vor dem Anbruch des Sabbats.

Jesus lehrte hier von der Ankunft des Reiches, von der Erfüllung der Prophezeiungen, begehrte die Rolle des Isaias, rollte sie auf und las (61, 1.): «Der Geist des Herrn ist auf mir, deshalb, weil mich gesalbt der Herr hat, die frohe Botschaft zu bringen. Zu den Armen hat er mich gesandt, auf dass ich heile, die gedrückten Herzens sind und ankünde den Gefangenen Erlass und den Eingekerkerten Aufschließung.» Diese Stelle sprach Er ganz so, dass von Ihm selbst die Rede sei, dass der Geist Gottes über Ihm und Er gekommen sei, den armen, elenden Menschen das Heil zu verkünden, und wie alles Unrecht sollte ausgeglichen werden, die Witwen getröstet, die Kranken geheilt, den Sündern vergeben werden. Er sprach so schön und lieblich, dass alle verwundert und voll Freude waren und untereinander sagten: «Er spricht gerade, als wenn Er der Messias selber wäre!» Die Bewunderung hatte sie so gefesselt, dass sie voll Eitelkeit waren, dass Er aus ihrer Stadt sei. Jesus lehrte auch noch, als der Sabbat anging, von einer Stimme des Wegbereiters in der Wüste und wie alles ausgeglichen und geebnet werden solle.

Nachher war er mit ihnen bei einem Mahl. Sie waren sehr freundlich und sagten, es seien viele Kranke da, Er solle sie doch heilen. Jesus lehnte es aber ab, und sie nahmen es einstweilen so hin, meinten jedoch, Er werde es morgen wohl tun. Nach dem Mahl ging Er wieder zu den Essenern hinaus. Da diese noch sehr erfreut waren über seinen guten Empfang, sagte Er ihnen, sie sollten warten bis zum folgenden Tag, da würden sie anderes erfahren.

Als Jesus des anderen Morgens wieder zur Synagoge kam, wollte ein Jude, an dem die gewöhnliche Reihe war, die Rolle nehmen. Jesus aber verlangte die Rolle und lehrte aus dem 5. Buch Mose Kap. 4. von dem Gehorsam gegen die Gebote, und dass man nichts hinzu und davon tun solle und wie Moses den Kindern Israel alles wiederholt, was Gott geboten, und wie sie es schlecht gehalten hätten. Es kamen auch die zehn Gebote in der Lesung vor und die Auslegung des ersten Gebots von der Liebe Gottes. Jesus lehrte hierüber sehr streng und warf ihnen vor, wie sie allerlei zum Gesetz zuflickten, dem armen Volk Lasten auflegten und das Gesetz selbst nicht erfüllten. Er griff sie so ernst an, dass sie sich ärgerten. Denn sie konnten nicht sagen, dass Er die Unwahrheit spreche. Sie murrten aber und sagten zueinander: «Wie ist Er auf eimal so keck! Er ist kurze Zeit hier weg und stellt sich, Wunder wer Er wäre. Er spricht gar, als sei Er der Messias. Wir kennen aber seinen Vater, den armen Zimmermann, gut und Ihn auch. Wo hat er gelernt? Wie wagt er uns das zu bieten?» Und so fingen sie an, sich stille immer mehr über Ihn zu ärgern, denn sie waren beschämt und überwiesen vor allem Volk.

Jesus lehrte aber ruhig fort und ging zu seiner Stunde hinaus zu der Essenerfamilie. Hier kamen die Söhne des reichen Mannes zu Ihm, welche Ihn schon die vorigen Male um Aufnahme unter die Jünger so dringend gebeten hatten, deren Eltern aber nur weltlichen Ruhm und Gelehrsamkeit suchten. Sie verlangten, Er solle bei ihnen essen. Er nahm es nicht an. Sie baten nochmals um Aufnahme und sagten, dass sie alles erfüllt hätten, was Er ihnen geboten. Da sagte Er ihnen: «Wenn ihr das getan habt, so bedürft ihr nicht meine Schüler zu werden, so seid ihr selbst Meister», und somit wies er sie ab.

Er aß und lehrte bei den Essenern im häuslichen Kreis, und sie sprachen, wie sie auf mancherlei Weise bedrückt würden. Er riet ihnen, auch nach Kapharnaum zu ziehen, wo Er künftig wohnen werde.

Unterdessen hatten die Pharisäer sich untereinander beraten und aufgehetzt und beschlossen, wenn Er heute abend wieder so frei spreche, Ihm zu zeigen, dass Er kein Recht hier habe, und an Ihm auszuüben, was man in Jerusalem längst gewünscht. Sie hofften aber noch immer, Er würde einlenken und Wunder tun aus Respekt vor ihnen. Als Jesus zum Schluss des Sabbat in die Synagoge kam, hatten sie Kranke vor die Synagoge gebracht. Er aber ging durch sie durch und heilte keinen. In der Synagoge fuhr Er fort, von der Fülle der Zeit, von seiner Sendung, von der letzten Zeit der Gnade zu sprechen und von ihrem Verderben und ihrer Strafe, so sie sich nicht besserten, und wie Er gekommen sei, zu helfen, zu heilen und zu lehren. So ärgerten sie sich immer mehr und besonders da Er sprach: «Ihr sagt aber, Arzt heile dich selber! Wie du in Kapharnaum und sonst Wunder getan, tu sie nun auch hier in deiner Vaterstadt! Aber es gilt kein Prophet etwas in seiner Vaterstadt.» - Er verglich die jetzige Zeit mit großer Hungersnot und die einzelnen Städte mit armen Witwen und sagte: «zu Elias' Zeiten bei der Hungersnot waren auch viele Witwen im Land, und der Prophet sei doch zu keiner gesandt worden, als zu der Witwe zu Sarepta, und zu Elisäus' Zeiten seien viele Aussätzige gewesen, und er habe doch nur Naaman den Syrer geheilt», und so verglich Er ihre Stadt mit einem Aussätzigen, der nicht geheilt würde. Sie aber ergrimmten entsetzlich, dass Er sie mit Aussätzigen verglich, und standen von ihren Sitzen auf und tobten gegen Ihn und wollten Ihn ergreifen. Er sagte aber: «Haltet, was ihr lehrt und brecht den Sabbat nicht! Hernach tut, was ihr vorhabt!» Da ließen sie Ihn mit Murren und mancherlei Hohnreden fortlehren und verließen ihre Plätze und gingen hinab gegen die Tür.

Jesus aber lehrte noch weiter und legte seine letzten Worte aus, und dann begab Er sich aus der Synagoge. Ungefähr zwanzig ergrimmte Pharisäer umgaben Ihn vor der Tür und fassten Ihn an und sagten: «Wohlan nun komme mit uns an einen hohen Platz, da magst Du deine Lehre nochmals vorbringen, da wollen wir Dir antworten, wie auf deine Lehre zu antworten ist.» Er sagte ihnen aber, sie sollen Ihn lassen, Er wolle ihnen folgen, und sie gingen rings um Ihn, wie eine Wache, und viel Volk hintendrein. Es war auch ein unbändiges Schmähen und Höhnen im Augenblick, da der Sabbat geschlossen war. Sie tobten durcheinander, jeder wollte einen besseren Hohn anbringen: «Wir wollen Dir antworten! Du sollst zur Witwe von Sarepta gehen! Du sollst Naaman den Syrer heilen! Bist Du Elias, so fahre gegen Himmel, wir wollen Dir einen guten Platz zeigen! Wer bist Du? Warum hast Du deinen Anhang nicht mitgebracht? Du hattest nicht den Mut! Hast Du nicht mit deinen armen Eltern dein Brot gehabt? Und nun, da Du satt bist, willst Du uns schmähen! Aber wir wollen Dich hören! Du sollst reden vor allem Volk unter freiem Himmel: wir wollen Dir antworten!» Und so ging es unter Geschrei des Volkes den Berg hinan. Jesus aber lehrte immer ruhig fort und antwortete auf ihre Reden mit heiligen Sprüchen und tiefen Worten, welche sie teils beschämten, teils mehr ergrimmten.

Die Synagoge lag ganz an der Abendseite von Nazareth. Es ward schon dunkel. Sie hatten ein paar Leuchten bei sich und führten Ihn an der Morgenseite der Synagoge herum, und wendeten sich hinter ihr in einer breiten Straße wieder gegen Abend zur Stadt hinaus. Am Berg aufsteigend kamen sie an einen hohen Rücken, auf dessen mitternächtlicher Seite unten Sumpf war und der gegen Mittag zu einen Felsenvorsprung mit einem steilen Absturz bildete. Es war da eine Stelle, wo sie Verbrecher hinabzustürzen pflegten. Hier wollten sie Jesus nochmals zur Rede stellen und dann hinabstoßen. Der Abgrund ging in eine enge Schlucht. Als sie aber nicht mehr weit von dem Ort waren, stand Jesus, der wie ein Gefangener zwischen ihnen war, still, sie aber gingen schimpfend und höhnend weiter. Ich sah zwei lange, lichte Gestalten in diesem Augenblick neben Jesus und dass er eine Strecke zwischen dem nachdringenden Volk wieder zurückging und dann längs der Stadtmauer auf dem Bergrücken von Nazareth hin bis an das Tor, durch welches Er gestern hereingekommen. Er ging wieder in das Haus der Essener. Es war diesen nicht bange um Ihn gewesen: sie glaubten an Ihn und erwarteten Ihn. Er sprach mit ihnen von diesem Ereignis, sagte ihnen nochmals, nach Kapharnaum zu ziehen, erinnerte sie, dass Er ihnen diese Behandlung vorausgesagt und verließ nach etwa einer halben Stunde die Stadt in der Richtung, als gehe Er gegen Kana zu.

Nichts war lächerlicher als die Torheit, Verwirrung und der Lärm der Pharisäer, als sie Ihn auf einmal nicht mehr zwischen sich sahen. Es war ein Geschrei: «Halt! Wo ist Er? halt!» Das nachgehende Volk drang vor und sie zurück, es war auf dem schmalen Weg ein Gedränge und Getobe, einer ergriff den anderen, sie zankten und schrieen und liefen nach allen Schluchten und leuchteten in die Höhlen meinend, da habe Er sich verkrochen. Sie liefen Gefahr, selbst Hals und Bein zu brechen, und einer schimpfte den andern, dass Er durch seine Schuld entwischt sei. Endlich kehrten sie ganz still wieder um, da Jesus längst aus der Stadt war, und besetzten die ganze Gegend des Berges mit Wachen. Zurückkehrend sagten sie, «da sehe man, wer Er sei, ein Gaukler, der Teufel habe Ihm geholfen. Jetzt werde Er auf einmal in einem andern Winkel wieder hervorkommen und alles in Aufruhr bringen.»

Seinen Jüngern hatte Jesus schon zuvor befohlen, dass sie beim Schluss der Synagoge Nazareth verlassen und Ihn auf dem Weg nach Tarichäa an einem bestimmten Orte erwarten sollten, wohin von Kapharnaum her auch Saturnin mit anderen Jüngern bestellt war. In der Morgendämmerung fanden sich alle mit Jesus wieder zusammen und sie ruhten mit Ihm in einem einsamen Tal. Saturnin hatte Brot und Honig mitgebracht. Jesus redete mit ihnen von dem Ereignis zu Nazareth und wie sie sich ruhig und gehorsam verhalten müssten, um durch zu großes Aufsehen seine Arbeit nicht zu hindern. Dann zogen sie auf einsamen Wegen an Städten vorüber durch Täler gegen den Ausfluss des Jordan aus dem galiläischen Meer. Es lag eine große feste Stadt am Fuß eines Berges am südlichen Ende des galiäischen Meeres nicht weit vom Ausfluss des Jordan auf einer Landzunge. Es führte eine große Brücke und auch ein Damm zu ihr. Zwischen der Stadt und dem See sah man eine sanft abfallende grüne Fläche. Die Stadt heißt Tarichäa.

6. Heilung von Aussätzigen bei Tarichäa. Jesus belehrt die Jünger in Gleichnissen

Jesus ging nicht hinein in die Stadt, sondern nahte auf einem Seitenwege einer südlichen Mauer nicht weit vom Tor, an welche nach außen der Stadt eine Reihe von Hütten für Aussätzige angebaut war. Als Jesus dieser Reihe nahte, sagte Er zu den Jüngern: «Ruft aus der Ferne diese Aussätzigen heraus, dass sie Mir folgen und Ich sie heile! Wenn sie heraustreten, so entfernt euch, dass ihr euch nicht entsetzt und verunreinigt, und sprecht nicht von dem, was ihr seht. Denn ihr wisst den Grimm der Nazarethaner, und ihr müsst jetzt niemanden ärgern.» Da ging Jesus etwas vorwärts gegen den Jordan zu, und die Jünger riefen den Kranken zu: «Kommt heraus und folgt dem Propheten von Nazareth! Er wird euch helfen!» Und als sie die Leute hervorkommen sahen, eilten sie hinweg. Jesus wandelte langsam vom Weg zur Stadt ab zur Gegend des Jordan. Es waren fünf Männer von verschiedenem Alter, welche in langen weiten weißen Kleidern ohne Gürtel und mit einer Kaputze über dem Kopf, die über dem Gesicht einen schwarzen Lappen mit Augenlöchern hatte, aus den Mauerzellen herauskamen und in einer Reihe Jesus bis auf einen abgesonderten Platz, wo Er still stand, nachgingen. Da warf sich der vorderste auf die Erde und küsste den Saum seines Kleides, und Jesus wendete sich zu ihm und legte ihm die Hand auf das Haupt, betete und segnete ihn und hieß ihn zur Seite treten. Dann tat der Zweite und sofort jeder bis zum fünften dasselbe. Nun schlugen sie ihre Gesichtsdecken auf und enthüllten ihre Hände. Die Rinde des Aussatzes löste sich rein von ihnen ab, und Jesus hielt ihnen eine Ermahnung von der Sünde, wodurch sie in diese Krankheit gefallen, und wie sie fortan leben sollten, und befahl ihnen, nicht zu sagen, dass Er sie geheilt habe. Sie erwiderten aber: «Herr, Du erscheinst so plötzlich bei uns! So lange haben wir auf Dich gehofft und nach Dir geseufzt, und hatten niemand, der Dir unser Elend sagte und Dich zu uns führte! Herr Du erscheinst so plötzlich! Wie sollen wir unsere Freude und deine Wunder verschweigen!» Er sagte ihnen nochmals, sie sollten nicht eher davon sprechen, bis sie das Gesetz erfüllt hätten. Sie sollten sich bei den Priestern melden, dass sie rein seien, und die gehörigen Opfer und Reinigungen verrichten, dann könnten sie es sagen, dass Er sie geheilt hätte. Nun warfen sie sich nochmals dankend nieder und kehrten zu ihren Zellen zurück. Jesus aber ging zu den Jüngern gegen den Jordan. Diese Aussätzigen waren nicht ganz versperrt, sie hatten einen abgesteckten Raum, wie weit sie gehen durften. Es kam niemand nahe zu ihnen, man redete aus der Ferne zu ihnen, stellte ihnen Nahrung auf bestimmte Stellen in Schüsseln hin, welche aber nicht wieder zurückgenommen, sondern von ihnen zerschlagen und vergraben wurden. Man brachte immer ein anderes Geschirr von geringem Wert.

Jesus ging mit den Jüngern noch eine weite Strecke durch angenehme Büsche und Alleen gegen den Jordan zu, wo sie an einer einsamen Stelle ruhten und Speise zu sich nahmen. Auf einem Kahn setzten sie dann über den Fluss. Es lagen immer solche Kähne, auf denen man selber überfuhr, an verschiedenen Stellen des Flusses, und diese wurden von Leuten, die an den Ufern arbeiteten und von Strecke zu Strecke am größten Teil des Flusses Hütten bewohnten, immer wieder an die Stelle zurückgeführt, wohin sie gehörten. Jesus ging mit den vier Jüngern nicht dicht an dem See herum, sondern aufwärts gegen Morgen der Stadt Galaad zu. Die vier Jünger bei Ihm waren:

Parmenas von Nazareth, Saturnin, und von den zwei andern hieß der eine Tharzissus, der andere, sein Bruder, Aristobolus. Tharzissus wurde später Bischof in Athen. Aristobolus wurde später dem Barnabas zugeordnet. Ich hörte das mit dem Ausdruck «verbrüdert», aber er war nur sein geistlicher Bruder. Er war viel mit Paulus und Barnabas, und ich meine Bischof in Britania. Sie waren Jesus durch Lazarus zugeführt. Sie waren Ausländer, ich glaube Griechen. Ihr Vater hatte sich vor kurzem in Jerusalem niedergelassen. Sie waren schiffende Handelsleute, ihre Sklaven oder Diener waren auf einem Handelstransport mit ihren Lasttieren zur Lehre Johannes gekommen und hatten sich von ihm taufen lassen. Durch diese wurden ihre Eltern über Johannes und Jesus berichtet, und zogen nun selbst mit den Söhnen zu Johannes. Vater und Söhne ließen sich taufen, nahmen die Beschneidung an und die Familie zog nach Jerusalem. Sie waren nicht ohne Vermögen, und sie haben nachher alles das Ihrige zu der Gemeinde gegeben. Die beiden Brüder waren groß, bräunlich, geschickt, und hatten eine feine Bildung. Sie waren ausgewachsene junge Männer, gewandt und behende, alles zu ordnen und bequem zu machen auf dem Weg.

Aus der Gegend, wo Jesus hinaufging, kam ein Flüsschen herunter: Er ging auch darüber. Der Prophet Elias hat sich einmal daran aufgehalten. Jesus erzählte davon und lehrte die Jünger den ganzen Weg über in lauter Gleichnissen von allerlei Ständen und Gewerben, von jedem Busch, Stein, von jeder Pflanze, jedem Ort und was sich so auf dem Weg darbot, hergenommen. Die Jünger fragten über alles, was sie in Sephoris und Nazareth mit Ihm erlebt hatten. Er sprach mit ihnen von der Ehe in Bezug auf den Disput mit den Pharisäern bei Sephoris, gegen die Scheidung und von der Unverbrüchlichkeit des Jaworts. Die Scheidung sei nur ausgesprochen von Mose für ein rohes sündhaftes Volk.

Sie fragten Ihn auch über den Vorwurf der Nazarethaner, dass Er keine Nächstenliebe habe, und in seiner Vaterstadt, die Ihm doch die nächste sei, nicht habe heilen wollen. Ob man denn seine Landsleute nicht als seine Nächsten halten müsse? Da lehrte sie Jesus sehr lange von der Nächstenliebe und legte ihnen allerlei Gleichnisse und Fragen vor. Er nahm diese Gleichnisse von verschiedenen Ständen in der Welt, auf die Er zu sprechen kam, indem Er auf einzelne Orte deutete, die man in der Ferne von hier sehen konnte, und wo diese und jene Gewerbe besonders getrieben wurden. Er sprach auch, wer Ihm nachfolgen wolle, müsse Vater und Mutter verlassen, und doch das vierte Gebot halten. Er müsse seine Vaterstadt behandeln, wie Er Nazareth, so sie es verdiente, und doch die Nächstenliebe üben. Gott der himmlische Vater sei der Nächste und Der, den Er gesandt habe. Dann sprach Er von der Nächstenliebe der Welt und von den Zöllnern bei Galaad, worauf sie zugingen, diese liebten jene am meisten, die ihnen brav Zoll bezahlten. Er zeigte auch auf Dalmanutha und sagte: diese Zeltmacher und Teppichweber lieben ihre Nächsten, die ihnen viel Zelte abkaufen: ihre eigenen Armen aber lassen sie ohne Obdach.

Dann nahm Er ein Gleichnis vom Sohlen machen her, das sich auf die Neugierde der Nazarethaner bezog. Es hieß darin: «Ich bedarf ihrer Ehre nicht, welche schön gefärbt dasteht, wie die bunten Sohlen auf der Werkstätte der Sohlenmacher, und die nachher unter die Füße in den Kot getreten wird.» Er sagte auch: «Sie sind wie die Sohlenmacher jener gestoßenStadt, auf die Er deutete, ihre eigenen Kinder verschmähen und verachten sie, und so sie in die Fremde gestoßen sind, und irgend etwas gelernt haben von schönen grünen Sohlen, eine neue Mode, so lassen sie dieselben wieder kommen, aus Neugier, und wollen dann prahlen mit den Sohlen, welche wie diese Ehre mit Füßen getreten werden.» Er stellte auch die Frage: «Wenn einer eine Sohle auf der Reise zerreisst und kommt zu diesen Sohlenmachern und will eine kaufen, werden sie ihm wohl die andere dazu schenken?» Ähnlich sprach Er von Fischern, Baumeistern und anderen Ständen.

Die Jünger fragten Ihn auch, wo er denn wohnen wolle? Ob Er in Kapharnaum ein Haus bauen wolle? Er sprach, dass Er nicht auf Sand baue, und erwähnte eine andere Stadt, die Er bauen wolle. Ich verstand es nicht immer, wenn sie gingen. Wenn sie saßen, verstand ich es besser. So viel erinnere ich mich, dass Er ein eigenes Schiffchen haben wolle, um auf dem See hin und herzufahren. Er wolle lehren zu Wasser und zu Land.

Sie gingen in das Land Galaaditis. Hier hatte sich auch Abraham mit Lot aufgehalten und es war damals schon eine Teilung unter ihnen. Jesus sprach davon und sagte ihnen auch, dass sie nicht von den geheilten Aussätzigen sprechen sollten, um niemand zu ärgern, und wie sie sich jetzt besonders behutsam halten möchten, kein Aufsehen zu machen, weil die Nazarethaner gewiss großen Lärm und Hass aufregen würden. Am Sabbat wolle Er wieder in Kapharnaum lehren. Da sollten sie die Nächstenliebe und den Dank der Menschen kennen lernen. Sie würden Ihn anders aufnehmen, als da Er den Sohn des Hauptmanns geheilt.

Sie mochten etwa einige Stunden nordöstlich in einem Bogen vom See gegangen sein, als sie gegen Galaad südlich von Gamala kamen. Es waren in dieser Stadt Heiden und Juden, wie meist in den Städten hier. Die Jünger wären gerne eingekehrt. Jesus aber sagte ihnen, wenn Er hier zu den Juden gehe, würden sie Ihn schlecht aufnehmen und Ihm nichts geben. Gehe Er zu den Heiden, so würden sich die Juden dran ärgern und Ihn verleumden. Er sagte auch von dieser Stadt, dass sie ganz zerstört werde, und dass sie sehr böse sei.

Die Jünger sprachen auch von einem gewissen Agabus, einem jetzt lebenden Propheten aus Argob hier in der Gegend, der seit längerer Zeit vom Wandel Jesu mancherlei Gesichte gehabt und auch unlängst von Ihm prophezeit hatte und später ein Jünger wurde. Jesus sagte, dass seine Eltern Herodianer seien und ihn in dieser Sekte erzogen hätten, er aber habe sich bekehrt. Er nannte die Sekten schön zugedeckte Gräber voll Verwesung.

Die Herodianer waren an der Ostseite des Jordan in Peräa, Trachonitis, Ituräa besonders häufig. Sie hielten sich heimlich und trieben ein dunkles Wesen und unterstützten sich insgeheim. Es kamen viele arme Leute zu ihnen, denen sie plötzlich aufhalfen. Sie waren äußerlich sehr pharisäisch, arbeiteten heimlich auf die Freiheit der Juden von den Römern und hingen mit Herodes zusammen. Sie trieben ein Wesen wie die Freimaurer. Ich fühlte bei den Worten Jesu, dass sie sich sehr heilig und edel anstellten, aber Heuchler waren.

Jesus blieb in einiger Entfernung von Galaad in einer Zöllnerherberge mit den Jüngern. Es waren da viele Zöllner zusammen, denen die Heiden Zoll für eingeführte Waren bezahlten. Sie schienen Ihn nicht zu kennen und Er redete sie nicht an, lehrte aber hier von der Nähe des Reiches und von dem Vater, der seinen Sohn in den Weinberg sendet, und gab es ganz deutlich zu verstehen, dass Er der Sohn sei, sagte auch, dass alle jene Kinder des Vaters seien, welche dessen Willen täten, wodurch ihnen die Sache wieder verhüllt wurde. Er ermahnte sie zur Taufe und es bekehrten sich mehrere und fragten, ob sie sich bei des Johannes Jünger taufen lassen sollten? Er antwortete, sie sollten harren, bis durch seine Jünger dort getauft werde. Die Jünger fragten Ihn heute auch, ob seine Taufe anders als des Johannes Taufe sei, weil sie Johannes Taufe empfangen. Er machte einen Unterschied und nannte jene eine Abwaschung der Buße.

In seiner Lehre vor den Zöllnern kam etwas von der Dreieinigkeit vor, von Vater, Sohn und Heiligen Geist in ihrer Einheit: doch ganz anders ausgesprochen. Diese Jünger hier scheuten sich gar nicht vor den Zöllnern.

Weil Jesus in Nazareth bei den Essenern gewohnt und die Pharisäer Ihm dieses auch vorgeworfen hatten, so fragten die Jünger nach den Essenern, und ich hörte, dass Jesus sie frageweise lobte. Er sprach allerlei Fehler gegen die Nächstenliebe und Gerechtigkeit aus und fragte dabei immer: tun die Essener dies? Tun die Essener jenes? usw.

In der Nähe von Galaad schrieen Jesus einige Besessene an, welche vor der Stadt in einer wüsten Gegend herumliefen. Sie waren ganz verlassen und raubten und töteten hier herum die Leute, und trieben allerhand Gräuel. Er sah nach ihnen hin und segnete sie, da wurden sie still und befreit und eilten zu Ihm und fielen zu seinen Füßen. Er ermahnte sie zur Buße und zur Taufe, und befahl ihnen zu warten, bis seine Jünger zu Ainon taufen würden. Bei Galaad war es steinig, ein weißer bröckliger Felsgrund.

Von da zog Jesus mit den Jüngern über die Berge, auf deren Südende Gamala liegt, in nordwestlicher Richtung dem See zu. Er kam an Gergesa vorüber, das in der Entfernung ungefähr von einer Stunde in einer Vertiefung des Bergrückens lag und einen Sumpf in der Nähe hatte, welcher von einem abgedämmten Bach entstand, der durch eine Schlucht in den See hinabfloss. Jesus sprach auf dem Weg mit den Jüngern von diesem Ort: ein Prophet sei einstens wegen seiner schiefen Gestalt von den Gergesenern sehr verspottet worden, und habe ihnen hierauf gesagt: «Hört ihr, die ihr meiner spottet, eure Kinder werden verstockt bleiben, wenn ein größerer als ich, hier lehren und heilen wird, und sie werden sich nicht freuen über das Heil aus Betrübnis über den Verlust von unreinen Tieren.» Es war dies eine Weissagung auf Jesus Christus und das Fahren der Teufel in die Schweine.

Jesus sprach mit den Jüngern auch davon, was Ihn zu Kapharnaum erwarte. Die Pharisäer aus Sephoris erbittert über seine Lehre von der Scheidung hätten nach Jerusalem geschickt, und die Nazarethaner hätten sich mit ihnen in ihren Klagen vereinigt. Und nun sei eine ganze Rotte von Pharisäern aus Jerusalem, Nazareth und Sephoris nach Kapharnaum gesandt, um dort auf Ihn zu lauern und wider Ihn zu streiten.

Auf diesem Weg begegneten ihnen große Züge von Heiden mit Maultieren und Ochsen, welche dicke Mäuler hatten, und mit schweren breiten Hörnern gesenkten Hauptes gingen. Es waren Handelskarawanen, welche von Syrien nach Ägypten zogen, und teils in der Gegend von Gerasa überschifften, teils höher oben über die Jordansbrücke zogen. Auch waren viele Leute dabei, welche sich an diese Züge angeschlossen hatten, um den Propheten zu hören. Eine Schar von ihnen kam zu Jesus heran und fragte, ob der Prophet in Kapharnaum lehre? Er aber sagte ihnen, sie sollten jetzt nicht nach Kapharnaum ziehen, sondern sich an dem Bergabhang nördlich bei Gerasa lagern, der Prophet werde bald dahinkommen. Er sprach aber so mit ihnen, dass sie sagten: «Herr, Du bist auch ein Prophet!» und sein Anblick machte sie zweifeln, ob Er es nicht selbst sei.

Als Jesus mit seinen Jüngern vor Gerasa in einer Herberge einkehrte, war ein solches Gedränge von Heiden und Reisenden, dass Jesus sich gleich absonderte. Aber die Jünger sprachen noch mit den Heiden von dem Propheten und belehrten sie.

Gerasa liegt am Abhang eines Tals, das vom See etwa anderthalb Stunden entfernt ist. Es ist größer und auch reinlicher als Kapharnaum, und wie schier alle Städte hier herum, heidnisch gemischt. Es sind Tempel hier. Die Juden sind der unterdrückte Teil: haben aber doch eine Schule und Lehrer. Es ist viel Handel und Gewerbe hier. Denn es kommen die Karawanen von Syrien und Asien nach Ägypten hier durch. Ich habe vor dem Tor ein langes Gebäude gesehen, wohl eine halbe Viertelstunde lang, worin lange eiserne Stangen und auch eiserne Röhren geschmiedet wurden. Sie schmiedeten die Stangen platt und löteten sie rund zusammen, es wurden auch bleierne Röhren gemacht. Sie arbeiteten nicht mit Holzfeuer, sondern brannten schwarze Klumpen, die sie aus der Erde herausholten. Das Eisen kommt aus Argob hierher.

Die durchziehenden Heiden hatten sich nördlich von Gerasa an der Südseite des Bergvorsprunges aufwärts steigend gelagert. Es waren auch Heiden aus der Stadt dort und einige Juden, die abgesondert standen. Die Heiden waren anders als die Juden gekleidet, sie hatten Röcke bis ans halbe Bein. Es mussten auch reiche dabei sein, denn ich sah Frauen, welche ihre Haare ganz zu einer Perlenkappe eingeflochten hatten. Einige hatten über dem Schleier heraus die Haare mit Perlen in ein Körbchen geflochten.

Jesus begab sich auf diese Anhöhe, lehrte die Scharen den Berg aufwandelnd, indem Er ihnen entlang ging und bald hier bald dort stehen blieb. Er wandelte hin und her und lehrte auf Art einer Unterhaltung mit den Reisenden. Er redete sie an mit Fragen und unterrichtete sie mit Antworten. Er fragte: «Wo seid ihr her? Was bewegt euch zu der Reise? Was erwartet ihr von dem Propheten?» und lehrte, wie sie werden müssen, um des Heils teilhaftig zu werden. Er sagte: «Selig sind die, welche so weit und mühsam gereist kommen, das Heil zu suchen! Wehe denen aber, unter denen es aufsteht, und die es nicht aufnehmen!» Er erklärte die Weissagung vom Messias, der Berufung der Heiden und erzählte die Berufung und den Zug der heiligen drei Könige, von welchen die Leute wussten.

Unter den Karawanen befanden sich auch Leute aus der Gegend und Stadt, wo der Diener Abgars von Edessa, der Jesus Bild und Brief dahin überbrachte, auf der Rückreise bei dem Ziegelofen übernachtet hatte. Jesus heilte keine Kranken hier. Die Leute waren meistens sehr gutmütig. Doch war eine Partei darunter, welche es gereute, mitgezogen zu sein. Sie hatten etwas ganz anderes von dem Propheten erwartet, was ihren Sinnen mehr schmeichelte.

Nach diesen Lehren, bei welchen Jesus auch in mancherlei Gleichnissen sprach, ging Er mit den vier Jüngern zu einem pharisäischen Judenlehrer speisen, welcher vor der Stadt wohnte und Ihn zu Gast geladen hatte, aber aus Hoffart nicht bei seiner Heidenlehre erschienen war. Es waren noch einige andere Pharisäer aus der Stadt zugegen. Sie nahmen Jesus sehr freundlich, aber heuchlerisch auf. Es ergab sich bei Tisch eine Gelegenheit, ihnen tüchtig die Wahrheit zu sagen. Ein heidnischer Sklave oder Diener brachte eine schöne bunte Schüssel mit allerlei köstlichem, aus Gewürzen zusammengekneteten Zuckerwerk, das in Figuren von Vögeln und Blumen geformt war, auf den Tisch. Einer der Anwesenden machte großen Lärm, dass an der Schüssel etwas Unreines sei, stieß den armen Sklaven zurück, beschimpfte ihn und setzte ihn unter andere Diener hinab. Da sagte Jesus: «Nicht die Schüssel, sondern was darin ist. ist voll Unreinigkeit.» Der Hausherr erwiderte: «Er irre, das Zuckerwerk sei ganz rein und köstlich.» Jesus sagte aber so viel als: «Es ist sehr unrein, denn es ist nichts, als aus Schweiß, Blut, Mark und Tränen der Witwen, Waisen und Armen zusammengeknetete Wollust», und hielt ihnen eine noch scharfe Lektion über ihr Treiben und Verschwenden, ihren Geiz und ihre Heuchelei. Sie wurden darüber sehr erbittert, konnten aber nichts erwidern und verließen das Haus bis auf den Hausherrn, der immer Jesus noch sehr heuchlerisch schmeichelte und eigentlich etwas zu erlauern hoffte, das er der Versammlung zu Kapharnaum gegen Ihn vorbringen könnte.

Gegen Abend lehrte Jesus nochmals die Heiden an dem Berg. Als sie fragten, ob sie sich bei Johannes Jüngern taufen lassen sollten und den Wunsch äußerten, sich hier im Land niederzulassen, riet Jesus ihnen, noch mit der Taufe zu warten, bis sie besser belehrt seien, und vorerst über den Jordan nach Obergaliäa in die Gegend von Adama zu ziehen, wo bereits belehrte Heiden und gute Leute seien, und wo Er auch noch lehren werde. Er lehrte sie noch bei Fackelschein. Dann verließ Er sie und ging zum Seeufer hinab bis zur Stelle, wo die Knechte des Petrus mit einer Barke auf Ihn warteten. Es war spät. Die drei Schiffsknechte gebrauchten Leuchten, da sie etwa eine halbe Stunde unterhalb Bethsaida-Julias sich einschifften. Das Schiffchen, worin Jesus überfuhr, hatten Petrus und Andreas mit ihren Knechten für Jesus gezimmert. Sie waren nicht bloß Schiffer und Fischer, sie bauten sich auch ihre Schiffe selber. Petrus hatte drei Schiffe und darunter ein sehr großes, so lang wie ein Haus. Das Schiffchen Jesu fasste etwa zehn Mann, es war der Breite und Länge nach ungefähr wie ein Ei gestaltet. Der hintere und vordere Teil war ein geschlossener Behälter, wo man allerlei aufbewahren und auch die Füße waschen konnte. In der Mitte stand der Mast und von dem Rand des Schiffes stützten Stangen gegen diesen. Oben um diese Stangen konnte man das Segel drehen. Um den Mast befanden sich Sitze. Auf diesem Schiffchen hat Jesus nachher oft gelehrt und ist darauf gegen das Ufer gefahren zwischen den anderen Schiffen herum. Die großen Schiffe hatten um den Mast runde terrassenförmige Verdecke, wie Galerien übereinander, worunter man durchsehen konnte, und oben konnte man mit Segeltuchwänden sich rund um Zellen absondern. An den den Mast stützenden Stangen waren Sprossen zum aufklettern, an beiden Seiten des Schiffes waren schwimmende Kasten oder Tonnen, wie Flügel oder Flossfedern, dass das Schiff im Sturm nicht umschlagen konnte, und welche sie beschwerten oder erleichterten, um das Schiff höher oder tiefer gehen zu machen. Manchmal waren sie mit Wasser gefüllt, manchmal leer. Auch pflegten die gefangenen Fische darin aufbewahrt zu werden. Man konnte Bretter hinten und vorn am Schiff herausschieben, um besser zu diesen Kasten, oder auch auf benachbarte Schiffe zu kommen und um die Netze zu ziehen. Wenn nicht gefischt wurde, führten sie auch Karawanen und Reisende über den See. Die Fischer- und Schifferknechte waren meist Sklaven, Heiden. Auch Petrus hatte Sklaven.

7. Jesus im Hause des Petrus, Massnahmen der Pharisäer Die Heilungen

Jesus landete oberhalb Bethsaida nicht weit vom Haus der Aussätzigen, wo Petrus, Andreas, Johannes, Jacobus Major und Minor, und Philippus seine Ankunft erwarteten. Er ging mit ihnen nicht durch Bethsaida, sondern auf dem kürzeren Weg über die Höhe zum Wohnhaus des Petrus im Tal zwischen Bethsaida und Kapharnaum, wo Maria und die anderen Frauen versammelt waren. Schwiegermutter des Petrus lag krank zu Bett. Jesus besuchte sie: heilte sie aber noch nicht. Es wurden Ihm die Füße gewaschen und es war ein Mahl, bei dem hauptsächlich davon die Rede war, dass von den verschiedenen Hauptschulen in Judäa und Jerusalem fünfzehn Pharisäer nach Kapharnaum gesandt worden seien, um auf Jesus zu lauern. Von den größeren Orten waren je zwei, von Sephoris nur einer, von Nazareth aber war jener junge Mann nach Kapharnaum gekommen, der Jesus schon mehrmals um Aufnahme gebeten, von Ihm aber noch das letztemal abgewiesen war. Er war als Schriftgelehrter der Kommission beigeordnet und hatte kurz zuvor noch geheiratet. Jesus sagte nun den Jüngern: «Seht, für wen ihr Mich gebeten! Er kommt, auf Mich zu lauern und verlangt mein Jünger zu sein!» Dieser junge Mensch wollte aus Eitelkeit zu Jesus, und weil Er ihn nicht aufnahm, hielt er sich nun zu Jesu Feinden. Es sollten diese Pharisäer sich länger in Kapharnaum aufhalten. Von den paarweise Angekommenen sollte einer zurückkehren und berichten, und der zweite sollte in Kapharnaum bleiben und auf Jesu Tun und Lehren lauern. Sie hatten bereits eine Versammlung gehalten und den Hauptmann Serobabel, Sohn und Vater, vor sich gehabt und über die Heilung und Lehre ausgefragt. Sie konnten die Heilung nicht leugnen, die Lehre nicht verwerfen. Doch waren sie nicht zufrieden, wie alles geschah. Es ärgerte sie, dass Jesus nicht bei ihnen studierte, dass Er mit gemeinen Leuten, Essenern, Fischern, Zöllnern und Sündern umging, dass Er keine Sendung von Jerusalem aus hatte, dass Er sie nicht als Gelehrte um Rat fragte, kein Pharisäer oder Sadduzäer war, dass Er bei den Samaritern gelehrt und am Sabbat heilte. Kurz, Er war ihnen nicht recht, weil sie sich selbst verachten mussten, wenn sie Ihn anerkannten. Der junge Mann von Nazareth war besonders ein heftiger Feind der Samariter, die er auf alle Weise verfolgte.

Die Freunde und Verwandten Jesu wünschten nicht, dass Er am Sabbat in Kapharnaum lehre, selbst seine Mutter war besorgt und sie äußerte sich, Er solle doch lieber wieder auf die andere Seite des Sees gehen. Bei solchen Gelegenheiten sprach Jesus kurz ablehnend, ohne Auseinandersetzungen.

Es waren in Bethsaida und Kapharnaum große Scharen von Kranken, Heiden und Juden. Mehrere Züge jener Reisenden, welche Jesus jenseits des Sees neulich begegnet waren, warteten hier auf Ihn. Bei Bethsaida waren große offene Herbergen mit Schilf gedeckt für Heiden und Juden getrennt. Oberhalb des Orts waren die heidnischen, unterhalb die jüdischen Bäder.

Petrus hatte viele jüdische Kranke in den Inbegriff seines Hauses aufgenommen, und Jesus heilte viele davon am Morgen des andern Tages. Er hatte dem Petrus gestern abend gesagt, er solle für heute seine Fischerei sein lassen und Ihm bei der Menschenfischerei helfen, bald werde Er ihn ganz abrufen. Petrus gehorchte, aber er war dabei in einiger Verlegenheit. Er hatte immer die Meinung, das Leben mit dem Herrn sei ihm zu hoch, er verstehe das nicht. Er glaubte, er sah die Wunder, er teilte gern alles mit, tat alles gern. Aber er meinte immer, er tauge doch nichts dazu, er sei zu einfältig, er sei nicht würdig, und daran knüpfte sich eine geheime Sorge um sein Geschäft. Auch war es ihm manchmal verdrießlich, dass man auf ihn schmähte, wie er, ein einfältiger Fischer, sich mit dem Propheten herumtreibe, in seinem Haus eine Niederlage von Schwärmerei und Aufruhr habe und sein Geschäft vernachlässige. Alles das kämpfte noch in ihm, denn er war nicht so begeistert so feurig wie Andreas und die andern damals, doch voll Glaube und Liebe. Aber er war schüchtern, an sein Geschäft gewöhnt und demütig und hielt sich gern in seiner Einfalt bei seinem Gewerbe auf.

Jesus ging von der Wohnung des Petrus über den Bergrücken dem nördlichen Ende von Bethsaida zu. Dieser ganze Weg war mit kranken Heiden und Juden angefüllt. Doch waren sie getrennt und die Aussätzigen ganz weit abgesondert. Es waren Blinde, Lahme, Stumme, Taube, Gichtbrüchige und besonders viele wassersüchtige Juden. Die Heilungen gingen mit größter Ordnung und Feierlichkeit vor. Die Leute waren schon zwei Tage hier, und die hiesigen Jünger, Andreas, Petrus und die anderen, welchen Jesus seine Ankunft gemeldet hatten sie bequem geordnet, denn es waren auf diesem Wege mehrere abgesonderte schattige Bergwinkel und Gärtchen. Jesus lehrte und ermahnte die Kranken, welche scharenweise im Kreis um Ihn getragen oder geleitet wurden. Mehrere verlangten, Ihm ihre Verbrechen zu bekennen, und Er trat mit ihnen an einen abgesonderten Ort. Sie sanken bekennend und weinend vor Ihm nieder. Unter den Heiden waren mehrere, welche Mord und Raub auf ihren Reisen begangen hatten. Manche ließ Jesus eine Zeitlang liegen, wendete sich zu anderen, und erst später wieder zu ihnen, sprechend: «Steh auf! Deine Sünden sind dir verziehen!» Unter den Juden waren Ehebrecher und Wucherer. Wenn Er ihre Reue erkannt hatte und ihnen den Ersatz befohlen, betete Er mit ihnen, legte ihnen die Hände auf und sie genasen. Vielen befahl Er, sich noch in einem Bad zu reinigen. Manche Heiden wies Er zur Taufe oder zu den bekehrten Heiden in Obergaliläa. Eine Schar trat nach der anderen vor Ihn, und die Jünger erhielten die Ordnung.

Jesus ging auch durch Bethsaida, wo es voll von Menschen, wie auf einer großen Wallfahrt war, und heilte auch hier in verschiedenen Herbergen und auf der Straße. Im Haus des Andreas war eine Erquickung bereitet. Hier waren auch Kinder: die etwa zehnjährige Stieftochter des Petrus mit anderen Mädchen ihres Alters, und zwei andere Töchterchen von etwa zehn und acht Jahren und ein Knabe des Andreas, der ein gelbes Röckchen mit einem Gürtel trug. Es waren auch ältere Frauen bei ihnen. Sie standen unter einem Obdach des Hauses und sprachen von dem Propheten, ob Er bald komme, liefen ab und zu, forschend, ob Er sich nahe. Sie waren hier, um Ihn zu sehen, denn gewöhnlich wurden die Kinder sehr zurückgehalten. Jesus, vorübergehend, blickte sie an und segnete sie. Ich sah Jesus nachher wieder zum Haus des Petrus zurückkehren und viele Leute heilen. Er hat wohl hundert Menschen heute geheilt, ihnen die Sünden vergeben und sie für die Zukunft angewiesen, was sie beginnen sollten.

Ich habe wieder gesehen, dass die Heilungsarten Jesu sehr verschieden waren, und dass Er wahrscheinlich so heilte, um den Jüngern zu zeigen, wie sie es nachher selbst und die Kirche zu ewigen Zeiten es machen sollte. In allem seinem Tun und Leiden war eine menschliche Form und Gestalt. Nichts war gauklerisch und plötzlich verwandelnd. Ich sah bei allen Heilungen einen gewissen Übergang nach Art der Krankheiten und Sünden. Ich sah bei allen, über die Er betete oder denen Er die Hand auflegte, eine Stille und Innerlichkeit von einigen Augenblicken eintreten, und sie erhoben sich genesend wie aus einer kleinen Ohnmacht. Lahme erhoben sich sanft, warfen sich vor Ihm nieder und waren gesund. Die ganze Kraft und Behendigkeit der Glieder trat erst nach einiger Zeit ein, bei einigen nach Stunden, bei andern nach Tagen. Ich sah Wassersüchtige, die nahe zu Ihm hinwanken konnten, und solche, die getragen wurden. Er legte ihnen meistens die Hand auf Kopf und Magen: sie konnten nach seinen Worten sogleich sich aufrichten und gehen, fühlten sich ganz leicht und das Wasser ging in Schweiß von ihnen. Aussätzige verloren gleich nach seiner Heilung die Schuppen, hatten aber doch noch rote Male, wo der Aussatz gesessen. Sehend sprechend hörend Gewordene hatten am Anfang noch das Gefühl der Ungewohnheit dieser Sinne. Ich sah Gichtgeschwollene geheilt, sie waren schmerzlos und konnten gehen. Die Geschwulst war nicht wie weggeflogen, sondern sie wich nur sehr bald. Krampfhafte waren gleich geheilt, die Fieber wichen. Die Menschen waren nicht im Augenblick wieder ganz stark und frisch, sie genasen wie eine verwelkte Pflanze nach dem Regen. Die Besessenen sanken gewöhnlich in kurze Ohnmacht und erholten sich dann frei, aber müde und mit beruhigtem Antlitz. Es ging alles sehr ruhig und ordentlich her, und nur den Ungläubigen und Feindseligen hatten die Wunder Jesu etwas Schreckliches.

Die Heiden, welche hierher gezogen kamen, waren meistens durch Leute, welche bei des Johannes Taufe und Lehre gewesen, auch durch Heiden aus Obergaliäa und wo sonst Jesus gelehrt und geheilt hatte, aufmerksam geworden und begehrten nach Unterricht. Manche hatten des Johannes Taufe, andere nicht. Jesus befahl ihnen nicht die Beschneidung. Er lehrte, wenn sie darüber fragten, von der Beschneidung des Herzens und aller Sinne und wie sie sich verhalten sollten. Er lehrte sie Nächstenliebe, Mäßigkeit, Abbruch, befahl ihnen die zehn Gebote zu halten, lehrte sie einzelne Teile eines Gebetes, wie einzelne Bitten des Vaterunsers und sagte ihnen auch, dass Er ihnen Jünger senden wolle.

8. Jesus lehrt und heilt in Kapharnaum

Am Vorabend wurden in Bethsaida und Kapharnaum Fahnen mit Knoten und Fruchtschnüren auf den Synagogen und öffentlichen Häusern ausgehängt, weil der letzte Tag des Monats Ab eintrat und mit dem Sabbat der erste Elul begann. Nachdem Jesus am Morgen noch viele kranke Juden in Bethsaida geheilt hatte, ging Er mit den Jüngern zum Haus des Petrus dicht vor Kapharnaum, wohin die Frauen schon vorausgegangen waren und wo Ihn wieder viele Kranke erwarteten. Es waren zwei taube Männer dabei, denen Jesus die Finger in die Ohren legte. Zwei andere wurden herangeführt die kaum gehen konnten, deren Arme unbeweglich steif und die Hände dick geschwollen waren. Jesus legte ihnen die Hand auf und betete und fasste sie bei beiden Händen und bewegte diese auf und ab und sie waren genesen. Die Geschwulst aber wich nicht augenblicklich, sondern nach ein paar Stunden. Er ermahnte sie auch, ihre Hände künftig zur Ehre Gottes zu gebrauchen; denn sie waren wegen Sünden in diesem Zustand. Er heilte noch viele und ging dann zum Sabbat in die Stadt.

Es waren unbeschreiblich viele Leute darin. Man hatte auch die Besessenen aus dem Gefängnis losgelassen und sie liefen Jesus auf den Straßen entgegen und schrieen Ihn an. Er befahl ihnen aber zu schweigen und auszufahren. Da folgten sie ruhig zur Synagoge zum Erstaunen aller Menschen und hörten seine Lehre. Die Pharisäer und besonders die fünfzehn Neuangekommenen saßen um seinen Lehrstuhl her und behandelten Ihn mit wirklicher Scheu und mit geheuchelter Ehrfurcht. Sie gaben Ihm die Rollen, und Er lehrte aus Isaias (Kap. 49.1, dass Gott seines Volkes nicht vergessen habe. Er las: wenn auch eine Frau ihres Kindes vergessen könne, so würde Gott seines Volkes doch nicht vergessen, und legte aus dem folgenden aus, dass Gott durch die Gottlosigkeit der Menschen nicht gebunden werden könne, sich der Verlassenen zu erbarmen. Es sei die Zeit nun gekommen, wovon der Prophet spreche, Sions Mauern sehe Er immerdar. Jetzt sei die Zeit, wo die Zerstörer fliehen würden und die Baumeister kommen. Er würde viele versammeln, sein Heiligtum zu zieren. Es würden so viele fromm und gut, so viele würden Wohltäter und Führer des armen Volkes werden, dass die unfruchtbare Synagoge sagen werde: wer hat mir diese Kinder gezeugt? Die Heiden werden sich zur Kirche bekehren, die Könige ihr dienen! Der Gott Jakobs werde dem Feind, werde der verdorbenen Synagoge ihre Leute entreißen und werde die, welche sich am Heiland wie Mörder vergreifen, gegeneinander wüten, und sich einander selbst erwürgen lassen (Is 50. 1. usw.). Er legte dieses auf den Untergang von Jerusalem aus, so es das Reich der Gnade nicht annehme. Gott frage, ob Er sich denn von der Synagoge geschieden habe? Ob sie dann einen Scheidebrief habe? Ob er dann sein Volk verkauft habe? Ja! Wegen der Sünden seien sie verkauft! Die Synagoge sei wegen ihrer Verbrechen verlassen! Er habe gerufen und gemahnt und es habe niemand geantwortet. Aber Gott sei mächtig, Er könne Himmel und Erde erschüttern. Alles legte Jesus auf seine Zeit aus. Er bewies, dass alles erfüllt sei. Er sagte, dass der Vater Ihn gesandt habe, das Heil zu verkünden und zu bringen, und die von der Synagoge Verlassenen und Verführten zu sammeln, und da Er die Stelle aussprach, als von sich, «Gott der Herr habe Ihm eine weise Zunge gegeben, die Verlassenen, Verirrten zurückzuführen, Er habe Ihm die Ohren früh geöffnet, seine Gebote zu hören und Er habe nicht widersprochen». Als Jesus dies sagte, nahmen es die Pharisäer ganz plump, als lobe Er sich selber. Wenn sie gleich von seiner Rede hingerissen waren und nach der Lehre zueinander sagten, «nie habe ein Prophet so gelehrt», so zischelten sie sich dennoch in die Ohren. Er legte dann noch die Stelle des Propheten, dass Er sich gewiss Mühe um sie gegeben habe, dass Er sich habe ins Angesicht schlagen und seinen Leib habe geißeln lassen, auf die Verfolgung aus, die er erduldet und noch erdulden werde. Er sprach von seiner Misshandlung in Nazareth: aber wer Ihn verdammen wolle, der solle hervortreten! Alle seine Feinde würden veralten und verfallen mit ihrer Lehre, der Richter werde über sie kommen. Die Gottesfürchtigen sollten seine Stimme hören, die Unwissenden ohne Erleuchtung sollten zu Gott rufen und hoffen! Das Gericht werde kommen, und die das Feuer angezündet, würden dann zu Grunde gehen (Is 50, 7). Das legte Er wieder auf den Untergang des jüdischen Volkes und Jerusalems aus.

Sie konnten Ihm kein Wort widersprechen, sie hörten ganz still zu, nur zischelten sie sich in die Ohren und höhnten und waren doch hingerissen. Er erklärte auch noch etwas aus Mose, das kommt aber immer zuletzt, und fügte noch eine Parabel an und sprach diese mehr zu seinen Jüngern, und zwar dem verräterischen jungen nazarethischen Schriftgelehrten zu Gehör. Es war die Parabel von den ausgeliehenen Talenten, weil dieser so eitel auf seine Kenntnisse war. Er wurde dadurch innerlich sehr beschämt, aber nicht gebessert. Jesus führte die Parabel nicht ganz so an, wie sie im Evangelium steht, aber ganz ähnlich.

ZUr Synagoge heilte Er noch auf der Straße und ging dann vor das Tor mit seinen Jüngern in das Haus des Petrus. Es waren auch Nathanael Chased und der Bräutigam und Thaddäus zu diesem Sabbat hierher von Kana gekommen. Thaddäus hielt sich öfters dort auf. Er ging überhaupt viel her und hin im Land, denn er handelte mit Fischernetzen, Segeltuch, Strickwerk. Das Haus wurde wieder voll von Kranken in der Nacht und es waren abgesondert auch mehrere blutflüssige Frauen da. Andere brachten Frauen auf einem Tragbett ganz eingewickelt. Sie sahen bleich und elend aus, und hatten schon lange sich nach seiner Hilfe gesehnt. Diesmal legte Er ihnen die Hände auf, und segnete sie, die Bettlägerigen befahl Er loszuwickeln und ihnen aufzustehen. Eine half der andern. Er ermahnte und entließ sie. In der Nacht sonderte Jesus sich zum Gebet ab.

Die lauernden Pharisäer in Kapharnaum hatten den Zweck ihrer Sendung nicht öffentlich ausgesprochen und hatten den Hauptmann Serobabel auch nur heimlich ausgefragt. Sie hielten sich hier auf unter dem Vorwand, wie manche Juden an andere Orte auf den Sabbat zu reisen, besonders wo ein berühmter Lehrer war, und auch weil viele in die Gegend Genezareth kommen, sich von Geschäften in der Schönheit und Fruchtbarkeit derselben zu erholen.

Am folgenden Tag ging Jesus sehr früh nach Kapharnaum. Es waren unbeschreiblich viele Menschen und Kranke vor der Synagoge versammelt, von denen Er viele heilte. Als Er in die Synagoge hineinkam, wo die Pharisäer sich versammelt hatten, schrieen Ihm viele Besessene entgegen, und einer, der besonders rasend war, kam gegen Ihn gerannt und schrie: «Was haben wir mit Dir Jesus von Nazareth? Du kamst uns zu verderben! ich weiß, Du bist der Heilige Gottes!» Da befahl ihm Jesus zu schweigen und von ihm auszufahren. Der Mensch stürzte zurück unter die andern und zerrte sich, aber der Teufel fuhr aus und schrie und der Mensch wurde ganz ruhig und warf sich vor Jesus nieder. Da sagten viele Leute, und besonders die Jünger den Pharisäern zu Gehör, die sich darüber ärgerten: «Was ist doch das für eine neue Lehre? Wer mag er sein? Er hat Gewalt über die unreinen Geister!»

Es war aber eine so erstaunliche Volksmenge, und waren so viele Kranke in und um der Synagoge, dass Jesus auf einer Stelle der Synagoge lehren musste, welche nach innen und auch zum menschenvollen Vorhof sah. Es standen die Pharisäer um Ihn nach innen, und nach außen lehrte Er zum Volk. Er wendete sich bald herein bald heraus. Die Hallen um die Synagoge waren geöffnet und die Zuhörer füllten nicht allein den Vorhof, sondern standen auch auf den flachen Dächern der den Vorhof einschließenden Gebäude, auf welche Stufen hinauf führten. Unten befanden sich Zellen und Räume für betende und büßende. Den Kranken waren besondere Plätze eingeräumt.

Jesus lehrte wieder sehr lebhaft aus Isaias und deutete alles auf diese Zeit und auf sich. «Die Zeiten seien erfüllt und das Reich nahe sich. Immer hätten sie sich nach der Erfüllung der Prophezeiungen gesehnt und den Propheten und Messias verlangt. der ihre Bürde ihnen abnehme. Wenn Er da sein werde, werden sie Ihn nicht wollen, weil Er nicht nach ihren verkehrten Vorstellungen sein werde.» Er nannte nun die Zeichen des Propheten, nach deren Erfüllung sie sich immer sehnten, die sie noch in den Schulen aus den Rollen lasen und darum beteten und zeigte deren Erfüllung. Er sagte: «Die Lahmen werden gehen, die Blinden sehen, Taube hören. Tun sie es etwa nicht? Was will diese Versammlung der Heiden zur Lehre? Was schreien die Besessenen? Warum fahren die Teufel aus? Warum loben die Genesenen Gott? Verfolgen Ihn die Verderber nicht? Umgeben Ihn nicht die Lauerer? Aber sie werden den Sohn des Weinbergsherrn hinausstoßen und erschlagen, und wie wird es ihnen ergehen? Wollt ihr das Heil nicht annehmen, so soll es doch nicht verloren sein, und ihr sollt es den Armen, Kranken, Sündern und Zöllnern, den Büßenden, den Heiden selbst nicht wehren, zu denen es sich von euch abwenden wird!» Auf diese Art war der Inhalt seiner Lehre. Er sagte auch: «Ihr erkennt Johannes als einen Propheten, den sie gefangen haben! Geht zu ihm in sein Gefängnis, fragt ihn, wessen Wege er bereitet hat und von wem er Zeugnis gibt!» Indem Er so lehrte, wurde der Grimm der Pharisäer immer größer, und sie zischelten und murrten sich in die Ohren.

Es schleppten aber unter seiner Lehre acht halbkranke Männer vier an einer unreinen Krankheit leidende vornehme Männer aus Kapharnaum zur Synagoge, nach einer Stelle in den Vorhof, wo Jesus sie sehen, und sie seine Worte hören konnten. Sie durften ihrer Krankheit halber nur an einer Seite durchgebracht werden, die jetzt aber durch das Gedränge eingenommen war, und deswegen mussten die Halbkranken die Bettlägerigen an einer Stelle über ein Mauerwerk heben und sich durch die Leute drängen, welche wichen, weil sie unrein waren. Als die Pharisäer dieses sahen, ärgerten sie sich und murrten über diese Leute, als offenbare Sünder, welche an einer unreinen Krankheit litten, und sprachen laut davon, welche Unordnung dies sei, dass solche Leute sich in ihre Nähe wagten! Da ihre Reden durch das Volk fortgehend zu diesen Kranken kamen, wurden sie sehr traurig und fürchteten sich, da Jesus ihre Sünden vernommen, möchte Er sie nicht heilen. Sie waren aber voll Reue und hatten sich längst nach seiner Hilfe gesehnt. Als Jesus aber dieses Murren der Pharisäer hörte, wendete Er sich im Augenblick, da die Kranken so betrübt wurden, hinaus mit seiner Rede zum Vorhof, wo sie lagen, sah sie liebevoll und ernst an und rief ihnen zu: «Euere Sünden sind euch vergeben!» Da brachen die armen Leute in Tränen aus. Die Pharisäer aber murrten mit großer Erbitterung: «Wie wagt Er das zu sagen? Wie kann Er Sünden vergeben!» Jesus aber sagte: «Folgt Mir hinab, und, seht was ich tue! Was ärgert ihr euch, dass Ich den Willen meines Vaters tue? Wollt ihr nicht das Heil, so sollt ihr es den Bußfertigen doch nicht missgönnen! Ihr ärgert euch, dass Ich am Sabbat heile. Ruht die Hand des Allmächtigen am Sabbat, Gutes zu tun und Böses zu strafen? Nährt Er, heilt Er, segnet Er nicht am Sabbat? Macht Er euch am Sabbat nicht krank? Lässt Er euch am Sabbat nicht sterben? Ärgert euch nicht, dass der Sohn am Sabbat den Willen und die Werke seines Vaters tut!» Und als Er den Kranken nahe gekommen war, stellte Er die Pharisäer ferne von ihnen in eine Reihe und sagte: «Bleibt hier, denn sie sind euch unrein, Mir sind sie es nicht, denn ihre Sünden sind ihnen vergeben! Und nun sagt: ist es schwerer zu einem reumütigen Sünder zu sagen: deine Sünden sind dir vergeben, als dem Kranken zu sagen: stehe auf und trage dein Bett von dannen?» Sie konnten nichts antworten, und Jesus ging zu den Kranken, legte einem nach dem andern die Hände auf, betete über sie wenige Worte, hob sie an den Händen empor und befahl ihnen, Gott zu danken und nicht mehr zu sündigen und ihre Betten hinwegzutragen. Sie standen alle Vier von den Betten auf. Die Acht, die sie getragen, die auch halb krank waren, waren ganz rüstig und halfen den andern aus den einhüllenden Decken. Diese schienen nur etwas müde und ungewohnt. Sie schlugen aber die Tragen ihrer Betten zusammen, nahmen sie auf die Schultern und es gingen alle zwölf freudig unter dem Gesang: «Gelobt sei der Herr Gott Israels! Er hat großes an uns getan, Er hat sich über sein Volk erbarmt und uns durch seinen Propheten geheilt», durch die staunende und jauchzende Menge von dannen.

Die Pharisäer aber voll Ärger und ganz beschämt gingen ihres Weges ohne Abschied zu nehmen. Es ärgerte sie alles, wie und was Jesus tat, und dass Er nicht mit ihnen einerlei Meinung war, dass sie nicht die Gerechten, Weisen, Erwählten waren, dass Er mit Leuten zu tun hatte, welche sie verachteten. Sie hatten tausend "Aber" und sagten auch, Er halte die Fasten nicht richtig, Er gehe mit Sündern, Heiden, Samaritern und allerlei Gesindel um. Er sei selbst von geringer Abkunft, Er lasse seinen Jüngern zu viel Freiheit und halte sie nicht in gehörigem Respekt. Kurz, alles war ihnen nicht recht. Und doch konnten sie nichts einwenden, konnten seine Weisheit und erstaunlichen Wunder nicht leugnen, und verwickelten sich nur immer mehr in größeren Grimm und Verleumdung. Wenn man das Leben Jesu so ansieht, so findet man alles Volk und die Priester so, wie viele auch heutzutage sind. Wenn Jesus jetzt käme, würde es Ihm mit vielen Schriftgelehrten und der Polizei noch viel schlimmer ergehen.

Die Krankheit jener Geheilten war ein unreiner Fluss. Sie waren ganz ausgezehrt und starr, als hätte sie der Schlag gerührt. Die acht andern waren teilweise an einer Seite gelähmt. Die Betten waren zwei Stangen mit Füßen und einem Querholz, in der Mitte war eine Matte gespannt. Sie rollten das ganze zusammen und trugen es auf den Schultern wie ein paar Stangen hinweg. Es war ungemein rührend, als diese Leute so singend durch das Volk zogen.

9. Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus. Des Petrus große Demut

Jesus ging nun ohne Verweilen mit den Jüngern zum Tor hinaus und den Berg entlang zum Haus des Petrus bei Bethsaida, denn sie hatten Ihn dringend gerufen, weil sie glaubten, die Schwiegermutter des Petrus wolle sterben. Ihre Krankheit hatte sehr zugenommen, denn sie hatte ein hitziges Fieber. Jesus ging gerade in ihre Kammer. Es waren noch andere mit Ihm, ich meine auch die Tochter des Petrus. Er trat an die Seite ihres Lagers, wo ihr Kopf lag, und lehnte sich gegen das Lager halb stehend, halb sitzend, so dass ihr Kopf Ihm nahe war. So sprach Er einiges mit ihr, und legte ihr die Hand auf Kopf und Brust, und sie wurde ganz still. Da stand Er vor ihr, nahm ihre Hand und hob sie ins Sitzen und sagte: «Gebt ihr zu trinken!» Es gab ihr die Tochter des Petrus aus einer schiffförmigen Schale zu trinken. Jesus segnete das Getränk und befahl ihr aufzustehen, und sie erhob sich von dem niedrigen Lager. Sie war ganz eingewickelt und hatte noch einen weiten Schlafrock darüber. Sie ließ die Einhüllung liegen, stieg herab, und dankte dem Herrn und mit ihr das ganze Haus.

Bei der Mahlzeit trug die Genesene mit anderen Frauen auf, und diente ganz gesund zu Tisch. Darnach ging Jesus mit Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes und mehreren anderen Jüngern an den See an die FischersteIle des Petrus und lehrte hauptsächlich davon, dass sie bald diese Arbeit ganz liegen lassen und Ihm folgen würden. Petrus wurde ganz bange, er warf sich vor Jesus auf die Knie nieder und bat, Er möge doch auf seine Unwissenheit und Schwäche sehen und nicht verlangen, dass er bei so wichtigen Dingen sein solle. Er sei so etwas gar nicht würdig und vermöge nicht, andere zu unterrichten. Jesus sagte, dass sie keine weltliche Sorge haben sollten, und dass Der, welcher den Kranken Gesundheit gebe, auch ihnen Nahrung und die Kraft zu ihren Verrichtungen geben werde. Die anderen waren ganz zufrieden. Petrus allein konnte vor Demut und Einfalt nicht begreifen, wie er kein Fischer, sondern ein Lehrer sein sollte. Es war dies noch immer nicht das Berufen, welches im Evangelium steht. Dies ist noch nicht gewesen. Jedoch hat Petrus sein Gewerbe schon mehr dem Zebedäus übergeben. Nach diesem Spaziergang am See ging Jesus wieder gegen Kapharnaum und fand ungemein viele Kranke vor der Stadt um das Haus des Petrus. Er heilte viele und lehrte noch in der Synagoge.

Als aber das Gedränge immer größer wurde, entzog sich Jesus der Menge unbemerkt und ging ohne alle Begleitung nach einer sehr angenehmen wilden Schlucht, welche sich südwärts von Kapharnaum von dem Gut Serobabels zu den Wohnungen seiner Knechte und Arbeiter hinzieht. In dieser Schlucht waren Höhlen, Büsche und Quellen, auch wurden viele Vögel und allerlei zahme seltene Tiere darin gehalten. Es war eine kunstvoll gepflegte Wildnis und der dem Serobabel gehörige, übrigens öffentliche Teil des Lustlandes, Genezareth. Jesus blieb hier die Nacht einsam im Gebet. Seine Jünger wussten nicht, wo Er war. Es war jetzt die zweite Ernte hier in der Gegend.

Frühmorgens verließ Jesus diese Wildnis, kehrte nicht mehr nach Kapharnaum zurück, sondern befahl dem Petrus, der mit anderen Jüngern Ihn aufgesucht hatte, dass er Ihm den Parmenas, Saturnin, Aristobolus und Tharzissus nach einem gewissen Ort hinsenden solle, wo Er mit ihnen zusammentreffen werde, und wanderte darauf zum Badsee von Bethulien. Er umging die Höhe des Tales, an der Magdalum liegt, das Ihm ein paar Stunden östlich zur Linken blieb. An der Mittagsseite dieser Höhe lag die Stadt Jotapata.

10. Jesus am Badsee von Bethulia und in Jotapata

Anfangs glaubte ich, Jesus werde nach Gennabris gehen, das etwa drei Stunden westlich von Tiberias zwischen Bergen liegt. Er kam aber nicht dahin, sondern an die Nordseite des Tales, wo der Brunnen von Bethuel ist. Sehr viele vornehme und wohlhabende Leute aus Galiläa und auch Judäa haben Lusthäuser und Gärten hier, welche sie in der schönen Jahreszeit bewohnen. An der Mittagsseite des Sees am nördlichen Abhang der Höhen von Bethuel, sind Reihen von Häusern und warme Bäder. Die morgendlichen sind wärmer, die mehr gegen Abend lauer. Die Bäder haben ein gemeinsames großes Becken und ringsum abgezeltete Eingänge, wo man getrennt in Trögen höher und tiefer liegt, auch kann man in das Gesamtbecken daraus zusammenkommen. Es sind viele Herbergen hier und man kann auch einzelne Häuser und Gärten pachten auf eine Zeit und hat alles übrige frei. Die Einnahme kommt Bethulien zugut, und das Ganze wird davon unterhalten. Der See selbst ist ungemein rein und spiegelklar bis auf den Grund, wo er schöne weiße Steinchen hat. Er entsteht aus einem Wasser, das von Abend kommt und aus dem Badsee in das Tal von Magdalum fließt. Der See wimmelt von kleinen Lustkähnen, welche in der Ferne wie Enten darauf aussehen. An der Mitternachtsseite des Sees stehen die Wohnungen der weiblichen Badegäste, gegen Mittag schauend. Ihre Lustwege und Spielplätze nähern sich jedoch an dem einfließenden Bach den Spielplätzen der Männer. Das Tal ist von beiden Seiten gegen den See sanft abhängend. Von den Wohnungen und den Bädern ziehen sich um den See Verbindungswege, Alleen, schattige überzogene Laubengänge, breit ausgespannte Bäume und Lauben, dazwischen liegen Wiesen mit sehr hohem, schönem Gras, Obst- und Wurzgärten und Tummelplätze. Die Aussicht ist ganz bezaubernd schön, voll Hügel und Berge und alles in der üppigsten Fruchtbarkeit, besonders an Trauben und Obst. Es ist jetzt hier die zweite Ernte im Jahr.

Jesus blieb an der Seite des Sees, wo Er hergekommen, in einer Reiseherberge. Es fanden sich bald Leute um Ihn, und Er lehrte vor der Herberge mit großer Milde. Es hörten auch viele Frauen zu. Am Morgen darauf sah ich viele kleine Kähne von der Mittagsseite des Badsees, wo die Bäder waren, herüber fahren und eine Gesellschaft der Angesehensten Jesus höflich einladen, zu ihnen hinüber zu kommen und sie zu lehren. Jesus fuhr mit ihnen hinüber und ging nach einer Herberge, wo man Ihm einen Imbiss gab. Er lehrte am Morgen in der Kühle und gegen Abend vor der Herberge unter schattigen Baumlauben an einem Hügel. Die meisten anwesenden standen um Ihn, und an einer Seite die verschleierten Frauen. Es war hier eine gefällige Ordnung, es waren meist gesittete und viele wohlgesinnte Leute, welche heiter und gutmütig gestimmt waren. Und weil es keine Parteien hier gab, so scheute sich keiner vor dem andern, sich seinem Gefühle hinzugeben, so dass sich alle ganz ehrerbietig und aufmerksam gegen Jesus benahmen. Als sie Ihn erst einmal gehört hatten, waren sie ganz erquickt und erfreut. Er lehrte von der Reinigung durch das Wasser, von der Vereinigung der Gesellschaft hier, und ihrer Gleichheit und dem Gefühl der Vertrautheit unter ihnen, von dem Geheimnis des Wassers, von der Sündenabwaschung, vom Bad der Taufe, von Johannes, von der Vereinigung und Liebe unter den Getauften, unter den Bekehrten usw. Außerdem hatte Er sehr anmutige Reden und Gleichnisse von der schönen Jahreszeit, der Gegend, den Bergen, Bäumen, Früchten und Herden und was alles sie umgab. - Ich sah die Gesellschaft kreisweise in seine Nähe treten und ordentlich wechseln, und Er wiederholte den abwechselnden Scharen die einzelnen Sätze seiner Lehre.

Ich sah Gichtkranke, welche umherschlichen. Es waren meistens Beamte und Offiziere, welche sich erholten. Ich erkannte diese an ihrer Kleidung, da sie den Ort verließen und wieder nach verschiedenen Besatzungen in der Gegend reisten. Denn während der Anwesenheit waren alle Leute gleich gekleidet, die Männer in feine gelbliche Wolle, wie in Röckchen von vier getrennten Lappen, welche zu einer Art Hose bis an die Knie gewickelt waren. Die Füße waren teils bloß, teils mit Sandalen. Den Oberleib bedeckte ein an den Seiten offenes Skapulier, das ein breiter Gürtel um den Leib schloss. Die Schultern bedeckte ein Ärmellappen bis auf den halben Oberarm. Ihr Kopf war unbedeckt. Sie machten Spiele, fochten mit Stäbchen und Schilden von Blättern, sie drangen in Reihen und einzeln gegeneinander an, um sich aus der Stelle zu drängen. Sie liefen um die Wette zum Ziel und sprangen über Schnüre und durch Reife, an welchen allerlei blinkende Sachen aufgehängt waren, welche sie nicht berühren durften, sonst klingelten sie und fielen ab und nach der Anzahl des Abgefallenen hatten sie verloren. Es lagen Früchte da, um die sie spielten. Ich sah andere auf Rohrflöten spielen. Andere hatten dicke, lange Schilfrohre, durch welche sie in die Ferne sahen und in den See, auch bliesen sie Kugeln oder Pfeilchen durch, als schössen sie nach den Fischen. Ich sah, dass sie diese Rohre in einen Ring gebogen um den Arm hängen konnten. Ich sah auch, dass sie bunte Glaskugeln auf die Spitze dieser Rohre steckten und damit hin und her schwankend in der Sonne spiegelten, und dass sich die ganze Landschaft in den Kugeln verkehrt spiegelte und sich drehte, als gehe der See über ihren Köpfen weg, woran alle sich belustigten.

Es waren ganz herrliche Früchte und besonders Trauben hier, und ich sah, dass einzelne sehr ehrerbietig und gefällig die schönsten Früchte Jesus brachten.

Die Frauenwohnungen sind an der anderen Seite des Tals, ihre Bäder jedoch diesseits, aber mehr gegen Abend und die Männer können sie nicht sehen. Am Rande des Baches, der in den See fließt, sah ich kleine Knaben mit geschürzten, weißwollenen Röcken, mit buntgeschälten Weidenruten Herden von mancherlei Wasservögeln treiben. Das Wasser aus diesem Bach und dem See wird hinauf bis zu den Herbergen an der Höhe und zu den Bädern geleitet, in Rinnen geschöpft, durch die es in höher liegende Becken und aus denen wieder gehoben, so fort steigt. Die Frauen sah ich auch mancherlei Spiele treiben auf der Wiese. Sie waren ganz ehrbar in wollweiße, feine, weite Hemden mit vielen Falten gekleidet, die zweimal gegürtet wurden. Die weiten Ärmel wurden mit Spangen hinauf- und hinabgeschoben, um die Hände hatten sie große, steife Krausen mit vielen Falten wie Pfauenräder. Sie hatten als Kopfputz eine aus mehreren immer niedriger und enger werdenden wülstigen Ringen, die mit Seide oder natürlich weißen Federchen umwunden waren, bestehende Haube, die wie ein Schneckenhaus von Federn aussah. Hinten war sie zusammengezogen und hing mit einem Zipfel in Quasten lang hernieder. Sie hatten keine Schleier, aber über dem Gesicht zwei fein gefaltete, weiße, durchsichtige Fächerhälften, welche niedergeschlagen die Nase bedeckten und Öffnungen vor den Augen hatten. Sie konnten sie auch halb und ganz zurückschlagen, wie sie es gegen die Sonne wünschten. In Gesellschaft der Männer schlugen sie sie nieder.

Ich sah die Frauen ein lustiges Spiel treiben. Jede hatte einen Gürtel mit einem Ring oder einer Schlinge um die Hüften. Sie fassten sich bei diesen Ringen im Kreis an und hatten die eine Hand frei. Es war aber im Gras irgend ein Kleinod versteckt und der Kreis drehte sich so lang hin und wieder, bis eine es fand, die sich dann niederbückte, es aufzuheben. Die anderen rissen dann den Kreis geschwinder um, die folgende bückte sich auch darnach, und jede wollte nicht gerne fallen; oft purzelten sie alle übereinander unter großem Gelächter.

Bethulien liegt anderthalb Stunden südlich im Gebirge vom See auf einer Höhe sehr einsam und wild. Es hat oben einen großen wilden Turm über sich und vieles alte verfallene Gemäuer und Türme. Es muss sonst größer und sehr fest gewesen sein. Es wachsen Bäume auf den Mauern und man kann darauf fahren. Ich sah von dem Bad Leute darauf spazieren gehen. Es liegt hoch um den Berg. Hier ist es, wo Judith gewesen. Das Lager des Holofernes zog sich von dem See durch die Schlucht von Jotapata herum bis gegen Dothan, welches ein paar Stunden mittäglich von Bethulien liegt. Von diesem Jotapata waren auch Leute da. Sie hörten aber Jesu Lehre nicht an, begaben sich nach Jotapata zurück und erzählten dort, dass Jesus hier sei. Jotapata liegt etwa anderthalb Stunden östlich von hier gegen Mittag wie in eine große Höhle, in einen Bergbusen, hineingebaut. Vor sich hatte es einen Berg, von dem man abwärts in die Stadt über tiefe wilde Gräben ging. Sie war wie in einen tiefen Steinbruch hineinbaut und der Berg hing ordentlich oben drüber. Nördlich von diesem Berg, nicht ganz zwei Stunden entfernt, lag Magdalum am Rand einer Schlucht, und seine Umgebung von Alleen, Gärten und allerlei Türmen erstreckte sich bis zur Mitte dieser Schlucht. Zwischen dem Berg und Magdalum standen Reste der überwachsenen Rinne einer Wasserleitung und man konnte durch ihre Bogen angenehm in die Landschaft sehen. Südlich von Jotapata sah man wieder einen wilden Berg und rechts und links in weite Schluchten hinaus. Es war ein wunderlicher verborgener Ort. Es hielten sich in Jotapata viele Herodianer auf. Sie hatten in einer Mauer der Festung ein geheimes Versammlungshaus. Diese Sekte bestand aus klugen, aufgeklärten Leuten und stand unter geheimen Obern. Sie hatten Zeichen, woran sie sich erkannten, und die Obern konnten auch merken, wenn einer etwas verriet, ich weiß nicht mehr, woran. Sie waren heimliche Feinde der Römer und arbeiteten an einer Rebellion für die Herodische Sache. Und obwohl heimliche Anhänger der Sadduzäer, erschienen sie doch äußerlich als Pharisäer und glaubten, beide Teile zu ihren Zwecken zu führen und zu leiten. Sie wussten wohl, dass die Zeit des Königs der Juden da sei, und hatten die Absicht, diesen Glauben zu ihren Zwecken zu benützen. Äußerlich waren sie aus Vorsicht sehr höflich und duldsam, aber ganz verräterische Schleicher. Sie hatten eigentlich gar keine Religion, arbeiteten aber unter dem Deckmantel der Religion auf ein weltliches freies Reich hin. Herodes unterstützte sie.

Als die Synagoge in Jotapata die Nähe Jesu erfahren hatte, sendete sie ein paar Herodianer ins Bad von Bethulien, um auf Ihn zu lauern und Ihn einzuladen, Jotapata zu besuchen. Jesus gab aber keine bestimmte Antwort. Es waren auch etwa sieben Jünger zu Jesus hierher gekommen, die früher manchmal ein paar Wochen mit Ihm gereist waren. Es waren ein paar Johannesjünger, auch verwandte Jünger aus der Gegend von Hebron und einer von den Vettern aus Klein-Sephoris. Sie hatten Ihn in Galiläa gesucht und hier gefunden. Ich sah Jesus während des Tages auch mit einzelnen Gästen hier vertraut sprechen. Es mussten Anhänger von Ihm darunter sein.

Als die Herodianer wieder nach Jotapata zurückgekehrt waren, bearbeitete man dort das Volk, wenn Jesus etwa kommen sollte. Man sagte, es sei möglich, dass Jesus der Prophet von Nazareth, der am vorigen Sabbat so viel Spektakel in Kapharnaum und am vorhergehenden Sabbat in Nazareth gemacht habe, von dem nahen Brunnen Bethuliens vielleicht nach Jotapata etwa gar auf den Sabbat kommen könnte, und man warnte die Leute, sich nicht verführen zu lassen, Ihm nicht zuzujauchzen, Ihn nicht so lange reden zu lassen, sondern Ihn so oft zu unterbrechen mit Murren und Einwürfen, als Er ihnen etwas Unbegreifliches, Fremdes vorbringe. So wurde das Volk vorbereitet.

Jesus hielt im Bad Bethulien noch eine kindliche Lehre. Es waren viele Männer in einem Kreis um Ihn her und Er ging mitten zwischen ihnen herum. Im Hintergrund entfernt und schüchtern standen mehrere gichtlahme Männer, welche das Bad hier brauchten und sich nie zu Jesus herangewagt hatten. Jesus wiederholte, was Er gestern und vorgestern gelehrt hatte, und ermahnte sie zur Reinigung von den Sünden. Alle liebten Ihn und waren gerührt, manche sagten: «Herr, wer Dich gehört, kann Dir nicht widerstehen.» Jesus fragte sie: «Ihr habt viel von Mir reden gehört und habt Mich selbst gehört. Wer glaubt ihr, dass Ich sei?» Da sagten Andere: «Herr, Du bist ein Prophet!» Andere: «Du bist mehr als ein Prophet! Kein Prophet lehrt solches, keiner tut deine Taten!» Andere aber schwiegen. Und Jesus, welcher fühlte, was diese dachten, zeigte auf die Schweigenden und sprach: «Diese haben recht!» Einer von ihnen sagte auch: «Herr, Du kannst alles. Ist es wahr? Sie sagen, Du hättest schon Tote erweckt, die Tochter des Jairus?» Er meinte jenen Jairus, der in einer Stadt nicht weit von Gibea wohnte, wo so verdorbenes armes Volk von Ihm gelehrt worden war. Jesus sagte:«Ja!» Und jener sprach noch davon, warum der Mann nur in einem so schlechten Ort lebt. Da lehrte Jesus von Quellen in der Wüste. Es sei nämlich gut, dass die Schwachen einen Führer hätten. Die Leute waren sehr vertraut. Er fragte sie dann: «Was wisst ihr von Mir? Was sagte man euch böses von Mir?» Da sagten einige: «Man klagt Dich an, dass Du am Sabbat deine Werke nicht einstellst und die Kranken heilst.» Da zeigte Jesus nach einem naheliegenden kleinen Schilfteich, an welchem Hirtenknaben zarte junge Lämmer und anderes junges Vieh weideten, und sagte: «Seht die schwachen Hirtenknaben und die jungen zarten Lämmer! Wenn eines derselben in den Sumpf stürzte und blöckte, würden die anderen nicht alle umherstehen und traurig schreien? Und die schwachen Knaben könnten nicht helfen und der Sohn des Herrn dieser Lämmer ginge vorüber am Sabbat und wäre gesandt, die Lämmer zu erhalten und zu weiden. Würde er sich nicht des Lammes erbarmen und es aus dem Sumpf ziehen?» Da hoben alle die Hände empor, wie die Kinder im Katechismus und schrieen: «Ja, ja! Er würde es tun!» Jesus aber fuhr weiter: «Und so es kein Lamm wäre, so es die gefallenen Kinder des himmlischen Vaters, so es eure Brüder wären, ja ihr selbst! Sollte der Sohn des himmlischen Vaters ihnen am Sabbat nicht helfen?» Alle riefen wieder: «Ja, ja!» Und Jesus zeigte zu den fernstehenden, gichtkranken Männern und sprach: «Seht diese kranken Brüder! Soll Ich ihnen nicht helfen, wenn sie am Sabbat Mich um Hilfe anflehen? Sollten sie keine Verzeihung der Sünden haben, so sie am Sabbat bereuen? Am Sabbat die Sünde bekennen und zum Vater im Himmel schreien?» Da riefen alle mit aufgereckten Händen: «Ja, ja!»

Jesus aber winkte jenen Gichtkranken und sie schlichen schwerfällig in den Kreis. Er sprach einige Worte vom Glauben mit ihnen, betete und sagte: «Streckt eure Arme aus!» Da streckten sie die kranken Arme gegen Ihn, und Er fuhr ihnen mit der Hand über den Arm, hauchte auf ihre Hände nur einen Augenblick, und sie fühlten sich geheilt und konnten ihre Glieder gebrauchen. Jesus sagte ihnen noch, sie sollten sich baden, und ermahnte sie, sich von gewissen Getränken zu enthalten. Sie warfen sich vor Ihm nieder und dankten Ihm und die ganze Gesellschaft war voll Lob und Preis.

Nun wollte Jesus von dannen gehen, sie baten Ihn aber, noch zu bleiben und waren voll Liebe und guter Gesinnung und sehr gerührt. Jesus sagte, Er müsse weiter gehen und seiner Sendung folgen. Sie beleiteten Ihn noch ein Stück Weges mit den Jüngern, und Er segnete sie und ging nach Jotapata, welches etwa anderthalb Stunden östlicher von hier liegt.

Es war Nachmittag, als Jesus hier ankam. Er wusch die Füße und nahm einen Bissen in einer Herberge vor der Stadt. In Jotapata gingen die Jünger zum Vorsteher der Synagoge vor Ihm her und begehrten die Schlüssel für ihren Meister, der lehren wolle. Es eilte viel Volk zusammen, und die Schriftlehrer und Herodianer waren voll Erwartung, Ihn in seiner Lehre zu fangen. Sie legten, als Er in der Synagoge war, Ihm Fragen über die Annäherung des Reiches, über die Zeitrechnung und Erfüllung der Wochen Daniels und über die Annäherung des Messias vor. Jesus hielt eine lange Lehre darüber und wies die ganze Erfüllung der Prophezeiungen mit dem Eintritt dieser Zeit nach. Er sprach auch von Johannes und dessen Weissagung. Sie sagten dabei ganz heuchlerisch: «Er möge sich doch in seinen Lehren etwas in acht nehmen und die jüdischen Gebräuche nicht verletzen. Er möge sich doch durch die Gefangenschaft Johannes warnen lassen! Was Er von der Erfüllung der Wochen Daniels und der Nähe des Messias und Königs der Juden sage, sei ganz vortrefflich und sei auch ganz ihre Meinung. Sie könnten aber doch den Messias nirgends finden, sie möchten hinschauen, wohin sie wollten.» Jesus hatte aber die Prophezeiungen ganz allgemein auf seine Person hingedeutet, und sie hatten es wohl verstanden, stellten sich aber an, als könne das niemand einfallen, und als hätten sie das gar nicht verstanden. Denn sie wünschten, dass Er recht deutlich heraus sprechen solle, um Ihn anklagen zu können. Da sagte Jesus zu ihnen: «Wie heuchelt ihr! Was wendet ihr euch von Mir ab und verachtet Mich! Ihr lauert auf Mich und wollt mit den Sadduzäern ein neues Komplott anstiften, wie am Pascha zu Jerusalem! Was warnt ihr Mich durch Johannes und vor Herodes?» Und nun sagte Er ihnen alle Schandtaten des Herodes ins Angesicht, alle seine Mordtaten, seine Angst vor dem neugeborenen König der Juden, seinen gräulichen Kindermord und sein scheussliches Ende, so auch die Verbrechen seiner Nachfolger, den Ehebruch des Antipas und die Gefangennahme Johannes. Er sprach auch von der heuchelnden geheimen Sekte der Herodianer, welche mit den Sadduzäern zusammenhingen und welchen Messias und welches Reich Gottes sie erwarteten. Er zeigte auch in die Ferne nach verschiedenen Orten und sagte: «Sie werden nichts gegen Mich vermögen, bis meine Sendung erfüllt ist. Ich werde noch zweimal Samaria, Judäa und Galiläa durchwandern! Ihr habt große Zeichen von Mir gesehen, ihr werdet noch größere sehen und werdet blind bleiben.» Dann sprach Er noch von dem Gericht, von dem Töten der Propheten und von der Strafe über Jerusalem. Die Herodianer aber, welche ein geheimer Orden waren, der sich nicht gern öffentlich verkünden sah, wurden ganz bleich, als Er von des Herodes Schandtaten redete und die Geheimnisse dieser Sekte gerade vor dem Volke aussprach. Sie schwiegen und verließen einzeln die Synagoge, so auch die Sadduzäer, welche hier die Schulen inne hatten. Pharisäer waren nicht hier.

Nun war Er mit den sieben Jüngern und dem Volke allein, und lehrte dieses noch eine Zeit lang. Viele waren gerührt und sagten, sie hätten nie so lehren gehört, und Er lehre besser, als ihre Lehrer. Sie besserten sich auch und folgten Ihm später nach. Ein großer Teil des Volkes aber, von den Sadduzäern und Herodianern aufgewiegelt. murrte und machte Tumult. Da verließ Jesus mit den Jüngern die Stadt und ging südlich durch das Tal und dann ein paar Stunden aufwärts in ein Erntefeld zwischen Bethulien und Gennabris, wo Er in einem großen Bauernhaus einkehrte. In diesem Haus waren gute Ihm bekannte Leute. Die heiligen Frauen übernachteten hier oft auf den Reisen nach Bethanien, und es kehrten die Boten hin und wieder hier ein.

11. Jesus auf dem Erntefeld von Dothaim und in Gennabris

Jesus hat auf diesem Erntefeld, welches dasselbe ist, auf welchem Er später mit den Jüngern die Ähren ausgerauft hat, bei den Schnittern, Ährensammlern und Binderinnen gelehrt. Er ging hie und da auf dem Feld umher und erzählte vom Sämann und vom steinigen Acker. Hier war der Acker auch steinig. Er sagte: dass Er auch gekommen sei, die guten Ähren zu sammeln, und erzählte das Gleichnis vom Ausraufen des Unkrautes bei der Ernte. Er verglich die Ernte mit dem Reich Gottes. Er erzählte dieses in Zwischenräumen der Arbeit, und ging von einem Feld zum andern.

Die Halme blieben hoch stehen, nur die Ähren wurden abgeschnitten und ins Kreuz gebunden.

Am Abend hielt Er eine große Lehre vor allen Arbeitern nach der Ernte an einem Hügel. Er sprach auch ein Gleichnis von einem Bach, der dort vorüberfloss, vom sanften, Segen bringenden Wandel, von der vorüberfließenden Welle der Gnade, vom Leiten der Gnade auf unser Feld usw. Er sendete hierauf die zwei Johannesjünger nach Ainon zu den Jüngern und ließ diesen sagen, sich gegen Machärus zu begeben und das Volk zu beruhigen, denn Er wusste, dass ein Tumult vor Machärus ausgebrochen war. Es hatten sich die Täuflinge zu Ainon sehr gehäuft, große Züge waren angekommen. Als sie aber hörten, der Prophet sei gefangen, so zogen sie gegen Machärus und viele Leute hängten sich an, sie tobten und schrieen, man solle den Johannes frei geben, dass er sie lehre und taufe. Sie warfen auch mit Steinen. Die Wachen schlossen alle Zugänge, Herodes stellte sich, als sei er nicht zuhause.

Jesus kehrte am Abend näher gegen Gennabris in einem zweiten Bauernhaus ein und lehrte dort auf dieselbe Art, auch vom Senfkörniein. Der Mann, bei dem Er wohnte, klagte Ihm über einen Nachbar, der ihm schon seit langer Zeit allerlei Abbruch an seinem Feld und seinen Gerechtigkeiten getan hatte. Jesus ging mit ihm zum Feld und ließ sich zeigen, um was er gekommen sei. Es war dies nach und nach schon ein bedeutendes Stück geworden. Und der Mann jammerte, dass er mit seinem Nachbarn nichts ausrichten könne. Jesus fragte ihn, ob er noch soviel habe, um sich und die Seinigen zu ernähren. Der Mann sagte: ja, er habe sein Auskommen noch gut. Da sagte ihm Jesus, dann habe er noch nichts verloren, denn es gebühre uns nichts, und so wir unser Auskommen hätten, das Leben zu fristen, hätten wir genug. Er solle jenem Mann noch mehr dazu geben, als er verlange, um dessen Hunger nach Gütern zu sättigen. Alles, was er mit freudigem Sinn, um Frieden zu erhalten, hier verlasse, finde er in seinem Reiche wieder. Jener Mann tue richtig nach seiner Art. Denn er habe sein Reich auf der Erde und suche darum an irdischem Gut zu wachsen, er wolle in seinem Reich nichts haben. Er solle von ihm lernen, wie man sich vergrößern müsse, und solle sich die Güter im Reich Gottes zu erwerben streben. Jesus nahm das Gleichnis von einem Fluss, welcher das Land diesseits abreiße und jenseits anlege. Es war eine Lehre, wie die vom ungerechten Haushalter, wo irdische Habsucht und List nach Bereicherung als Beispiel aufgestellt wurde, wie man im Geistigen handeln müsse. Der irdische Reichtum wurde dem himmlischen gegenübergestellt; die Lehre erschien etwas dunkel, aber sie war für den Begriff, die Religion und die Lage der Juden richtig und verständlich, weil alles an diesem Volk leiblich geschah.

Es war aber hier der Acker, auf welchem der Brunnen Josephs lag, und Jesus erzählte einen ähnlichen Streit im alten Testament, in welchem Abraham dem Lot noch mehr dazugab, als dieser wollte. Jesus setzte dieses auseinander und sagte: wo dann Lots Kinder hingekommen seien? Und ob Abraham nicht das Ganze erhalten habe? Ob auch wir nicht tun müssen, wie Abraham? Ob diesem das Reich nicht verheißen sei? Ob er es nicht erhalten habe? Nun aber sei dieses Reich ein Vorbild des Reiches Gottes, und der Streit Lots gegen Abraham sei ein Vorbild dieses Streites des Mannes mit seinem Nachbarn, und nun solle er wie Abraham tun und sich das Reich Gottes erwerben. Jesus sprach auch die Stelle in der Schrift aus, wo von diesem Streit steht (Gen 73, 7 usw.), und lehrte noch viel von dieser Sache und von dem Reich vor allen versammelten Ernteleuten.

Der ungerechte Bauer war mit seinem Anhang auch zugegen, hielt sich aber ganz still und stand fern. Er hatte seine Freunde angestiftet, Jesus manchmal in die Rede zu fallen mit allerlei spitzen Fragen. So fragte einer einmal: wo das endlich mit seiner Lehre hinaus wolle? Was dann daraus werden solle? Jesus antwortete ausweichend und sie konnten nichts mit der Antwort machen. Es hieß ungefähr: dem einen würde es zu lang, dem andern zu kurz scheinen hier. Er sprach dies alles in Gleichnissen von der Ernte, vom Sämann, Einsammeln, Verwerfen des Unkrautes, Brot und Speise des ewigen Lebens usw. Dieser sein Wirt ist auch Jesu Lehre gefolgt, er hat seinen Feind nicht verklagt, hat sein übriges Gut zur Gemeindekasse gegeben und seine Söhne sind Jünger geworden.

Es war auch hier viel die Rede von den Herodianern. Die Leute klagten, dass sie auf alles so lauern, und dass sie vor kurzem mehrere Ehebrecher von hier und Kapharnaum verklagt und gefangen nach Jerusalem gebracht hätten, die jetzt gerichtet werden sollten. Sie lobten es zwar, dass solche Leute aus ihrer Nähe weggebracht würden, aber das Gefühl. beständig belauert zu werden, war ihnen doch widerwärtig. Jesus lehrte ganz frei über diese Herodianer. Er sagte den Leuten, dass sie sich vor Sünde hüten sollten, aber auch vor der Heuchelei und dem Richten anderer. Sein eigenes Verbrechen müsse man zuerst bekennen, ehe man andere richte. Er schilderte nun die böse Art dieser Leute selber und lehrte nach dem Kapitel des Propheten Isaias, das am vorigen Sabbat in der Synagoge gelesen wurde, von den stummen Hunden, welche nicht bellen, die Sünde nicht abwehren und heimlich die Menschen zerreißen. Er erwähnte, wie sie diese Ehebrecher dem Gerichte überliefert hätten, während Herodes ihr Freund im Ehebruch lebe. Er sagte den Leuten auch, woran sie die Herodianer erkennen sollten.

Es waren hier in mehreren herumliegenden Hütten kranke, durch Arbeit erlahmte Menschen. Jesus besuchte diese Hütten, heilte die guten Leute und sagte ihnen, zur Lehre und Arbeit zu gehen, und sie taten es unter Lobgesang.

Jesus schickte von hier aus selbst noch einige Hirten nach Machärus mit der Aufforderung an die Jünger des Johannes, das Volk in Machärus zum Auseinandergehen zu bewegen, da dieser Tumult dem Johannes schweres Gefängnis oder gar den Tod verursachen könnte.

Herodes und seine Frau waren in Machärus. Ich sah, dass Herodes den Täufer vor sich rufen ließ. Herodes saß in einem großen Saal in der Nähe der Gefängnisse, von seiner Wache und mehreren Beamten und Schriftgelehrten und besonders von Herodianern und Sadduzäern umgeben. Johannes wurde durch einen Gang in diesen Saal gebracht und stand vor der großen offenen Tür zwischen den Wachen. Ich sah die Frau des Herodes mit großer Frechheit und voll Hohn an Johannes vorüber in den Saal hineinstreichen und sich auf einen hohen Sitz niederlassen. Diese Frau hatte eine andere Gesichtsform als die meisten jüdischen Frauen. Alle Formen waren sehr spitz und scharf und der Kopf selbst sehr spitz. Ihre Mienen waren in steter Bewegung. Sie war sehr schön gewachsen und in ihrer Kleidung sehr frech und getrieben, sehr eng geschnürt. Sie musste jedem unschuldigen Menschen ärgerlich sein und lockte doch alle Augen auf sich.

Herodes fragte den Johannes, er solle ihm deutlich sagen, was er von Jesus halte, der solchen Aufruhr in Galiläa mache. Wer Er denn sei? Ob Er an seine Stelle nun komme? Er habe zwar gehört, dass er früher von Ihm verkündet habe. Aber er habe dieses nicht besonders beachtet. Er solle nun nochmals ihm seine volle Meinung sagen, denn dieser Mensch führe wunderbare Reden, spreche von einem Reich, nenne sich in Gleichnissen einen Königssohn u. dgl., da Er doch der Sohn eines armen Zimmermannes sei. Nun sah ich, dass Johannes mit lauter Stimme und ganz, als rede er vor dem versammelten Volk, von Jesus Zeugnis gab: wie er nur sein Wegebereiter sei, wie er nichts sei gegen Ihn, wie nie ein Mensch noch Prophet das gewesen, noch sein werde, was Er sei. Dass Er der Sohn des Vaters, der Christus, der König der Könige, der Heiland und Hersteller des Reiches sei, dass keine Gewalt über die seine, dass Er das Lamm Gottes sei, welches die Sünden der Welt trage usw. So redete er von Jesus laut rufend, nannte sich seinen Vorläufer und Wegebereiter und geringsten Diener. Er sprach dies alles in solcher Begeisterung laut und hatte ein so übernatürliches Wesen, dass Herodes in die größte Angst kam und sich zuletzt gar die Ohren zuhielt. Er sagte hierauf zu Johannes: «Du weißt, dass ich dir wohl will, aber du redest Aufruhr erregend gegen mich vor dem Volk, indem du meine Ehe verwirfst! So du deinen verkehrten Eifer mäßigst und vor dem Volk meine Verbindung anerkennst, will ich dich freilassen, und du magst hingehen und lehren und taufen!» Da erhob Johannes abermals seine Stimme mit großem Ernst gegen Herodes und strafte ihn seines Wandels vor dem Volk und sagte ihm: «Ich kenne deine Gesinnung und weiß, dass du das Rechte erkennst und vor dem Gericht erzitterst. Aber du hast dich mit Schleppsäcken behängt und liegst in den Schlingen der Unzucht gefangen!» Der Grimm der Frau bei diesen Reden war nicht auszusprechen, und Herodes kam in solche Angst, dass er den Johannes schnell wegzubringen gebot. Er ließ ihn in einen anderen Kerker bringen, der keine Aussicht nach außen hatte, sodass er nicht mehr vom Volk gehört werden konnte.

Dieses Verhör hielt Herodes aus Sorge über den Aufruhr der Täuflinge und die Nachrichten der Herodianer von Jesu Wunder.

Es war aber im ganzen Land ein Gespräch wegen der strengen Hinrichtung einiger Ehebrecher in Jerusalem, welche die Herodianer aus Galiläa dahin geliefert hatten. Man sprach davon, dass man die kleinen Verbrecher hinrichte und die großen laufen lasse, und dass eben diese Ankläger, die Herodianer, dem ehebrecherischen Herodes zugetan seien, und dass dieser den Johannes gefangen genommen, weil er ihn des Ehebruches beschuldigt hatte. Herodes war dabei nicht guten Mutes. Ich habe diese Ehebrecher richten sehen. Man las ihnen ihr Verbrechen vor und stieß sie in einer Halle in ein schmales Loch, an dessen Rand sie standen. Sie fielen auf ein Messer, das ihnen die Kehle abschnitt, und unten in einem Gewölbe standen Büttel, welche die Leichname beiseite schleppten. Es war eine Maschine, in die sie stürzten. Es war in der Gegend, wo Jakobus gerichtet wurde.

Jesus lehrte auch am folgenden Tag noch unter den Ackerleuten, da Andreas, Jakobus und Johannes hierher zu ihm kamen. Nathanael war in seinem Haus in der Vorstadt bei Gennabris. Jesus sprach zu den Jüngern, Er werde nächstens durch Samaria zum Jordan zum Taufort gehen. Von dem Feld, wo er lehrte, war der Brunnen von Dothaim nicht sehr weit, bei welchem Joseph verkauft wurde.

Die Leute hatten hier Jesus auch gefragt, ob sie recht täten, dass sie arme, verlahmte Arbeiter, die nicht mehr arbeiten könnten, ernährten? Jesus antwortete, dass sie ihre Schuldigkeit täten. Sie sollten sich aber nicht rühmen, sonst hätten sie ihren Lohn hinweg. Er ging dann in die Hütten dieser Kranken, heilte viele derselben und sendete sie zur Lehre und Arbeit. Sie kamen und lobten Gott.

Von da ging Jesus nach Gennabris zum Sabbat in die Synagoge. Gennabris ist wohl so groß als Münster. Es liegt etwa eine Stunde von der Feldhöhe, auf der Jesus war, gegen Morgen an einem Abhang mit Gärten, Bädern und Lustorten. Von der Seite, wo Jesus herkam, war es durch tiefgehauene, stehende Wassergräben befestigt. Nach einer halben Stunde Wegs kam Jesus mit den Jüngern schon an die Mauern und Turmtore im Umfang der Stadt. Es waren hier noch mehrere Jünger aus der Gegend zusammengekommen, und es kamen etwa an zwölf mit Ihm in die Stadt, wo viele Pharisäer, Sadduzäer und besonders Herodianer an diesem Sabbat versammelt waren. Sie hatten sich vorgenommen, Jesus mit arglistigen Fragen in seiner Rede zu fangen und sagten untereinander, in kleinen Orten sei das schwerer, da sei Er kühner, als hier, sie freuten sich und waren ihrer Sache ganz sicher. Durch ihre Vorbereitung hielten sich die vielen anwesenden Menschen ganz ruhig und machten gar kein Aufsehen bei Jesu Ankunft. Er zog ruhig in die Stadt ein, und die Jünger wuschen Ihm vor der Synagoge die Füße. Die Schriftgelehrten und das Volk waren schon in der Synagoge versammelt. Man empfing Ihn ohne Aufsehen mit geheuchelter Ehrfurcht. Sie ließen Ihn vorlesen und auslegen. Er las wieder aus Isaias immer einen Satz und legte ihn wieder aus. Es war aus 54, 55, 56. Es handelte davon, wie Gott seine Kirche herstelle, wie Er sie köstlich erbauen wolle, wie alle kommen sollen zu trinken von dem Wasser und wie die, welche kein Geld haben, kommen sollen Brot zu essen. Sie strengten sich an, in der Synagoge gesättigt zu werden. Aber es sei kein Brot da, und wie das Wort seines Mundes, der Messias nämlich, sein Werk vollenden solle. Im Reich Gottes, in der Kirche sollten die Fremden, die Heiden auch wirken und fruchtbar sein, so sie glauben. Er nannte die Heiden Verschnittene, weil sie nicht an der Stammlinie des Messias teilhatten so wie die Altväter. Er legte sehr vieles davon aus auf sein Reich, auf die Kirche und den Himmel. Er verglich auch die jetzigen Lehrer der Juden mit stummen Hunden, welche nicht wachsam seien, sondern sich mästen, fressen und schwelgen. Er zielte auch auf die Herodianer und Sadduzäer damit, welche nur heimlich lauerten und ohne zu bellen die Menschen anfallen, ja den Hirten selbst. Er lehrte sehr scharf und treffend.

Am Schluss las Er auch aus Deuteronomium 11, 29. usw. vom Segen und Fluch auf Garizim und Hebal und noch vieles über die Gebote und das verheißene Land. Er legte aber alles auf das Reich Gottes aus.

Ein Herodianer trat ganz ehrerbietig zu Ihm und bat Ihn, doch zu erklären, wie groß denn die Zahl derer sein würde, welche in sein Reich kommen. Sie wollten Ihn mit dieser Frage fangen, weil alle durch die Beschneidung daran teilhaben sollten, und weil Er sogar von den Heiden und Verschnittenen dabei gesprochen und so viele Juden verworfen hatte. Jesus ging auf diese Frage nicht mit bestimmter Antwort ein, sondern Er lehrte weit umher und kam zuletzt auf einen Punkt, welcher die Frage ganz aufhob. Er antwortete etwa wieder mit einer Frage: wie viele denn aus der Wüste in Kanaan eingegangen seien? Und ob sie nicht alle durch den Jordan gegangen? Wie viele das Land denn wirklich besessen? Und ob sie es denn je ganz erobert hätten? Ob sie es nicht noch jetzt teils mit den Heiden teilen müssen? Ob sie nie und nirgends daraus vertrieben worden seien? Er sagte auch, es werde keiner in sein Reich eingehen, als durch den engen Weg und die Brauttür. Ich hatte die Erklärung, es sei dies Maria und die Kirche, in welcher wir durch die Taufe wiedergeboren werden, und aus welcher der Bräutigam geboren sei, auf dass Er uns durch sie in die Kirche hineinführe und durch sie wieder zu Gott. Er setzte dem Eingehen durch die Brauttür das Eingehen durch die Seitentür entgegen. Es war ein ähnliches Gleichnis, wie das vom guten Hirten und Mietling (Joh 10, 1.) Auch hier sagte Er: durch die Türe allein gehe der Eingang. Die Rede Jesu am Kreuz vor seinem Tod, da Er Maria die Mutter des Johannes, und diesen den Sohn Marias nennt, haben einen geheimen Sinn dieser Wiedergeburt aus- und ineinander durch Jesu Tod.

Sie konnten an diesem Abend Ihm nichts anhaben und hatten sich auch erst auf den Schluss des Sabbats dazu bereitet. Es ist wunderlich, wenn sie beisammen sind, so haben sie immer ein großes Maul, wie sie Jesus fangen und festhalten wollen in seinen Lehren, und wenn Er zugegen ist, können sie nichts vorbringen, sind ganz erstaunt und teils auch überzeugt, aber voll Grimm.

Jesus verließ die Synagoge ganz ruhig und sie brachten Ihn zu einer Mahlzeit bei einem Pharisäer, wo sie auch nichts vorbringen und ablauern konnten. Er erzählte hier eine Parabel von einer Mahlzeit, wozu der Herr die Gäste einlade zu einer bestimmten Zeit, dann aber werde die Tür geschlossen, und welche nicht zugegen wären, würden nicht eingelassen.

Er ging dann mit den Jüngern in das Haus eines Pharisäers schlafen, der mit Andreas bekannt war. Denn dieser rechtschaffene Mann hatte jene Jünger, worunter auch Andreas, welche nach dem Pascha hier vor Gericht waren gestellt worden, redlich verteidigt. Er war seit kurzem Witwer und noch nicht alt und ist bald zu den Jüngern gekommen. Er hieß Dinocus oder Dinotus, sein zwölf jähriger Sohn Josaphat. Sein Haus lag außerhalb der Abendseite der Stadt; Jesus war von der Mittagsseite in die Stadt gekommen, denn Er war die Feldhöhe gegen Dothaim zu, mittäglicher als Gennabris, hinabgezogen, und im Winkel wieder dahin zurückgekehrt. Das Haus des Pharisäers lag an der Abendseite und die Wohnung Nathanaels vor der Nordseite nach Galiläa zu.

Heute sah ich, dass Herodes nach jenem Verhör des Johannes Beamte zu dem aufrührerischen Volk schickte, welche der Menge sehr sanft vorstellten, sie möchten keine Sorge um Johannes haben und sich ruhig nach Hause begeben. Er befinde sich sehr wohl und genieße eine freundliche Behandlung. Herodes habe ihn nur näher bei sich haben wollen. Durch ihren Aufstand könnten sie einen bösen Schein auf ihn werfen und seine Lage verschlimmern. Sie sollten sich daher nach Hause begeben. Dann werde er wohl bald wieder zum Taufen erscheinen. Da nun auch die Boten von Jesus und die Johannesjünger mit ihren Aufträgen ankamen, so zerstreuten sich die Leute nach und nach. Herodes war aber in einer großen Bangigkeit und Unruhe. Die Hinrichtung der Ehebrecher in Jerusalem hatte das Volk auf die Erinnerung seiner ehebrecherischen Ehe gebracht, und es murrte laut darüber, dass er Johannes gefangen halte, weil er die Wahrheit gesagt und das Gesetz aufrecht gehalten, nach welchem jene in Jerusalem getötet worden. Zudem hörte er noch von den Taten und Lehren Jesu in Galiläa. Auch war es ihm zu Ohren gekommen, dass Er jetzt an den Jordan herabkommen und lehren wolle. Er war in großer Furcht, es möchte dadurch das unruhige Volk noch mehr aufgewiegelt werden. Und in dieser Angst sah ich ihn eine Versammlung von Pharisäern und Herodianern halten, um sich zu beratschlagen, wie man Jesus zurückhalten könne. Der Schluss war, dass er acht aus diesen zu Jesus absendete, welche Ihm ganz fein möchten zu verstehen geben, Er solle sich doch in Obergaliläa und jenseits des Sees mit seinen Lehren und Wundern aufhalten und nicht im Land des Herodes in Galiläa, und doch ja nicht zum Jordan herab ins Gebiet des Herodes kommen. Sie sollten Ihn warnen mit dem Beispiel des Johannes, weil Herodes sich leicht gezwungen sehen könnte, Ihn zu Johannes gefangen zu legen. Diese Gesandtschaft reiste heute nach Galiläa.

Am folgenden Morgen lehrte Jesus wieder in der Synagoge ohne viel Widerspruch. Denn sie wollten Ihn in der Mittagslehre alle zusammen anfallen. Er lehrte wieder abwechselnd aus Isaias und Deuteronomium. Es kam auch Gelegenheit vor, von würdiger Haltung des Sabbats zu reden, und Er lehrte viel davon. Die Kranken dieser Stadt hatten nicht gewagt, Ihn um Hilfe anzuflehen, so waren sie eingeschüchtert.

Jesus sprach in der Synagoge auch den Laurern zu Gehör von der Gesandtschaft des Herodes an Ihn: «Wenn sie kommen, so sollten sie den Füchsen sagen, sie möchten dem Fuchs die Nachricht bringen, er brauche sich um Ihn nicht zu ängstigen. Er möge ungehindert sein Treiben fortsetzen und sein Werk an Johannes vollenden. Er werde sich übrigens nicht an ihm stören und lehren, wohin Er gesandt sei, in jeder Gegend, und zu Jerusalem, wenn es nötig sei. Er werde seine Aufgabe vollenden und seinem Vater im Himmel Rechenschaft davon geben.» Sie ärgerten sich sehr darüber.

Nachmittags ging Jesus mit den Jüngern aus dem Haus des Pharisäers Dinotus ein wenig spazieren, und da sie vor das Tor kamen, wo das Haus Nathanaels lag, ging Andreas hinein und rief ihn herab. Nathanael stellte Jesus hier auch seinen Vetter, einen noch sehr jungen Mann vor, dem er sein Geschäft nun übergeben wolle, um Jesus ganz nachzufolgen. Ich meine, er wird jetzt schon mit Jesus hinabreisen.

Nach diesem Spaziergang gingen sie in die Stadt, in der an dieser Seite die Synagoge lag. Es hatten aber etwa zwölf arme, durch Arbeit erkrankte Taglöhner vom Land die Heilung ihres Gleichen von Jesus auf dem Erntefeld gehört und waren in Hoffnung einer ähnlichen Gnade in die Stadt gekrochen und hatten sich vor der Synagoge in eine Reihe gestellt, seine Hilfe anzurufen. Jesus ging tröstend an ihnen vorüber und ermahnte sie auf ihr Flehen zu einiger Geduld. Es folgten aber gleich hinter Ihm die Schriftgelehrten, die ergrimmten, dass es doch einige Fremde gewagt hätten, hier Heilung von Jesus zu verlangen, da es ihnen bisher gelungen war, die Kranken der Stadt zurückzuhalten. Sie fuhren die armen, elenden Menschen grob an und doch mit dem Scheine von frommer Absicht: «sie sollten hier keine Störung und Aufsehen machen und sich sogleich hinweg begeben, Jesus habe wichtigere Sachen mit ihnen zu verhandeln, es sei jetzt keine Zeit sich mit ihnen abzugeben»; da aber die armen, elenden Menschen nicht gleich von der Stelle konnten, ließen sie dieselben hinwegtreiben.

In der Synagoge lehrte Jesus meist von dem Sabbat und dessen Heiligung. Es kam dieses Gebot auch in den Stellen aus Isaias vor, welche heute gelesen wurden. Als Er darüber gelehrt hatte, fragte Er sie, indem Er zum tiefen Stadtgraben hindeutete, an dessen Rand ihre Esel grasten: «Wenn am Sabbat einer dieser Esel hinabstürzte, ob sie ihn herausziehen dürften am Sabbat, damit er nicht sterbe?» Sie schwiegen. «Ob sie dies wohl auch an einem Menschen tun dürften?» Sie schwiegen. «Ob sie wohl erlauben würden, dass ihnen selbst an Leib und Seele ein Heil am Sabbat widerfahre? Ob ein Werk der Barmherzigkeit am Sabbat erlaubt sei?» Auch hierauf schwiegen sie. Nun sagte Jesus: «Da ihr schweigt, muss Ich annehmen, dass ihr nichts dagegen einwenden könnt. Wo sind also die armen Kranken, welche Hilfe von Mir vor der Synagoge begehrten? Bringt sie hierher!» Da sie aber nicht daran wollten, sagte Jesus: «So ihr es nicht tun wollt, will Ich es durch meine Jünger tun lassen.» Sie besannen sich eines anderen und ließen die Kranken aufsuchen. Diese schlichen ganz elend herein. Es waren etwa zwölf, teils Lahme, teils schrecklich Geschwollene von Wassersucht, so dass die Finger dick auseinander standen. Diese Leute waren sehr erfreut, denn sie waren durch das Abweisen der Schriftgelehrten sehr traurig gewesen.

Jesus befahl ihnen, sich in eine Reihe zu stellen, und es war rührend zu sehen, wie die weniger Kranken selbst die Kränkeren vorausstellten, damit Jesus sie zuerst heilen solle. Jesus ging zu ihnen ein paar Stufen hinab und rief die Ersten heran. Sie waren meistens lahm in den Armen. Jesus betete über sie schweigend, indem Er die Augen emporhob und berührte ihre Arme sanft herabstreichend. Dann bewegte Er ihre Hände auf und ab und befahl ihnen zurückzutreten und Gott zu loben: sie waren geheilt. Die Wassersüchtigen konnten kaum gehen. Er legte ihnen die Hand auf Kopf und Brust, sie wurden kräftiger und konnten zurückgehen und das Wasser verließ sie nach wenigen Tagen ganz.

Während dieser Handlung entstand ein großes Zudringen des Volkes und anderer armer und kranker Leute, welche Gott mit den Genesenen laut lobten. Die Menge war so groß, dass die Schriftgelehrten voll Zorn und Beschämung weichen mussten und teils von dannen gingen. Jesus lehrte aber die versammelte Menge von der Nähe des Reiches, von Buße und Bekehrung bis zum Schluss des Sabbats. Die Schriftgelehrten mit allen ihren Einwürfen und Spitzfindigkeiten kamen gar nicht mehr zum Wort. Es war äußerst lächerlich, wie sie, die so gegeneinander geprahlt hatten, nun nicht einmal zur Rede kamen, und wie sie auch nicht das mindeste Recht gegen Jesus behielten und Ihm auch nichts hatten antworten können.

Nach dem Sabbat war in einem öffentlichen Lustort der Stadt ein großes Gastmahl wegen Vollendung der Ernte, und Jesus mit seinen Jüngern war dazu eingeladen. Es waren die meisten vornehmen Bürger und auch manche Fremde da, selbst einzelne reiche Bauern. Man aß an mehreren Tischen. Es befanden sich von allen Früchten, Obst und Getreide auf dem Tisch, selbst Geflügel, und alles, was besonders in dieser Ernte ergiebig gewesen, war doppelt da, auch Tiere, gebraten als Speise und geschlachtet und zur Zubereitung fertig, als ein Bild des Überflusses.

Man hatte Jesus und seinen Jüngern die obersten Stellen angewiesen. Aber ein hoffärtiger Pharisäer hatte sich im voraus obenan gesetzt. Jesus dem Tisch nahend sprach mit ihm heimlich und fragte, wie er an diesen Platz komme? Da sagte er: «Weil hier die löbliche Gewohnheit ist, dass die Gelehrten und Vornehmeren obenan sitzen,» Jesus entgegnete: «Die, welche auf Erden die ersten Plätze einzunehmen strebten, würden keinen Platz in dem Reich seines Vaters haben» und der Mann setzte sich ganz beschämt weiter hinab, wo er sich aber doch anstellte, als habe er dieses aus eigenem Besserdünken getan. Bei Tisch erklärte Jesus noch einiges vom Sabbat, besonders (Is 58, 7.) «brich dem Hungrigen dein Brot, und die so im Elend sind, führe ins Haus.» Und fragte auch: «Ob es nicht eine Gewohnheit dieses Festes, als eines Dankfestes des Überflusses sei, die Armen zu Gast zu ziehen und mit ihnen zu teilen? Er wundere sich, dass man dieses habe abkommen lassen, wo denn die Armen seien? Da sie Ihn eingeladen, obenan gesetzt und Ihn zum Meister der Tafel gemacht hätten, so müsse Er sich auch um die rechtmäßigen Gäste bekümmern. Sie sollten die Leute herbeirufen, die Er geheilt, und alle übrigen Armen.» Da sie es aber nicht gleich taten, gingen seine Jünger und riefen die Armen auf allen Straßen. Und als sie bald kamen, gab ihnen Jesus und die Jünger ihre Stellen, und die Schriftgelehrten machten sich nach und nach fort. Jesus aber und die Seinigen und einzelne gute Leute dienten den Armen und teilten noch alles aus, was übrig war, wodurch eine große Freude umher entstand. Dann begab Er sich mit den Seinigen zu dem Pharisäer Dinotus vor die Abendseite der Stadt zur Ruhe.

Tags darauf kamen am Morgen unzählige Kranke von Gennabris, aus der Stadt und aus der Gegend, an das Haus, wo Jesus herbergte, und Er heilte den ganzen Morgen. Es waren meistens Handlahme und Wassersüchtige. Der Sohn des Pharisäers Dinotus, bei dem Jesus wohnte, Namens Josaphat, von etwa zwölf Jahren, kam, als sein Vater Jesus ganz nachfolgte, auch mit ihm. Die jüdischen Knaben trugen einen langen Rock mit einem Zwickel an beiden Seiten, dessen Saum gespalten war, vorne bis auf die Füße waren Knöpfe und Schnüre. Wenn sie mehr erwachsen waren, erhielten sie erst die Art um die Beine gewickelter Beinkleider und andere Röcke wie die Großen. Wenn ihr Röckchen gegürtet war, war es kraus, sonst hing es gewöhnlich weit wie ein Hemd, oft war es auch geschürzt. Als Jesus von Dinotus Abschied nahm, drückte Er ihn an sich, und der Mann weinte sehr.

Jesus aber ging mit Nathanael. Andreas, Jakobus, Saturnin, Aristobulus, Tharzissus, Parmenas und noch Jüngern südlich durch Täler, etwa 2 - 3 Stunden weit, und übernachtete an einem Abhang, zwischen zwei Städten in einem leeren Schnitterschuppen. Die zur Linken gelegene Stadt hieß Ulama, die zur Rechten glaub ich Japhia. Ulama liegt gegen Tarichäa, etwa so wie Gennabris gegen Tiberias. Die rechts gelegene Stadt liegt tiefer als Bethulien; und sie sind auch eine gute Strecke voneinander entfernt, aber das Gebirge schiebt sich in der Ansicht so zusammen, dass man meint, Bethulien liege obendrüber. Dieser Ort liegt auch gegen Jesu Weg ganz nahe scheinend, als gehe er daraufzu. Der Weg aber krümmt sich, dass man ihn bald ganz aus dem Gesicht verliert.

Jenes Feld, wo Jesus die Ernteleute gelehrt, ist wirklich das Feld, wo Joseph seine Brüder mit den Herden angetroffen, und der länglich viereckige Brunnen ist jene Zisterne, in die sie Joseph hinabgelassen hatten.

12. Jesus in Abelmehola

Jesus ging von der Nachtherberge am Morgen mit den Jüngern etwa fünf Stunden weiter gegen Mittag und kam ungefähr um zwei Uhr zur kleinen Stadt Abelmehola, wo der Prophet Elisäus geboren ist. Sie lag an einer Anhöhe des Berges Hermon, so dass die Türme mit der Höhe des Bergrückens gleich standen. Sie war nur ein paar Stunden von Scythopolis und abendwärts von ihr kam man in das Tal Jezrael. Sie lag mit der Stadt Jezrael selbst in gleicher Linie. Nicht sehr weit von Abelmehola und näher am Jordan lag ein Ort Bezech. Samaria lag südwestlich mehrere Stunden von hier. Abelmehola liegt in oder auf der Grenze von Samaria, ist aber von Juden bewohnt.

Jesus und seine Jünger setzten sich vor der Stadt auf einem Ruheplatz nieder, wie das Wanderer in Palästina pflegten, welche dann gewöhnlich von gastfreien Leuten aus der Stadt herein in ihr Haus geholt wurden. So geschah es auch hier. Leute, die am Weg vorübergingen, erkannten Jesus, der früher einmal um die Zeit es Laubhüttenfestes hier durchgekommen war und sagten es zu Hause. Da kam bald ein wohlhabender Bauer aus dem Ort mit Dienern und brachte Jesus und den Jüngern zu trinken, Brot und Honig, lud sie in sein Haus und sie folgten. Hier wusch er ihnen die Füße, gab ihnen andere Kleider, schüttelte und streckte die ihrigen aus, worauf sie dieselben wieder anlegten. Er ordnete auch gleich eine Mahlzeit an, zu der er mehrere Pharisäer, mit denen er gut stand, einlud, welche auch bald erschienen. Er war außerordentlich freundlich, aber innerlich doch ein Halunke. Er wollte vor den Leuten prahlen, dass der Prophet bei ihm sei, und von den Pharisäern Ihn ausforschen lassen. Sie meinten, so allein bei Tisch gehe das besser, als vor der Volksmenge in den Synagogen.

Kaum aber war der Tisch bereitet, als sich alle beweglichen Kranken des Ortes schon vor dem Haus und in dem Hof des Mannes versammelten, was diesen und die Pharisäer sehr ärgerte. Er ging hinaus und wollte sie hinwegweisen, Jesus aber sagte: «Ich habe eine andere Speise, nach der Mich hungert» und setzte sich nicht zu Tisch, sondern ging hinaus zu den Kranken und begann sie zu heilen, auch alle seine Jünger folgten ihm. Es waren mehrere Besessene da, welche Ihn anschrieen. Er heilte sie mit einem Blick und einfachen Befehl. Viele Kranke waren an einer oder beiden Händen lahm. Er fuhr ihnen mit der Hand über die Arme und bewegte sie ihnen einmal auf und ab. Andere waren wassersüchtig. Er legte ihnen die Hände auf Kopf und Brust. Andere waren auszehrend, andere hatten kleine, jedoch nicht bösartige Geschwüre an sich. Einigen sagte Er, sich zu baden, anderen, sie würden in wenigen Tagen ganz gesund sein und befahl ihnen gewisse Werke. Weit zurück an einer Mauer gelehnt standen verschleiert und verschämt seitwärtssehend, oder mit elendem Angesicht durch eine Falte des Schleiers nach Jesus dann und wann hinblickend, mehrere blutflüssige Frauen. Zuletzt ging Jesus zu ihnen hinüber, rührte sie an und heilte sie, und sie warfen sich vor Ihm nieder.

Alle diese Menschen jubelten und lobsangen. Die Pharisäer aber im Haus hatten alle Öffnungen des Hauses zugesetzt, ärgerten sich bei ihrem Gastmahl und lauschten manchmal durch das Gitter. Es dauerte dieses Heilen aber lang, und sie mussten, da sie nach Hause wollten, durch den Hof durch alle Kranken, Genesenen und Jubelnden durch, was ihnen ein rechter Stich ins Herz war. Die Menge war aber zuletzt so groß, dass sich Jesus im Haus verbergen musste, bis sie von dannen gezogen waren.

Es war schon in der Dämmerung, als fünf Leviten kamen und Jesus nebst den Jüngern in das Schulhaus, dem sie vorstanden, zur Herberge luden. Sie verließen den pharisäischen Bauern mit Dank, und Jesus gab Ihm noch eine kurze Lehre und bediente sich eines Ausdrucks, «wie von den Füchsen» bei den Herodianern. Der Mann stellte sich immer ganz freundlich. In dem Schulhaus nahmen Jesus und die Jünger einen kleinen Imbiss und schliefen in einem langen Gang, in dem Teppich ausgebreitet und die Lager durch Stellwände geschieden wurden. Es wurde in dem Haus eine Knabenschule gehalten. Auch wurden in einer Stube erwachsene Jungfrauen unterrichtet, welche gründliche Kenntnisse erlangten, um Jüdinnen zu werden. Diese Schule war seit der Zeit von Jakob her hier im Gebrauch. Da Jakob von Esau auf alle Weise verfolgt wurde, sendete Ihn Rebekka heimlich nach Abelmehola, wo er Herden und Knechte hatte und in Zelten wohnte. Rebekka hatte dort eine Schule für Kananiterinnen und andere heidnische Mädchen veranstaltet. Weil Esau, seine Kinder und Knechte, sowie auch andere Leute Isaaks sich mit solchen verheirateten, ließ Rebekka, die einen Widerwillen gegen solches Volk hatte, die Jungfrauen, welche es wünschten, an diesem Ort in den Sitten und der Religion Abrahams unterrichten, denn dieses Feld dort gehörte ihr.

Jakob hielt sich lange dort verborgen auf, und wenn man nach ihm fragte, sagte sie, er sei in der Fremde bei anderer Leute Herden. Manchmal kam er heimlich zu ihr, und sie hielt ihn einige Zeit verborgen vor Esau. Er grub bei Abelmehola einen Brunnen, denselben, an dem Jesus vor der Stadt gesessen. Die Leute hielten den Brunnen dort sehr in Ehren, und er war immer zugedeckt. Er grub auch noch eine Zisterne dort umher, lang und viereckig, in die man auf Treppen hinabsteigen konnte. Später wurde sein Aufenthalt bekannt, und weil Rebekka merkte, dass er sich auch wie Esau mit einer kananitischen Frau befassen würde, schickten Isaak und sie Jakob in ihre Heimat zu Laban, seinem Oheim, wo er die Rachel und Lia verdiente.

Es hatte aber Rebekka die Schule so weit von ihrer Wohnung im Lande Heth gesetzt, weil Isaak viel Streit mit den Philistern hatte, die ihm oft alles zuschanden machten. Sie hatte dort einen Mann aus ihrem Vaterland Mesopotamien und ihre Amme hingesetzt, die, glaube ich, dessen Frau war. Die Schülerinnen wohnten in Zelten und wurden in allem unterrichtet, was die Frau in herumziehenden Hirtenhaushalten wissen musste. Sie lernten auch die Pflichten einer Frau im Stamm Abrahams und dessen Religion. Sie hatten Gärten und pflanzten allerlei rankende Gewächse, wie Kürbisse, Melonen, auch Gurken und eine Art Getreide. Sie hatten sehr große Schafe, deren Milch sie aßen. Sie wurden auch im Lesen unterrichtet, was ihnen wie das Schreiben sehr schwer ankam. Man schrieb damals ganz seltsam auf braune, dicke Lappen. Es waren dies keine Rollen, wie später, es waren Rinden von Bäumen. Ich sah solche abziehen. Sie brannten die Buchstaben hinein. Sie hatten ein Kästchen, in welchem Zickzackfächer waren. Ich sah diese Fächer oben blinken, denn es lagen allerlei Zeichen von Metall darin, welche sie in einer Flamme heiß machten und in die Rinde nacheinander einbrannten. Ich habe das Feuer, worin sie es heiß machten und das sie auch zum Kochen, Braten und Backen und als Lampe brauchten, auf folgende Art bei ihnen gesehen und noch dabei gedacht, sie haben das Licht hier alle unter dem Scheffel stehen. In einem Gefäß, dessen Gestalt mich an den Aufsatz erinnerte, den manche heidnische Götterbilder auf dem Kopfe haben, brannte eine schwarze Masse, in deren Mitte ein Loch, vielleicht zum Luftzug, eingebohrt war. Die runden Türmchen um das Gefäß waren hohl und es wurde da wohl etwas zum Kochen hineingegossen. Über dieses Feuerbecken stülpten sie wie einen Scheffel, der oben dünn und wie fein durchlöchert war, auch an diesem waren rings so runde Türmchen, worin man etwas erwärmen konnte. An diesem Scheffel waren rings Öffnungen mit Schiebern, und wohin sie Licht haben wollten, machten sie so ein Fensterchen auf, da fiel das Licht der Flamme hin. Sie öffneten immer zu den Seiten, wo kein Zugwind herkam, der in den Zelten oft sein konnte. Unter dem Feuerbecken war auch ein kleiner Aschenraum, in dem sie dünne Brotkuchen backen konnten, und oben über dem Scheffel kochten sie in niedrigen Gefäßen Wasser, das sie abzapften zu Bädern und zum Waschen und Kochen. Sie brieten und rösteten auch darauf. Diese Gefäße waren dünn und leicht, sie nahmen dieselben auf allen Zügen mit sich und konnten sie leicht von einer Stelle zur andern bringen. Über einem solchen Feuerbecken wurden die Buchstaben heiß gemacht und dann eingebrannt in die Rinden.

Die kananitischen Menschen hatten schwarze Haare und waren bräuner als Abraham und seine Landsleute. Diese waren gelblicher und mit durchschimmernder Röte. Die kananitischen Frauen waren anders gekleidet als die Töchter Israels, Sie hatten von wollgelbem Zeug ein weites Röckchen bis an die Knie. Es bestand aus vier Lappen, welche unter den Knien mit einer Strippe zusammengezogen waren und ein weites Beinkleid mit getrennten Beinen bildeten, das nicht um die Lenden gewickelt war, wie bei den Juden, in seinen weiten Falten an beiden Seiten die Trennung bedeckte, um den Leib war dieses Beinkleid auch zusammengezogen. Der Oberleib war mit einem ähnlichen doppelten Zeuglappen über Rücken und Brust bedeckt. Die Lappen waren auf den Schultern zusammengebunden und diese Art weites Skapulier, ebenfalls an beiden Seiten offen, war unten mit einer Strippe um den Leib geschlossen, über welche Strippe es übersackte. So sahen Leib und Lenden wie ein weiter Sack aus, in der Mitte gebunden und unter den Knien plötzlich endend. Die Beine standen auf Sohlen und waren von diesen herauf bis an die Knie mit Riemen kreuzweise umwunden, zwischen welchen man das Bein durchsah. Die Arme waren mit einem feinen durchsichtigen Stofflappen bedeckt, der sich durch mehrere glänzende Metallringe zu einem Ärmel daran anschloss. Auf dem Kopf hatten sie eine Mütze von kleinen Federn, die oben in einer Spitze endeten, von welcher sich hinten eine Art Helmkamm herabbog, der mit einem starken Busch endigte. Sie waren schön von Körperbau, sonst aber viel unwissender als die Kinder Abrahams. Einige hatten auch noch lange Mäntel, oben enger, unten weiter. Die Frauen von Israel trugen eine gewickelte Bedeckung auf dem Leibe, darüber einen langen Hemdrock und zuletzt ein langes, vorne zugeknüpftes Kleid. Den Kopf hatten sie mit einem Schleier umwunden oder auch mit vielen Krausen hintereinander umgeben, wie die Leute jetzt am Hals tragen.

Ich sah auch, was sie zu Rebekkas Zeit lernten. Es war die Religion Abrahams, von der Erschaffung der Welt, von Adam und Eva und ihrer Einführung ins Paradies, von der Verführung Evas durch den Satan und von dem Sündenfall des ersten Menschenpaares durch Übertretung der von Gott gebotenen Enthaltsamkeit. Durch das Essen der verbotenen Frucht entstand alles sündhafte Gelüst im Menschen. Sie wurden gelehrt, dass der Satan den ersten Eltern ein göttliches Licht und Erkennen versprochen habe, dass die Menschen aber nach der Sünde blind geworden seien, dass ihnen wie ein Fell über die Augen gezogen worden, dass ihnen ein früher gehabtes Schauen verloren gegangen sei, und dass sie nun mühselig arbeiten, die Kinder in Schmerzen gebären und nach aller Erkenntnis demütig ringen müssten. Sie lernten auch, dass der Frau ein Sohn verheißen sei, der der Schlange das Haupt zertreten solle. Von Abel und Kain, von den Nachkommen Kains, wie sie ausgeartet und böse geworden und wie die Kinder Gottes, von der Schönheit der Töchter der Menschen angezogen, sich mit diesen verbunden und wie ein gottloser gewaltiger Menschenstamm von Riesen aus ihnen entstanden sei, voll von zauberhafter Macht, böser Wissenschaft und Kunst, ein Geschlecht, das alle Lüste und falsche Weisheit, alles, was zur Sünde lockt und von Gott abzieht, erfunden und gelehrt und die Menschen so verführt und verderbt habe, dass Gott sie alle bis auf Noe und seine Familie zu vertilgen beschlossen. Dieses Volk habe auf einem hohen Gebirge seinen Hauptsitz gehabt und sei immer höher und höher gedrungen, in der Sintflut aber sei dieser Berg versunken und zu einem Meer geworden. Sie lernten weiter von der Sintflut, von der Rettung Noes in der Arche, von Sem, Cham und Japhet, von der Sünde Chams und der abermaligen Bosheit der Menschen bei dem Turmbau zu Babel. Dieser Bau, seine Zerstörung, die Sprachverwirrung und feindselige Trennung der Menschen wurde ihnen wieder mit dem Treiben jener bösen, gewaltigen, zauberhaften Menschen auf dem hohen Berge zusammengestellt und als Folge unerlaubter, von Gottes Gesetz verbotener Vermählungen dargestellt. Auch auf dem Turm zu Babel wurde Zauberei und Abgötterei getrieben.

Bei diesen Lehren wurden dann die bekehrten Jungfrauen vor jeder Verbindung mit Götzendienern, vor allem eitlen Trachten nach Kunst, Zauberei. Reizen, Sinnenbelustigungen, vor bösem Schmuck und vor allem, was nicht zu Gott führt, gewarnt, als vor Dingen, welche alle zu den Sünden gehören, wegen welcher Gott die Menschen vertilgte. Sie wurden hingegen zur Gottesfurcht, zum Gehorsam und Untertänigkeit und zur treuen, einfältigen Übung aller Pflichten des Hirtenlebens angewiesen. Sie wurden auch in den Geboten unterrichtet, die Gott dem Noe gegeben, z. B. kein rohes Fleisch zu essen. Sie wurden auch gelehrt, wie Gott das Geschlecht Abrahams erwählt habe, sein auserwähltes Volk aus seinen Nachkommen zu bilden, aus dem der Erlöser geboren werden soll, und wie er den Abraham aus dem Land Ur herausgeführt und abgesondert habe. Sie wurden gelehrt, wie Gott zu Abraham weiße Männer gesandt habe, nämlich Männer, die weiß, die leuchtend erschienen, und diese hätten dem Abraham das Geheimnis des Segens Gottes gegeben, dass seine Nachkommenschaft groß werden soll über alle Völker der Erde. Es wurde ihnen von diesem übergebenen Geheimnis nur im allgemeinen, als von einem Segen gesprochen, aus welchem die Erlösung kommen werde. Sie lernten auch von Melchisedech als einem solchen weißen Mann, wie er Brot und Wein geopfert und Abraham gesegnet habe. Auch von dem Strafgericht Gottes über Sodoma und Gomorrha wurden sie belehrt.

Als Jesus diese Schule besuchte, hatten die Jungfrauen eine Zeitrechnung auf die Ankunft des Messias zu machen und alle trafen mit ihren Rechnungen auf die jetzige Zeit zusammen. In diesem Augenblick trat Jesus mit den Jüngern in die Schule. Es machte dies einen erschütternden Eindruck. Er lehrte darüber und legte alles sehr deutlich aus: der Messias sei schon da, werde aber nicht erkannt. Er sprach von dem unerkannten Messias und seinen nun erfüllten Vorzeichen. Von den Worten: «Eine Jungfrau wird einen Sohn gebären» sprach Er verhüllt. Dieses sei ihnen noch zu schwer zu verstehen, ermahnte sie, sich glücklich zu preisen, diese Zeit erlebt zu haben nach welcher Altväter und Propheten so lange geseufzt. Er sprach auch von den Verfolgungen und Leiden des Messias, legte ihnen Stellen davon aus und dass sie am künftigen Laubhüttenfest darauf achten sollen, was in Jericho geschehen werde. Er sprach von Wundern und von dem zu heilenden Blinden. Auch machte Er ihnen eine Zeitrechnung vom Messias, sprach von Johannes und von der Taufe und fragte: ob sie auch die Taufe wünschten? Er lehrte auch in der Parabel von der verlornen Drachme.

Die Jungfrauen saßen in der Schule mit unterschlagenen Beinen, manchmal ein Knie aufgerichtet. Jede hatte ein Bänkchen neben sich, welches einen Winkel bildete. An eine Seite lehnten sie sich seitwärts, auf die breitere legten sie beim Schreiben ihre Rollen, oft standen sie auch und hörten zu.

Es war in dem Haus, wo Jesus eingekehrt, auch eine Knabenschule, eine Art Waisenhaus, eine Stiftung für Erziehung elternloser und aus der Sklaverei losgekaufter Judenkinder, welche entfernt von jüdischer Lehre aufgewachsen waren. Es hatten in dieser Schule auch Pharisäer und Sadduzäer als Lehrer Anteil und waren auch Mädchen aufgenommen, von welchen die jüngeren durch bereits erwachsene Mädchen unterrichtet wurden.

Als Jesus in diese Schule ging, hatten die Knaben etwas von Hiob auszurechnen, womit sie nicht fertig werden konnten.

Jesus legte es ihnen aus und schrieb ihnen alles mit einigen Buchstaben auf. Er erklärte ihnen auch etwas von einem Maß von zwei Stunden Wegs oder Zeit, das ich nicht mehr weiß und erklärte den Knaben viel vom Buch Job, das von einigen Rabbinern als wahre Geschichte angefochten wurde, indem die Edomiter, aus deren Volk Herodes stammte, die Juden damit aufzogen und verspotteten, als glaubten sie an die Wahrheit dieser Geschichte von einem Mann aus dem Land Edom, den doch kein Mensch dort kenne. Es sei dies eine bloße Fabel gewesen, die Israeliten in der Wüste zu unterhalten. Jesus erklärte den Knaben nun die Geschichte Jobs, wie sie wirklich geschehen sei und erzählte sie zugleich in der Weise eines Propheten und Kinderlehrers, als sehe Er alles vor sich, als sei es seine eigene Geschichte, als habe Er alles gesehen und gehört, oder als habe Job sie ihm erzählt. Man wusste nicht, ob Er damals mitgelebt oder ob Er ein Engel Gottes oder Gott selbst sei. Das war den Knaben aber nicht sehr befremdend, denn sie fühlten bald, dass Jesus ein Prophet sei, und wussten auch von Melchisedech, dass man nicht gewusst habe, wer er war. Auch sprach Er in einer Parabel von der Bedeutung des Salzes und von dem verlorenen Sohn. Währenddessen waren die Pharisäer herzugekommen, welche sich sehr darüber ärgerten, als sie merkten, dass Jesus alles auf sich selber auslegte, was Er über den Messias in der Schule vorbrachte.

Am Abend dieses Tages ging Jesus mit den Leviten und den Kindern vor die Stadt. Die Mägdlein von Größeren geführt folgten nach. Manchmal blieb Er stehen, bis diese herankamen, während die Knaben vorausgingen, und lehrte in schönen Beispielen aus der Natur, welche Er von allen Gegenständen nahm, von Bäumen, Früchten, Blumen, Bienen, Vögeln, Sonne, Erde, Wasser, Herden und Feldarbeiten. So lehrte Er auch die Knaben unbeschreiblich schön von Jakob und dem Brunnen, den er hier gegraben und wie sich nun das lebendige Wasser zu ihnen ergieße, und was es heiße, die Brunnen verstopfen und verschütten, wie die Feinde Abrahams und Jakobs getan, und legte dieses auf jene, welche die Lehre und Wunder der Propheten unterdrücken wollen, die Pharisäer aus.

Als Jesus am folgenden Morgen in die Synagoge kam, waren alle Pharisäer und Sadduzäer, welche im Ort waren, und viel Volk versammelt. Er schlug Rollen auf und erklärte aus den Propheten. Sie disputierten mit Ihm ganz hartnäckig, aber Er beschämte sie alle. Es war aber ein Mann mit lahmen Armen und Händen bis an die Türe der Synagoge gekrochen. Er hatte sich so lange gesehnt und endlich war es ihm gelungen, dahin zu kommen, wo Jesus vorbei musste, wenn Er herausging. Einige Pharisäer ärgerten sich über ihn und befahlen ihm hinwegzugehen. Da er aber nicht wollte, versuchten sie ihn wegzuschieben. Er stemmte sich nun so gut er konnte gegen die Tür und sah gar wehmütig nach Jesus, der auf erhöhtem Stand durch die vielen Menschen getrennt und ziemlich entfernt war. Jesus aber wendete sich gegen ihn und sprach: «Was verlangst du von Mir?» Da sprach der Mann: «Herr, ich flehe, dass Du mich heilst, denn Du vermagst es, so Du willst.» Jesus sprach zu ihm: «Dein Glaube hat dir geholfen, strecke deine Hand aus über das Volk», und in dem Augenblick war dem Mann aus der Entfernung geholfen. Er streckte seine Hände empor und lobte Gott. Jesus sagte nun: «Geh nach Haus und mache kein Aufsehen!» Der Mann aber antwortete: «Herr, wie kann ich eine so große Wohltat verschweigen?» und er ging hinaus und verkündete es allen Menschen. Es kamen nun viele Kranke vor der Synagoge zusammen, welche Jesus heilte, als Er herausging. Nachher war Er bei einer Mahlzeit mit den Pharisäern, welche Ihn trotz ihres innern Ärgers äußerlich immer mit viel Höflichkeit behandelten, um Ihn auszulauern. Am Abend hat Er noch geheilt.

13. Jesus geht von Abelmehola nach Bezech

Jesus war am Morgen noch in der Schule von Abelmehola. Er ward zuletzt von den kleinen Mägdlein umgeben, welche dicht bei Ihm standen und Ihn an der Hand und und den Kleidern fassten. Er war ungemein freundlich und ermahnte die Kinder zum Gehorsam und zur Gottesfurcht. Die Größeren standen mehr zurück. Die gegenwärtigen Jünger waren etwas verlegen und bange, sie wünschten, Er möge hinweggehen. Sie meinten nach jüdischem Gebrauch, diese Vertraulichkeit mit den Kindern schicke sich nicht für einen Propheten und könne seinem Ruf schaden.

Jesus kümmerte sich nicht um sie, und als Er alle Kinder belehrt, die Erwachsenen ermahnt und die Lehrer im Guten bestärkt, sagte Er einem der Jünger, er solle jedem der kleineren Mägdlein ein Geschenk machen, und sie erhielten kleine Münzen, die aneinander befestigt waren, ich meine jedes ein paar Drachmen. Er segnete nachher die Kinder insgemein und verließ mit den Jüngern den Ort, gegen Osten dem Jordan zugehend.

Unterwegs lehrte Jesus noch auf dem Feld vor einzelnen Hütten, wo sich Haufen von Feldarbeitern und Hirten versammelten. Sie kamen erst nachmittags etwa gegen vier Uhr, vor Bezech an, welches etwa zwei Stunden östlich von Abelmehola am Jordan liegt. Es sind wie zwei Orte, an beiden Seiten eines Baches liegend, der in den Jordan fließt. Die Gegend ist hier hügelig und zerrissen und die Häuser liegen etwas zerstreut. Bezech ist mehr zwei Dörfer, als eine Stadt zu nennen. Die Einwohner sind hier einsam und ohne viel Verkehr. Sie sind meistens Ackerleute und ebnen ihr zerrissenes und hügeliges Bauland mit sehr viel Mühe. Außerdem verfertigen sie Ackergeräte für den Verkauf und machen grobe Teppiche und Zeltdecken.

Etwa anderthalb Stunden von hier macht der Jordan eine Wendung gegen Abend, als wolle er gerade gegen den Ölberg hinfließen, er wendet sich aber wieder zurück und umfasst so eine Art Halbinsel des östlichen Ufers, worauf eine Reihe Häuser liegen. Ehe Jesus nach Abelmehola von Galiläa herkam, musste Er über ein Flüsschen. Von Bezech mochte Ainon jenseits etwa vier Stunden sein.

Jesus kehrte vor dem Ort in einer Herberge ein, welche die erste der von Bethanien aus für Ihn und die Jünger eingerichteten Herbergen war, die Er auf dieser Reise berührte. Es war ein frommer, wohlgesinnter Mann hineingesetzt, der den Ankommenden entgegen kam, ihnen die Füße wusch und sie bewirtete. Jesus ging noch in den Ort, wo die Vorsteher der Schule Ihn auf der Straße empfingen und ging in verschiedene Häuser, wo Er Kranke heilte.

Es sind jetzt wohl dreißig Jünger hier bei Jesus. Es sind mit Lazarus Jünger aus Jerusalem und der Umgegend und mehrere Jünger des Johannes gekommen. Einige kamen gerade von Machärus mit einer Botschaft von Johannes an Jesus. Er ließ Ihn dringend ersuchen, Er solle doch deutlich auftreten und aussprechen, dass Er der Messias sei. - Unter den Gesandten von Johannes war der Sohn eines verwitweten Kleophas. Ich meine des Kleophas von Emmaus, der mit dem Kleophas, dem Mann der ältesten Schwester Mariä verwandt ist. Ein anderer dieser Jünger war Judas Barsabas, mit Zacharias aus Hebron verwandt. Seine Eltern hatten früher in Nazareth gewohnt und wohnten jetzt in Kana. Bei diesen Johannesjüngern fallen mir noch andere ein. Die Söhne der Maria Heli der älteren Schwester der HI. Jungfrau, waren Johannesjünger. Sie waren so lange nach ihrer Schwester Maria Kleophä geboren, dass sie kaum älter als deren Söhne waren. Sie folgten dem Täufer bis zu seiner Enthauptung und kamen dann zu den Jüngern Jesus.

Die beiden Eheleute, welche in Bezech der Herberge vorstanden, waren fromme, gute Leute, und lebten nach einem Gelübde in Enthaltung, obwohl sie keine Essener waren. Sie waren mit der Heiligen Familie ferne verwandt. Jesus sprach mehrmals während seines Hierseins allein mit diesen Leuten.

Alle anwesenden Freunde und Jünger aßen und schliefen in der neu angelegten Herberge mit Jesus. Es waren Geschirr, Decken, Teppiche, Lager, Scheidewände, auch Sohlen und einzelne Kleidungsstücke durch Vorsorge des Lazarus und der Frauen für sie bereit. Martha hatte nahe an der Wüste von Jericho ein Haus voll Frauen, welche allerlei hierzu bereiteten. Sie hatte manche arme Witwe und manche arme verkommene Person, die nach Besserung strebte, dort wohnen und arbeiten. All dies geschah still und ohne Öffentlichkeit. Es war aber keine Kleinigkeit, so viele Herbergen für so viele Menschen zu unterhalten, und in steter Übersicht zu haben und überall Boten hinzusenden oder selbst nachzusehen.

Jesus hielt am Morgen eine große herrliche Lehre auf einem Hügel mitten im Ort, wo die Einwohner Ihm einen Lehrstuhl zubereitet hatten. Es waren sehr viele Menschen da, auch etwa zehn Pharisäer, welche aus benachbarten Orten hierher gekommen waren, um auf seine Lehre zu lauern. Er lehrte hier sehr mild und liebevoll gegen das Volk, welches gutartig und durch den Besuch von Johannes Lehre und durch die Taufe, welche viele empfangen hatten, schon sehr gebessert war. Er ermahnte sie, zufrieden bei ihrem geringen Stand zu bleiben, arbeitsam und barmherzig zu sein. Er sprach von der Zeit der Gnade, von dem Reich, dem Messias, und deutlicher als sonst, von Sich selbst. Er sprach von Johannes und seinem Zeugnis, von dessen Gefangenschaft und Verfolgung. Er sprach auch von den königlichen Ehebrechern, die er ermahnt, deswegen sei er gefangen. In Jerusalem aber habe man die Ehebrecher, welche ihre Laster doch nicht so öffentlich getrieben, hingerichtet. Er sprach sehr deutlich und treffend. Er ermahnte jeden Stand, jedes Geschlecht und Alter insbesonders. Ein Pharisäer fragte, ob Er denn an Johnannes Stelle trete? Oder ob Er der sei, von dem Johannes gesprochen? Er antwortete umgehend, und verwies ihm seine lauernde Frage.

Jesus hielt nachher noch eine sehr rührende Ermahnung an die Knaben und Mägdlein. Er ermahnte die Knaben untereinander zur Geduld, und wenn ein anderer sie schlage oder werfe, es nicht zu erwidern, sondern geduldig zu leiden, sich zurückziehen und dem Feind zu vergeben. Nichts sollten sie erwidern, als die Liebe doppelt und selbst ihren Feinden sollten sie Liebe erweisen. Sie sollten nicht nach fremdem Eigentum verlangen, und wenn ein anderer Knabe gern ihre Federn, ihr Schreibzeug, ihr Spielwerk, ihre Früchte hätte, so sollten sie ihm noch mehr geben, als er wolle, und seine Habsucht ganz sättigen, wenn sie die Sachen weggeben dürften. Denn nur die Geduldigen, die Liebenden und Freigebigen würden einen Stuhl in seinem Reich erhalten. Und diesen Stuhl beschrieb Er ihnen ganz kindlich, wie einen schönen Thron.

Er sprach von den Gütern der Erde, die man hingeben müsse, um die Güter des Himmels zu erlangen. Die Mädchen ermahnte Er unter anderem, sich nicht um den Vorzug und schöne Kleider zu beneiden und zu Gehorsam, Elternliebe, Milde und Gottesfurcht.

Am Schluss der öffentlichen Lehre wendete Er sich zu seinen Jüngern, ermahnte und tröstete sie ungemein liebevoll, alles mit Ihm zu ertragen und keiner weltlichen Sorge nachzugeben. Er sagte ihnen, dass sie sein Vater im Himmel reichlich belohnen werde und sie das Reich mit Ihm besitzen sollten. Er sprach von der Verfolgung, die Er und sie mit erleiden würden, und sprach deutlich heraus: wenn die Pharisäer, die Sadduzäer, die Herodianer sie lieben oder loben würden, so sollten sie daraus merken, dass sie von seiner Lehre gewichen und seine Jünger nicht mehr seien. Er nannte diese Sekte mit bezeichnenden Beinamen. Er lobte aber die Einwohner hier vorzüglich wegen ihrer Mildtätigkeit, denn sie nahmen oft von den armen Waisen aus der Schule zu Abelmehola zu sich in ihre Dienste und Arbeit. Er lobte sie auch wegen einer neuen Synagoge, die sie gebaut durch Beisteuer, wozu auch fromme Leute aus Kapharnaum beigetragen. Dann heilte Er noch viele Kranke und aß mit allen Jüngern in der Herberge und ging am Abend, da der Sabbat anbrach, in die Synagoge.

Jesus lehrte in der Synagoge aus Isaias 51,12. «Ich bin euer Tröster.» Er sprach gegen die Menschenfurcht: sie sollten sich nicht vor den Pharisäern und andern Drängern fürchten und denken, dass Gott sie erschaffen und erhalten bis jetzt. Er legte die Worte: «Ich lege mein Wort in deinen Mund» aus, dass Gott den Messias gesandt, dass dieser Gottes Wort im Mund seines Volkes sei, und dass dieser Messias Gottes Worte spreche, und dass sie sein Volk seien. Alles das deutete Er so klar auf Sich, dass die Pharisäer untereinander flüsterten, Er gebe Sich für den Messias aus. Dann sagte Er, Jerusalem solle erwachen von seinem Rausch, der Grimm sei vorüber, die Gnade sei da. Keinen habe die unfruchtbare Synagoge geboren, der das arme Volk leite und aufrichte. Jetzt aber sollen die Verderber, die Heuchler und Unterdrücker gestraft und unterdrückt werden. Jerusalem solle sich erheben, Sion aufwachen! Alles legte Er im geistigen Sinn aus auf die frommen und heiligen Leute, auf die Bußetuenden, auf die, welche durch den Jordan der Taufe in das Verheißene Kanaan, in das Reich seines Vaters einziehen würden. Es solle kein Unbeschnittener, noch Unreiner, keiner, welcher seine Sinne nicht gebändigt, kein Sünder mehr das Volk verderben. So lehrte er fort von der Erlösung und dem Namen Gottes, der verkündet werde jetzt unter ihnen und auch aus Deuteronomium 16 bis 18 über die Richter und die Amtsleute, über das Rechtverdrehen, und das Bestechen und traf scharf auf die Pharisäer. Nachher heilte Er noch viele Kranke vor der Synagoge.

Tags darauf lehrte Jesus wieder in der Synagoge aus Isaias 51 und 52. und Deuteronomium 16 bis 21. Er sprach von Johannes und dem Messias, von den Kennzeichen des Messias in anderer Weise, als gewöhnlich, denn Er sprach es sehr deutlich aus, dass Er der Messias sei, da viele der Anwesenden durch die Lehren Johannes schon sehr vorbereitet waren. Es floss diese Lehre aus Isaias 52, 13 bis 15. Er sprach: der Messias werde sie versammeln, werde voll Weisheit sein, erhöht und verherrlicht werden und wie viele sich über das unter den Heiden zertretene und verwüstete Jerusalem entsetzt hätten, so werde auch sein Erlöser unter den Menschen ohne Ansehen, verfolgt und verachtet erscheinen. Er werde viele Heiden taufen und reinigen, die Könige würden von Ihm belehrt schweigen, und die, denen Er nicht verkündet worden sei, würden seine Lehre vernehmen, würden Ihn sehen. Er wiederholte auch alle seine Taten und Wunder seit seiner Taufe und alle Verfolgung, die Er erlitten zu Jerusalem und zu Nazareth, die Verachtung, das Lauern und Hohnlächeln der Pharisäer. Er erwähnte das Wunder zu Kana, die geheilten Blinden, Stummen, Tauben, Lahmen, die Erweckung der Tochter des Jairus zu Phasael. Er zeigte zur Gegend hin und sagte: «Es ist nicht sehr weit von hier. Geht und fragt, ob dem nicht so sei!» Er sagte: «Ihr habt den Johannes gesehen und erkannt. Er hat euch gesagt, dass er sein Vorläufer, sein Wegbereiter sei! War Johannes weichlich, zärtlich, vornehm? Oder war er als einer aus der Wüste? Wohnte er in Palästen, aß er köstliche Speisen, trug er zarte Kleider, sprach er feine glatte Worte? Er sagte aber, dass er der Vorläufer sei. Trägt dann der Diener nicht die Kleider seines Herrn? Wird ein König, ein glänzender, mächtiger, reicher, wie ihr ihn erwartet, als euren Messias, einen solchen Vorläufer haben ? Aber ihr habt den Erlöser, und ihr wollt Ihn nicht erkennen, Er ist nicht nach eurer Hoffart und weil Er nicht so ist wie ihr, so wollt ihr Ihn nicht erkennen!»

Er lehrte auch noch vieles über Deuteronomium 18, 18.19. «Ich will ihnen einen Propheten erwecken, aus ihren Brüdern, und wer seine Worte in meinem Namen nicht hören wird, von dem will Ich Rechenschaft fordern.» Es war eine gewaltige Lehre, und es wagte keiner, Ihm zu widersprechen. Er sagte auch: «Johannes war einsam in der Wüste und ging zu niemand. Das war euch nicht recht. Ich gehe von Ort zu Ort, lehre und heile, und das ist euch auch nicht recht! Was wollt ihr für einen Messias? Jeder will etwas anderes! Ihr seid wie die Kinder, welche auf den Straßen laufen. Jedes macht sich ein anderes Instrument, darauf zu blasen, der eine ein tiefes Horn von Bast, der andere eine hohe Rohrpfeife.» Nun nannte Er allerlei Kinderspielwerk, und wie jedes wolle, man solle in seinem Ton singen und jedem gefalle nur sein Spielwerk.

Gegen Abend, als Jesus aus der Synagoge kam, war eine große Menge Kranker vor derselben versammelt. Viele lagen auf Tragbetten und es waren Zeltdächer über sie gespannt. Jesus ging von seinen Jüngern begleitet von einem zum andern und heilte sie. Dazwischen waren hie und da Besessene, welche tobten und Ihn anschrieen. Er befreite sie, indem Er vorüberging und ihnen zu schweigen befahl. Es waren hier Lahme, Schwindsüchtige. Wassersüchtige mit Geschwüren am Hals wie Drüsen, Taube und Stumme. Er heilte sie alle einzeln mit Auflegung der Hände, doch war seine Art und Berührung verschieden. Die Genesenen waren teils gleich ganz geheilt, nur noch etwas schwach, teils erleichtert, und die Genesung folgte schnell, je nachdem die Art des Übels und das Gemüt des Kranken war. Die Geheilten gingen von dannen und sangen einen Psalm Davids. Es waren aber so viele Kranke, dass Jesus nicht ganz herumkommen konnte. Die Jünger halfen Ihm mit Heben, Aufrichten, Loswickeln der Kranken, und Jesus legte Andreas, Johannes und Judas Barsabas die Hände auf den Kopf, und nahm ihre Hände in seine Hand und befahl ihnen, einem Teil der Kranken in seinem Namen zu tun, wie Er tue. Sie taten dieses auch sogleich und heilten viele.

Hierauf begab sich Jesus mit den Jüngern zur Herberge, wo sie eine Mahlzeit hatten, sonst war niemand dabei. Er ließ aber einen großen Teil der Speisen, die übrig waren und die Er segnete, hinaus zu den vor Bezech lagernden armen Heiden und auch zu andern Armen bringen. Diesen Heidenkarawanen war von Jüngern gelehrt worden.

Von beiden Jordansufern war eine große Menge Volkes in Bezech versammelt. Alle, welche den Johannes gehört, wollten nun auch Jesus hören. Die Heidenkarawane hatte nach Ainon ziehen wollen, war aber herübergekommen, um Jesus zu hören. Bezech lag etwa dreiviertel Stunden vom Jordan, an einem rasch fließenden Bach, welcher den Ort in zwei Teile trennte.

14. Jesus verlässt Bezech und kommt nach Ainon. Maria von Suphan

Jesus lehrte und heilte noch vor der Herberge. Das Taufvolk, die Karavane der Heiden und viele andere Menschen zogen zum Jordan, um überzusetzen. Die Überfahrt war aber anderthalb Stunden südlich von Bezech unter einer Stadt Zarthan, welche eine Stunde unter Bezech am Jordan liegt. Jenseits liegt zwischen Bezech und Zarthan ein Ort Adam. Bei diesem Zarthan blieb der Jordan stehen, als die Kinder Israel hinüberzogen. Auch ließ Salomon hier einmal Gefäße gießen. Es sind noch solche Gewerbe hier, und abendlich von der Westwendung des Jordan liegt ein Bergwerk in einem Berg, der sich bis gegen Samaria zieht. Sie fanden da etwas, was man bei uns Erz nennt. Jesus lehrte immer unterwegs. Als Er gefragt wurde, ob Er nicht in Zarthan lehren wolle, sagte Er: Andere bedürfen es mehr, Johannes sei oft da gewesen, sie sollten fragen, ob er dort geschmaust und weichliche Speisen gegessen habe? Es war hier eine große Fähre auf dem Jordan. Unter dieser Überfuhr ist die Ausbeugung des Jordan nach Westen. Jenseits wanderten sie etwa zwei Stunden gegen Morgen an der Nordseite eines Flüsschens, das sich etwas unter der Überfuhr in den Jordan ergoss. Dann kamen sie über ein Flüsschen, nächst welchem Sukkoth ihnen zur Linken lag, als sie es überschritten hatten. Sie ruhten zwischen Sukkoth und Ainon, welche Orte etwa vier Stunden voneinander sein mochten, unter Zelten. Als sie über dem Jordan eine Strecke aufwärts gegangen waren, konnten sie jenseits Salem liegen sehen, das ihnen das Hügelufer verdeckt hatte. Es lag etwas unter der Mitte des westlichen Ausbugs des Jordan gegenüber von Ainon.

In Ainon waren unzählige Menschen versammelt. Die Heiden lagerten sich zwischen dem Hügel, worauf Ainon liegt und dem Jordan. Auch zehn Pharisäer waren hier, teils aus Ainon, teils von anderen Orten, darunter auch der Sohn des Simeon von Bethanien. Doch waren kluge und geistlose Leute unter ihnen.

Von der Nordseite des Hügels hinab liegt Ainon als eine kleine Stadt, wie sie sich wohl an Lustschlösser anbaut. An dieser Seite vor der Stadt war der Abfluss der Quelle des Taufbrunnens, der östlich des Hügels lag. Die Quelle war durch den Hügel in eisernen Röhren geleitet. Dieser Abfluss wurde gestaut und nur nach Bedürfnis herausgelassen. Es war ein Brunnenhaus dazu da.

Hier vor dem Ort kamen die Pharisäer, worunter Simon des Aussätzigen Sohn, Jesus und den Jüngern entgegen und empfingen sie ganz freundlich und ehrenvoll, brachten sie in ein Zelt, wuschen ihnen die Füße, schüttelten ihnen die Kleider aus und erquickten sie mit Honig und Brot und einem Becher. Jesus äußerte, dass oberflächlich denkende Leute unter ihnen seien. Es tat Ihm jedoch leid, dass sie dieser Sekte angehörten. Er folgte ihnen in die Stadt, wo Er gleich in einen Hof trat, in welchem eine große Menge von Kranken aller Art, fremde und einheimische, auf Ihn harrten. Sie lagen teils unter Zelten, teils unter gegen den Hof zu offenen Hallen. Manche konnten auch noch gehen, und Jesus half ihnen, einem nach dem andern mit Handauflegung und Ermahnung. Die Jünger halfen Ihm die Kranken heranbringen, aufrichten, loswickeln. Die Pharisäer und viele andere Leute waren zugegen. Mehrere blutflüssige Frauen standen bleich und eingehüllt entfernt. Als Jesus mit allen fertig war, ging Er auch zu diesen, legte ihnen die Hände auf und heilte sie. Es waren hier lahme, wassersüchtige, auszehrende Leute, mit Geschwüren an Hals und Leib, welche nicht unrein waren, und Taube, Stumme, Kranke aller Art.

Dieser Hof endete mit einer weiten Säulenhalle, in welche von der Stadt her ein Eingang war. Ich sah viele Zuschauer, die Pharisäer und auch mehrere Frauen in dieser Halle. Jesus aber hatte den Pharisäern hier, weil schale Leute unter ihnen waren, und sie Ihn doch teils aufrichtig und anständig empfangen hatten, einen gewissen Vorzug im Vergleich mit andern Orten zugestanden. Denn Er wollte ihrem Vorwurf begegnen, als gäbe Er sich immer nur mit Zöllnern, Sündern und Bettlern ab. Er wollte ihnen zeigen, dass Er sie in allen Ehren lasse, so sie sich anständig und wohlgesinnt betrügen. Sie machten sich darum besonders zu tun, die Leute in Ordnung zu halten, und Er ließ es geschehen.

Während Jesus heilte, trat zur hinteren Pforte der großen Halle eine schöne fremdgekleidete Frau von mittlerem Alter herein. Sie hatte Kopf und Haare mit einem dünnen Schleier umwunden, der mit Perlen durchflochten war. Den Oberleib bedeckte vom Hals an ein sich herzförmig endendes Mieder, das an den Seiten offen war. Dies Mieder wurde wie ein Skapulier übergehängt, um den Leib zusammengezogen und mit vom Rücken her reichenden Riemen geschlossen und war um Hals und Brust mit Schnüren und Perlen verziert. Aus ihm fielen zwei tief gefaltete Röcke, der eine kürzer, der andere länger, bis auf die Fußknöcheln. Beide waren von feiner weißer Wolle mit bunten großen Blumen durchnäht. Die Ärmel waren weit und mit Armbändern umschlossen, auf den Schultern war an die Achselverbindung des Rückenstückes und Bruststückes der obere Teil eines kurzen Mantels, der über beide Arme fiel. geheftet. Überdies war sie mit einer langen wollweißen Hülle bedeckt.

Sie trat sehr traurig und bang, voll Scham und Kummer herein; ihr bleiches Gesicht war verweint und von Trauer ganz verwirrt. Sie wollte zu Jesus. Es waren viele Menschen da, und sie konnte nicht hinzu. Die geschäftigen Pharisäer traten ihr entgegen. Sie sagte: «Führt mich zu dem Propheten, dass Er mir meine Sünden vergebe und mich heile!» Die Pharisäer versetzten: «Frau geh nach Haus! Was willst du hier? Er wird nicht mit dir reden. Wie kann Er dir deine Sünden vergeben? Er wird sich nicht mit dir befassen, du bist eine Ehebrecherin!» Als die Frau dies hörte, erblasste sie, kriegte ein schreckliches Angesicht, warf sich an die Erde hin, zerriss ihre Mantelhülle von oben bis unten, zerraufte sich die Decke ihres Hauptes und schrie: «Ach so bin ich dann verloren! Nun fassen sie mich! Sie zerreissen mich! Da sind sie!» Und nannte fünf Teufel, die in sie fuhren, den ihres Ehemannes, und vier ihrer Buhler. Es war ein schrecklicher Anblick. Einige umherstehende Frauen hoben sie auf und brachten die wehklagende gepeinigte Frau zu ihrer Wohnung zurück. Jesus wusste das wohl. Wollte aber die Pharisäer hier nicht beschämen, ließ ruhig alles geschehen und fuhr in seiner Heilung fort - denn ihre Stunde war noch nicht gekommen.

Hierauf begab Er sich mit den Jüngern und Pharisäern vom Volke begleitet durch die Stadt hinauf auf die Höhe zum Lehrplatz des Johannes in Mitte des von überwachsenen Wällen und einzelnen Gebäuden umgebenen Hügels, an welchem an der Seite, wo sie herauf kamen, das halbwüste Schloss lag, in dessen Turm Herodes bei Johannes Lehre gewohnt hatte. Es war der ganze Hügelrand schon mit harrendem Volke bedeckt.

Jesus stieg auf den Lehrhügel des Johannes, der mit einem Zelt, das nach allen Seiten offen war, überspannt war. Er hielt eine große Lehre, in welcher Er die Barmherzigkeit Gottes mit den Menschen und insbesondere mit seinem Volk und alle Führungen und Verheißungen, die ganze Schrift durchgehend, ausführte und die Erfüllung von allem in der jetzigen Zeit nachwies. Er sprach jedoch nicht so deutlich als zu Bezech, dass Er der Messias sei. Er sprach auch von Johannes, seiner Gefangenschaft und Arbeit. Es wurden die Scharen des Volkes abwechselnd, Ihn zu hören, ab- und zugeführt. Jesus fragte auch einzelne Scharen, warum sie getauft sein wollten und warum sie bis jetzt gewartet hätten und was sie unter der Taufe verstünden? Er teilte sie auch in Klassen, welche zuerst und welche erst später nach mehrerer Belehrung getauft werden sollten. Ich entsinne mich der Antwort von einer Schar der Täuflinge auf die Frage, warum sie bis jetzt ausharrern mussten? Es sagte einer: «Weil Johannes immer lehrte, dass einer komme, der größer sei als er, so hätten sie diesen gewartet, um noch größere Gnade zu erhalten.» Hierauf hoben alle, welche derselben Meinung waren, die Hände in die Höhe und bildeten eine Gesellschaft, welcher dann von Jesus gewisse Lehren und Anweisungen der Vorbereitung und Taufzeit gegeben wurden.

Nachmittags etwa gegen drei Uhr war diese Lehre geschlossen, und Jesus ging nebst den Jüngern mit den Pharisäern vom Hügel zur Stadt hinab, wo sie Ihm ein großes Mahl in einer offenen Herbergshalle bereitet hatten. Als aber Jesus in die Nähe des Festhauses kam, ging Er nicht mit hinein, sondern sagte: «Ich habe einen anderen Hunger», und fragte sie, obschon Er es wusste, das Haus, wo die Frau wohne, das sie am Morgen von Ihm abgewiesen? Da zeigten sie Ihm das Haus nahe bei dem Festhaus, und Er ließ sie stehen und ging durch den Vorhof hinein.

Ich sah, als Jesus nahte, die große Qual und Angst der Frau im Haus. Der Teufel, der sie im Besitz hatte, trieb sie aus einem Winkel in den anderen. Sie war wie ein furchtsames Tier, das sich verkriechen will. Als Jesus durch den Hof einging und sich der Gegend nahte, wo sie war, floh sie durch einen Gang an dem Abhang des Hügels, worauf ihr Haus lag, in einen Keller und stieg dort in ein Gefäß wie ein Fass, doch oben enger als unten, und da sie sich darin verbergen wollte, zersprang es mit großem Geklirr. Es war ein großes irdenes Gefäß. Jesus aber stand still und rief: «Maria von Supha, Frau des ... (hier sprach Er den Namen ihres Mannes aus, den ich vergessen). Ich befehle dir im Namen Gottes, komme zu Mir!» Da kam die Frau von Kopf bis zu den Füßen ganz zugewickelt als zwänge sie der Teufel, noch in ihren Mantel sich zu verkriechen, wie ein Hund, der Schläge erwartet, auf allen Vieren zu Jesu Füßen gekrochen. Jesus aber sagte zu ihr: «steh auf!» da stand sie auf, zog aber die Hülle so heftig über ihr Gesicht und um ihren Hals, als wollte sie sich mit dem Tuch erwürgen. Da sprach der Herr: «decke dein Angesicht auf!» und sie wand den Schleier vom Gesicht. Ihre Augen hielt sie niedergeschlagen und abgewendet als zwänge sie eine innerliche Gewalt von Jesus hinweg, Er aber nahte sein Haupt dem ihrigen und sagte: «schau Mich an!» Und sie tat es, Er hauchte sie an, da zitterte sie und ein schwarzer Dampf wich nach allen Seiten von ihr. Sie sank vor Jesus in die Knie zusammen, Es waren aber ihre Mägde bei dem Lärm des zerspringenden Gefäßes genaht und standen in einiger Ferne. Jesus befahl ihnen, die Frau in das Haus auf ein Ruhebett zu bringen, und folgte ihr mit ein paar Jüngern, die bei Ihm waren. Er fand sie in heftigen Tränen. Er nahte ihr, legte ihr die Hand auf das Haupt und sprach: «Deine Sünden sind dir vergeben!» Sie weinte entsetzlich und richtete sich auf. Nun kamen ihre drei Kinder in die Stube, ein Knabe etwa von zwölf Jahren, und zwei Mägdlein von etwa neun und sieben Jahren. Diese hatten gelbgestickte Röckchen mit kurzen Armen. Jesus ging zu diesen Kindern, sprach mit ihnen freundlich, fragte und lehrte sie. Die Mutter sagte: «Danket dem Propheten! Er hat mich geheilt!» Da warfen sich die Kinder vor Jesus auf die Erde. Er aber segnete sie und führte sie einzeln zu der Mutter nach ihrem Alter und legte ihre Hände in die der Mutter, und es schien mir, als nähme Er dadurch einen Schimpf von den Kindern, als seien es nun rechtmäßige Kinder, denn es waren Kinder, die sie im Ehebruch empfangen. Jesus tröstete noch die Frau, dass sie mit ihrem Mann ausgesöhnt werden könne und ermahnte sie, in Reue und Buße fortzufahren und gerecht zu leben. Dann ging Er mit den Jüngern zur Mahlzeit bei den Pharisäern.

Es war diese Frau aus der Gegend von Supha im Moabiterland und ein Nachkomme von Orpha, der Witwe Cheljons, der Schwiegertochter Noemis, welche auf das Anraten Noemis nicht mit nach Bethlehem ging, wohin Ruth, die andere Witwe ihres Sohnes Mahalon sie begleitete. Diese Orpha, Witwe Cheljons, des Sohnes Elimelechs von Bethlehem, heiratete in Moab wieder, und aus dieser Familie stammte Maria die Suphanitin. Sie war eines Juden Frau und reich, sie war eine Ehebrecherin. Die drei Kinder, die sie bei sich hatte, waren außereheliche, Ihr Mann hatte sie verstoßen und die rechtmäßigen Kinder bei sich behalten. Sie wohnte in einem eigenen Haus in Ainon, war seit langer Zeit voll Reue und Buße, führte sich sehr gut und zurückgezogen auf, und andere rechtschaffene Frauen in Ainon waren ihr ganz gut. Die Lehre des Täufers gegen den Ehebruch des Herodes hatte sie noch mehr erschüttert. Sie war oft von fünf Teufeln besessen, welche sie plötzlich wieder eingenommen hatten, als sie mit ihrer letzten Hoffnung zu dem Hof ging, wo Jesus heilte und wo die Abweisung der Pharisäer, die sie in ihrer großen Kleinmütigkeit als wahrhaft annahm, sie an den Rand der Verzweiflung brachte, Durch ihre Abstammung von Orpha, Ruths Schwägerin hatte sie eine Berührung mit Jesu Abstammung aus David. Es wurde mir gezeigt, wie dieser abgeirrte Strom, der in ihr bis zu solcher Sünde getrübt worden, durch Jesu Gnade auch mit ihr wieder zur Reinheit kam und in die Kirche einging.

Jesus kam nun in das Festhaus zu den Pharisäern und den übrigen Jüngern und lag mit ihnen zu Tisch. Sie waren etwas geärgert, dass Er an ihnen vorübergegangen und selbst die Frau aufgesucht hatte, welche sie früher vor so vielen Leuten so hart abgewiesen hatten. Sie sprachen aber nichts davon, weil sie einen Verweis fürchteten. Jesus behandelte sie während des Mahles noch immer mit Achtung und lehrte in manchen Vergleichen und Parabeln, Gegen die Mitte des Mahles kamen die drei Kinder der Suphanitin in ihren Feierkleidern herein. Das eine Töchterlein trug ein weißes Krüglein mit wohlriechendem Wasser, das andere ein ähnliches mit Nardenöl, der Knabe hatte auch ein Gefäß. Sie traten in dem Saal an die offene Seite des Tisches, warfen sich vor Jesus nieder und stellten die Geschenke vor Ihm auf die Tafel. Es folgte ihnen Mara selbst mit ihren Mägden, wagte aber nicht hervorzutreten. Sie war verschleiert und trug eine Schale von schimmerndem, bunt in sich marmoriertem Glas, in welcher, von aufrechtstehenden feinen lebendigen Kräutern umgeben, allerhand teure Gewürze lagen. Ihre Kinder hatten auch solche kleinere Schalen niedergesetzt. Die Pharisäer schauten verdrießlich gegen die Frau und die Kinder. Jesus aber sagte zu der Frau: «nahe dich Mara!» Und sie trat demütig hinter Ihn, und ihre Kinder, denen sie es gab, setzten ihr Geschenk zu den andern auf die Tafel. Jesus dankte ihr. Die Pharisäer murrten, wie später bei Magdalenas Geschenk. Sie meinten, dieses sei eine große Verschwendung und sei ganz gegen die Mäßigkeit und gegen das Mitleid der Armen. Sie wollten aber nur etwas gegen die arme Frau einzuwenden haben. Jesus redete mit dieser sehr freundlich und auch gegen die Kinder, schenkte diesen einige Früchte, womit sie weggingen. Die Suphanitin stand immer noch verschleiert demütig hinter Jesus und Dieser sagte zu den Pharisäern: alle Gaben kommen von Gott. Für Köstliches gebe der Dank das Köstlichste, was er habe, es sei dies keine Verschwendung. Die Leute, welche diese Gewürze sammeln und bereiten, müssen auch leben, Er befahl aber einem der Jünger, den Wert davon unter die Armen zu verteilen. Er sprach nachher noch einiges über die Bekehrung und Reue dieser Frau und stellte ihre Achtung vor allen wieder her, forderte auch die Einwohner auf, ihr mit Liebe zu begegnen, Die Frau sprach kein Wort, sie weinte immer unter ihrem Schleier still hin, warf sich dann schweigend vor Jesus nieder und verließ den Speisesaal.

Jesus lehrte noch gegen den Ehebruch: wer sich rein fühle unter ihnen vom geistlichen Ehebruch? Er sprach, dass Johannes den Herodes nicht bekehrt, aber diese habe sich bekehrt. Er sprach vom verlorenen und wiedergefundenen Schaf, Er hatte die Frau auch zu Hause schon getröstet: «es sollen gute Kinder aus deinen Kindern werden» und hatte ihr Hoffnung gemacht, dass sie zu den Frauen bei Martha kommen solle, um für die Pflege zu arbeiten, Nach der Mahlzeit sah ich die Jünger noch vieles den Armen austeilen, Jesus aber begab sich noch an der Westseite des Hügels von Ainon hinab, wo das Lager der Heiden in einiger Entfernung lag. Es war, meine ich, auch seine Zeltherberge an dieser Seite. Er lehrte noch die Heiden. Ainon lag im Land des Herodes, aber es gehörte wie ein Gut, das über der Grenze liegt dem Tetrarchen Philippus. Doch waren wieder mehrere Soldaten des Herodes da, um zu lauern.

15. Jesus in Ramoth-Galaad

Von Ainon ging Jesus mit zwölf Jüngern an den Jabok und die nahe liegenden Orte. Andreas, Jakobus, Johannes und noch andere Jünger blieben in Ainon zurück, um an dem Taufteich zu taufen. Er lag östlich von dem Hügel, das Wasser kam aus dem Hügel in den Taufteich, füllte einen kleinen See dahinter, wässerte dann einige Wiesen als ein Bächlein und war an der Nordseite von Ainon wieder in einen Brunnen gefasst von welchem man es in den Jordan abfließen lassen konnte.

Ich sah Jesus mit den Jüngern etwa eine Stunde östlich von Sukkoth an der Mittagsseite des Jabok in einer Stadt lehren. Unter den vielen Kranken, die Er heilte, war ein Mann, der seit seiner Geburt das eine Auge geschlossen hatte. Jesus benetzte es mit seinem Speichel. Es öffnete sich und der Mann war sehend.

Jesus ging von hier über den Jabok, der in einem Tal fließt, und wendete sich östlich bis vor Mahanaim. einer reinlichen Stadt in zwei Teilen liegend. Er setzte sich vor dem Ort an den Brunnen und es kamen bald die Synagogenvorsteher und Ältesten der Stadt mit Wasserbecken, Speise und Trank. Sie bewillkommten Ihn, wuschen Ihm und den Jüngern die Füße und gossen Ihm auch Salbe auf das Haupt, gaben Ihm und den andern einen Bissen und Trunk und führten Ihn mit großer Liebe und Einfalt in die Stadt. Jesus hielt eine kurze Lehre vom Erzvater Jakob, was er hier umher alles erlebt habe. Diese Leute waren meistens von Johannes getauft. Es herrschte eine patriarchalische Einfalt und viele alte Sitten in allen Orten umher. Jesus verweilte nicht lange hier. Es war nur eine Ehrenbezeigung auf dem Durchzug.

Er zog von Mahanaim an dem Nordufer des Jabok noch etwa eine Stunde östlich, wo die Stelle war, wo Jakob und Esau zusammenkamen. Das Tal machte hier eine Bucht. Er lehrte seine Jünger über alle diese Wege. Nach einer Weile gingen sie wieder über den Jabok auf dessen mittägliches Ufer, nicht weit unter der Vereinigung zweier Flüsschen zum Jabok, Dann gingen sie etwa noch eine Meile östlich und hatten die Wüste Ephraim zur rechten Hand.

Hier gegen Osten des Waldes Ephraim auf einem Bergrücken über dem Tal liegt Ramoth-Galaad eine schöne, regelmäßig und reinlich gebaute Stadt, in welcher auch Heiden einige Straßen und einen Tempel inne hatten, Es versahen hier Leviten den Gottesdienst. Ein Jünger war vorausgegangen, Jesu Ankunft zu melden. Die Leviten und andere ansehnliche Leute, erwarteten Ihn schon in einem Zelt vor der Stadt bei einem Brunnen. Sie wuschen den Ankommenden die Füße, gaben ihnen einen Imbiss und Trunk und geleiteten sie in die Stadt wo schon sehr viele Kranke auf einem Platze versammelt waren, welche Jesus um Hilfe anflehten. Er heilte viele. Als der Abend anbrach, lehrte Er auch noch in der Synagoge. Denn es war dies der Sabbat vom Opferfest der Tochter Jephtes, der in dieser Stadt ein Trauer- und Volksfest war. Es waren besonders viele Jungfrauen und auch andere Leute aus der Gegend hier.

Jesus und die Jünger hatten eine Mahlzeit bei den Leviten und übernachteten in einem Haus bei der Synagoge. Hier in der Gegend waren keine angelegten Herbergen für Ihn. Aber in Ainon, Kamon und Mahanaim waren die Herbergen voraus gemietet und die Anzahl der Gäste bestimmt, Ramoth liegt terrassenförmig an einem Hügel und hinter diesem Hügel ist in einem kleinen Tal vor einer steilen Felsenwand der Teil der Stadt, den die Heiden bewohnen. Sie haben einen Tempel. Man kann ihre Häuser immer an den Figuren erkennen, welche auf den Dächern stehen. Auf dem Tempeldach stand ein Trupp von Figuren. In der Mitte war eine gekrönte Figur, welche ein Becken in der Hand trug und selbst in einem Becken oder über Quellen stand. Mehrere Kinderfiguren um sie her schöpften und gossen sich einander zu und zuletzt in das Becken der Mittelfigur.

Die Städte hier herum sind alle reinlicher und schöner, als die alten Judenstädte gebaut. Die Straßen sind sternförmig, nach einem Mittelpunkt laufend, die Ecken sind rund, und so im Zickzack laufen auch die Stadtmauern. - Es war sonst hier eine Freistätte für Verbrecher (Vgl. Dtn 4, 43; Jos 20, 8), ein großes abgelegenes Gebäude ist noch da, wo sie sonst wohnen mussten. Es ist aber verfallen und scheint nicht mehr recht im Gebrauch. Man macht hier Decken und stickt allerlei Blumen und Tiere hinein, teils zum Handel, teils werden Gewebe für den Tempel gemacht. Ich sah viele Frauen und Jungfrauen in langen Zelthäusern daran arbeiten. Die Leute sind hier mehr nach altväterlicher Art gekleidet und sehr reinlich. Ihre Kleider sind von feiner Wolle.

Jesus wohnte einem großen Gedächnisfest des Opfers der Tochter Jephtes bei. Er zog mit seinen Jüngern und den Leviten vor die Ostseite der Stadt auf einen schönen Platz im Freien, wo alle Anstalten zu dem Fest getroffen waren. Es war da alles Volk von Ramoth-Galaad in weiten Kreisen versammelt. Hier stand noch der Hügel mit dem Altar, worauf die Tochter Jephtes geopfert worden war, und diesem gegenüber ein Halbkreis von Rasensitzen für die Jungfrauen und auch Sitze für die Leviten und Richter der Stadt. Alles zog in einem langen ordentlichen Zug zu der Stelle hinaus. Die Jungfrauen von Ramoth und viele von andern Städten umher waren auf dem Fest und trugen Trauerkleider. Eine Jung/rau stellte, weiß gekleidet und verschleiert die Tochter Jephtes selbst vor. Eine Schar anderer Jungfrauen war ganz dunkel gekleidet, hatte das Kinn verhüllt und an einem Vorderarm schwarz gefranste Riemen niederhängen. Sie stellten die klagenden Gespielinnen der Jephtias vor. Es gingen blumenstreuende Mägdlein vor dem Zug und einige bliesen auf kleinen Flöten gar betrüblich. Auch drei Lämmer wurden hinausgeführt. Es war hier ein sehr rührendes und langes Fest mit allerlei Gebräuchen, Lehren und Gesängen in großer Ordnung, worin teils Handlungen jenes traurigen Opfers vorgestellt, teils Gedächtnisgesänge und Psalmen gesungen wurden. Die Vorstellerin der Jephtias wurde in Chören von den Gespielinnen getröstet und beklagt. Sie selbst verlangte nach ihrem Tod. Es wurde unter den Leviten auch in einigen Chören wie ein Rat über sie gehalten. Sie selbst trat herzu und sprach gewisse Reden, worin sie die Erfüllung des Gelübdes verlangte. Man hatte geschriebene Rollen bei allen diesen Handlungen, die man teils auswendig wusste, teils ablas.

Jesus aber war bei diesem Fest lebhaft teilnehmend. Er stellte selbst den obersten Richter oder Priester vor und sagte teils einige übliche Reden, teils hielt Er vor und unter dem Feste lange Lehren. Es wurden zum Gedächtnis der Jephtias drei Lämmer geopfert das Blut um den Altar gesprengt und das gebratene Fleisch den Armen gegeben. - Jesus lehrte auch die Mägdlein von der Eitelkeit und es kam dabei heraus, als hätte Jephtias vom Tod freigesprochen werden können, wenn sie nicht so eitel gewesen wäre.

Das Fest dauerte bis nachmittags. Die Mägdlein wechselten die Rolle der Jephtias das ganze Fest hindurch ab. Bald setzte sich diese, bald jene auf den Steinstuhl in die Mitte des Kreises und wechselte darauf mit der vorigen unter einem Zelt das Kleid. Sie war gekleidet wie die Jephtias beim Opfer.

Das Grabmal derselben stand noch auf einem Hügel und die Opferstelle der Lämmer daneben. Das Grabmal war ein viereckiger Sarkophag. Oben konnte man ihn öffnen. Als das Fett und die Opferstücke der Lämmer schier verbrannt waren, wurde der Rest mit der Asche und einigen Überbleibseln zu dem nahen Grabmal getragen und schief gegen die Öffnung gehalten, dass die Asche und die Reste in das Grab hinabfielen. Als die Lämmer geschlachtet wurden, sah ich das Blut um den Altar sprengen, und dass die Jungfrauen mit einem Stäbchen einen Tropfen auf den Zipfel des langen schmalen Schleiertuches empfingen, das sie über den Schultern hängen hatten.

Jesus sprach: «Jephtias! Du hättest zu Haus Gott danken sollen für den Sieg, den Er dem Volk gegeben. Aber du zogst eitel und den Ruhm einer Heldentochter suchend mit eitlem Putz und großem Festgeräusch hinaus, vor den Töchtern des Landes prahlend.»

Als die Festzeremonien zu Ende waren, zogen sie in einen nahe gelegenen Lustgarten, wo Lauben und Zelte und eine Mahlzeit bereitet war. Jesus nahm daran teil und setzte sich an einen Tisch, an welchem die Armen gespeist wurden. Er erzählte auch eine Parabel. Die Jungfrauen speisten in demselben Zelt, aber abgesondert durch eine halbmannshohe Scheidewand. Wenn man zu Tisch lag, sah man sich nicht. Aber stehend konnte man sich sehen. Nach dem Mahl ging Jesus mit den Jüngern, den Leviten und vielen andern zur Stadt. Es harrten Seiner viele Kranke, die Er heilte, auch Schwermütige und Mondsüchtige. Er lehrte auch noch in der Synagoge von Jakob und von Joseph und dessen Verkauf an die Ägyptier und sagte: «dass einst ein anderer um dieselbe Summe von einem seiner Brüder verkauft werde. Auch dieser werde die reuigen Brüder aufnehmen und in der Hungersnot mit Brot des ewigen Lebens erquicken.» Da erfuhr ich, dass Joseph um dreißig Silberlinge verkauft worden war. Es sprachen an diesem Abend auch noch einige Heiden aus der Stadt mit den Jüngern ganz demütig, ob sie wohl auch einen Teil an dem großen Propheten haben möchten, und diese meldeten es Jesus, der ihnen versprach, morgen zu ihnen zu kommen.

Jephte war als der Sohn einer heidnischen Mutter durch die rechtmäßigen Kinder seines Vaters aus Ramoth, das auch Maspha heißt vertrieben und lebte in dem nahen Land Tob mit anderem Kriegsgesindel von Freibeuterei. Er hatte von seiner verstorbenen heidnischen Frau eine einzige Tochter, die schön, außerordentlich klug und ziemlich eitel war. Jephte war ein sehr rascher, gewaltiger, fester Mann von einer großen Siegesbegierde und hielt streng auf sein Wort. Er war wie ein heidnischer Kriegsheld, obwohl er ein Jude war. Er war ein Werkzeug in der Hand Gottes, voll Begierde, zu siegen und das Haupt des Landes zu sein, aus dem er vertrieben worden war, tat er das feierliche Gelübde, dem Herrn als Brandopfer das zu opfern, was ihm nach dem Sieg zuerst aus seinem Haus entgegen kommen werde. Seine einzige Tochter erwartete er wohl nicht, die andern aus seinem Haus liebte er nicht.

Das Gelübde gefiel Gott nicht. Aber Er ließ es zu und die Erfüllung musste durch eine Fügung ihn selbst und seine Tochter strafen und seine Nachfolge in Israel vertilgen. Seine Tochter wäre vielleicht sehr bösartig durch den Sieg und die Erhebung des Vaters geworden. Jetzt büßte sie zwei Monate und starb für Gott und mochte auch ihren Vater zur Besinnung bringen und frömmer machen. Die Tochter kam mit einem großen Zug von Jungfrauen mit Gesang, Flöten und Pauken ihrem Vater wohl schon über eine Stunde Wegs vor der Stadt entgegen, noch ehe er jemand gesehen hatte. Als sie ihr Unglück erfuhr, ging sie in sich und verlangte zwei Monate vor dem Opfer mit ihren Gespielen in die Einsamkeit zu gehen, um ihren Tod als Jungfrau zu beweinen, da nun ihr Vater keine Nachkommen in Israel haben sollte, auch um sich durch Buße zu ihrem Opfertod zu bereiten. Sie zog mit mehreren Jungfrauen über das Tal von Ramoth in das Gebirge gegenüber und lebte da zwei Monate in Zelten unter Gebet und Fasten in Bußkleidern. Die Mägdlein von Ramoth wechselten bei ihr ab. Sie beweinte besonders ihre Eitelkeit und Ruhmsucht, Es wurde auch ein Rat und Gericht über sie gehalten, ob sie von dem Tod befreit werden könnte. Es war aber nicht möglich, denn sie war vom Vater mit einem heiligen Schwur verlobt worden, war daher ein Opfer, das auf keine Weise gelöst werden konnte. Ich sah auch, dass sie die Erfüllung selbst verlangte und mit großer Klugheit und Rührung sprach.

Ihr Opfertod war mit großer Trauer begleitet, ihre Gespielinnen sangen Klagelieder umher. Sie saß an demselben Ort wo sie am Feste vorgestellt wurde. Auch hier war nochmals Rat gehalten worden, ob sie gelöst werden könne. Aber sie trat abermals hervor und verlangte zu sterben, wie es auch bei der Festzeremonie geschah. Sie war in weißes Gewand gekleidet von der Brust bis zu den Füßen ganz umwickelt. Vom Kopf aber bis auf die Brust nur mit dünnem, durchsichtigen, weißen Stoff verschleiert, so dass man ihr Angesicht ihre Schultern und ihren Hals durchschimmern sah. Sie trat selbst vor den Altar, ihr Vater nahm nicht Abschied von ihr und verließ den Opferplatz. Sie trank aus einer Schale roten Trank. Ich glaube, um bewusstlos zu werden. Einer von den Kriegsleuten Jephtes, musste sie töten. Es wurden ihm die Augen verbunden, zum Zeichen, dass er nicht ein Mörder sei, da er nicht gesehen, als er sie getötet. Sie wurde in seinen linken Arm gelegt, er setzte ein spitziges kurzes Eisen auf ihren Hals an der Seite und stach ihr die Kehle ab. Als sie den roten Trank getrunken, war sie wie ohnmächtig und da fasste sie der Kriegsmann an. Zwei ihrer Gespielinnen, die wie ihre Brautführerinnen waren, auch in weißer Kleidung, fingen das Blut in einer Schale auf und gossen es auf den Altar. Sie wurde nachher von den Jungfrauen eingewickelt und der Länge nach auf den Altar gelegt, dessen Oberfläche ein Rost war. Das Feuer ward darunter angezündet, und als ihre Gewänder verkohlt waren und alles wie ein schwarzer Haufen aussah, nahmen Männer die Leiche mitsamt dem Rost und hoben denselben auf den Rand des nebenstehenden offenen Grabmales und ließen, den Rost schief haltend, die Leiche hinabgleiten, worauf das Grab geschlossen wurde. Dieses Grab stand noch zu Jesu Zeit.

Die Gespielinnen der Jephtias und viele Anwesende hatten ihre Schleier und Tücher mit ihrem Blut bezeichnet. Auch von der Asche des Opferfeuers wurde gesammelt. Ehe sie in der Opferkleidung hervortrat wurde sie von ihren Begleiterinnen unter einem Zelt gebadet und geschmückt herausgebracht.

Es war wohl über zwei Stunden Weges im Gebirge gegen Norden von Ramoth, wo Jephtias ihrem Vater mit ihren Gespielen entgegengekommen war. Sie ritten auf kleinen Eseln, die mit Bändern geschmückt und mit vielen klingenden Schellen behangen waren. Eine ritt vor Jephtias und zwei an ihrer Seite, dann folgten die andern mit Sang und Klang. Sie sangen das Lied des Mose über den Untergang der Ägypter. Als Jephte seine Tochter erblickte, zerriss er seine Kleider und war trostlos, Jephtias war nicht so traurig. Sie war still, als sie ihr Schicksal hörte.

Als sie zur Wüste mit den Gespielinnen ging, welche Nahrungsmittel mitnahmen, so viel zum Fasten gehörte, sprach ihr Vater das letzte Mal mit ihr, es war dies gewissermassen schon der Anfang des Opfers. Denn damals legte er ihr die Hand, wie man den Schlachtopfern tut, auf das Haupt und sprach die einfachen Worte: «gehe hin, du wirst keinen Mann haben,» und sie antwortete: «nein, ich werde keinen Mann haben.» Nachher sprach er nicht mehr mit ihr. Nach ihrem Tod ließ er ihr und seinem Siege ein Denkmal in Ramoth mit einem kleinen Tempel darüber erbauen und ordnete eine Gedächtnisfeier jährlich am Opfertag an, um das Andenken seines traurigen Gelübdes zur Warnung für alle Verwegenen zu erhalten. (Rich 11, 39.40,)

Jephtes Mutter war eine Heidin, die Jüdin geworden. Seine Frau war die Tochter eines aus Heiden und Juden unehelich geborenen Mannes, Seine Tochter war bei seiner Vertreibung nicht mit ihm im Land Tob gewesen, sondern die ganze Zeit in Ramoth geblieben, wo ihre Mutter indessen starb. Jephte war nach seiner Berufung aus Tob durch seine Landsleute noch nicht in seiner Geburtsstadt gewesen. Er hatte im Lager vor Mizpa alles abgeredet und gleich das Volk gesammelt, sein Haus und seine Tochter hatte er noch nicht gesehen. Als er das Gelübde tat, dachte er nicht an sie, sondern an die andern Verwandten, die ihn verstoßen hatten und darum strafte ihn Gott.

Vier Tage lang dauerte das Fest. Es ging Jesus mit seinen Jüngern auch in das Quartier der Heiden in Ramoth, welche Ihn mit großer Ehrerbietung am Eingang ihrer Straße empfingen. Nicht weit von ihrem Tempel war ein Lehrplatz, wohin mehrere Kranke und alte Leute gebracht wurden, welche Er heilte. Diejenigen, welche Ihn hatten rufen lassen, schienen Gelehrte, Priester und Philosophen zu sein. Sie wussten vom Zug der Könige, und wie sie die Geburt des Königs der Juden aus den Sternen gesehen, denn sie waren von einem verwandten Glauben und hatten auch mit den Sternen zu tun. Es war hier nicht weit ein solches Gerüst wie im Land der hl. drei Könige auf einem Hügel, auf welchem sie nach den Sternen sahen. Sie hatten sich lange nach Belehrung gesehnt und empfingen sie nun von Jesus selbst. Er sprach ganz tiefsinnige Lehren gegen sie aus von der heiligsten Dreifaltigkeit und ich hörte die Worte, die mir besonders auffielen: «Drei sind die Zeugnis geben, das Wasser; das Blut und der Geist, und diese sind in Eins beisammen.» Er sprach auch vom Sündenfall, vom verheißenen Erlöser und vieles von der Führung der Menschen, von der Sintflut, dem Zug durchs Rote Meer und den Jordan und von der Taufe. Er sagte ihnen, dass die Juden das Gelobte Land nicht ganz eingenommen hätten, und dass viele Heiden darin übrig geblieben. Dass Er nun komme, das einzunehmen, was sie übrig gelassen, und es seinem Reich einzuverleiben. Aber nicht mit dem Schwert, sondern mit der Liebe und Gnade. Er rührte viele ganz ungemein und sendete sie nach Ainon zur Taufe. Sieben alten Männern aber, welche nicht mehr hinkonnten, ließ Er von zwei Jüngern die Taufe hier geben. Es wurde ein Becken gebracht und vor sie gestellt, sie selbst traten in eine Badezisterne, welche hier nahe war, so, dass sie bis an die Knie im Wasser standen. Über das Wasserbecken wurde ein Geländer gestellt worauf sie sich lehnten. Zwei Jünger legten den Täuflingen die Hände auf die Schulter und Mathias der Johannesjünger goss ihnen nach der Reihe das Wasser aus einer Schale, woran ein Stil war, über den Kopf. Jesus sprach den Jüngern die Taufformel vor, die sie bei der Taufe sprechen sollten, Die Leute waren sehr reinlich, schön weiß gekleidet.

Jesus lehrte noch im allgemeinen das Volk von der Keuschheit und der Ehe. Die Frauen lehrte er besonders vom Gehorsam, der Demut und der Kinderzucht. Die Leute waren sehr gut und begleiteten Ihn mit großer Liebe zurück. Als Jesus in die Judenstadt zurückkehrte, heilte Er noch vor der Synagoge. Die Leviten hatten es nicht gern gesehen, dass Er bei den Heiden gewesen war, und Er lehrte auch in der Synagoge, wo das Jephte-Fest noch fortgesetzt wurde, von Berufung der Heiden und dass viele derselben vor den Kindern Israel in seinem Reich sitzen würden und dass Er gekommen sei, die Heiden, welche die Israeliten nicht bezwungen hätten, mit dem Gelobten Land durch die Gnade, Lehre und Taufe zu vereinigen. Er lehrte auch vom Sieg und Gelübde Jephtes,

Während Jesus in der Synagoge lehrte, feierten die Jungfrauen ihr Fest bei dem Monumente, das Jephte seiner Tochter errichtet hatte und das später erneuert und durch viele Beiträge vom Schmuck der Jungfrauen an den jährlichen Festen verschönert worden war. Es stand in einem runden Tempel, dessen Decke eine Öffnung hatte, In der Mitte dieses Tempels war ein kleineres rundes Tempelchen aus offenen Säulen bestehend, welche eine Art Kuppel trugen, zu der eine Treppe hinaufführte, welche in einer Säule verborgen war. Um die Kuppel herum windet sich aufsteigend eine Bahn, der die Vorstellung des Triumphzuges von Jephta in kindeshohen Figuren zur Seite läuft. Dieses Bildwerk ist von dünner Masse, schimmernd wie von Metallplatten und durchbrochen, so dass die Figuren hinab in das Tempelchen schauen. Oben angelangt steht man auf einer runden Metallplatte, von deren Mitte eine Stange mit Sprossen durch die Öffnung des Tempeldaches hinausreicht, so dass man an ihr durch die Öffnung hinaussteigend die Stadt und Gegend übersieht. Die Platte war um die Stange so geräumig, dass zwei Jungfrauen Hand in Hand, wenn eine an der Stange fasste, um sie im Kreise herumgehen konnten. In der Mitte diese Tempelchens auf einem Postament, befand sich die sitzende Figur der Tochter Jephtes von weißem Marmor auf einem ähnlichen Stuhl, wie sie vor dem Opfer gesessen. Ihr Kopf reichte schon in die erste Windung der schneckenförmigen Kuppel. Rings um die Figur war so viel Raum, dass wohl drei Menschen nebeneinander vorüber konnten.

Die Säulen des Tempelchens waren durch schöne Gitter verbunden. Das Äussere war von buntem geaderten Stein von verschiedenen Farben, die Wendelbahn um die Kuppel wurde mit jeder Windung weißer.

In dem Tempel um dieses Monument feierten die Jungfrauen nun das Fest der Jephtias, deren Bild die eine Hand mit einem Tuch gegen die Augen hält, als weine sie. Die andere Hand ist niedergesenkt und hält etwas wie einen abgebrochenen Zweig oder eine Blume. Die Feier der Jungfrauen war ganz geordnet. Bald spannten sie Vorhänge vom Umkreis des Tempels zum Monument hin und saßen, in kleine Versammlungen voneinander abgesondert im stillen Gebet und Seufzen und Klagen.

Das Bild in der Mitte sahen sie vor sich und bald stimmten sie Chöre, bald Wechselgesänge davor an. Auch traten sie paarweise vor das Bild, streuten Blumen, schmückten es mit Kränzen und sangen Trostlieder von der Vergänglichkeit des Lebens. Ich erinnere mich des Ausdruckes «heute mir, morgen dir!» Dann lobten sie die Seelenstärke der Jephtias und ihre Ergebung und priesen sie hoch als den Preis des Sieges. Dann zogen sie wieder in Scharen auf der Wendelbahn zu der Spitze des Monuments und sangen Siegeslieder. Einzelne stiegen auf die Stange hinan und schauten hinaus zum Sieger und sprachen das fürchterliche Gelübde aus. Dann kehrte der Zug wehklagend wieder hinab an das Monument, beklagte und tröstete die Jungfrau, dass sie ohne Mann sterben müsse. Alles war mit Dankliedern gegen Gott und Betrachtungen von Gottes Gerechtigkeit durchflochten. Es waren viele rührende Gebärden bei dem ganzen Spiel und alles mit Lust und Trauer und Andacht schön abwechselnd. Es wurde auch eine Mahlzeit in dem Tempel gehalten. Ich sah die Jungfrauen nicht an einem Tisch liegen, sondern sie saßen auf treppenförmigen Gestellen mit unterschlagenen Beinen immer drei übereinander im Kreise des Tempels und hatten kleine runde Tischchen neben sich. Sie hatten allerlei wunderliche Gerichte und figurierte Speisen, z. B., die eines Lammes von essbarer Masse, das auf dem Rücken lag. Aus seinem Leib aßen sie Grünes und andere Speisen heraus,

16. Jesus verlässt Ramoth und geht nach Arga, Azo und Ephron

Jesus ging, nachdem Er einer Mahlzeit der Leviten beigewohnt mit sieben Jüngern und einigen Leuten aus Ramoth mitternachtswärts über den Jabok und das Gebirge ansteigend etwa drei Stunden westlich, in das ehemalige Königreich Basan auf eine Stadt zu, welche in der Mitte von zwei spitzen und einem langen Berge lag. Sie heißt Arga und gehört in den Distrikt Argob in Halb-Manasse. Anderthalb oder zwei Stunden gegen Morgen von Arga, bei dem Ursprung des Baches Og, liegt eine große Stadt, Gerasa. Südöstlicher von dieser sieht man sehr hoch Jabesch-Galaad liegen. Das Land hier herauf ist steinig. In der Ferne meint man, es seien keine Bäume hier, es ist aber an vielen Orten mit kleinen, grünen Büschen überzogen. Das Königreich Basan geht hier an, und Arga ist die erste Stadt darin. Der Stamm Halb-Manasse aber erstreckt sich noch ein Stückchen südlicher. Etwa eine Stunde vom Jabok nördlich sah ich schon eine Grenzscheide durch Pfähle gemacht.

Jesus übernachtete mit seinen Begleitern etwa eine halbe Stunde vor der Stadt in einer offenen Herberge an der von Osten gegen Arga führenden großen Handelsstrasse. Sie hatten Speise bei sich. In der Nacht da alle schliefen, stand Jesus auf und ging allein ins Freie zu beten. Arga ist eine große volkreiche und ungemein reinliche Stadt und wie die meisten Städte hierzulande, wo auch Heiden wohnen, mit geraden, nicht engen Straßen und auf sternförmige Art gebaut. Die Leute haben eine ganz andere Lebensart als in Judäa und Galiläa und viel bessere Sitten. Es sind hier von Jerusalem und andern Orten gesandte Leviten, welche in der Synagoge lehren, und sie werden von Zeit zu Zeit abgelöst. Wenn die Leute nicht mit ihnen zufrieden sind, dürfen sie auch klagen und erhalten dann andere. Es werden auch keine schlechten Leute hier geduldet, und sie haben einen Strafort, wo sie sie hinsenden. Die Einwohner haben keinen eigenen Haushalt, d. h. sie bereiten die Speisen nicht zu Hause, sondern es sind große Kochhäuser, wo alles gekocht wird und wohin sie essen gehen, oder sich Speise holen lassen. Man schläft hier auf den Dächern der Häuser unter Zelten. Es sind hier sehr große Färbereien und zwar kunstvolle, besonders sehr schön violett. Das Verfertigen und Sticken von großen Teppichen ist hier noch viel kunstvoller und weiter getrieben als in Ramoth. Zwischen der Stadt und den Stadtmauern laufen sehr viele Zeltgebäude hin, wo Frauen an ausgespannten langen Bahnen sitzen und arbeiten. Wegen dieser Geschäfte ist von Alters her die größte Reinlichkeit im Ort. Es wächst hier herum sehr vieles und ganz vortreffliches Öl. Die Ölbäume stehen in langen Reihen und ordentlich an Spalieren ausgebreitet. Auch sind hier in den Tälern zum Jordan hinab ganz vortreffliche Viehweiden und viele Kamele. Es wächst hier in der Gegend ein köstliches Holz, welches bei der Bundeslade und dem Tisch der Schaubrote angewendet worden ist. Der Baum hat eine schöne glatte Rinde, seine Zweige hängen wie bei einer Weide herab, die Blätter haben die Form von Birnblättern, sind aber viel größer, auf der einen Seite grün, auf der andern wie betaut grau. Er trägt Beeren wie Hagebutten, doch größer. Das Holz ist ungemein hart und zäh und lässt sich sehr fein, ja wie Bast auseinanderspalten. Es wird gebleicht getrocknet und ist dann unzerstörbar fest und schön. Der Baum hat ein sehr feines Mark in sich, aber ein Sägeschnitt vertilgt schon die Markrinne und es bleibt nichts als eine feine rötliche Ader in der Mitte der innersten Bohlen. Sie verarbeiten dieses Holz auch zu kleinen Tischen und allerlei eingelegten Arbeiten. Sie handeln auch mit Myrrhe und andern Spezereien, die jedoch hier nicht wachsen. Sie bekommen sie von den Karawanen, die hier oft wochenlang rasten und umpacken. Sie pressen diese Spezereien in Ballen und bereiten sie, um zum Balsamieren bei den Juden gebraucht zu werden, - Sie haben hier auch sehr große Kühe und Schafe.

Als Jesus am folgenden Morgen mit den Jüngern gegen die Stadt ging, kamen die Leviten und Ersten der Stadt, welche durch vorausgesandte Jünger benachrichtigt Ihn erwarteten. Sehr ehrerbietig führten sie Ihn in ein Gezelt, wuschen Ihm die Füße und reichten Ihm einen Imbiss. Er lehrte in der Synagoge und heilte dann sehr viele Kranke, worunter viele Schwindsüchtige. Auch ging Er in mehrere Häuser zu Kranken. Gegen drei Uhr war eine Mahlzeit. Jesus aß mit den Leviten in einem Festhaus, wohin die Speisen aus dem Speisehaus gebracht wurden. Am Abend lehrte Er wieder in der Synagoge, da der Sabbat anging. Am Morgen sprach Er viel von Mose in der Wüste am Berge Sinai und Horeb, und von Verfertigung der Bundeslade, von dem Tisch der Schaubrote usw. Denn die Leute hatten von hier Opfer dazu gegeben und Er sprach, als sei ihr Opfer vorbildlich gewesen und ermahnte sie, jetzt in der Zeit der Erfüllung auch ihre Herzen und Seelen durch Buße und Bekehrung zum Opfer darzubringen. Er legte ihre damaligen Opfer ganz auf ihren jetzigen Zustand aus, wie, weiß ich nicht mehr. Der Grund dieser Lehre war folgender:

Ich sah während Jesu Lehre ganz weitläufig und mit allen Umständen, dass zur Zeit des Auszugs aus Ägypten Moses Schwiegervater Jethro und Sephora die Frau Moses mit ihren zwei Söhnen und einer Tochter in Arga wohnten. Ich sah, dass Jethro und Moses Frau und Kinder zu ihm an den Berg Horeb reisten, wie Moses sie voll Freuden empfing und alles erzählte, wie Gott ihnen aus Ägypten geholfen habe, und wie Jethro opferte. Auch sah ich, wie Mose alle Israeliten selbst richtete, und wie Jethro ihm riet Unterrichter einzusetzen, und dann wieder nach Hause zog, Frau und Kinder des Mose aber bei dem Vater blieben. Ich sah wie Jethro alle die Wunder, die er gesehen, in Arga erzählte, und wie viele Leute dort große Verehrung für den Gott der Israeliten empfingen, und wie Jethro Geschenke und Opfer auf Kamelen hinsendete, wozu viele Argiter beigetragen. Diese Geschenke bestanden aus feinem Öl, das nachher in der Stiftshütte brannte, in sehr feinen langen Kamelhaaren zu Gespinnst und Gewebe von Decken und in gar schönem Holz, Setim, woraus nachher die Bundesladenstangen und der Tisch der Schaubrote gemacht wurden. Ich meine auch, sie sendeten eine Art Getreide, woraus die Schaubrote gemacht wurden. Es war jenes Mark aus einer rohrartigen Pflanze, wovon ich Maria Jesus schon früh Mus kochen sah.

Jesus lehrte am Sabbat in der Synagoge aus Isaias und Deuteronomium 21, 26. Er kam auch schon am Morgen auf Balak und den Propheten Bileam zu sprechen, und ich sah viel von beiden, weiß es aber jetzt nicht mehr zusammenzureimen. Heute abend in der Sabbatlehre erzählte Er auch beispielweise, aus den vorgelesenen Gesetzen des Mose hervorgehend, die Geschichte, wie Sambri nebst der Madianitin durch Phinees erstochen wird, Num 25, 7, 8, (Anna Katharina erzählte noch auf eine bewunderungswürdige Art wovon sie doch gar nie gehört, noch jemals gelesen hat eine Menge der Gesetze des Mose aus Buch 5. Kap. 21 - 26, und zwar besonders solche, welche ihrem Stand und ihrer Gesinnung entsprechend sind, z, B. wenn man Vogelnester ausnehme, solle man die Alten zurücklassen. Man solle die Nachlese der Ernte den Armen lassen, vom Pfandnehmen der Armen, vom Borgen usw.. All dies habe Jesus gelehrt und besonders vom Nicht-zurückhalten des Arbeitslohns, weil die Leute hier viele Arbeiter gehabt. - Sie freute sich sehr, dass all dies in der Bibel steht, und wundert sich, dass sie es so richtig hört.)

Nach dem Sabbat ging Jesus in die Herberge der Heiden, welche Ihn durch die Jünger sehnlich hatten einladen lassen. Sie empfingen Ihn mit großer Demut und Liebe. Er lehrte sie von der Berufung der Heiden und dass Er nun komme, jene Heiden zu erobern, welche Israel nicht besiegt habe. Sie fragten Ihn über die Erfüllung der Prophezeiungen, dass das Szepter von Juda genommen werden solle zur Zeit des Messias. Er lehrte darüber. Sie begehrten auch getauft zu werden und wussten von den drei Königen. Er legte ihnen die Taufe aus und sagte, sie sei für sie eine Vorbereitung zur Teilnahme am Reich des Messias. Diese wohlgesinnten Heiden waren Durchreisende, welche ein paar Wochen hier liegen blieben und auf das Zusammentreffen mit einer Karawane harrten. Es waren fünf Familien und zusammen 37 Menschen. Sie konnten nicht nach Ainon zur Taufe ziehen, weil sie die Karawane zu versäumen fürchteten. Sie fragten Jesus auch, wo sie sich niederlassen sollten, und Er wies ihnen den Ort an, Ich habe nie gehört, dass Er den Heiden von der Beschneidung sprach, aber wohl von der Enthaltsamkeit und dass sie nur eine Frau haben sollten.

Diese Heiden wurden hierauf von Saturnin und Judas Barsabas getauft. Sie traten in eine Badezisterne und beugten sich über ein großes vorstehendes Becken, welches Jesus gesegnet hatte. Das Wasser wurde ihnen dreimal über das Haupt gegossen.

Alle waren weiß gekleidet und machten Jesus nachher ein Geschenk mit goldenen Spangen und Ohrgehängen, womit sie handelten, für die Kasse seiner Jünger. Es wurde zu Geld gemacht und den Armen verteilt. Jesus lehrte hierauf noch in der Synagoge, heilte und nahm mit den Leviten ein Mahl.

Nach dem Mahl ging Jesus von mehreren Leuten des Ortes begleitet ein paar Stunden weiter von hier nördlich nach einer kleinen Stadt die Azo hieß. Es waren hier viele Menschen versammelt, denn am Abend begann die Feier eines Festes von Gedeons Sieg. Jesus wurde von den Leviten vor der Stadt empfangen. Es wurden Ihm die Füße gewaschen und ein Imbiss gereicht, dann ging Er in die Synagoge und lehrte.

Azo war zu Jephtes Zeit eine Festung, die in dem Krieg, da er aus dem Land Tob gerufen wurde, zerstört wurde. Jetzt war Azo ein sehr reinlicher kleiner Ort, in einer langen Reihe liegend. Es waren gar keine Heiden hier und die Leute waren besonders gut, fleißig und gesittet und hatten vielen Ölbau. Die Ölbäume sind vor der Stadt auf Terrassen kunstmäßig gepflanzt und gezogen. Auch wird hier Stoff bereitet und gestickt. Die Lebensart ist wie in Arga. Die Leute halten sich für besonders reine Juden vom Stamm Manasse, weil sie ganz unvermischt mit Heiden leben. Man ist sehr reinlich hier, der Weg führt durch ein sanftes Tal hinab, in welchem die Stadt westlich von einem Berg liegt.

Als Debbora in Israel richtete und Sisara von der Jahel getötet wurde (Rich 4, 17.20), lebte eine Frau, aus dem vertilgten Stamm Benjamin von einer übrig gebliebenen Frau abstammend, lange verborgen in Maspha. Sie trug und wusste ihr Geschlecht zu verbergen, dass niemand sie erkannte. Sie hatte Gesichte, prophezeite und diente den Israeliten oft als Spion. Wo sie aber gebraucht wurde, schlug es immer schlecht aus. Es lagen damals die Madianiten hier, zu denen sie in Mannskleidern, wie ein stattlicher Soldat gekleidet kam und sich für Abinuem ausgab, einen von den Helden, welche bei der Niederlage Sisaras vorkommen. Sie hatte sich, um zu spionieren, schon durch mehrere Lager durchgeschlichen und gab nun im Zelt des Anführers vor, als wolle sie ganz Israel in seine Hand geben. Sie trank sonst niemals Wein und war sehr behutsam und keusch. Hier aber berauschte sie sich und wurde als Frau entdeckt. Man nagelte sie mit Hand und Fuß auf ein Brett und warf sie in ein Loch mit dem Ausdruck: Hier sei sie nebst ihrem Namen begraben.

Von Azo aus war Gedeon in das Lager der Madianiten gebrochen. Er stammte von Manasse und wohnte mit seinem Vater bei Silo. Damals war eine elende Zeit in Israel. Die Madianiten und andere Heiden drangen überall ins Land, verwüsteten die Felder und nahmen die Ernte hinweg. Gedeon, ein Sohn des Joas des Ezriters, in Ephra wohnhaft, war sehr tapfer und auch mildtätig. Er drosch oft seinen Weizen etwas früher aus und teilte den Bedürftigen mit. Ich sah ihn morgens vor Tagesanbruch im Tau nach einem ungemein dicken Baum gehen, unter dem versteckt er seine Tenne hatte. Er war ein sehr schöner und kräftiger Mann. Die Eiche bedeckte mit ihren breiten Ästen ein weites Felsenbecken, in dem sie stand, und dieses Becken war von einem Hügelrand umgeben, der bis an die Zweige des Baumes reichte, so dass man von außen nicht gesehen werden konnte und am Fuß der Eiche wie in einem weiten Gewölbe stand. Der Stamm war wie von vielen einzelnen Stämmen zusammengewunden. Der Boden war fester Felsengrund. Rings in dem Walle waren Löcher, worin das Getreide in Fässern von Bast bewahrt wurde. Sie droschen mit einer Walze, die sich um den Baum auf Rädern drehte, und es waren hölzerne Hämmer an der Walze, die niederfielen. Es war oben in dem Baume ein Sitz, wo man sich umsehen konnte. Die Madianiten standen von Basan herab bis über den Jordan in das Feld Esdrelon hinein. Das Jordanstal wimmelte von weidenden Kamelen. Dieses diente dem Gedeon sehr. Er kundschaftete mehrere Wochen lang alles aus und schlich sich mit seinen dreihundert Mann ziemlich weit bis gegen Azo hinauf. Ich sah ihn zum Lager der Madianiten schleichen und an einem Zelt lauern. Da sagte ein Soldat dem andern: «Ich habe geträumt, es falle ein Brot hier von dem Berg herunter und werfe das Zelt um.» Dieser versetzte: «Das ist kein gutes Zeichen, Gedeon fällt gewiss mit den Israeliten über uns her.» In der folgenden Nacht drang Gedeon nur mit einem kleinen Haufen von hier aus ins Lager, Posaunen blasend und mit Fackeln in der Hand. Seine andern Haufen taten es von andern Seiten. Die Feinde kamen in Verwirrung, ermordeten sich teils selbst und wurden von den Kindern Israel überall vertrieben und erschlagen. Der Berg, von dem nach dem Traum des Soldaten das Brot rollte, lag gleich hinter Azo. Von hier griff auch Gedeon persönlich an.

In Azo wurde jetzt das Jahresfest von Gedeons Sieg gefeiert. Vor der Stadt ist eine große Eiche im Schoße eines Hügels und unter derselben ist ein Altar von Steinen. Zwischen diesem Baum und dem Berg, von dem der Soldat das Brot herunterrollen sah, war die verkleidete Prophetin begraben. Diese Art Bäume sind anders als unsere Eichen. Sie tragen eine große Frucht mit einer grünen Schale, unter der ein ausnehmend harter Kern sitzt auch in einem Töpfchen wie unsere Eicheln. Aus diesem Kern machen die Juden dort die Knöpfe an ihren Stäben. Es war von dieser Eiche bis in die Stadt eine ganze Reihe von Laubhütten mit allerlei Früchten ausgeschmückt für die große Menge des versammelten Volkes.

Jesus und die Jünger zogen mit den Leviten in einer Prozession zu der Eiche. Es wurden fünf kleine Ziegenböcke mit roten Kränzen um den Hals vorausgeführt und in kleine vergitterte Höhlen in den Hügelrand um den Baum eingesperrt. Auch Kuchen trug man zum Opfer und blies dabei Posaunen. Es wurden allerlei Rollen abgelesen von Gedeon und Siegespsalmen gesungen. Dann wurden die Böcklein geschlachtet, zerlegt, und mehrere Teile auch von den Kuchen auf den Altar gelegt. Das Blut ward nun um den Altar gesprengt und ein Levite hatte ein Rohr, aus welchem er Feuer in das unter dem Rost des Altars liegende Holz blies, zum Andenken, dass der Engel Gedeons Opfer mit einem Stabe angezündet hatte (Rich 6, 21).

Jesus hielt an das versammelte Volk eine Lehre. Darüber ging der Morgen hin. Am Nachmittag ging Jesus nebst den Leviten und den angesehensten Einwohnern ins Tal südlich vor die Stadt wo um eine kleine Quelle ein Bade- und Belustigungsort angelegt war. Hier waren auch die Frauen und Jungfrauen in einem abgesonderten Garten versammelt und spielten und belustigten sich. Es war hier eine Mahlzeit bereitet und die Armen hatten Tische obenan nach einem alten Herkommen. Jesus setzte sich an den Tisch der Armen. Er erzählte die Parabel vom verlorenen Sohn und dem Kalb das ihm der Vater schlachtete. Die Nacht brachte Jesus auf dem Dach der Synagoge unter einem Zelt zu. Die Leute schlafen hier auf den Dächern.

Das Fest dauerte am folgenden Tag noch fort und die Laubhütten wurden gleich für das Laubhüttenfest das etwa in 14 Tagen eintritt aufgerichtet. Am Morgen hielt Jesus eine Lehre in der Synagoge und heilte vor der Schule viele Blinde, Schwindsüchtige und mehrere gutartig Besessene. Darnach war noch eine Mahlzeit und dann verließ Jesus die Stadt, begleitet von den Leviten und anderen. Es waren gegen dreißig Begleiter.

Der Weg führte zuerst über den Berg, von welchem der Soldat das Gerstenbrot ins Lager der Madianiten hinabgerollen gesehen (Richter 7, 13). Hierauf stiegen sie in eine Schlucht quer über einen schmalen lang gestreckten und hohen Berg und zogen jenseits etwa noch eine Stunde nördlich in einem Tal an einen angenehmen kleinen See, bei welchem einige Gebäude standen, welche den Leviten von Az gehörten. Ein Bach fließt durch diesen See und das Tal in den Jordan hinab. Etwa sechs Stunden nordöstlich von hier liegt Betharamphtha-Julias um einen Berg.

Jesus nahm an dem See einen Imbiss. Sie hatten gebratene Fische, Honig, Brote und Balsamkrüglein mitgenommen. Der Weg von Azo hierher betrug etwa drei Stunden, Jesus erzählte unterwegs und hier Parabeln vom Sämann und vom steinigen Acker. Es war sehr steinig unterwegs hierher. Er erzählte auch eine Parabel von den Fischen und ihrem Fang. Es waren kleine Schiffe auf dem Teich und man fischte mit Hamen. Die gefangenen Fische wurden den Armen zurückgebracht.

Anderthalb Stunden von hier liegt Ephron. Von hier kann man es nicht sehen. Aber wohl die höheren Berge gegenüber. Jesus trennte sich hier von den Leuten aus Azo, welches der beste Ort auf allen seinen Wegen hier war, und ging nach Ephron. Er ward vor Ephron von den dortigen Leviten wie gewöhnlich empfangen. Es lagen vor dem Ort schon viele Kranke in hölzernen Kasten, welche man oben mit einem Gewerbe aufrichtete. Er heilte sie. Ephron liegt an der mittäglichen Anhöhe eines enges Passes, in dem ein oft versiegender Bach zum Jordan fließt zu dem man in der Schlucht weit hinabsieht. Gegenüber liegt ein schmaler höherer Berg, auf welchem die Tochter Jephtes mit ihren Mägdlein auf ein Siegeszeichen ihres Vaters geharrt hatte, das durch aufsteigenden Rauch gegeben wurde, worauf sie zurückgeeilt nach Ramoth und mit großer Pracht ihrem Vater entgegen gezogen ist, Jesus hat hier viele Leute geheilt und gelehrt.

Die hiesigen Leviten waren von einer alten Sekte der Rechabiten. Jesus verwies ihnen die allzu große Strenge und Härte ihrer Meinungen und ermahnte auch das Volk, vielen ihrer Gebote nicht zu folgen. Er erwähnte in dieser Lehre jener Leviten bei Bethsames, welche die von den Philistern zurückgekehrte Bundeslade (1 Sam 6, 15. usw.) unrecht (zu neugierig) angesehen und gestraft worden seien. Die Rechabiten stammen von Jethro dem Schwiegervater des Mose her. Sie lebten ehemals unter Zelten, hatten keinen Ackerbau und tranken keinen Wein. Sie waren Sänger und Torhüter am Tempel. Jene, welche bei Bethsames die rücckehrende Arche gegen das Gebot angesehen hatten und mit dem Tod gestraft wurden, waren Rechabiten, die dort unter Zelten gewohnt hatten. Jeremias versuchte sie einmal vergeblich, im Tempel Wein zu trinken, und ihr Gehorsam gegen ihre Gesetze wurde Israel zum Beispiel aufgestellt. Jetzt zu Jesus Zeit wohnten sie nicht mehr unter Zelten, hatten aber doch noch viel seltsame Gebräuche. Sie trugen ein härenes Ephod (Skapulier) als Cilicium auf blossem Leib und darüber ein Kleid von Fellen, außerdem ein reines, schönes, weißes Kleid und einen sehr breiten Gürtel. Durch ihre bessere Kleidung unterschieden sie sich von den Essenern. Sie hatten übertriebene Reinheitsgesetze und seltsame Gebräuche bei der Verheiratung, beurteilten aus gelassenem Blut, ob der Mensch heiraten müsse oder nicht, und verbanden die Menschen ihres Stammes nach diesen Zeichen oder verboten anderen die Ehe. Sonst wohnten sie auch in Argob und Jabesch und in Judäa. Sie waren ohne Widerspruch und ganz demütig und nahmen die Lehre und Verweise Jesu gut auf. Jesus verwies ihnen hauptsächlich ihre unerbittliche Strenge gegen Ehebrecher und Mörder, deren Wiederaussöhnung sie gar nicht annehmen wollten. Sie hielten auch die Fasten sehr streng.

Es waren hier an dem Berg mehrere Gießereien und Metallschmieden. Sie machten Töpfe und Rinnen, auch Röhren für Wasserleitungen, wobei zwei Rinnen zusammengelötet wurden.

17. Jesus in Betharamphtha-Julias, Abigail, die verstoßene Frau des Tetrarchen Philippus

Von Ephron wandelte Jesus mit seinen Jüngern und mehreren Rechabiten etwa fünf Stunden nordöstlich nach Betharamphtha-Julias, einer schönen, höher gelegenen Stadt. Unterwegs lehrte Er an einem Bergwerk, wo das Erz gegraben wird, das man in Ephron verarbeitet. In Betharamphtha waren auch Rechabiten und Priester unter denselben. Jene von Ephron schienen mir unter diesen zu stehen.

Die Stadt liegt groß und ausgedehnt um den Berg. Der westliche Teil ist von den Juden bewohnt, der östliche und ein Teil der Höhe von den Heiden. Beide Teile der Stadt sind durch einen gemauerten Weg und durch einen Lustplatz mit Alleen geschieden. Oben auf dem Berg liegt ein schönes Schloss mit Türmen, Gärten und Bäumen. Es wohnte eine geschiedene Frau des Tetrarchen Philippus hier oben, welcher die Einkünfte dieser Gegend zum Unterhalt angewiesen sind. Sie hatte fünf erwachsene Töchter bei sich und stammte von den Königen von Gessur. Sie hieß Abigail und war schon eine bejahrte Frau, stark und schön und von sehr gutem und wohltätigem Charakter.

Philippus war älter als der Herodes von Peräa und Galiläa. Er war ein friedfertiger, aber wohllebender Heide, des anderen Herodes Halbbruder von einer anderen Mutter. Dieser Philippus hatte zuerst eine Witwe mit einer Tochter geheiratet. Als aber der Mann dieser Abigail bei ihm durchreiste, ich meine, in einen Krieg, oder da er nach Rom ging, ließ er seine Frau bei ihm zurück. Diese wurde unterdessen von Philippus verführt und geheiratet, worüber ihr Mann aus Betrübnis nachher starb. Als nun nach einigen Jahren die erste wegen Abigail verstoßene Frau des Philippus zum Sterben kam, bat sie vor ihrem Tod den Philippus, sich doch wenigstens ihrer Tochter zu erbarmen. Philippus aber der Abigail müde, heiratete nun diese seine Stieftochter und verwies die Abigail mit ihren fünf Töchtern nach Betharam, das auch Julias zu Ehren einer römischen Kaiserdame genannt war. Sie lebte hier sehr wohltätig und den Juden geneigt mit einer großen Begierde nach Heil und Erkenntnis. Sie war aber unter einer beschränkenden Aufsicht von einigen Beamten des Philippus, welche auf sie achtgaben. Philippus hatte auch einen Sohn. Seine jetzige Frau war viel jünger als er.

Jesus wurde in Betharam gut empfangen und bewirtet. Er heilte am Morgen nach seiner Ankunft viele kranke Juden, lehrte am Abend in der Synagoge und auch am Morgen über den Zehnten und die Erstgeburt Deuteronomium 26-29, und Isaias Kap. 60,

Abigail stand bei den Einwohnern in einem sehr guten Lob, sie sendet auch Gaben an die Juden herab zur Bewirtung Jesu und der Jünger. - Am ersten Tisri war die Feier des Neujahrsfestes. Es wurde auf der Höhe der Synagoge mit allerlei Instrumenten musiziert. Es waren auch Harfen dabei, besonders aber wurde viel mit großen Posaunen geblasen, woran mehrere Mündungen waren. Ich sah auch wieder das wunderliche zusammengesetzte Instrument mit Blasebälgen spielen, wie einmal auf der Synagoge von Kapharnaum. Alles war an diesem Festtag mit Früchten und Blumen geschmückt. Unter den verschiedenen Klassen des Volkes waren verschiedene Gebräuche. In der Nacht beteten besonders viele Frauen mit Lichtern und Schäffeln darüber auf den Gräbern in langen Kleidern. Ich sah auch, dass alle sich badeten, die Frauen in den Häusern und die Männer in den Badeorten. Die verheirateten Männer und Jünglinge badeten getrennt, so auch die Frauen und Jungfrauen. Das viele Baden bei den Juden ging, da das Wasser nicht überall im Überfluss war, mit Sparsamkeit zu. Sie lagen auf dem Rücken in Trögen und schöpften das Wasser mit einer Muschel über sich. Es war oft mehr ein Abwaschen als ein Bad. Sie badeten heute vor der Stadt in ganz kaltem Wasser. Es geschah auch, dass alle sich gegenseitig beschenkten und besonders die Armen wurden mit Gaben bedacht. Sie bekamen zuerst eine große Mahlzeit und es waren auf einem langen Wall viele Geschenke von Lebensmittel, Kleidern und Decken für sie ausgestellt. Jeder, der Geschenke von seinen Freunden erhielt, gab davon wieder an die Armen ab. Die anwesenden Rechabiten lenkten und ordneten alles und sahen, was und wie ein jeder mit den Armen teilte. Sie hatten drei Rollen, in welche sie die Tugend jedes Gebers diesem unbewusst aufschrieben. Die eine Rolle hieß das Buch des Lebens, die andere der Mittelstraße, die dritte des Todes. Die Rechabiten übten allerlei solche Ämter, und waren auch am Tempel die Türhüter, Zahlmeister und besonders Sänger, was sie auch am heutigen Feste übten. Auch Jesus bekam in Betharamphtha Geschenke an Kleidern, Decken und Münzen, welche Er an die Armen austeilen ließ.

Während der öffentlichen Feste ging Jesus zu den Heiden. Abigail hatte Ihn dringend um seine Anwesenheit gebeten, und die Juden selbst, denen sie vieles Gute erwiesen, baten Ihn, mit ihr zu reden. Ich sah Ihn nebst einigen seiner Jünger durch die Judenstadt zur Heidenstadt auf einen öffentlichen mit Bäumen bepflanzten Lustplatz gehen, der zwischen beiden Stadtteilen lag, und wo gewöhnlich die Zusammenkunft der Juden und Heiden bei Geschäften war. Hier war Abigail mit ihrem Gefolge, ihren fünf erwachsenen Töchtern und vielen heidnischen Jungfrauen und anderen Heiden versammelt. Abigail war eine große, starke Frau von etwa fünfzig Jahren, wohl eben so alt als Philippus. Sie hatte etwas Trauriges und Sehnsüchtiges an sich, verlangte nach Hilfe und Belehrung, wusste aber nicht was sie anfangen sollte. Denn sie war in ihre Verhältnisse verwickelt und von Aufsehern belauert. Sie warf sich vor Jesus nieder, der sie aufrichtete und sie und alle Anwesenden belehrte, indem Er auf und ab ging. Er sprach von der Erfüllung der Prophezeiungen, der Berufung der Heiden und von der Taufe. Von allen Orten, wo Jesus gewesen, seit Er Ainon verlassen, waren fortwährend Züge von Juden und Heiden dahin gezogen und von seinen zurückgelassenen Jüngern getauft worden. Andreas, Jakobus Minor, Johannes und die Jünger des Johannes des Täufers waren dort mit Taufen beschäftigt. Von dem gefangenen Täufer gingen ab und zu Boten.

Jesus empfing von Abigail die gewöhnlichen Ehrenbezeigungen. Sie hatte jüdische Diener bestellt, welche Ihm die Füße wuschen und Ihm den Willkommengruß reichten. Sie bat Ihn sehr demütig um Vergebung, dass sie seine Ansprache gewünscht, sagte, dass sie schon lange nach seiner Lehre verlangt habe und bat Ihn, an einem Fest teilzunehmen, das sie Ihm bereitet habe. Jesus war sehr gütig gegen alle und besonders gegen sie, und alle seine Worte, wie sein Anblick erschütterten sie tief. Denn sie war voll Kummer und von halber Erkenntnis. Diese Lehre der Heiden dauerte bis gegen Nachmittag. Dann begab sich Jesus auf Abigails Einladung zur Morgenseite der Stadt, nicht weit vom Tempel der Heiden, wo viele Bäder und eine Art Volksfest war. Denn die Heiden feierten auch den heutigen Neumond mit besonderer Pracht. Ehe Jesus hierher kam, führte Ihn der Weg durch die Scheidestraße zwischen der Juden- und Heidenstadt. Da lagen in den Mauerwohnungen viele arme kranke Heiden in Kasten voll Stroh und Spreu. Die Heiden hatten sehr viele Arme hier. Jesus heilte jetzt keine.

An dem Belustigungsort der Heiden, wo die Mahlzeit war, lehrte Jesus die Heiden lange, teils auf- und abwandelnd, teils beim Mahl. Er sprach in allerlei Parabeln von Tieren, um ihr unnützes, unfruchtbares Treiben darzustellen. Er sprach vom beständigen, oft so unnützen Arbeiten der Spinne, von der Geschäftigkeit der Ameisen und Wespen und stellte es der schönen geordneten Arbeit der Bienen gegenüber. Das Mahl, woran Abigail zu Tisch liegend teilnahm, wurde größtenteils auf Jesu Befehl den Armen verteilt. Es waren auch an diesem Tag große Festlichkeiten im Heidentempel, der sehr prächtig war und von fünf Seiten große, offene Säulenhallen hatte, durch die man durchsehen konnte. In der Mitte war eine hohe Kuppel. Es waren mehrere Götter in verschiedenen Hallen dieses Tempels. Der Hauptgott aber hieß Dagon, war oben wie ein Mensch und hinten wie ein Fisch. Auch noch andere Götter in Tiergestalten waren darin, doch keine so schöne Figuren, wie bei den Griechen und Römern. Ich sah Mädchen Kränze bei den Bildern aufhängen und singen und tanzen, auch auf einem dreifüßigen Tischchen von Götzenpriestern räuchern, Auf der Kuppel des Tempels war eine wunderliche kunstvolle Einrichtung die Nacht durch in Bewegung. Es bewegte sich eine leuchtende Kugel mit Sternen umgeben über das Dach hin, und man konnte sie von außen und auch im Tempel sehen. Es stellte etwas vom Sternenlauf und Neumond oder neuem Jahre vor. Die Kugel bewegte sich langsam und wenn sie auf der anderen Seite ankam, hörten die Spiele und Feste auf dieser Seite des Tempels auf und begannen auf der Seite, wo der Mond ankam.

Nicht weit von dem Festort, wo Jesus die Mahlzeit einnahm, war ein großer Lustplatz, worauf die Jungfrauen spielten. Sie waren geschürzt, hatten die Beine bewickelt, hatten Bogen, Pfeile und kleine Spieße mit Blumen umwunden, und liefen an einem wunderbaren Festgerüst von Zweigen, Blumen und allerlei Verzierungen vorüber. Sie schossen und warfen im Lauf nach Vögeln, die angebunden waren, und nach verschiedenen Tieren, Böckchen und kleinen Eseln, die um das Gerüst eingezäunt waren. Es befand sich an diesem Festgebäude ein hässliches Götzenbild mit einem breiten offenen Rachen, wie ein Tier, sonst wie ein Mensch mit vorhängenden Händen. Es war hohl und unter ihm Feuer. Die getöteten Tiere wurden ihm in den Rachen gelegt, verbrannten und fielen in das Feuer nieder. Die Tiere welche nicht getroffen wurden, wurden abgesondert und wie heilig gehalten. Es wurden ihnen die Sünden der anderen von den Priestern aufgelegt und so wurden sie in Freiheit gesetzt. Es war etwas, wie die Versöhnungstiere der Juden. Wäre das widerliche Martern der Tiere nicht gewesen und der hässliche Götze, so hätte mir die Schnelligkeit und Geschicklichkeit der Jungfrauen sehr gut gefallen. Es dauerte das Fest bis gegen Abend, und als der Mond aufging, wurden die Tiere geopfert, Am Abend war der ganze Tempel und das Schloss der Abigail voll Fackeln.

Jesus lehrte auch nach der Mahlzeit und es bekehrten sich viele Heiden, die nach Ainon zur Taufe zogen. Am Abend stieg Er bei Fackelschein den Berg wieder hinauf und sprach mit Abigail in der Vorhalle ihres Schlosses unter Säulen. Es waren einige Beamte des Philippus bei ihr, welche sie stets beobachteten.

Sie war dadurch sehr gehindert in allem, was sie tat, und gab dem Herrn ihre Verlegenheit durch einen Blick zu verstehen, den sie auf diese Männer warf. Jesus kannte aber ihr ganzes Innere und die Bande, welche sie gefangen hielten. Er hatte Mitleid mit ihr. Sie fragte, ob sie versöhnt werden könne mit Gott. Ein Punkt drücke sie unaufhörlich, der Ehebruch an ihrem rechten Mann und dessen Tod. Jesus tröstete sie und sagte, ihre Sünden seien ihr vergeben, sie solle in guten Werken fortfahren, harren und beten. Sie war vom Geschlecht der Jebusiten. Diese Heiden pflegten ihre krüppelhaften Kinder verkommen zu lassen und hatten viel Aberglauben mit Zeichen der Geburt.

In allen den Orten, wo Jesus zuletzt durchgekommen war, war man nun beschäftigt, die Zurüstungen auf das Laubhüttenfest zu machen. Man trug Lattenwerk zusammen und schlug leichte Zelt- und Laubengerüste in Betharamphtha hie und da auf Dächer. Die Jungfrauen waren beschäftigt, sich nach Pflanzen und Blumen umzusehen, sie in Wasser und in Keller zu setzen, um sie frisch zu halten. Es sind vor dem Fest so viele Fasttage und es wird so viel gebraucht dabei wegen der Gastmähler, dass jetzt schon alles zugetragen wird. Die Lieferungen von allem Bedarf sind unter viele Leute verteilt und dafür werden die Armen belohnt und freigehalten und am Ende erhalten sie noch ein reichliches Fest und eine Belohnung, Man sieht in allen diesen Orten keine öffentlichen Kaufläden. In Jerusalem sind außen um den Tempel einige Plätze, wo Buden beisammen stehen. Sonst ist in anderen Städten höchstens hie und da am Tor ein Zelt wo Decken verkauft werden, besonders wo Karawanen durchziehen. Leute in Wirtshäusern zusammensitzen, wie bei uns, sieht man nicht. Hie und da steht in einem Mauerwinkel ein Mann bei einem Zelt mit einem Schlauch oder Krug. Es kommt ein Reisender und lässt sich ein Krüglein füllen. Selten setzt sich einer hin und trinkt. Betrunkene auf Straßen sieht man nicht, Leute, die Wasser verkaufen, tragen Schläuche an einer Stange über dem Nacken an beiden Seiten hängend. Geschirr und Eisenwerk holt sich jeder, was er braucht, auf Eseln, da, wo es bereitet wird.

Am folgenden Tag heilte Jesus in der Mauerstraße zwischen der Heiden- und Judenstadt alle die armen kranken Heiden, welche in den Löchern so elend dalagen, und die Jünger teilten ihnen Almosen aus. Nachher lehrte Er noch zum Abschied in der Synagoge, weil bei diesem Fest auch der Gedächtnistag von Isaaks Opferung ist, sprach Er von dem wahren und wirklichen Isaak, was sie jedoch nicht verstanden. Er sprioht in allen diesen Orten sehr deutlich von dem Messias, doch nicht bestimmt, dass Er es sei.

18. Jesus in Abila und Gadara

Jesus ging hierauf mit den Jüngern von Leviten begleitet drei Stunden nordwestlich gegen eine Schlucht, in welcher der Bach Karith zum Hieromax fließt zu der schönen Stadt Abila, welche in dieser Schlucht liegt. Die Leviten begleiteten Ihn halbwegs bis an einen Berg und gingen dann zurück. Es war drei Uhr nachmittags, als Jesus vor Abila, welches um die Quelle des Baches Karith gebaut ist von den Leviten der Stadt, wobei auch mehrere Rechabiten waren, empfangen wurde. Es waren bei diesen drei Jünger aus Galiläa, die Jesus hier erwarteten. Sie führten Ihn gleich in die Stadt an einen sehr schönen Brunnen. Es war die Quelle des Baches Karith. Das schöne Brunnenhaus auf Säulen lag in der Mitte von Säulengängen, welche die Synagoge und andere Gebäude mit diesem Mittelpunkt der Stadt verbanden, die sich nach den beiden Seiten der Anhöhe sanft aufsteigend mit ihren Straßen sternförmig um diese Gebäude verbreitete, so dass man von allen Straßen aus auf diesen Brunnen sehen konnte. Hier an diesem Brunnen wurden Jesus und den Jüngern von den Leviten die Füße gewaschen und der gewöhnliche Imbiss gereicht, In den benachbarten Gärten und an den Gebäuden waren Jungfrauen und Männer mit den Vorrichtungen für das Laubhüttenfest beschäftigt.

Von hier zog Jesus mit ihnen nördlich im Tal etwa eine halbe Stunde vor die Stadt hinaus, wo über den Bach eine breite Brücke von Steinen gebaut war, auf welcher zum Gedächtnis des Elias eine Lehrsäule unter einem von acht Säulen getragenen Dach stand. Die beiden Ufer des schmalen Baches waren treppenförmig für die Zuhörer eingerichtet und ganz mit Menschen bedeckt. Der Lehrstuhl war eine kleine Säule mit einer Kanzel. Man ging in der Säule hinauf, Jesus lehrte nach allen Seiten sich wendend.

Es war aber heute ein Gedächtnistag des Elias in dieser Stadt, weil ihm heute an dem Bach hier etwas geschehen war. Nach dieser Lehre war in einem Bade- und Belustigungsplatz vor der Stadt noch eine Mahlzeit. Mit dem Sabbat aber wurde sie geschlossen, weil am folgenden Tag ein Fasttag wegen Ermordung des Godolias (2 Kön 25, 22-25) war. Es wurde auch noch mit Posaunen geblasen.

Ich sah an dem Bergabhang östlich der Stadt Abila eine einzelne schöne Grabhöhle und einen kleinen Garten davor, in welchem die Frauen von drei Familien aus Abila eine Totenfeier hielten. Sie saßen verhüllt, weinten und sprachen Klagelieder und legten sich oft mit dem Angesicht auf die Erde. Sie töteten auch mehrere sehr schön gefiederte Vögel, rupften sie und verbrannten die schönen schimmernden Federn auf dem Grab. Das Fleisch der Vögel erhielten die Armen. Es war das Grab einer ägyptischen Frau, von der sie herstammten. Vor dem Auszug der Kinder Israel lebte in Ägypten eine uneheliche Verwandte des damaligen Pharao, welche Moses sehr geneigt war und den Israeliten große Dienste tat. Sie war eine Prophetin und entdeckte dem Moses in der letzten Nacht die Mumie Josephs. Sie nannten sie Segola. Eine Tochter dieser Segola war Aarons Frau. Er trennte sich aber von ihr und heiratete Elisabeth, die Tochter Aminadabs vom Stamm Juda. Mit diesem Aminadab hatte die geschiedene Frau auch eine Beziehung, welche ich nicht mehr weiß, Segola's Tochter, welche von Aaron und ihrer Mutter gut ausgestattet worden war und die besonders viele Schätze mit aus Ägypten genommen hatte, folgte den Israeliten und heiratete noch auf dem Zug einen anderen. Sie schloss sich den Madianiten an vom Geschlecht Jethros. Ihre Nachkommen ließen sich bei Abila nieder, wohnten unter Zelten und ihre Leiche wurde dort in ein Grab gelegt. Erst nach Elias Zeiten wurde Abila erbaut und damals setzten sich ihre Nachkommen hier fest. Denn zu Elias Zeiten sah ich die Stadt nicht, sie müsste dann früher einmal zerstört worden sein. Es waren noch drei Familien von ihrem Geschlecht hier. Es war der Todestag der Tochter Segolas, ihre Mumie war aus der Wüste hierher gebracht und begraben worden. Die Frauen brachten Ohrenringe und Geschmeide den Leviten zu ihrem Andenken. Jesus lobte diese Frau und lehrte von der Milde ihrer Mutter Segola auf dem Lehrstuhl des Elias. Die Frauen hörten zu, hinter den Männern stehend. Bei der Mahlzeit in dem Badegarten waren sehr viele Arme und jeder Gast musste zuerst von seiner Portion den Armen etwas vorlegen,

Tags darauf sah ich die Leviten Jesus in einen großen mit Zellen umgebenen Hof führen, wo gegen zwanzig Taubstumme und Blindgeborene von Wärtern und ein paar Ärzten wie in einem Hospital gepflegt wurden. Die Taubstummen waren ganz wie Kinder. Jeder hatte ein Gärtchen, worin er spielte und pflanzte. Sie kamen bald alle um Jesus herum, lächelten und zeigten mit den Fingern auf den Mund, Jesus schrieb mit dem Finger allerlei Zeichen in den Sand. Sie sahen aufmerksam zu und zeigten bei jedem, was Er schrieb, auf diesen oder jenen Gegenstand umher. Er gab ihnen so etwas von Gott zu verstehen. Ich weiß nicht ob Er Buchstaben oder Figuren machte und ob sie früher schon so abgerichtet worden waren. Nachher legte ihnen Jesus die Finger in die Ohren und berührte sie mit dem Daumen und Zeigfinger unter der Zunge. Da wurden sie heftig bewegt schauten um sich, sie hörten, sie weinten, sie lallten und sprachen, sie warfen sich vor Jesus nieder und brachen dann in ein sehr rührendes eintöniges Singen von wenigen Worten aus. Es lautete fast wie das rührende Singen des Zugs der heiligen drei Könige.

Jesus ging dann auch zu den blinden Männern, die still in einer Reihe standen. Er betete und legte ihnen die zwei Daumen auf die Augen. Und sie taten die Augen auf, sahen den Heiland und Erlöser und mischten ihren Lobgesang mit dem der Taubstummen, welche Ihn nun loben und seine Lehre hören konnten. Es war ein unbeschreiblich liebliches und freudiges Bild. Die ganze Stadt kam in Freude und Jubel, da Jesus mit den Genesenen heraustrat welchen Er sich zu baden befahl.

Dann ging Er mit den Jüngern und Leviten durch die Stadt zum Lehrstuhl des Elias. Es war eine große Bewegung in der Stadt. Man hatte auf die Nachricht von seinem Wunder mehrere Besessene losgelassen. An einer Straßenecke liefen blödsinnige Frauen herzu und schwätzten mit geschwinden Worten gegen Ihn: «Jesus von Nazareth! Prophet! Du bist Prophet! Du bist Jesus! Du bist der Christus, der Prophet!» Es waren gutmütige Törinnen, Jesus gebot ihnen zu schweigen. Da waren sie still. Er legte ihnen die Hand auf das Haupt und sie sanken auf die Knie und weinten, wurden ganz still, schämten sich und wurden ruhig von den Ihrigen zurückgeführt. Auch mehrere wütende Besessene drangen durch das Volk, als wenn sie Jesus zerreissen wollten. Er blickte nach ihnen. Da kamen sie wie winselnde Hunde zu seinen Füßen. Er trieb die Teufel mit Befehl aus ihnen. Da sanken sie zusammen. Es ging ein dunkler Dampf von ihnen. Sie erholten sich, weinten, dankten und wurden von den Ihrigen nach Hause gebracht. Gewöhnlich befahl Jesus ihnen, sich zu reinigen. Er lehrte wieder auf dem Lehrstuhl über dem Bach von Elias, von Moses und dem Auszug aus Ägypten; auch von den Geheilten und den Prophezeiungen, dass zur Zeit des Messias die Stummen sprechen, die Blinden sehen würden, Er sprach auch von denen, welche diese Zeichen sehen und nicht erkennen,

Ich sah dabei vieles von Elias. Er war ein langer hagerer Mann, hatte eingefallene rötliche Wangen, einen scharfen glänzenden Blick, dünnen langen Bart, kahlen Kopf, nur hinten um das Haupt einen Kranz von Haaren. Oben auf dem Kopf hatte er drei dicke Knoten, schier wie Zwiebeln gestaltet, einen in der Mitte des Hauptes, zwei mehr vorwärts auf der Stirne. Er trug ein Kleid von zwei Fellen, die auf den Schultern zusammengeheftet, an der Seite offen und um den Leib mit einem Strick gebunden waren. Über die Schultern und um die Knie hingen die Zotten der Felle. Er hatte einen Stab in der Hand, seine Schienbeine waren noch viel brauner als sein Gesicht. Elias war neun Monate hier und zwei Jahre drei Monate in Sarepta bei der Witwe. Er lebte hier in einer Höhle am östlichen Abhang des Tales, nicht weit vom Bach. Ich sah, wie ihm der Vogel Speise brachte. Zuerst kam eine kleine dunkle Gestalt wie ein Schatten aus der Erde, die einen dünnen Kuchen vor sich in den Händen hatte. Es war dies kein Mensch und kein Tier. Es war der böse Feind, der ihn versuchte. Elias nahm aber dieses Brot nicht und wies ihn zurück. Nachher sah ich einen Vogel wie eine Gans in die Nähe seiner Höhle kommen mit Brot und Speise, die er unter das Laub verbarg. Es war, als verberge es der Vogel für sich selbst der kein Rabe, sondern ein Wasservogel gewesen sein muss, denn er hatte Häute zwischen den Klauen. Sein Kopf hatte etwas breites und es hingen ihm wie Backentaschen neben dem Schnabel nieder, auch unter dem Schnabel hatte er einen Kropf hängen. Er klapperte auf Art eines Storchs. Ich sah auch, dass dieser Vogel ganz heimlich mit Elias wurde, so dass dieser ihm links und rechts deutete, als sende er ihn aus und locke ihn an. Ich habe dieselbe Art Vögel oft bei den Einsiedlern gesehen, auch bei Zosimus und Maria von Ägypten. Als Elias bei der Witwe zu Sarepta war, wurde ihnen außer dem vermehrten Öl und Mehl manchmal von Raben Speise gebracht,

Jesus ging mit den Leviten auch zu der Höhle des Elias. An dem östlichen Abhang des Tales unter einem weit überhängenden Felsenblock war eine schmale Steinbank, worauf Elias von dem Felsen überdeckt geschlafen. Das Lager war noch mit Moos überzogen. Als der Sabbat des vierten Tisri begann und der Fasttag aus war, war ein Mahl in dem Badegarten, wobei abermals die Armen gespeist wurden,

Nachdem Jesus am folgenden Morgen wieder in der Synagoge gelehrt und geheilt hatte, wandelte Er mit den Jüngern, Leviten, Rechabiten und einigen Leuten der Stadt auf der westlichen Anhöhe des Gebirges wohl im Umfang einer Stunde zwischen Weinbergen und lehrte. Es waren auf diesem Gebirge bis gegen Gadara hin viele teils natürliche, teils durch Kunst aufgetürmte Steinhaufen, um welche die Reben gepflanzt wurden. Die Weinstöcke waren wohl armsdick und standen weit voneinander. Die Zweige waren sehr weit gezogen. Die Trauben waren oft armslang und hatten Beeren so groß wie Pflaumen. Die Blätter waren auch größer als bei uns, doch gegen die Trauben klein. Die Leviten fragten Jesus allerlei Stellen aus den Psalmen, die sich auf den Messias bezogen, sie sagten: «Du bist gewiss der Nächste am Messias. Du wirst es uns sagen!» Es war unter anderen die Stelle: «Dixit dominus Domino meo» und aus Isaias, die vom Keltertreter mit Blut besprengten Kleider Jes, 63, 3, Jesus erklärte ihnen alles sehr tiefsinnig und legte es auf Sich aus. Sie saßen bei dieser Erklärung um einen Weinhügel herum und aßen Beeren. Die Rechabiten hatten nicht mitessen wollen, weil der Wein ihnen verboten war. Jesus forderte sie aber dazu auf und gebot es ihnen, sagend, wenn sie damit sündigten, solle die Schuld auf Ihn kommen. Da sie von diesem ihrem Gesetz sprachen, kam auch die Rede darauf, dass Jeremias es ihnen einmal auf Gottes Befehl geboten und sie es nicht getan. Jetzt befahl es ihnen aber Jesus, und sie taten es. Gegen Abend gingen sie zurück. Es war noch eine Mahlzeit, wobei die Armen gespeist wurden. Dann lehrte Jesus in der Synagoge und übernachtete im Haus der Leviten auf dem Dach unter einem Zelt.

Von den Leviten begleitet wanderte Jesus von Abila nach Gadara, wo Er abends vor dem kleinen jüdischen Stadtteil ankam, der von dem größeren heidnischen Teil, der wohl vier Götzentempel hat, getrennt lag. Ich erkannte Gadara gleich als eine Heidenstadt, weil das Götzenbild des Baal unter einem großen Baum stand. Jesus wurde hier gut empfangen. Es waren Pharisäer und Sadduzäer und ein Synedrium für diese Gegend hier, wenn gleich nur drei- bis vierhundert männliche Juden hier lebten. Es kamen hier auch noch einige andere galiläische Jünger zu Jesus: Nathanael (Chased), Jonathan, der Halbbruder des Petrus, und ich meine Philippus. Jesus wohnte vor der Judenstadt in einer Herberge, wo bereits eine große Menge Lauben zum Laubhüttenfest aufgeschlagen waren,

Am Morgen darauf, als Jesus zur Synagoge zur Lehre ging, war eine große Menge von Kranken vor derselben versammelt und viele tobende Besessene. Die Pharisäer und Sadduzäer, welche gutgesinnt schienen, wollten diese Leute wegweisen. Sie sollten nicht so zudringlich sein. Es sei jetzt nicht Zeit hierzu. Jesus aber sprach ganz freundlich, sie möchten doch bleiben, Er sei um ihretwillen gekommen, und heilte viele.

Das jüdische Synedrium hier hatte sich währenddessen beratschlagt, ob sie Ihn lehren lassen sollten, weil so viel Widerspruch gegen Ihn sei. Sie gestanden es aber einstimmig zu. Sie hatten hier sehr vorteilhaft von Jesus im voraus sprechen hören und besonders von der Heilung des Hauptmannssohnes von Kapharnaum,

Die neu angekommenen Jünger sprachen auch mit Jesus von einem anderen Heilsbedürftigen von Kapharnaum, der seine Hilfe sehr verdiene.

Jesus lehrte in der Synagoge von Elias, von Achab und Jezabel und von dem Götzen Baal, der in Samaria aufgerichtet worden. Auch von Jonas erzählte Jesus, dass er kein Brot vom Raben erhalten habe, weil er ungehorsam gewesen. Auch vom König Balthasar von Babyion war die Rede, der die heiligen Gefäße missbrauchte und die Schrift an der Wand gesehen. Aus Isaias aber lehrte Jesus sehr lang und kräftig, und legte es sehr wunderbar auf Sich aus und sprach auch ganz tiefsinnig von seinem Leiden und Sieg. Er sprach vom Keltertreten, vom roten, blutigen Gewand, vom einsamen Arbeiten, vom Zertreten der Völker. Vorher sprach Er von der Erneuerung Sions, von den Wächtern auf Sions Mauern, und ich fühlte, dass Er die Kirche damit meinte. Er lehrte so klar für mich, aber so tief und ernst, dass die jüdischen Gelehrten betroffen und erschüttert wurden, ohne Ihn jedoch zu verstehen. Sie kamen auch noch in der Nacht zusammen und schlugen allerlei Rollen nach und sprachen hin und her. Denn sie meinten, Er müsse mit irgend einem benachbarten Volk verbunden sein und nächstens mit einem großen Kriegsheer kommen wollen und Judäa erobern.

Der Götze Baal vor dem Eingang der Heidenstadt, war von Metall. Er saß unter einem großen Baum, hatte einen breiten Kopf und ein großes Maul. Der Kopf war oben spitz, wie ein Zuckerhut und es war ein Kranz von Blättern wie eine Krone darum. Der breite, dicke und kurze Götze, saß wie ein aufgerichteter Ochse. In der einen Hand hatte er einen Büschel Ähren, in der anderen hatte er ein Kraut, ich weiß nicht ob Trauben oder sonst ein Gewächs. Er hatte sieben Löcher im Leib und saß in einer Art Kessel, worin man Feuer unter ihm machen konnte. An seinen Festen wurde er bekleidet.

Gadara ist eine Festung. Die Heidenstadt ist ziemlich groß und liegt etwas unter der höchsten Höhe des Berges. Am nördlichen Fuß des Berges sind warme Bäder mit schönen Gebäuden.

Als am folgenden Morgen, da Jesus viele Kranke vor der Stadt heilte, die Priester zu Ihm kamen, sagte Er zu ihnen: «Was seid ihr heute nacht so in Sorgen über meine gestrige Lehre gewesen? Warum fürchtet ihr euch vor einem Kriegsheer, da Gott die Gerechten beschützt? Erfüllt das Gesetz und die Propheten! Warum fürchtet ihr euch?» Er lehrte dann wieder wie gestern in der Synagoge.

Gegen Mittag kam eine heidnisches Frau ganz scheu zu den Jüngern und flehte, Jesus möge in ihr Haus kommen und ihr Kind heilen. Jesus kam auch mit mehreren Jüngern in die Heidenstadt. Der Mann dieser Frau empfing Ihn am Tor und führte Ihn in das Haus. Da warf sich die Frau vor Ihm nieder und sagte: «Herr! ich habe von deinen Taten gehört und dass Du größeres tust, als Elias. Sieh! Mein einziges Knäblein ist am Sterben und unsere weise Frau kann ihm nicht helfen. Erbarme Dich über uns!» Der Knabe lag aber in der Ecke in einem Kästchen und war etwa drei Jahre alt. Sein Vater war gestern abend im Weinberg gewesen und das Kind mit ihm. Es hatte wenig Beeren gegessen, und der Vater hatte es laut wimmernd zurückgebracht. Die Mutter hatte es bis jetzt immer im Schoße gehabt und alles vergeblich versucht. Es war schon ganz wie tot. Ja es schien wirklich tot. Da lief sie zur Judenstadt und bat Jesus. Denn die Heiden hatten von seinen gestrigen Heilungen gehört. Jesus sagte zu ihr: «Lasse Mich mit dem Kind allein und schicke Mir zwei meiner Jünger!» Es kamen aber Judas Barsabas und Nathanael der Bräutigam herein. Jesus nahm den Knaben von seinem Lager in die Arme und legte ihn mit seiner Brust an die seine und hatte ihn quer um Sich liegen und an Sich geschlossen und beugte sein Angesicht zu des Kindes Angesicht und hauchte es an. Da schloss das Kind die Augen auf, regte sich und Jesus stellte das Kind vor Sich in die Höhe und befahl den beiden Jüngern die Hände auf des Kindes Haupt zu legen und es zu segnen. Sie taten es: da wurde das Kind ganz gesund, und Er brachte es seinen harrenden Eltern, welche es umarmten, und sich vor Jesus unter Tränen niederwarfen. Die Frau rief: «Groß ist der Herr Gott Israels! Er ist über alle Götter! Mein Mann hat mir das schon gesagt und ich will auch keinem anderen Gott mehr dienen!» Es waren bald viele Leute versammelt und sie brachten dem Herrn noch mehrere Kinder. Ein Knäblein mit einem Jahr heilte Er durch Händeauflegung, Ein Knabe von sieben Jahren hatte Konvulsionen und war wie schwachsinnig. Er war dämonisch krank, doch ohne heftige Anfälle und oft wie lahm und stumm, Jesus segnete ihn und befahl, ihn zu baden in einem Bad aus drei Wassern gemischt, aus dem warmen Brunnen Amathus, nördlich am Fuß des Berges von Gadara, aus dem Bach Karith bei Abila und aus dem Jordan. Die Juden hatten hier Jordans Wasser von der Gegend, wo Elias hinübergegangen, in Schläuchen vorrätig und brauchten es bei Aussätzigen.

Es klagten unter den Heidinnen auch die Mütter, dass sie so viel Unglück mit ihren Kindern hätten, und die Priesterin sie nicht immer heilen könne. Da befahl ihnen Jesus, diese Priesterin zu rufen. Diese Frau kam ungern und wollte nicht herein. Sie war ganz verhüllt. Jesus befahl ihr zu nahen. Sie sah Ihn aber nicht an und wendete das Gesicht ab und ihr Betragen war auf die Art wie das der Besessenen, welche innerlich gezwungen werden, sich von dem Anblick Jesu abzuwenden, aber doch auf seinen Befehl wieder herannahen, Jesus sagte aber zu den versammelten Heidinnen und Männern: «Ich will euch zeigen, welche Weisheit ihr in dieser Frau und ihrer Kunst verehrt», und somit befahl Er, ihre Geister sollten sie verlassen. Da ging wie ein schwarzer Dampf von ihr und allerlei Gestalten von Ungeziefer, Schlangen, Kröten, Ratten, Drachen wichen in diesem Dampf wie Schatten von ihr ab. Es war ein gräulicher Anblick und Jesus sagte: «Seht! welcher Lehre ihr folgt,» Die Frau aber sank auf die Erde in die Knie und weinte und wimmerte. Nun war sie ganz geschmeidig und gutwillig und Jesus befahl ihr zu sagen, wie sie es machte, um die Kinder zu heilen, und sie sagte unter Tränen halb wider ihren Willen, wie sie gelehrt sei, wobei denn herauskam, dass sie die Kinder durch Zauberei krank machte, um sie zur Ehre der Götter zu heilen. Jesus befahl ihr nun mit Ihm und den Jüngern dahin zu gehen, wo der Gott Moloch stehe, und Er ließ mehrere heidnische Priester dazu rufen. Es versammelte sich viel Volk umher, denn die Heilung der Kinder war schon bekannt geworden, Es war dieser Ort kein Tempel, sondern ein Hügel, rings von Gräbern umgeben, und der Gott selbst war zwischen den Gräbern unter der Erde in einem Gewölbe, das mit einem Deckel verdeckt war. Jesus sagte den Götzenpriestern, sie möchten ihren Gott doch hervorrufen. Und da sie ihn durch eine Maschine heraufsteigen machten, bedauerte sie Jesus, dass sie einen Gott haben, der sich nicht selbst helfen könne.

Er sagte der Priesterin, sie sollte nun laut das Lob ihres Gottes aussprechen und erzählen, wie sie ihm dienten und was er ihnen dafür gäbe. Da ging es der Frau wie dem Propheten Balaam, sie sagte laut alle Gräuel dieses Dienstes aus und verkündete die Wunder des Gottes Israels vor allem Volk. Jesus befahl nun seinen Jüngern, den Götzen umzuwerfen und hin und her zu wälzen. Sie taten es, Er sagte aber: «Seht, welchen Götzen ihr dient. Seht die Geister, die ihr anbetet.» Und es erschienen aus dem Bilde herausfahrend vor den Augen aller Anwesenden allerlei teuflische Gestalten, die zitterten und umherkrochen und wieder in die Erde hinab bei den Gräbern verschwanden. Die Heiden waren sehr erschreckt und beschämt. Jesus sagte: «Wenn wir euren Götzen wieder in die Grube hinabwerfen, wird er wohl in Stücke gehen!» Die Priester baten ihn aber, Er möge ihn doch nicht zerbrechen. Und Er ließ ihn wieder aufrichten und hinab haspeln. Die meisten Heiden waren sehr gerührt und beschämt besonders die Priester. Einige waren jedoch sehr unwillig. Das Volk aber war ganz auf Jesu Seite. Er hielt ihnen noch eine schöne Lehre und es bekehrten sich viele. Der Moloch saß wie ein Ochse auf den Hinterbeinen und hatte die Arme, wie einer, der etwas auf die beiden Arme fassen will, und diese Arme konnte er mit einem Gewerbe an sich ziehen. Der Kopf war in einen weiten Rachen gespalten, und auf der Stirn hatte er ein gekrümmtes Horn. Er saß in einer weiten Schale, hatte um den Leib herum mehrere Vorsprünge wie offene Taschen. Bei Festen wurden ihm lange Riemen um den Hals gehängt. In dem Becken unter ihm wurde Feuer gemacht beim Opfer. Es brannten immer viele Lampen um den Rand des Beckens vor ihm. Sonst hatten sie ihm oft Kinder geopfert. Jetzt durften sie nicht mehr. Sie opferten ihm allerlei Tiere, welche sie in den Öffnungen seines Leibes verbrannten, oder durch die Öffnung des Kopfes hineinwarfen. Das schönste Opfer war für ihn eine syrische Kamelziege. Es waren auch Zugwerke da, an denen sie sich zum Götzen hinablassen konnten, der ganz in der Erde und zwischen lauter Gräbern stand. Sein Dienst war nicht mehr recht im Gang. Sie riefen ihn nur bei Zaubereien an, und die Frau hatte besonders wegen der kranken Kinder mit ihm zu tun. In jede der Taschen an seinem Leib erhielt er besondere Opfer. Sonst wurden ihm die Kinder in die Arme gelegt und durch das Feuer unter ihm und in ihm (er war hohl) verzehrt. Er zog dann die Arme an sich und erdrückte sie, dass sie nicht laut schrieen.

Er hatte ein Gewerb in den Beinen und sie konnten ihn auch aufstellen. Er war mit umgeben.

19. Jesus in Dion und Jogbeha

Die Heiden, deren Kinder Jesus geheilt hatte, fragten Ihn, wo sie sich hinwenden sollten, denn sie wollten dem Götzendienst absagen, Jesus sprach ihnen von der Taufe, und dass sie sich einstweilen ruhig verhalten und harren sollten. Er sprach ihnen von Gott als einem Vater, dem wir unsere bösen Gelüste opfern müssen und der keiner anderen Opfer als der unserer Herzen bedürfe, Jesus sprach gegen die Heiden immer deutlicher aus, als gegen die Juden, dass Gott unserer Opfer nicht bedürfe. Er ermahnte sie zu Reue und Buße, zum Dank für die Wohltaten und zur Barmherzigkeit gegen die Elenden. In der Judenstadt schloss Er noch den Sabbat, nahm ein Mahl ein, und dann begann der Sabbat des Fasttags wegen Anbetung des goldenen Kalbes, welcher am achten Tisri gehalten wurde, weil der siebente, der gewöhnliche Fasttag, diese Jahr auf den Sabbat fiel.

Jesus verließ nachmittags die Stadt. Die Heiden, deren Kinder Er geheilt, dankten Ihm nochmals vor der Heidenstadt. Er segnete sie und ging mit zwölf Jüngern hinab durch das Tal südlich von Gadara. Dann über einen Berg bis zu dem Flüsschen, das aus dem Gebirge unter Betharamphtha-Julias, wo die Bergwerke sind, herabkommt. Es waren drei Stunden von Gadara bis zu der Herberge an dem Flüsschen, wo Jesus mit den Jüngern Einkehr nahm. Die dort umherwohnenden Juden waren mit dem Einsammeln von Früchten beschäftigt und wurden von Jesus belehrt.

Es war aber auch ein Trupp Heiden in der Gegend, welche an dem Flüsschen von einem Heckengewächs weiße Blumen sammelten, aber auch große hässliche Käfer und Insekten. Als Jesus ihnen nahte, zogen sie sich zurück und waren wie scheu. Es wurde mir gezeigt, dass sie diese Tiere für den Götzen Beelzebub zu Dion sammelten. Ich sah den Götzen vor dem Tor der Stadt unter einem großen Weidenbaum sitzen. Er hatte eine affenartige Gestalt mit kurzen Armen und dünnen Beinen, doch auf menschliche Art sitzend. Sein Kopf war spitz und hatte zwei kleine gekrümmte Hörner, wie Mondsicheln, sein Gesicht war gräulich mit sehr langer Nase. Das Kinn war niedrig, doch vorstehend, das Maul groß und tierisch, der Leib schlank, um den Schoß eine Schürze, die Beine dünn und lang mit Krallen an den Zehen. In der einen Hand hatte er ein Gefäß auf einem Stil, in der anderen eine Schmetterlingsfigur, die aus der Larve schlüpfte. Dieser Schmetterling sah aber teils wie ein Vogel, teils wie ein ekelhaftes Insekt aus und war sehr blinkend und bunt. Rund um den Kopf des Götzen über der Stirn war ein Kranz von ekelhaften Käfern und fliegenden Würmern. Einer hielt den anderen gepackt und über der Stirn in der Mitte des spitzen Kopfes zwischen den Hörnern saß einer größer und ekelhafter als alle anderen. Sie waren schimmernd und von allerlei Farben, aber von gräulicher giftiger Gestalt, mit langen Bäuchen, Füßen, Zangen und Stacheln. Als Jesus in die Nähe der Heiden kam, welche solche Tiere für den Götzen suchten, da fuhr die ganze Krone auseinander wie ein dunkler Schwarm, der in die Löcher und Winkel der Gegend flog und allerlei grässliche schwarze Geistergestalten krochen bang mit ihnen in die Löcher. Es waren dies die bösen Geister, die mit diesen Käfern im Beelzebub geehrt wurden.

Am folgenden Vormittag kam Jesus vor Dion an und zwar vor dem jüdischen Teil der Stadt, der viel kleiner als die Heidenstadt ist, welche schön gebaut an einem Bergabhang liegt und mehrere Tempel hat. Die Judenstadt ist ganz getrennt. Da, wo Jesus vor der Stadt ankam, waren die Laubhütten schon größtenteils fertig, und unter einer derselben wurde Er von den Priestern und Vorgesetzten des Ortes mit Fußwaschung und Imbiss feierlich empfangen. Er wandte sich sogleich zu den vielen Kranken, welche unter den Laubhütten bis zu der Stadt lagen und standen. Die Jünger waren helfend und Ordnung haltend. Es waren Kranke aller Art: Lahme, Stumme, Blinde, Wassersüchtige, Gichtbrüchige. Er heilte und ermahnte viele. Es waren einige dabei, welche zwischen dreifüßigen Krücken aufrecht standen. Es waren Krücken, auf welchen sie lehnen konnten, ohne die Füße zu gebrauchen, fast wie Laufstühle. Zuletzt kam Er zu den kranken Frauen. Diese lagen, lehnten und saßen der Stadt näher unter einer langen Laubhütte, welche über einen terrassenförmigen Erdsitz gebaut war. Dieser Sitz war mit einem feinen, schönen von oben niederhängenden Gras belegt, welches wie sanfte, seidene Haare niederhing, und darüber waren Teppiche gebreitet. Es waren mehrere blutflüssige Frauen ganz verhüllt entfernter, und auch einige melancholische, ganz finster und braunbleich dasitzend. Jesus redete sie sehr liebevoll an und heilte sie, eine nach der anderen, und gab ihnen verschiedene Weisungen und Winke zur Besserung einzelner Fehler und Sünden und zu Genugtuungen. Er heilte und segnete auch mehrere Kinder, welche die Mütter brachten. Diese Arbeit währte bis Nachmittag und endete mit einer allgemeinen Freude. Alle Genesenen zogen lobsingend, ihre Betten und Krücken tragend und ganz heiter und froh, von ihren freudigen Verwandten, Freunden und Dienern begleitet in schöner Ordnung, wie sie geheilt worden waren, in die Stadt. Jesus mit den Jüngern und Leviten war in ihrer Mitte. Die Demut und der Ernst Jesu in solchen Fällen ist unaussprechlich. Die Kinder und Frauen zogen voraus und sangen den 40, Psalm Davids: «Heil Dem, der sich des Dürftigen annimmt,» Sie gingen zur Synagoge und dankten Gott. Dann war ein Mahl unter einer Laubhütte von Obst Vögeln, Honigwaben und geröstetem Brot. Als der Sabbat aber zu Ende ging, begaben sich alle in Trauerkleidern zur Synagoge, denn es begann der große Versöhnungstag der Juden.

Jesus hielt an diesem Tag eine Bußpredigt in der Synagoge und sprach gegen die bloß körperliche Reinigung, ohne auch die Seele zu bändigen. Es geißelten sich einzelne Juden unter ihren weiten Mänteln um die Lenden und Beine. Auch die Heiden in Dion hatten ein Fest mit erstaunlich vielen Räucherungen. Sie setzten sich auf Stühle, unter denen Rauchwerk angezündet wurde.

Ich sah auch die Feier des Versöhnungsfestes in Jerusalem, viele Reinigungen des Hohenpriesters, seine mühsamen Vorbereitungen und Enthaltungen, das Opfern, Blutsprengen und Räuchern, auch den Sühnbock und wie über zwei Böcke gelost wurde. Der eine wurde geopfert, der andere in die Wüste getrieben. Dem letzteren wurde etwas an den Schweif gebunden, worin Feuer war. In der Wüste ist er geängstigt in den Abgrund gestürzt. In diese Wüste, die über dem Ölberg hinaus beginnt, ist auch David einmal gegangen. Der Hohepriester war gewaltig betrübt und verwirrt. Er hatte gewünscht, ein anderer möchte an seiner Stelle das Amt tun und ging mit großer Angst ins Allerheiligste. Er bat das Volk sehr, für ihn zu beten. Das Volk meinte auch, er müsse eine Sünde auf sich haben, und war sehr besorgt, es möchte ihm im Allerheiligsten ein Unglück geschehen. Es drückte ihn das Gewissen, weil er Anteil an der Ermordung des Zacharias, des Vaters des Johannes, gehabt und seine Sünde wucherte in seinem Schwiegersohn, der Jesus verurteilte. Er war nicht Kaiphas, ich meine, es war sein Schwiegervater.

Im Allerheiligsten war das Heiligtum nicht mehr in der Bundeslade, nur allerlei Tüchlein und Behälter. Die Bundeslade war neu und ganz neumodisch. Die Engel waren anders, sie saßen mit drei Bahnen umgeben, einen Fuß oben und einen an den Seiten niederhängend; die Krone war noch zwischen ihnen. Es war allerlei Heiliges in der Lade, Öl und Rauchwerk. Ich erinnere mich noch, dass der Hohepriester räucherte und Blut sprengte, dass er ein Tüchlein aus dem Heiligtum nahm und sich an einem Finger verwundete oder Blut am Finger hatte, und dass er dieses mit Wasser gemischt einer Reihe von Priestern zu trinken brachte. Es war eine Art Vorbild der heiligen Kommunion. Ich sah auch, dass der Hohepriester von Gott gestraft, sehr elend und mit dem Aussatz geschlagen wurde. Es war eine große Verwirrung im Tempel. Ich habe eine ganz erschütternde Lesung im Tempel aus Jeremias gehört und dabei vieles aus dem Leben der Propheten und von dem Gräuel der Abgötterei in Israel gesehen.

So sah ich, worüber auch eine Lesung im Tempel handelte, dass Elias nach seinem Tod einen Brief an den König Joram schrieb. Die Juden wollten es nicht glauben, sondern sie legten es so aus, als habe Elisäus, der den Brief dem Joram überbrachte, ihn gehabt als einen prophetischen Brief, den Elias ihm zurückgelassen. Auch mir kam es kurios vor. Da wurde ich schnell gegen Morgen getragen und sah im Vorüberreisen den Prophetenberg mit Schnee und Eis bedeckt. Es waren aber schon Türme darauf. Es war vielleicht ein Bild, wie er zu Jorams Zeit gewesen. Ich kam dann östlicher zum Paradies und sah darin die wunderbaren, schönen Tiere wandeln und spielen und auch die schimmernden Mauern, und sah einander gegenüber Henoch und Elias unter dem Tor liegend schlafen. Elias sah im Geist alles, was in Palästina vor sich ging. Ein Engel legte eine weiße, feine Rolle und eine Rohrfeder vor ihn, er richtete sich auf und schrieb auf seinen Knien. Ich sah einen kleinen Wagen, wie einen Stuhl, über einen Hügel oder über Stufen seitwärts neben dem Tor von innen hervorkommen, der mit drei wunderschönen, weißen Tieren bespannt war. Ich sah Elias darauf steigen und wie auf einem Wetterbogen schnell nach Palästina fahren. Es war über einem Haus in Samaria, wo er still stand. Ich sah, dass Elisäus darin betete und emporsah und dass Elias den Brief vor ihm niederfallen ließ und dass dieser denselben dem König Joram brachte. Die drei Tiere vor Elias Wagen waren zwei hinten und eines vorn gespannt. Es waren unbeschreiblich liebliche, feine Tiere, ungefähr so groß wie kleine Rehe, schneeweiß, mit langen, weißen Seidenhaaren. Sie hatten sehr feine Beine, kleine, bewegliche Köpfe und auf der Stirn ein zierliches, nach vorn etwas gekrümmtes Horn, Mit eben solchen Tieren sah ich auch bei seiner Himmelfahrt den Wagen bespannt.

Auch die Geschichte des Elisäus und der Sunamitin sah ich. Er tat noch wunderbarere Dinge als Elias. Elisäus war feiner in Sitten und Kleidung, Elias war ganz ein Mensch Gottes, und nicht nach Sitte der Menschen. Er hatte etwas wie Johannes der Täufer, der von seinem Schlage war. Ich sah auch, wie des Elisäus Knecht Giezi dem Mann nachlief, den Elisäus vom Aussatz geheilt hatte (Naaman). Es war Nacht Elisäus schlief. Er holte ihn am Jordan ein und begehrte Geschenke im Namen seines Herrn von ihm.

Der Knecht arbeitete am folgenden Tag ganz ruhig, als wisse er von nichts, an Splintwänden, um SchlafsteIlen damit abzusondern, Elisäus fragte ihn: wo bist du gewesen? Und er hielt ihm alles vor, und der Knecht und seine Nachkommen wurden aussätzig.

Als mir die Abgötterei der Menschen, die Tier- und Götzenanbetung von den ersten Zeiten an und die häufige Hinwendung der Israeliten zu den Götzen und die große Barmherzigkeit Gottes durch die Propheten gezeigt wurde, und ich mich wunderte, wie die Menschen nur solchen Gräuel anbeten konnten, wurde mir in einem Bild derselbe Gräuel als noch jetzt bestehend gezeigt aber nur auf eine geistliche Weise. Ich sah nämlich unzählige Bilder durch die ganze Welt, wie Götzendienst in der Christenheit getrieben wurde, und zwar sah ich es in schier allen den Gestalten, in welchen es ehemals geschah. Ich sah Priester, welche Schlangen anbeteten neben dem Sakrament und ihre verschiedenen Leidenschaften glichen verschiedenen Figuren solcher Schlangen. Ich sah auch bei Vornehmen und Gelehrten allerlei solche Tiere, die sie anbeteten, während sie über alle Religion sich hinausdachten. Ich sah Kröten und allerlei hässlichere Tiere bei geringen, armen, versunkenen Leuten. Ich sah auch Gemeinden im Götzendienst, z, B, eine dunkle reformierte Kirche im Norden mit leerem, gräulichem Altar, über welchem Raben standen, die sie anbeteten. Sie sahen zwar nicht solche Tiere, aber sie beteten sie in ihren Eitelkeiten und aufgeblasenem Eigendünkel an. Ich sah Geistliche, welchen Möpschen, kleine Fratzen, die Blätter beim Brevierbeten umkehrten. Ja ich sah bei einigen förmliche alte Götzenbilder, wie Moloch, Baal mitten unter den Büchern auf dem Tisch stehen und herrschen, ja ihnen Bissen reichen, und sah einfältige, fromme Leute, die von ihnen verlacht und verachtet wurden.

Ich sah, dass es jetzt so gräulich ist als je und dass diese Götzenbilder nichts zufälliges hatten, sondern dass, wenn die Gottlosigkeit und Abgötterei der jetzigen Menschen auf einmal eine körperliche Gestalt und ihr Empfinden ein Handeln würde, dieselben Götzen dastehen würden.

Als Jesus Dion wieder verließ, kamen aus der Heidenstadt sehr scheu mehrere Heiden zu Ihm, die von seinen Heilungen in Gadara gehört hatten, und brachten Ihm Kinder, die Er heilte. Er bewegte die Eltern, dass sie sich zur Taufe entschlossen. Dann ging Er mit zwölf Jüngern fünf Stunden südlich und über den Bach, der aus dem Tal von Ephron niederkommt. Eine halbe Stunde mittäglich von diesem Bach liegt in einer Schlucht hinter einem Wald ganz verborgen Jogbeha, Der Ort ist klein und vergessen. Er ist durch einen Propheten und Kundschafter des Moses und Jethro entstanden, dessen Name wie Malachai klang. Er ist ein anderer als der letzte Prophet Malachias. Jethro, der Schwiegervater des Mose, hatte ihn zum Knecht. Er war sehr treu und klug, und Moses sendete ihn hier ins Land. Er ging wohl ein paar Jahre, ehe Moses hierher kam, weit im Land umher bis um den See oben und kundschaftete alles aus. Damals wohnte Jethro noch gegen das Rote Meer zu und zog erst nach seinem Kundschaften nach Arga mit der Frau des Mose und Söhnen. Dieser Malachai wurde zuletzt als Kundschafter verfolgt. Man setzte ihm nach und wollte ihn hier ermorden. Es war noch keine Stadt hier, aber es wohnten einige Leute in Zelten daselbst. Der Verfolgte sprang in einen Sumpf oder eine Zisterne, worauf ihm ein Engel erschien und half. Der Engel brachte ihm auf einem langen Streifen den Befehl, noch drei Jahre zu bleiben und zu kundschaften. Die umliegenden Zeltbewohner zogen ihm ihre Kleider an. Sie trugen rote, lange Röcke und rote Jacken. Er kam zu kundschaften auch in die Gegend von Betharamphtha. Er wohnte unter den Zeltbewohnern von Jogbeha und half den Leuten sehr auf mit seinem Geist.

In der Schlucht war ein langer ganz mit Schilf bedeckter Wassergraben und an der Stelle, wo Malachai sich verbarg, eine verstopfte Quelle, die später wieder aufzusprudeln begann und sehr viel Sand ausspülte. Manchmal kamen auch Dampf und kleine Kiesel heraus. Allmählich warf sich ein Hügel um die Quelle auf, der sich beraste. Der Sumpf wurde durch einen abgetragenen Berg verschüttet und dann darauf gebaut. So entstand um die Quelle her, die mit einem schönen Brunnenhaus bedeckt wurde, die Stadt Jogbeha, welches heißt: er wird erhöht werden. Schon in viel früherer Zeit musste die versumpfte Zisterne umbaut gewesen sein, denn es waren übermooste Mauerreste da und in diesen Löchern, wie für Fische. Es war eine Ruine wie das Fundament eines alten Zeltschlosses, Malachai lehrte die Leute hier auch, mit schwarzem Erdpech mauern.

Jesus wurde in dem versteckten Jogbeha sehr freundlich empfangen. Es wohnten hier abgesondert von den anderen Einwohnern Leute von der Sekte der Karaiten. Sie trugen lange gelbe Skapuliere, weiße Kleider und Schürzen von rauen Fellen. Die Jünglinge hatten kürzere Kleidung und die Beine umwickelt. Es sind ihrer ungefähr vierhundert Männer. Sonst waren sie stärker, haben aber viele Unterdrückung erlitten. Sie stammen von Esra her und einem Nachkommen Jethros. Einmal hatte einer ihrer Lehrer einen großen Disput gegen einen pharisäischen großen Lehrer. Sie hielten sehr streng an dem Buchstaben des Gesetzes und verwarfen alle mündlichen Zusätze, lebten sehr einfach und arm und hatten alles Vermögen gemeinsam. Keiner durfte mit Geld und Gut wegziehen, Es gab unter ihnen keinen Armen, sie ernährten einander und selbst die Auswärtigen wurden von hier aus unterstützt. Vor dem Alter hatten sie große Verehrung. Es waren auch viele sehr alte Leute hier. Die Jungen waren sehr ehrerbietig und hatten Vorgesetzte, welche sie Älteste nannten. Sie waren große Gegner der Pharisäer, welche die mündlichen Zusätze im Gesetz verteidigten, hatten aber in einigen Punkten Ähnlichkeit mit den Sadduzäern, doch nicht in den Sitten, worin sie sehr strenge waren. Es hatte einer der Ihrigen hier einmal eine Frau aus Benjamin geheiratet. Den hatten sie verwiesen. Es war zu der Zeit, als der Streit mit Benjamin war. Sie duldeten nicht das mindeste Bild, aber sie glaubten, die Seelen der Verstorbenen gehen in andere über, auch in Tiere, und belustigen sich mit den schönen Tieren im Paradies. Sie warteten auf den Messias und beteten sehr nach ihm. Aber sie erwarteten ihn als einen weltlichen König. Sie hielten Jesus für einen Propheten. Sie waren sehr reinlich, doch hielten sie nichts auf irgend eine Reinigung, das Wegwerfen von den Schüsseln und ähnliche Beschwerden, die nicht im Gesetz standen. Sie lebten genau nach dem Gesetz, aber erklärten es viel freier als die Pharisäer.

Sie lebten hier sehr still und abgesondert, duldeten keine Eitelkeit und Putz und nährten sich von geringer Arbeit. Es wµchsen Weiden hier. Sie flochten Körbe, auch Bienenkörbe. Es gab viele Bienen hier. Sie machten auch grobe Decken und leichte hölzerne Gefäße und arbeiteten zusammen unter langen Zelten, Ihre Laubhütten standen schon gerüstet vor dem Ort. Sie bewirteten Jesus mit Honig und Brot unter Asche gebacken. Jesus lehrte hier. Jesus belehrte sie in allem, und sie hörten Ihn auch sehr ehrerbietig an. Er äußerte ihnen auch den Wunsch, sie möchten in Judäa wohnen und lobte die Verehrung der Kinder gegen die Eltern, der Schüler gegen die Lehrer und die Hochachtung gegen das Alter überhaupt. Auch ihre große Aufmerksamkeit gegen die Armen und Kranken, welche sie in wohlgeordneten Häusern sehr gut pflegten.

VOM ZWEITEN LAUBHÜTTENFEST BIS ZUR ERSTEN BEKEHRUNG MAGDALENAS

1. Jesus in Ainon und Sukkoth. Maria von Suphan. Bekehrung einer Ehebrecherin

Von Jogbeha ging Jesus über Sukkoth nach Ainon. Der Weg von Sukkoth an, war etwa eine Stunde lang, sehr angenehm und durch die Lager der Karawanen und der zur Taufe Ziehenden sehr belebt. Er war jetzt mit langen Reihen von Laubhütten bedeckt, an welchen die Leute noch mit der Ausrüstung beschäftigt waren, weil mit Ausgang des Sabbats das Laubhüttenfest begann. Jesus lehrte da und dort auf dem Weg. Vor Ainon war ein schönes Zelt aufgeschlagen und Ihm ein festlicher Empfang von Maria der Suphanitin bereitet. Es waren die Angesehensten der Stadt, die Priester und Maria mit ihren Kindern und Freundinnen zugegen. Die Männer wuschen Jesus und den Jüngern die Füße und es wurde ihnen ein Trunk und Imbiss köstlicher als gewöhnlich gereicht. Die Kinder der Maria waren mit anderen Kindern dabei beschäftigt. Die Frauen warfen sich verschleiert vor Jesus auf das Angesicht. Er grüßte und segnete alle freundlich. Maria weinte immer vor Dank und Freude und lud Jesus ein, ihr Haus zu betreten. Und als Er in die Stadt ging, trugen die Kinder der Maria, zwei Mädchen und ein Knabe, und andere Kinder lange Blumengewinde mit wollenen Bändern vor, neben und hinter Ihm her.

Jesus ging in den Hof der Maria unter eine Laube mit einigen Jüngern. Sie warf sich nochmals vor Ihm nieder, weinte und dankte, und auch ihre Kinder, welche Er liebkoste. Sie erzählte, dass Dina, die Samariterin, hier gewesen und dass der Mann, mit dem sie bis jetzt gelebt, sich habe taufen lassen. Sie kannte diese Frau. Denn ihr eigener Mann mit ihren drei ehelichen Kindern lebte in Damaskus. Sie hatte mit der Samariterin das Lob Jesu recht angestimmt. Sie war voll Freude und zeigte Jesus viele köstliche Priesterkleider und eine hohe Priestermütze, welche sie für den Tempel verfertigt hatte. Denn sie war ungemein geschickt in solchen Arbeiten und hatte viel Geld und Gut. Jesus war sehr liebevoll gegen sie. Er sprach mit ihr auch von ihrem Mann, dass sie wieder mit ihm zusammenkommen und zu ihm ziehen solle, weil sie dort Nutzen schaffen könne. Ihre unehelichen Kinder sollten sonstwo untergebracht werden. Sie solle zuerst einen Boten an ihren Mann senden, dass er zu ihr komme. Jesus ging aus ihrem Haus an den Taufplatz auf den Lehrstuhl und lehrte.

Es waren auch Lazarus, Joseph von Arimathäa, Veronika, Simeons Söhne und andere jerusalemische Jünger auf diesen Sabbat hierher gereist. Andreas, Johannes und Jünger des Täufers waren noch hier. Jakobus der Kleinere aber war zurück. Der Täufer ließ Jesus abermals sagen. Er möge doch nach Jerusalem gehen und offen vor aller Welt sagen, wer Er sei. Er ist so ungeduldig, so begierig, weil er selbst Ihn nicht mehr verkündigen kann, und doch der Drang dazu so groß in ihm ist.

Als der Sabbat begann, lehrte Jesus in der Synagoge von der Erschaffung der Welt, von den Wassern und dem Sündenfall, und sehr deutlich von dem Messias. Auch aus Isaias 42. 5-43 redete Er sehr erschütternd und deutlich auf Sich und das Volk. Nach dem Sabbat war noch eine Mahlzeit im öffentlichen Festhaus, welche Maria die Suphanitin angeordnet hatte. Der Tisch und das Haus waren schön geschmückt mit Grün. Blumen und Lampen, und es waren sehr viele Gäste und auch solche da, welche Jesus geheilt hatte. Die Frauen saßen durch eine Scheidewand getrennt. Maria kam aber unter dem Mahl und stellte köstliche Würze mit ihren Kindern auf den Tisch und goss eine Flasche Wohlgeruch über sein Haupt und warf sich vor Ihm nieder. Er war sehr freundlich und erzählte Parabeln, Niemand tadelte die Frau, denn man liebte sie wegen ihrer Freigebigkeit.

Jesus heilte am Morgen darauf mehrere Kranke, lehrte in der Synagoge und auch öffentlich, wo die Heiden, welche getauft waren und die, welche die Taufe noch erwarteten, mit zuhören konnten. In der öffentlichen Lehre sprach Er von dem verlorenen Sohn so lebendig und natürlich, als wenn Er der Vater wäre, der den Sohn wiederfindet. Er streckte seine Arme aus und sagte: «Sieh! sieh! Da kehrt er zurück, wir wollen ihm ein Fest feiern!» Es war alles so natürlich, dass die Leute hin und her schauten, als sei alles wirklich da, was Jesus sagte. Bei Erwähnung des Kalbes, das der Vater dem wiedergefundenen Sohn schlachten ließ, sprach Er noch anders und geheimnisvoller.

Es war, als sagte Er: «Welche Liebe aber, wenn der himmlische Vater, um seine verlorenen Kinder zu retten, seinen eigenen Sohn als Schlachtopfer hingebe!» Es ging die Lehre besonders auf die Bußfertigen, Getauften und auf die Heiden, welche wie der zurückgekehrte, verlorene Sohn geschildert wurden. Alle Anwesenden waren voll Freude und Liebe zueinander. Es hatte diese Lehre viele Wirkungen an dem Laubhüttenfest, so dass die Heiden sehr freundlich hier bewirtet wurden. Als Jesus am Nachmittag mit den Jüngern und vielen Leuten aus Ainon zwischen Ainon und dem Jordan wandelte, wo schöne Wiesen und Blumen waren und wo die Zelte der Heiden standen, sprachen alle von dem verlorenen Sohn, waren froh und glücklich und voll Liebe zueinander.

Der Sabbatschluss fing früher als gewöhnlich an. Jesus lehrte abermals und heilte einige Kranke vorher. Nachher begab sich alles vor die Stadt, aber doch noch in ihrem Inbegriff, denn sie war sehr winklig und mit Plätzen und Gärten untermischt gebaut. Es war hier ein großes Fest in den drei Reihen der Laubhütten, die mit Blumen. Bäumen, mit allerlei Figuren von Früchten, mit Bändern und vielen Lampen geschmückt waren. In der mittleren Reihe saßen Jesus, die Jünger, die Priester und Bürger der Stadt in vielen Gesellschaften, In der einen Seitenreihe saßen die Frauen, in der anderen die Schulkinder. Knaben und Mädchen getrennt. von drei Klassen aus der ganzen Gegend. Die Lehrer saßen bei ihnen und jede Klasse hatte ihre Sänger. Es zogen auch diese Kinder mit Kränzchen geschmückt, mit Flöten und Klingelwerk und Harfen um alle die Tafeln umher, spielten und sangen. Ich sah auch, dass die Männer Palmzweige, woran kleine, rasselnde Knöpfe waren und Weiden mit schmalen Blättchen und Zweige von einem Bäumchen in der Hand hatten, das man bei uns in Töpfen zieht. Es war Myrthe. In der anderen Hand hatten sie die schönen, gelben Esrog-Äpfel. Sie schüttelten die Zweige und sangen dabei. Sie taten dies am Anfang. in der Mitte und am Ende des Festes. Diese Frucht wächst nicht in Palästina selbst, sie ist aus einem heißeren Land. Sie steht zwar hie und da in sonnigen Gegenden in Palästina, aber sie wird nicht so stark und reif. Sie erhalten sie durch Karawanen aus heißeren Gegenden. Es ist eine gelbe Frucht, wie eine kleine Melone, hat oben eine kleine Krone, ist etwas platt und hat Rippen. In der Mitte ist das Fleisch mit rötlichen Streifen durchzogen und darin sitzen fünf kleine Kerne dicht beisammen, aber ohne Samenhäuschen. Der Stiel ist etwas gekrümmt, die Blüte ist ein weißer, großer Strauß, wie bei uns der Flieder. Die Zweige senken unter den großen Blättern wieder Wurzeln in die Erde, woraus neue Bäume aufschießen, sodass sie Lauben bilden. Die Früchte sitzen zwischen den Blättern.

Die Heiden hatten an diesem Fest auch teil. Sie hatten auch ihre Laubhütten und zwar die Getauften näher bei den jüdischen. Sie wurden freundlich von den Juden bewirtet. Alles war noch voll Rührung von der Lehre vom verlorenen Sohn. Das Mahl dauerte bis spät in die Nacht. Jesus ging hin und wieder den Tischen entlang, lehrte und ließ wo etwas mangelte durch die Jünger hinbringen. Es war ein wunderbar freudiges Geschwirr über die Gegend verbreitet, von Gebet und Gesang unterbrochen. Die ganze Gegend war von Lichtern schimmernd. Auch auf den Dächern in Ainon waren Hütten und Lauben, wo die Leute nachts schliefen. In den Laubhütten vor der Stadt schliefen viele geringere Leute und Diener als Wächter, nachdem das Fest aus war und alles zur Ruhe zog.

Von Ainon ging Jesus auch nach dem nahen Sukkoth zurück, von den Jüngern und vielen Leuten begleitet. Der größte Teil des Weges war mit Laubhütten und Zelten bedeckt, denn viele aus der Gegend feierten hier das Fest und die stets hier durchziehenden Karawanen lagen während desselben still. Es war der ganze Weg wie eine Luststraße. Die Speisebehälter hinter den Lauben waren mit Zelten überspannt. Die Leute konnten auch etwas um Geld haben. Auf diesem Weg brachte Jesus mehrere Stunden zu, denn Er wurde überall begrüßt und stand hie und da stille und lehrte, so dass Er erst gegen Abend nach Sukkoth in die Synagoge kam. Sukkoth am nördlichen Ufer des Jabok war eine schöne Stadt und es war eine sehr schöne Synagoge da. Es wurde heute hier ein anderes Fest außer dem Laubhüttenfest zum Gedächtnis der Versöhnung zwischen Esau und Jakob gefeiert. Sie waren den ganzen Tag damit beschäftigt. Es waren Leute aus der ganzen Gegend hier. In Ainon waren unter den Schulkindern auch viele von den Waisenkindern aus der Schule in Abelmehola gewesen, die nun heute nach Sukkoth kamen. Es war der wirkliche Gedächtnistag von Jakobs und Esaus Versöhnung, welche nach der Überlieferung der Juden am heutigen Tag geschehen war.

Die Synagoge, eine der schönsten, die ich je gesehen, war heute durch den großen Festschmuck von unzähligen Kränzen, Laubgewinden und schönen blinkenden Lampen noch viel prächtiger. Sie hat acht Säulen und ist hoch. An beiden Seiten des Gebäudes laufen Gänge hin, welche zu langen Gebäuden führen, in denen Wohnungen der Leviten und Schulen sind. Ein Teil der Synagoge ist erhöht und hier steht vorn gegen die Mitte eine geschmückte Säule mit Gefächern und Brüstungen umher, worin Gesetzrollen bewahrt werden. Hinter diesem Gerüst steht ein Tisch, an welchen man durch einen Vorhang einen abgesonderten Raum bilden kann. Ein paar Schritte weiter zurück befindet sich eine Reihe von Sitzen der Priester und in der Mitte ein etwas erhöhter Sitz für den Lehrenden. Hinter diesen Sitzen steht ein Rauchaltar, über welchem oben in der Decke eine Öffnung ist und hinter diesem Altar am Ende des Gebäudes stehen Tische, worauf die Gaben gestellt werden. Unten in der Mitte der Synagoge stehen die Männer nach ihren Klassen, links etwas erhöht ist der Ort der Frauen abgegittert und rechts ist die Stelle der Schulkinder nach ihren Klassen und ihrem Geschlecht ebenso.

Es war heute das ganze Fest ein Fest der Aussöhnung mit Gott und den Menschen und es war ein Sündenbekenntnis, ein öffentliches oder auch privates dabei, wie jeder wollte. Alle gingen um den Rauchaltar und opferten Gaben zur Aussöhnung, erhielten auch eine Buße und taten freiwillige Gelübde. Es hatte viel ähnliches mit unserer Beichte. Der Priester auf dem Lehrstuhl lehrte von Jakob und Esau, welche sich heute mit Gott und untereinander ausgesöhnt und auch wie Laban und Jakob sich ausgesöhnt und wie sie geopfert und ermahnte sie zur Buße. Viele Anwesende waren durch die Lehre des Johannes früher und die Lehre Jesu vor einigen Tagen sehr gerührt und hatten nur auf diesen feierlichen Tag gewartet. Die Männer, welche ihr Gewissen beschwert fühlten, gingen durch das Gitter bei dem Gesetzstuhl und hinter dem Altar herum und stellten ihr Opfer auf die Tische, welches ein Priester empfing. Dann traten sie vor die Priester hinter dem Gesetzeskasten und bekannten entweder öffentlich vor ihnen ihre Sünden oder begehrten einen der Priester, welchen sie wollten. Der trat dann mit ihnen hinter den Vorhang an dem Tisch und sie bekannten ihm heimlich und er legte ihnen eine Buße auf. Es wurde dabei Rauchwerk auf den Altar gestreut und der Rauch musste auf eine gewisse Weise wolkend oben hinausziehen, wobei die Leute an solchen Zeichen zu erkennen glaubten, ob die Reue des Sünders gut und ob die Sünden vergeben seien. Währenddessen sangen und beteten die übrigen Juden. Die Sünder legten eine Art Glaubensbekenntnis ab, vom Gesetz und ihrem Bleiben bei Israel und dem Allerheiligsten. Dann warfen sie sich zur Erde und bekannten, worin sie gefehlt hatten, oft mit Tränen. Die büßenden Frauen kamen zun Männern. Ihre Opfer wurden von den Priestern empfangen und sie ließen den Priester hinter ein Gitter rufen, wo sie bekannten.

Die Juden klagten sich allerlei Verletzungen ihrer Gebräuche und auch der Sünden gegen die zehn Gebote an. Sie hatten aber auch etwas Seltsames in ihrem Bekenntnis, was ich nicht recht wieder zu erzählen weiß. Sie klagten sich darin der Sünden ihrer Voreltern an und sprachen von einer sündigen Seele derselben, die sie von ihnen empfangen hätten und von einer heiligen Seele, die sie von Gott hätten und es war ganz als sprächen sie von zwei Seelen. Die Lehrer sagten auch etwas davon. Es war so ein Gerede, als sprächen sie: «ihre sündige Seele bleibe nicht in uns und unsere heilige Seele bleibe in uns.» Es war ein Gerede von einem Durcheinander und Ineinander und Auseinander sündiger und heiliger Seelen, das ich nicht mehr recht weiß. Jesus aber lehrte nachher anders davon und sagte dabei, das solle nicht mehr so sein, ihre sündigen Seelen sollten nicht mehr in uns sein und es war eine rührende Lehre, denn sie deutete darauf, dass Er für alle Seelen genugtun werde. Sie klagten sich also der Sünden ihrer Eltern an und es war, als wüssten sie, dass durch sie allerlei Übel über sie kämen und als glaubten sie, durch sie in der Sündengewohnheit noch selber zu sein.

Jesus war erst später, da die Bußßandacht schon im Gang war, gekommen. Er wurde vor der Synagoge empfangen und stand anfangs an der einen Seite oben bei den Lehrern, während ein Anderer lehrte. Es war etwa fünf Uhr als Er kam. Die Opfer der Büßenden bestanden in allerlei Früchten und auch in Münzen und Kleidungsstücken für die Priester, auch Stoffen. seidenen Quasten und Knoten, in Gürteln usw und hauptsächlich in Rauchwerk, wovon etwas verbrannt wurde.

Nun sah ich ein rührendes Schauspiel. Während der Sündenbekenntnisse und Opfer der Büßenden sah ich eine vornehme Frau in dem vergitterten Stuhl, den sie für sich allein zunächst an dem abgesperrten Bußplatz hatte, sehr unruhig und bewegt. Ihre Magd war bei ihr und hatte ihre Opfergaben in einem Korb neben sich auf einem Schemel stehen. Sie konnte gar nicht erwarten, dass sie an die Reihe komme und da sie endlich ihre Betrübnis und Begierde nach Versöhnung nicht mehr aushalten konnte, trat sie und ihre Magd mit dem Opfer vor ihr her, verschleiert durch das Gitter gegen die Priester hin an einen Ort, wo die Frauen gar nicht hinzukommen pflegten. Die dort stehenden Aufseher wollten sie zurückdrängen, aber die Magd ließ sich nicht halten. Sie drängte sich durch und rief: «Platz! Macht Platz für meine Herrin! Sie will opfern, sie will büßen. Platz für sie! Sie will ihre Seele reinigen!» So drang die Frau ganz bewegt und ganz zerknirscht vor die Priester, welche ihr teils entgegentraten und flehte, auf ihren Knien liegend, um Versöhnung. Sie wiesen sie aber zurück. Sie gehöre nicht hierher. Jedoch ein junger Priester nahm sie bei der Hand und sagte: «Ich will dich aussöhnen. Gehört dein Leib nicht hierher, so gehört deine Seele doch hierher, weil du büßest!» Er wandte sich mit ihr gegen Jesus und sagte: «Rabbi, entscheide Du!» Da warf sich die Frau vor Jesus auf das Angesicht und Er sprach: «Ja ihre Seele gehört hierher, lasse das Menschenkind büßen!» Und der Priester trat mit ihr in das Zelt. Da sie wieder hervortrat, warf sie sich unter Tränen an die Erde platt hin und sprach: «Wischt eure Füße an mir ab, denn ich bin eine Ehebrecherin» und die Priester berührten sie mit den Füßen. Es wurde ihr Mann herzugerufen, der nichts davon wusste. Aber er wurde durch Jesu Reden, der jetzt auf dem Lehrstuhl stand, sehr gerührt. Er weinte und seine Frau verhüllt an der Erde vor ihm liegend bekannte ihre Schuld und war mehr sterbend in Tränen als lebend. Jesus sprach zu ihr: «Deine Sünden sind dir vergeben. Stehe auf du Kind Gottes!» und der Mann war tief erschüttert und reichte seiner Frau die Hand. Ihre Hände wurden sodann mit dem Schleier der Frau und des Mannes schmaler langer HaIshülle zusammengebunden und nach einem Segen gelöst. Es war wie eine neue Trauung. Die Frau war nach ihrer Aussöhnung ganz wie berauscht vor Freude. Sie rief schon früher, als sie die Opfer hinreichte: «Betet, betet, räuchert, opfert, dass mir meine Sünden vergeben werden!» Und nun stammelte und rief sie allerlei PsalmensteIlen aus und wurde von dem Priester nach ihrem Gitterstuhl zurückgebracht.

Ihr Opfer bestand in vielen der kostbaren Früchten, welche am Laubhüttenfest gebraucht werden. Sie waren kunstvoll aufeinander gelegt, so dass sie sich nicht drückten. Sie opferte auch Borden, seidene Troddeln und Quasten für Priesterkleider. Verbrennen aber ließ sie mehrere schöne, seidene Kleider, in denen sie vor ihrem Buhlen Eitelkeit getrieben. Sie war eine große, mächtige, schöngewachsene Frau und von einem lebendigen feurigen Geist. Wegen ihrer großen Reue und ihres freiwilligen Bekenntnisses wurde ihr die Schuld erlassen und ihr Mann söhnte sich herzlich mit ihr aus. Sie hatte keine Kinder aus dem Ehebruch. Sie selbst hatte das Verhältnis abgebrochen und den Buhler auch zur Buße gebracht. Sie brauchte ihn nicht vor den Priestern zu nennen. Ihr Mann sollte ihn auch nicht kennen und es wurde ihm verboten, nach ihm zu fragen, ihr, ihn zu nennen. Der Mann war fromm und vergaß und verzieh von Herzen. Das Volk hatte zwar die näheren Umstände nicht vernommen, sah jedoch die Störung und dass etwas Besonderes vorgehe und hörte den Ruf zu Gebet und Opfer der Frau. Alle beteten herzlich und freuten sich über die, welche Buße getan. Es waren sehr gute Leute an diesem Ort, wie überhaupt auf der ganzen Morgenseite des Jordan. Sie hatten viel mehr von den Sitten der Altväter.

Jesus lehrte noch sehr schön und rührend. Ich entsinne mich deutlich, dass Er über die Sünden der Vorfahren und unseren Teil an denselben sprach und einiges in ihren Begriffen darüber berichtigte. Er bediente sich einmal des Ausdrucks: «Eure Väter haben Weinbeeren gegessen und euch sind die Zähne davon stumpf geworden.»

Die Schullehrer wurden auch über die Fehler ihrer Schulkinder gefragt und diese ermahnt. So sie sich selbst anklagten und Reue hatten, wurde ihnen vergeben.

Es waren aber viele Kranke vor der Synagoge und wenn es gleich am Laubhüttenfest nicht gewöhnlich war, die Kranken heranzulassen, so ließ sie Jesus doch in die Gänge zwischen der Synagoge und den Lehrerwohnungen durch die Jünger bringen und ging am Schluss des Festes, da schon längst die ganze Synagoge von Lampen schimmerte, in die Gänge und heilte viele Kranke. Als Er aber in diese Gänge trat, sendete die ausgesöhnte Frau zu Ihm und bat, einige Worte mit Ihm zu reden. Jesus ging zu ihr und trat mit ihr abseits. Da warf sie sich vor Ihm nieder und sprach: «Meister! der Mann, mit dem ich gesündigt habe, fleht Dich an, dass Du ihn versöhnst.» Jesus sagte ihr, dass Er nach dem Mahl an diesem Ort mit ihm sprechen wolle.

Nach der Heilung der Kranken war eine Laubhüttenmahlzeit an einem freien Platz des Ortes. Jesus, die Jünger, die Leviten und Vornehmeren des Ortes saßen in einer großen schönen Laube, die anderen Lauben waren umher. Die Frauen und Männer waren getrennt. Es wurden auch die Armen gespeist. Jeder sendete vom Besten seines Tisches zu ihnen. Jesus ging von Tisch zu Tisch, auch zum Tisch der Frauen. Die Versöhnte war voll Freude und alle ihre Freundinnen waren freudig um sie her und wünschten ihr von Herzen Glück. Als Jesus so umherging, war sie sehr beunruhigt, sah immer nach Ihm hin und dachte, wenn Er nur nicht versäumt, die Buße des Mannes anzunehmen, der auf Ihn wartet. Sie wusste, dass jener schon an der Stelle harrte. Jesus nahte ihr und beruhigte sie. Er wisse ihre Sorge, es werde alles zu seiner Zeit geschehen. Als darauf die Gäste auseinandergingen, begab sich Jesus zu seiner Wohnung an der Synagoge. Der Mann harrte in den Gängen bei der Synagoge und warf sich vor Jesus nieder und bekannte seine Schuld. Jesus ermahnte ihn, nicht wieder zu fallen und legte ihm eine Buße auf. Er musste den Priestern eine gewisse Zeit lang wöchentlich etwas entrichten zu einem milden Zwecke. Er hatte nicht öffentlich geopfert, sondern sich ganz in Reue und Tränen zurückgehalten.

Als Jesus von Sukkoth wieder nach Ainon zurückkehrte, lehrte Er auf dem Taufplatz, heilte Kranke und ging auch zu den Heiden. Es wurden einige kleine Haufen getauft. Es war hier noch dieselbe Einrichtung, die Johannes bei seinem ersten Taufen am Jordan bei On gehabt hatte, ein Zelt und ein Taufstein. Die Leute lehnten sich auf ein Geländer, das Haupt über den Taufbrunnen haltend. Jesus empfing bei vielen das Sündenbekenntnis und sprach sie los. Auch hatte Er einigen älteren Jüngern z. B. dem Andreas diese Gewalt gegeben. Johannes der Evangelist taufte jetzt nicht. Er war Zeuge und Pate.

Bevor Jesus Ainon mit seinen Jüngern wieder verließ, redete Er noch mit Maria der Suphanitin in ihrem Haus und ermahnte sie. Diese Frau ist jetzt in ihrem Innern ganz verwandelt, voll Liebe, Eifer, Demut und Dank und beschäftigt sich nur mit den Kranken und Armen. Jesus hatte, da Er nach ihrer Heilung über Ramoth nach Basan ging, einen Jünger nach Bethanien gesendet, um die heiligen Frauen von ihrer Heilung und Versöhnung zu benachrichtigen. Veronika, Johanna Chusa und Martha waren unterdessen hier bei ihr gewesen.

Jesus wurde vor seiner Abreise von Maria und vielen anderen Leuten noch reichlich beschenkt. Alles wurde auf einen Haufen gelegt und sogleich an die Armen verteilt. Bei seinem Auszug aus der Stadt waren Lauben und Gewinde gespannt, wo Er durchging. Alles begrüßte und lobsang Ihm und vor der Stadt wurden Ihm von Frauen und Kindern Kränze gereicht. Es war dies Sitte am Laubhüttenfest. Es zogen auch viele Leute aus Ainon mit. Der Weg ging zwei Stunden diesseits im Jordanstal südlich. Dann führte er über den Jordan, wandte sich abendlich etwa eine halbe Stunde, dann wieder südlich zu der Stadt Akrabis, welche an einem Bergrücken hinan liegt.

2. Jesus in Akrabis. Silo und Koreä

Jesus wurde sehr feierlich vor Akrabis empfangen, wo man von seiner Ankunft wusste. Die Laubhütten waren vor der Stadt ringsum aufgeschlagen. In einer großen schönen Laube wurden Ihm die Füße gewaschen und der Imbiss gereicht. Akrabis ist ein ziemlich großer Ort etwa zwei Stunden vom Jordan gelegen. Es hat fünf Tore und es geht die Straße von Samaria nach Jericho durch. Alles von dort nach dieser Gegend des Jordan muss hier durch und darum ist Nahrung hier. Vor dem Tore, an dem Jesus ankam. waren Herbergen für die Karawanen. Vor jedem der fünf Tore waren Laubhütten. Jeder Teil der Stadt hatte die Laubhütten vor seinem nächsten Tore.

Jesus ging am folgenden Tag rund um die Stadt und besuchte die Laubhütten und lehrte hier und dort. Die Leute hatten allerlei Gebräuche. So aßen sie z. B. morgens einen Bissen und legten das andere für die Armen zurück. Ihre Arbeiten unter Tags waren von Gesängen und Gebeten unterbrochen und es wurden Lehren von den Vorstehern gehalten. Diese hielt nun Jesu. Wenn Er kam und ging empfingen und begleiteten Ihn Knaben und Mägdlein, welche Blumengewinde um Ihn trugen. Es war dieses Sitte und mit solchen Kränzen zogen auch die einzelnen Torgemeinden zu den andern, um einer Lehre oder einem Mahl beizuwohnen.

Die Frauen hatten mancherlei Verrichtungen in den Laubhütten. Viele saßen an langen Bahnen von Stoff und stickten Blumen, andere machten Sohlen aus braunen groben Ziegen- und Kamelhaaren. Sie hatten die Arbeit am Gürtel befestigt, wie eine Strickerei. Unter die Sohlen kamen hinten und vorne Absätze, auch Stacheln, um besser auf die Berge zu klettern. Das Volk empfing Jesus ganz gut. Die Lehrer waren aber nicht so treuherzig, wie die zu Ainon und Sukkoth. Sie waren zwar höflich, aber etwas zurückhaltend.

Von Akrabis ging Jesus nach Silo, das etwas südwestlich in gerader Linie nur eine Stunde von Akrabis entfernt ist. Der Weg ist aber, da man zuerst in ein Tal nieder und dann wieder einen Berg hinauf muss, wohl gut zwei Stunden. Auch in Silo waren die Leute in den Laubhütten vor den Toren. Sie wussten von Jesu Ankunft und warteten auf Ihn. Sie sahen Ihn mit seiner Begleitung heraufsteigen. Und da Er nicht zum Tor von Akrabis nahte, sondern um die Stadt mehr nordwestlich herum zum Tore von Samaria ging, ließen sie es dorthin melden. Sie empfingen Ihn dort in den Laubhütten, wuschen Ihm die Füße und reichten den Imbiss. Jesus begab sich sogleich auf die Höhe in der Stadt, wo einstmals die Stiftshütte gestanden und lehrte im Freien auf einem schönen steinernen Lehrstuhl. Auch hier oben waren Laubhütten und Herbergen, wo alles für die Laubhütten gemeinsam gekocht wurde. Es bereiteten Männer die Speise. Sie schienen mir keine rechten Juden, sondern Sklaven.

Am Tage darauf war ein besonderer Festtag in dem Fest. Ich weiß nicht, ob dies hier örtliche Sitte war. Es durfte ein Lehrer auf dem Lehrstuhl ohne den mindesten Widerspruch eine Strafrede halten. Und Jesus war hauptsächlich hierher gekommen, um diese Lehre zu halten. Alle Juden, Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen und Kinder zogen von allen Laubhütten in Prozession, mit Laubgewinden zwischen jeder Abteilung und Klasse, herauf. Der Lehrstuhl war mit Zelten und Laub überspannt und es war eine Terrasse umher. Jesus lehrte bis gegen Mittag. Er sprach von der Barmherzigkeit Gottes mit seinem Volk, von dessen Verfall und Schändlichkeit, von allen Strafgerichten über Jerusalem, von den Zerstörungen des Tempels und von der jetzigen letzten Zeit der Gnade und dass die Juden, wenn sie die Gnade auch jetzt nicht annehmen würden, keine Gnade als Volk mehr haben sollten bis zum Jüngsten Tage - dass über Jerusalem eine viel größere Zerstörung kommen solle, als die früheren gewesen. Es war eine ganz erschütternde Lehre. Alle hörten still und erschrocken zu: denn Jesus berührte sehr deutlich, dass Er es sei, der Heil bringe, indem Er alle Weissagungen auf diese Zeit auslegte. Die hiesigen Pharisäer, welche nicht viel wert waren und Ihn gleich denen zu Akrabis mit äußerlicher Ehrerbietung empfangen hatten, schwiegen mit Verwunderung und Erbitterung. Das Volk aber jubelte und lobsang. Auch von den Schriftgelehrten, ihren Verdrehungen, falschen Erklärungen und Zusätzen hatte Jesus gesprochen.

Am Abend war ein öffentliches Mahl in den Laubhütten auf der Höhe. Jesus aber ging hinab zu den Laubhütten des Volkes und tröstete und lehrte. Da, wo die Pharisäer nicht lauerten, kamen viele Menschen zu Ihm, warfen sich vor Ihm nieder, ehrten Ihn und klagten ihre Not und Sünde. Er tröstete sie und gab ihnen Rat. Dies war ungemein rührend in der Nacht zwischen den schimmernden Laubhütten zu sehen. Man sah keine Lichter. Die Lampen waren wegen des Luftzuges verschirmt, aber der gelbe Schein lag über dem Grün und den Früchten und den Menschen ganz wunderbar. Man konnte von der Höhe von Silo auf viele Orte umher sehen und sah überall den Schimmer des Laubhüttenfestes und hörte die Gesänge von nah und fern. Jesus heilte hier nicht. Die Pharisäer hielten die Kranken zurück und überhaupt scheute sich das Volk hier. In Akrabis und hier war die Stimmung der Pharisäer, als sie von Jesu Annäherung vernahmen: «Nun was will Der wieder Neues bringen? Was hat Er hier wieder vor?»

Von Silo ging Jesus südöstlich ein und eine halbe Stunde abwärts nach Koreä, einem Ort, auf den man von Silo hinabsehen konnte. Er hatte keine Mauern oder Wälle. Vor der Stadt kamen Jesus die Pharisäer von Koreä entgegen und brachten einen blindgeborenen erwachsenen Einwohner der Stadt, mit welchem sie Jesus in Versuchung zu führen dachten. Dieser Blinde hatte über seinen Kleidern um die Schultern ein breites Tuch, wie ein Leintuch, das auch seinen Kopf verhüllte. Er war ein schöner und großer Mann. Als Jesus nahte, wandte der Blinde sich gegen Ihn, worüber alle erstaunten. Er warf sich vor Ihm nieder. Jesus aber hob ihn auf und fragte ihn über seine Religion, die zehn Gebote, das Gesetz, die Prophezeiungen. Der Blinde sprach über alle Erwartung weise, ja es war, als prophezeie er. Er sprach auch von den Verfolgungen Jesu, dass Er noch nicht nach Jerusalem gehen solle, weil man Ihn töten wolle. Alle Anwesenden waren erschreckt. Es hatten sich viele Leute umher gesammelt. Jesus fragte ihn, ob er die Laubhütten Israels, die Berge, den Jordan und seine Eltern und Freunde, den Tempel, die heilige Stadt und Ihn Jesus, der vor ihm stehe, zu sehen wünsche? Der Blinde aber sagte, dass er Ihn sehe und beschrieb seine Gestalt und Kleidung und dass er Ihn gesehen, da Er genaht sei. Ja! Er verlange alles zu sehen und wisse, dass Jesus ihn sehend machen könne, so Er wolle. Jesus legte hierauf die Hand an seine Stirne, betete und zeichnete ihm mit dem Daumen ein Kreuz auf die geschlossenen Augenlider und schob sie mit dem Daumen öffnend in die Höhe. Da warf der Blinde die breite Hülle von Haupt und Schulter, sah staunend und freudig umher und sprach: «Groß sind die Werke des Allmächtigen», warf sich vor Jesus nieder, der ihn segnete. Die Pharisäer schwiegen, die Verwandten des Blinden nahmen ihn in ihre Mitte, viele vom Volke stimmten Psalmen an und der Blinde sprach und sang stets in einer Art Prophezeiung von Jesus und der Erfüllung der Verheißung. Jesus aber begab sich in die Stadt und heilte noch viele Kranke und Blinde, welche zwischen den Häusern und den Wällen der Stadt wohnten. Vor der Stadt in den Laubhütten hatte Er einen Imbiss und Fußwaschung erhalten. Der Blinde sprach in seiner prophetischen Begeisterung auch den ganzen Weg, den Jesus gekommen, aus, sprach vom Jordan, vom Heiligen Geist, der über Ihn gekommen und von der Stimme aus dem Himmel.

Am Abend lehrte Jesus zum Sabbat in der Synagoge vom Geschlecht Noes, dem Bau der Arche, von der Berufung Abrahams und aus Isaias die Stellen, wo vom Bund Gottes mit Noe und vom Regenbogen Erwähnung geschieht (Jes. 54 und 55). Dabei sah ich alles ganz deutlich, was Er lehrte, das ganze Leben und alle Geschlechter der Altväter, die sich abtrennenden Nebenzweige und wie das Heidentum durch diese aufkam.

Wenn ich das sehe, ist alles klar und ordentlich. Aber aus dem Gesicht in das gewöhnliche Leben zurückkehrend, werde ich traurig über diese Abirrungen und kann sie nicht begreifen. Jesus sprach auch über Missverstehen der Schrift und falsche Rechnung in den Zeiten. Er rechnete ganz einfach und erklärte, wie alles in der Schrift richtig angegeben sei. Ich kann auch gar nicht begreifen, wie man in alles das solche Verwirrung gebracht und alles so vergessen hat.

Ein Teil der Stadt Koreä liegt oben auf einer Bergterrasse, der andere, mit diesem durch eine schmale Häuserreihe verbunden, in einer östlicher liegenden Bergschlucht. Es sind von Silo Pharisäer und viele Kranke mit hierher gezogen. Wenngleich Koreä ein wenig abendlicher liegt als Akrabis, so ist es doch näher am Jordan, denn er wendet sich hier herüber. Der Ort ist nicht sehr groß und die Einwohner sind nicht reich. Sie machen geringe Flechtarbeiten, Bienenkörbe, große Bahnen von Strohmatten, feinere und gröbere. Das Stroh oder Schilf wird ausgesucht und gebleicht. Auch machen sie von Strohmatten ganze Wände, um Schlafräume abzusondern. Es liegen in der Nähe hier noch viele Orte. Die Berge hier in der Gegend sind steil und zerrissen. Gegenüber von Akrabis jenseits des Jordans ist die Gegend, durch welche Jesus das vorige Jahr am Laubhüttenfest in einem Tal nach Dibon gegangen ist.

Jesus lehrte am Morgen in der Synagoge und während die Juden ihren Sabbatsweg machten, heilte Er viele Kranke, welche in eine große Halle bei der Synagoge gebracht worden waren. Nach Sabbatschluss hatte Er bei der Mahlzeit in den Laubhütten einen Disput mit den Pharisäern. Es war die Rede von dem Prophezeien des geheilten Blindgeborenen. Sie sprachen davon, dass er früher schon manches gesagt habe, was nicht eingetroffen sei. Jesus sagte, dass er damals den Geist Gottes nicht gehabt habe. Im Verlauf des Gesprächs kamen sie auf Ezechiel, als habe auch er früher von Jerusalem nicht recht prophezeit. Jesus erwiderte, dass der Geist Gottes erst in BabyIon am Fluß Chobar über ihn gekommen sei, da er etwas verschlingen musste und Er brachte die Pharisäer endlich zum Schweigen.

Der geheilte Blinde ging in der Stadt umher, lobte Gott, sang Psalmen und prophezeite. Er war schon gestern gleich in die Synagoge gegangen, hatte einen breiten Gürtel umgelegt und ein Gelübde als Nasiräer getan. Ein Priester hatte ihn dazu eingeweiht. Ich glaube, dass dieser Mann zu den Jüngern kommen wird.

Jesus war auch bei den Eltern des geheilten Blinden, der Ihn darum gebeten und hingeführt hat. Es sind Essener von jenen, welche in der Ehe leben. Sie sind mit Zacharias weitläufig verwandt und haben Anteil mit der Essener-Versammlung in Maspha. Sie haben noch einige Söhne und Töchter. Der Geheilte ist der Jüngste. Sie wohnen in einem abgesonderten Teil der Stadt und in ihrer Nachbarschaft sind noch mehrere mit ihnen verwandte Essener Familien, welche am Abhang abgesonderte schöne Felder haben und nur Weizen und Gerste bauen. Sie behalten nur den dritten Teil des Ertrages, einen Teil bekommen die Armen und einen die Gemeinde in Maspha. Diese Essener kamen Jesus freundlich entgegen und empfingen Ihn vor ihren Wohnungen. Der Vater des Geheilten gab Ihm seinen Sohn und bat, ihn als den geringsten Diener und Boten seiner Jünger zu gebrauchen, dass er vor Ihm herlaufe und die Herbergen bestelle. Jesus nahm ihn an und sendete ihn sogleich mit Silas und einem der Jünger von Hebron nach Bethanien. Ich glaube, Er will Lazarus eine Freude durch diesen Geheilten machen, der ihn als einen Blindgeborenen kannte. Der Vater des Jünglings hatte einen Namen, wie Syrus, Sirius, Cyrus, wie ein König zur Zeit der Gefangenschaft der Juden. Der Name des Sohnes war Manahem. Er hatte immer einen Gürtel unter seinem Gewand getragen. Als er aber sehend geworden, legte er ihn über sein Gewand und tat ein förmliches Gelübde auf eine Zeit. Er hatte die Prophetengabe und war als blind immer bei den Lehren des Johannes gesessen und hatte die Taufe empfangen. Er hatte auch in Koreä oft viele Jünglinge um sich versammelt, die er lehrte, und denen er begeistert von Jesus prophezeite. Seine Eltern hatten ihn lieb wegen seiner Frömmigkeit und seines Eifers und er erschien sehr reinlich gekleidet. Als Jesus ihn heilte, sagte Er: «Ich gebe dir ein doppeltes Licht, des äußeren und inneren Gesichtes.» Die Pharisäer des Ortes behandelten ihn spöttelnd wegen seiner Prophezeiungen, welche sie dunkle Träumereien nannten und behaupteten, er sei eitel wegen seiner zierlichen Kleidung. Sie brachten ihn selbst Jesus entgegen, weil sie fest überzeugt waren, Er werde ihm nicht helfen können, denn man hatte nie das Schwarze in seinen Augen gesehen. Und nun, da er geheilt war, sprachen manche schlechte Leute: «Er ist gar nicht blind gewesen. Er ist ein Essener und hat vielleicht nur ein Gelübde gemacht, sich blind zu stellen.»

Die Pharisäer, welche von Ezechiel mit Jesus gesprochen hatten, verachteten diesen Propheten: er sei ein Knecht Jeremias und habe in der Propheten-Schule sehr verkehrte dunkle Träume gehabt, aber es sei alles ganz anders ausgefallen. Manahem hatte auch von Melchisedech. Malachias und Jesus sehr tiefsinnig prophezeit.

3. Jesus in Ophra, Salem und Aruma

Eine Stunde von Koreä zwischen Mittag und Abend liegt in einer Bergtiefe versteckt der Ort Ophra. Von Silo ist er südlich etwa eine Stunde entfernt. Von Koreä muss man anfangs etwas hinan, dann aber hinab nach Ophra steigen. Höchstens anderthalb Stunden von Koreä gegen Abend liegt am Rande des großen Feldes, welches von Koreä sich an der Nordseite der Wüste einige Stunden bis Bethoron gegen Abend erstreckt, die Bergfestung Alexandrium, zum Berg Garizim nordwestlich und südlich und westlich auf das oben genannte Feld und die Gebirge in Benjamin schauend. Durch dieses Feld ist Maria oft gezogen. Es wohnen viel einzelne Hirten drin und die Stadt Bethel liegt an demselben.

Durch Ophra gehen drei Straßen und von Hebron her ziehen viele Karawanen hier durch. Der ganze Ort besteht aus Wirtshäusern und Handelshäusern. Die Leute sind etwas roh und geldgierig. Jesu Jünger waren schon voriges Jahr einmal hier und die Leute haben sich seitdem etwas gebessert. Als Jesus hierher kam, waren die Männer des Ortes an beiden Seiten des Weges in den Weinbergen beschäftigt, Trauben zu sammeln, denn es trat am Abend noch ein Fest ein. In den Laubhütten sah ich niemand mehr, wohl aber sah ich die Kinder, die Jünglinge, die Mägdlein in Prozessionen mit Fahnen durch die Hütten ziehen. Auch die Priester hatten ihre Verrichtung. Es wurden alle Gebetsrollen und heiligen Sachen aus den Lauben in die Synagoge getragen und auf jeden Stuhl eine Rolle gelegt. Die Frauen sah ich in den Häusern in ihren Feierkleidern sitzen und in Rollen beten.

Jesus wurde von den Männern vor dem Tor gesehen. Sie gingen zu Ihm und brachten Ihn in die Stadt. Man wusch Ihm die Füße und Er nahm einen Imbiss an der Herberge bei der Synagoge, begab sich dann in mehrere Häuser, wo Er Kranke heilte und lehrte. Am Abend wurde in der Schule die Gesetzrolle herumgetragen, und jeder las daraus. Dann war eine Mahlzeit im Festhaus, wobei Lämmer auf dem Tisch waren. Auch haben sie die Äpfel Esrog gegessen, die man am Fest gebraucht hatte. Die Äpfel waren mit etwas zugerichtet. Jeder war in fünf Teile geteilt und diese waren wieder mit einem roten Faden zu einem Ganzen zusammengebunden. Fünf Leute aßen immer an einem Apfel. Die Speisen wurden von Sabbatsdienern, einer Art Sklaven, die keine Juden waren, zugerichtet,

Am folgenden Morgen ging Jesus von Haus zu Haus, um die Leute von der Erwerbbegierde und Habsucht abzumahnen und zur Lehre in der Synagoge einzuladen. Er sagte ihnen allen eine Art Glückwunsch zum Festschluss. Die Leute waren hier so wucherisch und roh, dass man sie wie die Zöllner hielt. Sie hatten sich aber schon gebessert. Am Nachmittag wurden die Zweige der Laubhütten durch die Knaben in einem Zuge vor die Synagoge auf einen Haufen getragen und angezündet. Die Juden beobachteten das Aufsteigen der Flammen und schlossen daraus auf mancherlei Glück oder Unglück. Jesus lehrte nachher in der Synagoge vom Glück Adams, seinem Fall und der Verheißung - auch aus Josua. Er lehrte abermals von verkehrter Sorge, von Lilien, die nicht spinnen, Raben die nicht säen usw. Er nannte Daniel und Job, als so fromme Männer, voll von Geschäften und doch ohne weltliche Sorge.

Jesus wurde hier nicht umsonst verpflegt. Die Jünger haben in der Herberge bezahlt. Als Er noch mit den Jüngern in der Herberge weilte, kam ein Mann aus Zypern, der bei Johannes in Machärus gewesen, das zehn Stunden von Ophra entfernt war und wohin ihn einer der Knechte des Hauptmannes Serobabel von Kapharnaum gebracht hatte. Er war von einem vornehmen Mann aus Zypern gesandt, der vieles von Johannes und Jesus gehört hatte und sichere Nachricht über sie zu erhalten suchte.

Der Bote reiste schnell wieder von Ophra ab, denn er musste auf ein Schiff, das abging. Er war ein sehr liebenswürdiger, demütiger Heide. Der Knecht des Hauptmannes hatte ihn auf sein Begehren von Kapharnaum zu Johannes nach Machärus und von diesem zu Jesus nach Ophra gebracht. Jesus sprach lange mit ihm, und die Jünger mussten ihm in seiner Gegenwart alles aufschreiben, was er zu wissen verlangte. Der Vorfahre seines Herrn ist ein ehemaliger König von Zypern gewesen, der viele Juden in der Verfolgung aufgenommen und sie sogar an seiner Tafel gespeist hat. Dieses Werk der Barmherzigkeit trug ihm noch in seinem Nachkommen Früchte, so dass dieser die Gnade hatte, an Jesus Christus zu glauben. Ich hatte einen Blick, als wenn Jesus nach dem nächsten Osterfest sich nach Tyrus und Sidon flüchten, nach dieser Insel überfahren und dort lehren werde.

Von Ophra wanderte Jesus im Tal zwischen Alexandrium und Lebona gegen Salem. Er kam durch den Wald Hareth in die Ebene von Salem hinab. Vor Salem waren Gärten und schöne Alleen. Der Ort lag sehr angenehm. Er ist nicht sehr groß, aber reinlicher und regelmäßiger als viele andere hier herum. Die Stadt ist um einen in der Mitte gelegenen Brunnen sternförmig gebaut. Alle Straßen laufen auf den Brunnen zu und die Alleen gehen durch die Straßen. Doch ist alles ein wenig in Verfall. Der Brunnen ist ihnen heilig, denn er war einst verdorben, wie der bei Jericho. Aber Elisäus hatte ihn wie jenen, durch Salz und Wasser, worin das Heiligtum gelegen, wieder gut gemacht. Es ist ein schönes Brunnenhaus darüber gebaut. In der Mitte der Stadt bei dem Brunnen liegt ein hohes wüstes Schloss mit sehr großen leeren Fenstern. Es steht ein hoher dicker runder Turm dabei, auf dessen platter Höhe mit einer Galerie eine Fahne weht und auf dem an vier Seiten, in etwa zwei Dritteln seiner Höhe, an hervorstehenden Balken große glänzende Kugeln heraushängen, welche in der Sonne blinken. Sie hängen nach verschiedenen Städten hin und sind zum Gedächtnis noch von Davids Zeiten her. David hatte sich mit Michol einmal hier aufgehalten. Als er hinüber ins Land Gilead flüchtete, hatte ihm Jonathan mit diesen Kugeln, die er nach Verabredung bald so, bald anders hängte und die er sehen konnte, allerlei Zeichen gegeben über Saul und dessen Verfolgung.

Jesus wurde hier sehr gut empfangen. Leute, die Er bei Erntehausen gefunden, begleiteten Ihn bis zur Stadt, aus der andere Ihm entgegenkamen. Sie führten Ihn und die Jünger in ein Haus, wuschen ihnen die Füße und reichten ihnen andere Sohlen und Kleider, bis die ihrigen ausgeschüttelt und gestreckt waren. Oft schenkte man auch den Reisenden solche Kleider. Jesus aber nahm sie nie an, Er hatte meist ein zweites, reines bei sich, das ein Jünger trug. Sie brachten Jesus dann nach ihrem schönen Brunnen, wo Er einen Imbiss erhielt. Es waren um den Brunnen sehr viele Kranke aller Art, ja sie lagen ganze Straßen entlang, und Jesus begann gleich seinen Heilweg und ging ruhig von einem zum andern und heilte bis gegen vier Uhr, wo Er einem Mahl in der Herberge beiwohnte und dann in der Synagoge lehrte. Es kam bei dieser Lehre von Melchisedech vor und auch von Malachias, der hier sich auch aufgehalten und von dem Opfer nach Ordnung Melchisedechs prophezeit hatte. Jesus sagte ihnen, dass diese Zeit nahe sei und dass jene Propheten selig gewesen sein würden, solche Dinge zu sehen und zu hören, wie sie jetzt.

Die Einwohner waren vom Mittelstand, weder arm, noch reich. Aber wohlgesinnt und liebevoll gegeneinander. Auch die Synagogen-Lehrer waren wohlgesinnt. Doch waren viele Pharisäer in der Nähe, welche oft hierher kamen und die hiesigen Lehrer und die Gemeinde belästigten. Die Stadt hatte gewisse Gerechtigkeiten, ein Distrikt umher und andere nahegelegene Orte gehörten ihr zu. Jesus war gerne hier und bestärkte die Leute in ihrer guten Gesinnung.

Am anderen Tage ging Jesus morgens eine Stunde südöstlich von Salem in den Winkel zwischen dem Jordan und dem Flüsschen, das von Akrabis in den Jordan fließt. Es war hier ein Lustort und waren in der hügeligen Gegend drei Fischteiche übereinander, welche ihr Wasser aus jenem Flüsschen empfingen, auch Bäder, die gewärmt werden konnten. Viele Leute gingen mit hierher. Man kann von hier Ainon sehr schön über dem Jordan liegen sehen. Am jenseitigen Ufer gingen auch Leute. Gegen Mittag kehrten alle wieder nach Salem zurück, wo mehrere Pharisäer von Aruma, einer zwei Stunden von hier westlich an einem Berge gelegenen Stadt und von der etwa eine Stunde nordöstlich davon in einem Winkel versteckt liegenden neueren Stadt Phasael, wo der fromme Mann Jair wohnte, dessen Tochter Jesus neulich erweckt hat, versammelt waren. Unter diesen Pharisäern war ein Bruder Simons des Aussätzigen von Bethanien, der einer der vornehmsten Pharisäer der Stadt Aruma war. Auch Sadduzäer waren darunter. Sie waren hier als Gäste. Es war eine Gewohnheit, dass sich die Lehrer gegenseitig in den Tagen nach dem Laubhüttenfest einluden und noch von anderen Orten waren Lehrer hier. Man hielt ein Mahl in einem öffentlichen Festhaus in Salem, welchem Jesus und alle diese Lehrer beiwohnten. Sie fürchteten, Jesus möchte in Salem am Sabbat lehren, was sie nicht gerne hatten, weil die Einwohner ihnen ohnedies nicht sehr ergeben waren. Darum lud Simons Bruder Jesus zum Sabbat nach Aruma ein, welches Er auch annahm.

Phasael ist ein neuer Ort, wo Herodes, wenn er in der Gegend war, sich aufhielt. Es stehen Palmen um die Stadt und ein Flüsschen entspringt in der Nähe, das in den Jordan, ungefähr Sukkoth gegenüber, fließt. Die Leute schienen Kolonisten zu sein. Phasael ist von Herodes erbaut.

Als Jesus nach Aruma kam, empfingen Ihn die Pharisäer nicht vor dem Tor. Jesus ging mit etwa sieben Jüngern geschürzt durch das Stadttor ein. Da empfingen sie einige wohlgesinnte Bürger nach der Landessitte, wie man es Reisenden tut, die geschürzt zum Tor eingehen, denn die ungeschürzt kommen, hatten schon vor dem Tor Gastfreiheit empfangen. Sie führten sie in ein Haus, wuschen ihnen die Füße, reinigten die Kleider und reichten den Bissen. Danach ging Jesus in das Priesterhaus bei der Synagoge, wo sich Simons Bruder mit mehreren anderen Pharisäern und Sadduzäern befand, welche von Thebez und anderen Orten hierher gekommen waren. Sie nahmen Schriftrollen und gingen mit Jesus nach einem Badebrunnen vor der Stadt, wo sie über die Schriftstellen sich besprachen, welche in der heutigen Sabbatslesung vorkamen. Es war dieses wie ein Vorbereiten auf die Predigt. Sie sprachen ganz höflich und glatt mit Jesus und baten Ihn, heute abend zu lehren, aber doch ja das Volk nicht aufrührerisch zu machen. Sie gaben das so zu verstehen. Jesus antwortete strenge und gerade: Er werde lehren, was die Schrift enthalte, die Wahrheit, und sprach auch von Wölfen in Schafskleidern.

In der Synagoge lehrte Jesus von Abrahams Berufung und Reise nach Ägypten, von der hebräischen Sprache, von Noe, Heber, Phaleg, Job. Die Lesung war aus Genesis, Kap. 12 und aus Isaias. Er sagte, dass schon in Heber Gott die Israeliten ausgesondert habe. Denn diesem Mann habe Er eine neue Sprache gegeben, die hebräische, welche mit den anderen damaligen keine Gemeinschaft hatte, um sein Geschlecht von allen anderen ganz abzusondern. Früher habe Heber wie Adam, Seth und Noe die erste Muttersprache gesprochen. Diese sei aber bei dem babylonischen Bau in viele Mundarten zerfallen und verwirrt worden. Gott aber habe, um Heber ganz abzusondern, ihm eine eigene heilige, die althebräische Sprache gegeben und ohne diese Sprache würden sie nie so rein und abgesondert geblieben sein.

Jesus wohnte hier im Haus von Simons des Aussätzigen Bruder. Der bethanische Simon stammt auch von hier. Der hiesige war fest und gelehrt in seiner Sache. Der bethanische war unbedeutender, wollte aber mehr bedeuten. Es war in dem Haus alles gut eingerichtet. Wenn Jesus gleich nicht mit gläubiger Ehrfurcht behandelt wurde, so war doch alles aus Gastfreundschaft in der besten Ordnung. Er hatte einen eigenen abgesonderten Betort. Die Gefäße und Tücher zum Waschen waren schön und der Hausherr tat die schicklichen Dienstleistungen. Frau und Kinder kamen wenig zum Vorschein.

Jair von Phasael, dessen Tochter Jesus erweckt hatte, war auch hier zum Sabbat und hatte mit Jesus gesprochen. Er verweilte bei den Jüngern und ging mit ihnen umher. Seine Tochter war nicht in Phasael, sondern war nach Abelmehola hinauf in die Mädchen-Schule gereist. Es kamen da in diesen Tagen viele junge Mägdlein zusammen, wie sich auch die Männer besucht hatten. Abelmehola mag etwas über sechs Stunden von Phasael sein.

Vor Aruma lag an der Abendseite ein großes altes Gebäude, das von alten Männern und Witwen bewohnt war. Sie waren keine Essener, trugen aber lange weiße Kleider und lebten nach einer bestimmten Ordnung. Jesus lehrte auch bei ihnen. Wenn Jesus zu einem Mahl geladen wird, geht Er gewöhnlich von einem Tisch zum anderen und lehrt.

Es wurde in Aruma das Fest der Einweihung des salomonischen Tempels gefeiert. Die ganze Synagoge war voll von Lichtern. In der Mitte stand eine Pyramide von Lichtern. Der eigentliche Tag des Festes war schon vorbei. Er war, wie ich meine, am Ende des Laubhüttenfestes. Es wurde nachgefeiert. Jesus lehrte von der Einweihung und wie Gott dem Salomo erschien und ihm sagte, Er wolle Israel und den Tempel erhalten, so es Ihm treu bleibe und wolle im Tempel wohnen unter ihnen. Er werde ihn aber zerstören, wenn sie von Ihm abfallen würden. Dieses legte Jesus auf die jetzige Zeit aus, in der es nun soweit gekommen sei. So sie sich nicht bekehrten, werde der Tempel zerstört werden. Er sprach sehr scharf davon. Die Pharisäer aber fingen an, mit Ihm zu disputieren und legten dieses Wort Gottes aus als nicht so gesprochen, sondern als ein Gedicht, als eine Phantasie von Salomo. Der Disput wurde sehr lebhaft und ich sah Jesus sehr eifrig reden. Er hatte ein Wesen, dass sie erschüttert wurden und Ihn kaum anblicken konnten. Er sprach zu ihnen in Sätzen, welche aus der heutigen Sabbats-Lesung hervorgingen: von den Entstellungen und Verdrehungen der ewigen Wahrheiten, der Geschichte und von der Zeitrechnung der alten heidnischen Völker. z.B. der Ägypter und wie sie es wagen könnten, diesen Heiden Vorwürfe zu machen, da sie selber bereits in so elendem Zustand seien, dass sie, was ihnen so nahe und so heilig überliefert sei, das Wort des Allmächtigen, auf welches sein Bund mit ihrem heiligen Tempel gegründet sei, als eine Fabel, als ein Gedicht nach ihrer Bequemlichkeit und nach der Art, die ihnen schmeichle, verwerfen. Er beteuerte und wiederholte die Verheißung Gottes an Salomo noch einmal und sagte ihnen, dass in ihrer sündhaften Entstellung und Auslegung die Drohung Jehovas sich schon der Erfüllung nähere. Denn wo der Glaube an seine heiligsten Verheißungen wanke, wanke auch der Grund seines Tempels. Er sprach zu ihnen: «Ja! der Tempel wird abgebrochen und zerstört werden. weil ihr an die Verheißungen nicht glaubt, weil ihr das Heilige nicht erkennt und nicht heilig haltet! Ihr werdet selbst an seiner Zerstörung arbeiten, es wird kein Teil an ihm unverletzt bleiben. Er wird zerbrochen werden um eurer Sünden willen!» Auf diese Art sprach Jesus und zwar mit solcher Hindeutung, dass Er Sich selbst unter dem Tempel zu verstehen schien, wie Er es vor seinem Leiden deutlicher sagte: «Ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen.» Es war hier nicht so deutlich ausgesprochen, aber doch so, dass sie mit Schauder und Ergrimmen das Wunderbare, Geheimnisvolle in seiner Rede fühlten. Sie murrten und wurden sehr unwillig. Jesus aber störte sich nicht und fuhr sehr schön in seiner Lehre fort, so dass sie nicht mehr widersprechen konnten und ganz wider ihren Willen innerlich überwältigt wurden. Beim Herausgehen aus der Synagoge reichten sie Ihm die Hände, machten eine Art Entschuldigung und schienen äußerlich den Frieden herstellen zu wollen. Jesus sagte noch einige ernste Worte ganz sanft und verließ die Synagoge, welche geschlossen wurde.

Ich hatte ein Bild von Salomo, der vor dem Tempel bei dem Opfer-Altar auf einer Säule stehend das Volk anredete und laut zu Gott betete. Die Säule war so hoch, dass ihn jedermann sehen konnte. Man stieg inwendig hinauf. Oben war eine breite Platte und ein Stuhl. Die Säule war beweglich, man konnte sie wegbringen. Ich sah nachher den Salomo auf der Burg Sion und noch nicht in seinem neuen Palast. Es war an demselben Ort, wo Gott auch mit David früher gesprochen hatte, besonders als Nathan bei ihm gewesen. Es war auch eine Terrasse unter einem Zeltdach, wo er schlief. Salomo betete daselbst, da kam ein unbeschreiblicher Glanz um ihn und eine Stimme aus demselben.

Salomo war ein schöner Mann, von angenehmer Größe und seine Glieder waren voll, nicht so scharf und ausgedörrt, wie die der meisten anderen dort. Seine Haare waren braun und schlicht. Er hatte einen reinen kurzen Bart, braune, durchdringende Augen, ein rundes, volles Gesicht mit etwas breiten Wangenknochen. Damals hatte er sich noch nicht der Unzahl heidnischer Frauen ergeben.

Jesus hat in Aruma nicht öffentlich geheilt, um kein Ärgernis zu geben. Auch waren die Leute wegen der Pharisäer scheu und meldeten sich bei Tage nicht. Es war aber unbeschreiblich rührend, wie ich Ihn in zwei Nächten von ein paar Jüngern begleitet durch die mondhellen Straßen hinwandeln sah zu einigen kleinen Pforten, wo Ihn Menschen demütig erwarteten, wie Er in den Hof trat und mehrere Kranke heilte. Diese waren fromme Leute, welche an Ihn glaubten und Ihn durch seine Jünger hatten bitten lassen. Es konnte sehr gut ohne Aufsehen geschehen, denn die Straßen des Ortes waren sehr still. Es gingen nur Mauern der Vorhöfe auf die Straßen mit kleinen Türen. Die Fenster gingen alle nach innen gegen die Höfe und kleinen Gärtchen. Die Leute harrten auf Ihn. Ich erinnere mich einer blutflüssigen Frau, welche von zwei Mädchen ganz eingewickelt in den Hof herausgetragen wurde. Jesus verweilte nicht lange bei den Kranken auf diesem nächtlichen Heilweg. Er stellte gewöhnlich an die Kranken, um ihren Glauben zu erwecken, die Frage, ob sie glaubten, dass Gott sie heilen könne und dass Er Einem die Macht dazu auf Erden gegeben. Ich kann das nicht recht wiedergeben. Hierauf ließ Er die blutflüssige Frau seinen Gürtel küssen und sprach einige Worte, die soviel hießen als: «Ich heile dich durch das Geheimnis. (oder wie ich meine hieß es auch: ich heile dich in der Intention), in welchem dieser Gürtel getragen wird vom Anfang bis zum Ende.» Anderen legte Er die Enden seines Gürtels auf das Haupt. Dieser Gürtel war eine lange breite Bahn, wie ein Handtuch, und wurde bald breit, bald schmal zusammengelegt getragen, bald mit kurzen, bald mit lang niederhängenden Enden, woran Quasten waren.

Das Tal, östlich von Aruma und von Ost nach West gegen Sichar sich wendend und auch gerade gegen Norden bis über den Berg nordöstlich von Sichem, war voll Wald. Östlich von diesem Berg, der mitten in der Ebene von Sichar liegt, war der Teil, welcher der Hain Mambre heißt. Da war es, wo Abraham zuerst seine Zelte aufschlug und wo ihm Gott erschien und die Verheißung der großen Nachkommenschaft gab. Es war da ein großer Baum, nicht so rau wie eine Eiche, mit Blüten und Früchten zugleich, von denen sie die Knöpfe an den Pilgerstäben machten. Bei diesem Baum erschien der Herr.

Die Straße geht von Sichar an der linken Seite des Waldes um den Garizim herum. Vor dem Wald nördlich liegt in der Ebene eine Stadt zum Andenken an Abrahams Aufenthalt. Es müssen heute noch Spuren von ihr da sein. Sie ist drei Stunden nördlich von Aruma, nordwestlich zwei Stunden von Phasael und heißt Tänath-Silo.

4. Jesus verlässt Aruma und geht nach Tänath-Silo und Aser-Michmethath

Nachdem Jesus nochmals sehr ernst gegen die Pharisäer geredet hatte, dass sie den Geist ihrer Religion verloren hätten, dass sie nur an leere Formen und Gebräuche sich hielten, welche zuletzt der Teufel ausfülle, wie sie an den Heiden sehen könnten. Er verließ Aruma und ging zur Stadt Thänath-Silo, vor welcher eine der von Lazarus errichteten Herbergen war. Er lehrte darnach vor Männern und Frauen, die auf dem Feld an großen Getreidehaufen arbeiteten in Parabeln vom Feldbau und vom verschiedenen Erdreich. Die Leute waren Sklaven und samaritischen Glaubens. Am Abend lehrte Er auch in der Synagoge. Es war Neumond und Fruchtkränze hingen vor der Synagoge und anderen öffentlichen Gebäuden.

Vor der Synagoge hatten sich sehr viele Kranke angesammelt, besonders viele Lahme, Gichtische, Besessene und Blutflüssige. die Er heilte. Er segnete viele kranke Kinder und auch gesunde. Die an den Händen und einer Seite vielen Lahmen, holten meist ihre Krankheit beim Feldbau und durch das Liegen an der feuchten Erde in der Nacht und bei Tag, wenn sie sich in Schweiß gearbeitet hatten. Ich habe das auch in den Feldern vor Gennabris in Galiläa gesehen.

Jesus zog am folgenden Tage in das Erntefeld und heilte auch dort viele. Es brachten Leute aus der Stadt eine Mahlzeit in Körben hinaus und es war ein großes Mahl unter einer noch stehenden Laubhütte. Jesus hielt eine große Lehre gegen die unnütze, übertriebene Lebenssorge. Er brauchte das Beispiel von der Lilie, die nicht spinne und doch schöner bekleidet sei als Salomo in seiner Pracht und sagte noch vieles Schöne der Art von allerlei Tieren und Gegenständen umher. Er lehrte auch, sie sollten den Sabbat und die Festtage nicht durch Arbeit des Gewinnes entheiligen. Arbeiten der Liebe, Rettung von Menschen und Vieh sei ihnen erlaubt, aber die Ernte, die Früchte sollen sie dem Schutze Gottes überlassen und nicht bei jedem drohenden Wetter daran am Sabbat arbeiten. Er lehrte dieses sehr ausführlich und schön und es war ganz auf die Art der Bergpredigt, denn es kamen die Worte darin vor: «Selig sind diese, selig sind jene.»

Es waren dessen die Leute des Ortes sehr bedürftig, denn sie waren ungemein begierig und erwerbstüchtig in Ackerbau und Handel, worin sie ganz lebten und ihre Knechte sehr übertrieben. Sie hatten auch hier den Zehnten von der ganzen Gegend einzunehmen, hielten ihn oft lange zurück und wucherten damit.

Sie handelten mit ihren Feldfrüchten. Alte Leute sah ich auch herumziehen mit Holzarbeiten, wozu sie der nahe Wald veranlasste: besonders sah ich sie hölzerne Absätze unter die Sohlen in großer Menge schnitzen. Es waren um die Stadt sehr viele Feigengärten. Pharisäer waren keine hier. Die Leute waren etwas grob und stolz auf ihre Abkunft von Abraham. Aber die Söhne, die Abraham hierher gesetzt hatte, waren bald ausgeartet. Sie hatten sich mit den Sichemiten vermischt und als Jakob wieder ins Land kam, die Beschneidung schon verloren. Jakob gedachte auch in diesen Feldern wohnen zu bleiben, aber durch die Verführung der Dina wurde er verhindert. Er kannte die Kinder Abrahams, die hier wohnten und schickte ihnen Geschenke. Dina war bei dem Brunnen von Salem spazieren gegangen und war dann hier in der Gegend bei den Leuten eingeladen gewesen, welche die Geschenke erhalten hatten. Sie hatte Mägde bei sich und ging allein hier in der Gegend neugierig umher: da sah sie der Sichemite und verführte sie.

Man darf sich nicht über die vielen Kranken wundern, die überall zusammenkommen: denn kaum ist Jesu Aufenthalt an einem Ort bekannt, so werden sie aus der ganzen Gegend aus allen Hütten und Dörfern herangebracht.

Es wohnten hier in Thänath Samariten und Juden getrennt, doch waren die Juden die Mehrzahl. Jesus lehrte die Samariten auch, aber Er stand dabei auf jüdischem Grund und die Samariten am Ende ihres Stadtteils am Ausgang einer Straße. Er heilte auch Samariten. Die Juden waren hier nicht so gehässig gegen sie, weil sie überhaupt hier etwas leicht sind, auch mit Haltung des Sabbats.

Jesus heilte hier auf sehr viele Arten. Einige in der Ferne mit einem Blick und Wort, einige berührte Er, anderen legte Er die Hände auf, andere hauchte Er an, andere segnete Er, anderen bestrich Er nur mit Speichel die Augen. Manche berührten Ihn und wurden geheilt, andere ließ Er genesen, ohne dass Er sich zu ihnen wandte. Er verfuhr besonders in der letzten Zeit seines Wandels überhaupt schneller, als im Anfang. Ich dachte wohl, die so verschiedenen Arten seiner Heilungen seien gewesen, um zu zeigen, dass Er nicht an eine einzelne Art gebunden sei, sondern es auf alle Arten könne. Aber Jesus sagt ja selbst im Evangelium einmal, dass eine Art der Teufel anders ausgetrieben werde, als die andere. Er heilte gewiss jeden, wie es seinem Übel, seinem Glauben und seiner Natur angemessen war, so wie Er noch jetzt jeden Sünder anders züchtigt, anders bekehrt. Jesus zerbrach die Ordnung der Natur nicht. Er löste nur ihre Bande. Er zerhieb keinen Knoten. Er löste ihn auf und konnte alle lösen. Er hatte alle Schlüssel und insofern Er Gottmensch geworden war, handelte Er in menschlichen Formen, die Er heiligte. Ich hatte auch früher schon die Unterweisung, Er habe vorbildlich so verschieden geheilt, um die Jünger die Formen für jede Handlung zu lehren. Die verschiedenen Formen des kirchlichen Segens und der Weihungen und Sakramente deuten schon hierauf.

Jesus ging gegen Mittag hinweg. Es begleiteten Ihn mehrere Menschen aus der Stadt. Er ging auf der ziemlich breiten Landstraße nach Nordost, die gegen Scythopolis führt. Und Er hatte doch zur rechten und Thebez zur linken Seite, auf dem östlichen Ende des Berges, worauf Samaria liegt. Er ging gegen den Jordan hinab in ein Tal, worin eine Quelle zum Jordan fließt. Hierher war Ihm eine Schar von lernbegierigen Leuten, besonders von samaritischen Arbeitsleuten, vorausgeeilt, welche Ihn erwarteten und die Er lehrte. Es lag links an der Höhe hinan ein kleiner Ort, aus einer langen Reihe Häuser bestehend. Aser-Michmethath in welchen gegen Abend Jesus hineinging. Abelmehola mag von hier sieben Stunden sein. Es ist dieser Ort auf dem Weg Mariä und der Frauen, wenn sie nicht bei Samaria über das Gebirge nach Judäa wollen. Auch auf der Flucht nach Ägypten ist die heilige Jungfrau mit Joseph hier herüber gereist. An diesem Abend ging Jesus noch zum Brunnen Abrahams und zum Lustort vor Aser-Michmethath und heilte dort mehrere Kranke, unter andern zwei Samariterinnen, welche hierher gebracht worden waren. Er wurde hier von den Leuten sehr liebevoll empfangen. Sie waren sehr gut, jeder hätte Ihn gern bei sich beherbergt. Er kehrte aber vor dem Ort bei einer patriarchalisch lebenden Familie ein, deren Haupt Obed hieß und wurde sehr liebevoll mit allen Jüngern aufgenommen. Der Weg von Thänath-Silo hierher in die Gegend ist viel besser und breiter, als der über Akrabis nach Jericho zu, welcher außerordentlich eng, steinig und felsig ist, dass die Tiere schwer mit Waren passieren können.

Es war unter dem Baum an Abrahams Brunnen, wo zur Zeit der Richter die falsche Prophetin ihre Zauberei trieb und die Ratschläge gab, die immer übel ausschlugen. Sie hatte nachts allerlei Zeremonien mit Fackeln hier und trieb wunderliche Tiere und Gestalten zusammen. Sie wurde zu Azo von den Madianiten auf ein Brett genagelt. Unter demselben Baum hatte Jakob die geraubten Götzen der Sichemiten vergraben.

Auch Joseph hatte mit der heiligen Jungfrau und Jesus in der Nähe dieses Baumes auf der Flucht nach Ägypten sich eine Nacht und einen Tag verborgen. Die Verfolgung Herodes war bekannt und es war hier sehr unsicher zu reisen. Ich meine auch, dass auf der Reise nach Bethlehem, wo Maria fror, es hier am Baum so warm geworden ist.

Aser-Michmethath liegt quer über einem Bergrücken, der gegen das Jordantal hinläuft. Die südliche Seite gehört zu Ephraim, die nördliche zu Manasse. An der ephraimischen Seite liegt Michmethath, an der manassischen Aser und ist beides nur eine Stadt, Aser-Michmethath. Die Grenze läuft mitten durch. Die Synagoge liegt in Aser jenseits und die Einwohner sind in ihren Sitten etwas getrennt und verschieden. Michmethat, die ephraimische Seite des Ortes, zieht sich in einer Reihe Häuser den Berg hinan. Unten im Tal ist ein Flüsschen, bei welchem Jesus die Samaritern lehrte, welche ihm hierher vorausgegangen waren. Etwas höher vor dem Ort liegt der schöne Brunnen und der Lust- und Badegarten um denselben. Der Ouell, zu dem man auf Treppen hinabsteigt, ist in ein gemauertes Becken gefasst, in dessen Mitte auf einer Terrasse der Baum steht. Aus andere Behälter können mehrere Badezisternen, die umher sind, gefüllt werden. Hier heilte Jesus zwei samaritische Frauen.

Das Haus des Obed lag wie ein großes Landgut vor Michmethath. Er war eine Art Oberhaupt des Ortes. Die Leute waren meistens miteinander verwandt und mehrere Familien waren Obeds Kinder oder Kinder seiner Voreltern. Er war Ältester und Vorsteher, besorgte ihre Geschäfte, leitete ihren Feldbau und ihre Hirtenwirtschaft. Seine Frau war mit ihrer Wirtschaft und dem weiblichen Teile der Familie in einem abgesonderten Teil des Hauses. Sie war noch ein recht munteres altes Judenweibchen. Sie hatte eine Art Kinderhaus und lehrte die jungen Mädchen der anderen Familien allerlei Handarbeiten. Das ganze Haus überhaupt war voll Liebe, Rat und Tat. Obed hatte achtzehn Kinder, von denen noch einige unverheiratet waren. Zwei seiner Töchter waren nach Aser, der manassischen Seite des Ortes, verheiratet. Und das war ihm nicht ganz recht, wie ich aus seinen Gesprächen mit Jesus hörte, denn die Leute dort waren nicht so gut und anderer Art.

Am Morgen lehrte Jesus an dem Brunnen. Es lagen wohl vierhundert Menschen auf dem Rasen des treppenförmigen Abhanges um den Brunnen. Er lehrte deutlich von der Ankunft des Reiches und seiner Sendung, von Buße und Taufe. Er bereitete auch einige zur Taufe vor, worunter Kinder Obeds waren.

Er ging hierauf mit Obed in die Felder zu einzelnen Wohnungen und lehrte und tröstete die Knechte und alten Leute, welche das Haus hatten hüten müssen, während die anderen zu seiner Lehre gegangen waren. Obed sprach viel mit Ihm von Abraham und Jakob, die in der Gegend gewohnt hatten und vom Schicksal der Dina. Die Einwohner von Michmethath hielten sich für Abkommen aus Juda. Holofernes, der medische Abenteurer, hatte bei seinem Einfall diesen Ort ganz verwüstet. Und danach hatten sich die Voreltern dieser Leute aus Juda hier angesiedelt mit dem festen Entschluss nach den alten Sitten fromm zusammenzuhalten. Das hatten sie bis jetzt getan. Obed hatte ganz die alten Sitten der frommen Hebräer und besonders hielt er viel auf Job. Er stattete seine Söhne und Töchter reichlich aus und opferte bei jeder solchen Aussteuer viel den Armen und dem Tempel.

Jesus segnete viele Kinder, welche Ihm überall von den Müttern herbeigebracht wurden.

Am Nachmittag war eine große Mahlzeit rund um Obeds Haus und in dem Hof unter Laubhütten, welche überall noch standen. Es nahmen schier alle Einwohner von Michmethath daran teil und besonders alle Armen der Gegend. Jesus ging um alle Tische, segnete und lehrte und teilte liebevoll Speisen aus. Er erzählte Parabeln. Die Frauen saßen in einer abgesonderten Laube. Hierauf ging Jesus noch zu einigen Kranken in die Häuser und heilte sie. Er segnete auch noch viele Kinder, welche Ihm die Mütter reihenweise vorstellten. Es waren sehr viele Kinder hier, besonders bei Obeds Frau, welche sie lehrte. Obed hatte einen kleinen Sohn von etwa sieben Jahren, mit dem Jesus viel redete. Er lebte bei einem älteren Bruder auf dem Feld, war sehr fromm und kniete oft des Nachts auf dem Feld, um zu beten. Der ältere Bruder war nicht ganz zufrieden damit und Obed war darüber betrübt. Jesus sprach und richtete über dieses alles. Dieser Knabe ist nach Jesu Tod unter die Jünger gekommen.

Im Krieg der Makkabäer tat Michmethath den Juden manche Hilfe und war sehr getreu. Auch hielt sich Judas Makkabäus einige Male hier auf. Obed nahm sich Job in allem zum Muster, ja er führte mit den Seinigen schier ganz ein solches gerechtes altpatriarchalisches Leben.

Als Jesus in den anderen, im Stamm Manasse gelegenen Teil des Ortes ging, waren bei der Synagoge viele Pharisäer und zwar nicht die Bestgesinnten gegen Jesus und manche hoffärtige Einwohner. Sie steckten mit Leuten zusammen, welche Abgaben und Zölle für die Römer zu erheben hatten und wucherten damit. Jesus lehrte hier und heilte Kranke. Die Pharisäer und die hoffärtigen Einwohner waren kalt und verärgert gegen Jesus, dass Er bei den einfältigen bäuerischen Leuten in Michmethath zuerst eingekehrt war. Sie liebten Ihn nicht, und doch wollte ihr Ehrgeiz, Er solle bei ihnen als Gelehrter eher einkehren, als bei ihren einfachen Nachbarn, auf welche sie herabsahen.

Von Aser kehrte Jesus von vielen Leuten begleitet zum Brunnen vor Michmethath zurück und bereitete hier zur Taufe vor. Viele bekannten ihre Sünden im allgemeinen. Viele auch traten allein zu Jesus, gestanden ihre Sünden genau vor Ihm, verlangten Buße und Vergebung. Es waren Saturnin und Judas Barsabas, welche tauften. Andere Jünger legten die Hände auf. Es geschah in einer großen Badezisterne. Jesus ging nach der Taufe zum Sabbat nach Aser und lehrte aus Genesis18, 23. usw. von der Vertilgung Sodomas und Gomorrhas und hielt eine sehr scharfe Bußpredigt, auch von den Wunderwerken des Elisäus. Die Pharisäer waren gar nicht mit Ihm zufrieden. Er sprach nachher auch noch davon, dass sie die Zöllner verachteten und selbst den Wucher nur versteckter und scheinheiliger trieben.

Als Jesus wieder zu Aser in der Synagoge von Abraham und Elisäus lehrte, heilte Er auch viele Kranke, Dämonische und Melancholische. Am Nachmittag war eine Mahlzeit im Herbergshaus. Die Pharisäer hatten zwar die Einladung gemacht. Allein Jesus rief viele Arme und die Leute von Michmethath dazu und ließ alles durch seine Jünger bezahlen. Bei Tisch hatte Er heftigen Widerspruch von den Pharisäern, wobei Er Parabeln erzählte vom ungerechten Schuldner, der seine Schulden wolle erlassen haben und doch andere drücke, legte es dahin aus, dass sie den Armen die Abgaben abdrückten und den Römern vorlogen, sie könnten nicht bezahlen und das Geld einsteckten. Auch dass sie höhere Abgaben ausschrieben und den Römern nur den dritten Teil gäben. Sie wollten sich verteidigen. Er sagte aber: «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist!» Sie waren zuletzt ganz grimmig und sagten, was es denn Ihn angehe.

Bei dem Eintritt des Fasttages, wegen des Augen-Ausstechens des Sedekias durch Nabuchodonosor, lehrte Jesus in der Gegend vor Hirten und auch am Brunnen Abrahams. Er sprach vom Reich Gottes, wie es sich von den Juden zu den Heiden wenden werde und wie die Heiden den Vorzug haben würden. Obed sagte Ihm hernach, wenn Er bei den Heiden so lehre, könnten sie wohl hoffärtig werden. Jesus erklärte ihm ganz freundlich, wie Er ihnen lehre und dass sie gerade wegen der Demut den Vorzug erhalten würden. Er warnte Obed und die Seinen auch vor dem Gefühl einer gewissen Gerechtigkeit und Selbstzufriedenheit, wozu sie Anklage hatten. Sie sonderten sich einigermaßen ab und fühlten sich in der Ordnung und Mäßigkeit und den Früchten ihres einfachen Lebens gut und behaglich. Das konnte sehr leicht zur Hoffart führen. Jesus lehrte daher die Parabeln von den Tagleuten. Er lehrte auch bei den Frauen in einem abgesonderten Lustgarten, wo eine schöne Laube war, die Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen. Er stand in ihrer Mitte. Sie saßen im Kreis an einer Terrasse übereinander, meistens auf einem Knie und hatten das andere aufgestellt, sich darauf mit den Händen lehnend. Alle Frauen hatten bei solcher Gelegenheit lange sie bedeckende Mantelschleier, die Reichen feinere, durchsichtigere, die Armen breite, dicke Tücher. Anfangs waren sie verschleiert, während der Lehre aber öffneten sie die Schleier nach Bequemlichkeit.

Es wurden hier etwa dreißig Männer getauft, meistens entfernt gewesene Knechte und Leute, die erst nach der Gefangenschaft des Johannes hierher gekommen waren.

Jesus war auch mit den Leuten in die Weinberge gegangen, die hier zum zweiten Mal reiften.

Von Michmethath ging Jesus mit fünf Jüngern - die zwei Johannesjünger waren von hier nach Machärus gegangen wieder abwärts, wo Er hergekommen. Das Flüsschen im Tal gegen Mittag von Aser-Michmethath hat seine Hauptquelle aus dem Brunnen, wo Jesus hatte taufen lassen. Er ging gegen Westen etwa drei Stunden im Tal am mittäglichen Fuß der Berge, worauf Thebez und Samaria liegen. Er unterrichtete einige Hirten unterwegs und kam gegen Mittag auf das Gut, welches das besondere Erbe Josephs von Jakob ausmachte (Gen 48, 22).

Es liegt im Tal südlich von Samaria und erstreckt sich eine halbe Stunde breit und eine Stunde lang von Morgen gegen Abend. Ein Bach fließt in dem Tal abendwärts. Von den Weinbergen seiner Anhöhe sieht dieses Gut gegen Mittag auf Sichem, wovon es ein paar Stunden nördlich liegt. Es hat alles: Wein, Weide, Getreide, Obst und Wasser und es sind gute Gebäude dort. Der Wirt darauf ist ein Pächter. Es gehört jetzt dem Herodes. Es ist das Haus, wo die heilige Jungfrau mit den anderen Frauen, da Jesus zu Sichem war, Ihn erwartet hatte und wo Er den Knaben heilte. Die Leute hier sind gut. Jesus lehrte hier eine große Versammlung Volkes und nahm eine ländliche Mahlzeit ein. Dieses besondere Erbe Josephs war nicht das Feld bei Sichem, welches Jakob von Hemor gekauft hatte, sondern ein getrenntes Stück, worauf Amorrhiter sich zwischen die anderen da eingedrängt hatten. Es war ihm mitverkauft worden und Jakob musste es von den Amorrhitern, die er nicht gerne in der Nähe hatte, damit sein Volk nicht mit ihnen sich vermischte, frei machen. Es geschah durch eine Art Zweikampf oder Wette in Frieden. Wer dem anderen sein Schwert oder Schild aus der Hand schlug oder zerbrach, hatte das Land gewonnen und der andere musste weichen. Es wurde auch mit Bogen nach einem Ziel geschossen. Jakob und der Amorrhiter-Anführer standen, jeder vor einer Schar der Seinigen, sich gegenüber. Jakob besiegte den Gegner und dieser musste abziehen. Sie machten nach dem Kampf einen Bund. Dies geschah bald nach dem Kauf des Feldes. Jakob wohnte etwa elf Jahre bei Sichem.

Von hier ging Jesus wieder nordöstlich den Berg hinan nach Meroz, einer Stadt an der Mittagsseite eines Berges gelegen, an dessen Nordseite Atharoth liegt. Dieses Meroz liegt höher als Samaria und nördlich über Thebez, auch höher als das gegen Morgen liegende Aser-Michmethath,

5. Jesus lehrt in Meroz; nimmt hier den Judas Ischariot unter seine Jünger auf. Abstammung und Charakter des Judas Ischariot

In Meroz war Jesus noch nie. Der Ort war von einem trockenen Graben umgeben, in dem sich manchmal einiges Bergwasser sammelte. Dieser Ort hatte einen üblen Ruf in Israel wegen seiner Treulosigkeit. Es hatten sich zu Meroz Nachkommen von Aser und Gad, den Söhnen Jakobs und der Zelpha, angesiedelt, von denen sich einzelne mit Heidinnen von Sichem vermählten. Die anderen Stämme wollten die Abkömmlinge dieser Mischehen nicht unter sich haben und sie waren auch wegen Untreue und Verrat verachtet. So wurde Meroz ein abgeschlossener Ort und seine Bewohner hatten darum an manchem Guten, aber auch an vielem Bösen nicht teilgenommen. Sie waren etwas verkommen und wie vergessen. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit Bereitung von Fellen, machten Leder, bereiteten Pelzwerk und Kleider daraus, machten lederne Sohlen, Riemen, Gürtel, Schilde, Soldatenwämser. Sie holten die Häute weit umher auf Eseln und bereiteten sie teils in einer Zisterne, in welche Wasser aus ihrem Stadtbrunnen floss. Weil dieser aber selbst von einer Wasserleitung herrührte und sie von daher nicht immer Überfluss hatten, so gerbten sie die Häute bei Ischariot, so hieß eine sumpfige Gegend, ein paar Stunden östlich von Meroz und nördlich von Aser-Michmethath. Es war ein wüster Winkel mit einigen Wohnungen und es ging von da eine Schlucht mit einem Quell gegen das Jordantal. Da bereiteten die Leute ihre Häute. Judas und seine Eltern hatten sich eine zeitlang da aufgehalten. Er hatte den Namen davon.

Jesus wurde vor Meroz von den armen Bürgern, welche von seiner aqnkunft wussten, sehr freudig empfangen. Sie kamen Ihm entgegen und brachten Ihm Kleider und Sohlen und wollten seine Kleider reinigen und ausschütteln. Jesus dankte und ging nebst den Jüngern in die Stadt, wo man Ihm die Füße wusch und einen Imbiss gab. Es kamen die Pharisäer zu Ihm und Er lehrte noch am Abend in der Synagoge vor vielem Volke vom faulen Knecht und dem vergrabenen Talent. Er verglich die Einwohner der Stadt damit, weil sie als Söhne der Mägde nur ein Talent erhalten hätten, so hätten sie damit wuchern sollen. Aber sie hätten es vergraben und sollten darum eilen, da der Herr nahe, um noch etwas zu gewinnen. Er hielt ihnen auch ihre wenige Liebe zu den Nachbarn und ihren Hass gegen die Samariten vor.

Die Pharisäer waren nicht mit Ihm zufrieden. Das Volk aber desto mehr, weil sie sehr von den Pharisäern gedrückt wurden und weil der ganze Ort so vergessen war, dass ihnen niemand hier zu Hilfe kam.

Nach der Lehre ging Jesus mit seinen Jüngern in eine Herberge vor dem östlichen Tor der Stadt, welche von Lazarus für Ihn und die Jünger bei einem Feldgut, das er hier hatte, eingerichtet war. Es kamen hier Bartholomäus, Simon der Zelot, Judas Thaddäus und Philippus zu Ihm, die schon früher mit den Jüngern gesprochen hatten. Er empfing sie freundlich. Sie nahmen an dem Mahl teil und blieben die Nacht mit hier. Den Bartholomäus hatte Jesus schon mehrmals gesehen und innerlich berufen, auch den Jüngern von ihm gesagt. Simon und Thaddäus waren seine Vettern. Auch Philippus war Ihm verwandt und bereits wie Thaddäus unter den Jüngern. Er hatte auch diese alle schon genannt, dass sie Ihm folgen würden, da Jesus bei seiner letzten Anwesenheit zu Kapharnaum an der FischersteIle des Petrus am See von der baldigen Nachfolge sprach und Petrus so sehr verlangte. Er möge ihn doch als unfähig zu Hause lassen. Damals fielen Worte des Petrus, welche im Evangelium später stehen.

Auch Judas Ischariot war mit ihnen nach Meroz gekommen, war aber am Abend noch nicht bei Jesus, sondern in einem Haus der Stadt, wo er sonst sich oft aufhielt. Bartholomäus und Simon sprachen mit Jesus von Judas, dass sie ihn kennengelernt und wie er ein unterrichteter, gewandter und sehr dienstfertiger Mensch sei, der sehr verlange, unter den Jüngern zu sein. Jesus seufzte bei ihren Reden und erschien betrübt. Da sie Ihn fragten, warum? sagte Er: «Es ist jetzt nicht Zeit, davon zu reden, sondern daran zu denken.» Er lehrte die Anwesenden während des Mahles und sie schliefen hier.

Die neuangekommenen Jünger waren von Kapharnaum gekommen, wo sie sich bei Petrus und Andreas versammelt hatten. Sie hatten Aufträge von dort und hatten Jesus einiges Geld, was für die Bedürfnisse der Reisen und der milden Gaben von den Frauen gesammelt war, mitgebracht. Judas war in Naim mit ihnen zusammengetroffen und hatte sie hierher gebracht. Er war in dieser Zeit bereits mit allen Jüngern bekannt und war neulich in Zypern gewesen. Seine vielfachen Erzählungen dort von Jesus, seinen Wundern und von den Urteilen, die man über Ihn fällte, wie Ihn der eine den Sohn Davids, der andere den Christus nenne und die meisten Ihn für den größten Propheten hielten, hatten die Heiden und Juden dort noch begieriger auf Jesus gemacht, von Dem sie schon viel Wunderbares durch seinen Aufenthalt in Sidon und Tyrus gehört hatten. Der zyprische Heide, welcher bei Jesus in Ophra war, war infolge dieser Reden von seinem Herrn, der durch sie sehr bewegt wurde, gesendet worden und Judas war mit ihm zurückgereist. Er war auf dieser Rückreise auch in Ornithopolis, wo die aus Griechenland dahin gezogenen Eltern von Saturnin lebten.

Als Judas unterwegs erfuhr, dass Jesus in die Gegend von Meroz kommen werde, wo er sehr bekannt war, suchte er den Bartholomäus in Dabbeseth auf, den er schon kannte und lud ihn ein, mit ihm nach Meroz zu ziehen und ihn Jesus vozustellen. Bartholomäus wollte es gerne tun, reiste aber zuerst nach Kapharnaum mit Judas Thaddäus zu den dortigen Jüngern und von da mit Thaddäus und Philippus nach Tiberias, wohin sie Simon den Zelot mitnahmen und trafen in Naim mit Judas zusammen, der ihnen entgegengereist war. Er ersuchte sie nochmals, ihn Jesus zum Jünger vorzuschlagen. Sie hatten Wohlgefallen an seiner Gewandtheit und Dienstfertigkeit und an seinem gefälligen Wesen.

Judas Ischariot mochte damals fünfundzwanzig Jahre alt sein, war von mittlerer Größe und nicht hässlich. Er hatte sehr schwarze Haare, sein Bart war etwas rötlich. In seiner Kleidung war er ganz sauber und feiner als die gemeinen Juden. Er war gesprächig, dienstfertig und machte sich gerne wichtig, erzählte mit der Miene der Vertraulichkeit gerne von großen und heiligen Leuten und war vorlaut, wo man ihn nicht kannte. Wenn ihn aber jemand, der es besser wusste, der Unwahrheit strafte, so zog er sich beschämt zurück. Er war ehrrang- und geldsüchtig, war immer auf gut Glück ausgegangen, sehnte sich nach Ruhm, nach einem Amt, nach Ehre, nach Geld, ohne dass dieses alles noch recht klar in ihm geworden wäre. Jesu Erscheinung reizte ihn sehr. Die Jünger wurden verpflegt, der reiche Lazarus nahm teil an Jesus. Man glaubte, Er werde ein Reich aufrichten. Man sprach allerhand von einem König, vom Messias, vom Propheten von Nazareth. Jesu Wunder und Weisheit erfüllten jeden Mund. Judas hatte große Begierde, sein Jünger genannt zu werden und an seiner Herrlichkeit, die er für eine weltliche hielt, einst teilzunehmen. Schon lange hatte er überall die Nachrichten über Jesus aufgesammelt und die Neuigkeiten von Ihm herumgetragen. Er hatte sich mit mehreren der Jünger bekanntgemacht und war nun in seine Nähe gekommen. Er sehnte sich auch darum besonders in seine Nähe, weil er kein bestimmtes Geschäft hatte und ein halber Gelehrter war. Auch mit Rechnen und Handel hatte er sich abgegeben und mit seinem Vermögen, das er von seinem natürlichen Vater erhalten hatte, ging es zu Ende. Er hatte in der letzten Zeit allerlei Kommissionen, Geschäfte und Mäkeleien für Leute getrieben, die ihn brauchten und war sehr eifrig und geschickt dazu. Seines verstorbenen Vaters Bruder hieß Simeon und lebte vom Feldbau in Ischariot, einem Örtchen von etwa zwanzig Häusern, welches zu Meroz gehörte und nicht weit gegen Morgen davon entfernt lag. Hier hatten seine Eltern sich eine Zeitlang aufgehalten und er meistens nach ihrem To. Daher hat er den Namen Ischariotes erhalten. Seine Eltern trieben eine herumziehende Lebensart, denn seine Mutter war eine Tänzerin und Sängerin. Sie stammte aus Jephtes Geschlecht, aus dem seiner Frau, aus dem Lande Tob. Seine Mutter war auch Dichterin, machte Lieder und Sprüche und sang sie zur Harfe, lehrte andere junge Frauen tanzen und brachte allerlei Frauenschmuck und Moden von einem Ort zum andern. Ihr Mann, ein Jude, war nicht bei ihr. Er lebte in Pella. Judas war ihr außereheliches Kind, dessen Vater ein Kriegs-Oberster bei Damaskus war. Als sie den Judas auf ihrer ziehenden Lebensart bei Askalon geboren hatte, machte sie sich durch Aussetzen von ihm los. Judas wurde bald nach seiner Geburt an einem Wasser ausgesetzt und reichen, kinderlosen Leuten zugespielt, bei denen er eine vornehme Erziehung erhielt. Er ist aber später ein böser Bube geworden und durch eine Betrügerei wieder zu seiner Mutter wie in Pension gekommen. Es schwebt mir auch vor, dass der Ehemann seiner Mutter, als er den Ursprung des Judas erfuhr, ihn verflucht habe. Judas besaß einiges Vermögen von seinem natürlichen Vater und hatte viel Geschick. Nach dem Tod seiner Eltern lebte er meist in Ischariot bei seinem Onkel mütterlicherseits (Oheim) namens Simeon, einem Gerber und ließ sich zum Handel gebrauchen. Er war übrigens jetzt noch kein Bösewicht, aber nach dem Mund redend, ehr- und geldgierig und ohne Festigkeit. Er war auch nicht ausgelassen oder religionslos, sondern hielt alle jüdischen Gebräuche ordentlich. Er kommt mir vor, wie ein Mensch, der ebenso leicht zum Besten, als zum Schlechtesten sich hinneigen kann. Bei all seiner Gewandtheit, Freundlichkeit und Gefälligkeit hatte er einen finstern, traurigen Ausdruck im Gesicht, was von seiner Habsucht, seiner Begierde, seinem geheimen Neid, selbst nach den Tugenden anderer, herrührte,

Er war nicht gerade hässlich, hatte etwas Freundliches, Schmeichelndes, doch Widerliches, Niederträchtiges im Gesicht. Sein natürlicher Vater hatte etwas Gutes in sich und davon kam etwas in Judas. Als er später zu seiner Mutter wieder zurückkam und diese darüber mit ihrem Mann in Streit geriet, verfluchte sie ihn. Sie und ihr Mann waren Gaukler, trieben allerlei Künste und waren bald wohlhabend, bald hatten sie nichts.

Die Jünger mochten den Judas anfänglich gut leiden wegen seiner Dienstwilligkeit. Er putzte sogar die Schuhe. Er konnte erstaunlich laufen und machte anfangs große Wege für die Gemeinde. Ich sah ihn nie Wunder tun. Er war immer voll Eifersucht, Neid und gegen Ende des Lebens Jesu war er des Herumziehens, des Gehorsams und des ihm unverständlichen Geheimnisvollen müde.

Mitten in Meroz ist ein schön eingerichteter Brunnen, der sein Wasser durch eine Röhrenleitung vom nahen Berg im Norden der Stadt erhält. Es sind fünf Umgänge um den Brunnen, in welchem Behälter angebracht sind, zu denen das Wasser aus dem Brunnen durch Pumpen fließt. Im äußersten Umkreis befinden sich auch einige Häuschen für Bäder. Der ganze Raum kann geschlossen werden. Hierher in diese Gänge um den Brunnen wurden viele schwer und für unheilbar gehaltene Kranke der Stadt auf Betten gebracht und die Kränksten hatte man in die Häuschen am äußersten Gange gelegt. Die Stadt hatte erstaunlich viele schwerkranke Leute, denn sie ist verkommen, verachtet und ratlos. Es sind da alte Wassersüchtige, Lahme und alle Arten von kranken Leuten. Jesus begab sich mit seinen Jüngern dahin, außer Judas, der Ihm noch nicht vorgestellt war. Die Pharisäer des Ortes und einige hinzugekommene Fremde waren mit zugegen und standen an dem mittelsten Brunnen, wo man alles übersehen konnte. Sie staunten und ärgerten sich teils an den Wundern Jesu, denn sie waren alte, festsitzende Leute, hatten immer nur mit weisem Kopfschütteln, Lächeln, Achselzucken davon gehört und glaubten nicht recht. Jetzt aber mussten sie staunen und sich ärgern, da sie die schweren, unheilbaren Kranken ihrer Stadt, an deren Übeln sie Jesu Heilung scheitern zu sehen gehofft, geheilt und lobsingend ihre Betten nach Hause tragen sahen. Jesus lehrte, ermahnte und tröstete die Kranken und kümmerte sich um die Pharisäer nicht. Die ganze Stadt war voll Freude und Lobgesang. Dieses dauerte von Morgen bis gegen Mittag.

Nun zog Jesus mit den Jüngern wieder zum östlichen Tor zu seiner Herberge hinaus. Auf dem Wege durch die Straßen schrieen Ihn einige wütende Besessene an, welche man aus ihrem Behälter losgelassen hatte. Jesus befahl ihnen zu schweigen. Da schwiegen sie und kamen ganz demütig vor seine Füße. Er heilte und ermahnte sie, sich zu reinigen. Von der Herberge aber ging Er mit den Jüngern zum Hause der Aussätzigen, das eine Strecke weit vor der Stadt lag. Er ging in das Haus der Aussätzigen, rief sie heraus, rührte sie an, heilte sie und befahl ihnen, sich vor den Priestern zur gewöhnlichen Reinigung zu stellen. Die Jünger hatte Er nicht mit in das Haus genommen, sondern sie bergaufwärts gesendet, wo Er nach der Heilung der Aussätzigen eine Lehre halten wollte.

Auf diesem Wege kam Judas Ischariot zu den Jüngern. Und als Jesus mit ihnen wieder zusammentraf, stellten Bartholomäus und Simon der Zelot ihn Jesus mit den Worten vor: «Meister hier ist Judas, von dem wir Dir gesprochen haben.» Jesus sah ihn sehr freundlich aber mit unbeschreiblicher Wehmut an. Judas sagte sich verbeugend: «Meister ich bitte, mich teil an deiner Lehre nehmen zu lassen.» Jesus erwiderte sehr sanft und prophetisch: «Das kannst du nehmen, wenn du es keinem anderen überlassen willst.» So ungefähr sagte Er. Ich fühlte, dass Er damit auf Mathias prophezeite, der seine Stelle unter den Zwölfen erhielt und auch auf das Verkaufen Jesu. Der Ausdruck war umfassender, aber ich fühlte dieses dabei.

Nun gingen sie miteinander den Berg hinauf und Jesus begann zu lehren. Auf dem Gipfel des Berges war eine große Menge Volkes von Meroz, dem nördlich am Berg liegenden Atharoth und aus der ganzen Gegend versammelt, auch viele Pharisäer aus diesen Orten. Jesus hatte die Lehre einige Tage vorher durch die Jünger ansagen lassen. Er lehrte strenge vom Reich, von der Buße, von der Verlassenheit dieses Volkes, dass es sich aus seiner Trägheit aufraffen sollte. Es war hier oben kein Lehrstuhl. Die Lehre fand auf einem Hügel statt, der von einem runden Graben und einer Mauer umfangen war, auf der die Zuhörer ruhten und standen.

Die Aussicht ist hier sehr schön und weit. Man sieht über Samaria, Meroz, Thebez, Michmethath und die ganze Gegend weg, aber nicht über den Berg Garizim, sondern gegen dessen alte Tempeltürme. Man sieht südöstlich bis gegen das Tote Meer, östlich über den Jordan nach Gilead: schräg gegen Norden sieht man gegen den Tabor und hat eine Durchsicht in die Richtung von Kapharnaum.

Als es Abend wurde, sagte Jesus, dass Er morgen hier wieder lehren werde. Sehr viele der Leute schliefen unter Zelten hier oben, weil sie zu weit nach Hause hatten. Jesus kehrte mit den Jüngern in die Herberge vor Meroz zurück und lehrte unterwegs vieles von dem Benützen der Zeit, von der langen Erwartung des Heiles, von dessen Nähe, vom Verlassen des Seinigen, von der Nachfolge und dem Helfen der Durstigen. In der Herberge nahm Er mit den Jüngern ein Mahl. Auf dem Berge hatte Er den Armen Geld austeilen lassen, das die Jünger von Kapharnaum mitgebracht hatten. Judas war dabei mit besonderer Begierde aufmerksam. Jesus lehrte in der Herberge beim Mahl und noch lange in die Nacht. Heute war Judas zum ersten Mal mit Ihm am Tisch und über Nacht unter einem Dach.

6. Lehre auf dem Berge bei Meroz. Die Töchter der Lais

Am Morgen darauf ging Jesus abermals auf den Berg und hielt eine große Lehre den ganzen Vormittag hindurch fast auf die Art der Bergpredigt. Es war eine große Menge Volkes zugegen. Es ward auch Speise ausgeteilt: Brot, Honig und Fische, welche in Teichen, von den kleinen Bächen der Gegend gebildet, gezogen wurden. Jesus hatte durch seine Jünger einen Vorrat für die Armen angeschafft. Er lehrte abermals gegen das Ende von dem einen Talent, das sie als Kinder der Mägde empfangen und vergraben hätten und schmähte heftig die Pharisäer, welche das arme Volk nur niederdrückten und in Unwissenheit und Sünde stecken ließen. Es waren auch bekehrte Samariten hier oben: und Jesus hielt den Pharisäern vor, warum sie diese hassten, warum sie nicht längst diese Leute zur wahren Lehre zurückgeführt hätten! Die Pharisäer. darüber verärgert, fingen auch an, gegen Ihn zu streiten, besonders Ihm vorhaltend, dass Er seinen Jüngern zu viele Freiheit lasse, dass sie nicht strenge genug in Fasten, Waschen, den Reinigungen, dem Sabbat, der Meidung der Zöllner und Sekten seien, dass sie gar nicht auf die Art wie die Jünger der Propheten und Gesetzlehrer zu leben pflegten.

Jesus antwortete ihnen hierauf mit dem Gebot der Nächstenliebe: Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst. Das sei das erste Gebot! Er verlange von den Jüngern, dass sie dieses zu halten lernten, statt mit äußeren Gebräuchen den inneren Missbrauch zu verstecken. Er sagte dieses etwas verblümt, so dass Philippus und Thaddäus zu Ihm sprachen: «Meister, sie haben Dich nicht verstanden» und Jesus erklärte es nochmals ganz deutlich und beklagte das arme, unwissende, sündhafte Volk, das sie mit aller ihrer äußerlichen Gesetzbeobachtung so hätten verderben lassen und sprach laut aus, dass die, welche so täten, keinen Anteil an seinem Reiche haben würden. Er ging sodann den Berg hinab zu seiner Herberge, welche etwa eine halbe Stunde vom Lehrort und eine halbe Stunde von der Stadt war. Es waren hier dem Wege entlang eine große Menge von Kranken aller Art auf Tragbetten unter Zelten gebracht, welche Seiner harrten. Es waren viele darunter, die früher zu seinen Heilungen zu spät gekommen waren. Sie waren aus der ganzen Gegend hier versammelt und Jesus heilte sie mit Trost und Ermahnung auf verschiedene Weise.

Es befand sich aber auch Lais, eine heidnische Witwe von Naim., hier, um Hilfe von Jesus für ihre beiden Töchter Sabia und Athalia zu erflehen, welche in Naim auf die fürchterlichste Weise vom Teufel besessen in Kammern ihres Hauses eingesperrt waren. Sie waren ganz rasend, wurden hin und her geschleudert und bissen und schlugen um sich - man konnte ihnen nicht nahen. Manchmal lagen sie auch ganz bleich wie tot von Krämpfen zusammengezogen. Ihre Mutter war mit Mägden und Dienern hierher gezogen. Sie harrte so begierig in einiger Entfernung, dass Jesus ihr nahekommen sollte. Aber immer wandte Er sich wieder zu andern. Sie konnte ihre Begierde nicht mehr bändigen und rief öfters, wenn Er nahte: «Ach Herr! erbarme dich meiner!» Jesus aber schien sie nicht zu hören. Die Frauen neben ihr sagten, sie solle doch rufen: «Erbarme dich meiner Töchter!» da ihr selbst ja nichts fehle. Sie sagte aber: «Sie sind mein Fleisch und so Er sich meiner erbarmt, erbarmt Er sich auch ihrer!» und rief abermals. Nun sagte Jesus zu ihr: «Es gebührt sich, dass ich meinen Hausgenossen das Brot eher breche als den Fremden.» Da sagte sie: «Du tust recht, Herr. Ich will gerne warten und selbst wiederkehren, wenn Du heute mir nicht helfen wirst, denn ich bin deiner Hilfe nicht würdig!» Jesus hatte seine Heilungen vollendet. Die Kranken zogen mit ihren Betten lobsingend von dannen. Er wandte sich nicht zu der unglücklichen Frau und schien fort von hier zu gehen. Da ward die Frau sehr betrübt und dachte, ach! Er will mir nicht helfen. Indem aber wandte sich Jesus zu ihr und fragte: «Frau, was verlangst du von Mir?» Sie war verschleiert, warf sich vor Ihm nieder und sagte: «Herr. hilf mir, meine beiden Töchter zu Naim sind vom Teufel gequält! Ich weiß, dass Du ihnen helfen kannst, so Du es willst, denn alles ist in deine Gewalt gegeben.» Jesus antwortete: «Gehe nach Hause! Deine Töchter kommen dir entgegen. Aber reinige dich! Es sind die Sünden der Eltern auf diesen Kindern.» Dieses sprach Er allein mit ihr und sie sagte: «Herr! ich beweine schon lange meine Schuld. Was soll ich tun?» Da sagte ihr Jesus, sie solle sich von ungerechtem Gut freimachen, ihrem Leib Abbruch tun, beten, fasten, Almosen geben und der Kranken sich erbarmen. Sie weinte sehr und gelobte alles und zog freudig von dannen. Die Frau hatte diese zwei Töchter außerehelich. Ihre drei rechtmäßigen Söhne lebten entfernt von ihr und sie besaß noch einiges, was diesen gehörte. Sie war sehr reich und lebte wie vornehme Leute bei all ihrer Reue in Wohlleben. Die Töchter waren in abgesonderten Kammern eingesperrt. Da Jesus mit der Mutter sprach, sanken sie ohnmächtig nieder und der Satan wich wie eine finstere Wolke von ihnen. Heftig weinend und ganz verändert riefen sie ihre Wärterinnen und sagten, dass sie geheilt seien. Da sie hörten, dass ihre Mutter zum Propheten von Nazareth gereist sei, zogen sie ihr entgegen von vielen Leuten ihrer Bekanntschaft begleitet. Sie kamen etwa eine Stunde weit von Naim, wo sie die Mutter fanden und ihr alles erzählten. Die Mutter zog zur Stadt. Die Töchter aber zogen mit ihren Wärterinnen und den Knechten sogleich, um sich Jesus vorzustellen, gegen Meroz, weil sie gehört hatten, dass Jesus morgen noch dort lehren werde.

Während der Heilungen war Manahem, der geheilte blinde Jünger von Koreä, den Jesus zu Lazarus gesendet hatte, nebst den beiden Neffen des Joseph von Arimathäa, von Bethanien hierher gekommen und Jesus sprach mit ihnen. Die heiligen Frauen hatten ihnen Geld und Gaben mitgegeben. Dina, die Samariterin, war bei den heiligen Frauen in Kapharnaum gewesen und hatte eine reichliche Beisteuer gebracht, ebenso Veronika und Johanna Chusa. Auf der Rückreise hatten sie Magdalena besucht und diese sehr verändert gefunden. Sie war schwermütig und es schien ihre Torheit bereits den besseren Regungen zu unterliegen. Sie hatten auch die Samariterin mit nach Bethanien genommen. Auch eine andere bejahrte reiche Witwe ist zu Martha gezogen und hat alles Ihrige zum Gemeindeschatz gegeben.

Da Jesus von den Pharisäern zu einer Mahlzeit eingeladen wurde, fragten sie Ihn, ob denn seine Jünger als junge, unerfahrene Leute und teils ganz ungeschickt, mit Gelehrten umzugehen, auch dabei sein würden? Jesus aber gab zur Antwort: Ja! denn wer Ihn einlade, lade die Genossen seines Hauses auch ein und wer diese nicht wolle, wolle auch Ihn nicht. Sie baten Ihn nun, die Jünger mitzubringen. Es gingen alle zur Stadt in das Festhaus, wo Jesus noch lehrte und Parabeln erklärte.

Das Gut des Lazarus bei der Herberge vor Meroz bestand in schönem Felde und vielen Obstgärten. Auch waren schöne Alleen dabei. Es lebten immer Knechte darauf und verkauften die Früchte. Jetzt aber waren sie als Herbergs-Pfleger noch besonders ausgerüstet. Der längere Aufenthalt Jesu hier um diese Zeit war schon bei der letzten Zusammenkunft mit Lazarus zu Ainon bestimmt worden und die Frauen waren zur Einrichtung der Herberge hierher gereist. Die Leute der Gegend hatten Jesus darum erwartet.

Ehe Jesus sich am folgenden Tag wieder auf den Berg begab, lehrte Er noch am Morgen bei dem Brunnen in Meroz. Hier verwies Er abermals den Pharisäern ihre Vernachlässigung des Volkes. Danach zog Er auf den Berg und hielt eine Lehre in der Art der Bergpredigt, in der Er zum Abschied den Leuten nochmals eine Auslegung von dem vergrabenen Talente machte. Es waren Leute da, die schon drei Tage hier lagerten. Jene von ihnen, welche Mangel litten, wurden abgesondert und durch die Jünger beschenkt und gespeist. Jesus wurde von dem Onkel mütterlicherseits des Judas, namens Simeon von Ischariot, einem alten, schwarzen, frommen rüstigen Mann, gebeten, doch nach Ischariot zu kommen und Jesus versprach es ihm. Als Jesus den Berg hinabging, harrten einige Kranke auf Ihn, welche noch gehen konnten. Er heilte sie. Es war dieses auf dem Weg zwischen der Herberge und dem Gut des Lazarus, eine kleine Strecke unterhalb der Stelle, wo den Leuten durch die Jünger Speisen ausgeteilt worden waren.

Auf demselben Platz aber, wo die Heidin Lais von Naim gestern vor Jesus niedergekniet war, für ihre kranken Töchter bittend, hatten nun heute die geheilten Töchter Athalia und Sabia, von ihren Mägden und Knechten begleitet, Jesus bis jetzt erwartet. Sie und alle ihre Begleiter warfen sich vor Ihm nieder. Sie sagten: «Herr! wir hielten uns nicht würdig, deine Worte zu hören und harrten hier. Dir zu danken, weil Du uns von der Macht des Feindes befreit hast.» Jesus befahl ihnen, aufzustehen und lobte die Geduld und Demut ihrer Mutter und ihren Glauben, dass sie geharrt habe als eine Fremde, bis Er seinen Hausgenossen das Brot gebrochen. Nun aber gehöre sie auch zu seinem Haus. Denn sie habe den Gott Israels erkannt in seiner Barmherzigkeit und der Vater im Himmel habe Ihn gesandt, allen, die an seine Sendung glaubten und Buße wirkten, das Brot zu teilen. Er ließ sich dann von den Jüngern Speise bringen, reichte den anwesenden Mägdlein und ihrer ganzen Begleitung jedem ein Stück Brot und ein Stück Fisch darauf und hielt ihnen noch eine tiefsinnige Lehre darüber, worauf Er mit den Jüngern in seine Herberge ging. Die eine von den Mädchen war zwanzig, die andere fünfundzwanzig Jahre alt. Sie waren durch ihre Krankheit und das eingesperrte Leben ganz weiß und bleich.

7. Jesus in Ischariot und Dothan. Heilung des Jssachar

Jesus ging am Morgen von seiner Herberge mit den Jüngern eine kleine Stunde östlich nach Ischariot. Es liegen hier etwa fünfundzwanzig Häuser tief in einer Schlucht hinab auf sumpfigem Boden in einer Reihe neben einem schwarzen schilfigen Wasser, das, hie und da gestaut, Pfützen zum Gerben bildet. Oft haben sie nicht Wasser genug und müssen dann andere Quellen einlassen. Das Schlachtvieh von Meroz geht auch hier in der Gegend zur Weide. Was sie dort brauchen, schlachten sie gleich hier, ziehen es ab und gerben die Häute. Diese Schlucht liegt gerade an der Nordseite von Michmethath. Das Gerberhandwerk ist wegen des vielen Gestanks von geringerem Rang bei den Juden. Jedoch brauchen sie zum Gerben der Häute von gefallenem Vieh Sklaven von Heiden und sonst niedrigeren Geschlechtern, die in Meroz abgesondert wohnen. Hier in Ischariot ist nichts als Gerberei und es schien mir, als gehörten dem Oheim des Judas, dem alten Simeon, die meisten der Häuser hier.

Judas war seinem alten Oheim ganz lieb und brauchbar in seinem Lederhandel. Er sandte ihn bald mit Eseln aus, rohe Häute einzukaufen, bald mit bereitetem Leder zu den Seestädten, denn er war ein gewandter und pfiffiger Mäkler und Unterhändler. Er war jetzt noch kein Bösewicht und hätte er sich im Kleinen besiegt, er wäre nicht so weit gekommen. Die heilige Jungfrau hat ihn sehr oft gewarnt. Er war sehr schwankend. Er war einer heftigen, aber keiner anhaltenden Reue fähig. Immer hatte er das weltliche Reich im Kopf und als ihm das undeutlicher wurde, fing er an, sich Geld zu machen. Darum ärgerte er sich, dass der Wert von Magdalenas Salbe nicht als Almosen durch seine Hände ging. Am letzten Laubhüttenfest Jesu begann er, sich ganz auf die böse Seite zu werfen. Als er Jesus um Geld verriet, meinte er nicht, dass Er getötet werden würde. Er dachte, Er werde schon wieder loskommen und wollte nur das Geld verdienen.

Judas war hier in Ischariot sehr dienstfertig und hilfreich. Er war hier ganz zu Hause. Sein Oheim, der Gerber Simeon, empfing Jesus und die Jünger schon vor dem Ort und wusch ihnen die Füße und reichte den Imbiss. Dieser Mann ist sehr geschäftig und rüstig. Jesus war mit den Jüngern in seinem Haus. Es waren Frau, Kinder und Gesinde, seine Familie darin.

Jesus ging an die andere Seite des Orts, wo auf einem Feld eine Art Lustgarten ist und wo die Laubhütten noch stehen. Hier waren alle Leute des Ortes versammelt. Und Jesus lehrte über die Parabel vom Sämann und dem verschiedenen Saatboden und ermahnte die Leute, seine Lehre, die sie auf dem Berge bei Meroz gehört hatten, einen guten Boden finden zu lassen.

Als Er danach mit den Jüngern und der Familie ein kleines Mahl stehend einnahm, bat Ihn auch der alte Simeon, Judas, seinen Neffen, den er mannigfach herausstrich, an seiner Lehre und seinem Reiche teilnehmen zu lassen. Jesus antwortete ihm auf eben die Art, wie dem Judas selbst: Hieran stehe es jedem frei teilzunehmen, der seinen Teil nicht einem anderen veräußern wolle. Jesus heilte hier nicht. Die Kranken waren schon am Berg geheilt worden.

Von hier ging Jesus mit den Jüngern gegen Westen schier bis in die Gegend der Herberge zurück, wandte sich dann nördlich und ging, den Berg, wo Er gelehrt, zur Linken und einen anderen zur Rechten, durch ein Tal. Atharoth ließ Er zur Linken, wandte sich etwas nordöstlich, dann wieder nördlich und ging eine Bergterrasse tiefer gegen Dothan, das in das östliche Tal der Ebene Esdrelon niedersieht. Es hat östlich Berge über sich und westlich das Tal unter sich.

Jesus wurde auf dem Weg von drei Haufen Menschen begleitet, die geteilt dieses Weges zogen und von seiner Berglehre nach ihren verschiedenen Orten zum Sabbat zurückkehrten. Er ging mit diesen Haufen abwechselnd. Von der Herberge hatte Er beinahe drei Stunden nach Dothan. Dieser Ort ist wohl so groß als Münster. Ich hatte ein Bild, dass Elisäus hier von Jeroboams Soldaten gefangen werden sollte, die aber blind wurden. Es führen zwei Landstraßen durch Dothan, welches fünf Tore und Straßen hat. Eine Straße führt von Galiläa nach Samaria und Judäa hinab, die andere kommt von jenseits des Jordan herüber und führt durch das Tal nach Apheke und Ptolomais zu ans Meer. Es ist Holzhandel hier. Hier herum auf dem Gebirge und bei Samaria ist noch viel Holz, über dem Jordan aber und bei Hebron und am Toten Meer ist es kahler auf den Bergen. Ich sah auch hier in der Nähe viele Holzbereitung. Tiefe Stellen waren mit Zelten überspannt und da wurden Balken zu allerlei Schiffsteilen bearbeitet, auch dünne lange Stöcke zu Flechtwänden bereitet. Vor den Toren an den Landstraßen, die sich in Dothan kreuzen, sind mehrere Herbergen.

Jesus ging mit den Jüngern zur Synagoge, wo man schon versammelt war. Es waren viele Pharisäer und Lehrer hier. Sie mussten Jesu Ankunft wissen, denn sie waren so höflich. Ihn vor der Synagoge auf dem Platz zu empfangen. Ihm die Füße zu waschen und den Bissen zu reichen. Dann führten sie Ihn hinein und gaben Ihm die Gesetzesrollen. Die Lehre war vom Tod Saras und von Abrahams zweiter Ehe mit Ketura und von Salomos Weihe.

Nach der Sabbatslehre ging Jesus vor die Stadt in die Herberge, wo Er Nathanael, den Bräutigam und zwei von den Söhnen des Kleophas und der älteren Schwester seiner Mutter und noch ein paar andere Jünger fand, die sich hier zum Sabbat versammelt hatten, so dass nun ungefähr siebzehn Jünger bei Ihm waren. Auch die Leute von dem Haus auf dem Gut des Lazarus, bei Ginäa, wo Jesus neulich war, da Er nach Atharot ging, waren hier auf dem Sabbat.

Dothan ist eine alte, schön und fest gebaute Stadt in sehr angenehmer Lage. Sie hat zwar Gebirge hinter sich, aber ist nicht davon bedrängt und vor sich sieht sie auf das schöne Feld Esdrelon. Auch sind die Berge hier nicht so zerrissen und steil, es liegen große Rücken übereinander und auch die Wege sind besser. Die Häuser sind auf die alte Art, wie zu Davids Zeit gebaut. Viele haben kleine Türme auf den Ecken des platten Daches mit großen runden Kugeln darauf, in denen man sitzen und sich umschauen kann. Aus einer solchen Kugel schaute David nach der Bethsabe. Auch sind viele Galerien mit Rosen und selbst mit Bäumen auf den Dächern.

Jesus war in vielen Vorhöfen der Häuser, wo sich kranke Leute befanden, die Er heilte. Die Bewohner flehten Ihn an den Türen an und Er ging mit ein paar Jüngern hinein. Die Jünger wurden hie und da angesprochen und baten für die Leute. Auch an einen abgesonderten Ort zu den Aussätzigen ging Jesus und heilte sie. Es waren viele Aussätzige hier in der Stadt, vielleicht weil sie viel mit fremdem, durchziehendem Handelsvolk zu tun hatte. Außer dem Holzhandel war noch anderer Handel im Ort. Es wurden Teppiche, rohe Seide und solche Waren eingeführt, abgeladen und wieder versendet.

Solche Waren lagen auch bei dem kranken Mann, in dessen Haus Jesus durch Nathanael, , der dort wohnte, gebeten wurde. Es ist ein sehr ansehnliches reiches Haus mit Höfen und offenen Säulengängen umher, und liegt nicht weit von der Synagoge. Es wohnte ein sehr reicher Mann von etwa fünfzig Jahren darin, der Jssachar hieß und an der Wassersucht litt. Vor wenigen Tagen hatte er sich mit einer jungen Frau von fünfundzwanzig Jahren namens Salome verheiratet. Diese Verbindung hatte einen gesetzlichen Grund. Es war so ein Verhältnis wie mit der Ruth von Booz. Es kam der Salome das Vermögen zu. Die bösen Mäuler in der Stadt, besonders die Pharisäer, hielten sich sehr über diese Ehe auf und sie war das allgemeine Stadtgespräch. Jssachar und Salome hatten aber ihr Vertrauen auf Jesus gesetzt und schon das letztemal, als Er hier in der Nähe vorbeireiste, auf Ihn gehofft.

Dieses Haus war aus früherer Zeit mit Jesus bekannt, als die Vorfahren der Salome noch lebten, denn Maria, da sie mit dem heiligen Joseph zu Elisabeth von Nazareth aus reiste, hatte in diesem Haus Herberge gehabt. Es war dieses kurz vor dem Osterfest. Joseph ging noch mit Zacharias von Hebron zum Osterfest und als er nach Hebron zurückkam, blieb Maria noch da, und er kehrte nach Hause zurück. So hatte also Jesus noch im Schoße seiner Mutter hier Gastfreundschaft empfangen und kam heute als der Heiland in dieses Haus, jene Liebe der Eltern an dem kranken Sohne nach einunddreißig Jahren zu belohnen.

Salome war das Kind dieses Hauses und die Witwe des Bruders von Jssachar, dieser aber der Witwer ihrer verstorbenen Schwester. Das ganze Haus und Vermögen kam ihr zu. Beide waren kinderlos und die einzigen Nachkommen eines guten Stammes. Sie heirateten, auf Jesu barmherzige Heilung hoffend. Salome rechnete sich aus der Verwandtschaft des heiligen Joseph, sie stammte aus Bethlehem, und Josephs Vater pflegte ihren Großvater aus diesem Haus Bruder zu nennen. Obschon er nicht sein leiblicher Bruder war. Sie hatten einen Nachkommen der Familie Davids unter ihren Vorfahren, der, glaube ich, auch ein König gewesen war. Sein Name klang wie Ela. Aus dieser alten Freundschaft war Joseph mit Maria hier eingekehrt. Jssachar war aus dem Stamme Levi.

Beim Eintritt in das Haus kam Salome Jesus mit ihren Mägden und Dienern entgegen, warf sich vor Ihm nieder und bat um die Heilung ihres Mannes. Jesus ging mit ihr in die Kammer des Kranken. Er lag ganz eingewickelt auf seinem Lager. Er war wassersüchtig und an der einen Seite ganz gelähmt. Jesus grüßte ihn und redete liebreich mit ihm. Der Mann war sehr gerührt und freundlich, konnte sich aber nicht aufrichten. Jesus betete, rührte ihn an und gab ihm die Hand. Da richtete sich der Mann auf, legte ein anderes Gewand an und stand von seinem Lager auf und er und seine Frau warfen sich vor Jesus nieder. Der Herr ermahnte sie, segnete sie und versprach ihnen Nachkommenschaft und trat mit dem Mann und der Frau aus der Kammer heraus zu den versammelten Hausgenossen, welche eine große Freude hatten. Es blieb diese Heilung heute noch verschwiegen.

Jssachar lud Jesus ein, mit allen den Seinigen heute Nacht bei ihm zu herbergen und nach der Synagoge das Mahl bei ihm einzunehmen, was Jesus annahm. Hierauf ging Er in die Synagoge und lehrte. Gegen das Ende begannen die Pharisäer und Sadduzäer gegen Ihn zu streiten. Er war bei der Auslegung von Abrahams Ehe mit der Ketura auf die Ehe gekommen und lehrte von derselben. Die Pharisäer brachten die Ehe des Jssachar mit der Salome zur Sprache und verwarfen sie und nannten es unsinnig, dass ein so kranker, alter Mann eine junge Frau heirate. Jesus sagte aber, dass diese Leute nach dem Gesetze geheiratet hatten und wie nun sie, die so streng das Gesetz hielten, ihn deswegen tadeln könnten. Sie antworteten: wie er hier das Gesetz aufrechthalten wolle? Da ein so kranker alter Mann keinen Segen haben könne, so könne er auch das Gesetz nicht erfüllen. Es sei dieser Handel nur ein Ärgernis. Jesus antwortete: «Sein Glaube hat ihm die Frucht bewahrt.» Ob sie der Allmacht Gottes Schranken setzen wollten? Ob dieser Kranke nicht aus Gehorsam gegen das Gesetz geheiratet habe? So er auf Gott vertraut habe und glaube, dass ihm Gott helfen könne, habe er sehr wohl getan. Aber es sei dies nicht die Ursache ihres Unwillens. Sie hätten gehofft, dass diese Familie aussterben werde ohne Erben, und dass sie das Gut unter ihre Hände kriegen würden. Er erwähnte auch noch vieler alter frommer Leute, deren Glaube mit Nachkommenschaft belohnt worden sei und sprach noch vieles von der Ehe, worüber die Pharisäer voll Grimm verstummten.

Aus der Synagoge ging Jesus, da der Sabbath geendet war, in das Haus des Jssachar mit den Jüngern, wo eine schöne Mahlzeit war. Jssachar saß mit Jesus und den verwandten Jüngern an einem Tisch, die Frau ging ab und zu und diente. Vorher aber heilte Jesus noch mehrere Kranke in der Dämmerung bei Fackelschein, welche sich vor der Synagoge und bei Jssachars Haus versammelt hatten. Die anderen Jünger aßen in einem anderen Saal. Es waren hier auch Judas Ischariot. Bartholomäus und Thomas nebst seinem rechten und einem Stiefbruder. Er hatte noch zwei Stiefbrüder. Sie waren hierher zum Sabbat aus Apheke sieben Stunden weit gekommen und wohnten hier im Haus, wo Thomas durch seinen Handel gut bekannt war. Er hatte noch nie mit Jesus gesprochen, sondern nur mit seinen Bekannten unter den Jüngern, denn er war nichts weniger, als zudringlich. Auch Jakobus der Kleinere war von Kapharnaum zum Sabbat hier und noch ein Nathanael, , der Sohn der Witwe Anna, des Kleophas früherer Tochter, die jetzt bei Martha lebt. Er war der jüngste ihrer Söhne, die bei der Fischerei des Zebedäus dienten, Er war etwa zwanzig Jahre alt, sehr sanft und lieblich und hatte etwas von dem Wesen des Johannes. Er war im Haus seines Großvaters Kleophas erzogen worden und hatte den Beinamen der kleine Kleophas, um ihn von den andern Nathanael, en zu unterscheiden. Ich habe dieses gehört an diesem Sabbat da Jesus einmal sagte: «Ruft Mir den kleinen Kleophas!»

Man aß bei der Mahlzeit Vögel, Fische, Honig und Brote. Es waren ungemein viele Turteltauben, andere Tauben und bunte Vögel hier, die wie Hühner in Menge um die Häuser liefen und einen schönen Ausflug zur Ebene Jezrael hatten. Bei dem Mahl sprach Jssachar von Maria, dass sie in diesem Haus in seiner Jugend gewesen und dass die Eltern seiner Frau oft davon erzählt hätten, wie jung und schön und fromm sie gewesen.

Joseph sei auch ein bejahrter Mann gewesen. Er hoffe, dass Gott ihm auch Nachkommen geben könne, der ihn durch den Sohn Josephs geheilt habe. Er kannte nicht den Ursprung seines Heilandes. Alle Jünger herbergten hier. Es waren große offene Säulenhallen um das Haus, welche mit Stellwänden zugesetzt wurden, worin ihnen die Lager bereitet wurden. In Dothan sind sehr gute und sehr schlechte Leute. Es erscheint gegen andere Städte hier im Land durch die alte herkömmliche Art seiner festen Häuser, wie Köln bei uns gegen andere deutsche Städte.

Als Jesus am Morgen darauf mit den Jüngern vor die Stadt ging, nahte Ihm Thomas und bat unter die Zahl seiner Jünger genommen zu werden. Er wolle Ihm folgen, und tun, was Er von ihm verlange. Er sei durch seine Lehre und durch seine Wunder, die er gesehen, überzeugt, dass Johannes und alle, die er von seinen Jüngern kenne, wahr von Ihm gesprochen. Er bitte, Er möge ihn teilnehmen lassen an seinem Reich. Jesus sagte ihm, dass Er ihn kenne und gewusst habe, dass er zu Ihm kommen werde. Thomas aber wollte dieses nicht annehmen und behauptete, er habe nie sonst daran gedacht, denn er sei kein Freund von Absonderung und habe sich jetzt erst dazu entschlossen, da er durch seine Wunder überzeugt worden sei. Jesus antwortete: «Du sprichst wie Nathanael, du hältst dich für weise und redest töricht. Soll der Gärtner nicht die Bäume des Gartens, der Winzer nicht seine Reben kennen? Und soll er einen Weinberg bauen und die Knechte nicht kennen, die er hinsenden will?» Er sprach auch eine Gleichnisrede vom Sammeln der Feigen an den Dornen.

Zwei Jünger des Johannes, von dem Täufer zu Jesus gesendet, welche schon in Meroz seiner Berglehre und den Wundern beigewohnt hatten, sprachen hier auch mit Jesus und kehrten dann nach Machärus zurück. Sie gehörten zu den Jüngern, welche sich dort aufhielten und von Johannes vor seinem Kerker gelehrt wurden. Sie hingen heftig an ihm und weil sie die Taten Jesu noch nicht gesehen hatten, sandte er sie zu Ihm, dass sie sich von der Wahrheit dessen überzeugen sollten, was er von Ihm lehrte. Er ließ auch Jesus durch sie abermals bitten, Er möge doch öffentlich und klar aussprechen, wer Er sei, und sein Reich auf Erden gründen. Sie sagten zu Jesus, dass sie von allem überzeugt seien, was Johannes von Ihm verkünde. Ob Er aber nicht bald kommen wolle, Johannes aus seinem Kerker zu befreien? Johannes hoffe, durch Ihn aus seinem Kerker befreit zu werden und sehne sich darnach, Er möge doch sein Reich vollbringen und ihren Meister befreien. Sie glaubten, dieses würde noch ein nützlicheres Wunder sein, als seine anderen Heilungen. Jesus sagte zu ihnen, Er wisse, dass Johannes sich sehne und hoffe, bald aus diesem Kerker befreit zu werden. Er werde auch daraus befreit werden, dass Er aber nach Machärus kommen und ihn befreien solle, das glaube Johannes nicht, der seine Wege bereitet habe. Sie sollten dem Johannes verkünden, was sie gesehen, und dass Er seine Sendung vollbringen werde.

Ich weiß nicht ob Johannes wusste, dass Jesus werde gekreuzigt werden und dass sein Reich kein irdisches sei. Ich meine, dass auch er glaubte, Jesus werde das Volk bekehren und befreien und ein heiliges Reich auf Erden einführen.

Gegen Mittag ging Jesus mit den Jüngern zur Stadt in das Haus Jssachars zurück, wo schon viele Leute versammelt waren und wo das Gesinde und die Hausfrau mit Bereitung von Speisen beschäftigt waren. Trat man auf der Rückseite aus Jssachars Haus, so kam man auf einen schönen Platz, wo ein trefflicher Brunnen, mit Gebäuden umgeben, stand. Dieser Brunnen galt als heilig, denn Elisäus hatte ihn gesegnet. Es war ein schöner Lehrstuhl daselbst, und es waren Einzäunungen und schattige Bäume um ihn, wo vieles Volk zur Lehre sich versammeln konnte. Es wurden hier mehrmals im Jahre, besonders um Pfingsten, solche öffentliche Lehren gehalten. Es waren außerdem auch Schranken und lange Steinbänke, oder schmale Terrassen in der Gegend des Brunnens, wo Karawanen und große Züge von Reisenden gespeist wurden, die aufs Osterfest nach Jerusalem zogen. Das Haus Jssachars aber hatte, als nahe gelegen, die Aufsicht über diesen Brunnen und Platz, und manche Einrichtungen daselbst zum Gebrauche, denn es hatte dieses Haus eine Art Frachtgeschäft. Die Karawanen packten hier um und legten ab und Jssachar versandte die Güter weiter. Es herbergten und aßen daher oft viele reisende Kaufleute und Knechte hier, ohne dass es doch gerade eine allgemeine Herberge war. Es war ein Geschäft, wie das des Vaters von der Braut zu Kana in Galiläa. Der schöne Brunnen hier hatte nur die Unbequemlichkeit, dass die Quelle sehr tief lag und dass das Wasser mit vieler Mühe heraufgepumpt werden musste, dann lief es in Becken, die rings umher standen.

Hier um den Brunnen waren auf Jesu und Jssachars Einladung sehr viele Menschen versammelt. Jesus hielt auf dem Lehrstuhl eine Lehre an das Volk von der Erfüllung der Verheißung, von der Nähe des Reiches, von Buße und Bekehrung und von der Art die Barmherzigkeit Gottes anzuflehen und die Gnaden und Wunder zu empfangen. Er sprach auch von Elisäus, der hier gelehrt und wie die Syrier, die ihn fangen wollten, mit Blindheit geschlagen wurden, und wie Elisäus sie nach Samaria in die Hände der Feinde führte, sie bewirten und nicht erschlagen ließ, sondern wie er seine blinden Feinde sehend machte und zu ihrem König zurücksandte. Er legte dieses auf des Menschen Sohn und die Verfolgungen der Pharisäer aus. Er lehrte auch noch lange vom Gebet und guten Werken, vom betenden Pharisäer und Zöllner, und wie man sich schmücken und salben solle beim Fasten und nicht vor den Leuten prahlen mit seiner Andacht. Die Leute, welche hier sehr von den Pharisäern und Sadduzäern gequält wurden, waren sehr getröstet durch Jesu Lehre. Die Pharisäer und Sadduzäer aber waren schrecklich ergrimmt, da sie diese freudige Versammlung sahen und die Lehre Jesu vernahmen. Besonders aber, als sie Jssachar gesund unter dem Volk erblickten und wie er mit den Seinigen und den Jüngern freudig dem Volk die Speisen austeilte, welches sich den Steinbänken entlang gelagert hatte. Sie wurden so erbittert, dass sie sich ungestüm gegen Jesus andrängten. Es war schier, als wollten sie Ihn gefangennehmen. Sie fingen wieder an, gegen die Heilung am Sabbat zu schmähen. Jesus sagte zu ihnen, sie möchten Ihn ruhig anhören, stellte sie im Kreis umher und brauchte abermals sein gewöhnliches Sprichwort indem Er zu den Vorlautesten von ihnen sagte: «Wenn du am Sabbat hier im Brunnen lägest, würdest du nicht verlangen herausgezogen zu werden?» Und so lehrte Er fort dass sie sich beschämt zurückzogen. Jesus aber verließ nun mit einigen seiner Jünger die Stadt in das Tal hinabsteigend, das westlich von ihr von Süden gegen Norden lief.

Jssachar hat in Dothan reichlich ausgeteilt. Er hat auch Esel mit mannigfaltigem Vorrat nach Herbergen der Gemeinde gesandt und den Jüngern Speisen und Getränke, die schon zu alt geworden, gegen bessere ausgetauscht. Er gab ihnen auch Becher, wie die zu Kana und platte Krüge von weißer Materie mit Ringen zum Anhängen. Die Pfropfen waren wie eine Art Schwamm fest zusammengepresst. Es war ein kühlender Saft aus Balsam darin. Er gab jedem Jünger auch einen Teil Münzen für die Armen und andere Bedürfnisse.

Judas Ischariot und viele andere Jünger kehrten von hier nach Hause zurück. Jesus behielt nur neun bei sich, darunter Thomas, Jakobus den Kleineren, Judas Barsabas, Simon Thaddäus, den kleinen Kleophas (Nathanael), Manhem und Saturnin.

Nach Jesu Entfernung ging das Schwätzen und Höhnen der Pharisäer erst recht an. Sie sagten zu den Leuten: Man sehe wohl, wer Er sei. Er habe sich von Jssachar tüchtig spendieren lassen. Seine Jünger seien zusammengelaufenes, faules Volk, das Er auf fremde Unkosten füttere und schlemmen lasse. Wenn Er etwas Rechtes wäre, würde Er zu Hause bleiben und seine arme Mutter ernähren. Sein Vater sei ein armer Zimmermann gewesen. Ihm habe aber das ehrliche Handwerk nicht behagt, nun ziehe Er herum und mache das Land unruhig.

Als Jssachar austeilte, sagte er immer: «Nehmet vorlieb! Nehmet! Es ist nicht das Meine, es gehört dem Vater im Himmel. Diesem dankt, es ist mir nur geliehen!»

8. Jesus wandelt von Dothan nach Endor. Heilung eines heidnischen Knaben

Nach einem Weg von etwa fünf Stunden, kamen Jesus und die Jünger, da es schon Nacht geworden war, vor einer einsamen Herberge an, wo nur Lagerstellen zu finden waren. Es war ein Brunnen in der Nähe, der noch von Jakob herrührte. Die Jünger sammelten Reiser und machten Feuer. Unterwegs hatte Jesus oft länger mit ihnen gesprochen, besonders zur Unterweisung des Thomas, Simon, Manahem, des kleinen Kleophas und der Neueren überhaupt. Er sprach von der Nachfolge, von dem Verlassen alles des Seinigen ohne Rückblick und Sehnsucht, sondern mit dem vollen Gefühle des Unwerts irdischer Güter. Sie würden alles, was sie verlassen, tausendfältig in seinem Reich wieder erhalten. Sie sollten sich nun reiflich prüfen, ob sie das könnten.

Einzelnen Jüngern hatte Judas Jschariot nicht sonderlich gefallen und besonders dem Thomas nicht. Er sagte es gerade heraus zu Jesus, dieser Judas Simonis gefalle ihm nicht, er sage ihm zu leicht Ja und zu leicht Nein. Warum Er denn diesen angenommen habe, da Er doch gegen andere schwieriger gewesen sei? Jesus antwortete ausweichend, als sei dieser, wie alle, in dem Ratschluß Gottes von Ewigkeit.

Als die Jünger sich zur Ruhe begeben hatten, ging Jesus allein ins Gebirge und betete.

In der Frühe kamen in die Herberge einige Einwohner von Sunem zu Jesus, welches ein paar Stunden östlich liegt und baten Ihn sehr, Er möge doch zu ihnen kommen sie hätten so gefährlich kranke Kinder, Er möge sie heilen. Sie hätten Ihn schon früher vergebens erwartet. Jesus aber sagte, Er könne jetzt nicht kommen, weil andere Ihn erwarteten. Er wolle ihnen aber Jünger senden. Die Leute entgegneten, darauf hätten sie kein Vertrauen. Es seien schon einmal einige bei ihnen gewesen, aber es sei ihnen die Heilung nicht gelungen. Er möge doch selbst kommen. Jesus ermahnte sie zur Geduld und sie verließen Ihn.

Er ging nun mit den Jüngern gegen Endor. Auf dem Wege von Dothan bis Endor liegen zwei Brunnen Jakobs, zu welchen seine Herden geführt wurden. Er hatte immer dabei mit den Amorrhitern zu streiten.

Bei Jezrael vor Endor hatte Lazarus ein Feld. Joachim und Anna hatten ein Feld zwei Stunden gegen Nordost von Endor, wohin Anna Maria begleitete, als sie nach Bethlehem ging. Von diesem Feld gaben sie Joseph noch einen Esel mit, der frei vorauslief. Joachim hatte auch ein Feld jenseits des Jordan, an die Wüste und den Wald Ephraim grenzend, nicht weit von Gaser. Dahin hatte sich Joachim zum Gebet verborgen, als er so traurig vom Tempel kam. Und hier erhielt er auch die Weisung, nach Jerusalem zu gehen, wo Anna ihm unter der Goldenen Pforte begegnete.

Jesus blieb vor Endor bei einer Reihe von Häusern und lehrte. Er ging auch auf das Bitten der Leute in einzelne Häuser und heilte Kranke, deren mehrere auch aus Endor herausgebracht wurden. Darunter waren Heiden, welche sich etwas entfernt hielten. Ein Heide aber aus Endor nahte Jesus mit einem siebenjährigen Knaben, der einen stummen Teufel hatte und oft gar nicht zu bändigen war. Als der Mann nahe war, wurde der Knabe wild, riss sich von seinem Vater los und verkroch sich in eine Höhle des Berges. Der Vater warf sich vor Jesus nieder und klagte ihm seine Not. Jesus ging gegen die Höhle und befahl dem Knaben vor seinen Herrn zu kommen. Da kam er demütig heraus und warf sich vor Jesus nieder, der ihm die Hände auflegte und dem Satan zu weichen befahl. Der Knabe sank in eine kurze Ohnmacht und ein dunkler Dampf wich von ihm. Nun richtete er sich auf, lief seinem Vater zu, ihn anredend. Dieser umarmte ihn und warf sich mit dem Kind vor Jesus danksagend nieder. Jesus ermahnte den Vater und befahl ihm, sich zu Ainon taufen zu lassen. Nach Endor hinein ging Jesus nicht. Die Vorstadt wo Jesus war, hatte schönere Gebäude, als Endor selbst. Endor hat etwas Totes, ein Teil der Stadt liegt wüst und mit zerfallenen Mauern. Es ist, als wenn Gras auf den Straßen wächst. Es wohnen viele abhängige Heiden dort, die zu allerlei öffentlichen Arbeiten verpflichtet sind. Die wenigen reichen Juden, die dort sind, gucken so scheu aus den Türen und ziehen die Köpfe zurück, als wenn sie fürchteten, man stehle ihnen ihr Geld hinter dem Rücken weg.

Von hier ging Jesus gegen zwei Stunden nordöstlich in ein Tal, das aus der Ebene Esdrelon gegen den Jordan an der Nordseite des Gebirges Gilboe hinläuft. In diesem Tal liegt auf einem Hügel, wie eine Insel, die mittelmäßige Stadt Abez, von Gärten und Alleen umgeben. Ein Flüsschen fließt vorbei und östlicher im Tal ist ein schöner Brunnen, den sie Saulsbrunnen nennen, weil Saul hier verwundet wurde. Jesus ging noch nicht in die Stadt, sondern an dem nördlichen Abhang des Gebirges Gilboe zu einer Reihe Häuser, zwischen denen Gärten und Felder lagen, worauf hohe Getreidehaufen waren. Hier begab sich Jesus in eine Herberge, wo Ihn viele Ihm verwandte alte Männer und Frauen erwarteten. Sie wuschen Ihm die Füße und bezeigten Ihm eine aufrichtige vertrauliche Ehrerbietung. Es waren etwa fünfzehn an der Zahl, neun Männer und sechs Frauen. Sie hatten Ihm gemeldet, dass sie hier mit Ihm zusammentreffen wollten. Mehrere unter ihnen hatten Knechte und Kinder bei sich. Sie waren meist sehr alte Leute, Verwandte von Anna, Joachim und Joseph. Einer war ein jüngerer Halbbruder Josephs, der im Tale Zabulon wohnte, ein anderer war der Vater der Braut von Kana, auch die Verwandte Annas aus der Gegend von Sephoris, bei welcher Er vor der letzten Anwesenheit in Nazareth den blinden Knaben geheilt hatte, war darunter. Alle waren vereinigt auf Eseln hierher gereist um Jesus zu sehen und zu sprechen. Ihr Wunsch war. Er möchte Sich doch irgendwo einen festen Aufenthalt erwählen und nicht mehr herumziehen. Sie wollten Ihm einen Ort aussuchen, wo Er ruhig lehren könne und wo keine Pharisäer wären. Sie stellten Ihm die große Gefahr vor, die Er laufe, da die Pharisäer und andere Sekten so erbittert gegen Ihn seien. «Wir erkennen wohl», sagten sie, «welche Wunder und Gnaden von Dir ausgehen, nur habe auch eine Heimat und lehre daselbst in Ruhe, damit wir nicht immer in Sorge um Dich sind!» Sie begannen sogar, Ihm verschiedene Orte vorzuschlagen.

Diese einfältigen frommen Leute taten Jesus diesen Antrag aus großer Liebe. Sie waren geärgert durch die steten Stichelreden der Übelgesinnten, die ihnen zu Gehör gesprochen wurden. Jesus sprach kräftig und liebevoll mit ihnen. Aber auf ganz andere Weise, als mit dem Volke und den Jüngern. Er redete deutlicher heraus, setzte ihnen die Verheißung auseinander und wie Er den Willen seines Vaters im Himmel erfüllen müsse. Er sei nicht gekommen, zu ruhen, nicht für einzelne Menschen, nicht für seine Verwandten, sondern für alle. Alle seien seine Brüder und Verwandten. Die Liebe ruhe nicht. Wer zu helfen gesinnt sei, müsse die Armen aufsuchen. Auf die Bequemlichkeit dieses Lebens sei es nicht abgesehen, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Er gab sich sehr viele Mühe mit diesen guten alten Leuten, welche immer mehr erstaunten über seine Reden und denen die Erkenntnis immer mehr aufging. Ihr Ernst und ihre Liebe zu Ihm wuchs immer mehr. Er ging mit Einzelnen abgesondert auf dem Berg im Schatten lustwandeln und belehrte und tröstete sie, redete dann wieder mit allen zusammen. So brachte Er den Tag zu. Alle zusammen nahmen eine einfache Mahlzeit von Broten, Honig und getrockneten Früchten, welche sie mitgebracht hatten.

An diesem Abend wurde auch der Sohn eines Schullehrers aus dem Ort vor Endor durch die Jünger zu Ihm gebracht. Er war ein Studierter und wollte auch Lehrer an einer Schule werden. Er bat Jesus, dass Er ihn zum Jünger annehme, er sei unterrichtet. Er könne ihn gleich brauchen. Er möge ihm ein Amt geben. Jesus sagte ihm, das könne nicht sein, seine Wissenschaft sei eine andere, er klebe an der Erde und wies ihn ab.

Am folgenden Tage reisten die Verwandten gegen Mittag von hier dem Berg Tabor zu ab, wo sie nach verschiedenen Richtungen sich trennten. Jesus hatte die guten alten Leute ganz erquickt getröstet und erleuchtet. Und wenn sie auch nicht alles verstanden hatten, so waren sie doch still in sich geworden und reisten mit der festen Überzeugung hinweg, dass Er göttliche Worte gesprochen und dass Er recht tue und seine Wege besser kenne, als sie. Noch rührender als die Zusammenkunft war es, als sie unter Tränen in ehrerbietig scheuer Vertraulichkeit, mit Lächeln und freundlichem Winken Abschied nahmen und teils auf Eseln, teils zu Fuß mit langen Stäben, in geschürzten Kleidern durchs Tal hinaufzogen. Jesus und die Jünger begleiteten sie auf den Weg, nachdem sie ihnen beim Aufpacken und Aufsitzen freundlich Hilfe geleistet hatten.

9. Jesus in Abez und Dabrath am Tabor

Jesus ging sodann mit den Jüngern im Tal eine Viertelstunde östlich von Abez zu einem schönen Brunnen, wo mehrere Frauen aus der Stadt Wasser holten. Als sie Ihn kommen sahen, eilten einige in die Abez umgebenden Häuser und bald kamen mehrere Männer und Frauen mit ihnen zurück. Sie brachten Becken, Tücher, Brote und kleine Früchte in Körben und wuschen ihnen die Füße und speisten Ihn und die Jünger. Es versammelte sich noch mehr Volk und Jesus lehrte. Dann führten sie Ihn in die Stadt wo Ihm gleich unter dem Tor und aus allen Häusern und Straßenecken viele Kinder, Mädchen und Knaben, entgegenkamen, mit Blumenkränzen und Gehängen um Ihn her wandelnd. Es schien den Ihn umgebenden Jüngern des Gedränges zu viel zu werden und sie wollten die Kinder wegweisen. Jesus aber sagte: «Geht ihr zurück und lasst sie heran!» Da drangen die Kinder zu Ihm und Er umfasste sie, drückte sie an Sich und segnete sie. Die Mütter und Väter standen in den Türen auf den Galerien der Vorhöfe. Er zog in die Synagoge, wo sich alle versammelten und lehrte. Am Abend heilte Er noch einige Kranke in den Häusern. Es war auch eine Mahlzeit unter einer noch stehenden Laubhütte, wo viele Leute der Stadt teilnahmen.

Thomas ist von Endor aus nach Apheke zurückgegangen. Hier in Abez sah ich, dass einige verhüllte blutflüssige Frauen unter der Menge hinter Jesus schlichen, den Saum seines Rockes küssten und geheilt wurden. An anderen größeren Orten mussten solche Frauen entfernt bleiben. In kleineren Orten nahm man es nicht so genau.

In Abez kam ein Bote von Kana zu Jesus. Der Vorgesetzte der Stadt ließ Ihn bitten, doch gleich zu seinem schwerkranken Sohn zu kommen. Jesus beruhigte ihn, er möge noch warten. Dann kamen auch zwei jüdische Boten aus Kapharnaum von dem heidnischen Mann gesandt, der Jesus schon durch die Jünger wegen seines kranken Knechtes hatte bitten lassen. Sie flehten sehr dringend, Er möge mit ihnen nach Kapharnaum eilen, der Knecht sterbe sonst. Jesus aber sagte ihnen. Er werde zu seiner Zeit kommen, der Knecht sterbe noch nicht. Die Boten hörten sodann seine Lehre.

Die Einwohner von Abez waren meist Gileaditer von Jabes. Sie hatten sich zu der Zeit von Helis Priestertum hier niedergelassen infolge eines Streites unter den Einwohnern in Gilead, der durch den damaligen Richter, der hinreiste, so geschlichtet wurde, dass sie sich hier niederließen. Bei dem Brunnen von Abez ist SauI verwundet worden und auf der südlichen Anhöhe gestorben. Sie nennen ihn daher den Sauls-Brunnen. Die Leute leben hier im Mittelstand. Sie machen Körbe und Matten von Binsen, welche in einigen Sümpfen von Bergwasser in der Nähe reichlich stehen. Sie bereiten auch leichte Hütten von Flechtwerk zum Zusammensetzen und haben außerdem Ackerbau und Weide.

Saul und die Hexe von Endor

Die Israeliten standen vor Endor bei Jezrael. Die Philister zogen von Sunem gegen sie an. Der Kampf war schon angegangen, als Saul mit zwei Männern, alle drei in Prophetenkleidern, im Abenddunkel nach Endor zu der Hexe ging. Sie wohnte außerhalb der Stadt in einem alten Gemäuer. Es war eine verachtete Frau ohne Nahrung, sie war noch nicht alt. Ihr Mann zog mit einem Kasten auf dem Rücken, worin Puppen waren, im Land bei Soldaten und anderem Gesindel umher und trieb Gaukeleien. Da Saul zu ihr kam, war er schon halb verzweifelt. Sie wollte nicht daran, sein Begehren zu erfüllen. Sie meinte, er würde sie bei Saul angeben, der die Zauberei vertilgt hatte. Saul aber schwur hoch und teuer, dass dies nicht geschehen sollte. Da führte sie ihn aus ihrer Stube, in der es ganz ordentlich aussah, in einen Keller. Saul verlangte, sie solle ihm Samuels Geist rufen. Sie zog einen Kreis um Saul und seine Begleiter und schrieb Zeichen um den Kreis und spannte Fäden von bunter Wolle in allerlei Figuren vor Saul hin und wieder. Sie stand ihm gegenüber und hatte noch einen Seitenraum neben sich. Vor ihr war ein Becken mit Wasser in der Erde und sie hatte Platten wie Spiegel von Metall in den Händen, die sie gegeneinander und über das Wasser bewegte. Sie sprach dabei Worte aus und rief einige Mal ganz laut hatte auch dem Saul gesagt, durch welchen Raum der gekreuzten Fäden er durchschauen sollte. Sie konnte so Kriegszüge, Gefechte und Gestalten erscheinen machen durch teuflische Künste und wollte auch dem Saul so ein Blendwerk vormachen. Als sie aber anfing, ihre Gaukeleien zu treiben, sah sie neben sich eine Erscheinung und ließ die Spiegel über dem Wasserbecken fallen, war wie außer sich und schrie: «Du hast mich betrogen! Du bist Saul!» Da sagte Saul, sie sollte sich nicht fürchten. Was sie denn sehe? Sie sagte: «Es steigen Heilige aus der Erde.» Saul sah nichts und fragte: «Wie sieht er aus.» Die Frau war in großem Schrecken und sagte: «Ein alter Mann in priesterlicher Kleidung!» Sie zog Saul heran und entfloh aus dem Gewölbe. Saul aber sah Samuel und warf sich auf sein Angesicht. Da sagte Samuel: warum er ihn beunruhige? Die Strafe Gottes werde sich an ihm erfüllen! Morgen werde er bei ihm unter den Toten sein, die Philister werden Israel schlagen. David werde König werden.

Nach diesen Worten lag Saul vor Trauer und Entsetzen platt an der Erde wie tot. Sie richteten ihn auf und lehnten ihn an die Wand. Die Begleiter wollten ihn bereden, die Frau brachte Brot und Fleisch. Er wollte nicht essen. Die Frau riet dem Saul, nicht in die Schlacht sondern nach Abez zu gehen, wo die Leute als Gileaditen ihm wohlwollten. Saul kam in der Morgendämmerung dahin. Nun wurden die Israeliten über das Gebirge Gilboe hinausgeschlagen. Das ganze Heer kam nicht über Saul. Nur eine Streifpartie drang von dieser Seite herein. Saul saß auf einem Wagen, und einer stand hinter ihm. Die vorbeistürmenden Philister schossen Pfeile und Speere nach ihm und wussten nicht einmal, dass es Saul sei. Da ward er schwer verwundet und sein Begleiter führte den Wagen auf die südliche Anhöhe des Tales aus dem Wege, wo Jesus gestern mit seinen Anverwandten gewesen. Als Saul fühlte, dass er sterben müsse, begehrte er, sein Begleiter solle ihn töten. Der aber wollte nicht. Da lehnte sich Saul in dem Wagen, der vorne eine Lehne hatte, auf die Spitze seines Degens, vermochte aber nicht mehr, sich hineinzustürzen. Nun öffnete sein Begleiter diese bewegliche Vorderlehne des Wagens, dass sie niederfiel. Und so stürzte Saul in seinen Degen. Dann stürzte der Begleiter sich auch in sein Schwert. Hierauf kam ein Amalekiter vorbei, erkannte Saul, nahm sein Geschmeide und brachte es zu David. Nach der Schlacht trug man Sauls und seiner Söhne Leiber zusammen. Diese waren östlicher als er gefallen und schon weiter zurück, als man ihn tötete. Die Philister zerhackten die Leiber.

Der Bach hier im Tale heißt Kadumin (Rich 5, 21) und kommt im Lied der Debbora vor. Es hatte auch der Prophet Malachias sich bisweilen hier aufgehalten und hier prophezeit. Abez liegt etwa drei Stunden von Synthopolis, einer Heidenstadt.

Von dem Brunnen ging Jesus mit den Jüngern noch eine Strecke östlicher. Dann wandte sich sein Weg gegen Norden. Er überstieg die nördliche Höhe des Tals und nach etwa drei Stunden kam Er zu einem Tal am Aufgang des Tabors von der Morgenseite, wo der Bach Kison, der von dessen nordöstlicher Seite kommt um ihn herum zur Ebene Esdrelon fließt. Hier liegt die Stadt Dabrath in einer Bucht der ersten Terrasse des Tabor und schaut gerade über die hohe Ebene Saron zur Gegend, wo der Jordan aus dem See kommt. Der Kisonbach läuft durch sie hindurch.

Jesus blieb vor der Stadt in einer Herberge und ging erst am folgenden Tage in die Stadt Dabrath hinein, wo sich viele Leute um Ihn drängten. Er heilte einige Kranke, deren nicht viele hier sind. Die Luft ist sehr gesund.

Die Stadt ist ganz schön gebaut. Ich erinnere mich noch eines Hauses, das ein großer Vorhof mit Säulengängen umgab, auf welchen Treppen führten und von diesen führten wieder Treppen auf das Dach. Die Stadt hat einen Vorhügel des Tabor hinter sich, und es führen Schlangenwege hinauf. Etwa zwei Stunden braucht man zu seiner Spitze. Es liegen in der Stadt den Mauern entlang römische Soldaten. Es ist hier eine Steuereinnahme. Außerdem hat die Stadt fünf Straßen, jede wird von einem besonderen Gewerbe bewohnt. Dabrath liegt nicht an der Landstraße. Die nächste Handelsstraße zieht wohl eine halbe Stunde von hier vorbei. Es ist aber allerlei Gewerbe hier. Die Stadt mit ihrem Einkommen ist eine Levitenstadt. Die Grenzpfähle von Jssachar laufen kaum eine Viertelstunde von hier. Die Synagoge liegt auf einem freien Platz und auch jenes Haus, in das Jesus hineinging. Denn hier wohnte ein Sohn von einem der Brüder Josephs, seines Nährvaters.

Dieser Bruder Josephs hieß Elia und hatte fünf Söhne, von welchen einer, namens Jesse, hier wohnt der bereits ein alter Mann ist. Seine Frau lebt noch und sie haben sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter. Zwei von den Söhnen sind schon achtzehn bis zwanzig Jahre alt. Sie heißen Kaleb und Aaron. Ihr Vater bat Jesus, sie zu Jüngern anzunehmen, welches Er auch tat. Sie werden mit Ihm gehen, wenn Er wieder das Land herunterkommen wird. Dieser Jesse hat eine Einnahme für die Leviten und steht einer Tuchbereitung vor. Er kauft Wolle auf, die hier gewaschen. gesponnen und gewebt wird. Sie machen feines Tuch. Es ist hier eine ganze Straße, die für ihn arbeitet. Er hat auch in einem langen Gebäude eine Presserei, wo verschiedene Kräuter, die teils am Tabor wachsen, teils aus der Fremde kommen, ausgepresst werden, teils zum Färben, teils werden Saft, Getränke und Wohlgerüche bereitet. Ich sah runde hohle Stämme in Trögen stehen, in welchen durch einen beschwerten Stempel die eingelegten Pflanzen ausgepresst werden. Die Röhren, aus denen das Ausgepresste ausfließt, reichen außer dem Haus und sind mit Zapfen versehen. Wenn die Stempel nicht mehr pressen sollen, werden Keile vorgeschoben. Sie bereiten auch ein Myrrhenöl. Jesse ist mit seiner ganzen Familie sehr fromm, seine Kinder gehen täglich und er oft mit ihnen, an den Tabor zu beten. Jesus wohnt mit den Jüngern bei ihm.

Es waren hier Pharisäer und Sadduzäer. Es war wie eine Art Konsistorium hier. Sie hielten nachher auch Rat zusammen, wie sie Jesus widersprechen wollten. Jesus ging am Abend mit den Jüngern an den Berg Tabor, wo eine Schar Menschen hin beschieden war und lehrte sie im Mondschein bis tief in die Nacht.

Es liegt an der Südostseite des Tabor eine Höhle mit einem Gärtchen, wo der Prophet Malachias oft gewohnt hatte. Oben auf dem Tabor ist eine Höhle mit einem Garten, wo sich Elias und seine Schüler wie auf dem Karmel aufgehalten haben. Diese Höhlen sind Gebetsorte von frommen Juden. Auf der Nordseite des Tabor liegt der Ort Tabor, wovon der Berg den Namen hat und eine kleine Stunde westlicher gegen Sephoris schauend liegt noch ein fester Ort. Chasaloth aber liegt im Tal an der Südseite des Berges, nördlich von Naim, gegen Apheke schauend. Es ist der weiteste Vorsprung von Zabulon auf dieser Seite. Ich habe noch einen späteren Namen davon gehört und sah, dass an diesem Ort Verwandte Jesu gewohnt haben, nämlich eine Schwester der Elisabeth, welche Rhode hieß, wie die Magd der Maria Markus. Diese Rhode hatte drei Töchter und zwei Söhne. Eine der beiden Töchter war eine der drei Witwen. Freundinnen Mariä, deren zwei Söhne unter den Jüngern waren. Einer von Rhodes Söhnen heiratete die Maroni. Als er starb, heiratete seine kinderlose Witwe in zweiter Ehe nach dem Gesetz aus demselben Geschlecht den Eliud, einen Neffen der Mutter Anna. Sie hatte von ihm den Martialis und zog nach Naim. Sie ward zum zweiten mal Witwe und ist die sogenannte Witwe von Naim, deren Sohn Martialis der Herr von den Toten erweckt hat.

Jesus lehrte auf einem Platz vor der Synagoge. Es waren sehr viele Kranke aus der Nachbarschaft gekommen. Die Pharisäer aber waren sehr erbittert. In Dabrath war eine reiche Frau, namens Noemi, die ihren verstorbenen Mann sehr betrogen und im Ehebruch gelebt hatte, worüber er aus Kummer gestorben war. Jetzt hatte sie einen Geschäftsführer, dem sie längst die Ehe versprochen. Aber sie betrog auch ihn. Diese Frau hatte Jesu Lehre in Dothan gehört und war dadurch ganz verwandelt worden. Sie war voll Reue und verlangte nur, Ihn um Vergebung und Buße zu bitten. Sie war nun hier bei Jesu Lehre und Heilung zugegen und suchte Ihm auf alle Weise zu nahen. Aber Er wandte sich immer wieder von ihr. Sie war eine vornehme bekannte Frau und nicht in öffentlicher Verachtung. Als sie auf alle Weise vordringen wollte, traten die Pharisäer ihr in den Weg und fragten sie, ob sie sich denn nicht schäme und baten sie nach Hause zu gehen. Sie ließ sich aber nicht abhalten und ward wie von Sinnen vor Begierde nach Vergebung. Sie drang durch die Menschen durch, warf sich vor Jesus nieder an die Erde und rief: «Herr ist noch Gnade und Vergebung für mich? Herr ich kann so nicht mehr leben! Ich habe schwer an meinem Mann gesündigt. Ich habe auch den Mann betrogen, der jetzt meinem Haus vorsteht!» So sagte sie ihre Schuld vor allen. Jedoch hörten es nicht alle, denn Jesus war abseits getreten und es war ein großes Getöse umher, das die nachdrängenden Pharisäer machten. Als aber Jesus zu ihr sagte: «Stehe auf! Deine Sünden sind dir vergeben!» verlangte sie eine Buße. Jesus beschied sie auf ein anderes Mal. Sie nahm alles ihr Geschmeide ab, die Perlen um den Kopfputz, die Ringe, Spangen, Schnüre um Arme und Hals und sie reichte sie den Pharisäern hin, sie den Armen zu geben und verschleierte das Gesicht.

Nun ging Jesus in die Synagoge, denn der Sabbath fing an. Die ergrimmten Pharisäer und Sadduzäer folgten Ihm. Es wurde von Jakob und Esau gelesen (Gen 25, 19-34. Malachias 1 und 2). Jesus legte die Geburt Esaus und Jakobs auf seine Zeit aus. Esau und Jakob stießen sich im Mutterleib, so auch die Synagoge und die heilig Gesinnten. Das Gesetz ist wild und rau und zuerst geboren wie Esau. Aber es verkauft seine Erstgeburt um ein Gericht, um den Wohlgeruch von allerlei kleinen Gebräuchen und Äußerlichkeiten an Jakob, der nun den Segen empfängt, ein großes Volk wird und Esau müsse ihm dienen. Die ganze Auslegung war sehr schön, die Pharisäer konnten nichts vorbringen. Aber sie disputierten gegen Jesus sehr lange. Sie warfen Ihm auch vor, Er mache sich Anhang, stifte Herbergen im ganzen Land, dahin flösse viel Gut und Geld der reichen Witwen, welches der Synagoge und den Lehrern hätte zugut kommen können. So werde es nun auch mit der Noemi gehen. Wie Er ihr die Sünden vergeben könne?

Am folgenden Morgen war Jesus nicht in der Synagoge, sondern in der Schule der Knaben und Mädchen. Diese Kinder waren danach auch bei dem Mittagsmahl bei Ihm in dem Vorhof des Hauses von Jesse, wo Er sie ermahnte und segnete. Auch die bekehrte Frau war mit ihrem Verwalter bei Ihm. Jesus redete mit beiden allein und zusammen. Die Frau sollte bei ihrer jetzigen Gesinnung nicht mehr heiraten, besonders weil der Mann aus einem geringeren Stand war. Sie trat ihm einen Teil ihres Vermögens ab und das Übrige, bis auf ihren Lebensunterhalt, erhielten die Armen.

Nach der Sabbatsmahlzeit wenn sonst die Juden spazieren zu gehen pflegten, kamen viele jüdische Frauen zu der Hausfrau des Jesse, wo sie vor Jesus ein belehrendes Sabbatspiel hatten und die bekehrte Noemi auch dabei war. Dieses Spiel aber war eine Verbindung von Parabeln, Rätseln oder Fragen, durch welche jede tief getroffen und gerührt wurde. z. B. wo jede ihren Schatz habe, ob sie damit wuchere, ihn verheimliche, mit dem Mann teile, ihn dem Gesinde überlasse, ihn mit in die Synagoge schleppe, ob ihr Herz dabei sei. Ebenso allerlei von Kinderzucht vom Gesinde usw. Jesus sprach auch vom Öl und von der Lampe, vom Brennen der gefüllten Lampe, vom Verschütten des Öles und zwar immer ganz in geistlichem Sinne. Als eine Frau gefragt wurde und ganz freudig sagte: «Ja Meister! Ich besorge die Sabbatslampe immer ganz gut», wurde sie von den Nächstsitzenden belacht, weil sie Jesus gar nicht nach der Bedeutung verstanden hatte. Er gab dann immer eine sehr treffende Auslegung und die verkehrt geantwortet hatten, mussten ein Geschenk für die Armen geben. Die letzte gab ein Stück Tuch.

Jesus schrieb auch mit einem Rohr vor jede ein Rätsel in den Sand nieder und sie mussten die Antwort darauf schreiben. Hierüber lehrte Er dann, indem Er alle ihre verkehrten Neigungen und Fehler entwickelte, so dass sie selbst sehr erschüttert wurden, doch ohne dass eine vor der anderen sich zu schämen brauchte. Es bezogen sich diese Ermahnungen besonders auf die Vergehen, die sie sich bei dem Laubhüttenfest hatten zuschulden kommen lassen, wo in der größeren Freiheit und Freude des Festes leicht gesündigt wurde. Mehrere dieser Frauen sprachen nachher mit Jesus allein, bekannten ihre Gebrechen und begehrten Buße und Vergebung von Ihm. Er tröstete und versöhnte sie. Bei dieser Lehre saßen die Frauen auf Teppichen und Kissen gegen Steinbänke gelehnt unter den Säulen des Vorhofs in einem Halbkreis. Die Jünger und Hausfreunde standen auf beiden Seiten in einiger Entfernung. Es wurde aber nicht sehr laut gesprochen, weil sonst Laurer auf der Straße hätten an der Mauer aufklettern und Störung machen können, denn es war unter freiem Himmel. Die Frauen hatten auch allerlei Gewürze, Konfekt und Wohlgerüche Jesus zum Geschenk mitgebracht. Er gab es den Jüngern, um es den armen Kranken auszuteilen, an die nie so etwas komme.

Ehe Jesus nun zur Synagoge zum Schluss des Sabbats ging, sandten Herodianer zu Ihm, Er möge doch an einen bestimmten Ort kommen in der Stadt, sie wollten mit Ihm sprechen. Jesus sagte den Boten mit ernstem Ausdruck: «Sagt diesen Heuchlern, sie sollen ihre zweizüngigen Mäuler in den Synagogen gegen Mich auftun, da will Ich ihnen und den anderen antworten.» Er gab ihnen nochmals harte Benennungen und ging dann zur Schule.

Die Sabbatslehre handelte wieder von Jakob und Esau, von Gnade und Gesetz, von Kindern und Knechten des Vaters. Er sprach so scharf gegen die Pharisäer, Sadduzäer und Herodianer, dass sie immer mehr ergrimmt wurden. Er legte auch das Ziehen Isaaks von einem Ort zum andern in der Hungersnot und das Verstopfen der Brunnen durch die Philister auf sein Lehramt und die Verfolgung der Pharisäer aus. Aus Malachias lehrte Er, wie nun erfüllt werde, was er geweißagt: «Mein Name soll groß werden in den Grenzen Israels, vom Aufgang zum Niedergang soll mein Name herrlich werden unter den Heiden.» Er sagte ihnen alle Wege, die Er gewandelt sei, den Namen des Herrn zu verherrlichen diesseits und jenseits des Jordan und Er werde sie wandeln bis zum Ziel und legte die Worte: «Ein Sohn soll seinen Vater ehren und ein Knecht seinen Herrn» (Mal 1, 5.6.11) sehr scharf gegen sie aus. Sie waren sehr beschämt und vermochten nichts gegen Ihn.

Als aber das Volk die Synagoge verließ und Jesus mit den Jüngern auch von dannen ging, wurde Ihm in einem Vorhof von den Pharisäern der Weg versperrt. Sie umringten Ihn in einer Halle und verlangten, Er solle ihnen Rede stehen. Es sei nicht nötig, dass man dem gemeinen Volk alles zu Gehör spreche. Nun stellten sie allerhand verfängliche Fragen, besonders über ihr Verhältnis zu den Römern, die hier lagen. Jesus antwortete ihnen so, dass sie schweigen mussten. Und als sie zuletzt Ihn schmeichelnd und drohend aufforderten, Er solle sein Herumziehen mit Jüngern, sein Lehren und Krankenheilen lassen, sonst würden sie Ihn als Ruhestörer und Aufwiegler verklagen und verfolgen. Da sprach Er: «Bis zum Ziel werdet ihr die Jünger, die Unwissenden, die Sünder, die Armen, die Kranken finden, wo Ich wandeln werde, welche ihr unwissend, sündhaft, arm und krank lasst.» Als sie Ihm gar nichts anhaben konnten, verließen sie mit Ihm die Synagoge und waren zum Schein ganz höflich, innerlich aber voll Grimm und Verwunderung.

Der Heide Cyrinus aus Zypern

Von der Schule ging Jesus in der Abenddämmerung mit den Jüngern und Leuten, die Ihn vor der Synagoge erwartet hatten, am Tabor hinan. Hier waren bereits andere und seine Verwandten versammelt. Er saß am Berg, unter Ihm zu seinen Füßen lagen und saßen die Zuhörer. Es war sternhell und Mondschein. Er lehrte bis tief in die Nacht. Er tat dieses öfter mit einzelnen Haufen guter Leute, wenn schon ein schweres Tagewerk vorüber war. Es ist dann stiller, die Menschen werden durch nichts zerstreut, der Himmel die Sterne, die weite Aussicht die angenehme Kühle und der Friede machen die Menschen ruhiger. Sie vernehmen seine Stimme viel klarer, bekennen leichter, schämen sich nicht so, nehmen dann die Lehre mit nach Hause und sinnen unzerstreut darüber nach. So war es besonders in der herrlichen Gegend und der weiten Aussicht des Tabor, welcher Berg wegen Elias und Malachias, die sich hier aufgehalten, allen besonders heilig war.

Als Jesus mit der Schar spät in der Nacht nach Hause zurückkehrte, näherte sich Ihm auf dem Weg ein heidnischer Kaufmann aus Zypern, welcher die Lehre mit angehört hatte. Er wohnte in den Gebäuden des Jesse, mit dessen Kräuterpresserei er in Handelssachen zu tun hatte. Aus Bescheidenheit hatte er sich bisher ganz zurückgehalten. Nun aber nahm ihn Jesus allein in eine Halle des Hauses und saß mit ihm wie mit Nikodemus und unterrichtete ihn über alles, worüber er Ihn mit großer Begierde und Demut fragte.

Dieser Heide, ein sehr edler und weiser Mann, hieß Cyrinus. Er sprach über alles sehr gründlich und nahm Jesu Lehre mit unbeschreiblicher Demut und Freude an. Jesus war auch sehr lieblich und vertraut gegen ihn. Cyrinus sagte, dass er schon lange die Nichtigkeit des Götzendiestes eingesehen und ein Jude habe werden wollen. Aber es sei ein einziges, was ihm einen unwiderstehlichen Abscheu bringe, nämlich die Beschneidung. Ob es denn nicht möglich sei, ohne die Beschneidung zum Heile zu gelangen? Jesus sprach sehr tiefsinnig und vertraut zu ihm über dieses Geheimnis. Er möge seine Sinne von Fleischeslust beschneiden und sein Herz und seine Zunge und möge nach Kapharnaum zur Taufe kommen. Hierauf fragte Cyrinus, warum Er das nicht öffentlich lehre? Er glaube, dass dann mehrere Heiden, welche sich sehnten, sich bekehren würden. Jesus erwiderte: wenn Er dem blinden Volk dieses sagen würde, so würden sie Ihn töten. Man müsse die Schwachen nicht ärgern. Auch könnten allerlei Sekten daraus entstehen und für viele Heiden stehe dieses Gesetz noch als eine Prüfung und ein Opfer da. Es sei aber, da das Reich sich nahe, der Bund der Beschneidung im Fleisch erfüllt und jetzt müsse die Beschneidung des Herzens und des Geistes an dessen Stelle treten. Der Mann fragte auch von der Hinlänglichkeit der Bußtaufe des Johannes und Jesus sprach mit ihm darüber. Cyrinus erzählte auch von vielen Leuten, die sich in Zypern nach Jesus sehnten und klagte Ihm, dass seine beiden Söhne, deren Tugend er übrigens lobte, so große Feinde des Judentums seien. Jesus tröstete ihn darüber und verhieß ihm, dass seine Söhne noch eifrige Arbeiter im Weinberg sein würden, wenn Er sein Werk vollendet haben werde. Sie hießen, glaube ich, Aristarchus und Trophimus und sind nachher Aposteljünger geworden. Dieses rührende nächtliche Gespräch dauerte bis in den Morgen hinein.

Jesse hatte auch an der Sonnenseite des Tabor in ausgehauenen Stellen an den Felsenwänden Gefäße stehen, worin Wohlgerüche aus Kräutern und anderen Substanzen bereitet wurden. Es tropfte etwas aus den Gefäßen in andere nieder und wurde oft umgewendet.

10. Jesus zieht nach Gischala, dem Geburtsort des heiligen Paulus

Von Dabrath ging Jesus am Vormittag mit den Jüngern drei Stunden nordöstlich zum Feld und Ort Gischala, eine kleine Stunde von Bethulien. Im Anfang seines Weges lag Ihm ein Ort gegen Morgen, ich meine Japhia und einer gegen Abend, dem Ort Tabor nördlich, gegenüber. Gischala liegt auf einer Anhöhe, aber niedriger als die Höhe von Bethulien. Es ist eine Festung mit heidnischen Soldaten besetzt, die Herodes besolden muss. Die Juden wohnen in einem kleineren Ort eine halbe Viertelstunde davor. Gischala ist gar nicht wie andere Städte. Einzelne Plätze und Gebäude sind mit Staketen umgeben, wie um Pferde anzubinden und rund um die Stadt stehen Türme mit Stockwerken und mit Mauern umgeben, worin sich eine Schar verteidigen konnte. Dies zusammen macht die wunderliche Stadt aus. An einem der Türme war der heidnische Tempel angebaut. Die Juden in dem Städtchen davor lebten ganz gut mit den heidnischen Soldaten. Sie arbeiteten Lederwerk, Pferde- und Soldatenzeug und waren teils Besitzer, teils Aufseher und Verwalter der wunderbar fruchtbaren Gegend hier, denn von hier an bis Kapharnaum ist die herrliche Gegend Genesareth. Die Festung liegt auf der Höhe und es führen in Absätzen gemauerte Wege hinauf. Das Judenstädtchen liegt offen am Abhang, davor ist ein Brunnen oder vielmehr ein Rohrkasten als Tränke. Das Quellwasser läuft durch Röhren hinein. An diesen Brunnen setzte sich Jesus mit den Jüngern bei seiner Ankunft.

Die Einwohner des Judenorts hatten gerade ein Fest. Groß und klein war in den Gärten und Feldern umher. Die heidnischen Kinder aus der Stadt waren auch gekommen und waren zurück etwas abgesondert versammelt. Als die Leute Jesus zum Brunnen ziehen sahen, kamen die Vorsteher und ihr wohlunterrichteter Schullehrer heran. Sie bewillkommneten Jesus und die Jünger, wuschen ihnen die Füße und reichten ihnen Früchte. Jesus lehrte am Brunnen von der Ernte in einer Parabel, denn diese Gegend war jetzt in der zweiten Ernte von Trauben und allerlei Früchten. Jesus ging auch noch zu den heidnischen Kindern, sprach mit den Müttern, segnete sie und heilte einige, die krank waren.

Es feierten die Juden von Gischala heute den Gedächtnistag ihrer Befreiung von einem tyrannischen Mann, welcher der erste Urheber der Sadduzäer gewesen. Er lebte über zweihundert Jahre vor Christus. Ich habe seinen Namen vergessen. Er war ein Beamter beim Synedrium in Jerusalem gewesen und hatte die Glaubenssachen, die nicht im Gesetz standen, zu bewahren. Er hatte die Leute hier entsetzlich mit seiner Strenge gequält und behauptet, man dürfe von Gott gar keinen Lohn hoffen und müsse alles ganz sklavisch tun. Er war hier geboren. Sie dachten mit Schrecken an ihn und hatten heute ein Fest wegen seines Todes. Es war noch einer aus Samaria mit ihm. Sadoch, welcher die Auferstehung leugnete, setzte seine Lehre fort und war ein Schüler des Antigonus. Auch Sadoch hatte einen Samariter um sich.

Jesus herbergte mit seinen Jüngern bei dem Synagogenvorsteher des Judenortes und lehrte dort in dem Vorhof. Man brachte einige Kranke zu Ihm, die Er heilte, unter anderen eine alte wassersüchtige Frau. Dieser Synagogenlehrer war ein ganz guter und gelehrter Mann. Die Leute hatten hier einen Widerwillen gegen Pharisäer und Sadduzäer und hatten selbst um diesen Lehrer für sich gesorgt. Sie hatten ihn weitherum, auch nach Ägypten, reisen lassen. Jesus sprach lange mit ihm. Er kam wie gewöhnlich auf Johannes zu sprechen, lobte ihn sehr und sagte zu Jesus, da Er so erleuchtet und mächtig sei, wie es sich zeige, warum Er dann keine Anstalt mache, dass dieser herrliche Mann frei werde?

Bei seiner Lehre im Vorhof sprach Jesus prophetische Worte über Gischala zu den Jüngern: drei Eiferer sollten von Gischala kommen: jener erste, wegen dessen die Juden heute das Fest hatten, dann ein künftiger großer Bösewicht, Johann von Gischala, der in Galiläa großen Aufruhr erregt und bei der Belagerung von Jerusalem gräuliche Sachen getrieben hat. Und ein dritter, der schon lebe und aus dem Zorn in Liebe übergehen werde. Er werde für die Wahrheit eifern und alles wieder gut machen: Paulus, der hier geboren war und dessen Eltern später nach Tarsus zogen.

Paulus hat hier nach seiner Bekehrung auf der Reise nach Jerusalem sehr eifrig das Evangelium gepredigt. Seiner Eltern Haus steht noch und ist verpachtet. Es liegt am Ende der Vorstadt Gischala zu. Es sind weitläufige Anlagen von Staketen und kleine Häuschen wie Bleichhütten dabei, die schier bis Gischala reichen. Seine Eltern müssen eine Fabrikation von Tuch gehabt haben oder Webereien. Es hat dieses Haus jetzt ein heidnischer Offizier namens Achias gepachtet und wohnt daselbst.

Heilung des Sohnes eines heidnischen Hauptmannes

Die Fruchtbarkeit dieser Gegend hier ist nicht zu beschreiben. Die Leute haben jetzt die zweite Ernte an Wein, Obst, Würzkräutern und Baumwolle. Auch ein Rohr wächst hier mit unten größeren, oben kleineren Blättern, aus dem tropfenweise, gleich Harz, ein Zucker quillt. Die Bäume, worauf die Laubhütten-Früchte wachsen, Patriarchenäpfel von ihnen genannt, da sie von den Patriarchen aus dem wärmeren Morgenland mitgebracht waren, kommen hier vor. Die Stämme sind als Spaliere an Wänden gezogen. Wenngleich der Baum oft mehr als schuhdick wird. Auch sehr viele Baumwollstauden sind hier und ganze Felder von wohlriechenden Kräutern und von der Pflanze, woraus das Nardenöl gemacht wird. Feigen, Ölbäume, Weinstöcke sind da und unzählige herrliche Melonen liegen in den Feldern. An den Wegen hin stehen Palm- und Dattelbäume. Das Vieh weidet in großer Menge zwischen dieser Herrlichkeit in den schönsten Gras- und Kräuterauen. Auch große Bäume mit dicken Nüssen sah ich, deren Holz ungemein zäh und fest ist.

Als Jesus durch die Felder und Gärten wandelte, welche voll von einsammelnden Menschen waren, sammelte sich hie und da eine Schar um Ihn und Er lehrte sie in Parabeln, welche Er von den Gegenständen ihrer Arbeit hernahm. Die heidnischen Kinder waren mit den jüdischen in der Ernte ziemlich vertraut, doch waren sie etwas anders gekleidet.

In dem Geburtshaus des Paulus wohnt jetzt ein Hauptmann der heidnischen Soldaten aus der Festung. Er heißt Achias und hat einen kranken siebenjährigen Sohn, dem er den jüdischen Heldennamen Jephta gegeben hat. Achias, ein guter Mann, sehnte sich nach der Hilfe Jesu. Aber es wollte ihn keiner der Einwohner bei Jesus melden und die Jünger waren teils mit Jesus, teils zerstreut bei den Ernteleuten, denen sie von Jesus erzählten und einzelne seiner Lehren wiederholten. Andere waren bereits voraus als Boten gegen Kapharnaum und in die nächste Gegend gegangen. Die Einwohner liebten den Hauptmann nicht, da er ihnen zu nahe wohnte. Sie hätten ihn gerne hinweg gehabt. Sie waren überhaupt nicht sehr freundlich, auch selbst um Jesus nicht sehr bekümmert. Sie taten ihre Arbeit so hin, hörten zu, erwiesen aber keine lebhafte, heftige Teilnahme. Der bekümmerte Mann war darum selber Jesus in der Ferne nachgeschlichen und als er Ihm näherkam, trat er vor Ihn, verbeugte sich und sagte: «Meister verschmähe deinen Knecht nicht! Erbarme Dich meines kranken Söhnleins, das hier in meinem Haus liegt!» Jesus erwiderte ihm: «Es geziemt sich, erst den Kindern des Hauses das Brot zu brechen, ehe man es den Fremden gibt die draußen stehen.» Achias sagte aber: «Herr! ich glaube, dass Du der Gesandte Gottes bist und die Erfüllung der Verheißung. Ich glaube, dass Du mir helfen kannst und weiß, dass Du gesprochen, die solches glauben, seien Kinder und nicht Fremde. Herr erbarme Dich meines Kindes!» Da sagte Jesus: «Dein Glaube hat dir geholfen!» und ging mit einigen Jüngern in das Geburtshaus des Paulus, worin Achias wohnte.

Es war dieses Haus etwas vornehmer, als die gewöhnlichen jüdischen Häuser, doch ziemlich mit derselben Einteilung. Vorne war ein Vorhof, dann trat man in einen großen Saal, in welchem zu beiden Seiten Schlafräume mit beweglichen Scheidewänden angebracht waren, dann kam man zu der Feuerstelle mitten in dem Haus und ringsum diese lagen einige große Zimmer und Säle mit breiten Steinbänken an den Wänden, auf welchen Teppiche und Kissen lagen. Die Fenster waren hoch oben. Achias führte Jesus in die Mitte des Hauses. Knechte trugen den Knaben in seinem Bett vor Ihn. Die verschleierte Frau des Achias folgte, verbeugte sich scheu und stand in banger Erwartung etwas zurück. Achias war voll Freude, rief sein ganzes Hausgesinde herbei, welches neugierig in der Ferne stand. Der Knabe war ein schönes Kind von etwa sechs Jahren, hatte ein langes wollenes Hemd an und um den Hals einen Streifen Fell, der über der Brust gekreuzt war. Er war stumm und unbeweglich lahm, sah aber sehr klug und lieblich aus und blickte mit großer Rührung nach Jesus.

Jesus sprach zu den Eltern und allen Anwesenden von der Berufung der Heiden, von der Nähe des Reiches, von der Buße, vom Eingehen ins Haus des Vaters durch die Taufe. Dann betete Er, nahm den Knaben von seinem Lager in seine Arme, legte ihn an seine Brust, beugte Sich zu ihm, fuhr ihm mit den Fingern unter der Zunge hin, stellte ihn an die Erde und führte ihn gegen den Hauptmann, der mit der vor Freude zitternden Mutter entgegenstürzte und das Kind unter heftigen Tränen umarmte. Das Kind breitete gleich die Arme gegen die Eltern aus und sprach: «Ach Vater! Ach Mutter! Ich kann gehen, ich kann wieder reden!» Jesus aber sagte: «Nehmt den Knaben hin! Ihr wisst nicht, welch ein Schatz euch an ihm gegeben worden. Euch ist er wieder gegeben und wird von euch gefordert werden!» Die Eltern brachten das Kind wieder zu Jesus und warfen sich mit ihm unter Tränen dankend vor Ihm nieder. Er segnete das Kind und redete sehr lieblich mit ihm. Der Hauptmann bat Jesus mit ihm in ein Gemach zu treten und eine Erquickung anzunehmen, was Er mit den Jüngern tat. Sie nahmen stehend Brote, Honig, kleine Früchte und tranken. Jesus sprach noch mit Achias, er solle nach Kapharnaum kommen, wo getauft werde. Er könne sich dort an Serobabel anschließen, was er hernach mit seinem Gesinde getan hat. Der Knabe Jephta ist später ein sehr eifriger Jünger des Thomas geworden.

Die Soldaten hier in Gischala sind später bei der Kreuzigung Christi gewesen als Wachen. Sie wurden bei solchen Gelegenheiten wie Polizeidiener gebraucht.

Jesus verließ hierauf die Wohnung des glücklichen Achias und sprach mit seinen Jüngern von diesem Kind, dass es einstens Früchte tragen werde und dass von diesem Haus ein anderer bereits ausgegangen sei, der Großes in seinem Reiche vollbringen werde.

11. Jesus lehrt in Gabara. Magdalenas erste Bekehrung

Von Gischala ging Jesus nicht zum nahen Bethulien, sondern ließ es links und wandelte durch das Tal und die Ebene zur ziemlich bedeutenden Stadt Gabara, welche westlich am Fuße des nämlichen Berges liegt auf dessen südöstlicher Seite das Herodianernest Jotapata versteckt liegt. Jotapata ist von Gabara, wenn man um den Berg herumgeht in einer Stunde zu erreichen. Dieser Berg, auf welchen eingehauene Stufen führen, erhebt sich wie eine steile Wand hinter Gabara. Die Einwohner arbeiten in Baumwolle, die wie Seide ist. Sie machen daraus Zeug und Decken, eine Art von Matratzen, die an Haken ausgespannt und befestigt werden. Und das ist dann das ganze Bett. Auch Fische werden hier eingesalzen und weiter versandt.

Schon in Gischala hatte Jesus einzelne Jünger ausgesandt, um in den umliegenden Orten anzusagen, dass Er auf dem Berge über Gabara eine große Lehre halten werde. Es zogen nun aus einem Umkreis von mehreren Stunden große Volksscharen auf den Berg und lagerten sich ringsum. Auf seiner Höhe war ein geschlossener Raum mit einem Lehrstuhl, der lange nicht mehr gebraucht worden war.

Es waren aber nach Gabara auch Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Nathanael-Chased und alle noch übrigen Jünger gekommen, außerdem die meisten Johannesjünger und die Söhne der ältesten Schwester der heiligen Jungfrau. Im ganzen waren wohl an sechzig Jünger, Freunde und Verwandte von Jesus hier beisammen. Die vertrauteren Jünger wurden von Ihm mit Fassen der beiden Hände und Anlehnung des Hauptes an die Wangen empfangen.

Aus Cydessa, eine Stunde westlich von dem nahen Damna, aus Adama und der Gegend am See Merom kamen Scharen von Heiden herbei. Alle Leute, die herbeiströmten, brachten Mundvorrat und Kranke aller Art mit sich. Die Stadt Cydessa ist ein Heidenort mitten in Zabulon. Sie war als ein verwüsteter Ort von Alexander dem Großen, einem Mann aus Tyrus, der Livias hieß, geschenkt worden. Dieser stellte sie wieder her und zog viele seiner heidnischen Landsleute aus Tyrus dahin. Die ersten Heiden, welche zur Taufe des Johannes kamen, waren von Cydessa, das sehr schön liegt und frei auf die herrliche fruchtbare Umgegend sieht.

Magdalena

Magdalena ist auch auf dem Weg zum Lehrberg bei Gabara. Martha war mit Anna Kleophä zu ihr von Damna aus, wo die heiligen Frauen eine Herberge hatten, nach Magdalum gereist, um sie zu bewegen, der Lehre beizuwohnen, welche Jesus auf dem Berg über Gabara halten werde. Veronika, Johanna Chusa, Dina und die Suphanitin waren indes in Damna geblieben, das drei Stunden von Kapharnaum und über eine Stunde von Magdalum entfernt war. Magdalena empfing ihre Schwester ziemlich wohlwollend und führte sie in einen Raum nicht weit von ihren Prachtzimmern, doch nicht in diese selbst. Es war ein Gemisch von wahrer und falscher Scham in ihr. Teils schämte sie sich ihrer einfachen, frommen, schlechtgekleideten Schwester, welche mit dem von ihren Gästen und Gesellschaftern verachteten Anhang Jesu herumzog. Teils schämte sie sich vor Martha, sie in die Gemächer zu bringen, welche der Schauplatz ihrer Torheiten und Laster waren. Magdalena war in ihrem Gemüte etwas gebrochen. Sie hatte nur die Kraft nicht sich loszureissen. Sie war bleich und abgehärmt. Der Mann, mit dem sie lebte, war ihr beschwerlich und war von gemeiner Gesinnung.

Martha behandelte sie sehr klug und liebevoll. Sie sagte zu ihr: «Dina und Maria die Suphanitin, welche du kennst, zwei liebenswerte, geistreiche Frauen, laden dich ein, mit ihnen die Lehre Jesu auf dem Berge anzuhören. Es ist so nahe und sie möchten gerne in deiner Gesellschaft dabei sein. Du brauchst dich ihrer vor dem Volk nicht zu schämen. Sie sind anständig und mit Auswahl gekleidet und haben feine Sitten. Es ist ein so wundervolles Schauspiel: die Menge der Menschen, die wunderbare Rednergabe des Propheten, die Kranken, die Heilungen, die Er tut, die Kühnheit, womit Er die Pharisäer anredet! Veronika, Maria Chusa und die Mutter Jesu, welche dir so wohl will, wir alle sind überzeugt, du werdest uns für die Einladung danken. Ich denke, es soll dich ein wenig erheitern. Du scheinst hier ganz verlassen. Es fehlt dir an Leuten, welche dein Herz und deine Talente zu schätzen wissen. Oh! Wenn du eine Zeitlang bei uns in Bethanien sein wolltest! Wir hören so viel Wunderbares und haben so viel Gutes zu tun. Und du bist ja immer voll Liebe und Barmherzigkeit gewesen. Aber nach Damna musst du morgen wenigstens mitkommen. Da sind wir Frauen in der Herberge. Du kannst abgesondert wohnen und nur mit denen sprechen, die du kennst usw.» Auf diese Weise sprach Martha mit ihrer Schwester und wusste alles Verletzende zu umgehen. Magdalena war in Schwermut ganz willig, machte zwar kleine Einwürfe, aber sie gab nach und versprach Martha, mit nach Damna zu reisen. Sie aß auch mit ihr und kam mehrmals aus ihren Gemächern am Abend zu ihr. Martha und Anna Kleophä beteten am Abend, dass Gott diese Reise an Magdalena fruchtbar werden lasse.

Wenige Tage zuvor war auch Jakobus Major von großem Mitleiden bewegt zu Magdalena gekommen. um sie zur Lehre nach Gabara einzuladen. Sie hatte ihn in einem Nebengebäude empfangen. Jakobus war sehr bedeutend in seinem Aussehen. sprach ernst und weise. aber auch sehr anmutig und machte auf Magdalena einen sehr günstigen Eindruck. Sie erlaubte ihm. sie zu besuchen. so oft er in die Gegend komme. Jakobus sprach mit ihr nicht strafend. sondern mit Achtung und Freundlichkeit und forderte sie auf. doch Jesus einmal zu hören; es sei nicht möglich. Herrlicheres zu sehen und zu hören. Sie möge sich nicht stören an den Zuhörern. solle in der Kleidung erscheinen. die zu tragen sie gewohnt sei. Sie hatte diese Einladung ganz gut aufgenommen; stellte sich aber doch nachher so spröde. als Martha mit Anna Kleophä zu ihr kam.

Am Vorabend vor der angesagten Lehre begab sich Magdalena mit Martha und Anna Kleophä von Magdalum nach Damna zu den heiligen Frauen. Magdalena saß auf einem Esel, denn sie war das Gehen nicht gewohnt. Sie war zierlich gekleidet, doch nicht so übermütig und übertrieben wie ein späteres Mal, als sie zum zweiten Mal sich bekehrte. In der Herberge nahm sie ein getrenntes Gemach ein und sprach nur mit Dina und der Suphanitin, welche sie abwechselnd besuchten. Ich sah sie ganz sanft und höflich vertraut mitsammen. Die bekehrten Sünderinnen jedoch in einer gewissen fremden Vertrautheit, so, als wenn ein Offizier seinen ehemaligen Kameraden, der Priester geworden, wieder findet. Diese Befremdung löste sich jedoch bald in Tränen und Äusserungen weiblicher Teilnahme auf und sie zogen miteinander am Fuße des Lehrbergs in eine Herberge. Die anderen heiligen Frauen gingen nicht zur Lehre, um Magdalena nicht zu stören. Sie waren aber nach Damna gekommen, weil sie wünschten, Jesus möchte hier zu ihnen kommen und nicht nach Kapharnaum gehen, wo die Pharisäer wiederum sich versammelt hatten. Sie wohnten wieder in demselben Haus und waren aus denselben Orten zusammengekommen. Sie werden nun immer da sitzen, weil Kapharnaum der Mittelpunkt der Wanderungen Jesu ist. Der junge Pharisäer aus Samaria, der das letzte Mal da war, ist nicht dabei, ein anderer ist an seiner Stelle. Auch in Nazareth und anderen Orten haben sie sich verschworen.

Die heiligen Frauen und besonders Maria waren sehr bekümmert, denn die Pharisäer hatten laute Drohungen ausgesprochen. Sie sandten einen Boten an Jesus mit der Bitte, Er möge doch in Damna nach seiner Lehre zu ihnen kommen und Sich nicht nach Kapharnaum begeben. Er möge lieber links oder rechts gehen, am besten über den See in die Heidenstädte, damit Er nicht in Gefahr komme. Er ließ ihnen aber zurücksagen, sie sollten Ihn sorgen lassen. Er wisse was Er zu tun habe. Er werde in Kapharnaum zu ihnen kommen.

Bergpredigt bei Gabara. Magdalena

Magdalena und ihre Begleiterinnen waren bei guter Zeit auf dem Berg. Es waren schon unzählige Menschen umher gelagert. Kranke aller Art, waren nach der Art ihres Übels an verschiedenen Stellen unter leichten Zelten und Lauben zusammengestellt. Es waren Jünger heroben, welche die Leute mit vieler Liebe ordneten und ihnen auf alle Weise halfen. Um den Lehrstuhl war ein gemauerter Halbkreis, über demselben eine Decke, auch die Zuhörer hatten da und dort Zeltdächer über sich gespannt. Magdalena hatte in einiger Entfernung einen bequemen Sitz an der Anhöhe mit den Frauen zusammen.

Jesus kam mit den Jüngern gegen zehn Uhr oben an. Die Pharisäer, Herodianer und Sadduzäer kamen nach. Jesus ging auf den Lehrstuhl, die Jünger standen an der einen, die Pharisäer an der anderen Seite im Kreis. Es wurden in der Lehre mehrere Stillstände gemacht, wo die Leute wechselten und eine andere Abteilung hervortrat. Mehreres wurde in der Lehre wiederholt und in Zwischenräumen nahmen die Zuhörer und auch Jesus einmal, eine Erquickung. Jesus nahm einen Bissen und zu trinken. Die Lehre, die Jesus hielt, war eine der schärfsten und gewaltigsten, die Er je gehalten. Ehe Er betete, sprach Er gleich anfangs, sie sollten sich nicht an Ihm ärgern, wenn Er Gott seinen Vater nenne, denn wer den Willen des Vaters im Himmel tue, der sei sein Sohn und dass Er des Vaters Wille tue, bewies Er ihnen dann. Hierauf betete Er zu seinem Vater laut und begann die strenge Bußpredigt auf die Art der alten Propheten. Alles, was von der Zeit der ersten Verheißung an geschehen war, alle Vorbilder und alle Drohungen nahm Er in die Lehre auf und zeigte, wie sie jetzt und in der nächsten Zukunft erfüllt werden. Er bewies die Ankunft des Messias aus der Erfüllung der Prophezeiungen. Er sprach von Johannes dem Vorläufer und Wegbereiter, wie er seine Vorbereitung redlich erfüllt habe, wie sie aber immer verstockt geblieben. Er führte alle ihre Laster, ihre Heuchelei, ihre Abgötterei mit dem sündlichen Fleisch an, schilderte die Pharisäer, Sadduzäer und Herodianer sehr scharf, sprach mit großem Eifer vom Zorn Gottes und dem nahenden Gericht, von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels und dem Wehe über dieses Land. Er sprach auch vieles aus dem Propheten Malachias und erklärte es und führte es aus: vom Vorläufer, vom Messias, von einem reinen, neuen Speiseopfer, was ich deutlich von dem heiligen Messopfer verstand und vom Gericht über die Gottlosen und der Wiederkunft des Messias am Jüngsten Tage und vom Vertrauen und Trost der Gottesfürchtigen. Er sprach, dass die Gnade zu den Heiden hinweg von ihnen ziehen werde.

Er redete die Jünger an, forderte sie zur Treue und Ausdauer auf, sagte ihnen, dass Er sie senden wolle zu allen, um das Heil zu lehren. Er mahnte sie, sich nicht zu den Pharisäern, nicht zu den Sadduzäern, auch nicht zu den Herodianern zu halten, die Er alle öffentlich scharf beschrieb und mit treffenden Vergleichen belegte, ja auf die Er gerade hinzeigte. Das war nun um so verdrießlicher für sie, weil keiner öffentlich ein Herodianer heißen wollte. Sie waren dieser Sekte meist heimlich zugetan.

Da Jesus in dieser Lehre einmal sagte: wenn sie das Heil nicht annehmen werden, werde es ihnen schlimmer gehen, als Sodoma und Gomorrha, so traten die Pharisäer, als eine Pause war, zu Ihm mit der Frage, ob denn dieser Berg, diese Stadt ob das ganze Land mit ihnen allen versinken solle und ob noch etwas Schlimmeres möglich sei? Er aber antwortete: in Sodoma seien die Steine versunken, aber nicht alle Seelen, denn sie hätten die Verheißung nicht gekannt, das Gesetz nicht gehabt und keine Propheten. Er sprach noch Worte, welche ich von seiner Höllenfahrt verstand und dass viele jener Seelen gerettet worden. Ihnen aber, den jetzt Lebenden sei alles gegeben, sie seien das auserwählte Geschlecht das Gott zu einem Volk gemacht. Sie hätten alle Weisungen und Warnungen, Verheißungen und Erfüllung. So sie dieselbe aber zurückstießen und im Unglauben beharrten, würden nicht die Steine, die Berge, die ihrem Herrn gehorchten, sondern ihre steinharten Herzen, ihre Seelen vom Abgrund verschlungen werden. Dieses sei ärger, als das Schicksal Sodomas.

Als Jesus die Sünder so strenge zur Buße gerufen, die Strafgerichte so scharf ausgesprochen hatte, wurde Er wieder voll Liebe, lud alle Sünder zu Sich, ja vergoss Tränen der Liebe. Er betete, dass sein Vater die Herzen rühre, auf dass auch nur ein Haufen, nur einige, nur einer zu Ihm komme, wenngleich mit aller Schuld belastet, wenn Er auch nur eine Seele gewinnen könne. Er wolle alles mit ihr teilen, alles für sie hingeben, gerne mit seinem Leben für sie bezahlen! Er streckte die Hände gegen alle aus und rief: «Kommet! Kommet ihr, die ihr mühselig und belastet seid. Kommet ihr Sünder, tut Buße, glaubt und teilt das Reich mit Mir!» Auch nach den Pharisäern und seinen Feinden, breitete Er die Arme aus, wenn auch nur einer zu Ihm kommen wolle!

Magdalena hatte anfangs wie eine vornehme, selbstsichere, oder doch so scheinen wollende Dame bei den Frauen gesessen. Doch war sie innerlich beschämt und bewegt schon heraufgekommen. Anfangs sah sie unter der Menge umher. Als aber Jesus erschien und lehrte, wurde ihr Blick und ihre Seele immer mehr auf Ihn gefesselt. Sie wurde heftig von seiner Bußrede, von seiner Lasterschilderung, von den Drohungen der Strafe erschüttert, konnte nicht widerstehen, bebte und weinte unter ihrem Schleier. Als Er nun so liebevoll und flehend den Sündern zurief, sie sollten zu Ihm kommen, waren viele Menschen hingerissen und es war eine Bewegung in dem Kreis. Das Volk drängte sich näher heran. Auch Magdalena und die Frauen auf ihre Veranlassung nahten sich. Als Er aber sagte: «Ach! Und wenn es nur eine Seele wäre, die zu Mir nahte!» War Magdalena so bewegt, dass sie zu Ihm hin wollte. Sie tat einen Schritt vorwärts. Die andern aber hielten sie zurück, um keine Störung zu machen und sagten: «Nachher! nachher!» Es erregte diese ihre Unruhe kaum unter den Nächsten Aufmerksamkeit, weil alle ganz auf Jesu Worte gespannt waren. Jesus aber, als wisse Er Magdalenas Rührung, antwortete sogleich mit Trost für dieselbe, indem Er fortfuhr: Wenn auch nur ein Funke der Buße, der Reue, der Liebe, des Glaubens, der Hoffnung durch seine Worte in ein armes verirrtes Herz gefallen sei, es solle Früchte tragen, es soll ihm angerechnet werden, es solle leben und wachsen. Er wolle es nähren und großziehen und zum Vater zurückführen! Diese Worte trösteten Magdalena, sie fühlte sie durch und durch und setzte sich wieder zu den andern.

Hierüber ward es etwa sechs Uhr. Die Sonne stand schon tief dem Berg im Rücken. Jesus war bei der Lehre gegen Abend gerichtet, dahin ging die Aussicht des Lehrorts. Hinter Ihm standen keine Menschen. Er betete, segnete und beurlaubte die Menge. Den Jüngern gebot Er, Speise zu kaufen und den Armen und Bedürftigen auszuteilen. Überhaupt, was einzelne überflüssig hätten, sollten sie durch Bitten oder durch Kauf zu bekommen suchen und den Armen austeilen, selbst, um es mit nach Hause zu nehmen. Ein Teil der Jünger ging sogleich an dieses Geschäft. Die meisten Leute gaben gern und andere verkauften gern. Die Jünger waren hier in der Gegend bekannt und so wurden die Armen gut versorgt und dankten der Milde des Herrn.

Die anderen Jünger gingen unterdessen mit Jesus zu den vielen Kranken, welche heraufgebracht worden waren. Die Pharisäer kehrten geärgert, gerührt, verwundert, ergrimmt nach Gabara zurück. Simon Zabulon, der Vorsteher, erinnerte Jesus, dass er Ihn zur Abendmahlszeit in seinem Haus geladen habe. Jesus sagte, Er werde kommen. So gingen sie hinab, mäkelten und krittelten unterwegs so lange über Jesus, seine Lehre und sein Wesen, indem sich einer vor dem andern schämte, seine Rührung merken zu lassen, dass sie in die Stadt gekommen ganz in ihrer Selbstgerechtigkeit wieder hergestellt waren.

Magdalena aber folgte mit den Frauen Jesus und stellte sich unter das Volk bei den kranken Frauen, als wolle sie helfen. Sie war sehr gerührt und das Elend, das sie sah, erschütterte sie noch mehr. Jesus war zuerst lange mit den Männern beschäftigt und heilte Kranke aller Art. Der Lobgesang der wegziehenden Geheilten und ihrer Begleiter drang in die Luft. Als Er den kranken Frauen nahte, wurde durch die andringende Menge und den Raum, den Er und die Jünger bedurften. Magdalena und die Frauen etwas mehr entfernt. Sie suchte aber jede Gelegenheit jede Öffnung. Ihm zu nahen. Er aber wandte sich immer wieder hinweg.

Jesus heilte einige blutflüssige Frauen. Aber wie wurde es der weichlichen, vom Anblick des Elends ganz entwöhnten Magdalena zumute und welche Erinnerung, welcher Dank kam in die Seele der Maria von Suphan, als sechs zu drei und drei aneinander gebundene Frauen von starken Mägden an langen Tüchern oder Riemen mit Gewalt gegen Jesus herangeführt wurden! Sie waren auf schreckliche Art von unreinen Geistern besessen. Es waren die ersten besessenen Frauen, die ich öffentlich zu Ihm bringen sah. Sie waren teils über den See Genesareth, teils von Samaria hergebracht und waren auch Heidinnen dabei. Man hatte sie erst hier oben so zusammengebunden. Sie waren manchmal ganz still und sanft, taten auch einander nichts. Manchmal aber wurden sie ganz rasend, schrieen und wurden hin und her geschleudert. Man band sie und hielt sie abgesondert, während Jesus lehrte. Nun wurden sie zuletzt herangeführt. Als sie Jesus und den Jüngern nahten, fielen sie in heftigen Widerstand. Der Satan zerrte sie entsetzlich. Sie schrieen die widerlichsten Töne aus und verdrehten ihre Glieder. Jesus wandte sich zu ihnen hin und gebot ihnen zu schweigen und zu ruhen. Da standen sie stille und starr. Nun nahte Er ihnen, ließ sie losbinden, befahl ihnen nieder zu knieen, betete und legte ihnen die Hände auf und sie sanken unter seiner Hand in eine kurze Ohnmacht. Der böse Feind wich wie ein dunkler Dampf von ihnen. Nun wurden sie von ihren Angehörigen aufgenommen und standen weinend und verschleiert vor Jesus, beugten sich vor Ihm zur Erde und dankten. Jesus ermahnte sie zur Bekehrung, Reinigung und Buße, damit das Übel nicht noch grässlicher zurückkehre.

Es war schon in der Dämmerung als Jesus endlich mit den Jüngern nach Gabara hinabging. Viele Scharen zogen vor und hinter Ihm. Magdalena aber, ihrer Empfindung immer ohne äußere Rücksichten hingegeben, folgte dicht nach Ihm in der Schar der Jünger, und ebenso wegen ihrer die andern vier Frauen. Sie suchte Jesus immer so nahe als möglich zu sein. Da dieses für Frauen etwas ganz Ungewöhnliches war. So sagten es einige der Jünger Jesus. Er wandte sich aber zu ihnen und sprach: «Lasset sie gehen! Dieses ist nicht eure Sache!» So kam Jesus zur Stadt und als Er dem Festhaus nahte, in welchem Simon Zabulon die Mahlzeit angerichtet hatte, war der Vorhof wieder voll Kranker und Armer, welche bei seiner Annäherung hineingetreten waren und seine Hilfe anriefen. Sogleich wandte Er sich zu ihnen, ermahnte, tröstete und heilte sie. Indem aber kam Simon Zabulon mit einigen andern Pharisäern und sagte zu Jesus: Er möge doch zum Mahl kommen. Sie warteten. Er habe doch heute wohl schon genug getan. Diese Leute möchten bis auf ein andermal warten. Die Armen wollte er gar hinwegweisen. Jesus aber sagte: dieses seien seine Gäste, die Er eingeladen und Er müsse sie zuerst erquicken. Wenn er Ihn aber zur Mahlzeit eingeladen habe, so habe er diese auch eingeladen und Er werde erst zu seinem Mahl kommen, wenn diesen geholfen sei und werde mit diesen kommen! Da mussten die Pharisäer wieder abziehen und noch dazu Tische für die genesenen Kranken und Armen um den Vorhof herrichten. Jesus heilte aber alle. Die Jünger brachten jene, welche bleiben wollten an die Tische, welche für sie gerüstet waren und es wurden ihnen Lampen angezündet.

Magdalena und die Frauen hatten auch Jesus hierher begleitet und hielten sich in den Hallen des Vorhofes auf, wo sie an den Speisesaal stießen. Jesus kam nachher mit einem Teil der Jünger zu Tisch und sandte von dem reichlichen Mahl Speisen an die Tische der Armen durch die Jünger, welche ihnen dienten und mit ihnen assen. Er lehrte unter dem Mahl und die Pharisäer waren eben in einem heftigen Disput mit Ihm, als Magdalena, welche sich mit ihren Begleiterinnen dem Eingange der Halle genähert hatte und auf einmal in demütiger Beugung des Leibes, das Haupt verschleiert in der Hand eine kleine weiße Flasche haltend, die mit einem Büschel Kräuter verstopft war, mit raschen Schritten in die Mitte des Saales hinter Jesus ging und Ihm das Fläschchen auf das Haupt ausgoss und das lange Ende ihres Schleiers zwischen beide Hände zusammengefaltet fasste und einmal über das Haupt Jesu streifte, als wolle sie die Haare glattstreichen und den Überfluss der Salbe damit abtrocknen. Als diese Handlung schnell geschehen war, trat sie einige Schritte zurück. Das heftige Gespräch stockte. Alles war still und schaute auf die Frau und Jesus. Wohlgeruch verbreitete sich. Jesus war ruhig. Viele steckten die Köpfe zusammen, blickten unwillig gegen Magdalena und flüsterten. Simon Zabulon schien besonders geärgert. Jesus sagte zu ihm: «Ich weiß wohl, was du denkst. Simon! Du denkst, es sei nicht schicklich, dass Ich von dieser Frau Mir das Haupt salben lasse. Du denkst, sie ist eine Sünderin. Aber du hast Unrecht, denn sie hat es aus Liebe getan, was du unterlassen hast. Du hast Mir die Ehre, die dem Gast gebührt nicht erwiesen!» Nun wandte Er sich zu Magdalena, die noch da stand und sagte: «Gehe im Frieden! Dir ist vieles vergeben.» Da ging Magdalena zu den andern zurück und sie verließen das Haus. Jesus aber sprach zu der Gesellschaft von ihr und nannte sie eine gute Frau, welche viel Mitleid habe und sprach von dem Richten anderer, von dem Beschuldigen offener, bekannter Schuld, während man oft viel größere heimliche in seinem Herzen trage. Er sprach und lehrte noch lange und ging dann mit den Seinigen zur Herberge.

Magdalena war gerührt und erschüttert von allem, was sie gehört und gesehen. Sie war in ihrem Innern überwältigt. Und weil eine gewisse heftige Hingebung und Großmut in ihr war, wollte sie Jesus ehren und Ihm ihre Rührung bezeugen. Sie hatte mit Bekümmernis gesehen, dass Ihm, dem wunderbarsten, heiligsten Lehrer, dem liebevollsten, wundertätigsten Helfer von diesen Pharisäern keine Ehre, keine gastfreundliche Auszeichnung beim Empfang und während der Mahlzeit geschehen war und fühlte sich in ihrem Innern bewogen, es statt aller zu tun. Die Worte Jesu, «wenn auch nur einer gerührt sei und kommen wolle» hatte sie nicht vergessen. Die kleine Flasche, welche etwa eine Hand groß war, trug sie meist bei sich, wie vornehme Damen dies hier wohl tun. Sie hatte ein weißes Oberkleid mit großen roten Blumen und kleinen Blättchen durchstickt. Es hatte weite, mit Armringen kraus gefasste Ärmel, war auf dem Rücken weit ausgeschnitten und hing von da ohne Taille in einem Stück nieder. Es war vorne offen und erst über den Knieen mit Riemen oder Schnüren verbunden. Die Brust und den Rücken bedeckte ein festes, mit Schnüren und Geschmeide verziertes Stück, skapulierartig über die Schultern gelegt und an den Seiten verbunden. Darunter war ein anderer bunter Rock. Sie hatte diesmal den Schleier, der sonst um den Hals geschlungen war, weit über alles ausgebreitet. Sie war größer als alle die anderen Frauen, mächtig und doch schlank, hatte sehr schöne spitze Finger, kleine, schmale Füße, eine edle Bewegung, sehr schöne, reiche lange Haare.

Als Magdalena danach mit ihren Begleiterinnen in die Herberge zurückging, wurde sie von Martha eine Stunde weiter in die Herberge am Badesee von Bethulien geleitet wo Maria mit den heiligen Frauen sie erwartete. Maria sprach mit Magdalena. Diese erzählte von Jesu Lehre. Von ihrer Salbung und seinen Worten sprachen die beiden andern. Alle baten Magdalena, doch gleich bei ihnen zu bleiben und wenigstens eine Zeitlang mit nach Bethanien zu gehen. Sie sagte aber, sie müsse zuerst nach Magdalum, ihr Hauswesen in Ordnung zu bringen. Das war allen nicht lieb. Sie konnte übrigens nicht aufhören, von ihrer Rührung und Jesu Herrlichkeit Macht, Sanftmut und Wundern zu sprechen. Sie fühle, dass sie Ihm folgen müsse, ihr Leben sei ihrer nicht wert sie wolle zu ihnen kommen. Sie wurde sehr nachdenkend, weinte oft und es war ihr leichter ums Herz. Aber sie ließ sich nicht erbitten und kehrte nach Magdalum mit ihrer Magd zurück. Martha begleitete sie ein Stück Wegs und traf dann mit den heiligen Frauen wieder zusammen, welche nach Kapharnaum zurückkehrten.

Magdalena ist größer und schöner, als die andern Frauen. Dina aber ist viel tätiger und behender und sehr freundlich und hilfreich an allen Ecken, wie eine rasche, liebevolle Magd und sehr demütig. Alle aber übertrifft die heiligste Jungfrau an wunderbarer Schönheit. Wenngleich ihre Gestalt wohl ihresgleichen an Schönheit hat und an auffallendem Wesen von der Figur Magdalenas übertroffen wird, so scheint sie doch aus allen hervor durch unbeschreibliche Einfalt, Einfachheit, Ernst, Sanftmut und Ruhe. Sie ist so sehr rein und ohne alle Nebeneindrücke, dass man in ihr nur das Ebenbild Gottes im Menschen sieht. Niemandes Wesen gleicht ihr, als das ihres Sohnes. Ihr Angesicht aber übertrifft das aller Frauen an unaussprechlicher Reinheit, Unschuld, Ernst, Weisheit, Friede und süßer andächtiger Lieblichkeit. Sie sieht ganz erhaben und doch wie ein unschuldiges einfaches Kind aus. Sie ist sehr ernst sehr still, oft traurig, aber nie zerrissen und die Tränen laufen ganz sanft über das ruhige Angesicht.

Magdalena war bald wieder in ihrem alten Geleise. Sie hatte Besuche von Männern angenommen, welche in gewohnter niederträchtiger Weise von Jesus, seinem Wandel, seiner Lehre und allen, die Ihm anhingen, sprachen. Es wurde über das, was sie von Magdalenas Anwesenheit in Gabara gehört, gelacht. Sie wollten es für ganz unglaublich halten. Übrigens fanden sie Magdalena schöner und angenehmer, als in letzter Zeit. Durch solche Reden ließ sich Magdalena aufs neue betören und bald sank sie tiefer als zuvor. Durch diesen Rückfall erhielt der Teufel größere Gewalt über sie. Er focht sie heftiger an, da er gesehen, dass er sie verlieren könnte. Sie wurde besessen und fiel oft in Krämpfe und Konvulsionen.

JESU LEHREN UND TATEN IN KAPHARNAUM UND DER UMGEGEND. DIE BERGPREDIGT

1. Der Hauptmann Cornelius

Jesus wandelte von Gabara zum Landgut des Hauptmannes Serobabel bei Kapharnaum. Hier kamen die zwei Aussätzigen, die Er bei seiner letzten Anwesenheit in Kapharnaum geheilt hatte, zu Ihm, um zu danken. Auch der Verwalter, das Hausgesinde und der geheilte Sohn Serobabels waren hier, die bereits getauft sind. Jesus lehrte und heilte mehrere Kranke. In der Dämmerung begab Er sich ins Tal von Kapharnaum zu dem Haus seiner Mutter, nachdem die Jünger zu den Ihrigen sich verteilt hatten. Alle heiligen Frauen waren hier versammelt und es war eine große Freude. Hier baten nochmals Maria und die Frauen Jesus, Er möge doch morgen früh von hier über den See gehen, weil die Kommission der Pharisäer so sehr über Ihn erbittert sei. Er beruhigte sie. Maria bat für den Hauptmann Cornelius wegen seines kranken Sklaven. Er sei ein sehr guter Mann, er habe als ein Heide den Juden aus Zuneigung eine Synagoge erbaut. Auch bat sie Ihn, die kranke Tochter des Synagogen-Vorstehers Jairus zu heilen, der in einem kleinen Ort bei Kapharnaum wohnte.

Als Jesus am Morgen darauf mit einigen Jüngern zum an der entgegengesetzten nördlichen Anhöhe vor Kapharnaum liegenden Hause des heidnischen Hauptmannes Cornelius wandelte, kamen Ihm in der Nähe des dem Petrus gehörenden Hauses die zwei jüdischen Männer entgegen, welche Cornelius schon einmal zu Ihm gesandt hatte. Sie baten abermals. Er möge sich doch seines Dieners erbarmen. Cornelius verdiene es wohl, er sei ein Freund der Juden und habe ihnen eine neue Synagoge erbaut und es sich noch zur Ehre gerechnet es tun zu dürfen. Da Jesus erwiderte. Er sei auf dem Weg zu ihm, sandten sie schnell einen Boten voraus, dem Cornelius die Ankunft Jesu zu melden. Vor Kapharnaum angelangt, nahm Jesus gleich rechts vom Tor den Weg zwischen der Stadt und der Mauer hinauf, kam an der Hütte eines Aussätzigen in der Mauer vorüber und hatte eine kurze Strecke weitergehend schon das Haus des Cornelius im Gesicht. Cornelius aber war auf die Botschaft, dass Jesus nahe, aus dem Hause getreten und als er Jesus sah, kniete er nieder. Sich für unwürdig haltend, in die Nähe Jesu zu kommen und selbst mit Ihm zu reden, hatte sein zu Jesus hineilender Bote zu sprechen: «Der Hauptmann lässt Dir sagen: <Herr! ich bin nicht würdig, dass Du unter mein Dach kommst, sprich nur ein Wort, so wird mein Diener gesund. Denn, wenn ich, der ich ein geringer Mensch bin und ein Untertan meiner Obern, zu meinen Knechten sagen kann: tue dies! tue jenes! und sie tun es, wie viel leichter muss es Dir sein, deinem Knechte zu befehlen, er solle gesund sein und dass er es sei.>» Nach diesen Worten des Boten von Cornelius wandte Jesus sich an die Umstehenden und sprach: «Wahrlich Ich sage euch! Unter den Israeliten habe Ich keinen solchen Glauben angetroffen. So wisset denn! Viele werden vom Auf- und Untergang der Sonne kommen und werden mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmel sein. Und viele Kinder des Reiches Gottes, der Israeliten, werden in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern sein wird, hinausgestoßen werden!» Und gegen den Knecht des Hauptmannes gewendet sagte Er: «Gehe hin! Dir geschehe, wie du geglaubt hast!» Und der Bote brachte diese Worte dem knieenden Hauptmann, der zur Erde sich beugte, aufstand und nach Hause eilte. Unter dem Hause kam schon sein Diener ihm entgegen, in einen Mantel gehüllt und mit umwundenem Kopfe. Er war kein hiesiger Mensch, sondern von gelb-brauner Farbe.

Jesus aber kehrte sogleich nach Kapharnaum zurück und da Er wieder an der Hütte des Aussätzigen vorüberkam, trat der Aussätzige aus der Hütte, warf sich nieder und sagte: «Herr, wenn Du willst, so kannst Du mich reinigen.» Jesus sprach: «Strecke die Hand aus!» rührte sie an und sagte: «Ich will es, sei rein!» Da fiel der Aussatz von dem Mann und Jesus befahl ihm, sich den Priestern zur Beschauung zu stellen und die Opfer zu tun, sonst aber nicht weiter davon Gerede zu machen. Er ging zu den pharisäischen Priestern und ließ sich untersuchen, ob er geheilt sei. Sie waren ganz ergrimmt, untersuchten ihn sehr scharf und mussten ihn freisprechen. Sie hatten aber doch ein Gezänke mit ihm, dass sie ihn schier von sich stießen.

Jesus lenkte hierauf in die Straße ein, welche in die Mitte der Stadt führte, wohin sehr viele Kranke gebracht waren und auch Besessene. Er heilte wohl noch eine Stunde. Die Kranken lagen meist um einen Brunnen, wo sich Hütten befanden. Jesus begab sich hierauf mit mehreren Jüngern aus der Stadt in die Schlucht über Magdalum, nicht weit von Damna, wo eine offene Herberge war. Hier harrten Maroni, die Witwe von Naim, die Heidin Lais von Naim und ihre zwei Töchter Sabia und Athalia, welche beide Er zu Meroz aus der Ferne vom Teufel befreit hatte. Maroni, die Witwe von Naim kam, um Jesus anzuflehen. Er möge zu ihrem zwölf jährigen Sohne Martialis kommen, der so krank sei, dass sie fürchte, ihn tot zu Hause zu finden. Jesus sagte ihr, ruhig nach Hause zu kehren. Er werde kommen. Aber wann, sagte Er nicht. Sie hatte Geschenke für die Herberge gebracht und eilte sogleich mit dem Knecht nach Hause zurück. Es waren von hier etwa neun Stunden. Sie war eine reiche vortreffliche Frau und eine Mutter aller armen Kinder in Naim.

Auch Bartholomäus war hier angekommen und hatte seiner verwitweten Schwester Söhnchen Joses mitgebracht, vielleicht um getauft zu werden. Ebenso Thomas und mit ihm Jephta des Hauptmannes Achias von Gischala geheiltes Söhnchen. Achias war nicht mit dabei, aber Judas Ischariot von Meroz war mitgekommen. Die Lais und ihre zwei Töchter, waren bereits in Naim Jüdinnen geworden und hatten sich vor den Priestern von allem losgesagt. Es war bei dieser Handlung eine Art Taufe durch die Priester, welche aber nur in einer Besprengung mit Wasser und aus verschiedenen Reinigungen bestand. In diesem Fall wurden bei den Juden auch die Frauen getauft, aber bei Jesu und der Taufe des Johannes vor Pfingsten nicht.

In Kapharnaum sind jetzt alle künftigen Apostel, außer Matthäus, sehr viele Jünger und Verwandte Jesu und viele Ihm verwandte Frauen anwesend. Auch Maria Heli, Mariä älteste Schwester, wohl siebzig Jahre alt, nebst ihrem zweiten Mann Obed ist mit einem Esel und Geschenken bei Maria angekommen. Sie wohnte zu Japha, einem kleinen Ort, höchstens eine Stunde von Nazareth, wo Zebedäus sonst gewohnt hat und wo seine Söhne geboren sind. Sie hatte sich sehr gefreut ihre Söhne, die drei Johannesjünger Jakob, Sadoch und Heliachim wieder zu sehen. Dieser Jakobus war schon so alt wie Andreas und ist derselbe, welcher mit dem Jünger Kephas und einem Johannes einmal mit Paulus in jüdischen Beschneidungssachen zu tun hatte. Er wurde nach Jesu Tod Priester, war einer der vornehmsten und ältesten der siebzig Jünger, war später mit Jakobus dem Größeren in Spanien, auf den Inseln, auch in Zypern und in den heidnischen Landen an der Judengrenze. Nicht er, sondern Jakobus der Kleinere, des Alphäus und Maria Kleophä Sohn, war der erste Bischof zu Jerusalem.

2. Jesu Heilungen. Warum Er in Gleichnissen lehrte

Die Pharisäer und Sadduzäer hatten beschlossen, in der Synagoge heute Jesus ernsten Widerstand zu tun und Ihn förmlich in einem vorbereiteten Tumult, wozu sie Leute gedungen hatten, hinauszustoßen oder gefangen zu nehmen. Es kam aber ganz anders. Jesus begann seine Lehre in der Synagoge mit einer sehr strengen Anrede, wie einer, der die Macht und Gewalt hat, so zu sprechen. Der Grimm der erbitterten Pharisäer stieg dermaßen, dass sie eben gegen Ihn losbrechen wollten, als plötzlich ein großer Aufruhr in der Synagoge entstand. Ein Mann aus der Stadt, der vom Teufel besessen war und wegen seiner Raserei sonst festgebunden lag, hatte, während seine Wächter in der Synagoge waren, seine Bande zerbrochen, stürzte wie eine Furie in die Synagoge, drang mit fürchterlichem Geschrei durch das Volk, das er zur Seite stieß und das auch zu schreien begann und rannte bis zur Stelle, wo Jesus lehrte, rufend: «Jesus von Nazareth! Was haben wir mit Dir zu tun? Du bist gekommen, uns zu vertreiben! Ich weiß, wer Du bist. Du bist der Heilige Gottes!» Jesus aber ganz unbewegt, wandte sich kaum von dem erhöhten Stand zu ihm, drohte nur seitwärts mit der Hand und sprach ruhig: «Schweige und fahre aus von ihm!» Da ward der Mensch still und sank hin- und hergerissen nieder. Der Satan wich von ihm wie ein starker schwarzer Dampf. Der Mensch war nun bleich und sanft, sank auf sein Angesicht und weinte. Alle waren Zeugen dieses schrecklichen und wunderbaren Schauspiels der Macht Jesu. Ihr Schrecken ging in ein Geflüster der Bewunderung über. Die Pharisäer hatten alle ihren Mut verloren, ja sie sagten stutzend zueinander: «Was ist das mit diesem Menschen? Er gebietet den Geistern und sie fahren aus!» Jesus fuhr ruhig in seiner Lehre weiter. Der befreite Besessene, schwach und mager, wurde von den Seinigen und seiner Frau, die in der Synagoge war, nach Hause gebracht. Nach der Synagoge kam er zu Jesus beim Herausgehen, dankte und holte sich Rat. Jesus ermahnte ihn, von seinen Lastern abzulassen, damit es ihm nicht ärger ergehe und wies ihn zur Buße und Taufe. Dieser Mann war ein Tuchweber, er machte solche schmale, leichte, baumwollene Tücher, die sie um den Hals hängen haben. Er ging nachher wieder ruhig und gesund an seine Arbeit. Ein solcher unreiner Geist bemächtigte sich oft der Menschen, welche ihren Leidenschaften sich schrankenlos hingaben.

Nach diesem Auftritt hatten die Pharisäer allen Mut verloren, heute Jesus anzufallen. Sie verhielten sich ganz ruhig. Jesus lehrte über die Sabbats-Lesung aus Moses und Hoseas ohne weitere Störung bis zum Schluß, da Er noch sehr ernst und scharf sprach. Sein Wesen und seine Worte waren heute viel strenger als sonst. Er sprach ganz wie einer, der Gewalt hat. Danach ging Er zum Haus Mariä, wo die Frauen und viele Verwandte und Jünger versammelt waren.

Ich habe alle heiligen Frauen der hilfereichenden Gemeinde bis zu Jesu Tod gezählt. Es waren ihrer siebzig, jetzt sind ihrer schon an siebenunddreißig, die daran teilnehmen. Die Töchter der Lais von Naim, Sabia und Athalia, waren zuletzt auch bei den Wandernden. Zu den Zeiten des heiligen Stephanus waren sie bei den Ansiedlungen in Jerusalem.

Auch am folgenden Morgen lehrte Jesus ungehindert in der Synagoge. Die Pharisäer hatten zueinander gesagt: «Wir können jetzt nichts mit Ihm anfangen, sein Anhang ist zu groß. Wir wollen Ihm nur dann und wann widersprechen, wollen alles nach Jerusalem melden und warten, bis Er am Osterfest zum Tempel kommt.» Es waren aber von neuem sehr viele Kranke in den Straßen, die zum Teil schon vor dem Sabbat angekommen waren und zum Teil bisher nicht geglaubt hatten, nun aber auf das Gerücht von der Heilung des Besessenen sich aus allen Winkeln der Stadt herbeiführen ließen. Viele auch waren schon mehrmals dagewesen, aber nicht geheilt worden. Es waren diese von den lauen, hinfälligen, trägen Seelen, welche sich schwerer bekehren, als die heftigen großen Sünder. Magdalena bekehrte sich mit Kampf nach mehreren Rückfällen, dann mit großer Gewalt. Dina die Samariterin schnell, Maria die Suphanitin lange sehnsüchtig, dann plötzlich. Alle die großen Sünderinnen sehr schnell und kräftig, so auch der starke Paulus wie mit einem Blitzstrahl. Judas schwankte immer und ging zugrunde. So sind es auch die heftigen, großen Übel, welche ich Jesus nach seiner Weisheit sogleich lösen sehe, weil die damit Behafteten, wie die Besessenen, teils ganz willenlos in ihren Zuständen sind, teils wie die schwer Kranken durch ihre Leiden auch im Willen überwältigt werden. Andere Kränkelnde aber, welche bei ihren Leiden nur etwas unbequemer sündigen und ohne wahre Bekehrung sind, sehe ich oft von Ihm entweder abgewiesen und zur Besserung ermahnt oder nur gelindert, um ihre Seelen mehr zu zähmen durch den Druck ihrer Fesseln. Jesus kann alle gleich heilen. Aber Er heilt nur die, welche glauben und Buße tun und warnt sie oft vor dem Rückfall. Er hat auch bloß Kränkelnde oft schnell geheilt so es ihrer Seele gedeihlich war. Er war aber nicht gekommen, die Leiber zur Sünde gesund zu machen, sondern die Leiber zu heilen, um die Seelen zu retten und zu erlösen. Ich sehe immer in jeder Art der Krankheit eine göttliche Absicht und ein Sinnbild irgendeiner auf dem Menschen haftenden, eigenen oder fremden, ihm wissentlich oder unwissentlich zu tilgen zukommenden Schuld oder ein ihm eigens zugerichtetes Kapital der Prüfung, der Führung, der Geduld, womit er in dem Ertragen wuchern soll, so dass eigentlich keiner unschuldig leidet. Denn wer ist unschuldig, da der Sohn Gottes die Sünden der Welt auf sich nehmen musste, damit sie getilgt würden? Wir haben Ihm mit unserem Kreuz nachzufolgen, um Ihm überhaupt nachzufolgen.

Da die höchste Geduld und Freude im Leiden und die Vereinigung unserer Schmerzen mit den Leiden Jesu Christi zu der Vollkommenheit gehört, so ist die Begierde, nicht leiden zu wollen, eine Unvollkommenheit. Wir waren aber vollkommen erschaffen und sollen vollkommen wiedergeboren werden. Alle Heilung ist darum reine, unverdiente Gnade und Barmherzigkeit mit armen Sündern, welche mehr als Krankheit welche den Tod verdient haben, aus welchem aber der Herr durch seinen Tod jene errettet die an Ihn glauben und nach diesem Glauben wirken.

So sah ich Jesus auch heute viele Besessene, Lahme, Wassersüchtige, Gichtkranke, Stumme, Blinde, Blutflüssige und Schwerkranke heilen. An mehreren, welche noch stehen konnten, sah ich Ihn mehrmals vorübergehen. Es waren solche darunter, die schon öfter Linderung von Ihm erhalten hatten, aber ohne ernstliche Bekehrung an Leib und Seele rückfällig geworden waren. Als Jesus an ihnen vorüberging, riefen sie: «Herr! Herr! alle diese Schwerkranken heilst Du, uns heilst Du nicht! Herr, erbarme Dich! Ich bin wieder krank!» Jesus versetzte: «Warum streckt ihr eure Hände nicht nach Mir aus?» Da streckten alle die Hände nach Ihm und sagten: «Herr! hier sind unsere Hände!» Er aber sagte: «Diese Hände streckt ihr wohl aus, aber die Hände eures Herzens kann Ich nicht fassen. Ihr haltet sie zurück und geschlossen, denn ihr seid voll Finsternis.» Darüber lehrte Er noch und heilte mehrere, die sich bekehrten. Andere erhielten nur Linderung oder Er ging ganz an ihnen vorüber.

Am Nachmittag ging Jesus mit allen Jüngern und Verwandten gegen den See zu. Es war an der südlichen Seite des Tals ein Lust- und Badegarten von dem Bach von Kapharnaum bewässert. Hier waren sie. Es wird hier getauft werden.

Die heilige Jungfrau ging auch mit mehreren Frauen, worunter Dina, Maria, Lais, Athalia, Sabia, Martha bei Bethsaida oberhalb des Hauses der Aussätzigen lustwandeln. Es lagerte dort eine Karawane von Heiden, wobei viele Frauen aus Obergaliläa waren. Die heilige Jungfrau tröstete und belehrte sie. Die Frauen saßen an der Anhöhe im Kreis und Maria saß oder wandelte unter ihnen. Sie fragten dies und jenes und Maria erklärte es ihnen und erzählte manches von den Altvätern, von den Propheten und von Jesus.

Jesus lehrte einen Haufen des Volkes in Parabeln. Die Jünger verstanden Ihn nicht und Er erklärte nachher, da Er mit ihnen sich absonderte: die Parabel vom Sämann und dem Unkraut unter dem Weizen und der Gefahr, Weizen mit dem Unkraut auszureißen. Es war besonders Jakob der Größere, der Ihm gesagt, sie verstünden Ihn nicht und warum Er nicht deutlicher rede. Jesus sagte: Er werde ihnen alles erklären. Aber wegen der Schwachen und Heiden dürfe das Reich Gottes nicht nackt dargestellt werden. Da sie jetzt schon davor erschräken, weil es ihrer Versunkenheit zu schwer scheine, so müssten sie es erst in der Hülle des Gleichnisses kennen lernen und es müsse wie ein Samenkorn in ihnen aufgehen, in welchem die Ähre verhüllt sei und das selbst in die Erde verborgen werde. Er erklärte ihnen die Parabel, als auf ihrer Berufung in der Ernte zu arbeiten, sich beziehend. Er sprach überhaupt von der Nachfolge und dass bald alle mit Ihm immer wandeln würden und Er ihnen alles erklären werde. Jakobus der Größere fragte auch: «Warum Meister, willst Du es uns erklären, die wir unwissend sind, auf dass wir es verkünden? Sage doch lieber dem Täufer, der so großen Glauben hat wer Du eigentlich bist, der es ausbreiten und verkünden könnte!»

Als Jesus am Abend wieder in der Synagoge lehrte, fingen die Pharisäer, wieder ein wenig zu Atem gekommen, zuletzt noch an, mit Ihm über sein Sündenvergeben zu disputieren. Sie warfen Ihm vor, dass Er in Gabara zu Maria Magdalena gesprochen, die Sünden seien ihr vergeben. Woher Er das wisse. Wie Er das könne? Dieses sei eine Gotteslästerung! Jesus brachte sie zum Schweigen. Sie wollten Ihn reizen, zu sagen, dass Er kein Mensch, dass Er ein Gott sei. Jesus aber machte ihre Reden immer zuschanden. Es geschah dieses vor der Synagoge im Vorhof. Zuletzt erhoben sie ein großes Geschrei und einen Tumult. Jesus aber entzog sich ihnen unter der Menge, dass sie nicht wussten, wo Er hingegangen. Er ging durch die Gartenschlucht hinter der Synagoge zu den Gärten Serobabels und kam dann durch Umwege in das Haus seiner Mutter. Er verweilte hier einen Teil der Nacht und ließ von hier dem Petrus und den anderen Jüngern sagen, Ihn am folgenden Morgen nach Naim zu begleiten und auf der anderen Seite des Tales über Petri FischersteIle mit Ihm zusammenzutreffen.

Es hatte Ihn auch der Hauptmann Cornelius und sein Knecht fragen lassen, was sie tun sollten. Er sagte ihnen, sich mit allen den Seinen taufen zu lassen.

3. Erweckung des Jünglings von Naim

Der Weg nach Naim führte oberhalb Petri FischersteIle quer durchs Tal Magdalum, östlich dem Berg, der über Gabara liegt dann im Tal östlich von Bethulien und Gischala. Jesus mochte mit den Jüngern etwa neun bis zehn Stunden gewandelt sein, als sie in einer Herberge bei Hirten einkehrten, etwa drei bis vier Stunden vor Naim. Sie hatten den Bach Kison einmal überschritten. Unterwegs hatte Jesus gelehrt, unter anderem: wie sie die falschen Lehrer unterscheiden sollten.

Naim ist ein schöner Ort mit festen Häusern und hieß auch Engannim. Es liegt auf einem angenehmen Hügel am Bach Kison gegen Mittag, eine kleine Stunde vom Berg Tabor und sieht zwischen Mittag und Abend gegen Endor. Jezrael liegt ihm mehr südlich, aber man kann es wegen der Anhöhen nicht sehen. Naim hat die schöne Ebene von Esdrelon vor sich und ist ungefähr drei bis vier Stunden von Nazareth entfernt. Es ist ungemein fruchtbar hier an Getreide, Obst und Wein. Die Witwe Maroni besitzt einen ganzen Berg voll der schönsten Weinreben. Jesus hatte etwa dreißig Begleiter. Der Weg über die Hügel wurde hier schmäler und es wandelte eine Schar voraus, eine nach. Jesus in der Mitte. Es war ungefähr neun Uhr morgens, als sie Naim nahten und am Tor dem Leichenzug begegneten.

Ein Trupp in Trauermäntel gehüllter Juden kamen mit der Leiche zu dem Tor heraus. Vier Männer trugen die Leiche zwischen sich in einem Kasten, der auf in der Mitte eingebogene Querstangen gelegt war. Der Kasten war auf Art eines menschlichen Leibes geformt leicht wie ein geflochtener Korb und hatte oben einen angehefteten Deckel. Jesus ging durch die Jünger, welche sich in zwei Reihen am Wege aufstellten, den ankommenden Leichenbegleitern entgegen und sprach: «Bleibt stille stehen!» Und indem Er die Hand auf den Sarg legte, sagte Er: «Setzt den Sarg nieder.» Da setzten sie den Sarg nieder, die Leute traten zurück, die Jünger standen zu beiden Seiten. Die Mutter war mit mehreren Frauen der Leiche gefolgt und sie standen, soeben aus dem Tor herausgetreten, mehrere Schritte vom Herrn. Sie waren verschleiert und sehr traurig. Die Mutter stand voran, weinte stille und mochte wohl denken: «Ach, nun kommt Er zu spät!» Jesus sagte zu ihr sehr freundlich und doch ernst: «Weine nicht Frau!» Der Kummer aller Leute umher rührte Ihn, denn man liebte die Witwe sehr in der Stadt wegen ihrer großen Wohltätigkeit gegen die Waisen und Armen aller Art. Es waren aber doch auch manche tückische und böse Menschen umher und sammelten sich noch mehrere aus der Stadt. Jesus begehrte Wasser und einen Zweig. Man brachte einem der Jünger ein Kesselchen mit Wasser und ein Hisop-Zweiglein. Dieser reichte es Jesus, welcher den Trägern sagte: «Öffnet den Sarg und wickelt die Binde los!» Während sie damit beschäftigt waren, erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: «Ich preise Dich Vater, Herr Himmels und der Erde, weil Du dies alles vor den Weisen und Klugen verborgen und den Einfältigen offenbar gemacht hast. Ja Vater! So war es vor Dir wohlgefällig. Alles ist Mir von meinem Vater übergeben und niemand erkennt den Sohn als der Vater und niemand erkennt den Vater als der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu Mir, ihr Mühseligen und Belasteten! Ich will euch erneuern. Nehmet mein Joch auf euch und lernt von Mir, weil Ich sanftmütig und demütig bin von Herzen. Ihr werdet Ruhe für eure Seele finden, denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht!» Als sie den Deckel entfernt hatten, sah ich den Leib wie eine Wickelpuppe eingewickelt in dem Sarge liegen. Sie machten nun die Binde, den Leib mit den Händen unterstützend, von ihm los, rollten sie auf, entblößten das Angesicht und die angebundenen Hände. Und er lag nur noch mit einem Tuch eingeschlagen. Jesus aber segnete das Wasser, tauchte den Zweig hinein und besprengte das Volk rings umher. Da sah ich viele kleine dunkle Gestalten, wie Insekten, Käfer, Kröten, Schlangen und kleine dunkle Vögel von manchen aus der Umgebung wegschweben. Die Leute aber wurden inniger und gerührt und es war als würde alles heller und reiner. Nun sprengte Jesus mit dem Zweige auf den Jüngling und machte ein Kreuz über ihn mit der Hand. Da sah ich eine dunkle schwarze Gestalt gleich einer Wolke von dem Körper weichen. Jesus sagte zu dem Jüngling: «Stehe auf!» und er richtete sich in sitzende SteIlung und schaute neugierig verwundert rund umher. Da sprach Jesus: «Gebt ihm ein Kleid!» Und sie legten ihm einen Mantel um. Nun richtete er sich stehend auf und sprach: «Wie ist das? Wie komme ich hierher?» Sie legten ihm Sohlen an. Da trat er heraus und Jesus nahm ihn bei der Hand und führte ihn der entgegeneilenden Mutter in die Arme und sagte: «Hier hast du deinen Sohn zurück, aber Ich fordere ihn wiedergeboren von dir in der Taufe.» Die Mutter war so außer sich vor Freude, Staunen, Ehrfurcht, dass da gar kein Danken war, sondern nur Tränen und Umarmungen des Jünglings. Sie zogen mit ihm nach Hause. Das Volk sang Lobgesänge. Jesus folgte mit den Jüngern in das Haus der Witwe, welches sehr groß und von Gärten und Höfen umgeben ist. Da angekommen, mehrten sich die Freunde von allen Seiten. Alles drängte sich, den Jüngling zu sehen. Er wurde gebadet und legte ein weißes Röckchen und einen Gürtel an. Jesus und den Jüngern wurden die Füße gewaschen und ein Imbiss gereicht. Und sogleich ging es in dem Haus an ein ganz heiteres und überfließendes Austeilen und Schenken an die Armen, welche sich um das Haus glückwünschend versammelten. Es wurden Kleider, Tücher, Getreide, Brot, Lämmer, Vögel, Münzen ausgeteilt. Jesus lehrte dazwischen die versammelten Haufen im Hof der Witwe.

Martialis in seinem weißen Röckchen war ganz fröhlich und lief hin und her, ließ sich besehen und teilte aus. Er war kindlich vergnügt und es war lustig anzusehen, als die Schulkinder von den Lehrern in den Hof geführt wurden und er ihnen nahte. Da waren viele von den Kindern ganz scheu, als sei er vielleicht ein Geist. Aber er lief auf sie zu und sie wichen zurück. Andere lachten sie aus und spielten die Tapfern und gaben ihm die Hand und sahen mit Selbstgefühl auf die Furchtsamen, wie ein größerer Knabe ein Pferd oder ein anderes Tier berührt, wovor der kleinere bangt.

Es wurde auch eine Mahlzeit im Haus und in den Höfen bereitet woran alles teilnahm. Petrus als der Verwandte der Witwe, denn sie war seines Schwiegervaters Bruders-Tochter, war besonders froh und vertraut im Haus und machte gewissermaßen den Hausvater. Jesus nahm den geheilten Knaben öfters vor und lehrte, indem Er, was Er ihm sagte, den Anwesenden zu Gehör sprach, wodurch sie getroffen wurden. Wie aber sprach Er von ihm als von einem Gestorbenen. Er sprach immer, als habe ihn der Tod, der durch die Sünde in die Welt gekommen, gebunden, gefesselt und so ihn in der Grube erwürgen wollen, als habe er blind in die Finsternis geworfen werden und dort zu spät die Augen auftun sollen, wo kein Erbarmen, keine Hilfe mehr ist. Vor dem Eingang aber habe ihm die Barmherzigkeit Gottes, eingedenk der Frömmigkeit seiner Eltern und einiger seiner Voreltern, die Fesseln gelöst. Nun aber solle er sich durch die Taufe auch lösen lassen von der Krankheit der Sünde, auf dass er nicht noch in schrecklichere Gefangenschaft komme. Er lehrte über die Tugenden der Eltern, die in später Zeit den Kindern zugut kommen und wie um der Gerechtigkeit der Altväter willen Gott bis jetzt Israel geführt und geschont habe. Nun aber, da es vom Tod der Sünde gebunden und bedeckt wie dieser Knabe, am Rand des Grabes stehe, sei seine Barmherzigkeit zum letzten Mal seinem Volk nahegekommen. Johannes habe die Wege bereitet und mit starker Stimme zur Erweckung der Herzen aus dem Todesschlaf gerufen und der Vater erbarme sich nun zum letzten Mal und öffne die Augen derer zum Leben, welche sie nicht hartnäckig verschließen wollten. Er verglich das Volk in seiner Blindheit mit dem im Sarg verschlossenen Jünglinge, welchem nahe dem Grab, außer den Toren der Stadt das Heil entgegengetreten sei. Er stellte ihnen vor: wenn die Träger seine Stimme nicht gehört, den Sarg nicht niedergesetzt, nicht geöffnet, den gebundenen Leib nicht gelöst hätten, hartnäckig vorüber eilend, den schwer Gefesselten des Todes lebendig begraben hätten, wie schrecklich das gewesen wäre! Er verglich damit die falschen Lehrer, die Pharisäer, welche das arme Volk vom Leben der Buße abhielten, mit den Binden ihrer Gesetze einschnürten, in den Sarg ihrer Gewohnheiten verschlössen und so in das ewige Grab würfen. Er flehte und ermahnte, die angebotene Barmherzigkeit seines himmlischen Vaters anzunehmen und zum Leben, zur Buße, zur Taufe zu eilen!

Merkwürdig war, dass Jesus hier mit geweihtem Wasser segnete, um die bösen Geister zu vertreiben, welche eine Gewalt an verschiedenen Anwesenden hatten, die teils geärgert, teils neidisch, teils voll heimlicher Schadenfreude waren und meinten, Er werde ihn wohl nicht erwecken. Bei der Erweckung des Jünglings sah ich auf den Segen mit dem Wasser sich eine kleine Wolke von Ungeziefergestalten oder Schatten von dem Leib erheben und in die Erde verschwinden. Bei den andern, die Jesus vom Tod erweckte, rief Er die Seele des Toten zurück, die von ihm getrennt in dem Kreis ihrer Schuld stand. Sie kam dann über den Leib und senkte sich in ihn hinein, worauf er sich erhob. Hier aber bei dem Jünglinge von Naim war es anders. Die Seele war nicht getrennt, kehrte nicht zurück. Es war, als höbe sich der Tod wie eine erstickende Last vom Leib weg.

Nach dem Mahl ging Jesus mit den Jüngern zum schönen Garten der Witwe Maroni am mittäglichen Ende der Stadt. Der ganze Weg durch die Stadt war mit Bresthaften und Kranken besetzt welche Er heilte. Es war eine große Bewegung in der Stadt. Es dunkelte schon, als Jesus in den Garten kam, wo Maroni, die Verwandten, die Hausgenossen und einige Synagogen-Lehrer, der Jüngling und einige andere Knaben zugegen waren. Es waren mehrere Lusthäuser in dem Garten und vor einem schöneren, dessen Dach auf Säulen stand, die man mit Setzwänden schließen konnte, war eine Fackel unter Palmbäumen hoch aufgestellt, welche in den Saal leuchtete. Das Licht schimmerte so schön an den langen grünen Blättern. An den Bäumen, wo noch Früchte waren, konnte man sie deutlicher und glänzender, wo die Fackel hinschien, als bei Tage sehen. Anfangs lehrte und erzählte Jesus wandelnd, nachher in dem Lusthause. Auch mit dem erweckten Knaben sprach Er oft den andern zu Gehör. Es war ein gar wunderschöner Abend in dem Garten. Sie gingen in der Nacht in das Haus der Maroni, in dessen Seitengebäuden alle Raum hatten.

Auf die Nachricht von Jesu Anwesenheit in Naim und der Erweckung des Knaben waren viele Menschen und Kranke aus der ganzen Gegend herangekommen und erfüllten die ganze Straße vor dem Haus Maronis in langen Reihen. Jesus heilte einen Teil derselben des Morgens und stiftete Frieden in mehreren Haushaltungen. Es kamen nämlich Frauen zu Ihm und fragten, ob Er ihnen keinen Scheidebrief geben könnte und klagten über ihre Männer, mit denen sie nicht leben könnten. Es war aber dies ein listiger Anschlag der Pharisäer. Da sie durch seine Wunder beschämt Ihm hier nichts anhaben konnten und doch mit Grimm erfüllt waren, so wollten sie Ihn in Versuchung führen, etwas in Scheidungssachen gegen das Gesetz auszusprechen, um Ihn dann als einen Irrlehrer zu verklagen. Jesus aber sagte zu den klagenden Ehefrauen: «Bringet Mir ein Gefäß mit Milch und ein Gefäß mit Wasser, dann will Ich euch antworten!» Sie gingen in ein nahes Haus und brachten eine Schale Milch und eine voll Wasser. Jesus goss beides durcheinander und sagte: «Scheidet mir dieses, dass es wieder Milch allein und Wasser allein sei. Dann will Ich euch scheiden.» Da sie sagten, wir können es nicht, sprach Er von der Unauflöslichkeit der Ehe und wie nur um der Verstocktheit der Menschen willen Moses die Scheidung erlaubt habe, ganz getrennt aber könnten sie nie werden, denn sie seien ein Leib. Und wenn sie gleich nicht zusammen lebten, müsse der Mann die Frau und Kinder doch ernähren und keines dürfe wieder heiraten. Dann ging Er mit ihnen in die Häuser ihrer Männer und sprach mit diesen allein. Dann mit den Frauen und Männern zugleich und beschuldigte beide Teile, die Frauen aber mehr und versöhnte sie. Sie weinten und blieben beisammen getreuer und glücklicher als je vorher. Die Pharisäer ärgerten sich sehr darüber, dass ihr Vorhaben misslungen war.

Jesus heilte an diesem Morgen mehrere Blinde, indem Er Erde mit Speichel in seiner Hand mischte und ihnen die Augen bestrich.

4. Jesus in Megiddo. Die Johannesjünger

Als Jesus Naim verließ, gaben Maroni, der Knabe, ihr Gesinde, die Geheilten und viele guten Leute der Stadt das Geleit indem sie Psalmen sangen und Jesus grüne Zweige entgegenhielten. Er ging mit den Jüngern abendwärts an der Nordseite des Kison und hatte die Berge, welche das Tal von Nazareth schließen, zur Rechten. Gegen Abend kam Er mit den Jüngern in die Vorstadt von Megiddo, welches an dem Gebirge liegt an dessen Abendseite man in das Tal Zabulon geht. Er ging hier in eine Herberge und lehrte vor derselben noch am Abend. Als die Leute auf den Feldern Jesus mit seinem Zug nahen sahen, zogen sie die Kleider an, welche sie bei der Arbeit abgelegt hatten.

Megiddo liegt auf der Höhe und ist etwas verfallen. In Mitte der Stadt steht eine mit Rasen überwachsene Ruine. Hie und da sieht man noch halbe Bogen. Es muss dies ein Schloss der Könige von Kanaan gewesen sein (Jos 12, 21; 1 Kön 9, 15). Ich hörte, dass auch Abraham hier in der Gegend war. Neuer und belebter ist die Vorstadt von Megiddo, wo Jesus eingekehrt ist. Sie besteht aus einer langen Reihe von Gebäuden am Fuße der Anhöhe, über welche eine Handelsstraße von Ptolomais ausgeht. Es sind deshalb viele große Herbergen darin und es wohnen auch Zöllner hier, welche Jesu Lehre gehört und sich auch zur Buße und Taufe entschlossen haben. Die Pharisäer des Ortes ärgerten sich daran. Eine große Menge Kranker ist hier versammelt und kommen noch fortwährend an. Jesus ließ ihnen durch die Jünger sagen, dass Er gegen Abend zu ihnen kommen werde und ordnete an, wie sie gelegt werden sollten, was die Jünger taten. Vor der Stadt Megiddo war ein großer Rasen-Platz mit Mauern und Hallen umgeben, wohin die Kranken gebracht und geordnet wurden.

Indessen wandelte Jesus mit den Jüngern vor der Stadt durch die Felder, um die mit der Aussaat beschäftigten Arbeiter in Gleichnissen zu unterweisen. Auch einzelne Jünger lehrten die entfernter beschäftigten Arbeiter, bis Jesus auch zu diesen kam. Dann wandten sie sich an solche, vor welchen Jesus bereits gelehrt hatte und erklärten ihnen manches, was sie nicht recht verstanden hatten und erzählten ihnen von den Wundern des Herrn. Jesus und die Jünger lehrten vor allen diesen Arbeitern dasselbe, so dass, wenn die Leute zusammen kamen und darüber sprachen, alle dasselbe wussten. Und so konnten jene Zuhörer, welche besser fassten, nachher den anderen Aufklärung geben. Da die Leute in dem heißen Land oft mit der Arbeit einhielten, so lehrte Jesus sie in diesen Pausen, auch, wenn sie sich niedersetzten, eine Erquickung zu nehmen.

Während Jesus so mit den Jüngern durch die Feldwege zog, kamen vier reisende Johannesjünger heran, welche die Jünger begrüßten und ihnen zuhörten. Sie hatten FeIlstreifen um den Nacken und Riemen um den Leib. Sie waren nicht von Johannes gesandt, wenn sie gleich mit ihm und seinen Jüngern verkehrten. Sie waren eine Ausartung der Johannes-Jünger, die auch mit den Herodianern zusammenhielten und ausgesandt waren, um zu lauern, was Jesus von seinem Reich lehre. Sie waren viel strenger und höflicher, als die Jünger Jesu. Einige Stunden darauf kam eine zweite Abteilung von Johannes-Jüngern. Es waren zwölf, von denen Johannes zwei gesandt hatte. Die übrigen waren als Zeugen mitgegangen. Jesus kehrte, als sie herannahten, eben zur Stadt zurück und sie folgten nach. Einige davon waren bei den letzten Wundern Jesu gewesen und zu Johannes zurückgelaufen. Auch als Er den Jüngling von Naim erweckte, waren Johannes-Jünger gleich nach der Erweckung gegen Machärus geeilt und hatten zu Johannes gesprochen: «Was ist das? Woran sind wir? Alles das haben wir von Ihm gesehen! Solche Worte von Ihm gehört! Seine Jünger aber sind freier als wir in den Gesetzessachen ! Wem sollen wir folgen? Wer ist Er? Warum heilt Er alle, tröstet und hilft fremden Leuten? Und dich zu befreien, tut Er keinen Schritt!»

Johannes hatte immer seine Not mit den Jüngern. Sie wollten nicht von ihm ablassen. Er sandte sie allein deshalb so oft zu Jesus, damit sie Ihn kennenlernen und Ihm folgen sollten. Es wurde ihnen aber schwer, weil sie eine Art Dünkel auf ihre Johannes-Jüngerschaft im Kopf hatten. Er ließ darum auch Jesus so oft bitten, doch öffentlich zu sagen, wer Er sei, damit es seine Jünger erführen und sich mit allen Menschen zu Ihm bekehrten. Als sie ihm diesmal wieder mit ihren Zweifeln gekommen waren, gedachte er, Jesus zu nötigen, laut zu bekennen, dass Er der Messias, der Sohn Gottes sei und schickte die zwei mit der bestimmten Frage an Ihn ab.

Jesus ging in der Stadt sogleich mit seinen Jüngern zum runden Platze, wo die Kranken aus der ganzen Gegend gelagert waren. Es waren auch Leute aus Nazareth darunter, welche Ihn kannten, Lahme, Blinde, Stumme, Taube, Kranke aller Art, auch mehrere Besessene waren hier beisammen. Er heilte, den Kreis durchwandelnd, auf manche Weise die Besessenen. Diese waren nicht so wütend, wie andere Male, aber sie hatten Zuckungen und Verzerrungen der Glieder. Jesus heilte sie mit Befehl aus der Ferne im Vorübergehen. Der dunkle Dampf wich von ihnen, sie wurden etwas ohnmächtig und waren, zu sich gekommen, ganz verändert. Der Dampf stieg dünn von ihnen aus und zog sich verdichtend zusammen. Manchmal verschwand er in der Luft, manchmal sank er in die Erde - dies tat er hier. Oft wenn der böse Geist wie ein dunkler Schatten in einer menschlichen Gestalt von ihnen weicht sehe ich ihn nicht augenblicklich verschwinden, sondern umirrend zwischen den Menschen kreisen und dann erst entweichen.

Jesus hatte kaum zu heilen begonnen, als die abgesandten Johannes-Jünger mit einem gewissen Amtseifer wie eine Kommission Ihm in den Weg traten und Ihn anreden wollten. Jesus achtete aber nicht auf sie und fuhr in seiner Heilung fort. Dies gefiel ihnen nicht, weil sie nicht wussten warum. Überhaupt waren viele Johannes-Jünger engherzig und hatten eine Art Neid. Johannes tat keine Wunder. Jesus tat Wunder. Johannes sprach so bedeutend von Jesus und dieser half ihm nicht aus dem Gefängnisse. Wenn sie von seinen Wundern und Lehren überwältigt waren, ließen sie sich wieder von dem allgemeinen Geschwätz überwältigen: wer Er denn sei, seine armen Verwandten kenne man ja überall! Dann konnten sie auch wieder nicht aus den Worten von seinem Reich klug werden. Sie sahen kein Reich, auch keine Anstalten dazu. Weil Johannes, von den meisten geehrt und geachtet im Kerker saß, meinten sie wohl gar mitunter, Jesus helfe ihm nicht und lasse ihn schmachten, um seinen eigenen Ruhm zu verbreiten. Sie ärgerten sich an der Freiheit seiner Jünger. Sie hielten es für eine übertriebene Demut von Johannes, dass er Jesus so pries und sie immer zu Ihm sandte mit Bitten, Sich zu erklären, Sich öffentlich kundzutun. Da Jesus immer ausweichend sprach und sie nicht ahnten, dass Johannes sie diese Wege machen ließ, auf dass sie Jesus erkennen sollten, war ihnen diese Erkenntnis bei ihrer Meinung von sich selbst schwerer, als dem einfältigsten Kind.

Während Jesus im Kreis umher heilte, kam Er an einen Kranken von Nazareth, der von seiner Bekanntschaft mit Ihm zu sprechen begann: ob Er sich noch erinnere von seinem fünfundzwanzigsten Jahre her, da sein Großvater gestorben und sie öfters beisammen gewesen seien? Er meinte damit den zweiten oder dritten Mann Annas. Jesus ließ sich nicht weiter darauf ein, sagte nur, ja, ja Er kenne ihn und ging sogleich auf seine Sünden und Leiden über. Da Er ihn reumütig und glaubend fand, heilte und ermahnte Er ihn und begab sich zu den folgenden.

Als Er an dem entgegengesetzten Ende des Kreises angelangt war, traten Ihm die Abgesandten des Johannes, welche die ganze Zeit über alle seine Wunder von der Mitte des Kreises aus, wo sie standen, angestaunt hatten, in den Weg und sprachen: «Johannes der Täufer hat uns zu Dir gesandt und lässt Dich fragen: bist Du, der da kommen soll oder sollen wir einen andern erwarten?» Jesus erwiderte: «Geht hin, und verkündet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt! Die Blinden sehen, die Tauben hören, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Toten stehen auf, die Witwen werden getröstet und den Armen wird das Wort Gottes verkündigt. Was krumm ist wird gerade gemacht und selig ist wer sich an Mir nicht ärgert!» Dann wandte Er sich von ihnen weg. Sie aber gingen sogleich von dort weg.

Jesus konnte nicht deutlicher von Sich sprechen - denn wer hätte Ihn verstanden? Seine Jünger waren gute, einfache, edle und fromme Leute, aber solcher Erkenntnis noch nicht fähig. Sie waren Ihm teils verwandt und hätten sich geärgert oder wären auf verkehrte Gedanken gekommen. Das Volk war ganz unreif, die Wahrheit zu hören und von Lauerern war Er umgeben. Selbst unter den Johannes-Jüngern hatten die Pharisäer und Herodianer ihre Kreaturen.

Als die Boten des Johannes sich entfernt hatten, begann Jesus auf dem Platz zu lehren. Die geheilten Kranken, vieles Volk, die Schriftgelehrten des Ortes, seine Jünger und die fünf Zöllner, die hier wohnten, hörten Ihm zu. Er lehrte noch lange bei Fackelschein. Schon die letzten Kranken waren dabei geheilt worden. Er nahm von seiner Antwort an die Johannes-Jünger die Veranlassung zu seiner Lehre. Er sprach, wie man die empfangenen Wohltaten Gottes anwenden müsse, ermahnte zur Buße und Bekehrung. Und weil Er wusste, dass einige anwesende Pharisäer aus seiner allgemeinen kurzen Antwort an die Gesandten des Johannes Gelegenheit genommen hatten, dem Volk zu sagen: Er halte nichts von Johannes und lasse ihn zugrunde gehen, um selbst berühmter zu werden, so erläuterte Er seine Antwort auf die Frage, wer Er sei und seine Lehre zur Buße, indem Er sie selbst auf Johannes zurückwies, den sie doch gehört hätten, was er von Ihm gesagt habe. Warum sie denn noch immer zweifelten. Was sie denn unter Johannes suchten. Er sagte: «Was zu sehen seid ihr denn hinausgegangen, als ihr zu Johannes gingt? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das im Winde schwankt? Oder einen weichlich und prächtig gekleideten Menschen? Seht! Leute, die sich schön kleiden und weichlich leben, sind bei Königen an den Höfen. Was habt ihr also sehen wollen, da ihr ihn aufsuchtet? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, wohl mehr als einen Propheten saht ihr in ihm. Dieser ist es, von dem geschrieben ist: Siehe, Ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, dass er deinen Weg vor Dir bereite! Ja, Ich sage euch, unter den von der Frau Geborenen, ist kein größerer Prophet als Johannes der Täufer, und doch ist der Kleinste im Himmelreich größer, als er. Aber von der Zeit Johannes des Täufers an leidet das Himmelreich Gewalt und die Gewalt brauchen, reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz bis auf Johannes haben davon geweissagt und wenn ihr es annehmen wollt, so ist eben er der Elias, der da kommen soll. Wer Ohren hat zu hören, der höre!»

Alle Anwesenden waren sehr gerührt, ganz eins mit Jesu Worten und wollten sich taufen lassen. Nur die Schriftgelehrten murrten und ärgerten sich besonders an Jesus, weil Er mit den Zöllnern verkehrt hatte, die hier auch zugegen waren. Darum sprach Jesus noch davon, für was alles man Johannes und Ihn schon ausgeschrieen habe und wie man Ihm vorwerfe, dass Er mit Zöllnern und Sündern umgehe.

Nachher ging Jesus noch in das Haus eines Zöllners, wo auch die vier anderen Zöllner waren, und lehrte. Es waren Leute, die sich zur Bekehrung und Taufe entschlossen hatten. Das Haus war nahe bei dem Platz, wo Jesus geheilt hatte. Ein anderes Zöllnerhaus war am Eingang der Stadt, noch andere lagen weiter hinaus.

Dabbeseth, wo Bartholomäus zu Hause war, konnte man auf dem ersten Teil des Weges von Naim hierher sehen. Näher verbarg es die vorspringende Anhöhe von Megiddo. Es lag etwa eine und eine halbe Stunde westlich davon, vor dem Tal ZabuIon am Kison.

5. Jesus verlässt Megiddo. Heilung eines Aussätzigen

Jesus trat von Megiddo den Rückweg nach Kapharnaum an, als das Neumondfest eingetreten war. Es gingen etwa vierundzwanzig Jünger und die vier verdächtigen Johannes-Jünger mit und einige der Zöllner von Megiddo, die in Kapharnaum getauft werden wollten. Sie gingen sehr langsam und standen und saßen oft an angenehmen Plätzen, denn Jesus lehrte auf dem ganzen Wege, welcher von Megiddo nordöstlich über die Höhen durchs Tal von Nazareth zur Nordwestseite des Tabor führte. Seine Lehre war eine Vorbereitung zur baldigen, völligen Berufung und Sendung der Apostel. Er mahnte sie sehr zur Ablegung aller irdischen Sorgen und zur Losschälung von allen Gütern. Er sprach sehr rührend und lieblich und brach einmal eine Blume am Wege und sagte: «Diese sorgt nicht! Seht ihre Farbe, ihre feinen Fädchen! War der weise Salomon wohl schöner gekleidet in seiner Pracht?» Dieses Gleichnis hat Jesus oft gebraucht.

Wieder einmal lehrte Er so, dass jeder Apostel sein eigenes Bild treffend darin finden konnte. Er sprach auch von seinem Reich. Sie sollten nicht so begierig nach Ämtern darin sein und es sich nicht so zeitlich vorstellen. Er sprach so, weil die vier Johannes-Jünger als heimliche Anhänger der Herodianer besonders darauf lauerten. Er ermahnte die Jünger auch, vor welchen Leuten sie sich künftig hüten sollten und beschrieb diese nämlichen Herodianer so scharf, dass sie nicht zu verkennen waren. Unter anderem sagte Er: sie sollten sich vor gewissen Leuten in Schafspelzen und mit langen Riemen hüten! Er sagte: «Hütet euch vor den Profanen in Schafsfellen mit langen Gürteln!» und verstand diese lauernden herodianischen Johannes-Jünger darunter, welche nach Art der rechten Johannesjünger eine Art Stola von Schafsfell um den Nacken und über die Brust trugen. Sie sollten sie erkennen, dass sie einen nicht gerade ins Gesicht sehen können; und wenn ihr, seiner Jünger, Herz über etwas vor Freude und Eifer überfließe, und sie teilen es jenen mit so sollten sie dieselben daran erkennen, dass ihr Herz auszuweichen suche und dass es sich hin und her wende wie ein Tier. Er nannte einen Käfer, der eingesperrt sei und ein Loch zum Entschlüpfen suche. Er bog auf einmal einen Dornbusch zurück und sagte: «Seht, ob ihr Früchte hier findet!» Einige Jünger sahen einfältig hin, Jesus aber sagte: «Sucht man auch Feigen auf Disteln und Trauben an Dornen?»

Gegen Abend kamen sie zu einer Reihe von zwanzig Häusern mit einer Schule an der Nordwestseite des Fußes vom Tabor. Der Ort lag etwa anderthalb bis zwei Stunden gegen Morgen von Nazareth und eine halbe Stunde von der Stadt Tabor. Die Leute hier waren gutmütig und kannten Jesus von früheren Jahren her, da Er mit seinen Freunden um Nazareth wandelte. Sie waren meistens Hirten und mit Viehhüten gerade beschäftigt Baumwolle einzusammeln, welche sie, da sie Jesus kommen sahen, in Matten steckten und nach Hause trugen und dann Jesus entgegenkamen. Ich sah, dass sie ihre rauen Mützen von Fell in den Händen hatten. In der Schule aber hatten sie den Kopf bedeckt. Man empfing Jesus am Brunnen, wusch Ihm und den Jüngern die Füße und gab ihnen eine Erquickung. Es war keine Synagoge, aber eine Schule und ein Schullehrer in dem Ort. Jesus ging dahin und lehrte in Parabeln.

Dieser Ort war das Gut eines vornehmen Mannes, der mit seiner Frau in einem größeren, abgelegenen Hause wohnte. Dieser Mann hatte sich versündigt und war aussätzig. Er hatte sich darum von seiner Frau getrennt. Diese wohnte oben im Hause, und er in einem Nebengebäude. Er hatte seine Krankheit nicht angegeben, um die beschwerliche Absonderung nicht zu erleiden. Man hatte es jedoch erfahren, sah ihm aber durch die Finger. Im Ort wusste man davon und ging die Straße längs seiner Wohnung nicht vorüber, obschon es der gewöhnliche Weg war. Man nahm einen Umweg. Es wurde auch von den Leuten gegen die Jünger davon gesprochen. Der aussätzige Mann hatte schon lange in ernstlicher Reue sich sehr nach Jesu Ankunft gesehnt. Nun rief er einen Knaben von etwa acht Jahren zu sich, der sein Sklave war und ihm seine Bedürfnisse reichte, und sagte ihm: «Geh hin zu Jesus von Nazareth und laure auf! Wenn Er von seinen Jüngern sich etwas entfernt oder abgesondert geht dann falle vor Ihm nieder und sprich: Rabbi! mein Herr ist krank und glaubt dass Du ihm helfen kannst so Du nur den Weg an unserem Hause vorübergehen wolltst, den die Leute nicht gehen. Er bittet Dich demütig, Du mögest Dich seines Elendes erbarmen und den Weg vorübergehen, dann wird er gewiss gesund!» Der Knabe kam zu Jesus und brachte seinen Auftrag sehr gut vor. Jesus sagte: «Sag deinem Herrn, dass Ich morgen kommen werde» und fasste ihn bei der Hand, indem Er ihm die andere lobend auf den Kopf legte. Es war dieses, als Er aus der Schule zur Herberge ging, Jesus, der um die Ankunft des Knaben wusste, war absichtlich etwas hinter den Jüngern zurückgeblieben. Der Knabe hatte ein gelbes Röckchen an.

Das Gut Annas liegt westlich von Nazareth auf der Höhe etwa eine Stunde entfernt zwischen dem Tal von Nazareth und dem von Zabulon. Es führt eine Schlucht vom Gut mit Bäumen besetzt nach Nazareth. Anna konnte zu Mariä Haus, ohne in die Stadt zu gehen.

Am Morgen darauf ging Jesus noch in der Dämmerung mit den Jüngern aus der Herberge, und da Er den Weg an der Wohnung des Aussätzigen vorüber einschlug, sagten sie, dahin solle Er nicht gehen. Jesus aber ging den Weg und befahl ihnen, zu folgen. Sie waren scheu und fürchteten, es möchte ein Gerede davon über sie nach Kapharnaum kommen. Die Johannesjünger gingen hier nicht mit vorüber.

Der Knabe hatte die Annäherung Jesu bemerkt und seinem Herrn gemeldet. Dieser kam an einen Pfad, der zum Weg führte, stand in der Ferne und rief, da Jesus nahte: «Herr! Komme nicht zu mir! Wenn Du nur willst, dass ich geheilt sei, so ist mir geholfen.» Die Jünger blieben stehen. Jesus sagte: «Ich will es!», ging zu ihm, rührte ihn an und sprach mit ihm. Der Mann aber lag auf dem Angesicht vor Ihm und ward rein, sein Aussatz fiel ab. Er erzählte Jesus seine Lage, und Jesus sagte ihm, er solle wieder zu seiner Frau gehen und nach und nach wieder unter den Leuten erscheinen. Er ermahnte ihn auch wegen seiner Sünden, befahl ihm die Bußtaufe und ein gewisses Almosen. Dann ging Jesus zu den Jüngern zurück und sprach mit ihnen davon, dass man, um zu helfen, so man glaube und reinen Herzens sei, auch die Aussätzigen berühren könne.

Als der Geheilte sich gebadet und angekleidet hatte, dann zu seiner Frau ging und ihr das Wunder Jesu erzählte, wurde dies von einigen tückischen Menschen des Ortes den Pharisäern und Priestern der Stadt Tabor gemeldet, welche wie eine Untersuchungskommission den armen Mann überfielen, ihn scharf untersuchten und zur Rede stellten über verheimlichte Krankheit, und ob er auch wirklich geheilt sei. Und sie machten nun aus Neid gegen Jesus ein großes Spektakel über die Sache, welche vorher offenkundig von ihnen geduldet worden war.

Jesus wanderte nun mit den Jüngern den ganzen Tag sehr schnell. Nur dann und wann ruhten sie etwas und nahmen eine Erquickung. Er lehrte sie unterwegs von dem Verlassen zeitlicher Güter, und in Parabeln vom Reich Gottes. Er sagte, dass Er ihnen jetzt unmöglich alles deutlich machen könne. Es werde aber eine Zeit kommen, da sie alles verstünden. Er sprach vom Aufgeben irdischer Sorge um Kleidung und Nahrung. Es würden bald mehr Hungernde als Speisen da sein, und sie würden zu Ihm sprechen: woher nehmen? Und es würde dennoch Überfluss da sein. Sie sollten sich Häuser bauen und sie befestigen! Er sprach dieses so, gleich als wenn sie durch Aufopferung und Anstrengung in seinem Reich diese Häuser, nämlich Stellen und Ämter, erhalten würden. Sie verstanden es aber weltlich. Judas war sehr froh und vorlaut und sagte vor allen anderen: er wolle schon arbeiten und das Seine tun. Da blieb Jesus stehen und sagte: «Wir sind noch nicht am Ende. Es wird nicht immer so sein, dass ihr gut aufgenommen und gespeist werdet und alles in Fülle ist. Es wird eine Zeit kommen, da man euch verfolgt und ausstößt da ihr kein Obdach, kein Brot keine Kleider, keine Schuhe haben werdetl» Sie sollten sich wohl bedenken und wohl vorbereiten, um alles zu verlassen. Denn Er habe Wichtiges mit ihnen vor. Er sprach auch von zwei Reichen, die sich entgegenstehen. Niemand könne zwei Herren dienen. Wer in seinem Reich dienen wolle, müsse das andere verlassen. Er sprach von den Pharisäern und ihren Gesellen und erwähnte etwas wie von Larven oder Masken, die sie trügen und wie sie immer die tote Form lehrten und beobachtet haben wollten, den Kern aber und Inhalt, die Liebe, die Versöhnung, die Barmherzigkeit so ganz vernachlässigten. Er lehre das Gegenteil, die Schale ohne den Kern sei tot und fruchtlos. Zuerst müsse der Inhalt dann das Gesetz sein. Der Kern müsse mit der Schale wachsen. Er lehrte sie auch vom Gebet wie sie in der Einsamkeit und nicht prahlerisch beten sollten und noch vieles dergleichen.

Überhaupt so oft Er mit ihnen wandelte, lehrte Er die Jünger immer auf diese Weise vorbereitend, auf dass sie besser verstünden, was in den öffentlichen Lehren vorkam, und es dem Volk nachher deutlich machen könnten. Er lehrte sehr oft dasselbe, nur mit verschiedenen Worten und in anderer Folge. Unter den Mitgehenden fragte besonders oft Jakobus der Größere, auch Judas Barsabas, manchmal Petrus. Judas sprach oft vorlaut. Andreas ist alles schon mehr gewohnt. Thomas denkt für sich und ist wie nachrechnend. Johannes nimmt alles kindlich und lieblich auf. Die gelehrteren Jünger schweigen teils aus Bescheidenheit teils weil sie nicht immer zeigen wollen, sie verstünden Ihn nicht.

So kamen sie durch die Täler wandelnd kurz vor Sabbatseintritt im Tal östlich von Magdalum an, wo der Heide Cyrinus von Dabrath und der Hauptmann Achias von Gischala, welche zur Taufe nach Kapharnaum reisten, mit dem Zuge Jesu zusammentrafen.

In der Nähe von Kapharnaum lehrte Jesus die Jünger besonders darüber, wie sie sich in Vorbereitung zu ihrer Sendung schon jetzt im Gehorsam üben und sich überhaupt auf ihren Wegen verhalten sollten, wenn Er sie aussenden werde, das Volk zu lehren. Er gab ihnen auch einige allgemeine Regeln, wie sie sich gegen gewisse Gesellen benehmen sollten. Er sprach dieses kurz vor dem Abschied den mitgekommenen vier Herodianern zu Gehör. Er sagte: wenn sich auf ihren künftigen Wegen Profane zu ihnen gesellten, die sie wohl erkennen könnten an sanften, aushorchenden Reden, und die sich nicht abweisen ließen und immer halb einstimmend, halb gelinde widersprechend voll Dingen fragten und sprächen, wobei ihnen das Herz überströme, dann sollten sie sich auf alle Weise von ihnen loszumachen suchen, weil sie noch zu schwach und treuherzig wären, und leicht in eine Schlinge dieser Laurer eingehen könnten. Er wolle ihnen nicht ausweichen, denn Er kenne sie und wolle, dass sie seine Lehre hörten.

6. Jesus lehrt zu Kapharnaum in der Synagoge und heilt zwei Aussätzige

Jesus kam wieder durch das Gut des Hauptmannes Serobabel. Es war schon der Anfang des Sabbats nahe und sie eilten. Hier in den Gärten waren durch die Barmherzigkeit Serobabels zwei jungen Schriftgelehrten von etwa fünfundzwanzig Jahren, welche durch Ausschweifung in Aussatz gefallen waren, Wohnungen vergönnt worden. Sie waren ganz heruntergekommen und in ihrem Elende der größten Verachtung preisgegeben. Sie waren in rote Mäntel gehüllt und voll von Geschwüren. Früher hatten sie sich auch in Magdalum bei Magdalena herumgetrieben und sich dann wieder nach anderen Seiten gewendet, bis sie in dies äußerste Elend gekommen waren. Als neulich Jesus hier gewesen, schämten sie sich, vor Ihn zu kommen. Nun aber, durch die Kunde von seinen Wundern und seiner Barmherzigkeit überzeugt, ließen sie sich in die Nähe des Weges schleppen, wo Er vorüber kam und riefen seine Hilfe an. Jesus eilte vorüber, doch sagte Er zu zwei Leuten des Serobabel, welche für die Unglücklichen bittend Ihm nacheilten, sie sollten sie nach Kapharnaum an die Synagoge bringen, und wenn das Volk darin versammelt sei, sie auf die angebauten, ein Stockwerk hohen Hallen hinaufstellen, dass sie die Lehre von außen herein mit anhören könnten. Da sollten sie beten und bereuen, bis Er sie rufen werde. Sogleich eilten die Boten zurück und brachten die armen Menschen durch die näheren Wege der wilden Gartenschlucht nach Kapharnaum und schleppten sie mit Mühe die Stufen an den Mauern hinauf auf die Terrasse der Hallen, wo sie an die Öffnungen der Synagoge gelehnt einsam unter freiem Himmel die Lehre Jesu hören und reumütig ihres Erlösers harren konnten.

Jesus kam mit den Jüngern, nachdem sie sich die Füße gewaschen und die Kleider niedergeschürzt hatten, auch in die Synagoge. Da Er sich dem Gesetzespult nahte, an welchem schon einer saß und vorlas, stand dieser auf und überiieß Jesus seinen Platz, der sogleich die Rollen nahm und zu lehren begann, über Jakobs Einholung durch Laban, den Streit mit dem Engel, die Versöhnung mit Esau, Dinas Verführung und dann aus Hoseas. Als Jesus die Rollen nahm und las, ohne es abzulehnen, lachten die Pharisäer höhnisch, um Ihn für unhöflich zu erklären. Sie waren über Jesu Wiedererscheinung erbittert, denn die Erweckung des Jünglings von Naim war schon in Kapharnaum bekannt wie auch die vielen Heilungen in Megiddo. Sie spannten nun darauf, was Er hier wieder anfangen würde. Es waren heute die meisten von Jesu Familie und die Frauen alle in der Synagoge.

Als das Volk aus der Synagoge ging und Jesus, die Jünger und Pharisäer folgten, gedachten die Pharisäer, noch mit Ihm im Vorhof zu disputieren. Sie kamen jedoch vor Überraschung nicht dazu, denn Jesus wandte sich vor der Tür zur Halle, worauf die zwei unreinen Männer standen und rief ihnen, herabzukommen. Sie waren aber so furchtsam und verschämt, dass sie aus Angst vor den Pharisäern nicht gleich kamen. Jesus befahl ihnen nun in einem Namen, den ich nicht mehr weiß, herabzukommen. Da konnten sie zu ihrem großen Erstaunen allein auf den Treppen herabsteigen. Es war der Vorhof mit Fackeln für die Ausgehenden erleuchtet. Wie ergrimmten die Pharisäer, als sie die beiden armen verachteten Sünder an ihren roten Mänteln in der Nacht erkannten! Sie sanken zitternd vor Jesus auf die Knie. Er aber legte die Hand auf sie, hauchte ihnen ins Gesicht und sprach: «Eure Sünden sind euch vergeben!» und ermahnte sie zur Enthaltung und Bußtaufe. Er gebot ihnen auch, ihre Schriftgelehrtheit fahren zu lassen. Er wolle sie die Wahrheit und den Weg lehren. Sie standen auf, ihre Verunstaltung nahm merklich ab, ihre Geschwüre trockneten und die Rinden fielen ab. Sie dankten unter Tränen und gingen mit Serobabels Knechten von dort weg. Viele gutgesinnte Menschen drängten sich um sie und lobten sie wegen ihrer Buße und Heilung.

Die Pharisäer aber waren wie rasend, sie schrieen Jesus an: «Am Sabbat heilst Du! Und Sünden vergibst Du! Wie kannst Du Sünden vergeben? Er hat den Teufel, der Ihm hilft! Er ist ein Rasender! Man sieht es wohl daran, wie Er herumrennt. Kaum hat Er hier sein Spektakel getrieben, so ist Er auch wieder zu Naim und erweckt Tote und dann zu Megiddo, und dann wieder hier! Das kann kein gerechter Mensch, der bei Sinnen ist! Er hat einen bösen mächtigen Geist der Ihm hilft!» Auch äußerten sie: «Wenn Herodes nur erst einmal mit Johannes fertig ist, wird die Reihe auch an Ihn kommen, wenn Er dann sich nicht aus dem Staub macht!» Jesus aber ging durch sie durch von dort weg. Die Ihm angehörenden verwandten Frauen weinten und jammerten über die laute Wut der Pharisäer. Sie hatten beim Nachhausegehen in der Nähe auf Ihn geharrt.

Jesus ging aus der Stadt den Weg nordöstlich auf die Höhe über dem Tal, wo das Haus Mariä war. Es sind da Büsche und Höhlen, wo Er betete. Später kam Er zum Hause Mariä, wo Er die Frauen tröstete. Dann ging Er wieder hinaus, um die ganze Nacht hindurch zu beten.

Am folgenden Morgen begab sich Jesus in den mit einem Zaun umgebenen Garten in der Nähe des Hauses des Petrus, in welchem alle Einrichtungen zum Taufen getroffen waren. Es waren runde ausgemauerte und mit einem Graben umgebene Becken darin, in welche man das Wasser des vorbeifließenden Baches einlassen konnte. Eine lange Laube war durch Vorhänge und Stellwände in kleine Räume eingeteilt in welchen sich die Täuflinge umkleideten. Jesus hatte eine erhöhte Lehrstelle. Die Jünger waren alle zugegen und etwa fünfzig Täuflinge, darunter Verwandte der heiligen Familie, ein alter Mann und drei Jünglinge aus Sephoris, der Knabe, den Jesus bei Sephoris geheilt, und die alte Frau von da, die neulich in Abez bei Jesus war. Ferner Cyrinus aus Zypern, der römische Hauptmann Achias und sein geheiltes Söhnchen Jephte von Gischala, der Hauptmann Cornelius und sein geheilter gelber Sklave mit mehreren seines Gesindes, auch mehrere anderer Heiden aus Obergaliläa, ein dunkelfarbiger Sklave des Serobabel, die fünf Zöllner von Megiddo und Knaben, worunter Joses des Bartholomäus Neffe, desgleichen alle hier umher geheilten Aussätzigen und Besessenen, wie auch die zwei gestern Abend geheilten Schriftgelehrten. Diese hatten zwar kein Geschwür mehr, aber ihr Angesicht war eingefallen und abgehärmt.

Alle Täuflinge hatten wollgraue Bußkleider an und ein viereckiges Tuch über den Kopf hängen. Jesus lehrte und bereitete die Täuflinge vor. Sie gingen dann in die Laube, wo sie sich in die Taufgewänder kleideten. Es war dieses ein langes, weites weißes Hemd. Sie hatten das Haupt entblößt und jenes Tuch über den Schultern liegen und stiegen mit auf der Brust gekreuzten Händen in den Graben um das Becken. Andreas und Saturnin tauften. Thomas, Bartholomäus, Johannes und andere legten die Hände auf und waren Paten. Der Täufling hatte die Schultern entblößt und beugte sich an einer Lehne über den Rand des Beckens. Ein Jünger trug das von Jesus gesegnete Wasser in einem Gefäß und der Täufer schöpfte mit der Hand dreimal auf das Haupt des Täuflings. Thomas war Pate von Jephte des Achias Sohn. Es wurden immer mehrere zugleich getauft und doch währte die Handlung bis gegen zwei Uhr nachmittags.

7. Erweckung der Tochter des Synagogen-Vorstehers Jairus

Als Jesus später in Kapharnaum auf dem Platz vor der Synagoge mehrere Kranke heilte, kam Jairus der Vorsteher der Synagoge, warf sich vor Jesus nieder und bat Ihn, mit zu seiner kranken Tochter zu gehen, welche in den letzten Zügen liege, und sie zu heilen. Jesus war im Begriff, mit Jairus zu gehen, als Boten vom Haus zu Jairus kamen und sagten: «Deine Tochter ist gestorben, du brauchst den Meister nicht weiter zu bemühen.» Da sagte Jesus zu Jairus: «Fürchte dich nicht! Glaube Mir, so wird dir geholfen!» Sie gingen an der Nordseite der Stadt hinan, wo Cornelius wohnte, von dessen Haus das des Jairus nicht weit entfernt war. Als sie in die Nähe desselben kamen, sah man schon viele Trauerleute und Klagefrauen vor der Tür und im Vorhaus. Jesus nahm nur den Petrus, Jakobus den Größeren und Johannes mit hinein. Im Hofe sagte Er zu den Klagenden: «Warum jammert und weint ihr so? Geht hinweg! Das Mägdlein ist nicht tot, sondern sie schläft nur.» Es fingen die Klageleute an, Ihn spöttelnd zu verlachen, weil sie wussten, dass sie tot war. Jesus aber sagte, sie sollten hinaus weichen, und sie mussten aus dem Hof hinaus, der geschlossen wurde. Er trat in den Raum, wo die betrübte Mutter und die Magd mit Vorbereitung der Totenhüllen beschäftigt waren, und ging mit dem Vater, der Mutter und den drei Jüngern in die Kammer, wo die Tochter lag, Jesus trat gegen das Lager, die Eltern standen hinter Ihm, die Jünger rechts zu Füßen des Bettes. Die Mutter gefiel mir gar nicht sie hatte kein Vertrauen und war kalt. Der Vater, auch kein begeisterter Freund Jesu, war so, dass er es mit den Pharisäern nicht verderben wollte, und nur die Angst und Not hatten ihn zu Jesus getrieben. Heilte dieser das Kind, so hatte er es wieder. Wo nicht, so war es ein Triumph für die Pharisäer. Doch hatte ihn zuletzt die Heilung des Knechtes des Cornelius sehr bewegt und ihm mehr Vertrauen gegeben.

Das Töchterchen war nicht groß und sehr abgezehrt. Ich hielt es höchstens für elf Jahre alt und von den kleinsten dieses Alters, denn man findet Judenmädchen von zwölf Jahren, die vollkommen ausgewachsen sind. Es lag in einem langen Kleid eingewickelt auf dem Lager. Jesus hob es leicht mit dem Arm gegen seine Brust und hauchte es an. Da sah ich etwas Wunderbares. Neben dem Leichnam zur rechten Seite war eine lichte Gestalt in einem hellen Kreis, welche, da Jesus das Mägdlein anhauchte, in dessen Mund als kleine lichte Menschenfigur einsank. Jesus ließ den Leib nieder auf das Lager, fasste den Arm des Mägdleins über der Hand und sagte: «Mägdlein richte dich auf!» Da richtete sie sich sitzend im Bett auf. Er hatte sie fortwährend an der Hand, und sie richtete sich ganz auf, hatte die Augen offen und stieg an der Hand Jesu vom Lager. Er führte die noch Schwache und Schwankende in die Arme der Eltern, die der ganzen Handlung anfangs kalt und bang, dann mit Zittern und Beben zugesehen hatten und jetzt vor Freude wie außer sich waren. Jesus sagte ihnen, dem Kind zu essen zu geben und keinen unnötigen Lärm von der Sache zu machen, und kehrte nach dem Dank des Vaters hinab zur Stadt. Die Frau war verschämt und verblüfft und dankte nicht viel. Es war aber gleich unter den Klageleuten erschollen, das Mägdlein lebe. Sie traten aus dem Weg, schämten sich teils, teils lächelten doch noch manche Niederträchtige, gingen in das Haus und sahen das Mägdlein essen.

Jesus sprach auf dem Rückweg mit den Jüngern von dieser Heilung, diese Leute hätten zwar keinen rechten Glauben gehabt und keine aufrichtige Gesinnung. Ihre Tochter aber sei vom Tod erweckt um ihrer selbst willen und zur Ehre des Reiches Gottes. Dieses sei ein unschuldiger Tod. Sie müsse sich aber vor dem Tod der Seele hüten. Er ging dann wieder auf den Platz der Stadt heilte noch viele Kranke, die Ihn erwarteten, und lehrte dann in der Synagoge bis zum Sabbats-Schluss. Die Pharisäer aber waren so erbittert und unruhig, dass sie leicht Hand an Ihn gelegt hätten, wenn Er sich mit ihnen eingelassen hätte. Sie fingen schon wieder davon an, dass Er seine Wunder durch Zauberei tue. Jesus aber verließ die Stadt durch die Gärten Serobabels. Auch die Jünger mussten sich zerstreuen.

Jesus brachte wieder einen Teil der Nacht abgesondert im Gebet zu. Dieses sein Gebet bewirkt, dass die Sünder sich bekehren und die Absichten der Pharisäer sich verwirren und vereitelt werden. Denn Er tat alles auf eine menschliche Weise, auf dass wir Ihm nachfolgen sollten und so betete Er auch zu seinem himmlischen Vater zur Vollendung seines Werkes. Nach unserer Art zu denken, sollte man glauben, die Pharisäer würden Ihn zerreissen. Er entzieht Sich ihnen und am folgenden Tag, selbst am Sabbat, heilt Er wieder vor der Synagoge und lehrt in derselben. Warum vertrieben sie die Kranken nicht? Warum verboten sie Ihm das Lehren in der Synagoge nicht? Es hatten aber die Propheten und der Lehrer das Recht, in den Synagogen von jeher zu lehren, zu helfen und zu heilen. Sie konnten Ihn nur auf Gotteslästerung und Irrlehre angreifen, die sie aber nicht erweisen konnten. Um seine Taufe bekümmerten sie sich gar nicht und kamen auch nicht hinzu. Es führte keine Landstraße durch das Tal, sie ging oben über die Höhe nach Bethsaida. Durch das Tal gingen nur die Pfade der Fischer und Landleute zum See.

Martha und die heiligen Frauen von Jerusalem, Dina und andere waren schon nach Jesu Abreise nach Naim wieder nach Hause gereist. Maroni nebst ihrem Sohn wurde so von den Leuten umher überlaufen, welche den Erweckten sehen wollten, dass sie sich verbergen mussten.

Es war ein Fest bei dem Hauptmann Cornelius seines geheilten Knechtes wegen. Sehr viele Heiden und besonders Arme zogen zu seinem Haus. Er hatte gleich nach der Heilung Jesus sagen lassen, er wolle Brandopfer von allen Tiergattungen bringen lassen. Jesus ließ ihm aber antworten, er solle lieber seine Feinde einladen und sich mit ihnen versöhnen, auch seine Freunde und sie belehren, die Armen und sie erquicken und mit den Opferspeisen bewirten, denn Gott habe keine Freude an Brandopfern. Sehr viele Heiden zogen über Bethsaida und die Höhe zum Haus des Cornelius, wo das Fest war.

Jesus war mit den Jüngern wieder am Taufort. Saturnin hatte eine große Freude, zwei jüngere Brüder und seinen Oheim zu taufen, sie waren Heiden. Seine Mutter war auch mit ihnen gekommen. Sie ist schon eine Jüdin, sein Vater ist tot. Saturnin ist ein Nachkomme von Königen. Seine Eltern lebten in Patras, sein Vater war tot, eine Stiefmutter mit zwei Töchtern und zwei Söhnen lebten noch. Saturnin hatte zuerst durch einen braunen Mann, der von den Angehörigen des dunkelfarbigeren der drei Könige war und den Zug mitgemacht hatte, die Geschichte von dem Stern und der Geburt Jesu erfahren. Er war auf Reisen mit ihm in Berührung gekommen. Hierauf zog Saturnin nach Jerusalem. Und als Johannes auftrat war er einer seiner ersten Jünger, ging aber nach der Taufe Jesu mit Andreas zu Jesus. Seine Stiefmutter war nach ihm mit den beiden Mädchen nach Jerusalem gezogen. Die Knaben, welche bei einem Oheim zurückgeblieben, sind jetzt angekommen. Sie waren reich. Es wurden noch ungefähr zwölf andere Menschen getauft. Wenn sie in den Graben um das Becken treten, schürzen sie sich das lange Gewand auf und lehnen sich, wenn sie die Taufe empfangen, über den Rand des Beckens. Dann gehen sie wieder in die Laube und legen andere Kleider an. Das weiße lange Hemd ist ein Taufmantel. Die Juden bekümmern sich nicht um die getauften Heiden. Wenn sie nicht kommen und die Beschneidung von den Priestern begehren, so ahnden sie dieses nicht. Es scheint ihnen auch nicht viel an den Heiden zu liegen, denn sie sind ganz lau und scheuen die Mühe, Cornelius, der unter ihnen wohnt und die Synagoge bauen ließ, wird wohl die Beschneidung annehmen müssen, wenn er anders Gemeinschaft mit ihnen haben will.

Danach lehrte Jesus am See, nicht weit von Petri Schiffstelle. Er war mit den Jüngern über die Höhe hinter der Wohnung Mariä und des Petrus gegen Bethsaida und herab bis hierher gewandelt. Das Ufer bei Bethsaida ist hoch. Hier aber fällt es sanft zum See ab und ist gut anzufahren. Das Schiff des Petrus und das Schifflein Jesu lagen hier. Dieses war kleiner und fasste höchstens fünfzehn Mann.

8. Jesus lehrt vom Schiff aus. Berufung des Matthäus

Es war hier eine große Menge von den Heiden versammelt, welche beim Fest des Cornelius gewesen waren. Jesus lehrte sie, und als das Gedränge zu stark wurde, bestieg Er mit einigen Jüngern sein Schiff, die andern aber und die Zöllner bestiegen das Schiff des Petrus. Nun lehrte Er vom Schiff aus die Heiden am Strand über die Parabel vom Sämann und Unkraut im Acker. Nach dieser Lehre fuhren sie über den See. Das Schiff des Petrus ruderte und das Schifflein Jesu war daran gehängt. Es ruderten die Jünger abwechselnd. Jesus saß auf der erhöhten Stelle an dem Mast, die andern umher und auf dem Rand des Schiffes, Sie fragten Ihn aber, was dieses Gleichnis bedeute und warum Er in Gleichnissen rede. Da legte Er es aus. Sie landeten zwischen dem Tal von Gerasa und Bethsaida-Julias. Es führte der Weg vom Ufer zu den Häusern der Zöllner, den die vier Zöllner, die bei Jesus waren, einschlugen. Jesus aber ging einen Weg am Seeufer rechts ab mit den Jüngern, so dass sie in einiger Entfernung vom Haus des Matthäus vorüber kamen. Von diesem Weg lenkte aber ein Seitenpfad zur Zollstätte des Matthäus. Und da Jesus sich dahin wandte, blieben die Jünger scheu stehen, als Matthäus, vor dessen Zollhaus Knechte und Zöllner mit allerlei Waren beschäftigt waren, Jesus und die Jünger von der Anhöhe zu ihm kommen sah, schämte er sich und zog sich in seine Hütte zurück. Jesus aber nahte und rief ihm über den Weg. Da kam Matthäus eilends heraus, warf sich vor Jesus auf sein Angesicht nieder und sagte, er habe sich nicht würdig geglaubt, dass Jesus mit ihm rede. Jesus aber sagte ihm: «Matthäus, stehe auf und folge Mir nach!» Und Matthäus stand auf und sagte, dass er alles sogleich mit Freuden verlassen und Ihm folgen wolle. Er ging nun mit Jesus auf den Weg, wo die Jünger standen. Diese grüßten ihn und reichten ihm die Hände. Besonders waren Thaddäus, Simon und Jakobus der Kleinere froh, denn sie waren vom Vater Alphäus her Brüder, der vor seiner Ehe mit Maria Kleophä Tochter, den Matthäus mit einer früheren Frau gehabt hatte - Matthäus wollte, dass alle seine Gäste sein sollten. Jesus sagte ihm aber, dass sie morgen zu ihm kommen wollten, und so gingen sie weiter.

Matthäus eilte zu seinem Haus zurück, welches eine Viertelstunde vom See an einer Bucht der Anhöhe liegt. Das Flüsschen, das von Gerasa in den See läuft, fließt nahe dabei vorüber. Es hat Aussicht auf den See und auf das Feld. Matthäus setzte gleich einen guten Mann von Petri Schiff an seine Stelle, das Amt bis zur näheren Anordnung zu verwalten. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Er sagte seiner Frau freudig das Glück, das ihm widerfahren, und wie er alles verlassen und Jesus ganz folgen wolle, worüber auch sie voll Freude war. Hierauf befahl er ihr, die Mahlzeit auf morgen zu bereiten und beschäftigte sich selbst mit den Einladungen und Anordnungen dazu. Matthäus war schier so alt wie Petrus und hätte wohl seines jüngern Halbbruders Joses Barsabas Vater sein können. Er war ein schwerer, starkknochiger Mann mit schwarzem Bart und Haar. Seit er Jesus auf dem Weg nach Sidon kennengelernt, hatte er die Johannestaufe empfangen und sein ganzes Leben nach der größten Gewissenhaftigkeit eingerichtet.

Jesus war über die Höhe hinter das Haus des Matthäus gegen Mitternacht in das Tal Bethsaida-Julias gewandelt, wo Lager von Karawanen und ziehenden Heiden waren, die Er lehrte.

Tags darauf kam Jesus gegen Mittag mit den Jüngern zum Haus des Matthäus zurück, wo viele eingeladene Zöllner versammelt waren. Unterwegs schlossen sich Ihm einige Pharisäer und Johannesjünger an, die aber nicht mit in das Haus, sondern draußen mit den Jüngern im Garten umhergingen und ihnen sagten: «Wie könnt ihr es dulden, dass Er sich immer mit Sündern und Zöllnern so vertraut macht?» Da antworteten diese: «Sagt es Ihm selber!» Die Pharisäer aber erwiderten: «Mit einem Menschen, der immer Recht haben will, kann man nicht sprechen.»

Matthäus empfing Jesus und die Seinigen gar liebevoll und demütig und wusch ihnen die Füße. Seine Halbbrüder umarmten ihn herzlich. Er brachte Jesus seine Frau und seine Kinder. Jesus sprach mit ihr und segnete die Kinder. Hernach erschienen die Kinder nicht mehr. Ich habe mich oft gewundert, dass die Kinder, wenn Er sie gesegnet hatte, gewöhnlich nicht mehr zum Vorschein kamen. Ich sah aber, dass Jesus saß und Matthäus vor Ihm kniete, und dass Jesus ihm die Hand auflegte, ihn segnete und belehrende Worte dabei sprach. Matthäus hatte sonst Levi geheißen und erhielt jetzt den Namen Matthäus. Es war eine große Mahlzeit an einer ins Kreuz gestellten Tafel in offener Halle. Jesus saß von den Zöllnern umgeben. Man stand in Zwischenräumen auf und besprach sich und saß wieder nieder bei neuen Gerichten. Es kamen vorübergehende, arme Reisende heran, denen die Jünger Speise mitteilten. Es führte hier die Straße zur Überfuhr vorüber. Dazwischen nahten die Pharisäer den Jüngern, und es traten die Reden und Widerreden ein, welche im Evangelium des heiligen Lukas 5, 30-39 stehen. Sie sprachen aber hauptsächlich vom Fasten, weil am Abend bei strengen Juden ein Fasttag eintrat, wegen der Verbrennung der Bücher des Jeremis durch König Joachim und auch deshalb, weil es bei den Juden in Judäa besonders nicht gewöhnlich war, auf dem Weg Früchte abzupflücken, was Jesus seinen Jüngern erlaubte. Als Jesus die Antworten gab, lag Er zu Tisch mit den Zöllnern. Die Jünger aber, an welche die Reden der Pharisäer gingen, standen und wandelten umher, Jesus wandte das Haupt und antwortete.

In Kapharnaum wird es nun viel lebendiger, als sonst. Es ziehen sehr viele Fremde hin um Jesu willen. Gegner und Freunde, besonders Heiden, die sich an Serobabel und Cornelius anschließen.

9. Letzte Berufung des Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes. Stillung des Seesturmes

Als Jesus am folgenden Morgen an den See ging, von dem die Wohnung des Matthäus eine Viertelstunde entfernt lag, waren Petrus und Andreas im Begriff, in den See hinauszufahren und ihre Netze auszuwerfen. Jesus aber rief ihnen zu: «Kommt und folgt Mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen.» Sie ließen sogleich ihre Arbeit legten das Schiff an und kamen ans Ufer. Jesus aber ging noch eine Strecke weiter am Ufer zum Schiff des Zebedäus, der mit seinen Söhnen, Jakobus und Johannes, die Netze auf dem Schiff in Ordnung brachte. Er rief auch ihnen zu kommen und sie kamen gleich ans Land. Zebedäus blieb mit den Knechten im Schiff.

Nun sandte sie Jesus in das Gebirge mit dem Befehl, die dort gelagerten Heiden, welche es verlangen würden, zu taufen. Er hatte sie gestern und vorgestern schon vorbereitet. Er selbst ging nach einer andern Seite mit Saturnin und den andern Jüngern. Am Abend sollten sie wieder bei Matthäus zusammenkommen. Ich sah, wie Er ihnen die Wege mit der Hand deutend bestimmte. Die andern Jünger hatten indes oben am Weg geharrt und erst als alle beisammen waren, gab Er ihnen den Auftrag, ihres Weges zu ziehen und zu taufen.

Jesus hatte die Fischer schon früher von ihrem Geschäft förmlich abberufen. Doch waren sie mit seinem Willen immer wieder dahin zurückgekehrt. Solange sie nicht selber lehrten, war es auch nicht nötig, dass sie ununterbrochen mit Ihm zogen. Auch war ihre Schifffahrt und ihr Verkehr mit den heidnischen Karawanen dem Aufenthalt Jesu in Kapharnaum sehr nützlich. Als sie nach den vorigen Ostern längere Zeit hindurch mit Jesus gewesen waren, hatten sie wohl da und dort schon gelehrt und selbst geheilt. Doch war das letztere ihnen nicht immer gelungen aus Mangel an Glauben. Sie hatten auch Verfolgung schon erlitten, denn in Gennabris waren sie gebunden vor die Pharisäer geführt und gefangen gehalten worden. Sie hatten damals von Jesus auch die Vollmacht empfangen, das Wasser zur Taufe zu segnen. Er hatte ihnen diese Vollmacht nicht durch Handauflegung, sondern mit einer Segnung gegeben.

Petrus hatte nicht bloß mit der Schifffahrt zu tun, sondern besaß auch Feldwirtschaft und Vieh. Darum wurde es ihm schwerer, als den anderen, von seinem Hauswesen sich loszumachen. Dazu kam noch das Gefühl seiner Unwürdigkeit und seines vermeintlichen Unvermögens zum Lehren, was ihm die Trennung noch mehr erschwerte. Sein Haus vor Kapharnaum war groß und lang und mit einem Hof und Seitengebäuden, Hallen und Schuppen umgeben. Der vorüberfließende Bach von Kapharnaum war zu einem hübschen Teich gestaut, worin Fische bewahrt wurden. Umher waren Rasenplätze, auf welchen gebleicht und Netze ausgespannt wurden.

Andreas war schon länger und mehr vom Geschäft getrennt, Jakobus und Johannes kehrten bis jetzt auch immer wieder zu ihren Eltern zurück.

Da die Evangelien den umständlichen Lebenswandel Jesu mit den Jüngern nicht enthalten sollten, sondern nur einen kurzen Auszug, so wurde dieses Abrufen der Fischer von ihren Schiffen und vom vorgehabten Fischzug zum Fischen der Menschen, als der ganzen Berufung des heiligen Petrus, Andreas, Johannes und Jakobus umfassend, an den Anfang hingesetzt. Manche Wunder, Parabeln und Lehren Jesu aber als eine Beispielsammlung danach, ohne eine bestimmte Ordnung der Zeit.

Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes zogen zum Lagerplatz der Heiden, wo Andreas taufte. Aus dem Bach wurde Wasser in einem Becken gebracht. Die Täuflinge schlossen einen Kreis und knieten nieder mit vor der Brust gekreuzten Händen. In dem Kreis standen auch Knaben von drei bis sechs Jahren. Petrus hielt das Becken und Andreas sprengte mit der Hand schöpfend dreimal drei Täuflinge über das Haupt und sprach die Taufworte. Die andern Jünger gingen von außen herum und legten ihnen die Hände auf. An die Stelle der Getauften traten immer wieder neue ein. Es wurden dazwischen Pausen gemacht und die Jünger erzählten die ihnen schon gangbaren Parabeln, sprachen von Jesus, seinen Lehren und Wundern und erklärten den Heiden, was sie noch nicht von den Gesetzen und Verheißungen Gottes wussten. Petrus konnte besonders eifrig und mit viel Aktion erzählen. Auch Johannes und Jakobus sprachen sehr schön. Jesus lehrte in einem anderen Tal und bei Ihm taufte Saturnin.

Als alle am Abend wieder beim Haus des Matthäus zusammenkamen, waren hier noch sehr viele Menschen, welche Jesus drängten. Deswegen bestieg Er mit den zwölf Aposteln und Saturnin das Schiff des Petrus und befahl ihnen, gegen Tiberias zu fahren, welche Richtung über die ganze Breite des Sees führt. Es schien, als wolle Jesus von dem Andrang der Leute ausruhen, denn Er war sehr ermüdet. Er lag in der mittleren Terrasse der stufenförmigen Umgebung des Mastbaums in einem der Behälter, wo die Wächter gewöhnlich liegen, und war eingeschlafen, so müde war Er. Die Rudernden standen über Ihm. Man konnte von diesen Ruhestellen frei heraussehen und oben war man bedeckt. Es war ganz stille und schön, als sie abfuhren. Sie waren ungefähr mitten auf dem See, als ein heftiges Ungewitter entstand. Es war mir seltsam, dass der Himmel ganz schwarz war und man doch die Sterne sehen konnte. Es war ein schrecklicher Wind und die Wellen schlugen ins Schiff. Das Segel hatten sie herabgelassen. Ich sah auch oft einen lichten Schein über das bewegte Wasser hinfliegen. Es muss geblitzt haben. Die Gefahr wurde immer größer, die Jünger waren in großer Angst, weckten Jesus und sagten: «Meister! Bekümmerst Du Dich nicht um uns? Wir gehen zugrunde!» Da richtete sich Jesus auf, schaute hinaus und sagte ruhig und ernst, als rede Er mit dem Sturme: «Schweige! Verstumme!» Da ward eine plötzliche Stille, alle erschraken und fragten einander flüsternd: «Wer ist Er, dass Er den Wellen gebieten kann?» Er aber verwies ihnen ihren geringen Glauben, dass sie sich gefürchtet hätten, und befahl ihnen, gegen Chorazin zurückzufahren, so heißt die Gegend von der Zollstätte des Matthäus, wegen der Stadt Chorazin, wie jenseits die Gegend von Kapharnaum bis gegen Gischala Genesareth genannt ist. Das Schiff des Zebedäus kehrte auch mit zurück. Ein anderes mit Überfahrenden fuhr nach Kapharnaum. Mit Jesus waren in allem etwa fünfzehn Männer auf dem Schiff. Man darf sich nicht wundern, dass die Rudernden über Jesu Schlafort standen, und Dieser doch auch über das Schiff wegsah. Weil die Ruder auf dem hohen Schiffsrand aufliegend, weit hinaus in das Wasser griffen, hatten sie einen langen Hebel und die Ruderer standen hoch, deswegen waren auch die Terrassen um den Mast. lch sah nachher Jesus mit den Jüngern auf die Höhe gegen Süden des Tals von Chorazin gehen, wo unzählige Scharen Volkes sich versammelt hatten und noch immerwährend heranzogen. Es war der Ort etwa eine Stunde von Chorazin südwestlich und etwas weiter nördlich von Gergesa, das tiefer lag.

Wo Jesus lehrte, war ein steinerner Lehrstuhl. Es war diese Lehre vor ein paar Tagen schon angesagt, und es haben gewiss ein paar Tausend zugehört. Jesus heilte auch eine große Menge Menschen. Blinde und Lahme, Stumme und Aussätzige. Als Er zu lehren begann, lärmten und rasten viele Besessene, welche man herangeführt hatte. Er befahl ihnen zu schweigen und sich an die Erde zu legen und sie legten sich an die Erde wie furchtsame Hunde und rührten sich nicht bis zum Ende der Lehre, da Er zu ihnen ging und sie befreite.

Unter den vielen Heilungen erinnere ich mich an die eines Mannes mit ganz ausgedörrtem Arm und geschwundener, verkrümmter Hand. Jesus fuhr ihm an dem Arm herab, nahm seine Hand, machte ihm die einzelnen Finger gerade, indem Er sie sanft bog und drückte. Alles dieses war so geschwind geschehen, als man Zeit braucht um es einem zu zeigen, wie Er es machte. Die Hand des Mannes ward gerade und lebendig und er konnte sie bewegen, wenn sie gleich noch dünn und schwach war, aber sie wurde schnell immer stärker.

Es waren bei dem Volk viele Frauen mit Kindern von jedem Alter. Jesus ließ einmal die Kinder nach und nach zu Sich bringen, segnete sie, durch sie hinwandelnd, und lehrte über sie, so dass die Leute es hörten. Ich sah, dass Er ein Kind bei dieser Lehre bei der Hand hin und her wandte und lehrte, wie auch die Menschen so ruhig und geduldig sich von Gott ohne Widerspruch müssten führen lassen. Er hatte viel mit den Kindern zu tun. Die meisten dieser Leute waren Heiden, ein Teil auch Juden aus Syrien und den zehn Städten, die in großen Karawanen mit ihren Knechten und Kindern und Kranken zur Lehre, Heilung und Taufe auf Jesu Ruf herangezogen waren. Jesus war ihnen hier herüber entgegengekommen, damit die Menge in Kapharnaum nicht zu groß würde. Unter ihnen sah ich die Verwandten der in Kapharnaum sich aufhaltenden blutflüssigen Frau des Evangeliums. Es war der Oheim ihres verstorbenen Mannes aus Paneas, in dessen Haus sie geheiratet hatte, ihre erwachsene Tochter und noch eine Frau. Sie sprachen mit den Jüngern, um am Abend von ihnen nach Kapharnaum überführt zu werden, und erkundigten sich auch nach ihrer kranken Verwandten. Sie hörten die Lehre Jesu.

Es wurde den ganzen Tag getauft auf dieselbe Art wie gestern, so dass sie im Kreis knieten. Ich sah auch wieder viele kleine Knaben getauft werden. Sie standen mit den Händen vor der Brust im Kreis. Das Wasser wurde in Schläuchen heraufgebracht aus dem Tal von Chorazin. Auch bei dieser Lehre waren lauernde Pharisäer aus der Umgegend und verkehrte Johannesjünger. Am Abend zog Jesus mit den Jüngern zum Hause des Matthäus. Er erzählte noch eine Parabel von dem Schatz, der in einem fremden Acker verborgen liege, und wer den finde, der lasse ihn liegen und kaufe den Acker und lasse alles um den Acker. Das deutete Er auf die große Begierde der Heiden, welche das Reich an sich reißen würden, Jesus saß dann noch des Gedränges wegen in einem Schiff und lehrte. Er fuhr aber nicht weit, sondern kehrte zurück und war nachts im Gebete.

Am Morgen brachten Jünger Jesus die Botschaft, dass Maria Kleophä im Haus des Petrus vor Kapharnaum sehr krank sei, dass seine Mutter Ihn bald zu kommen bitte, und wie sehr viele Kranke, selbst von Nazareth, Ihn erwarteten. Jesus lehrte und heilte noch sehr viele Menschen am Ufer des Sees. Es waren auch wieder viele Besessene zugegen, die Er befreite. Die Anzahl und das Gedränge der Menschen wird immer größer und es ist nicht zu sagen, wie unermüdet Jesus arbeitet und hilft.

Nach Mittag fuhr Er mit allen Aposteln herüber nach Bethsaida, Matthäus hat die Zollstätte einem von den Schiffern übergeben. Er übt sein Geschäft, schon seit er des Johannes Taufe empfangen, auf eine sehr redliche Weise. Auch alle die andern Zöllner wurden in ihrem Amte sehr redliche und milde Menschen und teilten sehr viel den Armen aus. Judas ist noch gut und ungemein gewandt und dienstfertig und bei dem Austeilen besonders einrichtend und berechnend. Es fuhren heute auch noch viele Heiden über. Jene, welche nicht weiterziehen als bis Kapharnaum, lassen die Kamele zurück, die andern Kamele und Esel stehen auf Kasten, die an den Schiffen hängen, oder werden über die Jordansbrücke oberhalb des Sees geführt.

Jesus kam gegen vier Uhr nach Bethsaida, wo Maria und Maroni mit ihrem Sohn, die seit zwei Tagen hier sind, nebst anderen Ihn erwarteten. Er nahm einen Imbiss. Mariä Kleophä Söhne gingen zu ihrer kranken Mutter, Jesus lehrte und heilte vor dem Haus des Andreas noch bis in die Nacht viele versammelte Menschen.

Es ist der Andrang der Fremden, Heiden und Juden, nach Kapharnaum in dieser Zeit über alle Begriffe groß. Es lagern in der ganzen Gegend große Züge. Es mögen an zwölftausend Fremde um Jesu willen in der Gegend sich aufhalten. In allen Tälern und Winkeln der Umgegend grasen Esel und Kamele. Diesen aber wird das Futter auch erhöht vorgesetzt und sie sind dann angebunden. Sie fressen sehr viele Knospen an den Hecken ab und schaden denselben sehr. Überall umher sind Lager geschlagen, Kapharnaum wird seit Jesu Aufenthalt reicher und größer. Es lassen sich viele Familien hier nieder, und die vielen Fremden bringen Vermögen in die Stadt. Es wird auch viel gebaut und das Haus Serobabels und des Cornelius werden bald mit der Stadt zusammenhängen.

Auch sehr viele Kranke sind aus entlegenen Orten nach Kapharnaum gebracht. Durch die Erweckung des Jünglings von Naim und die vielen großen Heilungen ist alles in Bewegung gekommen. Selbst aus Nazareth sind viele hergebracht, ja für unheilbar erkannte und dem Tod nahe Kranke hat man im Vertrauen auf Jesus hierher gebracht. Das Haus des Petrus vor der Stadt ist im Vorhof, den Anbauten und Schuppen voll von ihnen. Man hat Zelte und Lauben aller Art aufgeschlagen und für Speisung gesorgt. Die Witwe von Naim, welche dem Petrus verwandt ist und auch Maria Kleophä, die ihm durch ihren dritten Mann verwandt ist, wohnen hier. Die letztere wohnt gewöhnlich in Kana. Von daher hat sie die Witwe von Naim mit ihrem achtjährigen Sohn dritter Ehe, Simeon, mitgenommen. Sie ist schon fieberhaft hier angekommen, und ihre Krankheit nimmt zu. Jesus war noch nicht bei ihr. Es sind auch Leute aus Griechenland und namentlich aus Saturnins Vaterstadt aus Patras, hier.

10. Botschaft Johannes des Täufers an die Synagoge. Der reiche Fischfang

Vor dem Sabbat kamen von Johannes gesandt mehrere seiner Jünger aus Machärus nach Kapharnaum. Sie waren aus den ältesten und vertrautesten Jüngern. Die Brüder Mariä Kleophä, Jakobus, Sadoch und Heliachim, waren darunter. Sie beriefen die Vorsteher und die Kommission der Pharisäer vor die Synagoge in die Vorhalle und überreichten ihnen eine lange schmale Rolle, tütenförmig geschlossen. Es war ein Brief von Johannes, sein strenges deutliches Zeugnis über Jesus enthaltend. Während sie dieses lasen und etwas bestürzt hin und her redeten, versammelte sich vieles Volk und die Boten sagten demselben laut, was Johannes in einer großen Rede zu Machärus vor Herodes und seinen Jüngern und vielem Volke ausgesprochen hatte. Als nämlich die Jünger, welche Johannes zu Jesus nach Meggido gesandt hatte, mit der Antwort Jesu zu ihm zurückgekommen waren und ihm die Nachrichten von seinen Wundern und Lehren und von der Verfolgung der Pharisäer mitgebracht hatten, wie auch die verschiedenen Gespräche über Jesus und die Klagen mancher, dass Er ihn nicht befreie, fühlte sich Johannes gedrungen, nochmals ein lautes Zeugnis von Jesus zu geben, weil er vergebens versucht hatte, Ihn durch seine Anfrage zu bewegen, von Sich Selbst zu zeugen. Er ließ also dem Herodes sagen, er möge ihm vergönnen, allen seinen Jüngern, und wer ihn sonst hören wolle, eine Rede zu halten, denn bald werde er schweigen. Herodes gestand es ihm gerne zu, und es wurden auf einen Platz im Schloss alle seine Jünger und vieles Volk eingelassen. Herodes und seine böse Frau saßen auf einem erhöhten Ort von vielen Soldaten umgeben. Da kam Johannes aus seinem Kerker und lehrte sie, Herodes ließ es gerne geschehen, denn er wollte sich, um das Volk zu versöhnen, das Ansehen geben, als genieße Johannes eine sehr leichte Gefangenschaft. Der Täufer sprach mit großer Begeisterung von Jesus. Er selber sei nur gesandt Ihm den Weg zu bereiten und er habe niemanden verkündet als Ihn, aber dieses hartnäckige Volk wolle Ihn nicht erkennen. Ob sie denn vergessen hätten, was er von Ihm gelehrt? Er wolle es ihnen deutlich nochmals wiederholen, denn sein Ende sei nicht mehr ferne! Als er dies sagte, wurden alle Anwesenden sehr bewegt und viele seiner Jünger weinten. Herodes kam in Unruhe und Verlegenheit, denn er hatte keineswegs den Vorsatz, ihn zu töten. Seine nicht rechtmäßig angetraute Frau aber verstellte sich so gut sie konnte. Johannes sprach mit großem Eifer fort und wiederholte das Wunder bei der Taufe Jesu und dass Er der liebe Sohn Gottes sei, der von den Propheten verkündet worden. Alles, was Er lehre, sei die Lehre seines Vaters, und was Er tue, tue der Vater und niemand komme zum Vater als durch Ihn. So sprach er lange, widerlegte alle Vorwürfe, welche Ihm die Pharisäer machten, und besonders auch jenen der Sabbatsentheiligung. Er sagte: Jeder müsse den Sabbat heiligen, die Pharisäer aber entheiligten ihn, weil sie den Lehren Jesu nicht folgten, des Sohnes Dessen, der den Sabbat eingesetzt habe. Noch viel Ähnliches sagte er und verkündigte Jesus als Den, außer dem kein Heil zu finden sei. Wer nicht an Ihn glaube und seiner Lehre nicht folge, werde verdammt werden. Er ermahnte auch alle seine Jünger, sich zu Jesus zu wenden und nicht verblendet bei ihm auf der Schwelle stehenzubleiben, sondern in den Tempel selbst hineinzugehen.

Nach dieser Rede sandte er mehrere mit einem Brief an die Synagoge von Kapharnaum, in welchem er sein ganzes Zeugnis wiederholte, dass Jesus der Sohn Gottes und die Erfüllung der Verheißung und alles sein Tun und Lehren recht und heilig sei, und widerlegte ihnen alle ihre Einwürfe, drohte ihnen mit dem Gerichte und ermahnte sie, das Heil nicht von sich zu stoßen. Er befahl auch den Jüngern, einen andern Brief dem Volk Vorzulesen, der dasselbe sagte, und ihm alles zu wiederholen, was er hier geredet. Ich sah nun die Johannesjünger in Kapharnaum dieses tun. Es versammelten sich ungemein viele Menschen, denn Kapharnaum wimmelte von Menschen an diesem Sabbat.

Es waren Juden aus allen Gegenden hier. Sie hörten die Worte des Johannes über Jesus mit großer Freude an. Viele waren voll Jubel und gaben sich ihrem Glauben mit neuer Kraft hin.

Die Pharisäer mussten der Menge weichen und konnten nichts vorbringen. Sie zuckten die Achseln, schüttelten die Köpfe und stellten sich ganz geneigt, behaupteten jedoch ihre Autorität und sagten zu den Johannesjüngern: sie würden Jesus nichts in den Weg legen, wenn Er die Gesetze nicht verletzen und die Ruhe nicht stören würde. Es sei wahr. Er sei wunderbar ausgerüstet, aber sie müssten auf Ordnung sehen, und alles habe sein Maß. Johannes sei ein guter Mann und möge in seinem Gefängnis nicht alles so recht wissen. Er sei ja nie viel mit Jesus zusammen gewesen.

Hierüber ging der Sabbat an. Alles begab sich zur Synagoge, auch Jesus kam mit den Jüngern. Alles hörte Ihn mit der größten Bewunderung. Er lehrte vom Verkauf Josephs Gen 37, 1-41 und aus Amos 2, 6,-3, 9, über die Drohungen gegen die Sünden Israels. Man störte Ihn nicht. Die Pharisäer hörten mit geheimem Neid und abgedrungenem Staunen zu. Das Zeugnis des Johannes, vor allem was er dem Volk verkündet hatte, hat sie etwas verschüchtert.

Plötzlich aber entstand ein fürchterliches Gebrüll in der Synagoge. Es hatten Leute einen rasenden Besessenen aus Kapharnaum hereingebracht, der auf einmal einen Anfall bekam und die Umstehenden mit den Zähnen zerreißen wollte. Da wandte sich Jesus zur Seite hin und sagte: «Schweige! Bringt ihn hinaus!» Der Mensch wurde ruhig, sie brachten ihn hinaus und er legte sich vor der Synagoge ruhig an die Erde und war ganz furchtsam. Als Jesus aber die Sabbatslehre geschlossen hatte und hinwegging, trat Er vor der Tür zu dem Menschen und befreite ihn von dem Teufel. Er begab sich hierauf mit den Jüngern zum Hause des Petrus, das gegen den See liegt, weil es dort ruhiger war. Nachts entfernte Er sich zum Gebet. Unter allen, die Jesus heilte, habe ich nie sogenannte Wahnsinnige gesehen. Sie wurden als Dämonische und Besessene geheilt.

Die Pharisäer waren noch beisammen und schlugen allerlei alte Schriften auf über die Propheten und ihr Wesen, besonders über Malachias, von dem man noch einiges wusste, über ihre Lehren und ihren Wandel, verglichen es mit Jesu Lehre und mussten Ihm den Vorzug eingestehen und seine Gaben bewundern, mäkelten aber am Ende doch über seine Lehre.

Am folgenden Morgen lehrte Jesus wieder in der Synagoge vor einer großen Menge des Volkes. Es wurde aber Maria Kleophä so krank, dass die heilige Jungfrau zu Jesus sandte und Ihn um seine Hilfe bat. Jesus kam nun in das Haus des Petrus dicht vor der Stadt wo Maria, die Witwe von Naim und die Söhne und Brüder der Kranken waren. Besonders teilnehmend war Simeon, ihr etwa achtjähriges Söhnlein aus dritter Ehe mit Jonas, einem jüngeren Bruder von dem Schwiegervater des Petrus, der bei ihm auf dem Schiff gewesen und etwa vor einem halben Jahr gestorben war. Jesus trat an ihr Lager, betete und legte die Hand auf sie. Sie war vom Fieber ganz ermattet. Dann ergriff Er sie bei der Hand und sagte ihr, sie solle nicht mehr krank sein. Er befahl aber, ihr zu trinken zu geben und sie brachten ihr eine Schale. Sie musste auch einen Bissen essen. Er befahl dieses schier bei allen Kranken, die Er heilte. Und ich hörte, dass es auf das heiligste Sakrament deutete. Er segnete meistens diese Speise. Die Freude ihrer Söhne, besonders des kleinen Simeon, war unbeschreiblich, als die Mutter gesund aufstand und den andern Kranken diente. Denn Jesus begab sich sogleich hinaus und begann die vielen Kranken in den Umgebungen des Hauses zu heilen. Es waren schier lauter längst aufgegebene und für unheilbar gehaltene Kranke aller Art, ja Sterbensnahe, weit hergebracht selbst aus Nazareth, Jugendbekannte von Jesus. Ich sah Leute, wie tot zusammengesunken, von andern vor Ihn auf dem Rücken hintragen.

Es kamen hier auch die Johannes-Jünger zu Ihm, die das Schreiben gebracht hatten und klagten sich an, dass sie unwillig über Ihn gewesen, weil Er sich ihres Meisters in der Gefangenschaft nicht angenommen, und sagten, wie sie so streng gefastet, um Gott zu rühren, dass Er Ihn bewegen möge, ihren Meister zu befreien. Jesus tröstete sie und lobte Johannes nochmals als den heiligsten Menschen. Nachher sprachen sie mit den Jüngern Jesu, warum Jesus denn nicht Selbst taufe. Ihr Meister habe sich doch so gewaltig damit angestrengt! Sie antworteten ihnen so viel als: Johannes habe getauft, weil Er der Täufer sei. Jesus aber heile, weil Er der Heiland sei, Johannes habe ja auch nicht geheilt.

Es kamen auch Schriftgelehrte von Nazareth zu Jesus, waren ganz höflich und ersuchten Ihn, Er möge wieder einmal nach Nazareth kommen, und es schien, als wollten sie entschuldigen, was dort geschehen. Jesus antwortete ihnen, dass kein Prophet in seiner Vaterstadt etwas gelte. Er ging nachher zur Synagoge und hielt die Sabbatslehre bis zum Schluß. Einen Blinden heilte Er beim Herausgehen.

Dem Haushalt im Haus des Petrus vor der Stadt, steht seine Frau vor, im andern gegen den See zu, seine Schwiegermutter und Stieftochter. Jesus begab sich hinweg zum Gebete und den Fischerjüngern gestattete Er auf ihr Begehren, zu ihren Schiffen zu gehen, und die Nacht zu fischen, denn es war ein großes Bedürfnis von Fischen bei der erstaunlichen Menge der anwesenden Fremden. Auch waren immer so viele Menschen da, die überfahren wollten.

Die Fischerei treibenden Jünger waren die ganze Nacht mit Fischen beschäftigt und fuhren am Morgen noch Leute über. Jesus aber mit den zurückgebliebenen Jüngern beschäftigte sich mit Austeilung von Almosen an die Armen der geheilten Kranken und andere bedürftige Reisende. Er lehrte dabei und reichte jedem mit eigenen Händen, was er bedurfte, unter Trost und Ermahnung. Es bestand dieses in Kleidern, Stoffen und Decken, in Broten und auch in Münzen. Es wurde von den Frauen aus ihrem Vorrat gereicht und aus Gaben der Wohlhabenden bestritten. Die Jünger trugen die Gewänder und Brote in Körben und teilten nach Jesu Befehlen aus.

Später lehrte Er bei der SchiffersteIle des Petrus unter ungemeinem Gedränge. Es standen aber die Schiffe Petri und Zebedäus nicht ferne vom Ufer, und die Fischer-Jünger waren am Ufer, entfernt von der Menge, mit Reinigung ihrer Netze beschäftigt. Das Schifflein Jesu lag in der Nähe der großen Schiffe. Als das Gedränge zu groß wurde, denn die Ufer-Ebene ist hier schmal und die Höhe steigt felsig hinter derselben an, da winkte Jesus den Fischern, und sie führten sein Schifflein heran. Währenddessen nahte Ihm ein Schriftgelehrter von Nazareth, der mit Kranken, die Jesus gestern geheilt hatte, hierher gekommen war und sprach: «Meister, ich will Dir überall hin folgen, wo Du auch hingehst!» Da sagte Jesus zu ihm: «Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel des Himmels ihre Nester. Der Sohn des Menschen aber hat nichts, wo Er sein Haupt niederlegen könnte.»

Da nahte das Schifflein und Er bestieg es mit einigen Jüngern. Sie fuhren etwas vom Land ab und hielten bald an dieser, bald an einer andern Stelle. Jesus lehrte die Zuhörer am Land und erzählte mehrere Parabeln vom Reiche Gottes, unter anderem: das Himmelreich ist gleich einem Netz, das ins Meer geworfen wird, und vom Feind, der Unkraut unter den Weizen sät.

Als nun der Abend nahte, sagte Jesus zu Petrus, er solle seine Schiffe hinaus aufs Meer fahren lassen und die Netze zum Fischen auswerfen. Petrus erwiderte aber mit einigem Verdruss: «Wir haben heute die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Auf dein Wort aber will ich die Netze auswerfen!» Und sie bestiegen ihre Schiffe mit den Netzen und fuhren hinaus. Jesus aber entließ das Volk und fuhr mit seinem Schifflein, worauf auch Saturnin, der Sohn Veronikas, der gestern gekommen, und einige der andern Jünger waren, hinter Petri Schiff her, erklärte ihnen nochmals die Gleichnisse und sagte ihnen, als sie auf der Höhe des Sees waren, wo sie auswerfen sollten. Dann aber fuhr Er mit seinem Schifflein hinüber an die Anlände von Matthäus.

Unterdessen war es Nacht geworden. Am Rande der Schiffe, gegen das Netz zu, brannten Fackeln. Die Fischer warfen das Netz aus und fuhren gegen Chorazin zu. Aber sie vermochten es nicht emporzuziehen. Als das Netz endlich bei ihrem Fortrudern gegen Osten aus der Tiefe auf Grund kam, ward es so schwer, dass es hie und da riss. Sie fuhren darum mit kleinen Kähnen in den Netzumfang hinein und griffen die Fische mit Händen in kleinere Netze und in Kasten, welche schwimmend an den Schiffen hingen, und riefen dem Schiff des Zebedäus zu, der auch einen Teil leerte. Sie waren ganz erschrocken über diesen Fischzug, denn niemals gab es einen solchen. Petrus war betroffen und fühlte, dass sie Jesus immer noch nicht genug geachtet hätten. Er fühlte, dass ihre Sorge ums Fischen ganz nichtig sei, denn mit eigener Bemühung hatten sie vergebens gearbeitet und auf sein Wort hatten sie plötzlich mehr, als sonst in Monaten gefangen.

Als das Netz erleichtert war, fuhren sie völlig ans Land, zogen es heran und erschraken nochmals über die Menge der Fische. Jesus stand am Ufer, und Petrus warf sich beschämt vor Ihm nieder und sprach: «Herr! verlasse mich! denn ich bin ein sündhafter Mensch!» Jesus aber sprach: «Fürchte dich nicht Petrus! Künftig sollst du ein Menschenfischer werden.» Petrus aber war ganz zerknirscht über seine Unwürdigkeit und unnötige Erwerbssorge. Es war ungefähr drei bis vier Uhr in der Früh und begann zu tagen.

Nachdem die Jünger die Fische in Sicherheit gebracht, schliefen sie noch etwas auf ihren Schiffen. Jesus aber ging mit Saturnin und Veronikas Sohn östlich auffsteigend auf das nördliche Ende des Bergrückens, auf dessen südlichem Ende Gamala liegt. Es sind da Hügel mit Gebüschen. Er unterrichtete Saturnin und Veronikas Sohn vom Gebet und gab ihnen mehreres davon zu betrachten. Dann entfernte Er sich von ihnen in die Einsamkeit. Sie aber ruhten, wandelten und beteten.

Die Jünger brachten den Tag mit Unterbringen ihrer Fische zu. Ein großer Teil ward den Armen verteilt. Allen erzählten sie das Ereignis. Viele kauften die Heiden, viele führten sie nach Kapharnaum und Bethsaida. Alle waren nun fest überzeugt, dass ihre Nahrungssorge töricht sei, denn wie das Meer im Sturm Ihm gehorchte, so gehorchten Ihm auch die Fische und wurden auf sein Wort gefangen.

Gegen Abend kamen sie wieder an die Anlände der Ostseite. Jesus fuhr mit den beiden Jüngern gegen Kapharnaum. Er ging zum Haus des Petrus vor der Stadt und heilte dort viele ganz verlassene unreine Kranke, Männer und Frauen, bis in die Nacht bei Fackelschein. Es waren solche, welche nicht öffentlich mit den andern hatten gebracht werden dürfen. Er heilte sie hier einsam in der Nacht im Hof des Petrus. Es waren Leute darunter, die schon viele Jahre abgesondert und verkommen waren. Die Nacht hindurch war Jesus im Gebet.

11. Die Bergpredigt. Heilung eines Gichtbrüchigen

Es schiffte Jesus mit vielen Jüngern über den See und landete eine Stunde nördlicher, als dem Haus von Matthäus. Es hatten sich schon sehr viele Heiden, Geheilte und neu Getaufte, zum Berg östlich von Bethsaida-Julias begeben, wo Er lehren wollte. Dort umher waren die Lager der Heiden. Die Fischer-Jünger hatten Jesus gefragt, ob sie mit hinwandeln sollten, denn der neuliche Fischzug hatte sie von allen Nahrungssorgen befreit und sie fühlten, dass alles in seine Hand gegeben war. Jesus sagte ihnen aber, sie sollten diejenigen taufen, welche noch in Kapharnaum zurück seien, die übrige Zeit aber mit ihrem Geschäfte zubringen, denn es war wegen der Menge der Menschen in der Gegend auch viel Nahrung nötig.

Vor der Überfuhr aber hatte Jesus eine allgemeine Lehre an die Jünger gehalten und ihnen einen Begriff von der ganzen Lehre über die acht Seligkeiten gegeben, worüber Er nun längere Zeit lehren werde. Er sagte ihnen auch, dass sie das Salz der Erde seien, dass sie auserwählt seien, die andern zu erfrischen und frisch zu erhalten und dass sie selber nicht kraftlos werden dürften. Das legte Er ihnen weitläufig mit Beispielen und Parabeln aus und fuhr dann über.

Die Fischer-Jünger und Saturnin tauften im Tal von Kapharnaum. Es wurde auch der Sohn der Witwe von Naim getauft und erhielt den Namen Martialis. Saturnin legte ihm die Hände auf. Die Frauen waren Jesus nicht zu der Lehre gefolgt. Sie blieben bei der Witwe von Naim und dem Tauffest ihres Sohnes.

Es waren mit Jesus die Vettern Josephs von Arimathäa, die von Jerusalem gekommen waren, Nathanael, Manahem von Koreä und viele andere Jünger, deren in letzter Zeit wohl dreißig in Kapharnaum beisammen waren.

Wenn man unterhalb des Jordan-Einflusses an der Ostseite des Sees landete, ging man östlich die Höhe hinan und wandte sich oben wieder etwas westlich bis zu der Lehrstelle. Man konnte auch nördlich vom See über die Jordansbrücke gehen. Es war aber dort wegen des wilden, schluchtigen Landes nicht gut auf den Berg zu kommen. Bethsaida-Julias lag im östlichen Winkel des Jordan-Einflusses in den See und hatte hohes Ufer an der Wasserseite, wo eine Straße herumführte.

Auf dem Berg war kein Lehrstuhl, aber ein Hügel mit einem Wall umher und mit einem Zeltdach. Es war gegen West und Südwest die Aussicht auf den See und die jenseitigen Berge, man konnte auch den Tabor sehen. Sehr viele Menschen und vorzüglich sehr viele getaufte Heiden waren umher gelagert aber auch Juden waren da. Sie waren nicht sehr streng hier geschieden, weil hier großer Verkehr unter ihnen war und auf dieser Seite die Heiden das Recht hatten.

Jesus lehrte zuerst von den acht Seligkeiten überhaupt und dann legte Er die erste aus: «Selig sind die Armen im Geiste; denn ihrer ist das Himmelreich.» Er erzählte Beispiele und Parabeln, sprach vom Messias und besonders von der Bekehrung der Heiden. Es sei nun eingetroffen, was der Prophet vom Trost der Heiden geweissagt: alle Heiden will Ich bewegen, denn kommen soll der Trost der Heiden (Haggai 2, 8). Geheilt wurde nicht, denn die Kranken waren an den vorigen Tagen geheilt worden. Es waren auch die Pharisäer mit einem eigenen Schiffe herübergefahren und hörten mit Neid und Ärger zu. Die Leute hatten sich Speise mitgebracht und aßen in den Pausen. Auch Jesus und die Jünger hatten Fische, Brot und Honig und kleine Krüge mit einem Saft oder Balsam, davon man ein wenig unter das Wasser mischte.

Gegen Abend kehrten die Leute von Kapharnaum, Bethsaida und andern nahen Orten nach Hause zurück. Die Schiffe erwarteten sie am See. Jesus und seine Jünger gingen gegen das Jordantal hinab in eine Hirten-Herberge, wo sie blieben, Er lehrte und bereitete die Jünger noch immer vor auf ihre künftige Bestimmung.

Jesus wird über die acht Seligkeiten an vierzehn Tage lehren und dazwischen den Sabbat in Kapharnaum halten.

An den nächstfolgenden Tagen hat Jesus seine Lehre auf dem Berg fortgesetzt. Maria, Maria Kleophä, Maroni von Naim und noch zwei andere Frauen waren einmal zugegen. Als Jesus mit den Aposteln und Jüngern zurück zum See ging, sprach Er von ihrer Berufung: «Ihr seid das Licht der Welt!» von der Stadt auf dem Berg, vom Licht auf dem Leuchter, vom Erfüllen des Gesetzes und fuhr nachher nach Bethsaida und blieb im Haus des Andreas.

Unter den Täuflingen, welche Saturnin bei Kapharnaum an diesen Tagen taufte, befanden sich auch Juden aus Achaia, deren Voreltern zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft dahin geflüchtet waren.

Bethsaida-Julias ist eine neue heidnisch gebaute Stadt in der auch Juden wohnen und wo eine gelehrte Schule von allen Wissenschaften sich befindet. Jesus war noch nicht darin, aber sie kommen zu der Lehre heraus und nach Kapharnaum, wo ihre Kranken auch geheilt wurden. Es liegt ganz schön da im engen Jordantal, etwas die Höhe hinan gebaut, an der Ostseite, eine halbe Stunde vom Eintritt des Jordan in den See. Eine Stunde nördlich von da führt eine gemauerte Brücke über den Fluss. Jesus lehrte die Jünger im Herabwandeln vom Lehrberg wieder von ihren künftigen Leiden und von schwerer Verfolgung. Er schlief auf dem Schiff des Petrus.

Als Jesus tags darauf vom Lehrberg herab nach Kapharnaum sich begab, war vieles Volk versammelt das Ihn bewillkommnete. Er begab sich aber in das Haus des Petrus vor Kapharnaum. Es lag von der Talseite her rechts vor dem Tor. Als es bekannt wurde, dass Jesus mit den Jüngern im Haus sei, versammelten sich viele Menschen um Ihn. Auch die Pharisäer und Schriftgelehrten kamen herein. Der ganze Hof um die offene Halle her war voll, in der Jesus mit den Jüngern und Schriftgelehrten saß und lehrte. Er sprach von den zehn Geboten und kam auf die Stelle, welche auch im Evangelium in der Bergpredigt vorkommt: «Ihr habt gehört dass zu den Alten gesagt worden, ihr sollt nicht töten,» und knüpfte daran seine Lehre vom Verzeihen und von der Feindesliebe. Da entstand über dem Saal auf dem Dach ein Getöse und durch die gewöhnliche Öffnung der Decke wurde von vier Männern ein Gichtbrüchiger in seinem Bett unter dem Rufe: «Herr, erbarme Dich eines armen Kranken!» an zwei Stricken mitten in die Versammlung vor Jesus niedergelassen. Die Leute hatten vergebens versucht, mit dem Kranken durch die Menge des Volkes im Hof durchzudringen und waren endlich auf Treppen neben dem Haus auf das Dach des Saales gestiegen und hatten oben die Luke des Saales geöffnet. Alles schaute auf den Kranken. Die Pharisäer ärgerten sich. Es schien ihnen ein Unfug, eine Frechheit. Jesus aber freute sich über den Glauben der Leute, trat hinzu und sagte zu dem unbeweglichen Kranken: «Sei getrost mein Sohn! Deine Sünden sind dir vergeben!» Diese Worte waren den Pharisäern wie immer besonders ärgerlich und sie dachten wieder, das ist Gotteslästerung! Wer außer Gott kann Sünden vergeben? Jesus sah ihre Gedanken und sprach: «Warum habt ihr denn solch arge Gedanken in eurem Herzen? Ist es leichter, zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: stehe auf, nimm dein Bett und wandle? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn auf Erden die Gewalt hat, die Sünden zu vergeben, so sage Ich dir - hierbei wandte Er sich zu dem Gichtbrüchigen - stehe auf! nimm dein Bett und gehe nach Haus!» Da stand der Mann gesund vor ihren Augen, rollte sein Bett auf, legte die Traglatten seines Lagers zusammen, nahm es unter den Arm und auf die Schulter und ging, von seinen Führern und Freunden begleitet lobsingend hinweg. Und alles Volk jubelte vor Freuden. Die Pharisäer aber schlichen einzeln voll Grimm hinweg. Jesus aber ging, da es Sabbat wurde, von der Menge begleitet, zur Synagoge.

12. Jairus und seine rückfällige Tochter. Heilung der blutflüssigen Frau, der zwei Blinden und eines Pharisäers

Jairus der Vorsteher war auch in der Synagoge. Er war sehr traurig und voll von Gewissensbissen. Seine Tochter war wieder dem Tod nahe und zwar einem gefährlicheren Tod, denn er war die Strafe ihrer Eltern und ihrer Sünden. Schon am vorigen Sabbat war sie wieder ins Fieber gefallen. Die Mutter und deren Schwester und des Jairus Mutter, die mit im Haus wohnten, hatten samt der Tochter die Heilung Jesu sehr leichtsinnig aufgenommen, ohne Dank, ohne Sinnesänderung, und Jairus, lau und hinfällig und von seiner schönen eitlen Frau sehr eingenommen, hatte alles nach ihrem Willen gehen lassen. Es war in dem Haus eine eitle Frauenwirtschaft, sie schmückten sich mit dem neuesten heidnischen Putz. Als das Mädchen wieder gesund war, lachten und spöttelten die Frauen über Jesus mit ihr selbst und sie stimmte mit ein. Das Mädchen war neulich noch ganz in der Unschuld gewesen, jetzt aber war sie nicht mehr so. Sie fiel in ein Fieber, hatte ungemein brennende Hitze und Durst und in der letzten Woche stete Delirien. Sie war nun dem Tod nahe. Die Eltern hatten die Strafe ihres Leichtsinnes darin geahnt es sich aber nicht gestehen wollen. Nun war die Mutter so beschämt und erschüttert, dass sie zu Jairus sagte: «Wird Jesus sich nochmals über uns erbarmen?» und ihrem Mann auftrug, Ihn nochmals demütig anzuflehen, Jairus aber schämte sich, vor den Herrn zu kommen, und wartete bis nach der Sabbatslehre, denn er hatte den Glauben, Jesus werde ihm zu jeder Zeit helfen können, wenn Er es wolle. Auch schämte er sich, bei Tage vor den Leuten noch einmal um Hilfe zu flehen.

Als Jesus aus der Synagoge herausging, war ein großes Gedränge um Ihn. Es waren viele Leute und Kranke da, die zu Ihm wollten. Jairus nahte, warf sich betrübt vor Ihm nieder und bat sich nochmals seiner Tochter zu erbarmen, welche er sterbend verlassen. Jesus versprach ihm, mitzugehen. Es kam aber jemand aus dem Haus des Jairus und suchte ihn, weil er so lange ausblieb, und die Frau glaubte, Jesus wolle nicht kommen. Der Bote sagte, die Tochter sei schon tot. Jesus aber sprach tröstend, er solle nur vertrauen. Es war schon dunkel und ein großes Gedränge um Jesus. Die blutflüssige Frau aber war im Dunkeln von ihren Wärterinnen unter den Armen hierher geleitet worden. Sie wohnte nicht weit von der Synagoge. Die Frauen, welche, obschon nicht in dem Grad als wie sie, krank, durch die Berührung des Kleides Jesu im Gedränge am Mittage bei der Überfuhr geheilt worden waren, hatten mit ihr gesprochen. Und der lebendige Glaube war in ihr erwacht. Sie hoffte, in der Dämmerung unter den Leuten, welche mit Jesus die Synagoge verließen, Ihn unbemerkt berühren zu können. Jesus wusste um ihre Gedanken und zögerte in seinen Schritten. Da ward sie Ihm nahegeführt. Auch ihre Tochter mit Lea und dem Oheim ihres Mannes waren in der Nähe. Sie setzte sich in die Knie, lehnte sich vorwärts auf eine Hand und berührte mit der andern den Saum von Jesu Kleid durch das Gedränge hindurch. Sie fühlte sich augenblicklich geheilt. Jesus aber blieb stehen, schaute zu den Jüngern um und fragte: «Wer hat Mich angerührt?» Da antwortete Petrus: «Du fragst wer Dich angerührt? Das Volk drückt und drängt Dich, wie Du siehst,» Jesus aber sagte: «Es hat Mich jemand angerührt, denn Ich fühlte ja, dass eine Kraft von Mir ausging,» Da schaute Er umher, und indem etwas Raum um Ihn ward, konnte die Frau sich nicht mehr verbergen. Sie nahte Ihm ganz zaghaft und furchtsam, warf sich vor Ihm nieder und sagte vor allem Volk, dass sie es getan, dass sie so lange an Blutfluss gelitten und sich durch dieses Anrühren geheilt glaube. Sie bat Er möge ihr vergeben. Da sprach Jesus zu ihr: «Sei getrost meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen! Gehe hin im Frieden und sei frei von deinem Leiden!» Und sie ging mit den Ihrigen von dort weg.

Sie ist in den Dreißigern, sehr mager und bleich und heißt Enue. Ihr verstorbener Mann war ein Jude. Sie hat nur eine Tochter, welche bei ihrem Oheim erzogen wird, der nun mit dieser Tochter hierher zur Taufe gekommen ist nebst einer Schwägerin von ihr, die Lea heißt und deren Mann unter den Pharisäern, den Feinden Jesu, ist. Enue hatte in ihrem Witwenstand eine Verbindung eingehen wollen, welche ihren reichen Verwandten zu gering schien. Sie hatten sich widersetzt.

Jesus ging schnelleren Schrittes mit Jairus zu dessen Haus. Petrus, Jakobus, Johannes, Saturnin und Matthäus waren mit Ihm. Im Vorhof standen wieder die Klagenden und Weinenden. Sie spotteten aber nicht. Jesus sagte diesmal nicht «sie schläft nur» und ging durch die Leute. Die Mutter des Jairus, seine Frau und ihre Schwester kamen Ihm weinend und schüchtern in Trauerkleidern und verschleiert entgegen. Jesus ließ Saturnin und Matthäus bei den Leuten im Vorhof und ging mit Petrus, Jakobus, Johannes, mit dem Vater, der Mutter und Großmutter hinein, wo die Tote lag. Es war ein anderer Raum, als das erstemal, da sie in einer kleinen Kammer lag. Jetzt lag sie in dem Raum hinter der Feuerstelle. Jesus hatte ein Zweiglein im Garten brechen lassen und ließ sich ein Becken mit Wasser reichen, das Er segnete. Die Leiche lag erstarrt und sah nicht so angenehm aus, wie das letzte Mal. Neulich hatte ich ihre Seele in einem lichten Kreis dicht an der Seite ihres Leibes gesehen. Jetzt sah ich sie nicht. Neulich sagte Er «sie schläft», jetzt sagte Er nichts. Sie war tot. Er besprengte sie mit dem geweihten Wasser durch den kleinen Zweig, betete, nahm sie bei der Hand und sprach: «Mägdlein! Ich sage dir, stehe auf!» Als Er betete, sah ich ihre Seele in einer dunklen Kugel dem Mund sich nahen und in denselben einziehen. Sie schlug die Augen auf, folgte dem Zug von Jesu Hand, richtete sich auf, stieg von ihrem Lager. Jesus wandte sie zu ihren Eltern, welche sie unter heftigem Weinen und Schluchzen empfingen und zu den Füßen Jesu sanken. Er sagte aber, man solle ihr etwas zu essen bringen und zwar Trauben und Brot. Dies geschah. Sie aß und sprach. Jesus ermahnte die Eltern ernstlich, die Barmherzigkeit Gottes dankbar anzunehmen, Eitelkeit und Weltlust ganz zu lassen und der verkündeten Buße zu folgen. Auch ihr Kind, welches zum zweiten Male zum Leben gekehrt, ferner nicht zum Tod zu erziehen. Er verwies ihnen ihr ganzes Wesen und ihre leichtfertige Annahme der ersten Gnade, und wie sie nachher getan und wie in dieser kurzen Zeit das Mägdlein einem viel schwereren Tod, nämlich dem Tod der Seele entgegengegangen. Das Mägdlein aber war sehr gerührt und weinte. Jesus warnte sie vor Augenlust und Sünde und sagte ihr, da sie von den Trauben und dem Brote aß, das Er gesegnet hatte, sie solle künftig nicht mehr fleischlich leben, sondern vom Brot des Lebens, dem Worte Gottes solle sie essen, solle büßen, glauben, beten und gottselige Werke tun. Die Eltern waren ganz bewegt und verwandelt. Der Mann versprach, sich von allem loszumachen und seinen Befehlen zu folgen. Auch die Frau und alle anderen, die nun hereingekommen waren, versprachen, sich zu bessern, weinten und dankten. Jairus, ganz verändert, hat sogleich einen großen Teil seiner Güter den Armen gegeben. Die Tochter hieß Salome.

Da viele Leute vor das Haus gekommen waren, sagte Jesus zu Jairus, sie sollten kein unnötiges Geschrei und Gerede hiervon machen. Er sagte dieses sehr oft den Geheilten und zwar in mancherlei Absicht. Meist geschah es, weil das viele Schwätzen und Prahlen von einer Gnade die Rührung der Seele und die Betrachtung der Barmherzigkeit Gottes störte. Er wünschte, die Genesenen sollten innig sein, auf Besserung sinnen, nicht herumlaufen und sich mit dem geschenkten Leben belustigen, wodurch sie leicht in Sünde fielen. Oft geschah es auch, die Jünger aufmerksam zu machen, allen eitlen Ruhm zu vermeiden und das Gute allein aus Liebe und für Gott zu vollbringen. Einige Mal geschah es auch, um die Menge der Neugierigen und Störer nicht zu vermehren und keine Kranken herbeizulocken, welche nicht die innere Regung des Glaubens zu Ihm bewegte. Viele kamen, wie um zu probieren und fielen dann wieder in Sünden und Krankheit wie es bei der Tochter des Jairus der Fall gewesen ist.

Jesus ging nun mit den fünf Jüngern durch das Hinterhaus des Jairus hinweg, um dem Volk an der Türe auszuweichen. Die erste Heilung im Haus des Jairus war bei Tageshelle geschehen - die heutige nach dem Sabbat beim Schein der Lampen. Das Haus des Jairus lag an der Nordseite der Stadt. Jesus aber ging nun zur Nordwestseite gegen den Wall zu. Es hatten Ihn aber ein paar Blinde mit ihren Führern doch aufgespürt. Es war schier, als hätten sie Ihn gerochen, denn sie folgten nach und riefen: «Jesus, Du Sohn Davids! Erbarme Dich unser!» Jesus aber ging in das Haus eines vertrauten Mannes, das in den Wall eingebaut war und auf der andern Seite einen Ausgang aus der Stadt hatte. Die Jünger kehrten da manchmal ein. Der Mann war ein Wächter in diesem Teil der Stadt. Es folgten Ihm die Blinden in das Haus und flehten: «Erbarme Dich unser, Sohn Davids!» Da wandte sich Jesus zu ihnen und sagte: «Glaubt ihr, dass Ich dieses tun kann?» Und sie antworteten: «ja Herr!» Da nahm Er ein Fläschchen aus der Tasche mit Balsam oder Öl und goss davon in eine kleine Schale, die braun und nicht tief war. Er hielt sie in der Fläche der linken Hand und tat etwas Erde hinein, rührte sie mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, berührte die Augen der Blinden damit und sprach: «Es geschehe euch nach eurem Willen!» Da taten sie die Augen auf, sahen, fielen auf ihre Knie und dankten. Und Jesus sagte auch diesen, sie sollten doch ja kein Geschrei davon machen. Jetzt sagte Er dieses auch, damit die Leute Ihn nicht auch hierher verfolgten und um die Pharisäer nicht noch mehr zu ärgern. Das Geschrei der Blinden, als sie Ihm folgten, hatte aber schon seine Anwesenheit in dieser Gegend verraten und sie erzählten ihr Glück gleich auf dem ganzen Weg. Da nahte sich das Volk abermals.

Leute aus der Gegend von Sephoris, entfernte Verwandte von Anna, brachten einen von einem stummen Teufel besessenen Mann herbei. Sie hatten ihm die Hände gebunden und führten und zerrten ihn an Stricken um den Leib, denn er war ganz rasend und sehr schändlich. Es war dieser Mann einer der Pharisäer von der Kommission, die Jesus belauerten, hieß Joas und war bei jenen gewesen, mit welchen Jesus in der einzeln liegenden Schule zwischen Sephoris und Nazareth disputiert hatte. Der Teufel hatte sich vor vierzehn Tagen seiner bemächtigt als Jesus von Naim zurückkam. Da hatte er nämlich gegen seine innere Überzeugung aus bloßer Schmeichelei gegen die andern Pharisäer in die Lästerungen über Jesus eingestimmt: Er müsse einen Teufel haben. Er laufe wie ein Rasender im Lande herum, Jesus hatte mit ihm bei Sephoris über Ehescheidung disputiert. Er war in schweren Sünden. Als er herbeikam, fuhr er auf Jesus zu. Er aber winkte mit der Hand und gebot dem Teufel, auszufahren. Da zuckte der Mensch, und ein schwarzer Dampf fuhr aus seinem Mund. Er sank vor Jesus in die Knie, bekannte seine Sünden und bat um Vergebung. Jesus vergab ihm und legte ihm eine Buße von einer Reihe von Fasttagen und Almosen auf. Er musste sich mehrerer Speisen, zum Beispiel des Knoblauchs, welchen die Juden sehr viel essen, ganz enthalten auf längere Zeit. Hierüber war ein großes Staunen, denn es wurde für sehr schwer gehalten, die stummen Teufel auszutreiben. Die Pharisäer hatten sich schon viele Mühe mit ihm gegeben. Wäre der Mann nicht von seinen Leuten hierher gebracht worden, so hätten ihn die Pharisäer nicht vor Jesus gelassen. Sie waren nun sehr ergrimmt, dass selbst einer aus ihrer Mitte Hilfe von Jesus erhielt und öffentlich seine Sünde bekannte, an welcher sie teilgenommen. Als er hinwegging, verbreitete sich der Ruf seiner Befreiung in Kapharnaum. Die Leute sagten, solche Wunder seien unerhört in Israel. Die Pharisäer aber waren wütend und sagten: «Er treibt die Teufel durch den Obersten der Teufel aus.»

Jesus ging nun durch die hintere Tür des Hauses mit den Jüngern hinaus und an der Westseite der Stadt herum bis zu Petri Haus vor der Stadt wo Er die Nacht zubrachte.

Vor den Jüngern wiederholte Jesus in diesen Tagen sein Zeugnis über Johannes den Täufer: er sei rein wie ein Engel, nie sei Unreines in seinen Mund gekommen, noch eine Sünde und Unwahrheit aus seinem Mund. Als sie Ihn fragten, ob Johannes wohl sein Leben noch lange behalten werde, sagte Jesus, er werde sterben, wenn seine Zeit komme, die nicht ferne mehr sei. Darüber wurden die Jünger sehr traurig.

13. Heilung eines Mannes mit verdorrter Hand. Selig der Leib, der Dich getragen

Als Jesus in die Synagoge zu lehren ging, hatten die Pharisäer eine Bosheit vor. Es war ein Mann in einem Winkel der Synagoge mit verdorrter Hand, der nicht gewagt hatte, vor Jesus zu erscheinen, und jetzt, da die Pharisäer anwesend waren, sich auch vor diesen fürchtete. Die Pharisäer warfen Jesus vor, wie Er mit einem Zöllner wie Matthäus zusammenkommen möge und Jesus versetzte, weil Er gekommen sei zum Trost und zur Bekehrung der Sünder, aber keine Pharisäer zu Jüngern gebrauchen könne. Sie sagten nun spottend: «Meister! Hier ist noch Einer, willst Du ihn vielleicht auch noch heilen?» Da rief Jesus den Menschen mit der verdorrten Hand, er solle herankommen und sich in die Mitte stellen und sprach: «Deine Sünden sind dir vergeben!» Die Pharisäer aber verachteten den Mann, der in keinem guten Ruf stand und sagten: «Seine verdorrte Hand hat ihn aber nicht gehindert zu sündigen.» Nun fasste Jesus diese Hand, bog die Finger gerade und sagte: «Brauche deine Hand!» Da streckte der Mann die Hand aus, war geheilt und ging dankend von dort weg. Jesus entschuldigte den Mann gegen ihre Verleumdung, äußerte Mitleid und nannte ihn einen gutherzigen Menschen. Die Pharisäer waren ganz beschämt und voll Gift, nannten Jesus einen Sabbatschänder, den sie verklagen würden und gingen von dort weg. Es waren Herodianer in der Nähe der Synagoge, und sie überlegten mit denselben, wie sie Ihm zu Jerusalem auf dem Feste nachstellen wollten.

Als Jesus darnach in Petri Haus zum Volk redete, war unter den Frauen auch Lea zugegen, die Schwägerin der geheilten blutflüssigen Enue. Ihr Mann war ein Pharisäer und heftiger Gegner Jesu. Sie aber war sehr durch Ihn gerührt. Ich sah sie anfangs ruhig und schwermütig hin und her ihre Stelle unter dem Volk wechseln, als suche sie jemanden. Es war aber nur der Drang, der sie bewegte, laut ihre Verehrung gegen Jesus kundzutun. Da nahte die Mutter Jesu von mehreren Frauen begleitet. Es waren Martha, Susanna von Jerusalem, Dina die Samariterin und Susanna Alphäi, eine Tochter der Maria Kleophä und Schwester der Apostel. Sie war wohl schon dreißig Jahre alt und hatte große Kinder, ihr Mann lebte in Nazareth, woher die Frauen sie mitgebracht hatten. Susanna Kleophä wollte nun in die Gemeinde der dienstleistenden Frauen eintreten. Maria und diese Frauen traten in den Hof um die Lehrhalle Jesu. Er hatte in seiner Lehre den Pharisäern ihre Tücke und Unreinheit vorgeworfen, und weil Er immer die Lehre von den acht Seligkeiten mit einflocht, sprach Er eben: «Selig die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!» Da konnte Lea, indem sie Maria eintreten sah, sich nicht mehr bändigen und rief in einer Art Freudentrunkenheit mitten durch das Volk: «Seliger (so habe ich bestimmt verstanden), seliger der Leib, der Dich getragen und die Brüste, die Du gesogen hast!» Da sah Jesus sie ruhig an und sagte: «Ja selig vielmehr, die Gottes Wort hören und dasselbe bewahren!» und fuhr in der Lehre weiter. Lea aber nahte Maria, grüßte sie und sprach von der Genesung Enues und wie sie entschlossen sei, das Ihrige zu der Gemeinde zu geben. Maria möge ihren Sohn doch bitten, dass Er ihren Mann bekehre. Er war ein Pharisäer aus Paneas. Maria redete ganz still mit ihr. Sie ahnte ihren Ausruf gar nicht und begab sich mit den Frauen hinweg.

Maria war unbeschreiblich einfach. Jesus zeichnete sie nie vor andern Menschen aus, nur dass Er sie würdig behandelte.

Sie ließ sich mit niemand ein, als mit Kranken und Unwissenden, erschien immer ganz demütig und unbeschreiblich still und einfach. Alle, selbst die Feinde Jesu, ehren sie und doch sucht sie niemand und ist still und allein.

Danach war Jesus an der Schifflände des Petrus, wo Er vor einer großen Menge Volkes in Parabeln vom Reich Gottes lehrte. Er lehrte auch auf seinem Schiffchen von dem See aus. Als ein Schriftgelehrter von Nazareth, namens Saraseth, sich erbot, Ihm überallhin zu folgen, sagte Jesus auch zu ihm: «die Füchse haben ihre Gruben usw.» Dieser war der künftige Ehemann der Salome des Jairus und nach Jesu Tod kamen beide zu der Gemeinde.

Außer diesem Schriftgelehrten kamen noch zwei andere, welche eine Zeitlang als Jünger mitgegangen waren. Einer sprach zu Jesus, ob Er denn noch nicht anfangen wolle, das Reich in Besitz zu nehmen. Er habe seine Sendung ja schon genug bewiesen. Ob Er sich denn nicht auf den Stuhl Davids setzen wolle? Als ihn Jesus darüber zurechtwies und ihm die Nachfolge befahl, sprach er, er wolle vorher zu Hause Abschied nehmen. Da antwortete Jesus: «Wer die Hand an den Pflug legt usw.» Ein Dritter, der schon bei Sephoris zu Jesus gekommen, sprach, er möge gern erst seinen Vater begraben. Da erwiderte Jesus: «Lasse die Toten ihre Toten begraben.» Es hatte dieses aber eine andere Bedeutung, denn sein Vater war nicht gestorben. Es war eine Redensart für Teilung des Vermögens und Versorgung des Vaters.

Die Nacht brachte Jesus auf dem Berg bei Chorazin mit ein paar Jüngern im Gebet unter einem Zelt zu. Am Morgen kamen auch die andern Jünger zur Bergpredigt. Jesus legte die vierte Seligkeit und die Stelle aus Isaias aus: «Siehe mein Knecht, den Ich auserwählt habe, mein Geliebter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat! Meinen Geist will Ich auf ihn legen und er wird das Gericht den Völkern verkünden.» Es waren ungemein viele Menschen da und auch eine Schar römischer Kriegsleute aus verschiedenen Besatzungen der Gegend. Sie waren hierher gesandt, um Jesu Lehre zu hören, sein Wesen zu sehen und darüber zu berichten. Man hatte aus Gallien und andern Provinzen nach Rom um Nachricht von dem Propheten in Judäa geschrieben, weil dieses Land unter den Römern stand. Von Rom aus waren die Kriegsherren wieder gefragt worden und diese hatten nun ihre Leute geschickt. Es waren an hundert Soldaten hier. Sie standen, wo sie gut sehen und hören konnten.

Nach der Lehre begab sich Jesus mit den Jüngern in das Tal südlich vom Berg herab, wo eine Quelle war und wo von den helfenden Frauen Brot und Fische bereitet waren. Die Volksmenge war am Abhang gelagert. Viele waren ohne Vorrat und sandten einzelne an die Jünger und baten um Speise. Die Brote und Fische standen in Körben auf einer Terrasse. Jesus segnete die Körbe und teilte den Bittenden mit den Jüngern aus. Es schien bei weitem nicht genug zu sein. Aber alle empfingen, was sie bedurften. Ich hörte die Leute sagen: «Es mehrt sich in seinen Händen.» Die römischen Soldaten begehrten auch von den gesegneten Broten, um sie als ein Wahrzeichen nach Rom zu senden, und damit zu bezeugen, was sie gehört und gesehen. Jesus befahl aber, ihnen von dem zu geben, was übrig bleibe. Und es waren noch Brote genug, dass die Führer alle davon erhielten, welche diese Brote bewahrten und mit sich nahmen.

14. Jesus in Magdala und Gergesa. Austreibung der Teufel in die Schweine

In den Zwischenräumen der öffentlichen Lehren und Heilungen hatte Jesus die Apostel und Jünger, wo immer Er mit ihnen allein sein konnte, zu ihrer Berufung vorbereitet. Nun stellte Er die Zwölf auf einem einsamen Platz in der Nähe des Sees in der Reihe zusammen, wie sie im Evangelium angeführt sind, und gab ihnen die Gewalt zu heilen und die Teufel auszutreiben, den Jüngern aber, zu taufen und die Hände aufzulegen. Er hielt eine rührende Anrede an sie, dass Er immer bei ihnen sein und alles mit ihnen teilen werde. Die Gewalt, Teufel auszutreiben und zu heilen gab Er ihnen mit einem Segen. Alle weinten und auch Jesus war sehr bewegt. Er sagte auch am Schluss, es sei noch vieles zu verrichten, und dann wollten sie nach Jerusalem gehen, denn die Zeit der Erfüllung sei nahe. Da alle sehr begeistert sagten, dass sie alles tun wollten, was Er befehle und Ihm in allem getreu sein, sagte Er, es werde noch Betrübtes und Schweres folgen und es werde auch unter ihnen sich Böses zeigen. Damit meinte Er Judas. Unter solchen Reden kamen sie zum Schiff und Jesus und die Zwölf fuhren mit etwa fünf Jüngern, worunter Saturnin, an der Ostseite des Sees hinab an Hippos vorüber und landeten nächst dem kleinen Ort Magdala, der dicht am See nördlich von der finsteren Schlucht liegt, in welche sich das Wasser aus dem höher liegenden Sumpf bei Gergesa ergießt. Der Ort liegt so nahe an der Höhe, dass nur die Mittag- und Abendsonne hineinscheint. Es ist feucht und neblig da herum, besonders in der nahen Schlucht.

Sie gingen nicht gleich in den Ort. Das Schiff des Petrus lag an einer Sandbank, zu der man über eine Brücke ging. Als sie ans Land traten, kamen mehrere Besessene gelaufen und schrieen Jesus an, was Er hier wolle? Er solle sie in Ruhe lassen. Und doch kamen sie von selbst. Jesus befreite sie. Sie dankten und gingen in den Ort. Es kamen noch Leute mit andern Besessenen herbei. Von den Jüngern aber gingen Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus und seine Vettern in den Ort und heilten mehrere Kranke und Besessene. Es waren konvulsionäre Frauen dabei. Sie trieben die Teufel aus und befahlen das im Namen Jesu von Nazareth. Und ich hörte einige auch dabei sagen, «Dem der Sturm des Meeres gehorchet». Einige der von ihnen Geheilten kamen zu Jesus und hörten seine Ermahnungen und Lehren. Er erklärte ihnen und den Jüngern, warum die Besessenheit hier so sehr herrsche. Die Leute waren sehr ihren Leidenschaften ergeben und auf das Zeitliche versessen. Bei diesen Besessenen waren mehrere von Gergesa, welches etwa eine Stunde östlicher auf der Höhe lag. Sie trieben sich in der Gegend umher und hielten sich in Höhlen und Gräbern auf. Jesus heilte noch in der Dämmerung und übernachtete mit den Jüngern auf dem Schiff.

Aus der Gegend von Gergesa, die an vier Stunden im Umkreis hatte, waren keine Leute zu seiner Lehre auf dem Berge gekommen.

Am folgenden Tag stieg Jesus an der Anhöhe hinauf, wo Ihm zwei besessene jüdische Jünglinge von Gergesa entgegenkamen, die noch nicht rasend waren, nur manchmal Anfälle hatten. Sie streiften aber immer ruhelos umher. Schon damals, als Jesus von Tarichäa über den Jordan an Gergesa vorüberkam und sie noch nicht besessen waren, waren sie zu Ihm gekommen und hatten verlangt seine Jünger zu werden. Er aber hatte sie abgewiesen. Jetzt, da Er sie befreite, verlangten sie wieder, bei Ihm zu sein. Und da sie sagten, sie würden nicht in das Unglück gekommen sein, wenn Er sie damals mitgenommen hätte, ermahnte Er sie zur Bekehrung und sagte, sie sollten nach Hause gehen und verkünden, wie ihnen Heil widerfahren sei. Da gingen sie von dort weg. Es kamen aber auf seinem Weg, wo Er vor Hütten und Hirtenhäusern lehrte, noch mehrere Besessene und Wahnsinnige hinter Hecken und hohen Hügeln hervor, schrieen Ihn an und winkten, Er solle nicht hierher kommen, Er solle sie in Ruhe lassen. Er rief sie aber herbei und befreite sie, und manche schrieen, Er solle sie doch nicht in den Abgrund treiben! Einige der Apostel heilten in der Gegend mit Handauflegungen und bestellten die Leute an die Höhe südlich über Magdala, wo Jesus eine Lehre halten wollte.

Es kam eine große Menge Volkes zusammen, Jesus ermahnte das Volk zur Buße, sprach von der Nähe des Reiches Gottes und verwies ihnen ihr Hängen an zeitlichen Gütern. Er sprach vom Wert der Seele. Sie sollten erkennen, dass Gott mehr an den Seelen liege, als an großem irdischem Besitztum der Menschen. Es bezog sich das auf die Schweinsherde, die bald in den See stürzen sollte, denn die Leute luden Jesus wieder ein, nach Gergesa zu kommen. Er sagte ihnen aber, Er werde ihnen noch zu früh kommen, und sie würden Ihn nicht sehr willkommen heißen. Sie baten Ihn, nicht durch die Schlucht hinaufzugehen, denn zwei Rasende, welche alle Ketten zerbrächen, liefen dort umher, und hätten schon Menschen erwürgt. Jesus entgegnete aber, eben um dieser willen werde Er hingehen, wenn es Zeit sei, denn der Elenden halber sei Er gesandt. Er sprach hier auch die Stelle aus, wo es heißt (Mt 11, 20 usw.) wenn Sodoma und Gomorrha diese Dinge gehört und gesehen hätten, die hier in Galiläa geschehen, sie würden sich bekehrt haben.

Als Er hinweggehen wollte, baten sie Ihn, zu bleiben, nie hätten sie so liebliche Lehre gehört. Es sei, als wenn die Morgensonne ihren düstern, nebligen Ort bescheine. Er möge doch bleiben, es werde ja schon Nacht. Da antwortete Jesus in einem Gleichnis von der Nacht: Er fürchte sich nicht vor dieser Nacht, aber sie sollten sich fürchten in der ewigen Finsternis zu bleiben in einer Zeit da das Licht des Wortes Gottes zu ihnen gekommen sei. Dann begab Er sich mit den Jüngern zum Schiff und sie fuhren, als wenn sie hinüber nach Tiberias fahren wollten, wandten aber dann wieder östlich und legten etwa eine Stunde südlicher von der Schlucht an und übernachteten auf dem Schiff.

Dieses Magdala ist ein unbedeutender Ort kleiner als Bethsaida und ist nur eine einfacher Hafen hier. Der Ort lebt von Hippos, welches viel Verkehr und Gewerbe hat. Es kommt eine Landstraße an Gergesa vorüber nach Hippos herab und ist Handel dort. «In den Grenzen von Magdala» heißt auch in den Grenzen von Dalmanutha, welches ein paar Stunden davon südlich jenseits der Schlucht liegt.

Als Jesus am folgenden Morgen ans Land ging, kamen mehrere dämonische Kranke zu Ihm, die Er mit Handauflegung heilte. Die Leute dieser Gegend trieben Zauberei und aßen von einem Kraut, welches in der Schlucht und an den Bergen häufig wuchs, von dem sie berauscht wurden und in Krämpfe fielen. Ein anderes Kraut diente als Gegenmittel, wollte aber seit einiger Zeit nicht mehr helfen, weshalb sie nun ganz ihrem Elend hingegeben waren. Das Land der Gergesener ist ein vier bis fünf Stunden langer und etwa eine halbe Stunde breiter Strich Landes, der zusammengehört durch die Geschichte und den Charakter der Einwohner, die nicht viel taugen. Es nimmt von der Schlucht zwischen Dalmanutha und Magdala, die Schlucht mit eingeschlossen, südlich seinen Anfang und enthält mit den Städten Gergesa und Gerasa, womit es sich schließt zehn Flecken, die in einer Reihe über den schmalen Strich zerstreut liegen. Hinter Gerasa begrenzt es mit der Gegend Chorazin das Land Zin, auch so einen Distrikt worin viel Wüstes ist. Im Osten ist die Grenze der Gergesener der lange Bergrücken, auf dessen Südende die Festung Gamala liegt, gegen Süden die Schlucht, gegen Abend das Ufertal des Sees, an welchem Dalmanutha, Magdala und Hippos liegen, die nicht dazu gehören, wie überhaupt dieses ganze Ufertal nicht, außer die Schlucht südlich von Magdala. Gegen Norden endet es mit Chorazin. Man muss diesen Distrikt der zehn Flecken nicht mit dem Distrikt der zehn Städte verwechseln, welcher weit ausgedehnt um ihn her liegt und von dem er ganz abgesondert ist. Im Kampfe Gedeons gegen die Madianiten hielten es die Bewohner der zehn Flecken mit den Heiden, welche seit dieser Zeit darin die Oberhand erlangten und die Juden immer sehr bedrückten. Sie hielten in allen diesen Orten den Juden, die da wohnen, zum Ärger eine große Menge von Schweinen, die in Herden von mehreren Tausenden über der nördlichen Höhe der Schlucht um einen großen Sumpf in die Mast gingen. Es waren an hundert heidnische Hirten und Hirtenjungen dabei. Der Sumpf, der etwa dreiviertel Stunden südöstlich von Gergesa am Fuße des Gebirges von Gamala liegt, hat südlich einen Abfluss in die Schlucht über eine Hemmung von Balken und Bohlen, welche den Bach oben zu einem Sumpf stauen, der durch die Schlucht in das galiläische Meer fließt. Es stehen viele ungeheuer dicke Eichen bei dem Sumpf und am Abhang der Schlucht. Die ganze Gegend ist nicht sehr fruchtbar. An wenigen Sonnenstellen bauen sie Wein an. Sie haben auch solches Rohr, woraus man Zucker machen kann und das als Rohr verschickt wird.

Es war nicht so sehr Götzendienst, der sie derart in die Gewalt des Teufels gab, als eine große Versunkenheit in Zauberei. Gergesa und die umliegenden Orte sind voll von Zaubergesindel, das mit Katzen, Hunden, Kröten, Schlangen und anderen Tieren sein Unwesen trieb. Sie machten solche Tiere erscheinen und es war, als gingen sie selbst in der Gestalt solcher Tiere umher, Menschen und Vieh zu verwunden oder zu töten. Sie waren gleich den Werwölfen, schadeten den Menschen auch in die Ferne, rächten sich noch lange nachher an denen, die sie nicht liebten und erregten plötzliche Ungewitter und Sturm auf dem See. Die Frauen brauchten auch Zaubertränke. Der Satan hatte sich dieser Gegend ganz bemächtigt und es waren unzählige Besessene, Rasende und konvulsionäre Menschen hier.

Es war gegen zehn Uhr morgens, als Jesus mit einigen Jüngern in einem Kahn eine Strecke weit auf dem Bach stromaufwärts in die Schlucht hinein fuhr. Dieser Weg war näher, als auf dem Fußsteig. Jesus stieg aus und ging an der nördlichen Wand der Schlucht hinan, und die Jünger kamen nach und nach wieder mit Ihm zusammen. Höher oben rannten, während Jesus sich näherte, zwei wütende Besessene bald in Grabhöhlen, die dort waren, bald stürzten sie wieder hervor und warfen und schlugen sich mit den Toten-Gebeinen. Sie schrieen grässlich und waren wie gebannt denn sie entflohen nicht, sondern kamen Jesus immer näher und riefen in einiger Entfernung, hinter Hecken und Steinen etwas höher stehend: «Kommt herbei, ihr Kräfte! Ihr Mächte, helft! Es kommt ein Stärkerer als wir!» Jesus hob die Hand gegen sie und befahl ihnen, sich niederzulegen. Da fielen sie platt auf ihr Angesicht, hoben aber die Köpfe empor und schrieen: «Jesus! Du Sohn Gottes des Allerhöchsten! Was haben wir mit Dir zu tun? Warum bist Du gekommen, uns vor der Zeit zu quälen? Wir beschwören Dich bei Gott quäle uns nicht!» Nun waren Jesus und die Jünger ihnen genaht. Sie zitterten und bebten am ganzen Leib auf eine schreckliche Art. Jesus befahl den Jüngern, ihnen eine Bedeckung zu geben, und den Besessenen, sich zu bedecken. Da warfen die Jünger ihnen von den Zeugbahnen zu, welche sie um den Hals zu tragen und worin sie das Haupt zu hüllen pflegten. Die Besessenen verhüllten sich damit unter krampfhaftem Zittern und Zucken, wie gegen ihren Willen gezwungen, standen auf und schrieen, Jesus möge sie nicht peinigen. Er sprach aber: «Wie viele seid ihr?» Sie sagten «Legion.» Die bösen Geister sprachen auch aus den Besessenen in der Mehrzahl und sagten, die Begierden dieser Menschen seien unzählige gewesen. Damit sagte der Teufel einmal die Wahrheit, denn siebzehn Jahre hatten diese Menschen in teuflischer Gemeinschaft und Zauberei gelebt und dann und wann schon solche Anfälle gehabt. Seit zwei Jahren aber waren sie rasend in der Wüste herumgeirrt. Sie waren in alle Zauberlaster verwickelt gewesen.

In der Nähe lag ein Weinberg an einer Sonnenstelle, in welchem eine große gezimmerte Kufe stand, die mit Balken zusammengefügt war. Sie war nicht ganz mannshoch und so breit, dass wohl zwanzig Menschen darin stehen konnten. Die Gergesener pflegten Trauben mit jenem tollmachenden Kraut vermischt darin zu stampfen. Der Saft lief in kleinere Tröge und aus diesen in große irdene Gefäße mit engem Hals, die sie gefüllt im Weinberg unter die Erde vergruben. Es war dieses jenes berauschende Getränk, wovon die Menschen solche Anfälle kriegten. Die berauschende Pflanze war etwa armslang mit vielen fetten grünen Blättern übereinander wie Hauswurz und hatte oben einen Knopf. Sie brauchten den Saft, um sich in teuflische Entzückungen zu bringen. Das Getränk wurde seiner berauschenden Dünste wegen im Freien bereitet. Sie spannten jedoch bei der Arbeit ein Zelt über die Kufe. Die Kelterer waren eben zu dieser Arbeit genaht. Da befahl Jesus den Besessenen, oder vielmehr der Legion in ihnen, die Kufe umzustürzen. Und sie fassten die große volle Kufe und stellten sie leicht auf den Rand, so dass der ganze Inhalt herausströmte und die Arbeiter mit großem Geschrei davonflohen. Die Besessenen kehrten zitternd und bebend zurück und die Jünger waren sehr erschrocken. Die Teufel schrieen aus den Besessenen: Er solle sie doch nicht in den Abgrund stürzen. Er solle sie doch nicht aus dieser Gegend treiben, und endlich: «Lasse uns in diese Schweine fahren!» Da sagte Jesus: «Fahret hin!» Auf diese Worte sanken die elenden Leute unter heftigen Zuckungen nieder und es ging eine ganze Wolke von Dampf aus ihrem Leib in unzähligen Gestalten von Insekten, Kröten, Würmern und besonders von Maulwurfsgrillen. Wenige Augenblicke darauf entstand ein Grunzen und Wüten unter den Schweinsherden und ein Gejage und Geschrei unter den Hirten. Die Schweine, einige Tausende an der Zahl, rasten aus allen Winkeln hervor und stürzten von allen Abhängen durch das Gebüsch nieder. Es war wie ein Donnerwetter mit rasendem Tiergekreisch vermischt. Doch war dieses nicht die Sache von wenigen Minuten, sondern gewiss von ein paar Stunden, denn die Schweine rasten lange hin und her, stürzten und wurden geschleudert und bissen sich. Viele stürzten oben in den Sumpf und kamen den Wasserfall niedergerast. Alle aber tobten dem See zu.

Die Jünger waren nicht zufrieden damit, weil sie das Wasser, auf dem sie fischten und auch die Fische verunreinigt glaubten. Jesus merkte ihre Gedanken und sagte ihnen, sie sollten sich nicht fürchten, die Schweine würden alle in dem Strudel am Ausgang der Schlucht untergehen. Es war hier eine Art stehender Sumpf, der durch eine mit Schilf und Gesträuch bewachsene Sand- oder Strand-Bank, die bei hohem Wasser manchmal überschwemmt wurde, von dem eigentlichen See getrennt war. Es war ein tiefer Abgrund, der einen Einfluss von dem See durch die Bank, aber keinen Ausfluss in den See hatte und war ein Wirbel darin. In diesen Kessel stürzten sich alle Schweine. Die Hirten, welche anfänglich den Schweinen nachgerannt waren, kamen nun zu Jesus, sahen die geheilten Besessenen, hörten alles und jammerten gewaltig über den Schaden. Jesus aber sagte, es sei am Heile dieser Seelen mehr als an allen Schweinen der Welt gelegen. Sie sollten hingehen und es den Herren der Schweine sagen: die Teufel, welche die Gottlosigkeit des Landes in die Menschen schicke, seien durch Ihn aus den Menschen vertrieben und in die Schweine gefahren! Die geheilten Besessenen aber sandte Er nach Hause, sich Kleider zu holen und ging mit den Jüngern hinan gegen Gergesa. Mehrere Hirten waren schon zur Stadt gelaufen und es liefen von allen Seiten Menschen herbei. Auch die bei Magdala Geheilten waren da, Ihn zu erwarten und die gestern geheilten zwei jüdischen Jünglinge mit den meisten Juden der Stadt. Die geheilten zwei Besessenen kamen sehr schnell anständig gekleidet zurück und hörten Jesu Lehre an. Sie waren vornehme Heiden aus der Stadt und zwar mit heidnischen Priestern verwandt.

Die Leute, welche mit der Weinbereitung beschäftigt gewesen waren, und denen die volle Kufe umgestürzt worden war, waren auch in die Stadt gelaufen und hatten den Schaden, den die Besessenen angerichtet, gemeldet und es entstand ein großer Lärm und Aufruhr in der Stadt. Viele Leute der Gegend liefen zu den Schweinen, ob sie noch etwas retten könnten. Andere liefen zum Weinfass. Es dauerte dieses bis in die Nacht.

Jesus lehrte eine halbe Stunde von Gergesa auf einem Hügel. Die Obern der Stadt aber und die Götzenpriester, suchten das Volk zurückzuhalten und machten bekannt, Jesus sei ein mächtiger Zauberer und es stehe ihnen große Not durch Ihn bevor. Als sie sich beratschlagt hatten, ging eine Abordnung von ihnen hinaus zu Jesus, drängte sich zu Ihm und bat Ihn, Er möge sich hier nicht aufhalten und ihnen nicht noch größeren Schaden tun. Sie erkennten Ihn als einen großen Magier, aber bäten Ihn, von ihren Grenzen zu weichen. Sie lamentierten sehr über die Schweine und das verschüttete Gebräu und waren ganz verwundert und erschreckt, da sie die beiden Besessenen geheilt und bekleidet unter den Zuhörern zu seinen Füßen sitzen sahen. Jesus erklärte ihnen, sie sollten ohne Sorge sein. Er werde sie nicht lange beschweren. Er sei um dieser elenden Besessenen und Kranken willen allein hieher gekommen und wisse wohl, dass ihnen die unreinen Schweine und das schändliche Getränk mehr wert seien, als das Heil ihrer Seelen. So aber nicht dem Vater im Himmel, der Ihm die Macht gegeben, diese armen Menschen zu erretten und die Schweine zu verderben. Nun hielt Er ihnen alle ihre Schändlichkeiten, ihr sündhaftes, zauberisches Treiben, ihren Wucher und ihren Teufelsdienst vor, rief sie zur Buße, zur Taufe und bot ihnen das Heil an. Sie hatten aber ihren Schaden und Verlust an Schweinen im Kopf und blieben bei ihrem dringenden, halb furchtsamen Begehren, Er möge sich hinwegbegeben, worauf sie in die Stadt zurückkehrten.

Judas Ischariot war bei diesem Volk besonders tätig und geschäftig, denn er war hier bekannt. Seine Mutter hatte hier eine zeitlang, als er noch jung war, gleich nachdem er aus der Familie, wo er heimlich erzogen worden, entwichen war, mit ihm gewohnt, und die beiden Besessenen waren Jugendbekannte von ihm.

Die Juden waren heimlich sehr froh über den Schaden der Heiden mit den Schweinen, denn sie waren sehr von ihnen gedrückt und durch die vielen Schweine geärgert. Doch gab es auch viele Juden hier, die sich mit den Heiden vermischt und mit ihren abergläubischen Händeln besudelt hatten.

Es wurden von den Jüngern alle, welche heute und gestern geheilt worden waren, und auch die beiden letzten Besessenen getauft. Alle waren sehr gerührt und ganz verwandelt. Die letzteren und die beiden jüdischen Jünglinge flehten, Jesus möge erlauben, bei Ihm zu bleiben und seine Jünger zu werden. Er sagte zu den beiden zuletzt Geheilten, Er wolle ihnen ein Amt geben. Sie sollten durch die zehn Orte der Gergesener gehen, sich überall zeigen und überall erzählen, was an ihnen geschehen, was sie gehört und gesehen hätten und die Leute zur Buße und Taufe rufen und zu Ihm senden. Sie sollten sich nicht stören lassen, wenn man auch mit Steinen hinter ihnen herwerfe. Wenn sie diesen seinen Willen recht vollbringen würden, so sollten sie den Geist der Weissagung empfangen. Auch sollten sie dann immer wissen, wo Er sei, und sollten die Leute, die zu seiner Lehre verlangten, zu Ihm senden, sollten die Hände auf die Kranken legen, und diese sollten gesund werden. Als Er ihnen dieses gesagt segnete Er sie. Sie begannen aber am folgenden Tag schon ihre Sendung und sind später Jünger geworden.

Die Apostel tauften hier mit Wasser, das sie in einem Schlauch heraufgebracht hatten. Die Leute knieten im Kreis um sie und sie tauften aus dem Becken, das einer hielt, drei und drei aus der Hand dreimal übersprengend.

Als Jesus am Abend mit den Jüngern in Gergesa zum Synagogen-Vorsteher ging, kamen die Vorsteher der Stadt nochmals und drohten, der Vorsteher solle Jesus wegzubringen suchen, sonst sollte er alles entgelten, wenn noch größerer Schaden über die Stadt komme. Jesus verließ hierauf die Stadt und sie übernachteten in einem Hirtenhaus. Jesus sagte den Jüngern, Er habe den Teufeln zugelassen, die Kufe umzuwerfen und in die Schweine zu fahren, damit diese übermütigen Heiden sähen, dass Er der Prophet der Juden sei, welche sie so schmählich drückten und höhnten, und damit durch den Anteil an dem Verlust der Schweine, welchen so viele Heiden gehabt, diese auf die Gefahr, die ihren Seelen drohe, aufmerksam würden, und auf dass dieses schläfrige, in Lastern ersoffene Volk weithin erwache und zur Lehre herankomme. Das Getränk habe Er umwerfen lassen als eine Hauptquelle der Sünden und Besessenheit dieses Volkes.

Am anderen Tage war wieder eine große Menge Volkes um Jesus, denn seine Wunder waren in der Gegend umher bekannt geworden. Viele Juden, die sich bekehrt haben, werden von Gergesa hinwegziehen.

Die Apostel, welche in den Orten umher geheilt hatten, kamen mit den Geheilten auch zu Jesu Lehre. Es waren Frauen darunter, welche in Körben Speise mitbrachten, die sie den Aposteln gaben. Da einmal um Jesus ein Gedränge war, nahte sich eine Frau aus Magdala, die blutflüssig war. Sie hatte sonst nicht gehen können, hatte sich aber durch den Glauben zusammengerafft und war allein herzugeschlichen, küsste sein Gewand und war genesen. Jesus lehrte noch und sagte nach einer Weile: «Ich habe Jemanden geheilt, wer ist es?» Da nahte die Frau und dankte. Sie hatte von der Heilung der Enue gehört und tat nun dasselbe. Am Abend fuhr Jesus mit den Jüngern und den zwei dämonisch gewesenen jüdischen Jünglingen aus Gergesa um Magdala herum und stieg nordwärts von Hippos, welches nicht dicht an dem See, sondern an der Anhöhe hinan liegt ans Land und kehrte mit den Jüngern in einem Hirtenhaus ein.

Hier redete Jesus mit den Jüngern, dass bald der Geburtstag des Herodes sein und dass Er gegen Jerusalem wandeln werde. Sie rieten Ihm ab, es sei ja das Osterfest nicht ferne mehr und dann müssten sie ja doch hin, Jesus sprach aber, als wenn Er am Fest nicht öffentlich dort sein werde. Die beiden Gergesener Jünglinge baten Ihn nochmals, sie mitzunehmen. Jesus sagte ihnen aber, Er habe ihnen ein anderes Amt vorbehalten und gab ihnen die Sendung, in den zehn Städten von Kedar bis Paneas hinauf herumzugehen und den Juden zu verkünden, was sie gehört und gesehen. Er gab ihnen den Segen und die nämliche Verheißung: wenn sie ihr Amt recht versehen würden, sollte der prophetische Geist auch über sie kommen, sie sollten wissen, wo Er sei, Strafgerichte verkünden und Kranke in seinem Namen heilen. Dieses war jedoch bei ihnen wie bei den beiden andern für eine gewisse Zeit nachher gemeint. So sollten die andern Ihn auch erst in den zehn Gergesener Flecken verkünden und später den Heiden in der Dekapolis. Die Jünglinge verließen Ihn hierauf und Er befahl den Jüngern, nach Bethsaida zu fahren. Er selbst blieb allein gegen ihr Bitten zurück und begab sich am Ufer hinwandelnd in eine Wildnis zu beten. Ich sah Ihn zwischen steilen Felsenhügeln hingehen, wo einige Felsen wie schwarze Menschengestalten in der Nacht aussahen.

Es war schon ganz dunkel, als ich Jesus gerade über das Meer hinwandeln sah. Es war ungefähr Tiberias gegenüber, östlicher, als in der Mitte des Sees, wo Er in ziemlicher Entfernung am Schiff der Jünger vorübergehen zu wollen schien. Es war heftiger Gegenwind und die Jünger ruderten sehr mühselig, Da sahen sie die Gestalt und waren erschreckt, wussten nicht, ob Er es sei oder sein Geist, und schrieen laut auf vor Furcht. Jesus sagte aber: «Fürchtet euch nicht! Ich bin's!» Da rief Petrus: «Herr! wenn Du es bist, heiße mich auf dem Wasser zu Dir kommen!» Da sprach Jesus: «Komm!» und Petrus stieg auf dem Leiterchen in seinem Eifer aus dem Schiff und eilte eine sehr kleine Strecke auf dem bewegten Wasser, wie auf ebenem Lande zu Ihm. Er schien mir darüber zu schweben, denn das bewegte Wasser hinderte ihn nicht. Als Er aber sich verwunderte und mehr an das Wasser, an Wind und Wellen, als an das Wort Jesu gedachte, kam er in Angst fing an zu sinken, schrie: «Herr rette mich!» und sank bis an die Brust und streckte die Hand aus. Da war Jesus da, fasste die Hand und sagte: «Du Kleingläubiger! Warum zweifelst du?» Nun waren sie an dem Schiff, stiegen hinein, und Jesus verwies ihm und den andern ihre Furcht. Der Wind legte sich sogleich und sie fuhren nach Bethsaida. Beim Einsteigen wurde eine Treppe herausgeschlagen.

15. Jesus heilt in Bethsaida und kommt wieder nach Kapharnaum

In Bethsaida schrieen Jesus zwei Blinde entgegen, welche einander selbst gegen das Sprichwort zu Ihm führten. Er heilte sie, auch Lahme und Stumme. Wo Er nur hinging, drängte Ihn das Volk mit den Kranken. Viele rührten Ihn an und wurden gesund. Das Volk harrte überall auf Ihn, weil sie wussten, Er komme vor dem Sabbat wieder. Die Geschichte von den Besessenen und den Schweinen war hier schon bekannt und es war großes Aufsehen und Verwundern darüber. Ein Teil der Jünger taufte bem Haus des Petrus die Geheilten. Da Jesus aber gar nicht zur Ruhe kam, so dass sie nicht einmal Zeit zum Essen gewinnen konnten, suchten Ihn die Jünger auf und wollten Ihn bewegen, zu ruhen und zu essen.

Als Jesus nun weiter gegen Kapharnaum zog, kam Ihm ein Besessener, der stumm und blind war, entgegen. Er heilte ihn sogleich. Über diese Heilung war ein großes Erstaunen, denn dieser Mensch hatte schon in der Nähe Jesu seine Sprache wieder bekommen und gerufen: Jesus, Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner!» Jesus bestrich ihm auch die Augen und er ward sehend. Er hatte viele Teufel in sich, denn er war ganz unter die Heiden von jenseits geraten. Die Gaukler und Wahrsager vom Gergesener-Land hatten sich seiner bemächtigt, schleppten ihn an einem Strick mit herum und ließen ihn an andern Orten sehen, wo er mit seiner Stärke allerlei Gewaltkünste machen musste. Auch zeigten sie, wie er als blind und stumm doch alles tat, wusste und verstand, überall hinging, alles holte und erkannte auf gewisse Beschwörungen hin, Denn das alles tat der Teufel in ihm. So brauchten die heidnischen Gaukler, welche häufig aus Gergesa die Dekapolis und sonst die Städte durchzogen, den Teufel in dem armen Menschen, ihr Brot zu verdienen. Wenn sie über den See fuhren, war er nicht im Schiff, sondern musste auf ihren Befehl nebenher schwimmen wie ein Hund. Niemand bekümmerte sich mehr um ihn. Man hielt ihn für verloren. Er hatte meist kein Obdach, lag in Gräben und Löchern, und die ihn gebrauchten, misshandelten ihn noch dazu. Er war schon länger in Kapharnaum gewesen, hatte jedoch bisher niemand, der ihn zu Jesus brachte. Nun aber kam er selbst und wurde geheilt.

Vor Anfang des Sabbats, da Jesus ins Haus des Petrus beim Tor noch lehrte, war in Kapharnaum ein großer Tumult entstanden. Das Wunder mit den Schweinen und die Befreiung des stummen und blinden Besessenen hatten großes Aufsehen gemacht. Es waren mehrere Schiffe mit Gergesener Juden herübergekommen, welche von den Wundern erzählten, die sie gesehen. Die Pharisäer aber breiteten überall aus, Jesus treibe die Teufel durch die Teufel aus. Das gefiel dem Volk nicht. Es kam ein großer Teil desselben vor der Synagoge zusammen. Der blinde und stumme Besessene war, als sich Jesus der Stadt näherte, ohne Führer Ihm durch die Straßen entgegengerannt, viele Menschen waren nachgefolgt und sahen das Wunder. Sie waren von allem so hingerissen, dass sie sich sehr an den Pharisäern ärgerten, welche immer und immer, auch jetzt wieder, über Jesus loszogen, Er heile durch den Teufel. Unter den Versammelten waren viele mit einer Armbrust bewaffnet. Die Leute ließen die Pharisäer hervorrufen und drangen darauf, sie sollten aufhören, auf Jesus zu schmähen, sie sollten Ihn anerkennen und zugestehen, dass nie solche Taten in Israel geschehen seien, dass nie ein Prophet dergleichen getan. Wenn sie von ihrem hartnäckigen Widerstand nicht ablassen würden, so möchten sie Kapharnaum verlassen. Sie könnten die Lästerungen und den Undank nicht mehr länger anhören.

Die Pharisäer wurden ganz artig. Es trat aus ihnen ein breiter Mann hervor, der mit großer Arglist das Volk belehrte. Er sagte: es sei wahr, nie seien solche Wunder, solche Taten, solche Lehren in Israel erhört worden, kein Prophet habe jemals dergleichen getan. Aber er bitte das Volk, nun auch zu vernehmen, was von dieser Teufelaustreibung in Gergesa und der heutigen bei dem Mann, der so gut als zu den Gergesenern gehöre, zu bedenken sei. Denn in der Beurteilung solcher Dinge könne man nicht besonnen genug sein. Nun machte er eine weitläufige Beschreibung vom Reich der bösen Geister und sagte, wie darin eine Ordnung und verschiedene Würden seien und wie einer dem andern zu befehlen habe und wie Jesus einen sehr mächtigen in seinem Bund habe. Denn warum habe Er den hiesigen Besessenen nicht schon lange geheilt? Warum habe Er, wenn Er der Sohn Gottes sei, die Teufel im Gergesener-Land nicht von hier aus ausgetrieben? Nein! Er habe erst hinübergehen müssen und mit dem Obersten der Gergesener-Teufel einen Vertrag abschließen, Er habe mit ihm akkordieren und ihm die Schweine zur Beute geben müssen, denn dieser sei zwar niedriger als Beelzebub, aber doch schon von Bedeutung. Und nun da Er jenen zu Gergesa befriedigt vermöge Er durch Beelzebub auch hier den Mann zu erledigen. Solcherlei Zeug brachte er mit vieler Feinheit und Beredsamkeit vor und bat das Volk zu ruhen und das Ende abzuwarten. Man sehe ja an ihrem Treiben selbst welche Früchte es bringe: an den Arbeitstagen arbeite das Volk nicht mehr und laufe dem Lehrer und den Mirakeln nach, und am Sabbat sei ein Geschrei und Getobe. Sie sollten doch den heutigen Tag bedenken und sich zur Ruhe begeben und zum herannahenden Feste sich bereiten. Es gelang ihm auch, das Volk zum Auseinandergehen zu bringen und viele der leichtsinnigen Menschen waren halb von seinem Geschwätze überzeugt.

Es war aber der Vorabend des Tempelweihfestes. In den Häusern und Schulen brannten pyramidalisch zusammengestellte Lampen; auch in Gärten, Höfen und an Brunnen waren Lampen und Fackelfeuer in allerhand Figuren errichtet. Jesus kam mit den Jüngern in die Synagoge und lehrte ungestört, denn sie fürchteten sich, Er kannte ihre Gedanken und was sie dem Volk vorgeschwätzt hatten, stellte sie darüber zur Rede und sagte: «Jedes Reich, das mit sich selbst uneinig ist wird nicht bestehen. Und wenn der Satan den Satan austreibt, so ist er gegen sich entzweit wie soll dann sein Reich bestehen? Wenn Ich aber durch den Beelzebub die Teufel austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus?» Mit solchen Worten brachte Jesus sie zum Schweigen und kam ohne heftigen Widerspruch aus der Synagoge, Er übernachtete im Haus des Petrus.

Tags darauf besuchte Jesus mit einigen Jüngern die Familie des Jairus, ermahnte und tröstete sie. Sie sind sehr demütig und ganz verändert haben das Ihrige in drei Teile geteilt einen Teil für die Armen, einen Teil für die Gemeinde, einen Teil für sich. Die alte Mutter des Jairus ist besonders gerührt und gut geworden. Die Tochter kam nicht eher, als sie gerufen wurde, war verschleiert und sehr demütig. Sie ist wie gewachsen, geht aufrecht und hat das Aussehen einer Genesenen. Auch bei dem heidnischen Hauptmann Kornelius war Jesus, tröstete und lehrte seine Familie und ging mit ihm zu Serobabel. Hier kam die Rede auf des Herodes Geburtstag und auf Johannes. Die beiden, Serobabel und Kornelius, sagten, Herodes habe alle Vornehmen und auch sie zu seinem Geburtstag nach Machärus eingeladen, und fragten Jesus, ob Er es ihnen erlaube, dahin zu gehen. Jesus sagte, wenn sie in allem, was dort vorfalle, sich teilnahmslos zu halten getrauten, sei es nicht unerlaubt für sie, dahin zu gehen. Besser sei es jedoch, wenn sie sich entschuldigen könnten und zurückblieben. Sie äußerten auch ihren Unwillen über des Herodes ehebrecherisches Leben und Johannis Gefangenschaft und hofften für gewiss, Herodes werde ihn an seinem Geburtstag freigeben.

Jesus besuchte noch seine Mutter, bei welcher Susanna des AIphäus, Maria des Kleophä Tochter aus Nazareth, Susanna von Jerusalem, Dina die Samariterin und Martha sich jetzt aufhielten. Er sprach, dass Er morgen abreisen werde. Martha war sehr traurig über Magdalenas Rückfall und die jetzigen dämonischen Zustände. Sie fragte Jesus, ob sie nicht zu ihr gehen solle. Er sagte ihr aber, zu warten, Magdalena ist nun oft wie unsinnig, zornig und hoffärtig, schlägt um sich, quält ihre Mägde und ist immer im übermütigsten Putze. Ich sah, dass sie den Mann schlug, der in ihrem Hause lebt und alles beherrscht, und dass er sie wieder misshandelte. Dazwischen fällt sie in schreckliche Traurigkeit, Weinen und Wehklagen, läuft im Hause umher, und sucht nach Jesus und ruft: «Wo ist der Lehrer, wo ist Er? Er hat mich verlassen!» Dabei leidet sie an Krämpfen wie an der fallenden Sucht.

Man kann sich den Schmerz ihrer Geschwister denken, ein so herrliches Geschöpf von edler Familie diesem schrecklichen Zustande preisgegeben zu sehen.

Es ist gar rührend, wenn Jesus so durch die Straßen Kapharnaums geht, bald das Kleid lang, bald geschürzt, ohne viele Bewegung und doch ohne alle Starrheit so ruhig und wie schwebend, einfacher und mächtiger als alle Menschen. Nichts Auffallendes, kein Schwanken, kein Fehltritt, kein Schritt vergeblich, kein Blick, keine Wendung umsonst und doch keine auffallende Absichtlichkeit in allem!

Martha hatte mit Susanna die Herbergen durch Galiläa bis gegen Samaria besucht. Sie hat eine Art Oberaufsicht: die näher wohnenden Frauen besorgen die kleineren Distrikte. Es trafen die Frauen in mehreren Herbergen zusammen und es wurde allerlei Vorrat auf Eseln dahin gesandt. Als einmal Maria die Suphanitin bei ihnen war, ging das Gespräch von ihr unter den Leuten: da sei nun die Maria Magdalena bei den Frauen, die für des Propheten von Nazarath Anhang sorgten. Die Suphanitin war an Gestalt Magdalena sehr ähnlich, und man kannte sie nicht viel diesseits des Jordan. Dazu kam, dass sie auch Maria hieß, auch bei einem Pharisäer-Gastmahl Jesus gesalbt und auch einen üblen Ruf gehabt hatte: so wurde sie schon jetzt mit Magdalena verwechselt und später geschah diese Verwechslung von allen, die nicht mit der Gemeinde vertraut waren, noch mehr.

Die Frauen sorgten für Decken, Lager, Binden, wollene Kleider, Sohlen, Becher, Krüge mit Balsam, Öl und dgl. So wenig auch Jesus brauchte, so wollte Er doch, dass die Jünger nicht andern zur Last fielen, und die nötigste Pflege fänden, um den Pharisäern alle Gelegenheit zu Vorwürfen zu nehmen.

16. Aussendung der Apostel und Jünger

Am Schluss des Sabbats sprach Jesus in der Synagoge noch einmal sehr streng gegen die Lästerung der Pharisäer, dass Er die Teufel durch den Teufel austreibe. Er forderte sie auf, Ihm zu sagen, ob seine Handlungen und seine Lehre nicht übereinstimmten, ob Er nicht halte, was Er lehre? Sie konnten nichts vorbringen.

Auch im Haus des Petrus vor dem Tor lehrte Er von den Seligkeiten: selig die Armen im Geiste, und machte die Anwendung gegen die Pharisäer. Darnach bereitete Er die Jünger auf die bevorstehende Aussendung vor.

In Kapharnaum wollte Er nicht länger bleiben: die Volksmenge war zu groß und zu aufgeregt. Es waren auch viele Gergesener herübergekommen, die mit Ihm ziehen wollten: sie waren arm, das Umherziehen gewohnt und wollten von Ihm erhalten werden: denn sie dachten, Er werde Sich wie Saul oder David zum Könige salben lassen und den Thron in Jerusalem aufrichten. Jesus wies sie nach Hause zurück, mahnte zur Buße, zur Befolgung der Gebote und zur Übung dessen, was sie von Ihm gehört. Sein Reich sei ein anderes, als sie glaubten und nehme keine Sünder auf.

Darnach verließ Jesus mit den Zwölfen und dreißig Jüngern Kapharnaum in nördlicher Richtung. Es zogen auch Scharen Volkes denselben Weg. Jesus machte oft Stillstand und lehrte bald diese bald jene Schar, welche sich dann zur Richtung ihrer Heimat von Ihm trennten. So kam Er etwa gegen drei Uhr nachmittags auf einen schönen Berg drei Stunden von Kapharnaum und nicht ganz so weit vom Jordan. Es führten fünf Wege auf denselben und lagen ungefähr fünf kleine Orte umher, Jesus entließ das Volk, das bis hierher noch mitgezogen war, und begab sich mit den Seinen allein auf die Höhe, nachdem sie am Fuß des Berges noch einige Speise zu sich genommen hatten. Auf dem Berg war ein Lehrstuhl, auf dem Jesus den Aposteln und Jüngern nochmals eine Lehre über ihre Sendung hielt. Er sagte: nun sollten sie zeigen, was sie bis jetzt gelernt: sie sollten verkünden, das Reich habe sich genaht, die letzte Zeit zur Buße sei herangekommen. Das Ende des Johannes sei sehr nahe. Sie sollten taufen, Hände auflegen, Teufel austreiben. Er lehrte sie, wie sie sich in Streitigkeiten verhalten, wie sie eigennützigen Anhang und falsche Freunde erkennen und abweisen sollten. Er sagte ihnen, dass jetzt keiner mehr als der andere sei. In den Orten sollten sie zu frommen Leuten gehen, sehr arm und gering leben, niemanden lästig fallen. Er sagte auch, auf welche Weise sie sich verteilen und wieder vereinigen sollten, wie zwei Apostel und einige Jünger zusammen, andere Jünger vorausgehen sollten, die Leute zu sammeln und Botschaft zu bringen. Die Apostel trugen kleine Fläschchen mit Öl bei sich, und Er lehrte sie, dasselbe zu weihen und bei Heilungen zu gebrauchen (Mk 6, 7-13, vgl. Mt 10, 1, usw, Lk 9, 16). Er gab ihnen alle die Lehren, welche bei der Aussendung im Evangelium stehen und machte ihnen noch keine Gefahr bekannt, sondern sagte: «Heute werdet ihr noch überall willkommen sein: es wird aber eine Zeit kommen, wo man euch verfolgen wird!»

Nachher knieten sie im Kreis um Ihn nieder und Er betete und legte ihnen die Hände auf den Kopf: die Jünger segnete Er nur. Dann umarmten sie sich und schieden.

Er hatte ihnen die Richtungen, ihre Wege und eine feste Zeit bestimmt, wo sie Ihm wieder näher kommen sollten, um die Jünger bei ihnen und Ihm auszuwechseln und Botschaft zu bringen. Mit Jesus gingen aber sechs Apostel: Petrus, Jakobus der Kleinere, Johannes, Philippus, Thomas und Judas, außerdem zwölf Jünger, worunter die drei Brüder Jakobus, Sadoch und Heliachim (die Söhne der Mariä Heli), Manahem, Nathanael, der kleine Kleophas genannt, und mehrere andere der Jüngsten. Die sechs andern Apostel hatten achtzehn Jünger bei sich, worunter Joses Barsabas, Judas Barsabas, Saturnin, Nathanael, Chased. Der Bräutigam von Kana, Nathanael, zog nicht mit, er hatte andere Geschäfte für die Gemeinde und wirkte in seinem näheren Kreis, wie Lazarus. Sie weinten alle, als sie sich trennten. Die scheidenden Apostel gingen den Weg östlich gegen den Jordan hinab, wo ich einen Ort liegen sah, Lekkum genannt, etwa eine Viertelstunde vom Jordan. Jesus wurde am Fuß des Berges wieder von einem Haufen der von Kapharnaum in ihre Heimat zurückkehrenden Leute umgeben.

Von dem Fuße des Berges zog Jesus mit den Jüngern südlich von Saphet, das auf einem hohen Berge liegt, nach einem Ort, der Hukok hieß. Vor dem Ort schon kamen Ihm viele Leute entgegen, die mit großer Freude Ihn und die Jünger empfingen.

An einem Brunnen harrten ein Blinder und mehrere Lahme Seiner und baten Ihn um Hilfe. Der Blinde hatte unreine Augen. Jesus befahl ihm, sein Angesicht am Brunnen zu waschen. Als er dieses getan, salbte ihm Jesus die Augen mit Öl, brach ein Zweiglein von einer Staude, hielt es ihm vor die Augen und fragte ihn, ob er etwas sähe. Der Mann sagte: «Ja, ich sehe einen sehr großen Baum,» Jesus bestrich ihm die Augen noch einmal und fragte ihn wieder. Da warf sich der Mann freudig vor Ihm nieder und sagte: «Herr! ich sehe Berge, Bäume, Menschen! Ich sehe alles!» Es war große Freude unter den Leuten, und sie führten den Mann in die Stadt zurück. Jesus heilte noch die Lahmen und Gichtbrüchigen, welche auf Krücken herumstanden. Die Krücken waren von dünnem, sehr festem Holz und hatten je drei Füße, so dass sie allein stehen und so verbunden werden konnten, dass die Kranken sich mit der Brust darauf lehnten.

Als der Blinde jubelnd in die Stadt gekommen war, zogen noch viele Leute voll Freude hinaus und auch die Vorsteher der Synagoge und Schullehrer mit vielen Kindern. Jesus zog mit ihnen in die Schule und lehrte von den acht Seligkeiten in Parabeln. Er ermahnte alle zur Buße, denn das Reich sei nahe. Er legte die Parabeln weitläufig aus. Auch die Jünger waren zugegen. Er hatte ihnen aber gesagt, sehr gut achtzugeben, um dasselbe, wenn sie sich zerstreuten, in den umliegenden Örtchen und Häusern wieder lehren zu können. So lernten sie in seinen öffentlichen Lehren, was sie wieder in der Gegend aussäten, denn die Apostel nebst mehreren Jüngern verteilten sich gewöhnlich an den umliegenden Orten, heilten und lehrten und kamen dann am Abend vor dem nächsten Orte, wo Jesus hingegangen, wieder zusammen. Er kehrte hier bei dem Vorsteher der Synagoge mit den Jüngern ein und sie aßen Fische, Honig, kleine Brote und Früchte.

Hukok liegt etwa fünf Stunden nordwestlich von Kapharnaum, fünf Stunden südwestlich von dem Berg der Aussendung und etwa drei Stunden südlich von Saphet, Es sind lauter Juden hier, ziemlich gute Leute. Sie haben meist die Johannes-Taufe empfangen. Sie machen feine Stoffe, wollene, schmale Bahnen, auch Quasten und Fransen von Seide. Auch stricken sie Sohlen, unter welche zwei Absätze kommen, in der Mitte sind sie biegsam und sehr bequem, der Staub fällt durch die Löcher durch.

Die Apostel und mehrere Jünger mit ihnen verteilten sich paarweise in der Stadt und umher. Die Stadt muss einmal eine starke Festung gewesen sein, denn es sind mehrere Gräben umher, und man geht über eine Brücke hinein. Man sieht durchs Tor weit in die Stadt hinein auf die schöne Synagoge. Die Gräben sind jetzt trocken. Es sind auch Alleen und viele Bäume um die Stadt, man sieht die Häuser nicht bis dicht davor. Die Synagoge der Stadt ist außerordentlich schön, rings mit Säulen umgeben, dass man sie bei großer Menge eröffnen und erweitern kann. Hinten, wo sie geschlossen ist, ist sie halbrund. Sie liegt auf einem freien Platz am Ende der Straße, wo man eingeht. Die ganze Stadt ist reinlich und angenehm gebaut. Es versammelte sich alles in der Synagoge. Jesus ging aber noch vorher in zwei getrennte Hallen und heilte in der einen mehrere kranke Männer, in der andern kranke Frauen aller Art. Sie brachten Ihm auch viele kranke Kinder, manche auf den beiden Armen getragen, die Er heilte: die gesunden Kinder segnete Er.

In der Synagoge lehrte Jesus vom Gebet und vom Messias. Er sei schon da, sie lebten in seiner Zeit, Er lehre seine Lehre, Er sprach vom Anbeten Gottes im Geiste und der Wahrheit und ich fühlte, dass dies soviel heiße, als vom Anbeten Gottes im Heiligen Geist und in Jesus Christus. Denn Er war die Wahrheit, der wahre, der lebendige, fleischgewordene Gott, der Sohn empfangen aus dem Geiste. Die Lehrer sagten hierauf ganz freundlich zu Ihm, Er solle doch sagen, wer Er eigentlich sei, und woher Er wäre, und ob denn seine Eltern nicht seine Eltern, seine Verwandten nicht seine Verwandten wären? Er solle doch deutlich sagen, ob Er denn der Messias, der Sohn Gottes sei! Es wäre doch gut, wenn die Schriftgelehrten recht wüssten, woran sie wären. Sie seien doch die Vorgesetzten, und es wäre gut, wenn sie Ihn erkennen würden. Jesus sprach aber ausweichend, wenn Er sage: «Ich bin es!» würden sie es nicht glauben und sagen, Er sei dieser Leute Sohn. Sie sollten nicht nach seinem Herkommen fragen, sie sollten seine Lehren und Handlungen betrachten. Wer den Willen des Vaters erfülle, der sei der Sohn des Vaters, denn der Sohn sei im Vater und der Vater im Sohn und wer den Willen des Sohnes erfülle, erfülle den Willen des Vaters. Er sprach aber so schön hierüber und vom Gebete, dass viele ausriefen: «Herr, Du bist der Christ! Du bist die Wahrheit!» und sich niederwarfen und Ihn anbeten wollten. Er sagte aber wieder: «Betet den Vater an im Geist und in der Wahrheit!» und begab sich aus der Stadt zur Vorstadt mit dem Vorsteher, wo Er mit den Jüngern übernachtete. Es ist hier in der Vorstadt nur eine Schule, keine Synagoge, es wird aber sehr viel da gelehrt. Es ist noch immer das Lichterfest.

Auch tags darauf lehrte Jesus in Hukok in der Parabel vom Sämann und der verschiedenen Aufnahme des Samens, dann vom guten Hirten, der gekommen sei, die verirrten Schafe zu suchen, auch wenn Er nur eines auf seinem Nacken zurückbringe. Er sagte: so werde der gute Hirte tun, bis die Feinde ihn töten würden. Seine Knechte und seiner Knechte Knechte sollten auch so tun bis ans Ende der Tage. Wenn am Ende auch nur ein Schaf gerettet würde, sei die Liebe doch erfreut. Er lehrte gar lieblich hiervon.

17. Jesus in Bethanat Galgala. Elkese und Saphet

Die Apostel und einige Jünger zogen voraus. Er selbst aber ging gegen Mittag mit einigen Jüngern in der Richtung, in der Er gekommen war, wieder zurück nach Bethanat anderthalb Stunden südöstlich von Saphet.

Etwa eine halbe Stunde vor Bethanat kam Ihm ein Blinder entgegen, geführt von zwei feinen Knaben in gelben kurzen Röckchen und mit Hüten wie Schirme von Bast. Sie waren Levitenkinder. Der Mann war alt und von Stand und hatte schon lange auf Jesus gehofft. Er eilte, von den Knaben, die Jesus nahen sahen, geleitet, Ihm entgegen und rief von weitem: «Jesus! Du Sohn Davids, helfe mir! Erbarme Dich über mich!» und als er vor Ihm war, warf er sich nieder und sagte: «Herr, Du wirst mir gewiss das Licht wieder geben! Schon lange habe ich auf Dich geharrt, schon lange habe ich innerlich gefühlt, Du würdest kommen und mich heilen.» Jesus sagte: «So du es glaubst, geschehe dir nach deinem Glauben!» Und Er ging mit ihm zu einem Wasser im Gebüsch und befahl ihm die Augen zu waschen. Die Augen des Mannes waren aber mit der ganzen Stirne geschwürig und mit einer Rinde bedeckt. Als der Mann sich gewaschen, fielen die Schuppen von seinen Augen, und Jesus salbte sie mit Öl und auch seine Stirne und Schläfe. Da sah der Mann und dankte. Jesus segnete auch die beiden Knaben und sagte, sie würden einstens das Wort Gottes verkünden.

Nun nahten sie der Stadt, vor welcher die Apostel und andere Jünger wieder mit Ihm zusammentrafen. Es waren hier viele Leute aus der Stadt versammelt. Und als sie den Blinden sehend zurückkommen sahen, war die Freude ungemein groß. Der Geheilte heißt Ktesiphon, ist aber nicht jener geheilte blinde Ktesiphon, welcher nachher Jünger wurde und mit Lazarus nach Gallien kam.

Jesus ging mit Leviten und allem Volk zur Synagoge und lehrte. Es ist noch immer das Lichterfest und eine Art Feierzeit. Jesus legte hier nochmals die Parabeln vom Sämann und vom guten Hirten aus. Die Leute waren ganz gut und glücklich über seine Ankunft. Er wohnte im Haus der Leviten bei der Schule. Es waren keine Pharisäer hier. Die Leviten lebten zusammen, wie in einem Kloster und sandten Leute aus an andere Orte.

Dieser Ort Bethanat war einst fest und voll Heiden, denn die Kinder Nephtalim hatten sie lange zinsbar bestehen lassen und nicht ausgerottet. Jetzt aber sind keine mehr darin. Sie sind vertrieben worden, als der Tempel wiederhergestellt wurde und Esdras und Nehemias die Juden zwangen, sich von ihren heidnischen Frauen zu scheiden. Die schweren Drohungen Gottes durch die Propheten gegen sein Volk, wenn sie in solchen Ehen verharrten und auch wenn sie die Heiden nicht aus dem Land vertrieben und dadurch immer in der Versuchung zu solcher Vermischung blieben, sind auch richtig eingetroffen, denn um den Tabor und da im Gebirge zwischen Endor und Scythopolis, wo die Berge so verwirrt sind, und wo ich so vieles Gold unter der Erde unausgegraben sehe, haben sie die Heiden nicht so vertrieben und da ist nun alles eine Wüste geworden.

Von Bethanat ging Jesus mit den Aposteln und Jüngern um Saphet herum nördlich nach Galgala, einem großen schönen Ort, durch welchen eine große Landstraße führte. Er ging mit seinen Begleitern zur Synagoge. Es waren Pharisäer hier. Er lehrte sehr streng gegen sie, legte alle Stellen des Propheten Malachias aus, welche vom Messias, vom Vorläufer Johannes und vom neuen, reinen Opfer sprechen, und verkündete, dass diese Zeit jetzt gekommen sei.

Von hier zog Er weiter ostwärts nach Elkese, im Norden von Saphet, wo der Prophet Nahum geboren ist. Hier lehrte Er eine kleine Zeit und heilte im Haus der Aussätzigen etwa acht davon und befahl ihnen, sich vor den Priestern in Saphet zu zeigen. Er lehrte auch Hirten. Es ist dort Gras von außerordentlicher Höhe und es gehen viele Kamele darin, Jesus war auch bei einem Berg mit vielen Höhlen, worin Heiden wohnten und lehrte sie. Er war den ganzen Tag wandelnd, lehrend und heilend, denn überall auf dem Weg brachte man Ihm Leidende.

Gegen Abend kam Er nach Bethan, westlich unter Saphets Höhe liegend und etwa eine Stunde von Bethanat. Es ist dieser Ort klein und ein Tochter-Städtchen von Bethanat. Es liegt so nahe an der steilen Westseite von Saphet, dass man von dort oben hineinschaut. Jesus kehrte hier mit den Jüngern bei Verwandten ein. Es war hier die Tochter einer Schwester von Elisabeth verheiratet. Sie hatte fünf Kinder, wovon das jüngste Mädchen etwa zwölf Jahre alt war, die Söhne waren schon achtzehn bis zwanzig alt. Es lebte diese Familie abgesondert mit andern ähnlich Gesinnten an den Mauern der Stadt in einer Reihe. Ihre Wohnungen lagen teils in der Mauer, teils im Felsen. Sie waren alle von den verheirateten Essenern und der Mann von Elisabeths Nichte war ihr Vorsteher. Diese Familie hatte ein Gut hier von den Vorfahren stammend. Es waren sehr fromme Leute. Sie sprachen mit Jesus von Johannes und fragten betrübt, ob er bald frei werde. Jesus sprach auf eine solche Weise mit ihnen davon, dass sie ganz ernsthaft und traurig wurden - aber sie blieben still.

Johannes war bei ihnen gewesen, als er zuerst von den Quellen des Jordan aus der Wüste herabkam, und sie waren mit von den ersten zu seiner Taufe gezogen. Sie sprachen auch mit Jesus von ihren Söhnen, dass sie sie nächstens nach Kapharnaum zur Fischerei tun wollten. Jesus sagte hierauf, diese Fischer hätten eine andere Fischerei angefangen, und diese Jünglinge würden zu ihrer Zeit Ihm auch nachfolgen. Sie sind auch unter den Zweiundsiebzig gewesen. Jesus lehrte und heilte hier. Ich hörte Ihn hier sagen, dass die andern Jünger in die Grenzen von Sidon und Tyrus seien, und dass Er nach Judäa hinauf wolle. Und ich sah, dass Thomas sich sehr auf diese Reise freute, weil er dort den Widerspruch der Pharisäer vermutete und mit ihnen zu disputieren hoffte, und dass er dieses den andern Jüngern äußerte, welche nicht so gerne dahin wollten. Jesus strafte aber seinen übertriebenen Eifer und sagte ihm, er werde noch einst selbst nicht glauben wollen. Das konnte Thomas gar nicht begreifen.

Während Jesus in der Schule von Bethan von den Seligkeiten lehrte, kamen Pharisäer von Saphet herab, um Ihn zum Sabbath einzuladen. Er legte eben die Parabel vom verschiedenen Boden, worauf der Samen fällt, wieder aus. Sie aber wollten das Bild vom steinigen Acker nicht begreifen und disputierten mit Ihm darüber. Er brachte sie zum Schweigen und da sie Ihn zum Sabbat einluden, sagte Er, Er wolle der verlorenen Schafe wegen mitgehen. Aber sie und die Sadduzäer (es waren deren dabei) würden sich an Ihm ärgern. Sie sagten: «Rabbi! Das lass unsere Sache sein.» Er sagte noch zu ihnen aber, wie Er sie wohl kenne, und wie ihre Ungerechtigkeit das Land erfülle. Er zog dann in Begleitung von vielen Leuten aus Bethan nach Saphet hinauf, das an dieser Seite so steil den Berg hinan gebaut ist, dass zu Füßen eines Hauses das Dach des andern steht. Die Wege liegen tiefer als die Häuser, zu denen man am Felsen auf eingehauenen Treppen hinaufsteigt. Man hat wohl eine halbe Stunde bis auf die Höhe zur Synagoge zu gehen, wo der Berg eine größere Fläche gewinnt und nicht so steil gegen Nord-Ost abfällt. Vor der Stadt ward Jesus von vielen guten Leuten ganz festlich empfangen. Sie zogen mit grünen Zweigen um Ihn her und sangen. Man wusch Ihm und den Jüngern die Füße, und reichte ihnen einen Imbiss. So kam Er bis zur Synagoge, wo sehr viele Menschen versammelt waren. Es schloss sich heute das Lichterfest an und war Neumondsfest und Sabbath und alles hatte sich wegen Seiner und der Jünger versammelt.

Es waren aber hier in Saphet viele Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrte, auch einfache Leviten. Es war eine Art Gesetzesschule hier, in der viele junge Leute in allen jüdischen freien Künsten und in ihrer Theologie unterrichtet wurden. Thomas war hier auch vor ein paar Jahren noch als Studierender gewesen und so besuchte er seinen Hauptlehrer, einen Pharisäer, wieder, der sich wunderte, ihn in dieser Gesellschaft zu sehen. Thomas aber sprach so eifrig von Jesu Taten und Lehren, dass er ihn zum Schweigen brachte. Es hatten sich auch Pharisäer und Sadduzäer von Jerusalem hier bei der Schule eingenistet, welche sehr eigenmächtig handelten und den einwohnenden Pharisäern und Lehrern selbst zur Last waren. Von diesen waren einige bei jenen, welche Jesus abgeholt hatten. Sie sprachen nun sehr glattzüngig von seinem Ruhm und seinen Wundern. Er möge aber doch keine Störung und Aufruhr hier machen, denn sie hatten sich sehr an seinem festlichen Empfang geärgert. Jesus antwortete ihnen hierauf in der Vorhalle vor allem Volk, da der Sabbat noch nicht angegangen war und sprach von der Störung und dem Ärgernis sehr scharf, die durch sie das Land erfüllten, sagte aber noch nichts deutlich heraus, und forderte sie auf, Ihm irgend etwas vorzuwerfen, worin Er das Gesetz verletze, da Er, es zu erfüllen, von seinem Vater gesandt sei-

Indem Er so gegen sie disputierte, kamen die von Ihm gestern geheilten Aussätzigen von Elkese, sich nach seinem Befehl zur Besichtigung vor den Priestern zu stellen und Jesus sagte: «Da sehet ihr, wie Ich das Gesetz erfülle! Ich befahl diesen Leuten, vor Euch zu erscheinen, welches sie nicht einmal nötig hätten, da sie durch Gottes Befehl plötzlich und nicht durch menschliche Arznei rein geworden sind.» Es ärgerte dieses Zusammentreffen die Pharisäer sehr, und sie gingen, die Leute loszusprechen. Es wurden solchen bloß die Brust beschaut, wenn diese rein war, waren sie ganz rein; die Pharisäer mussten sie mit Staunen und Ärger lossprechen.

Jesus lehrte in der Synagoge, außer der Sabbatslektion aus dem ersten Buch des Mose und dem ersten Buch der Könige, auch über die zehn Gebote und hob verschiedene Punkte heraus, bei welchen sich die Pharisäer und Sadduzäer heimlich getroffen fühlten. Er sprach auch über die Erfüllung der Verheißungen und verkündete die Strafgerichte Gottes über alle, welche die Ermahnung zur Buße nicht annehmen würden. Er sprach von der Zerstörung des Tempels und der Verwüstung vieler Städte. Er sprach vom wahren Gesetz, das sie nicht verständen und von ihrem Gesetz von gestern, wie Er es nannte, das Er gänzlich verwarf. Ich hatte die Empfindung, dass Er etwas wie die heutigen Bücher der Juden, ich meine den Talmud, dabei meinte, weil sie hier besonders viel darauf hielten und dergleichen studierten.

Nach der Synagoge ging Er mit den Jüngern zu einem der hiesigen Pharisäer, der die öffentliche Herberge für Lehrer und Rabbiner hatte, und die anderen Pharisäer aßen auch mit. Bei dieser Mahlzeit hielt Jesus gegen die Pharisäer eine heftige Strafrede, weil sie den Jüngern das Nichtwaschen der Hände bei Tisch und die Vernachlässigung von allerlei Speisebeobachtungen vorwarfen und weil sie auch die Auftragenden über allerlei kleine Makel an Speise und Geschirr anfuhren.

Am Morgen des folgenden Tages wurden sehr viele Schwerkranke, teils alte Leute, mit Mühe aus der unwegsamen Stadt vor Jesu Wohnung in den Hof zusammengebracht. Er begann sie nach der Reihe zu heilen. Es waren Taube, Blinde, Gichtbrüchige, Lahme, Kranke aller Art darunter. Jesus heilte sie mit Gebet, Handauflegung, geweihtem Öl und mit mehr Zeremonien als sonst, sprach mit den Jüngern und lehrte sie, diese Heilarten anzuwenden und ermahnte die Kranken nach ihrer verschiedenen Gattung.

Die Pharisäer und Sadduzäer von Jerusalem, die hier waren, ärgerten sich sehr darüber, wollten mehrere neu hinzukommende Kranke hinwegweisen und fingen an, zu zanken. Sie wollten diese Störungen des Sabbats auf keine Weise dulden. Es entstand großer Lärm, so dass Jesus sich zu ihnen wandte und fragte, was sie wollten. Sie fingen nun einen Disput mit Ihm über seine Lehre an, wie Er immer vom Vater spreche und vom Sohne, man wisse ja doch, wessen Kind Er sei! Jesus antwortete, wer den Willen des Vaters tue, sei der Sohn des Vaters. Wer aber die Gebote nicht halte, habe kein Recht hier zu richten, sondern müsse froh sein, dass er nicht als ein anmaßender Fremdling aus dem Haus hinausgewiesen werde. Da sie aber noch allerlei gegen das Heilen vorbrachten und auch, dass Er sich gestern vor dem Mahl nicht gewaschen habe, und da sie sich gar nicht gefangen geben wollten in dem, dass sie das Gesetz nicht halten sollten, kam es so weit, dass Jesus zu ihrem großen Schrecken ihre heimlichen Sünden und Verbrechen mit Buchstaben, welche sie allein lesen konnten an die Wand des Hauses schrieb. Er fragte die Pharisäer, ob sie wollten, dass dieses hier stehen bleibe und öffentlich bekannt werde, oder ob sie Ihn ruhig wollten heilen lassen und es auslöschen? Da waren sie sehr erschrocken. Er kehrte zum Heilen und sie löschten es aus und gingen hinweg. Sie hatten verschiedene Unterschleife mit öffentlichen Stiftungsgeldern für Witwen und Waisen getrieben und zu allerlei Bauten verwendet. Saphet war reich an solchen Stiftungen, und doch waren viele arme elende Leute hier.

Am Abend schloss Jesus die Lehre in der Synagoge und übernachtete in demselben Haus. Bei der Synagoge ist ein Springbrunnen. Der Berg von Saphet ist schön grün mit vielen Bäumen und Gärten. Es wächst auf dem Weg hierher viel wohlriechendes Myrtenholz. Es sind viele große viereckige Häuser hier oben, auch Grundlagen, um Zelthäuser darauf zu bauen. Die Stadt macht viel Priesterkleider und ist voll Studenten und Gelehrten.

18. Jesus in Kirjathaim und Abram

Jesus war mit den Jüngern auch in den äußern Umgebungen der Stadt und heilte viele Kranke, welche man Ihm vor die Häuser an den Weg brachte. Er sandte früh morgens einen der Neffen Josephs von Arimathäa und den Sohn der Seraphia zum beinahe drei Stunden von hier gelegenen Kirjathaim voraus, die Herberge dort vorzubereiten und ging dann später von Saphet aus dahin. Die Jünger waren unterwegs hier und dort zerstreut und Jesus lehrte und heilte auch. Er ging zwischen Bethan und Elkese abendwärts, später wandte sich der Weg südlich. Etwas hinter Elkese, wobei ein schöner Brunnen ist, liegt ein kleiner Landsee, so groß, wie der beim Bad von Bethulia. Er ist oval und es fließt daraus ein Bach südlich herab in das Tal, das von Kirjathaim südöstlich in das Tal von Kapharnaum abfällt. Das Tal ist bald enger bald weiter und bis Kapharnaum wohl an sieben Stunden lang.

Auf dem Weg nach Kirjathaim kamen einige dämonische Leute zu Jesus, welche Ihn um Hilfe baten. Sie sagten, die Jünger hätten ihnen nicht geholfen, und sie hätten auch geglaubt, Er könne es besser. Jesus erwiderte ihnen, so die Jünger ihnen nicht geholfen, sei es nicht der Jünger, sondern ihre Schuld, weil sie nicht geglaubt hätten, und Er befahl ihnen nach Kirjatha im zu gehen und zu fasten, bis Er sie heilen wolle. Er ließ sie warten und Buße tun. Eine halbe Stunde vor Kirjathaim kamen Ihm die Leviten des Ortes und viele gute Leute und die Schullehrer mit den Kindern entgegen. Die beiden Jünger, welche die Herberge bestellt hatten, waren auch dabei. Sie empfingen Ihn bei einem Badegarten, der sein Wasser durch einen Kanal aus jenem Flüsschen empfing. Der Garten war voll schöner Bäume, Lauben und bedeckter Gänge, mit einem Wall und einer erstaunlich dicken Hecke umgeben. Sie wuschen Jesus und den Jüngern die Füße und bewirteten sie mit einem Imbiss.

Jesus lehrte hier eine kleine Zeit die Kinder und segnete sie. Es mochte gegen fünf Uhr sein, als sie zur Stadt zogen. Sie liegt auf einem Hügel und sieht ins Tal hinab. Den ganzen Weg bis zur Synagoge heilte Er viele Kranke aller Art in den Straßen. In der Synagoge lehrte Jesus wieder von den Seligkeiten und auch von der Strafe der Leviten, welche Hand an die Bundeslade gelegt und wie noch größere Strafe über die kommen werde, welche Hand an den Sohn des Menschen legen werden, denn die Lade sei nur ein Vorbild von Ihm gewesen.

Er wohnte hier in einer der gemieteten Herbergen, welche von den Jüngern mit dem hierher gesandten Gemeindegeräte ausgerüstet wurde. In einem Haus der Stadt, wo auch für Kranke gekocht wurde, wurden die Speisen bereitet. Die Leviten aßen mit.

Kirjathaim ist eine Leviten-Stadt und es sind keine Pharisäer hier. Es wohnen ein paar Familien da, welche mit Zacharias verwandt sind. Jesus besuchte sie. Sie waren sehr bekümmert um Johannes. Jesus stellte ihnen alles vor Augen, was der Geburt des Johannes vorhergegangen und bei ihr vorgefallen war, und seinen wunderbaren Lebenswandel und der Berufung. Er brachte ihnen auch vieles von der Geburt des Sohnes Mariä in Erinnerung und wies sie darauf hin, dass des Johannes Geschick in den Absichten Gottes liege und dass er sterben werde, wenn er seine Berufung vollendet habe. Er bereitete sie auf seinen Tod vor.

Jesus wurde von den gestern hierher gewiesenen Besessenen und vielen andern Kranken bei der Synagoge um Heilung angesprochen. Er heilte mehrere. Andere aber wies Er ab und gab ihnen vorerst Fasten, Almosen und Beten auf. Er tat dieses hier mehr als anderswo, weil dieser Ort ernster im Gesetz war. Nachher zog Er mit den Jüngern zum Garten, in dem Er empfangen worden war. Hier lehrte Er, und die Jünger tauften. Es lagen Heiden unter Zelten in der Nähe, die Ihn hier erwarteten, denn sie waren schon in Kapharnaum hierher beschieden worden. Es wurden im Ganzen wohl an hundert Menschen hier getauft. Sie standen im Wasser um ein Becken. Es taufte Petrus und Jakobus der Kleinere, die andern legten die Hände auf.

Am Abend lehrte Jesus in der Synagoge von den acht Seligkeiten und von dem falschen Trost der falschen Propheten, welche den Drohungen der wahren Propheten widersprochen hätten. Es seien aber die Weissagungen erfüllt worden. Er wiederhole seine Prophezeiungen über die, welche den Gesandten Gottes nicht annehmen.

Jesus ging mit den Jüngern von Kirjathaim südwärts. Bei seinem Auszug wurde Er ebenso feierlich von den Leviten und Schulkindern begleitet, wie bei seinem Eingang. Die Leute haben hier Durchzug von Waren und Bereitung von Priesterkleidern aus Seide, die sie aus der Fremde erhalten. Auf der andern Seite des Tals an der südlichen Höhe, wo der Ort Naasson liegt, ist eine Pflanzung von Zuckerrohr, welches sie verkaufen. Jesus zog über diese Höhe. Die Jünger zerstreuten sich an einigen Orten mehr östlich im Tal. Jesus lehrte bei Naasson und traf dort Leute, die aus Kapharnaum zurückkamen und Heiden. Es zogen oft eine Strecke weit Scharen mit Ihm. Ich sah Ihn auch mehrere heilen, unter andern ein paar Leute, welche ganz verdreht an der Landstraße lagen. Er nahm sie bei der Hand und befahl ihnen aufzustehen. Sie wollten Ihm nachziehen, aber Er verbot es ihnen. Er durchschritt noch ein Tal, kam auf die Höhe der Stadt Abram in Aser, und blieb davor in einer Herberge. Es sind schöne Gärten und Anlagen vor der Stadt. Jesus kam nur mit zwei Jüngern in die Herberge. Die andern waren noch nicht mit Ihm zusammengetroffen. Die Gegend hier an der Ostseite des hohen Rückens, der vom Libanon nieder gegen das Tal Zabulon läuft, ist sehr angenehm und reich an Weiden. Es geht vieles Vieh und Kamele im hohen Gras. Östlicher gegen den See ist mehr Obst.

Abram liegt etwa drei Stunden südlich von Kirjathaim. Jesus ist aber auf Umwegen gewiss an fünf Stunden gegangen.

Am Abend kamen Thomas, Johannes und Nathanael wieder zu Jesus in die Herberge. Die andern Jünger waren noch in den Städten umher. Die Grenze zwischen Nephtali und Zabulon teilt den Berg, worauf Abram liegt, der Länge nach. Der Verwalter der Herberge legte Jesus einen Streit zur Entscheidung vor, der über einen nahen Brunnen zur Tränke des Viehes war, über den er die Aufsicht hatte. Weil die Stämme hier sich so nahe waren und sehr viele Weiden hier oben hatten, so zankten sie immer über den Brunnen. Der Wirt sagte: «Herr, wir lassen Dich nicht gehen, Du entscheidest unsern Streit.» Jesus entschied ungefähr so: sie sollten eine gleiche Anzahl Vieh von beiden Seiten gehen lassen und von welcher Seite ungetrieben das meiste Vieh zu dem Brunnen eile, die solle das größere Recht an dem Brunnen haben. Er leitete hieraus eine tiefsinnige Lehre vom lebendigen Wasser ab, das Er ihnen geben wolle. Die es am heftigsten begehrten, denen gehöre es.

Am folgenden Tag ging Jesus nach Abram hinein, das in zwei Teilen an zwei Straßen, wie zwei Dörfer liegt und von vielen Gärten unterbrochen ist. Die Lehrer der Schulen kamen Jesus vor der Stadt entgegen, wuschen Ihm die Füße und geleiteten Ihn zur Synagoge. Auf dem Weg dahin, heilte Er mehrere Kranke, verkrüppelte, am Weg liegende Menschen, ausgezehrte alte Leute und Dämonische, welche noch nicht rasend waren, sondern vor sich hinmurrend umhergingen, wie schwachsinnige, tückische Menschen. Sie kamen unwillkürlich an die Orte heran, wo Jesus war, und wiederholten dieselben Worte: «Jesus von Nazareth! Jesus, Prophet! Du Sohn Gottes! Jesus von Nazareth!» immer wieder. Er befreite sie durch Segen. In der Synagoge lehrte Er von den Seligkeiten und aus dem Propheten Malachias.

Es waren Pharisäer, Sadduzäer und Leviten hier und zwei Synagogen in den beiden Teilen des Ortes. Die Sadduzäer waren in einer besondern Synagoge, wo Jesus nicht lehrte. Die Pharisäer waren hier ordentlich gegen Ihn. Seine Herberge lag wohl eine gute Viertelstunde vor dem südlichen Ende der Stadt und ist von Lazarus eingerichtet. Der Verwalter ist ein verheirateter Essener, ein Nachkomme aus der Familie jenes Zacharias, der zwischen dem Tempel und Altar erschlagen wurde. Die Frau ist eine Enkelin von einer der Schwestern Annas. Sie haben erwachsene Kinder, besitzen Herden und Weiden bei dem Feld, wo Joachim vor Mariä Empfängnis gebetet hatte. Jetzt, da sie weniger Beschäftigung zu Haus haben, sind sie hierher gezogen. Später werden sie von andern abgelöst. Die Herberge ist wie alle ganz ordentlich und mäßig eingerichtet, auch ist Garten, Feld und Brunnen dabei.

Heiden wohnten nicht in Abram, jedoch am Berge hinab in einzelnen Häusergruppen.

Die andern Apostel und Jünger, welche Jesus vor Kirjathaim verlassen hatten, kamen zur Herberge wieder zurück, ebenso Andreas und Matthäus, Thomas und Jakobus der Kleinere sind statt ihrer nach Achzib in Aser, ungefähr zehn bis zwölf Stunden westlich von hier, gegangen. Mit Andreas sind an zwanzig Mann gekommen, Fremde und Geheilte, welche Jesu Lehre hören wollen. Die beiden Apostel erzählten, wie es ihnen ergangen und wie alles ihnen gelungen sei: Heilen, Teufelaustreiben, Lehren und Taufen. Es kamen auch viele Kranke und Rat- und Trostbegierige zu Jesu Herberge, meist Lahme mit verzerrten Gliedern, alte ausgedörrte und dämonische Leute, auch kranke Frauenpersonen, welche in einem Raum allein waren. Die Gichtbrüchigen, welche Jesus gestern geheilt hatte, wollten Ihm bei andern Kranken Handreichung tun. Er wies sie aber zurück und sagte, Er sei gekommen zu dienen und nicht um bedient zu werden.

Jesus heilte und lehrte den ganzen Morgen und hatte abermals einen Brunnenstreit zu schlichten. Weil hier die Grenzen von Aser, Nephtali und Zabulon zusammenstoßen und die Leute viel Hirtenwesen treiben, haben sie immer Händel um die Brunnen. Einer klagte, dass andere den Brunnen, den ihre Väter gegraben, benützen. Doch was Jesus sage, wollten sie tun. Aber sie wollten nicht leichthin die Rechte ihrer Nachkommen veräußern. Jesus entschied, er solle sich einen Brunnen auf einem andern Feld bohren, dessen Gegend Er ihm zeigte. Er werde da viel mehr und besseres Wasser finden. Es wurden auch etwa zwanzig bis dreißig Juden, worunter die mit Andreas und Matthäus gekommenen, getauft. Es war hier kein Wasser zum Hineinstehen. Sie wurden im Kreis knieend aus einem Becken mit der Hand getauft. Darnach ging Jesus in die Stadt.

Die Leute, welche Er in der Stadt heilte, waren meist von der beschriebenen Art. Ihr Zustand muss mit der hohen Lage der Stadt und der Lebensart zusammenhängen. Er tat viel mit den Kindern, welche in Reihen an den Ecken der Straßen und wo Platz war, zusammenstanden und auf Ihn harrten. Er fragte, lehrte und segnete sie. Die Mütter brachten auch kranke Kinder, die Er heilte. Es waren sehr viele Menschen aus der Gegend zusammengekommen.

In der Synagoge waren die Pharisäer sehr höflich, räumten Ihm gleich die oberste Stelle ein und gaben seinen Jüngern Plätze rund um Ihn her, legten Ihm auch eine Schriftrolle vor. Er lehrte wieder von einer der acht Seligkeiten, und dann von den großen Verfolgungen, die über Ihn und die Seinen kommen würden und von den großen Strafen und Zerstörungen über das Land und Jerusalem. Die Pharisäer forderten, Ihn unterbrechend, dieses und jenes zu erklären. Es ist dieses gewöhnlich.

Die Leute hier sind sehr arbeitsam, bereiten Baumwolle zum Verkauf zu, machen mittelfeine breite Stoffe und weben auch etwas wie Flachs. Es ist ein dickeres Rohr, das in dünnen Streifen abgelöst wird, die über ein scharfes Bein oder Holz gestrichen werden, dass sie in die feinsten langen Fäden zerfallen. Sie sind gelblich und schimmernd und werden an Rocken gesponnen, mit denen sie wandeln. Es ist kein Flachs, noch Hanf wie bei uns. Sie machen auch Zeltdecken und leichte Splint- und Matten-Wände.

Jesus und die Apostel gingen den ganzen folgenden Morgen und einen Teil des Nachmittags in einzelne Häuser des südlichen Teiles der Stadt, lehrten, trösteten, versöhnten und ermahnten zur Einigkeit, Liebe, Friede. Wo die Familie groß war, lehrte Jesus sie allein. Meistens aber wurden die Nachbarn durch Jünger zusammengerufen. Alles wurde geschlichtet und ausgeglichen. Diese Besuche geschahen meist in jenen Häusern, wo alte bettlägerige Leute waren, welche der Lehre in der Synagoge nicht beiwohnen konnten. Einige ganz alte Männer erhielten die Taufe auf ihrem Lager. Ein paar konnten nur mit Unterstützung aufrecht sitzen und wurden aus einem Becken getauft.

Schon am ersten Tage seines Einzuges in Abram hatte Jesus zwei Brautpaare ermahnt und hatte der Trauung beigewohnt. Es waren aber noch drei andere Paare in einem Haus und als die Eltern und nächsten Verwandten, auch einige Pharisäer beisammen waren, belehrte sie Jesus über die Ehe. Er sprach von der Untertänigkeit der Frauen aus Gehorsam gegen das Gebot, das auf die erste Sünde folgte, dass aber die Männer in den Frauen die Verheißung ehren sollten: «Der Same der Frau soll der Schlange das Haupt zertreten.» Jetzt aber, da die Zeit der Erfüllung nahe sei, trete die Gnade an die Stelle des Gesetzes, jetzt sollten die Frauen aus Ehrfurcht und Demut gehorchen, und die Männer mit Liebe und Billigkeit befehlen. Es kam in dieser Lehre auch vor: sie sollten nicht fragen, wie die Sünde in die Welt gekommen, das Heil aber durch den Gehorsam und den Glauben. Er sprach auch von der Scheidung, es sei Mann und Frau ein Leib und sie könnten nicht geschieden werden, es sei denn, dass große Sünde durch ihr Zusammenleben entstünde. Dann mögen sie sich voneinander absondern, jedoch könnten sie nicht wieder heiraten. Die Gesetze seien teils für die Kindheit und Rohheit der Völker. Nun aber, da sie keine Kinder mehr seien und da die Fülle der Zeit eingetreten sei, sei das Wiederheiraten der Geschiedenen eine Verletzung des ewigen Gesetzes der Natur, die Absonderung aber sei eine Zulassung gegen die Gefahr der Sünde und nur nach ernster Prüfung erlaubt. Er hielt diese Ermahnung in einem ansehnlichen Familienhaus von den Eltern des einen Brautpaares. Es waren aber alle Brautpaare versammelt und durch einen Vorhang die Bräute von den Bräutigamen getrennt. Jesus stand an dessen Ende und lehrte. Die Mütter und Väter standen auch dabei, jeder hinter seinem Geschlecht, einige Jünger und Pharisäer bei Jesus.

Diese Lehre über die Ehe war der erste Fall, wo Jesus hier einigen Widerspruch von den Pharisäern hatte. Sie begannen ihre Disuputation jedoch nicht hier, sondern am Abend in der Synagoge, wo Jesus von der Bedrückung der Kinder Israel in Ägypten und aus Isaias lehrte. Hier bestritten sie seine Lehre von der Ehe, die ihnen in Bezug der Untertänigkeit der Frauen zu gelinde, in Bezug auf die Scheidung zu streng schien. Sie hatten allerlei Schriften vorher nachgeschlagen und konnten sich trotz seiner abermaligen Auseinandersetzung der Lehre nicht fügen. Doch blieb ihr Widerspruch, wiewohl lebhaft, noch in den Schranken der Schicklichkeit.

Tags darauf war Jesus bei der Trauung der Ehepaare mit ein paar Jüngern gleichsam wie ein Zeuge zugegen. Sie wurden vor der Gesetzeslade unter freiem Himmel getraut. Es war nämlich die Kuppel in der Synagoge losgedeckt. Ich sah, dass beide Teile Blut aus dem Ringfinger in ein Glas Wein tropfen ließen und tranken, und dass sie Ringe wechselten und andere Zeremonien. ZUr Synagoge war der Anfang der Hochzeit mit Tanz und Mahlzeit und Spiel, wozu Jesus und die Jünger eingeladen waren. Es war in dem schönen mit Säulen unterstützten öffentlichen Festhaus. Die Brautpaare waren nicht alle aus der Stadt, auch aus nahegelegenen Orten. Sie feierten aber ihre Hochzeiten hier zusammen, weil sie sich dazu bei der Nachricht von Jesu Ankunft verabredet hatten. Einzelne waren mit ihren Eltern bei den Lehren in Kapharnaum gewesen. Die Leute waren überhaupt gutartig hier und gesellig und die Hochzeiten der Ärmeren wurden nun mit denen der Reichen festlicher und wohlfeiler gemacht.

Ich bemerkte, dass die Gäste gewisse Gaben brachten, und dass auch Jesus für Sich und seine Jünger ein Geschenk an Geld machte, das sie Ihm aber mit einigen Körben von seinen Hochzeitsbroten vermehrt wieder nach seiner Herberge zurücksandten, worauf Er es den Armen austeilen ließ.

Anfangs war ein Brauttanz sehr mäßig und mit langsamen Schritten. Die Bräute waren verschleiert, die Paare standen sich gegenüber und jeder Bräutigam tanzte einmal mit der Braut. Sie berührten sich nicht, sondern fassten das Ende von Tüchern, die sie in den Händen hatten. Der Tanz währte, weil jeder mit allen einmal tanzte und dann alle zusammen und weil es sehr sanft herging, an eine Stunde. Dann ging man zu der Mahlzeit, und Männer und Frauen trennten sich. Die Musikanten waren Kinder, Knaben und Mädchen, mit Wollkränzen an den Armen und auf dem Kopf. Sie hatten Pfeifen, krumme Hörnchen und andere Instrumente. Die Tische der Mahlzeit waren so getrennt, dass man sich hören, aber sich nicht sehen konnte. Jesus nahte aber dem Brauttisch, erzählte eine Parabel auf Art der zehn weisen und törichten Jungfrauen und legte dieselbe ganz häuslich und zeitlich und zugleich ganz geistlich aus. Er sagte jeder, wie sie dieses und jenes in ihrem neuen Hausstand besorgen und in Vorrat halten müsse. Das hatte dann auch immer wieder eine geistliche Bedeutung und war auf den Charakter und die Fehler einer jeden ganz passend. Das Sinnbild der Lampe kam auch darin vor.

Es wurden nach der Mahlzeit auch noch Rätselspiele gespielt. Die Rätsel fielen in Beutel durch ein durchlöchertes Brett, auf welches sie geworfen wurden. Jeder musste das auflösen, das in seinen Beutel gefallen war, oder Strafe bezahlen. Die unaufgelösten Rätsel aber kamen immer wieder ins Spiel und der Auflöser gewann, was schon auf dieses Rätsel verloren war. Jesus sah zu und machte immer heitere und lehrreiche Anwendungen-

Nach dem Fest, ging Jesus mit den Jüngern zur Herberge vor der Stadt und es wurde Ihm mit Fackeln das Geleite gegeben.

Nachdem Jesus wieder in der Synagoge gelehrt hatte, besuchte Er die Schule der Knaben und Jünglinge, fragte und lehrte sie, und nahm von mehreren Leuten Abschied. Nach Tisch zur Zeit, wo sie am Sabbat spazierengingen, besuchte Er mit zwei Jüngern eine Jungfrauen-Schule, welche zugleich eine Art Fabrik von Stickereien war. Die Mädchen, von sechs Jahren bis zu vierzehn, waren ihrer sehr viele und waren heute schön geputzt. Auch zwei Lehrer waren zugegen, welche täglich das Gesetz dort lehrten. Auch sie waren in ihren Feierkleidern, hatten breite Gürtel und lange Manipel an ihren Ärmeln. Es waren ungefähr zehn Witwen, welche der Anstalt vorstanden. Außer dem Unterricht im Lesen des Gesetzes, Schreiben und Rechnen, arbeiteten die Mädchen an Stickereien, welche verkauft wurden. Durch eine Reihe von Sälen waren lange Bahnen von verschiedenen Stoffen, eine Elle breit, und auch schmälere, bis zur Breite der breiten Gürtel ausgespannt und das fertige Ende wurde immer aufgerollt. Die Muster, nach denen sie arbeiteten, standen auf Stoffe gemalt vor ihnen. Es waren Blumen und Blätter und Bäumchen und Schlangenlinien in großen Figuren. Der Stoff war sehr feines Wollengewebe auf Art, wie die leichten Mäntel der heiligen drei Könige, nur etwas stärker, und von verschiedener Farbe. Sie arbeiteten mit feiner bunter Wolle, auch mit Seide. Gelb war eine der häufigsten Farben. Sie hatten keine Nadeln, sondern kleine Häckchen, Einige arbeiteten auch auf weißem Zeug, das in schmäleren Bahnen bestand. Andere arbeiteten Gürtel und stickten Buchstaben hinein. Die Mädchen standen dabei, eine neben der andern. Ihre Geschäfte waren verteilt, sie schritten nach Alter und Talent vorwärts. Ich sah kleinere, Fäden bereiten, andere, Wolle streichen, andere, spinnen, und den Stickenden wurden von den Kleineren immer alle Fäden und Werkzeuge, die sie bedurften, gereicht. Sie arbeiteten heute nicht. Indem aber die Kinder Jesus ihre Arbeiten zeigten und Er mit den Vorsteherinnen durch die Säle ging, wurde mir das ganze Treiben der Anstalt im Bilde gezeigt. Ich sah, dass einige auch große und kleinere Figuren auf einzelne Flächen gestickt zeigten. Diese Arbeiten wurden bestellt und auf den Verkauf bereitet. Die Heiden tauschten auch gegen Stoffe und allerlei andere Dinge davon ein.

Die Mädchen wohnten teils ganz im Haus, teils kamen sie aus der Stadt. Das Haus hatte zwei Stockwerke und alles war zur Anstalt verwendet. Es war ein Lehrsaal dabei und Jesus lehrte und fragte die Kinder, welche ihre kleinen Rollen in der Hand hatten. Die Kleinsten standen voraus und die Lehrerinnen zurück. Sie traten reihenweise eine Stufe zu Jesu Lehrstuhl heran. Als Er die Kinder gesegnet und alle in Gleichnissen von ihrer Arbeit ermahnt hatte, verließ Er das Haus und sie machten Ihm ein Geschenk von Stoffen und Gürteln, welche sie Ihm in die Herbergen sandten, und die nachher wieder an Synagogen geschenkt wurden. Danach schloss Jesus die Sabbatslehre in der Synagoge ab. Die Stadt war voll Menschen, die ganze Gegend war versammelt. Mehrere Jünger waren heute noch um die Stadt her in einzelnen Häusern gewesen. Jesus nahm in der Synagoge von allen Anwesenden Abschied und wiederholte, was Er sie bisher gelehrt hatte. Alles war sehr gerührt und wünschte, Er möchte bleiben.

Bevor Jesus Abram verließ, um nach Dothaim zu gehen, sandte Er zwei Jünger mit einer Botschaft nach Kapharnaum und zwei nach Cydessa. Bei Ihm blieben nur Andreas und Matthäus. Die anderen verteilten sich nach mehreren Orten.

Dothaim lag an demselben Bergrücken wie Abram und mochte etwa fünf Stunden südöstlich davon entfernt sein. Es war hier eine eigene Herberge für Jesus und seine Jünger eingerichtet, wo Er mit Lazarus, der mit zwei Jüngern aus Jerusalem gekommen war, zusammentraf. Auch die Frauen aus Jerusalem waren mit Lazarus hierher gereist.

BEKEHRUNG DER RÜCKFÄLLIGEN MAGDALENA BIS ÜBERGABE DER SCHLÜSSEL AN PETRUS

1. Jesus lehrt in Azanoth. Bekehrung der rückfälligen Magdalena

Ungefähr eine Stunde südöstlich von der Herberge zu Dothaim lag um eine Höhe, worauf ein Lehrstuhl, von dem herab in früherer Zeit schon die Propheten gelehrt hatten, der kleine Ort Azanoth. Durch die Jünger war es in der Gegend bekannt geworden, dass Jesus hier eine große Lehre halten werde. Es zogen Leute aus ganz Galiläa dahin. Martha aber war mit ihrer Magd zu Magdalena gereist, um sie zu bewegen, dieser Lehre beizuwohnen. Sie wurde sehr schnöde von Magdalena, mit der es zum Äußersten gekommen war, empfangen. Sie war bei der Ankunft Marthas gerade mit ihrem Putz beschäftigt und ließ dieser sagen, sie könne sie jetzt nicht sprechen. Martha harrte unter Gebet mit unaussprechlicher Geduld. Endlich kam die unglückliche Magdalena schnöde, trotzig und heftig, denn sie schämte sich der einfachen Kleidung Marthas und fürchtete, die anwesenden Gäste könnten sie bemerken, und begehrte von ihr, sie möge sich wieder wegbegeben. Martha bat nur um einen Winkel zur Ruhe. Sie ward mit ihrer Magd in eine Stube im Nebengebäude gebracht und ohne Speise und Trank gelassen oder vergessen. Es war dieses am Nachmittag. Indessen schmückte sich Magdalena zur Gasterei, bei der sie auf einem verzierten Sitz saß, während Martha und ihre Magd beteten. Am Ende der Schwelgerei kam endlich Magdalena und brachte Martha etwas auf einem Tellerchen und zu trinken. Das Tellerchen hatte einen blauen Rand. Sie sprach heftig und verächtlich. Ihr Wesen war stolz, frech, bange und in sich zerrissen. Martha lud sie mit großer Liebe und Demut ein, doch wieder die große Lehre Jesu in der Nähe mit anzuhören. Alle Freundinnen, die sie neulich dabei gefunden, würden dabei sein und freuten sich sehr auf sie. Sie selber habe ja schon Zeugnis davon gegeben, wie sehr sie Jesus ehre. Sie solle nun ihr und Lazarus doch die Freude antun und hinkommen. Sie werde nicht so bald wieder die Gelegenheit haben, den wunderbaren Propheten so in ihrer Nähe zu hören und zugleich alle ihre Freunde zu sehen. Sie habe durch die Salbung Jesu bei dem Mahl in Gabara bewiesen, dass sie alles Hohe und Herrliche zu ehren wisse, sie solle nun wieder begrüßen, was sie einmal so edel und ohne Scheu öffentlich gewürdigt habe. Es ist gar nicht zu sagen, mit welcher Liebe und Geduld Martha ihr zuredete und wie sie ihr entsetzliches schnödes Wesen ertrug. Endlich sagte Magdalena: «Ich werde hingehen; aber nicht mit Dir! Du kannst voraus gehen, denn ich will nicht so schlecht gekleidet einherziehen. Ich will mich meinem Stand gemäss schmücken und mit meinen Freundinnen hingehen.» Hierauf trennten sie sich. Es war sehr spät.

Am folgenden Morgen ließ Magdalena, da sie sich ankleidete, Martha rufen, die große Geduld übte und immer heimlich betete, dass Magdalena mitgehen und gebessert werden möge. Diese saß auf einem niederen Stuhl in ein feines wollenes Gewand gehüllt. Zwei Mägde waren beschäftigt, ihr Füße und Arme zu waschen und mit wohlriechendem Wasser zu salben. Auch ihre Haare, in drei Teile über den Ohren und hinten gescheitelt, wurden sehr glatt gelegt, gekämmt, gesalbt und geflochten. Sie zog dann über ein feines wollenes Hemd ein grünes Kleid mit gelben großen Blumen an, und darüber noch ein faltiges Gewand. Auf dem Kopf hatte sie eine krause hohe Mütze, über der Stirne hervorstehend, Haare und Mütze waren mit vielen Perlen durchwunden. Sie trug lange Ohrengehänge. Ihre Ärmel waren oben weit bis zu den Ellbogen, am Unterarm eng gefasst durch breite glänzende Spangen. Das Gewand war kraus. Ihr Unterkleid war an der Brust offen und mit glänzenden Schnüren gebunden. Während des Ankleidens, hatte sie einen runden glänzenden Spiegel in der Hand. Ein Bruststück, stark mit Gold, eckigen Steinen und Perlen verziert, bedeckte ihre Brust. Über dem Unterkleid mit engen Ärmeln trug sie ein Oberkleid mit kurzen weiten Ärmeln, das weit hinten schleppte. Es war von violett schielender Seide, mit vielen großen, bunten und goldenen Blumen durchwirkt. Ihre Haarflechten waren mit Rosen von roher Seide, mit Perlenschnüren und hervorstehendem, durchbrochenem Zeug, wie mit Spitzen durchflochten. Man konnte die Haare vor Schmuck gar nicht viel sehen. Es bildete dieses eine Höhe vorne um das Gesicht. Über diesem Hauptschmuck hatte sie eine durchsichtige, feine, reiche Kappe, die vorne in die Höhe ging, hinten zusammengezogen niederhing und auch an den Wangen auf die Schultern sich niederließ.

Nun verließ Martha ihre Schwester und ging zur Herberge bei Damna, um Maria und den heiligen Frauen zu erzählen, dass es ihr gelungen sei, Magdalena zum Anhören der Lehre in Azanoth zu bewegen. Mit der heiligsten Jungfrau waren mehr als zwölf Frauen nach Damna gekommen, um von da aus zur Lehre in Azanoth sich zu begeben. Darunter waren: Anna Kleophä, Susanna Alphäi, Susanna von Jerusalem, Veronica, Johanna Chusa, Maria Marcus, Dina, Maroni, die Suphanitin.

Von der Herberge in Dothaim kam Jesus mit sechs Aposteln und vielen Jüngern nach Azanoth. Auf dem Weg dahin traf Er mit den heiligen Frauen zusammen, welche von Damna her kamen. Auch Lazarus war bei Ihm.

Magdalena wurde nach der Entfernung Marthas sehr vom Teufel gepeinigt, der sie abhalten wollte, zu Jesu Lehre zu gehen. Sie würde auch unterlassen haben, dahin zu gehen, wenn nicht ihre Gäste sich auch verabredet hätten, mit nach Azanoth zu ziehen, um auch das Spektakel, wie sie sagten, mitanzusehen. Magdalena und die anderen Sünderinnen ritten auf Eseln in die Herberge der Frauen am Badesee von Bethulien. Bepackte Esel brachten den prächtigen Sitz für Magdalena, und Kissen und Teppiche für die anderen eben dahin.

Am anderen Morgen kleidete sich Magdalena wieder in den üppigsten Putz und erschien mit ihren Gesellinen auf dem Lehrplatz, wohin sie von der Herberge ein Stündchen Weges hatte. Mit großem Geräusch und Aufsehen, plaudernd und umhergaffend, setzten sie sich abgesondert von den heiligen Frauen weit voraus unter ein offenes Zelt. Es waren auch Männer ihrer Art bei ihnen. Sie saßen auf weichlichen Stühlen, Kissen und Teppichen allen zur Schau, Magdalena voran. Sie war Ursache eines allgemeinen Geflüsters und Murrens, denn sie war hier herum noch mehr gehasst und verachtet als in Gabara. Die Pharisäer, welche von ihrer ersten auffallenden Bekehrung bei Gabara und von ihrem nachmaligen Rückfall wussten, ärgerten sich besonders an ihr und hielten sich darüber auf, dass sie hier erscheinen dürfe.

Jesus begann seine große strenge Lehre, nachdem Er zuerst viele Kranke geheilt hatte. Des Einzelnen vermag ich mich nicht mehr zu erinnern, doch weiß ich noch, dass Er Wehe über Kapharnuam, Bethsaida und Chorazim ausrief. Auch dass Er sagte, die Königin Saba von Mittag sei gekommen, Salomons Weisheit zu hören. Aber hier sei mehr als Salomon. Sehr wunderbar war es, dass unter seiner Lehre verschiedene Kinder, die noch nie gesprochen hatten, auf den Armen ihrer Mütter laut riefen: «Jesus von Nazareth! heiligster Prophet! Sohn Davids! Sohn Gottes!» Viele Menschen und selbst Magdalena wurden dadurch erschüttert. Mit Bedacht auf Magdalena sagte Jesus: wenn der Teufel ausgetrieben und das Haus gefegt sei, dann kehre er mit sechs Gesellen zurück und treibe es ärger als vorher. Diese erschrak sehr darüber. Nachdem Jesus auf solche Weise die Herzen vieler gerührt hatte, gebot Er im allgemeinen, und nach allen Seiten sich wendend, dem Teufel, von denen auszufahren, welche sich nach Befreiung sehnten. Die aber mit ihm verbunden bleiben wollten, sollten ihn mit sich von dort weg nehmen und diesen Ort verlassen. Auf diesen Befehl schrieen die Besessenen rings im Kreis: «Jesus, Du Sohn Gottes!» Und hie und da sanken Menschen in Ohnmacht.

Auch Magdalena, welche auf ihrem stolzen Sitz aller Augen auf sich gezogen, sank unter heftigen Krämpfen nieder. Die andern Sünderinnen strichen sie mit Wohlgerüchen an und wollten sie hinwegbringen, um bei dieser Gelegenheit selbst anständig fortzukommen, denn sie wollten den Teufel behalten. Da aber das Volk umher schrie: «Halt ein, Meister! Halt ein! Diese Frau stirbt!», hielt Jesus in seiner Lehre ein mit den Worten: «Setzt sie auf ihren Stuhl! Der Tod, den sie jetzt stirbt, ist ein guter Tod - er wird sie lebendig machen!» Nach einiger Zeit traf sie wieder ein Wort Jesu. Sie sank abermals in Krämpfen zusammen und dunkle Gestalten wichen von ihr. Es war wieder ein großer Lärm und ein Gedränge um sie, indem ihre Umgebung sie wieder zu sich bringen wollte. Sie setzte sich aber bald wieder auf ihren schönen Sitz und stellte sich, als habe sie eine gewöhnliche Ohnmacht erlitten. Das Aufsehen ward aber immer größer, als auch andere Besessene hinter ihr auf dieselbe Weise zusammensanken und befreit wurden. Als Magdalena nun zum dritten mal in heftigen Krämpfen niederfiel, wurde der Lärm noch größer. Martha eilte zu ihr. Und da sie wieder zu sich kam, war sie wie von Sinnen, weinte heftig und wollte zu dem Sitz der heiligen Frauen hin. Ihre Gefährtinnen hielten sie mit Gewalt zurück und sagten, sie solle doch keine Närrin sein. Nun brachte man sie hinab in den Ort. Lazarus, Martha und andere gingen zu ihr und nahmen sie in die Herberge der heiligen Frauen, welche alle auch hinabgingen. Das weltliche Gesindel aber, das mit Magdalena gekommen war, hatte sich bereits aus dem Staub gemacht.

Jesus heilte noch mehrere Blinde und andere Kranke und ging dann hinab in seine Herberge. Danach lehrte Er noch in der Schule, Magdalena war abermals zugegen. Sie war noch nicht ganz geheilt, aber sehr erschüttert und nicht mehr so üppig gekleidet. Sie hatte den überflüssigen Zierrat abgelegt, welcher aus ganz feinem, spitzenartig ausgehacktem Stoff bestand und den man wegen seiner Vergänglichkeit nur einige Male tragen konnte. Sie war nun verschleiert. Jesus lehrte nochmals, ihr sehr zu Gehör. Und als Er sie durchdringend anblickte, ward sie abermals ohnmächtig, und es verließ sie wieder ein böser Geist. Ihre Mägde brachten sie hinweg. Martha und Maria empfingen sie vor der Synagoge und brachten sie zur Herberge. Sie war nun wie unsinnig, schrie und weinte, rannte durch die Straßen, schrie den Leuten zu, sie sei eine Lasterhafte, eine Sünderin, ein Auswurf der Menschheit. Die Frauen hatten die größte Mühe, sie zu beruhigen. Sie zerriss ihre Kleider, zerstreute ihre Haare, hüllte sich ganz ein. Als Jesus nachher in seiner Herberge mit den Jüngern und einigen Pharisäern war, wo sie stehend etwas aßen, wusste Magdalena sich von den Frauen zu entfernen, kam mit zerstreuten Haaren und großem Wehklagen dahin, drang durch alle durch, warf sich zu Jesu Füßen, jammerte und flehte, ob noch Rettung für sie sei. Die Pharisäer und Jünger, an ihr geärgert, sagten zu Jesus: Er solle doch nicht länger dulden, dass diese verworfene Frau überall Unruhe bringe. Er solle sie doch für immer abweisen. Jesus aber sprach: «Lasst sie weinen und jammern! Ihr wisset nicht, was mit ihr vorgeht», wandte sich zu ihr mit dem Trost: sie solle von Herzen bereuen, glauben und hoffen, sie werde bald Ruhe gewinnen. Jetzt möge sie vertrauend zurückkehren. Martha, die mit ihren Mägden gefolgt war, brachte sie nun wieder nach Hause. Sie tat aber nichts, als die Hände ringen und jammern, denn sie war noch nicht ganz befreit und der Teufel zerriss und peinigte sie mit den fürchterlichsten Gewissensbissen und Verzweiflung. Es war keine Ruhe in ihr und sie glaubte sich verloren.

Lazarus ging auf die Bitte Magdalenas sogleich nach MagdaIum, um ihren Besitz an sich zu nehmen und ihre dortigen Verhältnisse aufzulösen. Sie hatte bei Azanoth und überhaupt in der Gegend Feld und Weingüter, welche Lazarus vorher schon ihrer Verschwendung halber in Beschlag gelegt hatte.

Noch in der Nacht wandelte Jesus des großen Gedränges wegen mit den Jüngern in die Nähe von Damna, wo auch ein schöner Lehrhügel und eine Herberge war. Als am Morgen auch die Frauen mit Magdalena dorthin zogen, fanden sie Jesus schon von vielen Menschen umgeben, welche Hilfe suchten. Als nämlich sein Wegziehen bekannt wurde, strömten Ihm gleich viele nach, und alle, welche Ihn in Azanoth hatten aufsuchen wollen, zogen Ihm ebenfalls nach. So kamen während der ganzen Lehre immer neue Scharen herzu.

Magdalena saß nun bei den heiligen Frauen, ganz elend und zermalmt. Jesus lehrte sehr scharf gegen die Sünden der Unreinigkeit und sagte, dass sie das Feuer auf Sodoma und Gomorrha herabgerufen. Er sprach aber auch von der Barmherzigkeit Gottes und der jetzigen Gnadenzeit und flehte beinahe zu den Menschen, diese Gnade anzunehmen. Dreimal blickte Er in dieser Lehre Magdalena an und dreimal sah ich sie niedersinken und dunkeln Dampf von ihr welchen. Das dritte Mal aber brachten die Frauen sie hinweg. Sie war wie vernichtet, bleich, abgezehrt und kaum mehr zu kennen. Ihre Tränen flossen unaufhörlich. Sie war ganz verwandelt, jammerte sehnlich, ihre Sünden Jesu zu bekennen und Vergebung zu erhalten. Nach der Lehre ging Jesus zu ihr an einen abgesonderten Ort, Maria selbst und Martha führten sie entgegen. Sie lag mit zerstreutem Haar weinend vor Ihm auf dem Angesicht. Jesus tröstete sie und als die andern sich zurückgezogen, schrie sie um Vergebung, bekannte ihre vielen Verbrechen und fragte immer: «Herr! ist noch Rettung für mich?» Jesus vergab ihr die Sünden, und sie flehte, Er möge verleihen, dass sie nicht mehr zurückfalle. Jesus versprach es ihr, segnete sie und sprach mit ihr von der Tugend der Reinheit und von seiner Mutter, welche rein von allem Makel sei. Er pries sie hoch und auserwählt, was ich sonst nie aus seinem Munde gehört habe, und befahl Magdalena sich ganz an Maria anzuschließen und allen Rat und Trost von ihr zu nehmen. Als sie wieder mit Jesus zu den Frauen kam, sagte Er: «Sie war eine große Sünderin; aber sie wird auch das Muster aller Büßenden zu ewigen Zeiten sein.»

Magdalena war durch die heftigen Erschütterungen und durch ihre Reue und Tränen nicht mehr wie ein Mensch, sie war wie ein schwankender Schatten, aber sie war nun ruhig und weinend und müde. Es trösteten und liebten sie alle. Sie flehte alle um Vergebung an. Da nun die andern Frauen nach Naim aufbrachen und sie zu schwach war, um zu folgen, gingen Martha, Anna Kleopä und Maria die Suphanitin mit ihr nach Damna, um nach einiger Ruhe am andern Morgen zu folgen. Die andern heiligen Frauen gingen über Kana nach Naim.

Jesus aber zog mit den Jüngern quer durch das Tal des Badesees vier bis fünf Stunden weit nach Gatepher, einer großen Stadt, welche zwischen Kana und Sephoris an einem Hügel liegt. Sie blieben in einer Herberge vor der Stadt, welche bei einer Höhle lag, die sie Johanneshöhle nannten, über Nacht.

2. Jesus in Gatepher. Kisloth und Nazareth

Jesus nahte am Morgen Gatepher. Die Vorsteher der Schulen und Pharisäer kamen Ihm entgegen und empfingen Ihn. Sie machten allerlei Vorstellungen und baten Ihn, die Ruhe der Stadt nicht zu stören, besonders das Zusammenlaufen und Rufen der Frauen und Kinder nicht zu dulden. Er könne ruhig in ihrer Synagoge lehren, das Beunruhigen des Volkes aber sähen sie nicht gerne. Jesus antwortete ihnen sehr ernst und streng, dass er zu denen komme, welche nach Ihm schrieen und verlangten, und wies ihre Heuchelei ab. Es hatten aber die Pharisäer bei der Nachricht, dass Jesus hierher kommen werde, der Gemeinde befehlen lassen, die Frauen sollten sich enthalten, mit den Kindern auf der Straße zu erscheinen, dem Nazarener entgegenzuziehen und zu schreien. Das Ausschreien von «Sohn Gottes», von «Christus» sei durchaus ärgerlich und verkehrt, da man ja sehr wohl hier wisse, woher Er sei, wer seine Eltern und seine Geschwister seien. Die Kranken möchten sich vor der Synagoge versammeln und sich heilen lassen. Lärm und Spektakel aber wollten sie nicht dulden. Sie hatten auch die Kranken nach ihrem Gutdünken um die Synagoge gestellt, als hätten sie hier über alles, was Jesus tun sollte, zu disponieren. Da sie nun mit Jesus zur Stadt kamen, sahen sie zu ihrem großen Ärger, dass die Mütter mit ihren Kindern um sich her und mit Säuglingen auf den Armen die Straße erfüllten und dass die Kinder Jesus die Hände entgegenstreckten und schrieen: «Jesus von Nazareth ! Sohn Davids! Sohn Gottes! heiligster Prophet!» Die Pharisäer wollten die Frauen und Kinder zurücktreiben, allein vergebens. Sie drangen aus allen Straßen und Häusern heran. Die Pharisäer verließen verärgert das Gefolge Jesu. Auch die Jünger, die um Jesus gingen, waren etwas scheu und furchtsam, wünschten, es möchte stiller und ungefährlicher hergehen, wollten die Kinder zurückweisen und machten Jesus Vorstellungen. Jesus aber verwies den Jüngern ihren Kleinmut, hielt sie zurück, ließ die Kinder dicht heran und war sehr liebreich und freundlich zu ihnen. So kam Er bis auf den Platz vor der Synagoge unter stetem Rufen der Kinder: «Jesus von Nazareth! heiligster Prophet!» Selbst Säuglinge, die nie gesprochen, riefen Ihn aus zum Zeugnis und zur rührenden Überzeugung des Volkes. Vor der Synagoge stellten sich die Kinder, Knaben und Mädchen gesondert und die Mütter mit den Säuglingen hinter sie. Jesus segnete die Kinder, lehrte die Mütter und ihr Hausgesinde, welches herannahte und von dem Er sagte, dass es auch ihre Kinder seien. Er sprach auch zu den Jüngern über den Wert der Kinder vor Gott. Den Pharisäern war dieses sehr zum Verdruss. Die Kranken mussten warten. Er ging nachher zu ihnen, heilte mehrere und lehrte dann in der Synagoge von Joseph und von der Würde der Kinder, weil die Pharisäer nochmals von der Störung zu sprechen anfingen.

Als Jesus aus der Synagoge ging, kamen drei Frauen zu Ihm, die mit Ihm allein sprechen wollten. Da Er sich absonderte, fielen sie vor Ihm nieder und klagten über ihre Männer, bittend, Er möge ihnen helfen. Ihre Männer seien von bösen Geistern geplagt, und auch sie würden von denselben angefochten. Sie hätten gehört, dass Er Magdalena geholfen, Er möge sich doch auch ihrer erbarmen! Jesus versprach, in ihre Häuser zu kommen. Er ging aber mit den Jüngern vorher in das Haus eines gewissen Simeon, eines einfachen Mannes, von den verheirateten Essenern. Er war von mittlerem Alter und der Sohn eines Pharisäers von Dabrath am Tabor. Jesus nahm mit den Jüngern hier einen Imbiss stehend. Dieser Simeon wollte das Seine zur Gemeinde geben und sprach davon mit Jesus.

Darnach ging Er in die Häuser der Frauen und sprach mit ihnen und ihren Männern. Es war aber nicht, wie sie sagten. Sie hatten die Schuld auf ihre Männer schieben wollen, in der sie selber waren. Jesus ermahnte Männer und Frauen zur Einigkeit und Gebet, zu Fasten und Almosen. Nach dem Sabbat zogen diese kranken Frauen Ihm nach zu einer Bergpredigt, etwas nördlich vom Tabor. Jesus blieb nicht hier, sondern ging noch südlich gegen Kisloth, wo die heiligen Frauen auf dem Wege nach Naim und auch Magdalena schon durchgekommen waren. Jesus belehrte auf dem Weg nochmals die Apostel über das, was bevorstehe, und wie sie sich betragen sollten, wenn sie nach Judäa hinabkommen würden, wo sie nicht so gut würden aufgenommen werden. Er gab ihnen von neuem Anweisungen für ihr Betragen und zum Händeauflegen und Teufelsaustreiben und gab ihnen nochmals seinen Segen als eine neue Stärkung und Füllung der Gnade.

Es waren auch drei Jünglinge aus Ägypten angekommen, welche Jesus zu Jüngern annahm, indem Er ihnen alle Beschwerden vorstellte. Einer hieß Cyrinus. Sie waren Gespielen Jesu in Ägypten gewesen und jetzt etwa dreißig Jahre alt. Ihre Eltern hatten die Wohnung und den Brunnen der Heiligen Familie als einen Ort der Erinnerung heilig gehalten. Sie hatten Bethlehem, Bethanien und auch Maria in Dothaim besucht und Grüße ihrer Eltern gebracht.

Nach Kisloth kamen Pharisäer von Nazareth zu Jesus, um Ihn in seine Vaterstadt einzuladen. Jene Pharisäer, welche Ihn das vorige Mal von dem Felsen hatten herabstürzen wollen, waren nicht mehr dort. Sie sagten Jesus, Er werde doch in seine Vaterstadt kommen und auch dort Zeichen und Wunder tun. Es seien alle begierig, seine Lehren zu hören und dann könne Er auch seine kranken Landsleute heilen. Sie bäten sich aber aus, dass Er am Sabbat nicht heile. Jesus sagte ihnen, Er werde kommen und den Sabbat halten. Sie würden sich aber an Ihm ärgern und was das Heilen betreffe, wolle Er ihrem Willen folgen, ihnen selbst zum Schaden. Da gingen sie wieder nach Nazareth und Jesus folgte, seine Jünger lehrend, dahin. Es war Mittag, als Er ankam. Es kamen Ihm viele Neugierige und auch manche gute Menschen entgegen, wuschen den Ankommenden die Füße und gaben den Imbiss. Jesus hatte zwei Jünger von Nazareth, Parmenas und Jonadab. Er kehrte mit seiner Begleitung bei der Mutter Jonadabs, einer Witwe, ein. Es waren diese Jünger Jugendfreunde von Ihm gewesen und bei seinem ersten Ausgang gegen Hebron nach Josephs Tod mit Ihm gegangen. Er brachte sie viel zu Sendungen und Botengängen.

Jesus ging zu einigen Kranken, welche Ihn um Hilfe bitten ließen und von denen Er wusste, dass sie es bedurften und dass sie glaubten. An manchen, die nur des Probierens halber oder mit dem Vorwand, geheilt zu werden, Ihm zu Gesichte traten, ging Er vorüber. Da aber ein Essenerjüngling, der von Geburt an an der einen Seite ganz lahm war, Ihm entgegengebracht wurde und Ihn um Hilfe anflehte, heilte Er ihn auf der Straße, wie auch ein paar Blinde. Dann ging Er in einzelne Häuser und heilte mehrere Kranke, auch alte Leute, Männer und Frauen. Darunter waren Wassersüchtige im höchsten Grade und eine Frau, die schrecklich aufgeschwollen war. Im ganzen heilte er fünfzehn Menschen. Danach ging Jesus zur Synagoge, wo sich auch Kranke versammelt hatten. Aber Er ging an ihnen vorüber. Er hielt den Sabbat ohne Störung. Die Sabbatslesung war, wie Gott mit Moses in Ägypten redet und aus Ezechiel 28 u. 29.

Am Morgen lehrte Jesus wieder in der Synagoge, heilte aber niemanden mehr. Mittags sah ich Ihn mit den Jüngern und einigen guten Leuten von Nazareth den Weg gegen Sephoris in einen nahen kleinen Ort wandeln, wie dies am Sabbat gewöhnlich ist. Der Weg von Nazareth gegen Sephoris geht ziemlich eben gegen Norden zu. Nahe bei Sephoris steigt man etwa eine Viertelstunde. Auf diesem Weg sah ich Jesus einzelne Haufen von Menschen lehren. Einige Haushaltungen, in denen Streit und Uneinigkeit war, warfen sich vor Ihm nieder und Er machte Frieden zwischen Mann und Frau und Nachbarn. Er heilte aber nicht. Auf diesem Weg nahten Ihm abermals die zwei Jünglinge, die schon oft von Ihm hatten wollen aufgenommen werden. Er sagte ihnen aber nochmals, ob sie Haus und Eltern verlassen, ihr Gut den Armen teilen, blind gehorsam, und Verfolgung leiden wollten. Sie zuckten die Achseln und entfernten sich.

In Nazareth besuchte Jesus das Haus seiner Eltern. Es war wohlgeordnet, aber unbewohnt. Er besuchte auch Mariä älteste Schwester, die Mutter Mariä Kleophä, die es verwaltete, aber nicht darin wohnte. Jesus ging dann mit den Jüngern zur Synagoge, lehrte sehr streng und scharf, nannte Gott seinen himmlischen Vater und sprach Strafgerichte über Jerusalem und alle, die Ihm nicht folgen würden, aus, redete auch seine Jünger öffentlich an und sprach von einer Verfolgung, die ihnen bevorstehe und ermahnte sie zur Ausdauer und Treue. Da aber die Pharisäer hörten, dass Er nicht bleiben und niemanden mehr hier heilen wollte, fingen sie an, ihrem Ärger Lauf zu lassen und fragten hin und her: «Wer ist Er denn? Wer will Er denn sein? Wo hat Er seine Lehre her? Ist Er doch von hier, sein Vater war der Zimmermann, seine Verwandten, Brüder und Schwestern sind von hier!» Sie meinten Maria Heli, Annas erste Tochter und deren Kinder, Jakob, Heliachim, Sadoch, die Johannesjünger, Maria Kleophä und deren Söhne und Töchter. Jesus antwortete ihnen nicht und lehrte die Jünger ruhig weiter. Ein fremder Pharisäer aber, aus der Gegend von Sephoris, war besonders frech und sagte: «Wer bist Du denn? Hast Du vergessen, dass Du noch vor einigen Jahren kurz vor Deines Vaters Tod mit demselben in meinem Hause Holzwände gemacht hast?» Da Jesus nicht antwortete, schrieen sie: «Antworte! Ist das Sitte, würdigen Männern nicht zu antworten?» Jesus sagte darauf zu dem frechen Mann, so viel als: «Ich habe damals dein Holz bearbeitet und dich angeblickt und bedauert, dass Ich dich selbst nicht von der harten Rinde deines Herzens würde befreien können, wie es sich nun wahr erweist, Du wirst keinen Teil an meinem Reich haben, wenn Ich dir gleich deine Kammer auf Erden bauen half.» Jesus sagte auch: nirgends ist ein Prophet ungeehrt, als in seiner Vaterstadt, in seinem Haus, bei seinen Verwandten.

Das aber, worüber sie sich besonders ärgerten, waren die Worte an seine Jünger, wie: «Ich sende euch wie Lämmer unter die Wölfe - Sodom und Gomorrha soll es beim Gericht besser ergehen, als denen, die euch nicht aufnehmen - Ich bin nicht gekommen, den Frieden, sondern das Schwert zu bringen.»

Nach dem Sabbat waren noch viele da, welche geheilt werden wollten: Er heilte aber nicht, zum großen Ärger der Pharisäer. Einzelne Leute setzten hie und da die Unverschämtheit des Pharisäers in der Synagoge fort und riefen Jesus zu: «Weißt Du noch dieses oder jenes?» Wo sie Ihn ehemals gesehen hatten. Die Pharisäer sagten auch, Er habe ja dieses Mal ein kleineres Gefolge, als das erste Mal und ob Er nicht wieder bei den Essenern einkehren wolle? Die Essener gingen im Ganzen nicht viel zu Jesu öffentlichen Lehren: Er sprach auch nicht viel von ihnen. Die Erleuchteten aus den Essenern gingen später zur Gemeinde. Sie hatten keinen Widerspruch und erkannten Jesus als den Sohn Gottes.

Jesus ging aber auch noch zu den Essenern, bei welchen Er das letzte Mal gewesen war und hielt dort eine kleine Mahlzeit mit den Jüngern und lehrte bis in die Nacht. Gegen zehn Uhr kamen Petrus, Matthäus und Jakobus der Größere von den Aposteln in Obergaliläa zurück, welche sie in der Gegend um Seleuzia östlich vom See Merom gelassen hatten. Andreas, Thomas, Saturnin, der neulich auch gekommen war, und noch ein Apostel kehrten statt ihrer dahin zurück.

In der Nacht verließ Jesus mit den Seinigen Nazareth und ging etwa zwei Stunden gegen den Tabor zum Örtchen, wo Er neulich, von der Erweckung des Jünglings zu Naim nach Kapharnaum zurückgehend, den aussätzigen Gutsherrn geheilt hat. Es war für den folgenden Tag auf einer Höhe, an der Südwestseite des Tabor, etwa eine halbe Stunde von der Schwelle des eigentlichen Tabor selbst, eine Berglehre angekündigt. Jesus kehrte wieder bei dem Schullehrer des Ortes ein, der schon manche Kranke, auf seine Ankunft rechnend, aufgenommen hatte. Er heilte hier einen Stummen. Jener Knabe, welcher damals so geschickt Jesus die Botschaft von seinem aussätzigen Herrn gebracht hatte, war bei dem Schullehrer. Jesus sprach mit ihm, Er heißt Samuel und wird einst ein Jünger.

3. Jesus auf dem Lehrberge am Tabor in Sunem

Auch der geheilte aussätzige Besitzer des Ortes kam hier zu Jesus und dankte. Er bat für mehrere Aussätzige, welchen er am Weg, wo Jesus vorüberkam, eine Zelthütte hatte erbauen lassen und machte auch Eröffnungen über Teile seines Vermögens, welche er zu den Lehrreisen Jesu geben wollte.

Es war noch in der Morgendämmerung, als Jesus aus dem Haus auf den Weg ging, wo Ihn etwa fünf Männer und Frauen erwarteten und abseits des Weges zu Ihm hinflehten. Jesus trat zu ihnen, sie warfen sich zu seinen Füßen und eine Frauensperson sagte: «Herr! wir sind von Tiberias, wir wagten es bis jetzt nicht, Dich um Hilfe anzuflehen. Die Pharisäer hatten uns gesagt, Du seist hart und streng gegen die Sünder. Wir haben aber gehört, wie Du Dich selbst der Magdalena erbarmt, sie befreit und ihr die Sünden vergeben hast. Da haben wir Mut gefasst und sind Dir hierher gefolgt. Herr, erbarme Dich über uns! Du kannst auch uns heilen und reinigen. Du kannst auch uns die Sünden vergeben.» Die Männer und Frauen standen getrennt. Sie waren mit Aussatz und Krankheit behaftet und eine Frau war von einem bösen Geist gequält und hatte Krämpfe.

Jesus trat mit einzelnen beiseite, ihre näheren Geständnisse anzuhören, je nachdem dieses zur Erhöhung ihrer Reue und zur Mehrung ihrer Zerknirschung nötig war. Bei andern tat Er dieses nicht, weil Er sah, dass es dessen bei ihnen nicht bedurfte. Er heilte sie und vergab ihnen ihre Sünden. Sie zerflossen in Tränen des Dankes und baten Ihn um seine Befehle. Er befahl ihnen aber, nicht nach Tiberias zurückzukehren, sondern an einen andern Ort zu ziehen. Ich hörte dabei, dass Er nie nach Tiberias kommen werde, wo ich Ihn auch niemals gesehen. Sie zogen nachher auf dem Berg zu seiner Lehre.

Jesus ging nun zu dem Zelt der Aussätzigen, deren auch vier bis fünf hier waren. Er heilte und ermahnte und befahl ihnen, nach Nazareth zu gehen und sich vor den Priestern zu steIlen.

Bei solchen Heilungen verweilte Jesus nicht lange. Doch hatten sie nie etwas Eiliges und es ging dabei alles würdig und mit Maß zu, aber bestimmt, ohne Überfluss der Worte. Alles war schlagend und treffend, in Trost und Ermahnung, in Milde und Strenge. In Geduld und Liebe ganz überfließend und doch ohne Eile, stets zum Ziel schreitend. Manchen ging Jesus entgegen, ja aus dem Weg beugend, ihnen zueilend wie ein liebender Menschenfreund, der retten will. Andern wich Er aus, ließ sie nachfolgen und länger flehen.

Es war ein schöner Bergplatz, worauf Jesus lehrte, mit einem steinernen Lehrstuhl, auf dem sonst auch Propheten gelehrt hatten. Man sah hier über das Tal Esdrelon in die Gegend von Megiddo. Es waren sehr viele Leute hier aus den Städten umher, und viele Kranke, mehrere davon auch aus Nazareth, welche Jesus dort nicht geheilt hatte und hier nun heilte. Es waren auch Besessene hier, die Er befreite und welche Ihn verkündeten. Er lehrte hier wieder aus den vier ersten der acht Seligkeiten und einige Parabeln, von der Buße und Ankunft des Reiches und bat alle sehr rührend um Annahme der Gnade, da es noch Zeit sei. Die Apostel hörten zu, weil sie diese Lehre in ihrer Art auf ihrem nächsten Ausgang wieder verbreiten sollten.

Um die Mittagszeit sah ich Jesus die Apostel und Jünger allein um sich unten am Berg versammeln. Er sandte sie aus bis auf Petrus und Johannes und einige Jünger, welche bei Ihm bleiben sollten. Sie sollten aber zwei und zwei gehen auf drei Wegen: ein Teil im Jordanstal, ein Teil im Tale gegen Dothan zu und ein Teil an der westlichen Seite des Landes gegen Jerusalem zu. Hier habe ich gehört, dass Er sagte, sie sollten ohne Geld, ohne Tasche, nur mit einem Kleid geschürzt und einen Stab in der Hand gehen, nicht zu Heiden und Samariten, sondern zu den verlorenen Schafen Israels und wie sie sich in den Häusern verhalten sollten, wie sie den Staub von den Füßen schütteln und Buße predigen sollten (Mt 10, 9 usw.; Mk 6, 10.11; Lk 9, 1-5). Es geschah dieses aber, weil sie in einen feindlicheren Teil des Landes kamen und weil Ihm nach dem nahen Ende des Johannes Verfolgung drohte. Sie hatten hier in der Gegend viele eingerichtete Herbergen. Darum brauchten sie kein Geld. Die Apostel aber, welche oben in Galiläa und jenseits ausgesandt worden, hatten einiges Geld, doch sehr mäßig empfangen. Nun trat eine neue Zeit und Gegend für sie ein.

Vor dem Ausgang segnete sie Jesus und gab ihnen nochmals einige Anweisungen über Heilung und Austreibung von Teufeln und segnete ihnen das Öl zum Gebrauch bei Heilung der Kranken. Er sagte einigen auch, wo sie Ihn wieder antreffen sollten.

Jesus heilte noch mehrere Leute, entließ das Volk und ging dann mit Petrus, Johannes und den Jüngern südlich etwa drei Stunden weiter nach Sunem. Es begleiteten Ihn mehrere Leute von dort, unter andern ein Mann, welcher Ihn, als Er das letzte MaI von Samaria nach Galiläa zog, in der Herberge nicht weit von Endor gebeten hatte, zu seinen kranken Kindern zu kommen. Dieser bat Jesus heute wieder und Er ging nun mit Ihm.

Die zwei dämonischen Frauen von Gatepher waren Jesus hierher zur Berglehre gefolgt und wurden von Ihm durch Handauflegung befreit. Als Er an den Bach Kison kam, heilte Er, noch ehe Er den Bach überschritt, einen armen Aussätzigen, der ganz verachtet und verlassen war. Er war schon zwanzig Jahre in diesem Elend und man hatte ihm eine Zelthütte hier am Weg gemacht. Jesus eilte zu ihm, heilte ihn und sandte ihn den Andern nach nach Nazareth, sich den Priestern zu zeigen.

Jesus kam in der Dämmerung in Sunem an und kehrte mit Petrus und Johannes bei dem Mann ein, der Ihn zu seinen kranken Kindern gerufen hatte. Alle Kinder dieses Mannes waren elend. Ein Sohn von etwa sechzehn Jahren, sehr groß, war taub und stumm, lag platt an der Erde und hatte die schrecklichsten Verdrehungen und Zuckungen, so dass er sich bäumte und den Kopf bis an die Fersen zog, konnte nicht gehen und war ganz lahm. Ein anderer Sohn war schwachsinnig und furchtsam. Zwei Töchter waren auch ganz simpel und scheu. Jesus heilte den konvulsiven Stummen noch diesen Abend. Petrus und Johannes waren in die Stadt gegangen. Jesus war mit den Eltern allein in der Kammer, kniete bei dem Lager des Sohnes nieder, betete und beugte sich über des Knaben Angesicht, indem Er sich auf die Hand stützte, als sage oder hauche Er ihm etwas in den Mund. Dann fasste Er ihn bei der Hand und stand auf. Der Knabe richtete sich gerade und lang auf seinen Füßen auf und Jesus führte ihn einige Schritte hin und wieder. Dann führte Er ihn allein in eine andere Kammer, machte eine Salbe aus Speichel und Erde und strich sie ihm mit den Fingern in die Ohren und fuhr ihm mit den zwei ersten Fingern der rechten Hand unter der Zunge weg. Da hob der Knabe an mit einer ungewohnten, quickenden Stimme zu rufen: «Ich höre! Ich kann sprechen!» Die Eltern und Dienstboten stürzten herein, umarmten ihn, weinten und schrien vor Freude. Sie warfen sich an die Erde vor Jesus und wälzten sich, vor Freude schluchzend, mit ihrem Kind vor seinen Füßen. Jesus sprach aber noch am Abend mit dem Vater allein, weil eine Schuld von seinem Vater auf dem Mann ruhte. Der Mann fragte Jesus, ob sie denn werde gestraft werden bis ins vierte Glied? Jesus sagte ihm, wenn er Buße tue und sie sühne, so könne er sie tilgen.

Am Morgen heilte Jesus den andern Sohn und die zwei Töchter vom Schwachsinn durch Handauflegung. Als sie geheilt waren, waren sie ganz verwundert und wie vom Traum erwacht. Sie hatten vorher immer geglaubt, man wolle sie umbringen und hatten sich sehr vor dem Feuer gefürchtet. Als Jesus gestern den Knaben geheilt hatte, sagte Er, was ungewöhnlich ist, er solle hingehen und es allen Menschen erzählen, was ihm geschehen sei. Die Folge davon war ein großer Zusammenlauf von Menschen und Kranken und heute morgen sah ich Jesus noch das Volk auf der Straße lehren und viele Kinder heilen und segnen.

Dann sah ich Ihn mit Petrus und Johannes den ganzen Tag und die Nacht durch das Feld Esdrelon in der Richtung von Ginnim sehr schnell wandeln. Sie ruhten selten. Ich hörte Jesus unterwegs sagen, das Ende von Johannes sei nahe und man werde Ihm dann auch nachtrachten. Es sei aber nicht recht, sich preiszugeben. Ich glaube verstanden zu haben, dass sie gegen Hebron wollen, um die Verwandten des Johannes zu trösten, damit kein Aufstand entstehe.

Die heiligen Frauen sind jetzt in Dothan bei Samaria, nämlich Maria, Veronika, Susanna, Magdalena und Maria die Suphanitin. Sie wohnen bei dem kranken Ehemann Issachar, den Jesus neulich geheilt hat. Diese Frauen gehen nie zun Herbergen. Es sind aber Martha, Dina, Johanna Chusa, Susanna Alphäi, Anna, Kleophä, Maria Johanna Markus und die Maroni paarweise ausgegangen, um in den Herbergen nachzusehen, was fehlt. Es sind dieser Frauen etwa zwölf.

Am frühen Morgen sah ich Jesus und die beiden Apostel südlich von Samaria und sah die neuen ägyptischen Jünger und den Sohn der Johanna Chusa von Osten her zu ihnen kommen. Diese ägyptischen Jünger sind wohl schon über ein Jahr in Hebron gewesen, wo sie studierten und waren schon lange in Bethlehem und Bethanien mit Lazarus und andern Jüngern Jesu vertraut, so dass sie ganz unterrichtet sind.

Jesus kam darnach mit seiner Begleitung bei den Hirtenhäusern an, wo die heiligen Frauen mit Ihm nach der Unterredung mit der Samariterin am Brunnen Jakobs zusammengekommen waren und wo Er den kranken Sohn des Wirtes geheilt hatte. Sie nahmen hier eine Erquickung und ruhten etwas.

Später hatte ich ein Bild, wie Jesus die Feldarbeiter der Umgegend bei einem Brunnen unterrichtete und ihnen die Parabeln erzählte von dem Schatz im Acker und von der verlorenen und wiedergefundenen Drachme. Bei dieser Parabel lachten einige der Zuhörer, dass die Frau wegen der verlorenen Drachme das ganze Haus ausfegte, da sie selber oft mehr verloren und solche Mühe nicht anwandten. Als ihnen aber Jesus ihre Torheit verwies und ihnen erklärte, was diese Drachme sei und welche Tugend dieses Ausfegen, da schämten sie sich und lachten nicht mehr.

Diese Leute waren beschäftigt, Getreide, welches in Haufen auf dem Felde liegen geblieben, auszudreschen. Es geschah dieses vermittelst Hämmern von Holz, die durch eine Walze sich hoben und niederfielen. Das Getreide wurde von mehreren Männern daruntergeschoben und weggefegt. Diese Vorrichtung war in einem reinlich ausgehauenen Felsenbecken von festem, buntgeadertem Stein angebracht. Ein großer Baum bedeckte das Ganze.

Jesus lehrte noch hie und da auf dem Feld und ging dann mit einigen Feldarbeitern zum nahen Thänath-Silo, wo sie her waren. Die Einwohner empfingen Ihn sehr freundlich vor der Stadt, reichten Ihm den Imbiss, wuschen Ihm die Füße und wollten Ihm andere Kleider geben, die Er aber nicht annahm. Er lehrte hier in der Synagoge die Parabel von dem König, der eine große Mahlzeit gibt.

4. Die Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers

Schon seit ein paar Wochen sind viele Gäste zu Herodes nach Machärus gekommen, besonders von Tiberias her. Es war eine Reihe von Festen und Schmausereien. Nahe am Schloss war ein rundes offenes Gebäude mit vielen Sitzen, wo Tiere und Fechter miteinander kämpften, denen die Gäste zusahen. Auch Tänzer und Tänzerinnen führten hier allerlei üppige Tänze auf, zu denen Salome, die Tochter der Herodias, vor Metallspiegeln in Gegenwart ihrer Mutter sich einübte.

Serobabel und Kornelius von Kapharnaum kamen nicht hin, sie hatten sich entschuldigt.

Johannes hatte in der letzten Zeit ganz frei innerhalb des Schlosses umhergehen können. Auch seine Jünger durften aus und eingehen. Er hatte auch einigemal im Schloss öffentlich gelehrt und Herodes ihm zugehört. Man hatte ihm die Freiheit versprochen, wenn er die Ehe des Herodes billigen, oder doch wenigstens nie davon reden wollte. Er aber hatte immer gewaltig gegen dieselbe gesprochen. Dennoch gedachte Herodes ihm an seinem Geburtstag die Freiheit zu geben. Seine Frau aber dachte heimlich anders. Herodes wünschte, Johannes möge während des Festes sich öffentlich sehen lassen, um vor den Gästen mit seiner leichten Hast sich weiß zu brennen. Kaum aber begannen die Gelage und Spiele und herrschten alle Laster in Machärus, als Johannes nicht mehr seinen Kerker verließ und auch seinen Jüngern befahl, sich zurückzuziehen. Die meisten begaben sich in die Gegend von Hebron, woher viele waren.

Die Tochter der Herodias war ganz von ihrer Mutter unterrichtet und deren Gehilfin von Jugend auf. Sie war blühend und bewegte sich sehr frei und war frech gekleidet. Herodes sah sie längst mit lüsternen Augen. Darauf baute die Mutter ihren Plan. Diese Herodias hatte ein sehr auffallendes, sehr freches Aussehen und wandte alle Künste und Mittel an, sich noch hervorstechender zu machen. Sie war nicht mehr jung und hatte etwas Spitziges und Teuflisches in ihrem Gesichte, das freche Männer gerne ansahen, mir aber einen Unwillen und Ekel erregte, wie die Schönheit einer Schlange. Ich kann sie mit nichts vergleichen, als wenn ich sage: sie sah ganz wie die alten Göttinnen aus. Sie wohnte in einem Flügel des Schlosses zum großen Hof zu, etwas höher als der gegenüberliegende Saal, in welchem das Geburtsfest gefeiert wurde und in dessen offene Säulenhallen man aus Galerien der Wohnung der Herodias hinabsah. Vor dem Saal des Herodes war im Hof ein prächtiger Triumphbogen errichtet, zu dem man auf Stufen hinaufstieg und der in den Saal hineinführte. Man sah so tief hinein, als nähme es kein Ende. Alles glänzte von Spiegeln, Blumen, Gold und grünen Büschen. Man wurde ganz blind, denn alles bis tief zurück, alle Säulen und Gänge waren voll Fackeln und Lampen und durchsichtigen, schimmernden Sprüchen, Bildern und Gefäßen.

Herodias und ihre Frauengesellschaft standen in den höheren Galerien ihrer Wohnung in prächtigem Putz und schauten herab, als Herodes, von vielen prächtig gekleideten Gästen umgeben und von singenden Chören begrüßt durch den Hof über Teppiche zum Triumphbogen zog, auf welchem mit Kränzen geschmückte Knaben und Mädchen auf allerlei Instrumenten musizierend und mit Blumengewinden winkend standen. Als er über die Stufen zum Triumphbogen hinantrat, kam ihm Salome, zwischen Knaben und Mädchen tanzend, entgegen und überreichte ihm eine Krone, die zwischen glänzenden Verzierungen lag und von Kindern ihres Gefolges unter einer durchsichtigen Decke getragen wurde. Diese Kinder waren in dünne, eng anliegende Gewänder gekleidet und hatten eine Art Flügel. Salome trug ein durchschimmerndes langes Kleid, das auf den Beinen hie und da mit glänzenden Haften aufgeheftet war. Ihre Arme waren mit goldenen Ringen, Perlenschnüren und kleinen Federkränzen umgeben. Hals und Brust waren mit Perlen und glänzenden Kettchen bedeckt. Sie tanzte eine Zeitlang vor Herodes, der ganz entzückt und verblendet ihr seine Bewunderung zu erkennen gab, wie auch alle seine Gäste und ihr sagte, sie solle morgen ihm wieder diese Freude machen.

Nun zogen sie in den Saal, wo das Schmausen anging. Die Frauen aßen in dem Flügel der Herodias. Den Johannes aber sah ich in seinem Kerker mit ausgebreiteten Armen knieend gegen Himmel schauen und beten. Alles war licht um ihn. Es war aber ein ganz anderes Licht, als das in dem Saal des Herodes, das wie eine Höllenglut dagegen aussah. Ganz Machärus war von Fackeln beleuchtet und schimmerte wie brennend weit in den Bergen umher.

Der Festsaal des Herodes war zum höher gegenüberliegenden Saal der Herodias zu offen, so dass durch diese offene Seite die schmausenden und spielenden Frauen in der abschüssigen Spiegelfläche des Festsaales sich abspiegelten. Es standen zwischen Blumenpyramiden und grünen Bäumchen wohlriechende, in feinen Strahlen springende Wässer im Saal. Als man gegessen und viel getrunken hatte, baten die Gäste den Herodes, die Salome wieder tanzen zu lassen. Man räumte den Platz dazu und setzte sich an den Wänden umher. Herodes setzte sich auf den Thron, um ihn her einige Vertraute, die Herodianer waren. Salome erschien mit einigen Tänzerinnen ganz durchsichtig gekleidet. Ihre Haare waren teils mit Perlen und Edelsteinen durchwebt, teils flogen sie in Locken um sie her. Sie trug eine Krone und tanzte in der Mitte, die andern um sie her. Dieser Tanz war ein stetes Beugen, Wiegen und Drehen des Leibes, als hätten sie gar keine Knochen. Kaum standen sie in dieser Stellung, so waren sie schon wieder in eine andere übergegangen. Dabei hatten sie Kränze und Tücher in den Händen, die sie um sich her schwenkten und schlugen. Der ganze Tanz ahmte die schändlichsten Leidenschaften nach und Salome übertraf alle. Ich sah den Teufel an ihrer Seite, als drehe und böge er ihr alle Glieder, diesen Gräuel hervorzubringen. Herodes war ganz hingerissen und verwirrt von ihren Stellungen. Als sie schließlich vor seinen Thron kam, tanzten die andern Tänzerinnen weiter und beschäftigten die Aufmerksamkeit der Gäste, so dass nur die Nächsten hörten, wie Herodes zu ihr sagte: «Begehre, was du von mir willst, ich will es dir geben! Ja ich schwöre dir! So du mein halbes Reich begehrst, will ich es dir geben!» Salome aber sagte: «Ich will meine Mutter fragen, was ich begehren soll» und verließ den Saal, ging zu dem Saale der Frauen und fragte ihre Mutter. Diese befahl ihr, das Haupt des Johannes auf einer Schüssel zu begehren. Salome eilte zu Herodes zurück und sagte: «Ich will, dass du mir sogleich das Haupt des Johannes auf einer Schüssel gibst!» Nur wenige der nächsten Vertrauten hörten es. Herodes war wie vom Schlage gerührt, sie mahnte ihn aber an seinen Schwur. Er ließ durch einen Herodianer seinen Scharfrichter rufen, befahl diesem, Johannes zu enthaupten und das Haupt auf einer Schüssel der Salome zu geben. Da ging der Scharfrichter weg und Salome folgte ihm nach kurzer Zeit. Herodes aber verließ den Saal mit seinen Vertrauten, als sei ihm nicht wohl. Er war sehr traurig und ich hörte, dass sie ihm sagten, diese Bitte zu bewilligen, hätte er nicht nötig gehabt. Sie versprachen einstweilen die größte Verschwiegenheit, um das Fest nicht zu stören. Herodes sehr betrübt ging wie unsinnig in den entferntesten Gemächern umher. Das Fest ging seinen Gang fort.

Johannes war im Gebet. Der Scharfrichter und sein Knecht ließen die beiden Soldaten, welche den Zugang seines Gefängnisses bewachten, mit hereintreten. Die Soldaten hatten Fackeln bei sich, aber ich sah es so licht bei Johannes, dass die Flammen der Fackeln mir wie ein Licht am Tage vorkamen. Salome harrte in den Vorhallen des weitläufigen Gefängnisses mit der Magd, welche dem Henker die mit einem roten Tuch verhüllte Schüssel gegeben hatte. Dieser sprach zu Johannes: «Herodes der König sendet mich, dein Haupt auf dieser Schüssel seiner Tochter Salome zu bringen.» Johannes ließ ihn nicht aussprechen, blieb knien, wandte das Haupt gegen ihn und sagte: «Ich weiß, warum du kommst. Ihr seid meine Gäste, die ich längst erwartet habe. Wüsstest du, was du tust, du würdest es nicht tun. Ich bin bereit.» Da wandte er sein Haupt von ihm und betete vor dem Stein fort, vor dem er immer knieend betete. Der Scharfrichter enthauptete ihn mit einer Maschine, welche ich mit nichts vergleichen kann, als mit einer Fuchsfalle, denn ein eiserner Ring wurde ihm um die Schulter gelegt und durch einen Stoss oder Druck des Henkers fuhren schneidende Eisen durch seinen Hals und trennten augenblicklich das Haupt vom Rumpf. Johannes blieb knien, das Haupt flog an die Erde und ein dreifach aufspringender Blutstrahl übersprengte das Haupt und den Leib des Heiligen, der so in seinem Blut getauft wurde. Der Knecht des Richters aber hob das Haupt bei den Haaren auf, verhöhnte es und legte es auf die Schüssel, welche der Scharfrichter hielt und der harrenden Salome brachte. Sie empfing es mit Freude und heimlichem Grauen und jenem weichlichen Ekel, welchen der Sünde ergebene Menschen vor Blut und Wunden haben. Sie trug das heilige Haupt in der rot bedeckten Schüssel, von der ihr vorleuchtenden Magd begleitet, durch die unterirdischen Gänge, indem sie die Schüssel scheu vor sich weghielt und den geschmückten Kopf schief abwandte. So ging sie durch einsame Wege auffsteigend in eine Art Küchengewölbe unter dem Schloss der Herodias, welche ihr entgegenkam, die Decke von dem heiligen Haupte riss, es beschimpfte und misshandelte. Dann nahm sie eine spitze Küchennadel von der Wand, wo mehrere solche Instrumente steckten, zerstach ihm Zunge, Wangen und Augen und schleuderte es, mehr einem Teufel als Menschen gleich, an die Erde und stieß es mit den Füßen durch eine runde Öffnung in einen Graben hinab, in welchen man den Abfall und Unrat der Küche zu fegen pflegte. Darauf kehrte das Scheusal nebst ihrer Tochter zu dem Lärm und den Lastern des Festes zurück, als sei nichts geschehen. Den heiligen Leib sah ich mit dem Fell bedeckt, das er gewöhnlich trug, von den beiden Soldaten auf sein Steinlager gelegt. Dieselben waren sehr gerührt, wurden aber abgelöst und selbst eingesperrt, damit sie nicht sprechen sollten. Allen, die davon wussten, wurde strenges Schweigen aufgelegt. Die Gäste dachten nicht an Johannes. So blieb sein Tod eine Zeit lang verschwiegen. Ja es verbreitete sich das Gerücht, Johannes habe seine Freiheit erhalten. Das Fest dauerten noch fort. Sobald Herodes aufhörte, zu traktieren, fing Herodias an, Feste zu geben. Fünf Leute, welche vom Tod des Johannes wussten, wurden eingekerkert: die beiden Wachen, der Scharfrichter und sein Knecht und die Magd der Salome, welche ein Mitleiden zeigte. Es wurden andere Wachen vor dem Gefängnis aufgestellt und abgelöst. Auch hatte ein Vertrauter des Herodes Speise in das Gefängnis zu tragen, damit niemand von dem Geschehenen eine Ahnung bekomme.

5. Jesus in Thänath-Silo und Antipatris

Während der Feste in Machärus und der Ermordung des Täufers war Jesus in Thänath-Silo, wo Ihm Leute, die aus Jerusalem zurückkamen, von dem großen daselbst geschehenen Unglück erzählten. Bei einem großen Bau am Tempelberg waren kürzlich sehr viele Arbeiter und mit ihnen auch achtzehn Bauführer, die Herodes dahin geschickt hatte, verschüttet worden. Jesus offenbarte sein Mitleiden mit den unschuldig Verschütteten, sagte aber, dass die Baumeister keine größeren Sünder seien, als die Pharisäer, die Sadduzäer und alle, welche dem Reich entgegenarbeiteten - auch diese würden unter ihrem verräterischen Bau zugrunde gehen.

Jener Bau war wohl eine Viertelstunde lang. Es sollte das aus dem Teich Bethesda abfließende Wasser auf den Tempelberg geleitet und das Blut der Opfertiere aus dem Tempel-Vorhof in die Schlucht herab geschwemmt werden, wohin der höher in der Schlucht liegende Teich Bethesda, der sein Wasser aus der Quelle Gihon bekommt, seinen Abfluss hat. Drei gewölbte Gänge führten weit unter den Tempelberg hinein und lange Bogenstellungen führten über das Tal von Mittag gegen Norden am Tempelberge hinauf. Es stand ein hoher Turm dabei, in weIchem durch ein Räderwerk das Wasser aus der Tiefe in Schläuchen auf die Höhe gehoben wurde. Es war schon lange daran gebaut worden und erst in letzterer Zeit, da es an tauglichen Bausteinen und Bauführern mangelte, hatte Pilatus auf den Rat eines heimlichen Herodianers im Synedrium sich an Herodes gewendet. Die Bauführer, welche Herodes sandte, waren ebenfalls Herodianer. Sie führten auf Veranlassung des Herodes den Bau absichtlich in solcher Weise fort, dass alles zusammenstürzen musste, um hierdurch die Juden noch mehr gegen Pilatus zu erbittern. Sie hatten von unten herauf sehr breit, aber hohl, nach oben immer enger und schwerer gebaut. Als das Unglück geschah, standen die achtzehn Herodianer dem Bauwerk gegenüber auf einer Terrasse und befahlen, die Holzgerüste, über welche gewölbt worden war, herauszunehmen, es sei nun alles fest. Die armen Leute standen überall an den hohen Bogen arbeitend. Plötzlich brach alles auseinander. Die ungeheuren Mauern stürzten nieder und alles floh und schrie, Krachen und Staubwolken erfüllten die Gegend, viele kleine Wohnungen wurden mit hinabgerissen, eine Menge von Arbeitern, auch Leute am Fuß des Tempelberges kamen um. Der Ort, wo die achtzehn Verräter standen, rutschte durch die Erschütterung auch nach und sie wurden im Schutt begraben. Es geschah dieses kurz vor den Festlichkeiten zu Machärus. Darum ist kein einziger römischer Offizier oder Beamter auf das Fest gekommen. Pilatus wurde sehr auf Herodes erbittert und gedachte, sich an ihm zu rächen. Es war ein sehr weitläufiger Bau und der Schaden sehr groß. Bei diesem Bau entzweiten sich Pilatus und Herodes. Aber bei dem Tod Jesu, das ist, bei der Zerstörung des wahren Tempels, versöhnten sie sich wieder. Jener Einsturz begrub die Verräter mit den Unschuldigen. Diese Zerstörung brachte das Gericht über das ganze Volk.

Der ganze Abfluss des Teiches Bethesda war nun verstopft, denn die ganze Schlucht war verschüttet und der Abfluss schwoll zu einem Teich an.

Als Pilatus, der wegen des Einsturzes sehr erbittert wurde, Beamte nach Machärus zu Herodes schickte, ließ sich dieser verleugnen.

Jesus heilte in Thänath noch mehrere Blinde. Dann ging Er mit Petrus und Johannes über Sichem nach Antipatris, Unterwegs sprachen Petrus und Johannes mehrmals, ob Er nicht in Aruma oder anderen Orten einkehren wolle. Jesus sagte aber, sie würden Ihn nicht aufnehmen und setzte den Weg in der Richtung nach Antipatris fort. Er lehrte unterwegs vom Gebet in dem Gleichnis, dass ein Freund in der Nacht an die Türe seines Freundes pocht und ihn bittet, ihm drei Brote zu leihen. Am Abend kamen sie in die sehr baumreiche Gegend vor Antipatris und blieben in einer Herberge.

Antipatris, an einem Flüsschen liegend, ist eine schöne, von Herodes neu zu Ehren Antipaters an der Stelle des kleineren Kaphar Saba erbaute Stadt. Im Krieg mit den Makkabäern lag der Feldherr Lysias in Kaphar Saba, das damals schon Türme und Mauern hatte. Lysias, der von Judas Makkabäus geschlagen wurde, vertrug sich hier mit ihm und hielt auch andere Völker von Judäa ab und brachte selbst große Geschenke zur Wiederherstellung des Tempels. Der Ort lag sechs Stunden vom Meer. Es wurde Paulus gefangen hier durch nach Cäsarea geführt. Die Stadt ist von ungemein großen Bäumen umgeben. Im Innern der Stadt sind viele Gärten und stattliche Alleen. Sie ist ganz in Grün gehüllt, groß und auf heidnische Weise gebaut. Man kann auf der Straße fast immer unter Säulengängen gehen,

Als Jesus von der Herberge aus mit Petrus und Johannes in die Stadt ging, wandte Er sich zum Haus des Stadtobersten, der Ozias hieß. Er war hauptsächlich wegen dieses Mannes gekommen, dessen Kummer Ihm wohl bekannt war. Er hatte Ihm einen Boten in die Herberge vor die Stadt gesandt und Ihn zu sich eingeladen, denn seine Tochter war sehr krank. Jesus hatte ihm sagen lassen, dass Er heute kommen wolle. Ozias empfing Ihn und die beiden Apostel sehr ehrerbietig, wusch ihnen die Füße und wollte ihnen einen Imbiss geben. Jesus aber ging sogleich zu der Kranken. Die beiden Apostel aber gingen durch die Stadt, seine Lehre in der Synagoge anzuzeigen. Ozias war ein Mann von etwa vierzig Jahren; seine Tochter hieß Michol und mochte etwa 14 Jahre alt sein. Sie lag ausgestreckt auf einem Lager, war bleich, abgezehrt und so lahm, dass sie keines ihrer Glieder regen, nicht einmal den Kopf heben oder bewegen konnte, man musste ihr selbst die Hände von einer Stelle auf die andere legen. Die Mutter war zugegen und verbeugte sich verschleiert demütig vor Jesus, der dem Lager der Jungfrau nahte. Die Mutter lag gewöhnlich an der andern Seite des Lagers auf einem Polster, um der Tochter zu helfen. Da aber Jesus bei dem Lager der Tochter niederkniete, denn es war sehr niedrig, stand sie jenseits ehrerbietig, der Vater stand zu den Füßen des Lagers,

Jesus sprach mit der Kranken, betete, hauchte ihr ins Angesicht und winkte der Mutter, Ihm gegenüber zu knien. Und sie tat es. Nun goss Jesus etwas Öl, das Er bei sich trug, in die flache Hand und salbte mit den beiden ersten Fingern der rechten Hand der kranken Jungfrau Schläfe und Stirn, dann die Gelenke ihrer rechten und linken Hand und ließ seine Hand einige Augenblicke auf ihren Handgelenken ruhen. Dann befahl Er der Mutter, über der Magengegend Michols das lange Kleid zu öffnen und berührte auch diese Stelle mit Öl. Darauf zog die Mutter den Saum der Decke von den Füßen ihrer Tochter und Jesus salbte auch diese. Nun sagte Jesus: «Michol gib Mir deine Rechte und deiner Mutter die Linke!» Da erhob sie zum ersten Male die beiden Hände und reichte sie dar. Jesus sagte: «Stehe auf Michol!» Das hagere bleiche Kind richtete sich erst sitzend auf und dann auf die Füße schwankend und ungewohnt. Jesus und die Mutter führten sie dem Vater in die offenen Arme, auch die Mutter empfing sie. Sie weinten vor Freuden und alle drei warfen sich Jesus zu Füßen. Nun kamen die Diener und Mägde des Hauses heran und priesen voll Freude den Herrn. Jesus aber befahl, Brot und Weintrauben zu bringen, die sie auspressen mussten. Er segnete beides und befahl der Jungfrau, hiervon ein wenig zu essen und zu trinken und dies einige mal zu wiederholen. Das Mädchen war auf seinem Lager mit einem langen Hemd von feiner, natürlicher Wolle bekleidet. Das Bruststück war auf den Achseln angeheftet, so dass man es öffnen konnte. Ihre Arme waren mit breiten Streifen desselben Stoffes, welche am Rückenteil fest waren, umwickelt. Darunter trug sie eine Decke über Brust und Rücken wie ein Skapulier. Als sie aufgestanden war, umhüllte sie die Mutter noch mit einem großen leichten Schleier.

Sie ging anfangs noch sehr schwankend und ungeschickt, wie eine, die das Gehen und Aufrechtstehen ganz verlernt hat. Dann legte sie sich wieder nieder und aß. Da aber ihre Freundinnen und Gespielinnen voll scheuer Neugierde kamen, ihre lautgewordene Heilung mit Augen zu sehen, richtete sie sich auf und ging ihnen gar rührend und schwankend entgegen. Die Mutter führte sie wie ein Kind. Die Mädchen waren froh und freudig, umarmten und führten sie. Ozias fragte auch Jesus, ob die Krankheit seines Kindes wegen einer Schuld seiner Eltern auf sie gekommen sei und Jesus sagte: «Durch eine Fügung Gottes.» Auch die Gespielinnen dankten Jesus. Dann ging Er zum Vorhof des Hauses, wo viele Menschen mit Kranken hingekommen waren. Hier befanden sich auch Petrus und Johannes.

Jesus heilte Kranke aller Art und begab sich von vielen Menschen begleitet zur Synagoge, wo Ihn die Pharisäer und eine große Volksmenge erwarteten. Er erzählte die Parabel vom Hirten und sagte, Er suche verlorene Schafe und habe seine Knechte gesandt, sie aufzusuchen und Er wolle für seine Schafe sterben. Er sagte auch, Er habe eine Herde auf seinem Berg, die sei sicher und wenn der Wolf eines fresse, sei es selbst schuld daran. Er erzählte auch eine Parabel, indem Er von seiner Sendung sprach und sagte: «Mein Vater hat einen Weinberg.» Da sahen sich die Pharisäer schon spöttelnd an und als Er nun die ganze Parabel erzählte, wie alle Diener seines Vaters von den schlechten Rebleuten misshandelt würden und Er seinen Sohn nun selbst schicke und sie diesen hinausstoßen und töten würden, lachten und spotteten sie und fragten sich: «Wer ist Er? Was will Er? Wo hatte sein Vater je einen Weinberg? Er hat den Verstand verloren! Er ist ein Tor, da sieht man es ja!» Sie lachten Ihn aus und schmähten Ihn. Jesus aber verließ mit Petrus und Johannes die Synagoge. Sie höhnten hinter Ihm her, seine Wunder aber schrieben sie der Zauberei und dem Teufel zu.

Jesus ging nochmals mit Ozias in sein Haus und heilte im Vorhof noch einige Kranke, aß ein wenig und erhielt Brote und Balsam mit auf den Weg.

Eine jede der verschiedenen Heilungsarten Jesu hatte ihre eigene geheimnisvolle Bedeutung. Ich kann das jedoch nicht so wiedergeben, wie ich es sah. Jede Heilungsart hatte einen Bezug auf die geheime Ursache und Bedeutung der Krankheit und auf das Seelenbedürfnis des Menschen. So z. B. empfingen die mit Öl Gesalbten eine gewisse geistige Stärkung und Kraft, welche mit der Bedeutung des Öls gegeben wird. Keine dieser Handlungen war ohne eigentümlichen Inhalt. Jesus setzte auch mit diesen Formen allerlei Gebräuche ein, welche die Heiligen und heilenden Priester nachher in seinem Namen wieder geübt und teils von der Tradition, teils durch den Heiligen Geist in Jesu Namen wieder geübt haben, So wie der Sohn Gottes, um Mensch zu werden, den Leib des reinsten Geschöpfes erwählte und nicht außer der Natur als Mensch herabkam, so gebraucht Er auch oft reine und durch seinen Geist gesegnete einfache Kreaturen als Heilungsstoffe, z. B. Öl und gab den Genesenen Brot und Weinbeerensaft nachher. Andere Male heilte Er durch Befehl selbst in die Ferne, denn Er war gekommen, das Verschiedenste zu heilen auf verschiedenen Wegen und für alle die glaubten, genugzutun in dem einen Kreuzestod, in welchem alle Peinen und Schmerzen und Bußen und Genugtuungen enthalten waren. Er schloss erst die Fesseln und Banden zeitlicher Not und Strafe mit verschiedenen Schlüsseln der Liebe auf, lehrte mannigfaltig, heilte mannigfaltig, half auf alle Weise und schloss dann das Tor der Sühnung des Himmels und der Vorhölle mit dem Hauptschlüssel, dem Kreuzschlüssel, auf.

Michol, die Tochter des Ozias, war von Jugend auf lahm, durch eine Gnade war sie so lange mit Ohnmacht gebunden- Während der Zeit zur Sündengefahr war sie durch Krankheit gefesselt und ihren Eltern zur Übung der Liebe und Geduld gegeben. Wäre sie von Jugend auf gesund gewesen, was wäre vielleicht aus ihr und ihren Eltern geworden? Jesus wäre nicht von ihnen ersehnt worden, hätte sie nicht beglückt. Sie hätten nicht an ihn geglaubt, sie wäre nicht von ihm geheilt und gesalbt worden, was ihr eine große Kraft und Stärkung an Leib und Seele gab. Ihre Krankheit war eine Prüfung, eine Folge von innerer Sündenmitgift, aber eine wohltätige Zucht und Heilsanstalt für ihre und ihrer Eltern Seelen, Ihre Geduld und die Ausdauer der Eltern war ein Mitwirken mit der Gnade und brachte allen die Krone des ihnen verhängten Kampfes, die Heilung durch Jesus an Leib und Seele. Welche Gnade, gebunden zu sein zu allem Bösen und doch frei zum Guten im Geist, bis der Herr kommt und Leib und Seele löst! Jesus sprach noch mit Ozias. Dieser erzählte ihm auch vom Einsturz des Turmes Siloe und von den verunglückten Menschen und sprach mit Abscheu von Herodes, den einige insgeheim im Verdacht hatten. Jesus sagte auch hier, es würden größere Plagen über die Verräter und falschen Baumeister kommen, als über jene. Wenn Jerusalem das Heil nicht annehme, werde der Tempel dem Turm wohl folgen. Auch von der Taufe des Johannes sprach Ozias und hoffte, Herodes werde ihn an seinem Geburtsfeste freilassen. Jesus sagte, zu seiner Zeit würde er frei sein. Die Pharisäer in der Synagoge hatten ihm auch gesagt, Er solle sich in acht nehmen, dass Herodes ihn nicht zu Johannes einsperre, wenn Er so fortfahre. Er hatte nicht darauf geantwortet.

Jesus ging etwa um fünf Uhr nachmittags mit Petrus und Johannes aus Antipatris südwestlich gegen Ozensara zu, welches vier bis fünf Stunden davon entfernt ist. Hier in Antipatris liegen römische Soldaten und es werden hier viele große Holzstämme zur See hin zum Schiffbau durchgebracht. Auf dem Weg nach Ozensara begegneten sie mehreren solchen Balken, die mit vielen großen Ochsen bespannt und von römischen Soldaten begleitet waren. Auch wurden Bäume in der Gegend gefällt und behauen. Sie kamen spät nach Ozensara. Es ist ein von einem Flüsschen in zwei Teile getrennter Ort. Jesus kehrte hier bei bekannten Leuten ein, lehrte und ermahnte viele Leute, die sich bei der Herberge versammelt hatten. Er war auf seinem Weg zur Taufe schon einmal hier. Er heilte und segnete kranke Kinder.

6. Jesus in Bethoron und Bethanien

Von Ozensara nach Bethoron waren es gegen sechs Stunden. Etwas vor Bethoron gingen Johannes und Petrus voraus und Jesus wandelte allein. Die ägyptischen Jünger nebst dem Sohn der Johanna Chusa kamen ihm hier entgegen und brachten Nachricht, dass die heiligen Frauen vier Stunden nördlich von hier, in Machmas, den Sabbat hielten, welches auch vier Stunden nördlich von Bethanien an einem Engpass lag. Machmas ist der Ort, wo Jesus in seinem zwölften Jahr das Gefolge seiner Eltern verließ und zum Tempel zurückkehrte. Hier vermisste ihn Maria und glaubte ihn in Gophna voraus, von wo sie, ihn auch hier nicht findend, wieder voll Trauer und Angst nach Jerusalem zurückkehrte.

In Bethoron ist eine Leviten-Schule, mit deren Lehrer die Heilige Familie bekannt war und wo Anna und Joachim übernachteten, als sie Maria zum Tempel brachten, wie auch sie selbst, da sie als Braut Josephs nach Nazareth zurückkehrte. Mehrere jerusalemische Jünger waren mit Josephs von Arimathäas Neffen hier auch angekommen. Jesus ging hier in die Synagoge, wo Er die Sabbats-Lektion unter manchen Einwürfen der Pharisäer auslegte. Nach der Lehre heilte Er in der Herberge Kranke und einige blutflüssige Frauen und segnete kranke Kinder. Die Pharisäer hatten ihn zu einer Mahlzeit eingeladen und als Er ihnen zu lange ausblieb, kamen sie, ihn zu rufen und sagten ihm, alles habe seine Zeit, auch das Heilen, der Sabbat gehöre Gott, es sei nun genug. Jesus erwiderte: «Ich habe keine andere Zeit und kein anderes Maß als den Willen des himmlischen Vaters.» Und erst da Er mit dem Heilen fertig war, ging Er mit den Jüngern zu ihrem Mahl.

Die Pharisäer brachten bei der Mahlzeit noch allerlei vor: man sage, es ziehen schlechte Frauen mit ihm herum. Sie hatten von der Bekehrung Magdalenas, Maria Suphanitis und der Samariterin gehört. Jesus erwiderte: so sie Ihn erkennen würden, würden sie anders sprechen. Er sei gekommen, sich der Sünder zu erbarmen. Er sprach auch von offenen Schäden, welche geheilt, den Menschen rein machen und von innern versteckten Geschwüren, wodurch rein Erscheinende innerlich voll Schmutz seien. Sie sagten ferner, dass seine Jünger sich vor dem Mahl nicht waschen. Jesus hielt eine nachdrückliche treffende Lehre über und gegen die Heuchelei und Scheinheiligkeit der Pharisäer. Er erzählte eine Parabel, als sie von den schlechten Frauen sprachen, deren Inhalt war, welcher Schuldner besser sei, der, welcher große Schuld hat und demütig um Erlass fleht und dennoch alles treu abarbeiten will, oder der, welcher auch alles schuldig ist, aber immerfort prasst und so wenig zu zahlen gedenkt, dass er noch des eingeständigen Schuldners schmäht. Er erzählte noch vom guten Hirten und vom Weinberg, wie zu Antipatris. Allein sie nahmen alles kalt und obenhin.

Jesus berbergte in der Leviten-Schule mit den Jüngern.

Ober-Bethoron liegt so hoch, dass man es von Jerusalem aus sehen kann. Nieder-Bethoron liegt am Fuß des Berges.

Von Bethoron, das von Jerusalem sechs Stunden entfernt ist, wandelte Jesus alle Orte vermeidend gegen Bethanien. Nur Athanot berührte Er. Lazarus war von Magdalum her schon nach Bethanien zurückgekommen. In Magdalum hat er alles in Ordnung gebracht und einen Verwalter des Schlosses und Gutes dort eingesetzt. Dem Mann, der mit Magdalena gelebt hat, hat er Wohnung und Unterhalt auf dem hoch liegenden Gute bei Ginnim angewiesen, was er ohne Trotz angenommen hat.

Magdalena bezog bei ihrer Ankunft in Bethanien gleich die Wohnung ihrer verstorbenen Schwester, der stillen Maria, von welcher sie sehr geliebt worden war. Sie brachte die ganze Nacht in Tränen zu. Als Martha sie am Morgen aufsuchte, fand sie Magdalena weinend auf dem Grabe der Schwester mit aufgelösten Haaren.

Die Frauen von Jerusalem waren gleich dahin zurückgekehrt. Sie alle hatten die Reise zu Fuß zurückgelegt. Und so schwach von ihrer Krankheit und Erschütterung und so ungewohnt Magdalena des Fußreisens auch war, so wollte sie doch nicht anders reisen und hatte sich die Füße ganz blutig gelaufen. Die Frauen, welche sie seit ihrer Bekehrung unaussprechlich lieben, führten sie oft. Sie war bleich und von Tränen verzehrt. Sie konnte ihre Sehnsucht, Jesus zu danken, nicht bezwingen und ging ihm über eine Stunde weit entgegen, warf sich vor seinen Füßen nieder und benetzte sie mit Tränen der Reue und das Dankes. Jesus reichte ihr die Hand, hob sie auf und sprach mit ihr freundlich, auch von ihrer verstorbenen Schwester Maria. Er sagte, sie solle in deren Fußstapfen treten und büßen, wie diese gebüßt, obschon sie nicht gesündigt habe. Magdatena kehrte dann mit ihrer Magd auf einem andern Weg zurück. Jesus ging mit Petrus und Johannes in die Gärten des Lazarus, welcher entgegenkam und ihnen wie gewöhnlich in der Halle die Füße wusch und den Imbiss reichte. Nikodemus war nicht hier, aber Joseph von Arimathäa. Jesus hielt sich innerhalb des Hausraumes auf und sprach mit niemand als mit den Hausgenossen und Frauen. Mit Maria allein sprach Er vom Tod des Johannes. Sie wusste von ihm durch innere Offenbarung. Jesus sagte ihr, binnen acht Tagen etwa wieder nach Galiläa zu reisen, ehe die galiläischen Gäste des Herodes auf Machärus dahin zurückkehrten, um ungestört auf ruhigem Wege reisen zu können.

Die Jünger, welche mit Jesus, aber getrennt von ihm, nach Judäa gewandelt waren, waren von Ort zu Ort in einzelne Hütten und zu Hirten gegangen, fragend: «Sind keine Kranken hier, auf dass wir sie heilen im Namen Jesu unseres Meisters und ihnen das umsonst geben, was Er uns umsonst gegeben!» Sie salbten die Kranken mit Öl und diese genasen.

Von Bethanien ging Jesus des Morgens über den Ölberg, um in einem nahegelegenen Lager-Orte vor Maurern und Handwerksleuten zu lehren und zu heilen. Es war der Aufenthalt der Taglöhner und Maurer, die bei den unaufhörlichen Bauten am Tempelberg beschäftigt waren. Es waren eigene Küchen dort und arme Frauen kochten für ein Geringes ihnen Speise. Unter den Arbeitern waren viele Galiläer und Leute, welche Jesu Lehren und Wunder in Galiläa beigewohnt hatten und selbst solche, die Er geheilt hatte. Es waren Leute von Gischala, von des Hauptmannes Serobabel Gütern und besonders viele aus einem Örtchen bei Tiberias an der Nordhöhe des Tales von Magdalum gelegen. Jesus heilte mehrere Kranke unter diesen Leuten. Sie jammerten gegen ihn über das große Unglück, das vor etwa vierzehn Tagen bei dem Einsturz der Bauwerke geschehen war und baten ihn, doch auch zu mehreren Verwundeten zu gehen, welche noch mit dem Leben davongekommen waren. Hundert weniger sieben Menschen waren dabei außer den achtzehn Verrätern getötet worden. Jesus ging zu den Verwundeten, tröstete und heilte sie. Er heilte mehrere, welche Kopfquetschungen hatten, durch Ölsalbung und Drücken des Kopfes; zerschmetterte Hände, an denen Knochensplitter vorstanden; durch Zusammenschiebung der Trümmer, Salben und Halten in der Hand; zerbrochene Arme, in der Binde ruhend, salbte Er, hielt die Bruchstellen in der Hand und sie waren heil, so dass sie sie aus der Binde tun und bewegen konnten. Die Wunden verlorener Glieder schloss Er.

Ich hörte, wie Er zu den versammelten Leuten sagte, sie werden noch mehr zu beweinen haben, wenn das Schwert die Galiläer treffen werde. Er ermahnte sie, dem Kaiser alle Abgaben ohne Murren zu zahlen und wenn sie es nicht vermöchten, so sollen sie nur den Lazarus darum bitten in seinem Namen, der werde es ihnen geben. Jesus sprach ungemein rührend und ich hörte die Leute klagen: sonst habe man doch am Teich Bethesda Hilfe erlangen können, jetzt aber hätten die armen Leute keine Hilfeleistung mehr dort und müssten ewig schmachten. Auch höre man seit langem von keiner Genesung dort mehr.

Jesus weinte, als Er über den Ölberg ging und sprach: «Wenn die Stadt das Heil nicht annimmt, so wird der Tempel zerstört werden, wie diese Gebäude zusammengestürzt sind und eine sehr große Zahl wird unter ihm versinken.» Er nannte den Einsturz der Wasserleitung ein Vorbild, das ihnen zur Warnung dienen solle.

Darnach ging Jesus vor dem Bethlehemer-Tore Jerusalems zum Haus, wo Maria und Joseph mit ihm an seinem vierzigsten Lebenstage eingekehrt waren, da sie zum Tempel gingen, ihn darzustellen. Hier hatte auch Anna, zur Krippe reisend, übernachtet und Jesus in seinem zwölften Jahr, als Er bei Machmas die reisenden Eltern verließ und zum Tempel zurückkehrte. Es wohnen sehr fromme einfältige Leute in dieser kleinen Herberge, in welcher Essener und andere fromme Menschen ihre Einkehr nahmen. Jetzt waren die Kinder jener Eltern, die damals hier gelebt und noch ein alter Mann da, der sich an alles wohl erinnerte. Sie kannten Jesus nicht mehr. Er war seitdem nicht mehr dort gewesen und sie meinten, Er sei vielleicht Johannes der Täufer, von dem auch hier das Gerede ging, er sei jetzt freigelassen.

Sie zeigten Jesus in einem Winkel des Hauses eine WindeIpuppe, gerade gekleidet, wie Maria ihn zum Tempel trug und in einer ähnlichen Krippe liegend und es brannten Lichter und Lampen, wie aus Papiertüten heraus, dabei. Sie sagten ihm: Jesus von Nazareth, der große Prophet, vor dreiunddreißig Jahren in Bethlehem geboren, sei mit seiner Mutter hier gewesen. Was von Gott komme, dürfe man ehren und so feiern sie seinen Geburtstag sechs Wochen lang, so gut als Herodes' Geburtstag gefeiert werde, der kein Prophet sei.

Diese Leute waren durch den Umgang mit Anna und allen Vertrauten der Heiligen Familie und durch die Hirten, welche auch hier einkehrten, wenn sie nach Jerusalem gingen, glaubende Verehrer Jesu und der ganzen Heiligen Familie. Als Jesus Sich ihnen zu erkennen gab, war ihre Freude unbeschreiblich. Sie zeigten ihm alle Orte im Haus und Garten, wo Maria und Joseph und Anna gewesen waren. Jesus lehrte und tröstete sie, und sie beschenkten sich gegenseitig. Er ließ ihnen Münzen durch einen Jünger geben, und sie gaben dagegen Brot, Honig und Früchte mit auf den Weg und gingen noch eine gute Strecke als Geleit, da Jesus mit den Jüngern von der Herberge weiter gegen Hebron wandelte.

7. Jesus in Juta. Er macht den Tod Johannes des Täufers bekannt

Jesus ging mit seinen Begleitern von hier fünf Stunden bis nach Juta und Hebron, dem Geburtsort des Täufers, Maria, Veronika, Susanna, Johanna Chusa, Johanna Marcus, Lazarus, Joseph von Arimathäa, Nikodemus und mehrere jerusalemische Jünger waren verteilt schon dahin voraus gereist und einen näheren Weg durch Jerusalem gehend mehrere Stunden vor Jesus dort angekommen.

Das Haus des Zacharias lag vor Juta auf einem Hügel. Haus und Güter, in Weinbergen bestehend, waren das Erbteil des Täufers. Der Bruderssohn seines Vaters, welcher auch Zacharias heißt, wohnte hier und verwaltete alles. Er war Levite und mit Lukas gut Freund und von ihm noch vor kurzem in Jerusalem besucht worden, wo er ihm viel von der Heiligen Familie erzählte. Er ist jünger als der Täufer, von dem Alter des Apostels Johannes. Seit seiner Jugend war er immer wie ein Kind hier im Haus. Er gehörte zu einer Art Leviten, welche Ähnlichkeit mit den Essenern hatten und, von ihren Voreltern her gewisser Geheimnisse teilhaftig, auf die Ankunft des Messias mit besonderer Andacht harrten. Er war erleuchtet und verheiratete sich nicht. Jesus und seine Begleitung ward mit Fußwaschung und Imbiss von ihm empfangen. Und Jesus ging darauf nach Hebron zur Synagoge.

Es war Fasttag und begann am Abend ein örtliches Fest in Juta und Hebron zum Gedächtnis des Sieges Davids über den Aufstand Absalons, den dieser in Hebron, als seinem Geburtsort, zuerst begonnen hatte. Es wurden bei diesem Fest viele Lampen selbst den ganzen Tag hindurch in der Synagoge und den Häusern angezündet. Sie dankten für die Erleuchtung, dass sie das Rechte damals erwählt hatten, und flehten um Erleuchtung, dass sie es auch ferner erwählen möchten. Jesus lehrte vor vielem Volk und empfing große Liebe und Achtung von den Leviten. Sie nahmen auch eine Mahlzeit zusammen.

Als Maria mit den Frauen hierher reiste, erzählte sie ihnen von ihrer Reise mit Joseph zu Elisabeth, zeigte ihnen die Stelle, wo Joseph wieder abgereist war und sagte, wie ihr so bange gewesen, was Joseph wohl denken werde, wenn er wiederkehrend ihren veränderten Zustand erblicken werde. Sie besuchte auch mit den heiligen Frauen alle die Orte, wo Geheimnisse bei ihrem Besuch und bei der Geburt des Johannes vorgefallen waren. Sie sprach von dem Aufhüpfen des Johannes im Mutterleibe, von dem Gruß der Elisabeth und wie Gott ihr das Magnifikat eingegeben, welches sie immer abends mit Elisabeth gebetet. Sie erzählte von der Stummheit des Zacharias, und wie Gott ihm durch die Aussprechung des Namens Johannes die Sprache wieder gegeben. Alle diese ihnen bis jetzt unbekannten Geheimnisse erzählte sie vertraulich und unter Tränen andächtiger Erinnerung den heiligen Frauen, welche auch an den Stellen Tränen vergossen, doch freudiger als Maria, welche zugleich um den Tod des Johannes weinte, der ihnen noch unbekannt war. Auch den Brunnen zeigte sie ihnen, der auf ihr Gebet in der Nähe des Hauses entsprungen war, und sie tranken daraus.

Bei dem gemeinsamen Mahl lehrte Jesus. Die Frauen saßen abgesondert. Nach dem Mahl ging die heilige Jungfrau mit Jesus, Petrus, Johannes und den drei Johannes-Jüngern Jakobus, Heliachim und Sadoch, den Söhnen ihrer älteren Schwester Heli, in die Stube, worin Johannes geboren wurde. Eine große Decke war an der Erde auseinander gerollt und sie knieten und saßen um sie her. Jesus aber stand und sprach mit ihnen von der Heiligkeit und Laufbahn des Johannes. Die heilige Jungfrau erzählte ihnen die Umstände, unter denen diese Decke gemacht worden war. Maria hatte sie bei der Heimsuchung mit Elisabeth zusammen verfertigt und Johannes wurde auf ihr geboren. Sie war das Lager Elisabeths bei der Geburt des Johannes, war von gelblicher Wolle, gesteppt und mit Blumen verziert. Am oberen Rande waren Sprüche aus dem Gruß Elisabeths und dem Magnificat mit großen Buchstaben eingenäht. In der Mitte war eine Art Hülle für die Wöchnerin befestigt, in welche man die Füße, wie in einen Sack hineinknöpfen konnte. Oben bildete diese Hülle eine Art Mantel, den man umschlagen konnte, und hatte eine Kapuze. Die Hülle war von gelblicher Wolle mit braunen Blumen. Es war ungefähr, als wenn man einen Schlafrock mit seiner untern Hälfte auf einer gesteppten Decke befestigt. Ich sah, dass Maria den oberen Rand der Decke vor sich emporhielt und den Anwesenden die eingenähten Sprüche und Prophezeiungen las und erklärte. Sie sagte auch, dass sie der Elisabeth prophezeit habe. Johannes werde Jesus nur dreimal von Angesicht sehen, und wie dieses wahr geworden. Er habe Ihn nur dreimal gesehen, das erste Mal als Kind in der Wüste, da sie auf der Flucht nach Ägypten in einiger Entfernung bei ihm vorüber gekommen. Das zweite Mal bei der Taufe. Das dritte Mal, als Er Ihn am Jordan vorübergehen sah und Zeugnis von Ihm gab.

Nun eröffnete ihnen Jesus, dass Johannes von Herodes getötet sei. Eine große Betrübnis ergriff sie alle, sie begossen die Decke mit Tränen, besonders Johannes warf sich weinend an die Erde. Es war ganz herzzerreissend, wie sie schluchzend und wehklagend mit dem Angesicht auf der Decke lagen. Jesus und Maria aber standen an den beiden Enden. Er tröstete sie ernst und auf noch Härteres vorbereitend, gebot ihnen aber zu schweigen, weil außer ihnen es bis jetzt nur die Täter wüssten.

Südlich von Hebron lag der Hain Mambre mit der Höhle Machpelah, wo Abraham und die andern Altväter begraben sind. Jesus lehrte hier und heilte auch Landleute, welche dort einzeln wohnten. Der Hain Mambre ist ein Tal mit weit voneinander stehenden Eichen, Buchen und Nussbäumen, und dicht vor dem Hain ist die große Höhle Machpelah, wo Abraham, Sarah, Jakob, Isaak und andere Altväter begraben sind. Die Höhle ist zweifach, wie zwei Keller. Die Grablager sind teils vorspringende, teils in die Wand eingehauene Steinbänke. Es ist dieses Grab noch in großen Ehren und ein Baumgarten und Lehrplatz sind davor. Der Felsen ist ganz bekleidet mit Weinreben, oben drauf aber wächst Getreide. Jesus war mit den Jüngern in der Höhle. Es wurden mehrere Gräber aufgedeckt. Einige Gerippe waren zerfallen, das Abrahams lag noch in Ordnung auf seinem Lager. Es wurde eine braune Decke davon abgerollt, die aus fingerdicken Stricken von Kamelhaaren geflochten war. Jesus lehrte hier von Abraham, von der Verheißung und der Erfüllung der Verheißung. Die Kranken, die Jesus heilte, waren teils lahm, teils schwindsüchtig, teils wassersüchtig. Besessene sah ich keine, aber wohl Schwachsinnige und Mondsüchtige. Es ist hier im Land sehr fruchtbar und das wunderschöne Getreide ist schon ganz gelblich. Es gibt hier vortreffliches Brot und schier jedermann hat seinen Weinberg. Die Berge sind oben flach und es ist Getreide darauf. Um die Berge her sind Weinpflanzungen und in ihnen sind seltsame Höhlen.

Als Jesus mit den Jüngern in die Höhle Machpelah ging, legten sie ihre Sohlen vor der Türe ab und gingen barfuss hinein.

Sie standen um das Grab Abrahams und waren sehr ehrerbietig. Jesus allein redete. Dann ging Er noch eine Stunde südöstlich von Hebron in das Leviten-Städtchen Bethain, zu welchem man sehr steil aufsteigen musste. Er heilte einige Leute und lehrte von der Lade des Zeugnisses und von David, denn in Bethain war die Bundeslade einmal fünfzehn Tage lang gewesen. David hatte auf Befehl Gottes die Bundeslade heimlich in der Nacht aus dem Haus Obededons hierher bringen lassen und war selbst barfuss davor gegangen. Als David sie wieder von hier wegnahm, war das Volk so erbittert darüber, dass es ihn schier steinigte.

Es war hier oben ein sehr tiefer Brunnen, aus welchem sie das Wasser in einem ledernen Schlauch heraufzogen. Der Felsenboden ist in den Wegen hier weiß, auch die kleinen Steine sind weiß.

Nikodemus, Joseph von Arimathäa, Lazarus, die jerusalemischen Frauen und Maria sind wieder zurückgereist. Lazarus nach Jerusalem, wo er sieben Tage Dienst am Tempel hatte.

Maria ging nicht wieder nach Bethanien, sondern gerade nach Galiläa über Machmas, wo sie bei dem Schullehrer den Sabbat hielt. Sie hatte Anna Kleophä und eine Verwandte Elisabeths von Sapha bei sich. Sapha ist der Ort, wo Jakobus und Johannes geboren sind. Maria hatte die Decke der Elisabeth mitgenommen, Ein Knecht trug sie zusammengerollt in einer Korbtasche.

In Juta hatte Jesus vor dieser Decke auch davon geredet, welch heftige Begierde Johannes gehabt, Ihn zu sehen. Doch habe er sich bezwungen und nichts verlangt, als seiner Sendung zu genügen, welche die des Vorläufers und Wegbereiters, nicht aber die des Mitwandelnden und Arbeitsgenossen gewesen sei. Als kleiner Knabe habe er Ihn gesehen. Da seine Eltern mit Ihm durch die Wüste nach Ägypten gezogen, sei ein paar Stunden von Hebron der Knabe Johannes in der Wüste gewesen, der Weg habe sie einen Pfeilschuss von Johannes vorüber geführt, der höher zwischen Gesträuch an einem Bach hervorgelaufen und mit einem Stäbchen, woran ein Wimpel von Bast gewesen, freudig hüpfend dem Bach entlang getanzt und gewinkt habe, bis sie vorübergezogen seien. Seine Eltern hätten Ihn noch emporgehoben und gesagt: «Sieh, den Johannes in der Wüste!» Es habe der Geist den Knaben herangeführt, seinen Meister zu grüßen, den er im Mutterleib schon gegrüßt hatte. Während Jesus dieses erzählte, weinten die Jünger seines Todes gedenkend, und ich sah jenes unbeschreiblich rührende Bild wieder. Johannes war nackt und hatte nur ein Fell quer über eine Schulter und um den Leib gegürtet. Er fühlte die Nähe seines Heilandes und dass er dürste. Da betete der Knabe und stieß dann mit seinem Stäbchen in die Erde. Nun entsprang eine reichliche Quelle, und Johannes eilte ihrem Lauf voraus und stand, Jesus und die Heilige Familie vorüber reisend sehend, wo die Quelle niederstürzte, und tanzte freudig und winkte mit seinem Fähnchen. Dann sah ich ihn zurückeilen, und wie an einem großen überhängenden Felsen, in dessen Nähe der Grund einsank und eine Höhle bildete. Ein Strahl jener Quelle aber floss dahin in ein Grübchen, das Johannes sich zum Brunnen bereitete. Er wohnte nachher in dieser Höhle eine zeitlang. Die Reise der Heiligen Familie damals ging über einen Teil des Ölberges. Eine halbe Stunde östlich von Bethlehem hielten sie Rast und zogen dann, immer das Tote Meer zur Linken habend, sieben Stunden südlich von Bethlehem, zwei Stunden jenseits Hebron, wo sie die Wüste betraten, in der Johannes der Knabe war. Ich habe sie dieses neue Bächlein überschreiten und an einer bequemen Stelle an demselben rasten und sich erquicken sehen. Als sie aus Ägypten zurückkehrten, sah Ihn Johannes auch im Geist und sprang und jubelte gegen die Richtung seines Weges hin. Aber er sah Ihn nicht von Angesicht, denn ihr Weg war ein paar Stunden entfernter. - Jesus sprach auch von der großen Überwindung des Johannes. Selbst bei der Taufe habe er sich nur in den Schranken der feierlichen Anschauung gehalten, wenngleich sein Herz vor Sehnsucht und Liebe schier gebrochen sei. Nachher sei er demütig mehr von Ihm gewichen, als dass er seiner Liebe nachgegeben und ihn aufgesucht habe.

Jesus lehrte in der Synagoge von Hebron bei einem Fest, welches wegen der Austreibung der Sadduzäer aus dem Synedrium gefeiert wurde, die unter Alexander Jannäus die größte Partei darin gewesen waren. Es waren drei Triumphbogen um die Synagoge gebaut, an denen Weinlaub, Ähren und allerlei Blumenkränze angebracht waren. Sie zogen auch in einer Prozession durch die Straßen, wo Blumen gestreut wurden, denn es wurde auch das Neumondfest begangen und das Fest, wenn der Saft in die Bäume tritt und die vier Jahre gepflanzten Bäume rein werden. Darum waren die vielen Laub- und Blumenbogen errichtet. Das Sadduzäer-Vertreibungsfest passte gut zu dem Tage, da die Bäume aufleben, indem diese die Auferstehung leugneten.

Jesus lehrte in der Synagoge sehr stark gegen die Sadduzäer und sprach von der Auferstehung der Toten. Es waren auf das Fest Pharisäer von Jerusalem hierher gekommen. Sie stritten nicht mit Jesus und waren ganz höflich. Er hatte überhaupt hier keinen Widerspruch. Die Leute sind hier alle sehr wohlgesinnt und gerecht. Jesus heilte auch Kranke in den Häusern und vor der Synagoge, meistens Arbeitsleute, Lahme, Ausgezehrte, Gichtbrüchige und einige Schwachsinnige und Angefochtene.

Juta und Hebron hängen zusammen. Juta ist eine Art Vorstadt und hängt durch eine Reihe Häuser mit Hebron zusammen. Ehemals müssen sie wohl getrennt gewesen sein, denn es ziehen sich zerstörte Mauern mit Türmen zwischen beiden Orten durch und es ist eine kleine Vertiefung zwischen ihnen. Das Haus des Zacharias enthält die Schule von Juta und liegt eine Viertelstunde von der Stadt ab auf einem Hügel, hat sehr schöne Gärten und Weinberge und auch noch einen entfernteren schönen Weingarten mit einem Häuschen. Die Schule stößt an der einen Seite an die Stube, in der Johannes geboren worden. Ich habe es gesehen, als sie die Decke darin ausbreiteten.

Als Jesus wiederum in der Synagoge von Hebron lehrte, war die Synagoge auf allen Seiten geöffnet und es war ein hoher Lehrstuhl an den Eingang gestellt, worauf Er stand. Alle Einwohner der Stadt und viele Leute aus den umliegenden Orten waren versammelt. Die Kranken lagen auf kleinen Betten oder saßen auf Matten um den Lehrstuhl und eine große Menge füllte den Platz. Die Festbogen standen noch. Es sah sehr rührend aus, denn alle waren sehr bewegt und erbaut und es war überhaupt kein Widerspruch hier. Nach der Lehre heilte Jesus viele Kranke.

Jesus hielt eine sehr tiefsinnige Lehre. Die Lektion war von der Finsternis in Ägypten, der Einsetzung des Osterlammes und dem Auslösen der Erstgeburt und etwas aus Jeremias. Er machte eine wunderbar tiefe Erklärung von der Auslösung der Erstgeburt. Ich entsinne mich daraus, dass Er ungefähr sprach: «Wenn Sonne und Mond sich verfinstern, bringt die Mutter das Kind zum Tempel zur Auslösung.» Er brauchte mehrmals den Ausdruck vom «sich Verfinstern der Sonne und des Mondes». Er sprach von der Empfängnis, Geburt und Beschneidung und Darstellung im Tempel in Bezug auf Verfinsterung und Lichtwerden. Es war ganz geheimnisvoll der Ausgang aus Ägypten auf die Geburt des Menschen angewendet. Er sprach von der Beschneidung als einer Bezeichnung, welche, wie das Gesetz vom Auslösen der Erstgeburt, einst abkommen werde. Es widersprach Ihm niemand, alles war sehr stille und aufmerksam.

Er sprach auch von Hebron und von Abraham und kam endlich auf Zacharias und Johannes. Er sprach von dem hohen Werte des Johannes deutlicher und ausführlicher als je, von seiner Geburt, seinem Leben in der Wüste, seiner Bußpredigt, Taufe und treuen Wegbereitung und endlich auch von seiner Gefangenschaft. Dann sprach Er von dem Schicksal der Propheten und dem hohen Priester Zacharias, der zwischen dem Heiligsten und dem Altar ermordet worden sei. Auch von Jeremias Leiden in der Grube zu Jerusalem und den Verfolgungen der andern hat Er gesprochen. Als Er von der Ermordung des ersten Zacharias zwischen Tempel und Altar sprach, gedachten die anwesenden Verwandten auch des traurigen Todes des Vaters des Täufers, den Herodes nach Jerusalem locken und in der Nähe in einem Haus totschlagen ließ. Jesus sprach jedoch nicht davon. Es war Zacharias bei seinem Haus vor Juta begraben, in einem Gewölbe.

Als Jesus so rührend und auf eine ganz eigene Weise von Johannes und vom Tod der Propheten sprach, ward die Stille in der Synagoge immer größer. Alles war sehr erschüttert. Viele Leute weinten und selbst die anwesenden Pharisäer waren sehr bewegt. Mehrere Verwandte und Freunde des Johannes aber erhielten ein inneres Licht, als sei Johannes wohl auch getötet, und sanken vor Betrübnis in Ohnmacht. Es gab dadurch eine Störung in der Synagoge. Jesus aber sagte, man solle die Ohnmächtigen nur unterstützen, sie würden schon wieder zu sich kommen, und so lagen sie einige Minuten in den Armen ihrer Freunde, während Jesus in seiner Lehre fortfuhr.

Für mich war etwas Deutliches in dem «Zwischen Tempel und Altar» bei Ermordung jenes Zacharias, das sich auf den Tod Johannes des Täufers bezog, als stehe sein Tod auch im Leben Jesu zwischen Tempel und Altar, was aber die Anwesenden nicht fühlen konnten, denn er starb ja zwischen Jesu Geburt und Kreuzigung. Am Schluss der Lehre wurden die Ohnmächtiggewordenen nach Hause geführt. Es war aber außer Zacharias, des Johannes Vetter, auch eine Schwester-Tochter Elisabeths hier in Hebron verheiratet, die an zwölf Kinder hatte, worunter erwachsene Töchter - diese und einige andere Leute waren sehr erschüttert. Jesus ging nun mit dem jungen Zacharias und den Jüngern in das Haus dieser Frau, wo Er noch nicht gewesen war, die heiligen Frauen aber vor ihrer Abreise mehrmals. Er sollte heute abend die Mahlzeit bei ihr einnehmen. Es war aber eine sehr traurige Mahlzeit.

Jesus war mit Petrus, Johannes, Jakobus, Kleophä, Heliachim, Sadoch, Zacharias, der Nichte Elisabeths und ihrem Mann in einer Stube. Die Verwandten des Johannes fragten Ihn zagend: «Herr! werden wir wohl Johannes wieder sehen?» Sie waren aber eingeschlossen, dass sie niemand stören konnte. Jesus sagte, indem Er weinte: «Nein!» Und sprach auf eine sehr rührende und tröstende Weise von seinem Tod. Als sie in ihrer Trauer die Furcht äußerten, dass sein Leib misshandelt werden könnte, sagte ihnen Jesus, nein, sein Körper liege unangetastet, sein Haupt sei misshandelt und weggeworfen, aber auch dieses werde bewahrt werden und einst zutage kommen. Er sagte ihnen auch, in einigen Tagen werde Herodes Machärus verlassen und das Gerücht von Johannes Tod laut werden. Dann könnten sie den Leib abholen. Er weinte mit den Anwesenden. Sie nahmen nachher ein kleines Mahl, das wegen der Abgesondertheit, der Stille, des Ernstes und der großen Rührung und Innigkeit Jesu an das Abendmahl mich erinnerte.

Ich hatte bei dieser Gelegenheit ein Bild, wie Maria mit Jesus zur Opferung in den Tempel kam. Es ist erst am 43. Tag nach der Geburt geschehen. Sie hatten nämlich wegen eines Festes drei Tage in der kleinen Herberge vor dem bethlehemitischen Tor bei den guten Leuten geharrt. Außer dem gewöhnlichen Taubenopfer brachte Maria fünf dreieckige Goldplättchen von den drei Königen und mehrere Stücke feiner Stoffe zu Stickereien an den Tempel als Geschenke. Joseph hat den einen Esel, den er an seinen Verwandten verpfändet hatte, an denselben verkauft. Ich meine noch immer, der Esel des Palmtages stamme von diesem.

Jesus lehrte auch in Juta und ging mit etwa zehn Leviten in umliegende Häuser, wo Er manche Kranke heilte. Aussätzige, heftig Besessene, große Sünder oder Sünderinnen kamen hier herum gar nicht vor. Am Abend hatte Er mit den Leviten ein mäßiges Mahl, in Vögeln, Brot, Honig und Früchten bestehend.

Joseph von Arimathäa und mehrere Jünger sind hieher gekommen, um Jesus nach Jerusalem einzuladen, wo viele Kranke sich nach Ihm sehnten. Er könnte jetzt ruhig dort sein, weil Pilatus und Herodes über den eingestürzten Bau in Streit und die jüdischen Obrigkeiten mit ihrer Aufmerksamkeit auch auf diesen Handel gewendet seien. Jesus wollte aber jetzt nicht gleich hingehen, versprach es aber, ehe Er nach Galiläa zurückkehre.

Die Frauen aus der Verwandtschaft des Johannes haben den Sabbat zu Hause gehalten. Sie waren in Trauerkleidern und saßen auf der Erde und es stand ein Stock voll Lichter oder Lampen in der Mitte der Stube.

Es waren auch Essener in der Nähe von dem Grabe Abrahams, welche paarweise zu Jesus kamen. Sie wohnten in Felsen-Zeilen um einen Berg und hatten einen Garten über sich.

Um Zacharias' Haus sind sehr schöne Gärten und unbeschreiblich hohe, dichte Rosenbüsche. Wenn man von Jerusalem dahin kommt, liegt das Haus des Zacharias auf einem Hügel. Eine Viertelstunde weiter zur Rechten auf einem höheren Hügel liegt sein Weingut und am Fuß des Hügels der von Maria entdeckte Brunnen. Das Hebron Abrahams ist nicht das, worin Jesus war. Es liegt in Ruinen, südlicher durch eine Vertiefung getrennt. Zu Abrahams Zeiten, da es noch bestand, hatte es breite Straßen und zum Teil in Felsen gehauene Häuser. Nicht weit von Zachariä Haus war ein Ort Jether, wohin ich Maria und Elisabeth mehrmals gehen sah.

In Juta schöpften die Leute aus den Reden Jesu und aus der Trauer der Verwandten des Täufers die Vermutung, dass dieser nicht mehr am Leben sei, und es ging das leise Gerücht von seinem Tod um.

Jesus war vor der Weiterreise von Juta noch am Grab von Zacharias mit dessen Neffen und den Jüngern. Es ist nicht wie die gewöhnlichen Gräber, sondern besteht wie die Katakomben in einem Gewölbe mit Säulen und ist ein sehr geehrter Begräbnisort für Priester und Propheten. Es war beschlossen worden, dass des Johannes Leib in Machärus abgeholt und hier begraben werden sollte. Sie räumten daher in dem Grabgewölbe und richteten ein Totenlager her. Es war gar rührend zu sehen, wie Jesus seinem Freunde ein Grab bereiten half. Er erwies auch den Überresten des Zacharias Ehre.

Elisabeth ist hier nicht begraben, sondern bei der ersten Höhle, in der Johannes als Knabe in der Wüste war, auf einem höheren Berg.

Als Jesus Juta verließ, gaben Ihm Männer und Frauen das Geleit. Die letzteren kehrten nach einer Stunde wieder zurück, nachdem sie kniend seinen Segen empfangen hatten. Sie wollten seine Füße küssen, aber Jesus ließ es nicht zu. Der Weg führte gegen Libna, vor welchem Ort sie in einer Herberge einkehrten. Die begleitenden Männer traten von hier die Heimkehr an und zwar mit Saturnin, Judas Barsabas und zwei anderen Jüngern, die aus Galiläa und Machärus, von da nach Juta und dann hierher gekommen waren. Sie erzählten mit großer Betrübnis von der Ermordung des Täufers. Als Herodes mit seiner Familie von Soldaten begleitet von Machärus nach Hesebon zog, wurde das Gerücht von der Enthauptung des Johannes durch einige Ausreißer verbreitet und kam auch an einzelne bei dem Bausturz zu Jerusalem verwundete Dienstleute des Hauptmanns Serobabel von Kapharnaum, welche es diesem dahin berichteten. Serobabel meldete das schreckliche Ereignis sogleich dem Judas Barsabas, der in der Nähe war, worauf dieser mit Saturnin und zwei andern Jüngern in die Gegend von Machärus eilte, wo sie überall die Bestätigung der Nachricht empfingen. Von Machärus eilten sie in die Heimat des Johannes, um Anstalten zu der Leichen-Abholung zu treffen. Die Nachricht aber, dass Jesus hier sei, führte sie in die Herberge hierher, wo sie mit Jesus zusammen waren, bis sie in Begleitung der Söhne der Maria Heli, des Neffen des Zacharias, der Neffen des Joseph von Arimathäa, der Söhne von Johanna Chusa und Veronika über Juta mit einem Esel, der das nötige Gerät trug, nach Machärus zogen, welches nun bis auf wenige Soldaten ganz leer stand.

Jesus verweilte hier in der Gegend, um dem Pilatus nicht zu begegnen, der mit seiner Frau und einem Gefolge von fünfzig Personen von Jerusalem über Bethzur und Antipatris nach Apollonia auf dem Weg war, wo er sich nach Rom einschiffte, um gegen Herodes Klage zu führen.

Vor seiner Abreise aus Jerusalem hatte er mit seinen Beamten eine Unterredung über Jesus den Galiläer, der so große Wunder tue und jetzt in der Nähe von Jerusalem sich aufhalten solle. Pilatus fragte: «Zieht vieles Volk mit Ihm? Sind sie bewaffnet?» Nein, erwiderte man. Er zieht nur mit wenigen Schülern und Leuten ohne Amt aus geringem Stand und manchmal auch ganz allein umher. Er lehrt auf Höhen und in Synagogen und heilt die Kranken und gibt Almosen. Bei solchen Lehren kommt oft viel Volk zusammen, wohl mehrere Tausende! «Lehrt Er nicht gegen den Kaiser?» Nein, Er lehrt bessere Sitten und Barmherzigkeit und man solle dem Kaiser das Seine geben und Gott das Seine. Er soll aber oft von seinem Reich lehren, dass es nahe sei. Da sagte Pilatus: «Solange Er nicht mit Kriegsvolk oder mit einer bewaffneten Menge herumziehend seine Wunder tut, besteht keine Sorge. Hat Er den Ort verlassen, wo Er Wunder getan, und geht Er an einen andern, so wird man Ihn vergessen und verlästern. Ich höre ja, dass die jüdischen Priester selbst gegen Ihn schelten. Er bringt keine Gefahr. Zieht Er aber einmal mit bewaffnetem Volk herum, so muss man sein Treiben beenden!»

Pilatus hatte schon mehrere Händel mit den Juden gehabt. Sie hassen ihn sehr. Einmal hat er römische Fahnenbilder in die Stadt bringen lassen, worüber die Juden aufrührerisch wurden.

Ein andermal sah ich seine Soldaten an einem Fest, wo die Juden keine Waffen führen, noch Geld berühren, in den Tempel gehen und den Opferstock aufbrechen und alles Geld herausnehmen. Das war, als Johannes noch bei On am Jordan taufte und Jesus aus der Wüste kam.

Von Libna wandte sich Jesus nach Bethzur, das etwa zehn Stunden nördlich von Libna und zwei Stunden von Jerusalem entfernt ist. Bethzur ist eine Festung mit Türmen, Wällen und Gräben, welche etwas zerfallen sind. Doch nicht so sehr als die von Bethulien. Die Stadt ist wohl so groß als Bethoron. Von der Seite, woher Jesus kam, liegt sie nicht steil. Zwischen Bethzur und Jerusalem aber liegt ein schönes Tal. Man kann von den hohen Punkten des einen den andern Ort sehen, von einer andern Seite ist Bethzur steil und recht gemacht, Feinde abzuwehren. Einmal war die Arche des Bundes eine Zeitlang ganz öffentlich hier.

Jesus wurde zu Bethzur sehr gut empfangen. Lazarus und andere jerusalemische Freunde waren schon hier. Man wusch Ihm und den Jüngern die Füße und reichte ihnen mit viel Liebe, was sie bedurften, im Überfluss. Jesus wohnte in einer Herberge bei der Synagoge.

Die drei Könige waren von Jerusalem zur Krippe reisend an Bethzur vorübergekommen, hatten bei einer Karawanserei gefüttert und den Stern in der Gegend hier wieder erblickt.

Bethzur darf nicht verwechselt werden mit einem Bethsoron zwischen Bethlehem und Hebron, bei welchem Philippus den Diener der Königin Candaze taufte. Sie nennen dieses auch Bethzur.

In Bethzur heilte Jesus ohne Störung in einzelnen Häusern schwerkranke alte Leute, unter andern Wassersüchtige. Die Leute waren hier sehr gut gesinnt und die Vorsteher der Synagoge führten Jesus selbst in die Häuser. Er lehrte auch in der Schule und ich sah Ihn eine große Anzahl von Kindern segnen, erst Knaben, dann Mädchen Er hatte viel mit den Kindern zu tun, heilte auch einige.

8. Abholung und Bestattung des Leichnams des heiligen Johannes

Als Saturnin mit den Jüngern vor Machärus ankam, stiegen sie mit drei handbreiten festen Stangen, die sie unter dem Arme trugen, mit einer ledernen Hülle in zwei Teilen, mit Schläuchen, Beutelbüchsen, aufgerollten Tüchern, Schwämmen und andern Instrumenten den Schlossberg hinan. Die hier bekannteren Jünger verlangten von der Schlosswache eingelassen zu werden, was sie aber nicht gestattete. Da zogen sie sich zurück, gingen um den Wall herum und stiegen in der Gegend beim Gefängnis des Johannes, einer auf den Schultern des andern, über drei Wälle und zwei Gräben. Es war, als helfe ihnen Gott, so schnell und ohne Störung kamen sie hinüber. Nun stiegen sie durch eine runde Öffnung von oben in die inneren Räume. Als die zwei Soldaten, welche die Vorhöfe bewachten, sie bemerkten und mit ihrer Fackel nahten, traten die Jünger ihnen entgegen und sagten: «Wir sind die Jünger des Täufers und wollen den Leib unseres Meisters holen, den Herodes ermorden ließ.» Die Soldaten aber taten ihnen nichts, sondern öffneten den Kerker, weil sie, über Herodes wegen der Ermordung des Johannes erbittert, an dem guten Werke auch teilnehmen wollten. Es hatten mehrere Soldaten schon vor einigen Tagen die Flucht ergriffen.

Als sie in den Kerker traten, erlosch die Fackel und ich sah den ganzen Kerker mit Licht erfüllt. Ich weiß nicht, ob auch sie dieses Licht sahen, aber ich meine schier, es muss so gewesen sein, denn sie taten alles so schnell und fertig, als sei es heller Tag. Die Jünger eilten zu Johannes hin, sich weinend auf ihn beugend. Außer ihnen erblickte ich die Erscheinung einer großen leuchtenden Frau in dem Kerker. Sie sah beinahe aus wie die Mutter Gottes in ihrem Tod. Erst später erkannte ich in ihr die heilige Elisabeth. Denn anfangs war sie mir so natürlich, indem ich sie alles mittun sah, dass ich mich manchmal besann, wer sie doch wohl sei und wie sie nur mit hereingekommen wäre.

Der Leichnam lag noch mit dem härenen Gewande überdeckt. Die Jünger gingen schnell an die Leichenbereitung. Sie breiteten Tücher aus, legten den Leib darauf und wuschen ihn. Wasser hatten sie in Schläuchen bei sich, und die Soldaten brachten noch einige braune Schüsseln. Judas Barsabas, Jakob und Heliachim waren mit der Bereitung beschäftigt: die andern halfen. Die Erscheinung sah ich aber immer mitbeschäftigt, und es war, als tue sie alles: Aufdecken, Zudecken, Legen, Wenden, Wickeln, und wonach jeder griff, das war da: es schien eine ungemeine Beschleunigung und Ordnung durch sie hervorgebracht. Ich sah, dass sie den Leichnam öffneten und die Eingeweide herausnahmen und in einen Schlauch taten. Dann packten sie allerlei Gewürze um ihn und wickelten ihn ganz fest in Binden. Er war um den Leib ganz erstaunlich dünn und schien überhaupt wie ausgetrocknet.

Unterdessen hatten andere Jünger eine Menge seines Blutes, das auf der Stelle geronnen lag, wo sein Haupt hingefallen war und wo sein Leib gelegen hatte, aufgenommen und in die leeren Büchsen getan, worin das Gewürz gewesen. Sie legten dann den eingewickelten Leib in die lederne Hülle und schlossen sie durch einen oben durchgesteckten Stock und steckten die zwei leichten Stangen, welche, obwohl sehr dünn, doch nicht schwankten, durch Riemen, die an dem ledernen Troge waren. Darüber aber deckten sie das Fell des Johannes, womit er gewöhnlich bekleidet war, und trugen zu zweit den heiligen Leib hinaus. Die andern trugen die Eingeweide in dem ledernen Schlauche und das Blut in den Büchsen. Die beiden Soldaten aber verließen Machärus mit ihnen und führten sie durch schmale Wege hinter den Wällen durch jenen unterirdischen Gang hinaus, durch den Johannes in die Gefangenschaft hereingebracht worden war. Alles ging mit unbeschreiblicher Rührung und Schnelligkeit vor sich.

Ich sah sie anfangs ohne Licht mit eiligen Schritten den Berg hinabziehen: später sah ich eine Fackel bei ihnen und dass zwei den Leib zwischen den Stangen auf den Schultern trugen und die andern nachzogen. Ich kann gar nicht sagen, wie rührend dieser Zug durch die Nacht mit der Fackel so still und schnell dahinzog. Es war, als schwebten sie. Da sie bei grauendem Tag über den Jordan schifften, wo Johannes zuerst getauft, und sie ihm gefolgt waren, wie weinten sie da! Sie zogen aber dicht am Toten Meer herum immer durch einsame Pfade und die Wüste und kamen durch das Tal der Hirten gegen Bethlehem, wo sie in einer Höhle mit der Leiche bis zur Nacht blieben und dann nach Juta weiterzogen. Vor Tagesanbruch kamen sie in die Nähe des Grabes von Abraham und brachten den Leichnam in eine Höhle bei den Zellen der Essener, welche den Tag über den Leib bewachten,

Gegen Abend, um die Stunde, da unser Herr auch gesalbt und in das Grab gelegt worden ist, und auch an einem Freitag, sah ich den Leib von den Essenern zu der Gruft bringen, wo Zacharias und viele Propheten lagen und wo Jesus neulich aufräumen ließ.

Die verwandten Frauen und Männer des Täufers waren mit den Jüngern und den beiden von Machärus mitgekommenen Soldaten im Grabgewölbe versammelt und mehrere von den Essenern, darunter sehr alte Leute in langen weißen Kleidern, welche dem Johannes in der ersten Zeit seiner Verborgenheit in der Wüste Unterhalt gegeben hatten. Die Frauen waren weiß gekleidet in langen Mänteln und verschleiert: die Männer trugen schwarze Trauermäntel und hatten schmale Bahnen um den Hals hängen, welche an den Enden in Streifen zerrissen waren. Es brannten viele Lampen in dem Gewölbe. Der Leib wurde auf einen Teppich gelegt, losgewickelt und unter vielen Tränen mit Salben, Gewürzen und Myrrhen einbalsamiert. Es war ein herzzerreissender Anblick für sie: der Leib ohne Kopf. Sie waren sehr betrübt, ihm nicht in das Antlitz sehen zu können, und suchten mit der Seele nach ihm in der Ferne. Jeder fügte ein Myrrhen-Büschchen oder anderes Gewürz hinzu, und dann legten die Jünger den eingewickelten Leib auf das über dem seines Vaters eingehauene Grablager, dessen Gebeine sie gereinigt und neu eingewickelt hatten.

Nun ward noch eine Art Gottesdienst von den Essenern gehalten, welche den Johannes als einen der ihrigen, ja als einen ihnen verheißenen Propheten verehrten. Es stand ein tragbarer Altartisch zwischen den beiden Reihen, die sie bildeten, und einer verrichtete mit zwei Gehilfen den Dienst. Alle legten kleine Brote auf den Altar, in dessen Mitte die Figur eines Osterlammes lag, das sie mit allerlei Kräutern und Zweiglein bestreuten. Auf dem Altar lag ein rotes und darüber ein weißes Tuch. Auch das Bild des Lammes schimmerte anfangs rot und dann weiß: es waren vielleicht Lampen darunter und schienen durch die roten und dann durch die weißen Decken. Der Priester las aus Rollen, räucherte, segnete und sprengte mit Wasser. Alle sangen, wie im Chor. Die Johannes-Jünger und Verwandten standen in Reihen umher und sangen mit. Der Älteste hielt eine Rede von der Erfüllung der Prophezeiungen, von der Bedeutung des Johannes, und sprach mehreres, was auf Christus deutete. Ich erinnere mich noch, dass er vom Tod der Propheten und vom Tod des Hohenpriesters Zacharias sprach, der zwischen Tempel und Altar ermordet wurde. Er sagte auch, dass Zacharias, des Johannes Vater, ebenso ermordet worden sei zwischen Tempel und Altar, jedoch in höherer Bedeutung: Johannes aber sei der wahre Blutzeuge zwischen Tempel und Altar. Er deutete damit auf Christi Leben und Tod.

Die Zeremonie mit dem Lamme hatte Bezug auf ein prophetisches Bild, das Johannes in der Wüste einem Essener mitgeteilt hatte und das sich auf das Osterlamm, auf das Lamm Gottes, auf Jesus, das Abendmahl, die Passion und den Opfertod bezog. Ich glaube nicht, dass sie dieses ganz verstanden: sie taten es in einem prophetischen, vorbildlichen Geiste, wie sie denn viel Prophetisches unter sich hatten.

Der Älteste teilte den Jüngern nach der Handlung die kleinen Brote wieder aus, die auf dem Altar gelegen, und gab jedem ein Zweiglein, das auf dem Lamm gesteckt hat. Die andern Verwandten erhielten auch Zweige: aber nicht die von dem Lamm. Die Essener aßen die Brote. Darnach wurde das Grablager zugesetzt.

Die heiligeren unter den Essenern hatten große Kenntnis und prophetische Einsicht von der Zukunft des Messias und auch von der inneren Bedeutung und dem Bezug der jüdischen Religionsbräuche auf Ihn. Vier Generationen vor der Geburt der heiligen Jungfrau hatten sie aufgehört, blutige Opfer zu bringen, weil sie die Annäherung des Lammes Gottes erkannten. Es war auch ihre Keuschheit und Enthaltung ein Dienst, welchen sie dem künftigen Heiland verrichteten. Sie erkannten die Menschheit als seinen Tempel, dem Er nahe, und wollten alles tun, ihn rein und unbefleckt zu erhalten. Sie wussten, wie oft die Annäherung des Heiles durch die Sünden der Menschen aufgehalten worden war, und wollten mit ihrer Reinheit und Keuschheit für die Sünden der andern genugtun.

Alles dieses war in ihrem Orden von einzelnen Propheten auf geheimnisvolle Weise eingerichtet, ohne dass sie jedoch insgesamt zu Jesu Zeit ein klares Bewusstsein davon gehabt hätten. Sie waren, was die Sitten und den Gottesdienst betrifft, Vorläufer der künftigen Kirche. Sie hatten früher vieles beigetragen zur geistlichen Pflege und Führung der Voreltern Mariä und anderer heiligen Geschlechter, und die Pflege des Johannes in seiner Jugend war ihr letztes größeres Werk.

Die Erleuchteten unter ihnen kamen teils zu Jesu Zeit unter die Jünger, teils nachher in die Gemeinde und bildeten den Geist der Entsagung und des geordneten Lebens durch ihre lange Gewohnheit aus und brachten auch den Grund zu dem ersten christlichen Einsiedler- und Klosterleben mit. Eine große Menge unter ihnen aber, welche nicht zu den Früchten, sondern zu dem dürren Holze gehörten, blieben in ihren Gebräuchen abgesondert und erstarrten zu einer Sekte, welche später mit vielerlei heidnischen Spitzfindigkeiten sich vermischte und eine Mutter vieler Ketzereien wurde, als die Kirche bereits bestand.

Jesus hatte keine besondere Gemeinschaft mit ihnen, noch eine Ähnlichkeit in seinen Sitten, war auch mit einzelnen derselben in keiner genaueren Berührung als mit den anderen frommen und wohlwollenden Leuten. Er war vertraut mit mehreren der verehelichten Essener, welche Freunde der Heiligen Familie gewesen waren. Da die Essener nicht gegen Ihn stritten, hatte Er auch keinen Streit gegen sie: und sie werden nicht im Evangelium erwähnt, weil Er nichts an ihnen zu rügen hatte als was Er überhaupt an allen Menschen rügte. Es wurde auch nicht ausgesprochen, dass viel Gutes unter ihnen sei, weil die Pharisäer sonst gleich gesagt hätten, Er sei von dieser Sekte.

Als durch die Dienerschaft der Herodias in Machärus ruchbar wurde, wohin das Haupt des Johannes geworfen worden war, reiste Johanna Chusa mit Veronika und einer Verwandten des Täufers dahin, um Versuche zu machen, das Haupt zu erhalten: allein, solange die überwölbte Kloake nicht geöffnet und abgelassen war, konnte man nicht zu dem Haupt, das auf einem aus der Mauer vorspringenden Steine lag, gelangen. So vergingen noch ein paar Monate bis in Machärus allerlei Bauwerke und Geräte, die zu des Herodes Hofleben gedient hatten, weggeschafft und alles mehr für Soldaten und Verteidigung eingerichtet wurde. Die Gräben wurden gereinigt und ausgebessert und neue Anlagen umher gemacht. Ich sah dabei etwas Kurioses. Man machte Gruben und füllte sie mit brennbaren Sachen, deckte sie wieder zu und pflanzte Bäume darüber, so dass man sie nicht entdecken konnte. Sie konnten aber entzündet werden, so dass alles wie Sand weit auseinanderschlug und einstürzte. Solche Anstalten wurden in weitem Umkreis um die Mauern gemacht-

Es waren viele Leute hier, welche, was abgerissen wurde, hinwegtrugen und aus den Gräben den Schlamm auf ihre Felder führten. Unter diesen Leuten hielten sich einige Frauen von Juta und Jerusalem mit Knechten auf, bis der tiefe, steile Graben gereinigt wurde, in welchem das heilige Haupt sich befand. Sie beteten jede Nacht, fasteten und flehten zu Gott, es zu finden. Der Grund dieses Grabens war wegen des Berges aufsteigend. Das ganze untere Ende war schon gereinigt und ausgeleert. Man musste von da an hervorspringenden Steinen zu der höheren Stelle klettern, wohin die Knochen aus der Küche herabgeworfen wurden und wo das Haupt lag. Es lag da ein hoher Haufen Knochen und es war weit vom Eingang herein bis an diese Stelle.

Während die Arbeiter zum Essen gingen, ließen erkaufte Leute die Frauen in den Graben hinein, der rein bis zu jenem Knochenhaufen war. Sie beteten fortwährend, Gott möge sie das heilige Haupt finden lassen, und stiegen mit Mühe hinan. Da sahen sie das Haupt auf einem vorspringenden Stein aufrecht auf dem Hals stehen, als schaue es ihnen entgegen, und sahen einen Glanz, wie zwei Flammen dabei. Sie hätten sich sonst irren können, denn es lagen noch andere Menschenköpfe in der Kloake. Das Haupt war traurig anzusehen: das braune Angesicht war mit Blut überronnen, die Zunge, welche Herodias durchstochen, sah aus dem offenen Munde hervor, die gelben Haare, bei welchen es die Henker und Herodias gefasst hatten, standen starr empor. Die Frauen verhüllten es mit einem Tuch und trugen es mit eilenden Schritten hinweg.

Kaum hatten sie eine Strecke Wegs gemacht, als wohl tausend Soldaten des Herodes zum Schloss zogen und die paar Hunderte ablösten, die darauf waren. Sie versteckten sich vor denselben in einer Höhle. Als sie aber ihren Weg durchs Gebirge weiter fortsetzten, fanden sie einen Soldaten, der, durch einen Fall am Knie schwer verwundet, auf dem Weg ohnmächtig liegen geblieben war. Hierher waren ihnen der Neffe des Zacharias und ein paar Essener entgegengekommen. Sie legten dem Verwundeten das heilige Haupt auf, und er kam zu sich, richtete sich auf und sprach, er habe den Täufer gesehen, der ihm geholfen habe. Sie waren sehr gerührt, wuschen seine Wunden mit Öl und Wein und brachten ihn in eine Herberge, ohne ihm jedoch etwas von dem Haupt des Johannes zu sagen. Sie zogen nun weiter, sich so einsam haltend wie bei der Leichenabholung des Johannes. Sie brachten das Haupt zu den Essenern bei Hebron, wo kranke Essener damit berührt auch wieder genasen. Von den Essenern wurde das Haupt gereinigt, kostbar balsamiert und mit Feierlichkeit zu dem Körper ins Grab gebracht.

9. Jesus in Bethanien und Jerusalem. Heilung des achtunddreißig Jahre lang kranken Mannes

Von Bethzur war Jesus mit Lazarus und den Jüngern an mehreren Orten, auch an Emmaus vorüber nach Bethanien gewandelt. Er lehrte auf dem Weg da und dort vor Leuten, welche mit dem Aufbinden der Hecken beschäftigt waren, welche schon grünten.

Ungefähr eine Stunde von Bethanien kamen ihnen Martha, Magdalena und eine Witwe Salome entgegen, welche schon lange in Bethanien bei Martha wohnte. Diese Frau ist von Josephsbrüdern her der Heiligen Familie verwandt und war bei Jesu Grablegung. Sie kamen bis zu der Herberge des Lazarus in der Wüste, von wo sie in der Dämmerung nach Bethanien zurückkehrten.

Die vier Apostel und mehrere Jünger, welche Jesus am Tabor ausgesandt hatte, kamen an diesem Abend auch in Bethanien an und erfuhren erst hier den Tod des Johannes mit großer Betrübnis bestimmt. Sie erzählten, wie sie gelehrt und auf die Weise geheilt hätten, wie Jesus sie gelehrt und wie man an einem Orte mit Steinen nach ihnen geworfen habe. Sie seien aber nicht getroffen worden. Sie waren zuletzt in Saron nahe bei Lydda gewesen.

Als alles im Haus des Lazarus zur Ruhe war, ging Jesus allein in der Nacht zum Ölberg und betete an einsamer Stelle. Der Ölberg war sehr grün, mit vielen edlen Hölzern bewachsen und hatte viele einsame Winkel.

Magdalena bewohnt die Wohnung der stillen Maria, kleine Gemächer: oft sitzt sie in einem engen Raum, wie in einem Turm: es ist dieses ein Bußwinkel. Sie weint noch sehr viel, ist zwar nicht mehr krank, aber von Reue und Buße ganz zermalmt, bleich und abgezehrt.

In den letzten Tagen waren zwei Fasttage, und jetzt nach dem Sabbat kamen ein Freudenfest, das drei Tage dauerte. Es hätte schon früher einfallen sollen, ist aber verschoben worden. Es ist ein Fest, an dem für alle Gnaden gedankt wird vom ersten Anfang der Ausführung aus Ägypten an. Es braucht aber nicht in Jerusalem gefeiert zu werden: man kann es überall feiern. Es sind auch sehr viele von den obersten Priestern und größten Feinden Jesu von Jerusalem weggereist, da jetzt Pilatus abwesend ist und sie nichts zu fürchten haben und nicht so viel zu hüten, als wenn er da ist.

Am folgenden Morgen ging Jesus mit den Jüngern nach Jerusalem und kehrte bei Johanna Chusa ein, Martha und Magdalena waren nicht dabei.

Gegen zehn Uhr sah ich Jesus im Tempel, wo Er auf dem Lehrstuhl im Vorhof der Frauen das Gesetz las und lehrte. Man bewunderte seine Weisheit und niemand störte oder machte Einwürfe. Die anwesenden Priester mochten Ihn kaum kennen und die Ihn kannten, waren Ihm nicht entgegen: seine Hauptfeinde, die Pharisäer und Sadduzäer, waren meistens verreist.

Ungefähr nach drei Uhr ging Jesus mit einigen Jüngern an den Teich Bethesda. Er ging aber an der äußersten Seite durch ein Tor, welches geschlossen war und nicht mehr gebraucht wurde. Dahin waren die Ärmsten und Verlassensten geschoben, und bis an dieses Tor, den entferntesten Winkel, war ein 38 Jahre kranker, lahmer Mann zurückgedrängt, der in einer Kammer der Männer lag.

Als Jesus an dem geschlossenen Tor pochte, öffnete es sich. Er ging an dem Kranken vorüber hinab zu den Gängen, welche dem Teich näher waren, wo allerlei Kranke saßen und lagen, und lehrte. Die Jünger teilten den Ärmeren Kleider und Brote, Decken und Tücher aus, welche die Frauen ihnen gegeben hatten. Den Kranken, welche meist sich selbst oder Dienern überlassen hier lagen, waren dieser Trost und diese Liebesdienste eine ganz neue Erfahrung und sie waren sehr gerührt. Jesus lehrte an verschiedenen Stellen und fragte dann mehrere, ob sie glaubten, dass Gott ihnen helfen könne, ob sie wünschten, geheilt zu sein, ob sie ihre Sünden bereuen, Buße tun und sich taufen lassen wollten? Da Er aber ihnen ihre Sünden nannte, wurden sie sehr erschüttert und sagten: «Meister, Du bist ein Prophet! Du bist wohl Johannes!» Dessen Tod war noch nicht allgemein bekannt und an vielen Orten ging noch das Gerede von seiner Befreiung umher. Jesus sprach aber nur in allgemeinen Ausdrücken, wer Er sei, und heilte mehrere. Die Blinden ließ Er die Augen mit Wasser aus dem Teich waschen, mischte Öl darunter und sagte ihnen, still nach Hause zu gehen und nicht viel davon bis nach dem Sabbat zu reden. Die Jünger heilten in den andern Gängen. Alle Geheilten aber mussten sich in dem Teich waschen.

Da aber durch diese Heilungen Aufsehen entstand, indem bald hier, bald dort einer zum Teich kam, sich zu waschen, ging Jesus mit Johannes nach jenem entlegenen Ausgang zurück zu der Stelle, wo der Mann lag, der schon 38 Jahre lang krank war. Er war ein Gärtner, der sonst an den Hecken gearbeitet und Balsamstauden gezogen hatte. Nun aber so lange schon krank und hilflos, war er ganz verkommen und lag als ein öffentlicher Armer hier, der die übrigen Brocken der andern Kranken aß. Er war auch, weil er seit so vielen Jahren hier war, von jedermann als der unheilbare Kranke gekannt. Jesus redete ihn an, ob er gesund sein wolle? Er aber gar nicht meinend, dass Jesus ihn heilen wolle, sondern nur im allgemeinen frage, warum er hier liege, erwiderte, dass er keine Hilfe habe, keinen Diener oder Freund, der ihm hinab in den Teich helfe, wenn das Wasser bewegt werde: bis er aber hinabkrieche, seien ihm schon andere zuvorgekommen und hätten die Stellen, wo die Stufen in den Teich führten, eingenommen. Jesus sprach noch länger mit dem Mann, stellte ihm seine Sünden vor Augen, erregte seine Reue und sagte, er solle nicht mehr in Unreinigkeit leben und nicht wieder gegen den Tempel lästern: denn dadurch hatte er sich seine Krankheit als Strafe zugezogen. Er tröstete ihn auch, dass Gott alle wieder annehme und allen helfe, welche sich reumütig an Ihn wenden. Der arme Mann, dem nie ein Trost geworden, der in seinem Elend ganz verrottet und verdumpft war und oftmals murrte, dass ihm niemand helfe, ward durch diese Reden des Herrn ganz gerührt, und Jesus sprach: «Steh auf, nimmt dein Bett und wandle!» Dies ist aber nur der Hauptbegriff von dem, was Jesus ihm sagte: denn Er hatte ihm auch befohlen, zum Teich hinabzugehen und sich zu waschen, und hatte einem Jünger, der herankam, gesagt, diesen Mann in eine der kleinen Wohnungen für Arme zu führen, welche die Freunde Jesu am Coenaculum auf dem Berg Sion eingerichtet hatten, welches Joseph von Arimathäa mit seiner Steinmetzenarbeit innehatte.

Der bisher lahm und ganz unrein im Gesicht gewesene Mann nahm sein zerlumptes Lager zusammen, ging gesund zum Teich hinab und wusch sich. Er war so eilig und freudig, dass er schier sein Bett vergessen hätte. Der Sabbat begann und Jesus ging unbemerkt durch das Tor bei der Hütte des Kranken mit Johannes hinaus. Der Jünger, der den Kranken meIden sollte, ging voraus, und der Kranke wusste, wohin er gehen sollte. Da er nun aus den Gebäuden des Teiches Bethesda hinausging und einige Juden sahen, dass er geheilt war, meinten sie, die Gnade des Teiches habe ihn geheilt, und sagten zu ihm: «Weißt du nicht, dass es Sabbat ist? Du darfst dein Bett nicht tragen!» Der Mann sagte aber: «Der mich geheilt hat, sagte mir: Steh auf, nimm dein Bett und wandle!» Sie fragten ihn: «Wer ist der Mensch, der zu dir sagte: Nimm dein Bett und wandle?» Das wusste der Mann aber nicht, denn er kannte Jesus nicht und hatte Ihn sonst nie gesehen. Jesus war aber schon weg und die andern Jünger auch.

Was im Evangelium bei diesem Wunder steht, dass dieser Mann Jesus im Tempel sah und Ihn zeigte, dass Dieser es sei, der ihn geheilt habe, und dass Jesus einen Disput deswegen über das Sabbatheilen mit den Pharisäern hatte (Joh 5, 15 usw.), ist erst auf einem andern Fest geschehen und von Johannes hier gleich zusammengeschrieben. Ich habe diese Erklärung ausdrücklich dabei erhalten.

Durch diese Juden, welche dem Geheilten das Tragen seines Bettes am Sabbat verwiesen, kam aber, nachdem Jesus Jerusalem verlassen hatte, die Heilung dieses Mannes, den alle Leute als unheilbar kannten, ins Gerücht und machte vieles Aufsehen. Die andern Kranken, die Er und die Jünger am Teich Bethesda geheilt hatten, wurden nicht weiter beachtet. Man schrieb es dem Wunder des Teiches zu. Auch erregten sie keine Aufmerksamkeit, weil es nicht am Sabbat geschehen war und sie hatten Jesus auch an den Eingängen, wo die Wächter oder Vorsteher des Teiches sich befanden, weder ein- noch ausgehen sehen. Im Innern der Teichumgebungen waren um diese Zeit außer den armen Kranken, welche in den Mauerzellen liegen blieben, wenig Leute gegenwärtig, da die Wohlhabenderen sich bereits nach Hause hatten bringen lassen. Denn in der letzten Zeit erfolgte die Bewegung des Wassers nur selten und meist nur bei Sonnenaufgang, da sich dann die, welche Bedienung hatten, herantragen ließen. Überhaupt war diese Heilanstalt sehr in Verfall und ein Teil der Mauern an einer Seite etwas verwüstet. Es fanden sich auch nur gläubige und solche Leute noch ein, wie die bei uns, welche noch die Wallfahrtsorte besuchen.

Es war dieses der Teich, in welchem Nehemias das heilige Feuer verborgen hatte, und ein Stück des Holzes, womit es bedeckt gewesen war, ist später verworfen und ein Teil vom Kreuze Christi geworden. Die Wunderkraft des Teiches hatte sich, nachdem das heilige Feuer darin gewesen, gezeigt. In den ersten Zeiten sahen fromme und prophetische Kranke einen Engel sich niedersenken und das Wasser berühren. Später sahen dies wenige oder keine mehr, und die Zeiten waren bereits so, dass jene, die es etwa noch sahen, es doch nicht mehr sagten. Aber das Wasser erschüttert und aufsprudelnd sahen zu jeder Zeit viele. Dieser Teich wurde die Taufstelle der Apostel nach der Ankunft des Heiligen Geistes, und der Teich selbst war mit dem erschütternden Engel ein vorbildliches Geheimnis der heiligen Taufe zur Zeit des Osterlammes, welches das Vorbild des Abendmahles und des Erlösungstodes gewesen.

Jesus ging nach diesem Wunder mit den Jüngern in eine Synagoge am Tempelberg, wo auch Nikodemus und die andern Freunde den Sabbat hielten. Er lehrte nicht, sondern betete und hörte die Sabbatlesungen mit an. Man las vom Auszug aus Ägypten und dem Durchzug durchs Rote Meer und auch von der Prophetin Debbora Ex 13, 17 bis 15, 27 und Rich 4, 4, bis 5, 32. Es wurde aber auch ein Gesang vom Durchgang durchs Rote Meer gesungen, in welchem alle Wohltaten nach und nach vorkamen, die Gott den Juden, besonders zu ihrem Gottesdienst und am Tempel erwiesen hatte. Es wurde weitläufig von allen Kleidern und Zierden gesungen, die Gott am Sinai verordnet hatte, auch von Salomo und der Königin Saba. Dieser Sabbat heißt Beschallah, und gleich nach ihm tritt jetzt das drei Tage dauernde Fest ein, dessen Name wie Ennorum lautete und das zugleich Schluss und Anfang und Danksagung für alles und für alle Feste ist. Sie dankten in dem Gesang für sehr vieles, was ihnen Gott von Anfang an getan, für die Rettung aus Ägypten und dem Roten Meer, für Gesetz, Bundeslade, Stiftshütte, Priesterkleider und Tempel und für den weisen Köng Salomo und baten wieder um einen so weisen König. Es ist auch mit diesem Fest, welches schon vor Salomo und dem Tempel durch einen Propheten veranlasst worden, eine Belustigung verbunden, welche Salomo bei Gelegenheit der Geschenke der Königin Saba, welche ihn so verehrt hatte, gestiftet hat. Von diesen Geschenken hatte er den Priestern und dem Volk eine Erholung gegeben und es ist jetzt eine Art Vakanz daraus geworden, in der man sich belustigt und erholt. Weil man das Fest überall feiern kann, so reisen alle Pharisäer und Tempelbeamte, welche irgend nur loskommen können, auf Besuch aus, um für die bevorstehenden großen Feste Purim und Pascha sich neue Kräfte zu sammeln.

Es werden an diesem Fest auch viele Almosen gegeben. Sie backen sehr feine weiße Brote und teilen sie zum Andenken an das Manna in der Wüste unter die Armen aus. Dieses Fest ist wie das Amen von den Festen, das Fest vom Anfang und vom Ende.

Nach der Synagoge ging Jesus mit einigen Jüngern noch in den Tempel. Es waren wenige Leute mehr da. Die Leviten gingen hier und dort, räumten und füllten die Lampen mit Öl für Morgen. Jesus ging an ungewöhnlichen Orten zu ihnen. Er kam bis in die Vorhalle des Heiligen, wo der große Lehrstuhl steht. Er sprach mit den Leviten allerlei tiefe Reden. Sie hörten Ihn eine Zeitlang an. Dann kamen einige und verwiesen Ihm seine Kühnheit, hier zu ungewöhnlicher Zeit und an ungewöhnlichen Stellen herumzugehen, und nannten Ihn verächtlich Galiläer usw. Jesus antwortete ihnen sehr ernst von seinem Recht und vom Haus seines Vaters und ging von dort weg. Sie belachten Ihn und hatten doch heimlich Schrecken vor Ihm. Jesus blieb heute nacht in der Stadt.

Am folgenden Morgen heilte Jesus und die Apostel viele Kranke in den Seitengebäuden des Coenaculum, das von einem großen Hof umgeben, am Berg Sion liegt. Joseph von Arimathäa hat es für seine Steinhauerarbeiten in Miete. Die jerusalemischen heiligen Frauen waren mit allen möglichen Liebesdiensten um die Kranken beschäftigt, um deren willen Joseph von Arimathäa neulich nach Hebron gegangen war, um Jesus nach Jerusalem einzuladen. Die Kranken waren meistens gute, gläubige Leute von den Bekannten der heiligen Frauen und der Freunde Jesu und waren in der Nacht in den Hof des Coenaculum gebracht worden. Jesus heilte den ganzen Morgen und lehrte dazwischen bald bei dieser, bald bei jener Gruppe. Es waren Lahme, Blinde, Gichtbrüchige, Leute mit verdorrten und verkrümmten Händen und mit Geschwüren, Männer, Frauen und Kinder. Es waren auch viele beim Einsturz der Wasserleitung verletzte Männer darunter mit Kopfquetschungen und einzelnen beschädigten Gliedern.

Man ist in Jerusalem jetzt beschäftigt, in dem Tal den Schutt aufzuräumen. Es sind auch Mauern eingestürzt, welche den Abfluss des Wassers hemmten. Sie lassen nun Leute hinab in die Schlucht, die ausgraben müssen. Sie werfen ganze Bäume hinein und Steine dahinter, um zu dämmen.

Nachdem Jesus mit den Jüngern eine kleine Mahlzeit im Coenaculum eingenommen hatte, bei der auch die Geheilten gespeist wurden, ging Er mit den Jüngern in den Tempel zu dem öffentlichen Lehrstuhl, wo die Gesetzrollen lagen, begehrte die Rollen und lehrte über die Sabbatslektion. Es wurde vom Durchgang durchs Rote Meer und von Debbora gelesen und wieder der Psalm gesungen, der von dem Fest handelte. Es stand darüber, frühmorgens oder am Vorabend zu singen. Jesus lehrte zu aller Menschen Erstaunen. Niemand wagte, Ihm zu widersprechen. Nur einige Pharisäer fragten Ihn, wo Er studiert habe, wo Er das Recht erhalten habe, zu lehren und wie Er sich diese Freiheit nehmen könne? Jesus antwortete ihnen so stark und ernst, dass sie nichts zu entgegnen wussten. Dann verließ Er den Tempel und ging nach Bethanien mit den Jüngern und seinen Freunden.

Sein Aufenthalt wurde diesmal in Jerusalem wenig bemerkt, weil seine Hauptfeinde nicht anwesend waren. Nur da Er die Sabbatslehre im Tempel auf dem großen Lehrstuhl schloss, ward die Menge Seiner recht bewusst und sprach hie und da wieder von dem Galiläer. Alles war in Jerusalem jetzt nur mit dem Gerede vom Einsturz des Baues, vom Neid zwischen Herodes und Pilatus und der Abreise des Pilatus nach Rom beschäftigt, selbst von Johannis Tod war nur wenig die Rede. Wenn nicht gerade ein besonderes Aufsehen entstand, so sprach man von Jesus nicht viel. Es ist dort wie in andern großen Städten. Hie und da sagt man wohl, Jesus, der Galiläer, soll in der Stadt sein. Ein anderer sagt dann etwa, wenn Er nicht mit vielen Tausenden hier ist, wird Er nichts ausrichten.

In Bethanien war Jesus noch im Haus des Simon, der sich nicht öffentlich zeigte, denn er war krank, sein Aussatz begann. Er hatte viele rote Flecken an sich und war, in einen weiten Mantel gehüllt, in einem fernen Gemach. Jesus sprach mit ihm. Simon schien wie einer, der seine Krankheit noch nicht merken lassen will, aber er wird es nicht lange mehr können. Er zeigte sich mit Zurückhaltung.

Spät in der Nacht kamen die Jünger von Juta zurück, das sie nach dem Sabbat verlassen hatten, und erzählten Jesus, wie sie den Leib des Johannes von Machärus geholt und ihn neben seinem Vater begraben hätten. Die beiden Soldaten von Machärus waren auch bei ihnen. Lazarus hielt sie bei sich verborgen und wollte für sie sorgen.

Da Jesus zu den Jüngern sagte: «Wir wollen uns an einen einsamen Ort begeben, ausruhen und trauern, nicht um Johannis Tod, sondern dass es so kommen musste», dachte ich: Wie wird Er ausruhen? Denn die andern Apostel und Jünger sind bereits nach Kapharnaum zu Maria gegangen. Eine ganz erstaunliche Volksmenge ist von allen Orten, selbst aus Syrien und Basan herangezogen, und bei Chorazin ist alles mit Lagern von Menschen bedeckt, die auf Jesus warten.

10. Jesus löst in Thirza Gefangene aus

Als Jesus am frühen Morgen mit den sechs Aposteln und etwa zwanzig Jüngern Bethanien verließ, zogen sie ohne Aufenthalt und alle Orte vermeidend elf Stunden nördlich bis nach Lebona an der Südseite des Berges Garizim. Der heilige Joseph hatte vor seiner Vermählung mit Maria hier als Zimmermann gearbeitet und später noch Freundschaften im Ort gehabt. An einem Vorsprung des Berges lag allein eine Burg, wohin von Lebona der Weg zwischen Gebäuden und alten Mauern aufsteigend hinführte. Auf diesem Weg war die Werkstelle Josephs und hier kehrte Jesus mit allen seinen Jüngern ein. Er wurde, wenngleich unerwartet und zu später Zeit kommend, mit ungemeiner Freude und Verehrung aufgenommen. Es war eine Levitenfamilie und hier oben war auch die Synagoge.

Von Lebona wandelte Jesus mit den Jüngern den ganzen folgenden Tag mit raschen Schritten durch Samaria gegen den Jordan in nordwestlicher Richtung. Sie kamen über Aser-Michmethath, weilten kurze Zeit in der Herberge zu Aser und gingen noch bis vor Thirza, welches etwa eine Stunde vom Jordan und zwei von Abelmehola in einer ungemein reizvollen Gegend liegt. Auch hier in Thirza, wie in allen Orten des Weges hierher, wurde das Fest, das in Jerusalem begonnen hatte, sehr freudig gefeiert. Geschmückte Ehrenbogen waren aufgerichtet, sie hatten öffentliche Spiele und sprangen wie die Kinder bei uns über Laubgewinde um die Wette. Große Haufen von Getreide und Baumfrüchten waren im Freien aufgeschüttet und wurden an die Armen verteilt.

Thirza liegt in zwei Teilen auseinander. Ein Teil der Stadt reicht bis auf eine halbe Stunde zum Jordan hin. Die ganze Gegend ist so mit Gärten und Bäumen bedeckt, dass man die Stadt nicht eher sehen kann, als bis man vor ihr ist. Sie ist so von Gärten und verwüsteten Stellen unterbrochen, dass der vom Jordan entferntere Teil weniger einer Stadt als einzelnen zwischen Gärten und Mauerwerk zerstreuten Häusergruppen ähnlich sieht. Der Teil aber gegen den Jordan hin ist am besten erhalten und liegt ganz beisammen. Er ist über ein Tal so hoch hinweg gebaut, dass er auf Pfeilern ruht und dass eine Landstraße unter ihm, wie unter einer Brücke, hinwegführt. Dieser Weg ist sehr reizvoll. Man sieht durch das Tal voll grüner Bäume wie durch einen kühlen Keller wieder jenseits in das Freie.

Thirza, auf einer mäßigen breiten Anhöhe liegend, hat eine unbeschreiblich schöne Aussicht über den Jordan ins Gebirge. Es sieht gegenüber auf das nördlicher liegende und von Wald versteckte Jogbeha, rechts hinab in Peräa hinein, und man kann über den Spiegel des Roten Meeres sehen bis weit unter Machärus. Viele Blicke hat man auf den Jordan und sieht hie und da in seinen Krümmungen längere lichte Streifen seines Wassers zwischen grün bewachsenen Ufern hervorglänzen. Gegen Abend liegen von Thirza höhere Gebirge, welche es von Dothan trennen. Abelmehola liegt zwei Stunden nordwestlich in einer südlicheren Schlucht als die, wo Joseph von seinen Brüdern verkauft worden ist. Ringsumher in der Nähe sieht Thirza auf die vielen grünen Gärten und Haine voller Fruchtbäume und auf Terrassen an Spalieren gezogenen Balsam-Stauden und Paradies-Äpfeln, welche die Juden am Laubhüttenfest brauchen. Diese Bäume werden nur an sehr guten und sonnigen Lagen gezogen. Außerdem bauen sie Zuckerrohr, einen langen gelben Flachs, wie Seide, Baumwolle und ein Getreide mit dicken Stengeln, worin Mark ist. Die Einwohner treiben Fruchtbau und Gärtnerei. Viele beschäftigen sich auch damit, Flachs, Wolle, Zuckerrohre für den Handel zu bearbeiten. Die Straße, welche unter der Stadt durchgeht, ist die Heer- und Handelsstraße nach Tarichäa und Tiberias. Sie geht oft als tiefer Hohlweg zwischen Hügeln, wie hier, wo die Stadt auf Säulen über sie weggebaut ist.

Mitten in der Stadt, nämlich in ihrem ehemaligen Umfang, liegt auf einem großen öden Platze etwas hoch ein weitläufiges Gebäude mit dicken Mauern, mehreren Höfen und runden turmartigen Gebäuden, in welchen inwendig auch noch Höfe sind. Es ist das alte zerstörte Schloss der Könige von Israel, teils wüst liegend, teils zu einem Kranken- und Gefangenenhaus eingerichtet. Einzelne Teile davon sind überwachsene Ruinen, darauf allerlei Gartenanlagen. Auf dem Platz vor dem Haus ist ein Brunnen, dessen Wasser durch ein Rad, welches ein Esel bewegt, in ledernen Schläuchen gehoben wird und das sich in ein großes Becken ausgießt, von welchem es durch Rinnen nach allen Seiten in Tröge fließt, so dass jeder Teil des Orts seinen Wassertrog hat.

An diesem Brunnen kamen fünf Jünger von jenseits des Jordan mit Jesus und seinem Gefolge zusammen. Es waren die zwei geheilten leichter besessenen Jünglinge und jene zwei Männer, aus denen Jesus die Teufel in die Schweine getrieben hatte, und noch ein Fünfter. Sie hatten in den Städtchen des Gerasener Landes und in der Dekapolis nach dem Befehl Jesu ihre Heilung und das Wunder von den Schweinen bekannt gemacht, geheilt und die Nähe des Reiches verkündet. Sie umarmten die Jünger und wuschen sich untereinander die Füße an dem Brunnen. Jesus kam gerade von einem Haus vor der Stadt, wo Er mit den andern Jüngern übernachtet hatte. Diese fünf brachten Ihm Botschaft, dass alle seine Jünger, die Er in Obergaliläa ausgesandt hatte, nach Kapharnaum zurückgekommen seien und dass eine große Menschenmenge in der Gegend lagere und Ihn erwarte.

Nun ging Jesus mit den Jüngern zu dem Vorsteher der Kranken in das Schloss hinein und begehrte, zu ihnen geführt zu werden. Der Vorsteher führte Ihn hinein. Jesus ging durch Hallen und Höfe in die Zellen und Winkel der Kranken aller Art, lehrte, tröstete und heilte. Die Jünger waren teils bei Ihm und halfen die Kranken heben, tragen und führen. Teils waren sie in anderen Räumen, heilten selbst und bereiteten die Kranken vor. Es waren in einem Hof auch mehrere Besessene an Ketten, die schrieen und tobten, als Jesus ins Haus trat. Er gebot ihnen Ruhe, heilte sie und trieb die Teufel aus. Auch Aussätzige waren in einem ganz entlegenen Teil des Gebäudes, die Er heilte. Er ging aber allein zu ihnen. Die Geheilten, welche aus Thirza selbst waren, wurden von ihren Angehörigen in Empfang genommen. Jesus ließ sie mit Speise und Trank erquicken und den Armen Kleider und Decken geben, welche aus der Herberge von Bezech nach Thirza von den Jüngern gebracht worden waren.

Jesus ging auch zum Aufenthalt der kranken Frauen. Es war dies ein rundes, turmhohes Gebäude um einen Hof. Man stieg im Hof von außen des Gebäudes auf vorspringenden Stufen von einem Stockwerk zum andern empor. Im Innern des Gebäudes waren kleine Treppen, so wie bei uns. In den nach außen liegenden Räumen befanden sich kranke Frauen aller Art. Jesus heilte viele. In den Räumen, die in den innern, durch ein Tor geschlossenen Hof sahen, waren die gefangenen Frauen, einige wegen Ausschweifung, andere wegen kühner Reden, manche auch unschuldig. Es saßen auch viele arme Männer in diesem Gebäude in schwerer und schwerster Gefangenschaft, teils wegen Schulden, teils wegen Beschuldigung des Aufruhrs, manche auch, die man aus Feindschaft und Rache oder um sie aus dem Wege zu bringen hierher gesteckt hatte. Viele waren vergessen und in ihren Kerkern ganz verkommen. Von den geheilten Kranken und anderen Leuten hörte Jesus bittere Klagen darüber. Er wusste es wohl und war hauptsächlich wegen des allgemeinen Elendes hierher gekommen.

Thirza hatte viele Pharisäer und Sadduzäer und unter diesen waren viele Herodianer. Das Gefängnis aber war von römischen Soldaten bewacht und hatte einen römischen Vorgesetzten. Vor den einzelnen Gefängnissen waren Wohnungen von Aufsehern und Soldaten. Jesus ging zu diesen und wurde von ihnen zu jenen Gefangenen gelassen, mit welchen man sprechen durfte. Jesus ließ sich von allen ihre Not und Leiden klagen, ließ sie erquicken, lehrte sie, tröstete sie, und da viele Ihm ihre Sünden bekannten, vergab Er sie ihnen. Mehreren wegen Schulden Gefangenen und vielen andern versprach Er Loslassung, andern aber Linderung.

Hierauf ging Jesus zu dem römischen Befehlshaber, der kein böser Mann war, und sprach mit ihm sehr ernst und rührend über die Gefangenen und erbot sich, ihre Schulden zu bezahlen und teils für ihre Unschuld und Besserung Kaution zu stellen. Er verlangte auch, mit mehreren lang und schwer Gefangenen zu sprechen. Der Vorsteher hörte Jesus sehr ehrerbietig an, erklärte Ihm aber, dass alle diese Gefangenen Juden und unter Umständen hierher gebracht seien, wegen welcher er erst mit den jüdischen Vorstehern des Ortes und den Pharisäern sprechen müsse, ehe er Ihn zu diesen Leuten lassen und sein Anerbieten annehmen könne. Jesus sagte ihm, Er wolle mit den Vorstehern zu ihm kommen, wenn Er in der Synagoge gelehrt habe, und ging noch zu den gefangenen Frauen, tröstete und ermahnte sie, vernahm die Bekenntnisse und Buße mehrerer, vergab ihnen ihre Sünden, ließ ihnen Geschenke reichen und versprach ihnen Aussöhnung mit den Ihrigen.

So hatte Jesus von morgens neun Uhr bis nachmittags gegen vier Uhr in diesem Haus voller Not und Elend gearbeitet und hatte es ganz mit Freude und Trost erfüllt an einem Tag, wo hier allein alles betrübt war, während in der Stadt alles voller Freude jubelte. Denn es war der erste von den Freudentagen, die durch Salomo dem Fest Ennorum wegen der Geschenke der Königin Saba angefügt worden waren. Den Sabbat dieses ersten Tages hatte Jesus gestern abend schon in Bezech feiern sehen. Heute war hier in dem bewohnteren Teil der Stadt auch alles voller Freude. Auch hier waren Triumphbögen und Springen und Wettlaufen und Getreidehaufen, welche ausgeteilt wurden. Bei dem Kranken- und Gefangenenhaus aber war alles still. Jesus allein hatte an sie gedacht und die wahre Freude hierher gebracht. Er nahm mit den Jüngern in dem Haus vor der Stadt noch einen Imbiss von Brot, Früchten und Honig und sandte einige zum Gefängnis mit mancherlei Vorrat und Erquickung, während Er mit den übrigen zur Synagoge ging.

Es war bereits in der ganzen Stadt der Ruf von seinen Taten in dem Krankenhaus verbreitet. Viele Kranke waren genesen in die Stadt zurückgekommen und gingen in die Synagoge. Andere versammelten sich vor derselben, wo Jesus und die Apostel noch mehrere heilten. Die Pharisäer und Sadduzäer und viele heimliche Herodianer waren in der Synagoge. Auch Pharisäer von Jerusalem waren dabei, die hierher zur Erholung gekommen waren. Alle waren voller Gift und Bosheit über Jesu Tun, weil das Ihrige dadurch beschimpft wurde. Es waren sehr viele Menschen in der Schule, auch von Bezech, die hierher gefolgt waren. Jesus lehrte über das Fest und seine Bedeutung, sich zu erholen und Freude und Wohltun andern zu erteilen, auch wieder von den acht Seligkeiten: «Selig sind die Barmherzigen.» Er erzählte die Parabel vom verlorenen Sohn, die Er auch schon den Gefangenen erzählt hatte, sprach auch von diesen und den Kranken und ihrem Elend, wie sie vergessen und vernachlässigt seien, und wie andere sich mit dem bereicherten, was zu deren Unterhalt ausgesetzt sei. Er redete scharf gegen die Pfleger dieser Anstalten, von welchen sich einige unter den anwesenden Pharisäern befanden, die mit stummem Grimme zuhörten. Die Parabel vom verlorenen Sohn erzählte Er mit der Auslegung auf die, welche wegen Verbrechen gefangen saßen und Reue hatten, um sie mit den anwesenden Ihrigen auszusöhnen. Alles war sehr gerührt. Er erzählte hier auch die Parabel vom barmherzigen König und dem unbarmherzigen Knecht und legte sie aus auf jene, welche die armen Gefangenen schmachten ließen wegen kleiner Schuld, während ihnen selbst so große Schuld von Gott bis jetzt nachgelassen sei.

Die heimlichen Herodianer hier hatten die Leute durch allerlei Schikanen ins Gefängnis gebracht und Jesus deutete einmal unbestimmt auf sie, als Er in seiner Strafrede gegen die Pharisäer sagte: «Es sind wohl viele unter euch, welche wissen mögen, wie es mit Johannes beschaffen ist.» Die Pharisäer schmähten gegen Jesus und bedienten sich unter andern des Ausdrucks: er führe Krieg mit Hilfe der Frauen und ziehe mit ihnen herum, er werde keine großen Reiche mit diesem Heere erobern.

Jesus aber nötigte hierauf die Vorsteher, mit ihm zu dem römischen Aufseher der Gefangenen zu gehen, und verlangte die ganz Verlassenen loszukaufen. Dies alles wurde öffentlich vor vielem Volk gesprochen, und die Pharisäer konnten ihm nicht widerstehen. Als Jesus nun mit seinen Jüngern zu dem römischen Aufseher ging, folgte viel Volk, das ihn sehr lobte. Der Aufseher war viel besser als die Pharisäer, welche aus Bosheit die Summen sehr hoch ansetzten und für manchen musste Jesus das Vierfache bezahlen. Weil Er aber die Summen nicht bei Sich hatte, gab Er als Pfand eine dreieckige Münze, woran ein Pergamentzettel hing, auf welchen Er einige Worte schrieb und die Summen auf Magdalums Preis aussetzte, welches Lazarus für Erledigung von Armen, Schuldnern und Sündern bestimmt. Es war aber Magdalum ein bedeutenderes Gut als Bethanien. Die Seiten der dreieckigen Münze waren wohl drei Zoll groß, in die Mitte war eine Schrift, den Wert bezeichnend, eingeschlagen. An dem einen Ende hing sie an einem gegliederten beweglichen Metallstreifen, wie an einer Kette von wenig Gliedern, und hieran wurde die Schrift geheftet.

Nachdem dieses geschehen war, ließ der Aufseher die armen Gefangenen hervorholen. Jesus und die Jünger halfen dabei. Manche wurden aus dunklen Löchern heraufgezogen und waren ganz zerrissen, halb nackt und mit Haaren bedeckt. Die Pharisäer begaben sich grimmig hinweg. Manche waren ganz schwach und krank und lagen weinend zu Jesu Füßen, der sie tröstete und ermahnte. Er ließ sie kleiden, baden, speisen und sorgte für ihre Wohnung und Freiheit, hedoch noch unter Aufsicht im Bezirk des Gefängnisses und Krankenhauses, bis die Lösung in wenigen Tagen entrichtet sein werde. So geschah auch den gefangenen Frauen. Alle wurden gespeist, und Jesus und die Jünger bedienten sie und erzählten abermals die Parabel vom verlorenen Sohn.

So war dieses Haus auf einmal mit Freude erfüllt und erschien wie als ein Vorbild der Befreiung der Altväter aus der Vorhölle, denen Johannes nach seinem Tode die Nähe des Erlösers verkündete, Jesus und die Jünger übernachteten abermals in dem Haus vor Thirza.

Diese Ereignisse hier waren es, welche Herodes hinterbracht wurden und sein Augenmerk mehr auf Jesus lenkten, so dass er sagte: «Ist Johannes aus dem Grabe erstanden?» und Ihn nachher zu sehen wünschte. Er hatte wohl schon durch den allgemeinen Ruf und durch Johannes von Jesus gehört, aber nicht besonders auf Ihn geachtet. Jetzt aber, da sein Gewissen ihn drückte, war er auf alles sehr aufmerksam. Er wohnte in Hesebon und hatte seine Soldaten zusammengezogen, auch Römer, die er besoldete.

Von Thirza bis nach Kapharnaum, wohin nun Jesus mit den Jüngern wandelte, war ein Weg von achtzehn Stunden. Sie zogen nicht in dem Jordanstal hinauf, sondern am Gebirge Gilboe hin, das Tal von Abez durchschneidend und den Tabor zur Linken lassend. In der Herberge am See von Bethulia nahmen sie Einkehr und kamen tags darauf in Damna mit Maria zusammen, die mit mehreren Frauen dahin gereist war. Auch die sechs andern Apostel waren mit den Jüngern dahin gekommen. Bei Azanoth hatten die von Lazarus über Samaria gesandten zwei Soldaten von Machärus mit den Begleitern Jesu sich vereinigt.

11. Jesus in Kapharnaum und der Umgegend

In Kapharnaum waren nun nicht weniger als vierundsechzig Pharisäer aus allen Gegenden zusammengekommen. Schon auf der Herreise hatten sie den berühmtesten Heilungen nachgeforscht und die Witwe von Naim mit ihrem Sohn und Zeugen von Naim nach Kapharnaum berufen lassen wie auch den Knaben des Hauptmanns Achias von Gischala. Sie hatten den Serobabel und seinen Sohn, den Hauptmann Kornelius und seinen Knecht, Jairus und seine Tochter, mehrere Blinde und Lahme und alles, was von Geheilten in der Gegend war, sehr strenge verhört, untersucht und Zeugen abgehört.

Da sie bei allem bösen Willen nichts als Beweise für die Wahrheit der Wunder Jesu finden konnten, wurden sie noch ergrimmter und ihre Zuflucht war abermals, dass Er mit dem Teufel zu tun habe. Auch erklärten sie, Er ziehe mit schlechten Frauen herum, mache das Volk aufrührerisch, entziehe der Synagoge die Almosen, entheilige den Sabbat und prahlten, sie wollten Ihm nun das Handwerk legen.

Von allen diesen Drohungen und der Menge des andringenden Volkes eingeschüchtert und besonders furchtsam durch die Enthauptung des Johannes, waren alle Verwandten Jesu bemüht, Ihn zu bitten, Er möge sich nicht nach Kapharnaum begeben. Er möge seinen Aufenthalt anderswo aufschlagen. Sie schlugen Ihm viele Orte dazu vor: Naim, Hebron oder jenseits des Jordan, Jesus erklärte aber, sie sollten ruhig sein. Er werde nach Kapharnaum gehen, heilen und lehren. Wenn Er den Pharisäern gegenüberstehe, würden sie schweigen.

Den Jüngern sagte Er, als sie fragten, was sie nun ferner tun sollten. Er werde es ihnen sagen und den zwölfen die Gabe erteilen, so über den Jüngern zu stehen, wie Er über ihnen stehe. Als der Abend herangekommen war, trennten sie sich, Jesus ging mit Maria, den Frauen und Verwandten östlich über Serobabels Dorf zum Tal von Kapharnaum in Mariä Haus. Die Apostel und Jünger gingen andere Wege. In der Nacht war noch Jairus bei Jesus und erzählte Ihm auch von den Verfolgungen. Jesus beruhigte ihn. Jairus war von seinem Amt entlassen und nun ganz Jesu angehörend.

Kapharnaum ist voll von Fremden, Kranken und Gesunden, Juden und Heiden. Alle umliegenden Grundstücke und Höhen sind mit Lagern bedeckt. In allen Orten und Bergwinkeln grasen Kamele und Esel. Auch jenseits des Sees sind die Täler und Höhen mit Menschen besät, die auf Jesus warten. Es sind Leute aus allen Teilen des Landes, aus Syrien, Arabien, Phönizien, selbst aus Zypern hier.

Jesus besuchte den Serobabel, Kornelius und Jairus. Seine Familie ist ganz bekehrt, die Tochter ist viel gesünder als sonst und sehr züchtig und fromm. Jesus begab sich hierauf zum Haus des Petrus vor der Stadt, das ganz mit Kranken angefüllt war. Auch Heiden waren nun hier, was sonst nicht gewesen. Die Menge der Kranken war so groß, dass die Jünger Gerüste gemacht hatten, um den einen höher als den andern zu legen. Nicht allein Jesus wurde überall von Kranken aufgesucht, auch die Apostel und Jünger wurden angerufen: «Bist du ein Jünger des Propheten? Erbarme dich meiner! Hilf mir! Bringe mich zu Ihm!» Jesus und die Apostel und etwa vierundzwanzig Jünger lehrten und heilten den ganzen Morgen. Es waren auch Besessene hier, welche Jesus ausschrieen und deren Teufel ausgetrieben wurden. Die Pharisäer waren nicht hier, aber Lauerer und Halbgesinnte.

Nachdem Jesus geheilt hatte, begab Er sich in die Halle und lehrte. Es folgten Ihm die Genesenen und andere Leute dahin. Die Jünger fuhren teils fort zu heilen, teils waren sie um Ihn. Er lehrte aber wieder von den Seligkeiten und erzählte mehrere Parabeln. Unter anderem lehrte Er vom Gebet, davon man nicht ablassen müsse, erzählte und erklärte das Gleichnis vom ungerechten Richter, welcher der immer wieder anpochenden Witwe endlich Recht schaffe, um sie loszuwerden. Wenn dies vom ungerechten Richter geschehe, so werde der Vater im Himmel noch barmherziger sein.

Er lehrte auch, wie sie beten sollten, sagte die sieben Bitten des Vaterunsers nacheinander her und erklärte den Anfang «Vater unser, der Du bist in dem Himmel.» Er hatte hiervon den Jüngern einiges schon auf den Reisen erklärt. Nun aber führte Er das Vaterunser in seine öffentlichen Lehren, wie die acht Seligkeiten, ein und wird es nach und nach erklären, überall wiederholen und durch die Jünger ausbreiten lassen. Er fährt zugleich mit den acht Seligkeiten fort. Er lehrte auch vom Gebet: Wenn ein Kind seinen Vater um Brot bittet, gibt er ihm keinen Stein, um einen Fisch, keine Schlange oder Skorpion.

Es war schon gegen drei Uhr. Maria hatte mit ihren Schwestern und andern Frauen und den Söhnen von Josephs Brüdern aus Dabrath, Nazareth und dem Tal Zabulon in einem Vorgebäude des Hauses für Jesus und die Jünger Speise bereitet, denn diese hatten bei großer Anstrengung mehrere Tage lang keine ordentliche Mahlzeit mehr genommen. Der Speisesaal war von der Halle, in welcher Jesus lehrte, durch den von Menschen gedrängt vollen Hof geschieden, welche durch die offenen Säulenwände der Halle Jesu Lehre anhörten. Als Jesus aber nicht abließ, zu lehren, trat Maria mit ihren Verwandten, um sich nicht allein der Menge zu nähern, heran und begehrte, mit Jesus zu sprechen und Ihn zu bitten, dass Er etwas Speise zu sich nehmen möge. Sie konnten aber unmöglich durch die Menge hindurch, und so kam die Rede von ihrem Begehren bis zu einem Mann in der Nähe von Jesus, der zu den Laurern der Pharisäer gehörte. Da Jesus mehrmals seinen himmlischen Vater erwähnt hatte, sagte der Laurer nicht ohne heimlichen Hohn zu Ihm: «Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wünschen mit Dir zu sprechen!» Jesus aber sah ihn an und sprach: «Wer sind meine Mutter und meine Brüder?» schob die zwölf auf einen Trupp, stellte die Jünger neben sie, streckte die Hand über sie aus und sprach, auf die Apostel deutend: «Diese sind meine Mutter» und auf die Jünger: «und diese meine Brüder, welche das Wort Gottes hören und befolgen. Denn wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter!» Jesus aber ging auch jetzt nicht, zu essen und lehrte fort. Seine Jünger aber entließ Er abwechselnd, damit sie Speise zu sich nähmen.

Als Jesus hierauf zur Synagoge mit den Jüngern ging, flehten Ihn Kranke, welche noch gehen konnten, um Hilfe an, und Er heilte sie. Da der Sabbat schon begonnen hatte, trat in der Vorhalle der Synagoge Ihm ein Mann entgegen, zeigte Ihm seine ganz verkrümmte und verdorrte Hand und bat Ihn um Hilfe. Jesus aber gebot ihm, zu warten bis nachher. Auch schrieen Ihn Leute noch an, welche einen stummen und tauben Besessenen an Stricken führten, der schrecklich tobte. Jesus befahl ihm, sich am Eingang der Synagoge ruhig niederzulegen und zu warten. Der Besessene setzte sich gleich mit unterschlagenen Beinen nieder, beugte den Kopf auf die Knie, blickte immer seitwärts auf Jesus und zuckte nur dann und wann etwas zusammen, sonst war er während der ganzen Lehre ruhig.

Die Sabbatslesung war von Jethro, wie er dem Moses Rat erteilte, als die Israeliten an den Sinai kamen, wie Moses hinaufging und die zehn Gebote empfing, und aus dem Propheten Isaias, wie er den Thron Gottes sieht und ein Seraph ihm den Mund mit einer glühenden Kohle reinigt (Ex 18-21; Jes 6, 1-13). Die Synagoge war von Menschen überfüllt, und eine große Menge stand außen umher. Alle Öffnungen waren losgesetzt und viele schauten von den äußeren Anbauten hinein. Es waren sehr viele Pharisäer und Herodianer anwesend, voller Grimm und Bitterkeit. Alle die Geheilten waren in der Synagoge, ebenso alle Jünger und Verwandten Jesu. Die Bürger von Kapharnaum und die vielen Fremden waren voller Ehrfurcht und Bewunderung gegen Ihn, und so wagten die Pharisäer nicht, Ihn ohne einen Scheingrund zu stören. Sie waren überhaupt mehr aus gegenseitiger Prahlerei hier, als Ihm ernsthaften Widerstand zu leisten, was sie nicht vermochten. Sie liebten es nicht mehr, Ihm vielen offenen Widerspruch zu leisten, weil sie durch seine Antworten meistens vor allem Volk beschämt wurden.

Wenn Jesus aber hinweg war, so suchten sie auf alle Weise die Leute von Ihm abwendig zu machen und Lügen gegen Ihn auszusprengen.

Sie wussten nun, dass der Mann mit der verdorrten Hand zugegen war, und wollten Jesus versuchen, ob Er am Sabbat heilen werde, um Ihn zu verklagen. Es waren dies die neu von Jerusalem Angekommenen, welche gern etwas nach Hause vor das Synedrium mitbringen wollten. Weil sie aber gar nichts anderes gegen Ihn von Bedeutung wussten, brachten sie, obgleich ihnen seine Gesinnung hierin längst bekannt war, doch immer dasselbe wieder vor, als ob sie es noch nicht wüssten, und Jesus gab ihnen mit unendlicher Geduld meist wieder dieselbe Antwort. Es fragten Ihn also mehrere: «Ist es auch erlaubt, am Sabbat zu heilen?» Jesus, ihre Gedanken kennend, rief dem Mann mit der verdorrten Hand, und da er nahte, stellte Er ihn in ihre Mitte und fragte: «Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun und Böses, ein Leben zu retten oder verderben zu lassen?» Keiner antwortete. Und Jesus sprach das in solchen Fällen gewöhnliche Gleichnis aus: «Wer unter euch wird sein eigenes Schaf, das am Sabbat in die Grube fällt, nicht herausziehen? Besser aber ist ein Mensch als ein Schaf. Also ist Gutes zu tun am Sabbat erlaubt.» Er war sehr betrübt über die Verstocktheit dieser Männer, sah sie zürnend und ins Innere treffend an, nahm den Arm des Menschen mit seiner Linken, fuhr mit der Rechten daran herab und zog ihm die gekrümmten Finger auseinander und sagte: «Strecke deine Hand aus!» Da streckte der Mann seine Hand aus und bewegte sie. Sie war so lang und gesund wie die andere. Es war dieses das Werk eines Augenblicks. Der Mann warf sich dankend vor Jesus nieder, das Volk jubelte, die Pharisäer waren ergrimmt, traten am Eingang zusammen und sprachen miteinander. Jesus aber trieb noch den Teufel aus dem daliegenden Besessenen. Er war hörend und sprechend. Das Volk war voll Freude und Jubel, die Pharisäer aber lästerten wiederum: «Er hat den Teufel! Er treibt einen Teufel mit dem andern aus.» Jesus wandte sich gegen sie und sagte: «Wer unter euch kann mich einer Ungerechtigkeit beschuldigen? Ist der Baum gut, so ist auch seine Frucht gut, ist der Baum schlecht, so ist auch seine Frucht schlecht. Aus der Frucht erkennt man den Baum. Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, ihr seid ja böse! Der Mund läuft über, wovon das Herz voll ist.»

Nun erhoben die Pharisäer ein großes Geschrei: er solle ein Ende machen, es sei genug! Einer war so übermütig, zu rufen, ob Er nicht wisse, dass sie Ihn hinaustreiben könnten? Darnach begaben sich Jesus und die Jünger auf verschiedenen Wegen teils zum Haus Mariä, teils in das Haus des Petrus am See. Im Haus Mariä nahm Jesus einen Imbiss und übernachtete mit den zwölfen in Petri Haus, das, weil abgelegener, ihnen eine Zuflucht bot.

Den ganzen folgenden Tag hielt sich Jesus mit den zwölf Aposteln und den Jüngern im Haus des Petrus zurückgezogen. Das Volk erwartete und suchte Ihn an vielen Orten. Sie blieben aber im Haus verschlossen.

Hier nun ließ Er sich von den Aposteln und Jüngern, welche je zwei und zwei, wie sie ausgezogen waren, vor Ihn traten, alles erzählen, was ihnen auf ihrer Sendung begegnet war, löste ihre Zweifel und Anstände, die sie bei gewissen Gelegenheiten gehabt hatten, und belehrte sie, wie sie künftig handeln sollten. Er sprach abermals, dass Er ihnen neuerdings eine Bestimmung geben wolle. Die sechs Apostel, welche in Ober-Galiläa gearbeitet hatten, hatten mehr Aufnahme und Bereitwilligkeit gefunden und viele getauft. Die andern, welche nach Judäa gezogen waren, hatten nicht getauft und hie und da Widerstand gefunden.

Als am Schluss des Sabbats die Menge des Volkes um das Haus immer größer wurde, begaben sie sich heimlich und auf Umwegen in der sternenhellen Nacht auf das Schiff des Petrus und fuhren über und landeten zwischen der Zollstätte des Matthäus und Klein-Chorazin. Von da stiegen sie auf den Berg, an dessen Fuß die Zollstätte lag, denn Jesus wollte in der Einsamkeit die Jünger belehren. Die Volksmenge aber hatte die Abfahrt bemerkt, und die Nachricht hiervon verbreitete sich bald durch alle Zeltlager. Die bei Bethsaida liegenden Scharen fuhren nun teils über den See, teils gingen sie weiter oben über die Jordanbrücke, und so wurden Jesus und die Seinen von allen Seiten her wieder von großen Volksscharen am Berg umringt. Nun ordneten die Jünger das Volk und Jesus lehrte von den Seligkeiten und vom Gebet, indem Er wieder den Anfang des Vaterunsers auslegte. Nach einigen Stunden mehrte sich die Menge, die Leute kamen aus allen Städten umher, von Julias, Chorazin, Gergesa, und brachten Kranke und Besessene. Jesus und die Jünger heilten sehr viele.

Nachdem Jesus die Lehre geschlossen und die Menge auf den folgenden Tag an den Ort der Bergpredigt beschieden hatte, begab Er sich mit den Aposteln und Jüngern auf die Höhe des Berges an einen einsamen schattigen Ort. Außer den zwölfen waren mit Ihm zweiundsiebzig Jünger, darunter die zwei aus Machärus gekommenen Soldaten und solche, welche noch nicht förmlich als Jünger aufgenommen und noch nie bei einer Sendung gewesen waren. Auch die Bruderssöhne von Joseph waren dabei.

Es lehrte Jesus hier die Jünger über das Bevorstehende, sagte ihnen, dass sie keine Tasche, kein Geld, kein Brot nur einen Stock und Sohlen mitnehmen sollten, dass sie über Orte, wo sie unfreundlich aufgenommen würden, den Staub aus den Schuhen schütteln sollten. Er gab ihnen allgemeine Vorschriften für die Zukunft über das Apostel- und Jüngeramt, nannte sie das Salz der Erde, sprach vom Licht, das nicht unter den Scheffel gestellt werden dürfe, von der Stadt auf dem Berge. Doch kündigte Er ihnen noch nicht die volle Schwere der Verfolgungen an.

Die Hauptsache aber war, dass Er die Apostel bestimmt den Jüngern vorsetzte und ihnen sagte, dass sie die Jünger senden und rufen sollten, wie Er sie sende und rufe, nämlich in Kraft ihrer eigenen Sendung. Auch unter den Jüngern machte Jesus mehrere Klassen und setzte die älteren und unterrichteteren den Jüngern und neueren vor. Er stellte alle folgenderweise geordnet zusammen: die Apostel stellte Er zwei und zwei. Petrus und Johannes aber standen voraus. Die älteren Jünger standen im Kreise um sie und hinter diesen die jüngeren nach ihren Graden. Dann lehrte Er sie noch sehr ernst und rührend und legte den Aposteln abermals zu dieser Vorsetzung die Hände auf, die Jünger aber segnete Er nur. Alles dieses geschah mit großer Stille und allgemeiner Rührung. Keiner hatte einen Widerspruch oder irgendwelche ärgerliche Empfindung. Hierüber war es Abend geworden, und Jesus ging mit Andreas, Johannes, Philippus und Jakobus Minor tiefer ins Gebirge und brachte die Nacht im Gebete zu.

12. Die Speisung der Fünftausend

Als am folgenden Morgen Jesus mit den Aposteln auf den Berg sich begab, wo Er schon mehrmals von den acht Seligkeiten gelehrt hatte, war schon viel Volk herangezogen und die andern Apostel hatten die Kranken bereits an geschützten Stellen geordnet. Jesus und die Apostel begannen zu heilen und zu lehren. Viele, welche in diesen Tagen zum ersten mal nach Kapharnaum gekommen waren, wurden im Kreise kniend mit Wasser, das in Schläuchen heraufgebracht worden war, durch Besprengung über drei und drei getauft.

Jesu Mutter war mit anderen Frauen auch gekommen und half den kranken Frauen und Kindern, sprach aber nicht mit Jesus und kehrte noch bei Zeit wieder nach Kapharnaum zurück.

Jesus aber lehrte von den acht Seligkeiten und kam bis zu der sechsten, wiederholte auch die schon in Kapharnaum begonnene Lehre vom Gebet und legte einzelne Bitten des Vaterunsers aus.

Lehre und Heilungen dauerten bis nach vier Uhr. Die vielen Menschen aber hatten nichts zu essen. Schon am vorigen Tag waren sie Ihm nachgezogen und ihr kleiner Vorrat, den sie mit sich getragen, war aufgezehrt. Viele unter ihnen wurden ganz schwach und schmachteten nach Nahrung. Die Apostel, dies wahrnehmend, traten zu Jesus mit der Bitte, die Lehre zu schließen, damit die Leute vor der Nacht sich Herberge suchen und Speise verschaffen könnten. Jesus aber erwiderte: «Sie brauchen darum nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen!» Da sprach Philippus: «Sollen wir gehen, um für ein paar hundert Denare Brot zu kaufen und ihnen zu essen zu geben?» Er sagte dies mit einiger Verdrossenheit, weil er glaubte, Jesus mute ihnen die große Mühe zu, für die ganze Menge Brot aus der Gegend zusammenzuschleppen. Jesus versetzte aber: «Seht zu, wie viele Brote ihr habt!» und fuhr in seiner Lehre weiter. Es hatte ein Knecht den Aposteln fünf Brote und zwei Fische von seinem Herrn zum Geschenk gebracht was Andreas Jesus mit den Worten meldete: «Was ist aber das für so viele?» Jesus aber befahl, diese Brote und Fische herbeizubringen, und als sie auf den Rasen vor Ihm gelegt waren, lehrte Er noch weiter von der Bitte um das tägliche Brot. Viele Leute wurden ohnmächtig und Kinder weinten nach Brot. Da sprach Jesus zu Philippus, ihn auf die Probe stellend: «Wo kaufen wir Brot dass diese zu essen bekommen?» und Philippus erwiderte: «Zweihundert Denare reichen nicht hin für alle diese.» Nun sprach Jesus: «Lasst das Volk sich niedersetzen, die Hungrigsten zu fünfzig, die andern zu hundert und bringt mir die Brotkörbe, welche vorhanden sind!» Sie setzten eine Reihe flacher, von breitem Bast geflochtener Brotkörbe zu Ihm hin und verteilten sich unter das Volk, das sich um den Berg lagerte, der treppenförmig und mit schönem langen Grase bewachsen war, zu Hunderten und zu Fünfzigen. Sie lagen nun tiefer, als Jesus stand, am Abhang des Berges.

Um die Lehrstelle Jesu war eine hochaufgeworfene, von mehreren Eingängen durchschnittene Rasenbank. Auf diese ließ Jesus eine Decke breiten und die fünf Brote und zwei Fische legen. Die Brote lagen auf der Decke übereinander, waren länger als breit und etwa zwei Zoll dick, gelb mit dünner Rinde, doch inwendig nicht ganz weiß, aber fest und fein. Sie waren mit Streifen eingeteilt und leicht mit dem Messer zu ritzen und zu brechen. Die Fische waren einen starken Arm lang, hatten etwas hervorstehende Köpfe und waren nicht wie unsere Fische. Sie waren schon aufgeschnitten, gebraten und zur Speise bereitet und lagen auf großen Blättern. Es hatte aber ein anderer Mann auch ein paar Honigwaben gebracht die auch in Blättern auf dem Teppich lagen.

Während die Jünger die Leute zu fünfzig und hundert zum Essen niederliegen ließen und sie dabei zählten, was Jesus ihnen befohlen hatte, ritzte Er alle fünf Brote mit einem beinernen Messer vor und schnitt die Fische, die der Länge nach gespalten waren, in Querstreifen. Dann hob Er eines der Brote auf den Händen empor und betete, so auch einen der Fische. Vom Honig erinnere ich mich es nicht. Es waren Ihm aber drei Jünger zur Seite. Jesus segnete nun die Brote, die Fische und den Honig und begann das Brot der Quere nach in Streifen zu brechen und diese Streifen wieder in einzelne Teile. Und jeder Teil war wieder groß und hatte wieder Ritzen. Jesus brach die einzelnen Teile, die so groß waren, dass ein Mann daran satt wurde und gab sie hin und die Stücke ebenso. Saturnin, der zur Seite stand, legte immer ein Stück Fisch auf ein Stück Brot und ein junger Jünger des Täufers, ein Hirtensohn, der später Bischof wurde, legte auf jede Portion ein Stückchen Honig. Die Fische nahmen nicht merklich ab, und die Honigwaben schienen zu wachsen. Thaddäus aber legte die Portionen Brot, worauf ein Stück Fisch und etwas Honig, in die flachen Körbe, welche nun zu den Hungrigsten, die zu fünfzig saßen, zuerst gebracht wurden.

Sobald die leeren Körbe zurückkamen, wurden sie immer mit gefüllten umgetauscht und diese Arbeit dauerte ungefähr zwei Stunden, bis alle gespeist waren. Jene, welche Frau und Kinder hatten, fanden ihren Anteil so groß, dass sie diese auch sättigen konnten. Die Leute tranken auch Wasser aus Schläuchen, welche heraufgebracht waren, und hatten meist Becher von zusammengedrehter Rinde, wie eine Tüte, auch hohle Kürbisse bei sich.

Die ganze Handlung ging in steter Tätigkeit mit viel Ordnung vor sich. Die Apostel und Jünger waren meist mit Hin- und Hertragen und Austeilen beschäftigt. Alle aber waren still und voller Staunen, dass solcher Überfluss eintrat. Die Größe der Brote betrug ungefähr zwei Spannen in der Länge und ein Fünfteil weniger in der Breite. Die Brote waren in zwanzig Teile gekerbt, fünf in die Länge und vier in die Breite, so dass sich die Substanz eines jeden Teils fünfzigmal vermehrte, um fünftausend Menschen zu speisen. Das Brot war stark drei Finger dick. Die Fische, der Länge nach in zwei Hälften gespalten, teilte Jesus in sehr viele Portionen, so dass es zwar immer nur zwei Fische blieben, dass sich jedoch ihre Substanz auf eine wunderbare Weise mehrte.

Als alle gesättigt waren, sagte Jesus zu den Jüngern, mit Körben umherzugehen und die Brocken zu sammeln, damit nichts zugrunde gehe. Sie sammelten zwölf Körbe voll. Viele Leute baten aber, einzelne Stückchen mit sich als Andenken zu nehmen. Diesmal waren gar keine Soldaten hier, deren ich sonst immer bei so großen Lehren viele bemerkte. Sie waren um Hesebon, wo Herodes sich aufhielt, zusammengezogen.

Nachdem sich die Leute wieder erhoben hatten, traten sie überall in Haufen zusammen, waren voll von Staunen und Verwunderung über dieses Wunder des Herrn, und von Mund zu Mund lief das Wort: «Dieser ist es wahrhaftig! Dieser ist der Prophet der in die Welt kommen soll! Er ist der Verheißene!»

Es dämmerte aber schon und Jesus sagte den Jüngern, sie sollten zu Schiff gehen und vor Ihm gegen Bethsaida fahren. Er werde ihnen folgen und einstweilen das Volk entlassen. Da gingen die Jünger mit den Brotkörben hinab zu den Schiffen und fuhren teils nach Bethsaida über. Die Brocken nahmen sie mit um sie jenseits den Armen auszuteilen. Die Apostel und einige der älteren Jünger hielten sich noch länger auf und fuhren auf dem Schiff des Petrus.

Jesus entließ nun das Volk, das sehr bewegt war. Kaum hatte Jesus die Lehrstelle verlassen, so erhoben sich Stimmen: «Er hat uns Brot gegeben! Er ist unser König! Wir wollen Ihn zu unserem Könige machen!» Jesus aber entwich in die Einsamkeit und betete.

13. Jesus wandelt auf dem See

Das Schiff des Petrus mit den Aposteln und mehreren Jüngern, wurde durch widrigen Wind in der Nacht aufgehalten. Sie ruderten sehr und wurden doch an der Richtung der Überfahrt mehr gegen Mittag getrieben. Ich sah, dass alle zwei Stunden diesseits und jenseits des Sees kleine Boote mit Fackeln abfuhren und einzelne verspätete Leute den größeren Schiffen nachbrachten, denen sie in der Dunkelheit das Zeichen der Richtung gaben. Weil sie wie Soldaten alle zwei Stunden sich ablösten, so hießen sie hier auch Nachtwachen, Ich sah die vierte Abwechslung dieser Boote unterwegs, das Schiff des Petrus aber aus der Bahn getrieben etwas südlicher.

Da wandelte Jesus über das Meer von Nordost gegen Südwest. Er leuchtete, es war ein Schimmer um Ihn und man sah seine Gestalt zu seinen Füßen umgekehrt im Wasser. Von der Gegend von Bethsaida-Julias gegen Tiberias zu wandelnd, welchem gegenüber das Schiff des Petrus ungefähr sich befand, ging Er quer durch die beiden Nachtwachenboote durch, welche von Kapharnaum und von jenseits eine Strecke ins Meer gefahren waren. Die Leute in diesen Booten sahen Ihn wandeln, erhoben ein großes Angstgeschrei und bliesen auf dem Horn; sie hielten Ihn für ein Gespenst. Die Apostel auf dem Schiff Petri, welches nach dem Licht jener Wachtschiffe sich richtete, um wieder in die rechte Bahn zu kommen, schauten auf und sahen Ihn heranziehen. Es war, als schwebe Er schneller als man geht. Und da Er nahte, ward das Meer still. Es war aber Nebel auf dem Wasser und sie erblickten Ihn erst in einer gewissen Nähe. Wenn sie Ihn gleich schon einmal so wandeln gesehen, jagte ihnen doch der fremde, gespenstige Anblick einen großen Schrecken ein, und sie schrien.

Als sie sich aber an das erstmalige Wandeln erinnerten, wollte Petrus abermals seinen Glauben beweisen und rief in seinem Eifer wieder: «Herr, bist Du es, so heiß mich zu Dir kommen!» Und Jesus rief abermals: «Komm!» Petrus lief diesmal eine viel größere Strecke zu Jesus. Aber sein Glauben reichte doch nicht aus. Als er schon dicht bei Jesus war, dachte er wieder an die Gefahr und fing an zu sinken, streckte die Hand aus und rief: «Herr rette mich!» Er sank aber nicht so tief wie das erste Mal und Jesus sagte wieder zu ihm: «Du Kleingläubiger, warum zweifelst du?» Als Jesus aber in das Schiff trat, eilten sie zu Ihm, warfen sich Ihm zu Füßen und sagten: «Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!» Jesus aber verwies ihnen ihre Furcht und Kleingläubigkeit, hielt eine ernstliche Strafrede und lehrte noch vom Vaterunser. Er befahl ihnen, mittäglich zu fahren. Sie hatten einen guten Wind, fuhren sehr schnell und schliefen etwas in dem Kasten unter den Ruderstellen um den Mast. Diesmal war der Sturm nicht so wie neulich. Sie waren aber in den Trieb des Sees gekommen, der in der Mitte sehr stark ist, und konnten nicht heraus.

Jesus ließ den Petrus auf dem Wasser zu sich kommen, um ihn zu demütigen, indem Er wohl wusste, dass er sinken werde. Petrus ist sehr eifrig und stark glaubend und hat eine Neigung, im Eifer seinen Glauben Jesus und den Jüngern zu zeigen, Indem er aber sinkt, wird er vor Stolz bewahrt. Die andern getrauten sich nicht so zu wandeln, und indem sie den Glauben des Petrus bewundern, erkennen sie doch, dass sein Glaube, obschon er den ihren übertrifft, doch nicht zureicht.

Mit Sonnenaufgang landete das Schiff des Petrus an der Ostseite des Sees zwischen Magdala und Dalmanutha vor ein paar Häuserreihen, welche zu Dalmanutha gehörten. Dieser Ort ist gemeint wenn es heißt: «in den Grenzen von Dalmanutha» (Mk 8, 10).

Die Leute dieses Ortes hatten schon bei der Annäherung des Schiffes alle ihre Kranken in Bewegung gesetzt und kamen Jesus am Ufer entgegen. Er und die Jünger heilten in den Straßen. Er begab sich aber eine Strecke hinter der Stadt auf einen Hügel, wo sich alle Einwohner, Heiden und Juden, um Ihn versammelten. Er lehrte von den acht Seligkeiten und dem Vaterunser und heilte die Kranken, die sie mitgebracht.

Dieser Ort war ein Überfahr- und Zollörtchen. Sie hatten viel mit Eisen aus der Eisenstadt Ephron in Basan zu tun, welches sie von hier zu den andern Seestädtchen für ganz Galiläa überfuhren. Vom Gebirge zu Ephron kann man hierher sehen.

Von hier schiffte Jesus mit den Aposteln hinüber nach Tarichäa, welches drei bis vier Stunden südlich von Tiberias an einer Anhöhe eine Viertelstunde vom Meeresufer liegt, aber es gehen Häuser bis herab. Von hier an bis zum Ausfluss des Jordan ist das Ufer mit einer festen, schwarzen Mauer eingefasst, auf der ein Weg geht. Der Ort ist sehr schön neugebaut auf heidnische Art mit Säulengängen vor den Häusern, und hat einen sehr schönen bedeckten Brunnen mit Säulen auf dem Markt.

Jesus begab sich an diesen Brunnen und alles Volk kam mit vielen Kranken herzu, die Er heilte. Viele Frauen standen verschleiert mit ihren Kindern in einiger Entfernung hinter den Männern. Pharisäer und Sadduzäer standen um Ihn her, und es waren auch Herodianer darunter. Er lehrte aus den acht Seligkeiten und vom Vaterunser. Die Pharisäer fingen an, allerlei Vorwürfe zu machen, immer die nämlichen Sachen: Umgang mit Zöllnern und Sündern, Umgang mit schlechten Frauen, Vernachlässigung der Händewaschungen bei den Jüngern, Heilen am Sabbat usw.. Jesus brach aber bald mit ihnen ab und rief die Kinder zu Sich, die Er heilte, lehrte und segnete und den Pharisäern vorstellte mit den Worten, dass sie werden müssten wie diese.

Tarichäa liegt niedriger als Tiberias. Es werden hier sehr viele Fische gesalzen und getrocknet, und man sieht viele große Gerüste vor der Stadt, worauf die Fische zum Trocknen gelegt werden.

Das Land ist hier ungemein fruchtbar, die Anhöhen um die Stadt sind mit Terrassen voll von allen möglichen Obstbäumen und mit Weinbergen bedeckt. Die ganze Gegend bis zum Tabor und dem Bade-See bei Bethulien, ist über alle Begriffe blühend und voll Überfluss, besonders das Land Genesareth.

Gegen Abend fuhr Jesus mit den Jüngern von hier nordöstlich den See hinauf und lehrte auf dem Schiff noch immer vom Vaterunser, von der vierten Bitte. Er bereitet sie so immer zu den tieferen Lehren vor, wenn Er sie allein bei sich hatte.

14. Jesus lehrt vom Brot des Lebens

Die Nacht hatte Jesus auf dem Schiff zugebracht, das zwischen der Zollstätte des Matthäus und Bethsaida-Julias gelandet war. Am Morgen lehrte Er vor etwa hundert Menschen vom Vaterunser und gegen Mittag fuhr Er mit den Jüngern zur Gegend von Kapharnaum, wo sie unbemerkt landeten und in das Haus Petri sich begaben. Hier kam Jesus mit Lazarus zusammen, der mit dem Sohn der Veronika und einigen Leuten aus Hebron hierher gereist war.

Als Jesus darnach auf die Höhe hinter dem Haus des Petrus ging, wo der kürzeste Weg von Kapharnaum nach Bethsaida führte, folgte das dort umhergelagerte Volk Ihm nach, und mehrere, die bei der Brotvermehrung gewesen und Ihn gestern und heute gesucht hatten, fragten: «Meister, wann bist Du herübergekommen (Joh 6, 27) ? Wir haben Dich gesucht drüben und hier!» Jesus aber antwortete, seine Lehre beginnend: «Wahrlich, wahrlich! Ihr suchtet Mich nicht, weil ihr Wunder gesehen, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid. Bemüht euch nicht um vergängliche Speise, sondern um Speise, die bis zum ewigen Leben währt die euch der Menschensohn geben wird, denn Ihn hat Gott der Vater beglaubigt.» Er sagte dieses viel weitläufiger, als es im Evangelium steht, wo nur die Hauptsätze stehen. Die Leute flüsterten zusammen: «Was will Er nur mit dem Menschensohn? Wir sind ja auch Menschenkinder!» Und da sie auf seine Mahnung, dass sie Gottes Werke tun sollten, fragten, was sie tun sollten, um Gottes Werke zu tun, erwiderte Er: «An Den glauben, den Er gesandt hat!» und lehrte über den Glauben. Sie fragten aber wieder: was Er für ein Wunder tun wolle, auf dass sie glaubten? Ihren Vätern habe Moses Brot vom Himmel gegeben, dass sie an ihn glaubten, das Manna. Was Er ihnen geben wolle?» Da antwortete Jesus: «Ich sage euch, nicht Moses hat euch Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist dieses, das vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt.»

Hierüber lehrte Er ganz ausführlich, und einige sagten: «Herr, gib uns doch immer solches Brot!» Andere aber sprachen: «Sein Vater gibt uns Brot vom Himmel! Was soll das sein? Sein Vater Joseph ist ja tot!» Jesus lehrte hierüber lange und mannigfaltig und erklärte es sehr deutlich. Aber nur wenige verstanden Ihn, weil sie sich klug dünkten und allerlei zu wissen glaubten. Er lenkte aber ein und lehrte noch vom Vaterunser und aus der Bergpredigt und sagte noch nicht, dass Er das Brot des Lebens sei. Die Apostel und älteren Jünger aber fragten nicht sie dachten nach, verstanden es oder ließen es sich nachher erklären.

Am folgenden Tag setzte Jesus auf der Anhöhe hinter dem Haus des Petrus die gestrige Lehre fort. Es waren wohl ein paar tausend Menschen gegenwärtig, die abwechselnd vor- und zurücktraten, um besser zu hören. Jesus ging auch manchmal von einer Stelle zur andern und wiederholte seine Lehre mit großer Liebe und Geduld und widerlegte oft dieselben Einwürfe. Es waren auch viele Frauen verschleiert an abgesondertem Ort da. Die Pharisäer gingen ab und zu, fragten und zischelten ihre Zweifel wieder unter dem Volk aus.

Heute sprach Jesus aus: «Ich bin das Brot des Lebens, wer zu Mir kommt den wird nicht hungern, und wer an Mich glaubt, den wird nicht dürsten! Wen der Vater Ihm gebe, der komme zu Ihm, und Er werde ihn nicht verstoßen. Er sei vom Himmel gekommen, nicht seinen, sondern den Willen des Vaters zu tun, dass Er nichts verliere, was Er Ihm gegeben, sondern am Jüngsten Tage erwecke. Es sei der Wille seines Vaters, wer den Sohn sehe und an Ihn glaube, solle das ewige Leben haben, und Er werde ihn am Jüngsten Tage erwecken.»

Es waren aber viele, welche Ihn nicht verstanden und sagten: «Wie kann Er sagen, Er sei vom Himmel herabgekommen? Er ist ja der Sohn des Zimmermanns Joseph, seine Mutter und seine Verwandten sind unter uns, und die Eltern seines Vaters Joseph kennen wir! Er spricht heute, Gott sei sein Vater, und dann sagt Er wieder, Er sei des Menschen Sohn» und murrten. Jesus aber sagte, sie sollten nicht untereinander murren. Durch sich selbst könnten sie nicht zu Ihm kommen. Der Vater, der Ihn gesandt habe, müsse sie zu Ihm ziehen! Das konnten sie wieder nicht begreifen und fragten, was das heißen solle, der Vater solle sie ziehen. Sie nahmen das ganz roh. Er sagte aber: «Es steht in den Propheten: es werden alle von Gott gelehrt werden. Wer es also vom Vater hört und lernt, kommt zu Mir!»

Da sagten wieder viele: «Sind wir nicht bei Ihm, und doch haben wir es nicht vom Vater gehört noch gelernt?» Da erklärte Jesus wieder: «Keiner hat den Vater gesehen, als Der von Gott ist. Wer an Mich glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot, das vom Himmel herabkam, das Brot des Lebens.»

Da sprachen sie wieder, sie kennten kein Brot das vom Himmel gekommen als das Manna. Er erklärte, dieses sei nicht das Brot des Lebens, denn ihre Väter seien gestorben, die es gegessen. Hier aber sei das Brot das vom Himmel gekommen, damit wer davon esse, nicht sterbe. Er sei dieses lebendige Brot, und wer davon esse, werde ewig leben.

Alle diese Lehren waren weitläufig mit Erklärungen und Erwähnungen aus dem Gesetz und den Propheten. Aber die meisten wollten es nicht begreifen, nahmen alles roh nach dem gemeinen fleischlichen Verstand und fragten wieder, was das heißen solle, dass man Ihn essen solle und ewig leben, wer denn ewig leben und wer von Ihm essen könne. Henoch und Elias seien von der Erde genommen und man sage, sie seien nicht gestorben. Auch von Malachias wisse man nicht, wo er hingekommen sei, man wisse seinen Tod nicht. Aber sonst würden wohl alle Menschen sterben. Jesus antwortete ihnen und fragte, ob sie wüssten, wo Henoch und Elias seien und wo Malachias. Ihm sei es nicht verborgen. Ob sie aber wüssten, was Henoch geglaubt, was Elias und Malachias prophezeit und erklärte mehreres von diesen Prophezeiungen.

Er lehrte aber heute nicht weiter. Es war eine außerordentliche Spannung, ein Nachdenken und Disputieren unter dem Volk. Selbst viele von den neueren Jüngern und besonders die neulich hinzugekommenen Johannesjünger zweifelten und irrten. Sie waren es, welche die Zahl der Siebzig jetzt voll gemacht hatten, denn Jesus hatte erst sechsunddreißig Jünger. Der Frauen waren jetzt ungefähr vierunddreißig, aber es war ihre Anzahl im Dienste der Gemeinde mit allen Pflegerinnen, Mägden und Vorsteherinnen der Herbergen zuletzt auch siebzig.

Jesus lehrte das Volk abermals auf der Höhe vor der Stadt, sprach aber nicht von dem Brot des Lebens, sondern aus der Bergpredigt und dem Vaterunser. Es waren sehr viele Menschen da. Weil die meisten Kranken schon geheilt waren, war das Gedränge und Laufen nicht so groß, denn das Heran- und Wegtragen der Kranken machte immer soviel Störung und Unruhe, weil jeder der erste sein und bald wieder wegkommen wollte. Alles, besonders die Johannesjünger, sind in großer Spannung über die Vollendung der angefangenen Lehre.

Als Jesus am Abend in der Synagoge über die Sabbatslesung lehrte, unterbrachen sie Ihn bald mit der Frage, wie Er Sich das Brot des Lebens nennen könne, das vom Himmel herabgekommen, da man doch wisse, wo Er her sei. Jesus aber wiederholte seine ganze bisherige Lehre hierüber.

Die Pharisäer brachten nun dieselben Einwürfe wieder vor, und da sie auf ihren Vater Abraham und auf Moses sich berufend sprachen, wie Er denn Gott seinen Vater nenne? fragte Er sie, wie sie Abraham ihren Vater nennen könnten und Moses ihren Lehrer, da sie Abrahams und Moses Geboten und Wandel nicht folgten und stellte ihren verkehrten Wandel und ihr böses, heuchlerisches Leben ihnen öffentlich vor Augen. Sie waren beschämt und erbittert.

Nun fuhr Jesus in der Lehre vom Brot des Lebens weiter und sagte: «Das Brot das Ich geben werde, ist mein Fleisch, das Ich für das Leben hingeben werde.» Da ward ein Murren und Flüstern: «Wie kann Er uns sein Fleisch zu essen geben?» Jesus lehrte aber fort und viel weitläufiger, als im Evangelium steht. Wer Sein Blut und Fleisch nicht trinken und essen werde, der werde kein Leben in sich haben. Wer es aber tue, habe das ewige Leben, und Er werde ihn am Jüngsten Tag auferwecken: «Denn mein Fleisch ist wahrhaftig ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt der bleibt in Mir und Ich in ihm. Wie Mich der lebendige Vater gesandt hat und wie Ich durch den Vater lebe, so wird, wer Mich isst, durch Mich leben. Hier ist das Brot, wie das Manna, das eure Väter aßen und doch starben! Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.» Er legte alles aus den Propheten aus und besonders aus Malachias und zeigte die Erfüllung desselben in Johannes dem Täufer, von dem Er weitläufig sprach. Und da sie fragten, wann Er ihnen dann diese Speise geben wolle, sagte Er deutlich: «Zu seiner Zeit» und bestimmte eine Zeit in Wochen mit einem eigenen Ausdruck; und ich rechnete nach und erhielt: ein Jahr, sechs Wochen und etliche Tage. Alles war sehr erregt, und die Pharisäer hetzten die Zuhörer auf.

Jesus lehrte darauf wiederum in der Synagoge und erklärte die sechste und siebente Bitte des Vaterunsers und «Selig sind die Armen im Geiste». Er sagte, die, welche gelehrt seien, sollten es nicht wissen, dass sie reich seien. Da murrten sie wieder und sagten, wenn man es nicht wisse, könne man es auch nicht brauchen. Er sagte aber: «Selig sind die Armen im Geiste!» Sie sollten sich arm fühlen und demütig sein vor Gott von dem alle Weisheit komme und außer dem alle Weisheit ein Gräuel sei.

Da sie Ihn aber wieder aus seiner gestrigen Lehre vom Brot des Lebens, vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes fragten, wiederholte Jesus seine Lehre streng und bestimmt. Es murrten viele seiner Jünger und sagten: «Das ist ein hartes Wort, wer kann das anhören?» Er erwiderte ihnen aber, sie sollten sich nicht ärgern, es würden noch ganz andere Dinge kommen und sagte deutlich voraus, man werde Ihn verfolgen und die Getreuesten sogar würden Ihn verlassen und fliehen. Da werde Er seinem Feind in die Arme laufen und man werde Ihn töten. Er werde aber die Fliehenden nicht verlassen, sein Geist werde bei ihnen sein. Das «seinem Feind in die Arme laufen» war nicht ganz so gesagt. Es war, wie: «seinen Feind umarmen oder von ihm umarmt werden», ich weiß es nicht mehr recht. Es deutete auf den Kuss des Judas und dessen Verrat.

Da sie aber sich noch mehr darüber ärgerten, sprach Er: «Wie aber, wenn ihr den Menschensohn dahin auffahren sehen werdet, wo Er zuvor war? Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die Ich zu euch geredet habe, sind Geist und Leben. Aber es gibt einige unter euch, die nicht glauben, daher sagte Ich euch: Niemand kann zu Mir kommen, wenn es ihm nicht von meinem Vater gegeben wird.»

Nach diesen Worten entstand in der Synagoge Murren und Höhnen. Etwa dreißig der neueren Anhänger, besonders die einseitigen Johannesjünger, traten näher zu den Pharisäern, flüsterten und murrten mit diesen. Die Apostel und älteren Jünger aber traten näher mit Jesus zusammen. Er lehrte noch laut, es sei gut, dass jene zeigten, wessen Geistes Kinder sie seien, ehe sie größeres Unheil verursachten.

Als Jesus die Synagoge verließ, wollten die Pharisäer und abtrünnigen Jünger, welche sich miteinander besprochen hatten, Ihn zurückhalten, um zu disputieren und mancherlei Erklärungen von Ihm zu begehren. Die Apostel, seine Jünger und Freunde umgaben Ihn und so entkam Er dieser Zudringlichkeit unter Lärm und Geschrei. Ihre Reden waren so, wie sie heutzutage auch sein würden: «Da haben wir es ja! Nun brauchen wir nichts mehr, Er hat für jeden vernünftigen Menschen deutlich gezeigt, dass Er ganz unsinnig ist. Man solle sein Fleisch essen, sein Blut trinken! Er sei vom Himmel, Er wolle in den Himmel fahren !»

Jesus ging aber mit den Seinigen, die auf verschiedenen Wegen sich zerstreuten, bei den Wohnungen Serobabels und des Cornelius an der Nordhöhe der Stadt und des Tales hin, und als sie sich an einer bestimmten Stelle gefunden, lehrte Er. Da Jesus danach die Zwölf fragte, ob sie Ihn auch verlassen wollten, sprach Petrus für alle: «Herr! zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! Und wir haben geglaubt und erkannt dass Du Christus, der Sohn des lebendigen Gottes bist!» Jesus erwiderte unter anderem: «Ich habe auch Zwölf erwählt und doch ist einer unter euch ein Teufel!»

Maria war mit andern Frauen auch bei den letzten Lehren Jesu auf dem Berg und in der Synagoge gegenwärtig gewesen. Von allen Geheimnissen, welche in diesen Lehren vorgekommen waren, hatte sie von jeher die innere Erkenntnis gehabt. Allein, gleich wie die zweite Person der Gottheit in ihr Fleisch angenommen, Mensch und ihr Kind geworden war, so waren auch in ihr diese Erkenntnisse in die demütigste, ehrfurchtsvollste Mutterliebe zu Jesus wie eingehüllt. Da nun Jesus von diesen Geheimnissen deutlicher als je zum Ärgernis der Verblendeten gelehrt hatte, sah ich Maria in ihrer Kammer betend und in der inneren Anschauung des englischen Grußes, der Geburt und der Kindheit Jesu, ihrer Mutterschaft und seiner Kindschaft. Sie sah ihr Kind als den Sohn Gottes und ward dermaßen von Demut und Ehrfurcht überwältigt, dass sie in Tränen zerfloss. Alle diese Anschauungen hüllten sich abermals in das Gefühl der mütterlichen Liebe zu dem göttlichen Sohn ein, wie die Gestalt des Brotes den lebendigen Gott im Sakramente verhüllt.

Bei der Trennung der Jünger von Jesus sah ich in zwei Kreisen das Reich Christi und das Reich des Satans. Ich sah die Stadt des Satans und die babylonische Hure, seine Propheten und Prophetinnen, seine Wundertäter und Apostel, alles in großem Glanz und viel prächtiger und reicher und voller, als das Reich Jesu, Könige und Kaiser und selbst viele Priester jagten mit Ross und Wagen dahin, und Satan hatte einen prächtigen Thron.

Das Reich Christi auf Erden aber sah ich arm und unscheinbar, voll Not und Pein, und Maria als die Kirche und Christus am Kreuz auch als Kirche und den Eingang in die Kirche durch seine Seitenwunde.

15. Jesus in Dan und Ornithopolis

Als Jesus von Kapharnaum nach Kana und Cydessa mit den Aposteln und Jüngern wandelte, sah ich, dass Er in der Gegend von Gischala die Zwölf in drei Reihen stellte und jedem von ihnen seine Gesinnung und ganze Gemütsart offenbarte. In der ersten Reihe standen Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus Major und Matthäus; in der zweiten Thaddäus, Bartholomäus, Jakob Minor und der Jünger Judas Barsabas; in der dritten Thomas, Simon, Philippus und Judas Ischariot. Ein jeder bekam von Jesus zu hören, was er dachte und erwartete. Alle waren sehr erschüttert. Jesus hielt dabei eine große Lehre über ihre zukünftigen Beschwerden und Leiden und sagte bei dieser Gelegenheit wiederum: «Unter euch ist ein Teufel.»

Die einzelnen Reihen wurden einander nicht untergeordnet, sondern die Zwölf waren nur nach Anlage und Charakter zusammengestellt. Judas Barsabas stand vor den ihn umgebenden Jüngern und nahe bei den Zwölfen, und so sprach Jesus auch von ihm und stellte ihn zu der zweiten Reihe. Weiter wandelnd belehrte Jesus die Zwölf und die Jünger, wie sie fortan bei den Heilungen und Teufelsaustreibungen geradeso verfahren sollten, wie Er selber in solchen Fällen verfahren würde. Er gab ihnen die Kraft und den Geist dass sie mit Händeauflegung und Salbung immer das zu tun vermöchten, was Er selber tue. Es war diese Kraftmitteilung ohne Handauflegung und doch eine wesentliche Übergabe. Sie standen um Jesus her, und ich sah Strahlen von verschiedener Farbe nach ihnen fließen nach den Arten der Gabe und ihrer eigenen Disposition. Sie sagten auch: «Herr! wir fühlen eine Kraft in uns, deine Worte sind Wahrheit und Leben!» Nun wusste jeder, wie er in jedem Fall heilen sollte ohne Wählen. Sie taten so, ohne nachzusinnen.

Jesus kam danach auch mit allen Jüngern nach Elkese, anderthalb Stunden von Kapharnaum gelegen. Er hielt die Sabbatslehre in der Synagoge, worin von Salomos Tempelbau vorkam. Mir ist noch gegenwärtig, dass Er die Apostel und Jünger als die Bauleute anredete, welche auf dem Gebirge Zedern fällten und zimmerten, Er sprach auch von der inneren Auszierung des Tempels. Nach der Synagoge, in welcher viele Pharisäer gewesen waren, wurde Er zu einer Mahlzeit geladen. Sie aßen in einem offenen Festhaus, viele Menschen standen umher, zu hören, was Er sprach und viele Arme wurden gespeist. Als die Pharisäer unter dem Essen bemerkten, dass seine Jünger die Hände nicht zuvor wuschen, stellten sie Ihn zur Rede, warum seine Jünger die Übergabe ihrer Vorfahren nicht hielten und nicht die gewöhnlichen Reinigungen beobachteten. Da fragte Er sie wieder, warum sie die Gesetze nicht hielten und über ihren Traditionen Vater und Mutter nicht ehren, warf ihnen ihre Heuchelei und ihre Äußerlichkeiten mit den Reinigungen vor. Über diesen Streit ging das Mahl zu Ende. Jesus aber sprach zu dem sich herbeidrängenden Volk: «Hört es alle und fasst es doch! Nichts, was durch den Mund des Menschen von außen hineingeht, verunreinigt ihn. Aber was von innen herausgeht verunreinigt ihn. Wer Ohren hat zu hören, der höre!» In die Herberge zurückgekehrt, sagten die Jünger, dass diese Worte die Pharisäer besonders geärgert hätten. Jesus aber sprach: «Jede Pflanze, die mein Vater nicht gepflanzt hat wird mit der Wurzel ausgerottet! Lasst sie, sie sind Blinde und Führer der Blinden! Wenn aber Blinde Blinde führen, so fallen beide in die Grube.»

Als Jesus am folgenden Abend die Sabbatslehre schloss, erhoben die Pharisäer wiederum Vorwürfe über das unregelmäßige Fasten der Jünger. Jesus aber machte den Pharisäern ihren Geiz und ihre Unbarmherzigkeit zum Gegenvorwurf und sagte unter anderem: «Die Jünger essen nach vieler Arbeit, wenn auch die andern etwas haben. So diese aber hungern, geben sie das Ihrige für sie her und Gott segnet es.» Er führte dabei die Brotvermehrung an, wo sie ihr Brot und ihre Fische den Hungernden gegeben hatten und fragte, ob sie dergleichen täten.

Von hier wandelte Jesus mit den Aposteln und Jüngern durch die aus schwarzen glitzernden Steinen erbaute Festung und Levitenstadt Kades-Nephtali nach Dan, auch Lais oder Leschem genannt und belehrte sie auf dem Weg immer vom Gebet. Er legte ihnen das Vaterunser aus und sagte, dass sie bis jetzt noch nicht würdig gebetet, sondern wie Esau um das Fett der Erde gebetet hätten. Sie sollten aber wie Jakob um den Tau des Himmels flehen, um geistliche Gaben, um den Segen der Erleuchtung, um das Reich nach Gottes Willen, nicht aber, wie sie das Reich sich dächten. Selbst die Heiden achteten das Gebet nur um zeitlicher Güter nicht, sondern flehten um geistige Güter.

Die Stadt Dan, am Fuß eines hohen Gebirges liegend, war durch die Gartenanlagen, von welchen jedes Haus umgeben war, sehr ausgedehnt. Alle Einwohner beschäftigten sich mit Gartenbau. Sie zogen Früchte und Gewürze jeder Art, auch Kalmus, Myrrhen, Balsam, Baumwolle und viele wohlriechende Kräuter, mit denen sie nach Tyrus und Sidon Handel trieben. Die Heiden wohnten hier mehr mit den Juden vermischt als an andern Orten. So angenehm und fruchtbar die Gegend ist, so waren doch viele Kranke hier.

Jesus kehrte mit den Jüngern in einer eigenen Herberge ein, die mitten in der Stadt lag. Die Apostel und Jünger waren bei ihrer letzten Aussendung hier gewesen und hatten die Herberge eingerichtet. Die Apostel mitgerechnet waren dreißig Jünger hier mit Jesus. Die, welche schon hier gewesen waren, und an die sich darum die Einwohner wandten, führten Jesus zu verschiedenen Kranken. Die andern verteilten sich in die umliegende Gegend. Petrus, Johannes und Jakobus blieben bei Jesus. Er heilte in verschiedenen Häusern Wassersüchtige, Schwermütige, Besessene, mehrere Aussätzige von der schlimmsten Art, Lahme und besonders viele Blinde und Leute mit geschwollenen Wangen und Gliedern, Blinde und Gliederkranke waren viele hier, besonders unter den Gärtnern und Taglöhnern.

Die Blindheit kam von dem Stich eines kleinen Insekts, das in großer Menge herumflog. Jesus zeigte ihnen ein Kraut, mit dessen Saft sie sich einreiben sollten, dann werde das Insekt sie nicht stechen, und gab ihnen auch eine moralische Anwendung von dessen Bedeutung. Die Geschwülste, welche sich entzündeten und in Brand übergingen, dass die Menschen daran starben, kamen auch von einem kleinen Insekt, das von den Bäumen, wie Mehltau, geweht wurde. Es war fahlschwarz, wie Schmiedstaub und kam wie eine schwarze Wolke so dicht durch die Luft gezogen. Es biss sich in die Haut und verursachte dann ein großes Geschwulst. Jesus zeigte den Leuten ein anderes Insekt, das sie zerdrückt auf das Geschwulst legen sollten, um für die Zukunft sich damit zu heilen. Es war ein weißer Käfer, fast wie ein Kellerwurm, mit fünfzehn Pünktchen auf dem Rücken, von der Größe eines Ameiseneis und konnte sich ganz zusammenrollen.

16. Die Syrophönizierin

Während dieser Heilungen war von einem Haus zum anderen eine bejahrte, auf einer Seite gekrümmte Heidenfrau aus Ornithopolis Jesus immer nachgegangen, hatte sich aber demütig in einiger Ferne gehalten und manchmal um Hilfe gefleht. Jesus aber ließ sie immer unbeachtet und wich ihr aus, denn Er heilte jetzt nur die kranken Juden. Ein Diener begleitete sie mit einem Pack. Sie war ausländisch gekleidet in gestreiftem Zeug, hatte Schnüre um die Arme und den Hals des Kleides, auf dem Kopf eine vorstehende spitze Mütze und ein buntes Tuch darum, außerdem einen Schleier. Diese Frau hatte zu Hause eine besessene kranke Tochter und hatte schon lange auf Jesus gehofft. Sie war schon hierher gekommen, als die Apostel hier waren, und diese erinnerten nun Jesus mehrmals an sie. Jesus aber antwortete, es sei noch nicht Zeit. Er wolle das Ärgernis nicht. Er wolle den Heiden nicht vor den Juden helfen.

Am Nachmittag ging Jesus mit Petrus, Jakobus und Johannes in das Haus eines hiesigen Judenältesten, der sehr wohlgesinnt, ein Freund des Lazarus und Nikodemus und heimlicher Anhänger Jesu war. Er gab sehr viel zu dem Gemeinde-Almosen und den Herbergen her, hatte zwei Söhne und drei Töchter von gesetztem Alter und war ein ganz schwacher Greis. Die Kinder waren nicht verheiratet, sie waren Nasiräer, trugen gescheitelte lange Haare und ungekürzte Bärte. Die Töchter hatten die gescheitelten Haare unter der Kopf-Verhüllung hervorsehend. Alle waren weiß gekleidet. Der alte Vater mit langem weißem Bart wurde von den Söhnen Jesu entgegengeführt, da er nicht allein gehen konnte, Er weinte vor Ehrfurcht und Freude. Die Söhne wuschen Jesus und den Aposteln die Füße und gaben ihnen einen Imbiss von Früchten und kleinen Broten. Jesus war sehr freundlich und vertraut, sprach von seinen nächsten Wegen und dass Er zu Ostern nicht öffentlich auf dem Fest in Jerusalem sein werde. Er blieb nicht lange in dem Haus. Das Volk hatte seinen Aufenthalt aufgespürt und sammelte sich ringsum und in dem Vorhof und Garten des Hauses, heilte und lehrte zwischen Terrassenmauern, welche Gärten stützten, mehrere Stunden. Die heidnische Frau hatte schon lange in der Ferne geharrt. Jesus kam nicht in ihre Nähe und sie wagte nicht, sich zu nähern, rief aber einige Mal, wie schon früher: «Herr! Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner! Meine Tochter wird von einem unreinen Geist geplagt!» Die Jünger baten Jesus, ihr doch zu helfen. Jesus aber sagte: «Ich bin nur zu den verlornen Schafen aus Israel gesandt.» Die Frau kam endlich näher, trat in die Hallen, warf sich vor Jesus nieder und sagte: «Herr, hilf mir!» Jesus antwortete: «Lasse zuerst die Kinder satt werden! Es ist nicht billig, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden vorzuwerfen.» Die Frau aber flehte: «Ja, Herr! Denn auch die Hündlein essen unter dem Tisch von den Brosamen der Kinder, die von ihres Herrn Tisch fallen.» Da sprach Jesus: «Frau, dein Glaube ist groß! Um dieses Wortes willen sei dir geholfen!»

Mit der Frage, ob sie selbst nicht auch geheilt sein wolle, denn sie war zusammengekrümmt nach einer Seite hin, hielt sich aber der Heilung nicht würdig und flehte nur für die Tochter, legte ihr Jesus die eine Hand auf den Kopf, die andere in die Seite und sagte: «Richte dich auf! Es geschehe dir, wie du willst! Der Teufel ist von deiner Tochter ausgefahren.» Da richtete sich die Frau groß und schlank in die Höhe, war einige Augenblicke still und rief dann mit erhobenen Händen: «O Herr! Ich sehe meine Tochter ruhig und gesund im Bett liegen!» Sie war wie außer sich vor Freuden. Jesus aber begab sich mit den Jüngern hinweg.

Sie hatten nachher eine Mahlzeit bei dem Nasiräer, und es waren auch Leviten von Kades dabei und alle Apostel und Jünger, die in der Herberge wieder zusammengekommen waren. Es war eine reichliche Mahlzeit, wie lange keine gewesen war, und es wurde durch die Jünger den Armen viel mitgeteilt. Jesus kehrte spät zur Herberge. Gestern und heute war Neumondfest.

Als Jesus am folgenden Morgen unter den Säulenhallen des Marktes heilte und lehrte, brachte die Frau ihren Verwandten herzu, der mit ihr von Ornithopolis gekommen, aber lahm am rechten Arme und stumm und taub war. Die Frau bat Jesus um Hilfe für ihn und flehte, Er möge doch in ihre Heimat kommen, damit sie Ihm danken könnten.

Jesus nahm den Mann aus dem Gedränge beiseite, legte ihm die Hand auf den lahmen Arm, betete und streckte ihm den Arm gesund aus. Dann benetzte Er mit ein wenig Speichel die Ohren, ließ ihm die geheilte Hand an die Zunge führen, blickte empor und betete. Der Mann aber richtete sich auf, sprach und dankte. Jesus trat mit ihm zu dem andrängenden Volk und der Mann fing nun an, ganz wunderbar und prophetisch zu sprechen. Er warf sich vor die Füße Jesu nieder und dankte, dann wandte er sich zu den Heiden und Juden, sprach Drohungen gegen Israel aus, nannte die einzelnen Orte und Wunder Jesu und die Hartnäckigkeit der Juden und sagte: «Die Speise, die ihr verwerft, ihr Kinder des Hauses, sammeln wir Verworfenen auf und werden davon leben und danken. An der Frucht der Brosamen, die wir sammeln, wird ersetzt werden, was ihr an dem Brot des Himmels zugrunde gehen lasst!» Er redete so wunderbar und begeistert, dass eine große Bewegung im Volk entstand.

Darauf verließ Jesus die Stadt und stieg mit den Aposteln und Jüngern am Gebirge westlich von Leschem auf eine sehr abgelegene Höhe, wo eine geräumige Höhle mit Bänken war. Es waren solche Höhlen die Ruheplätze für Reisende. Sie sind wohl ein paar Stunden gegangen und die Nacht dort geblieben. Hier lehrte Jesus die Apostel und Jünger von der Verschiedenheit der Heilungen und von dem Äußerlichen bei denselben, denn sie fragten Ihn, warum Er den Stummen die eigene Hand habe in den Mund legen lassen und ihn beiseite genommen habe. Er unterrichtete sie darüber, lehrte wieder vom Gebet und lobte die heidnische Frau, welche immer um Erkenntnis des Wahren und nicht um zeitliche Güter gefleht habe. Auch schrieb Er ihnen eine bestimmte Ordnung vor: dass sie zu zwei und zwei ausziehen und dass alle dasselbe lehren sollten, was Er zuletzt ihnen gelehrt habe. Sie sollten von Zeit zu Zeit wieder zusammenkommen und sich mitteilen, wie es ihnen ergangen sei. Die Apostel sollten den Jüngern dann auftragen, was sie neuerdings gemeinschaftlich zu lehren hätten. Auf dem Weg sollten sie miteinander beten und nur von der Lehre sprechen. Auf der Weiterreise kamen sie an der großen hochgelegenen Stadt Hamathor vorüber und hatten sehr steil und mühsam aufzusteigen, bis sie auf den hohen Rücken kamen, wo man das Weltmeer sehen konnte. Sie gingen nun mehrere Stunden bergab, setzten über einen Fluss, der im Norden von Tyrus in das Meer fließt und kehrten in einer Herberge am Weg drei bis vier Stunden vor Ornithopolis ein.

Die Syrophönizierin war eine sehr vornehme Frau in ihrer Heimat. Sie war schon hier durch nach Hause gezogen und hatte Jesus eine sehr gute Herberge bestellt. Die Heiden kamen Jesus und seiner Schar sehr demütig entgegen, führten sie abgesondert und taten alle Dienste sehr schüchtern und ehrfurchtsvoll. Jesus für einen sehr großen Propheten haltend.

Am folgenden Tag zogen Jesus und die Jünger in der Nähe einer kleinen heidnischen Stadt zu einer Anhöhe, auf welcher ein Lehrstuhl noch aus den ersten Zeiten der Propheten stand, deren einige öfters hier gelehrt hatten. Die Heiden hielten diesen Platz von jeher in einer gewissen Achtung und hatten ihn heute mit einer schönen Zeltdecke über dem Lehrstuhl verziert.

Es waren viele Kranke da, die scheu sich fernhielten, bis Jesus ihnen nähertrat und mit den Jüngern viele heilte, welche Geschwüre hatten. Lahme, Ausgedörrte, Melancholische oder Halbbesessene, welche nach der Heilung wie aus dem Schlafe erwachten. Jenen, welche ganz dick und bösartig geschwollene Glieder hatten, legte Jesus die Hand auf das Geschwulst, wodurch es sank und gutartig wurde. Er ließ von den Jüngern eine Pflanze bringen, die dort auf nacktem Felsen wuchs und große, fette, tief eingekerbte Blätter hatte. Jesus segnete ein solches Blatt und goss Wasser darauf, das Er in einer Flasche bei sich trug, und die Jünger legten es den Geheilten mit der gekerbten Seite um die kranke Stelle und banden es zu.

Nach den Heilungen hielt Jesus eine ungemein rührende Lehre von der Berufung der Heiden, erklärte mehrere Stellen aus den Propheten und schilderte die Nichtigkeit ihrer Götzen. Hierauf ging Er mit den Jüngern drei Stunden nordwestlich nach Ornithopolis, welches vom Meer noch dreiviertel Stunden entfernt ist. Es ist nicht sehr groß, aber es sind schöne Gebäude dort. Östlich davon liegt auf einer Höhe ein Götzentempel.

Jesus wurde mit ungemeiner Liebe empfangen. Die Syrophönizierin hatte alles auf das reichlichste und ehrenvollste eingerichtet und ließ aus Demut alles von den wenigen hier wohnenden armen Judenfamilien verrichten. Der ganze Ort war voll von der Genesung der Tochter, dem Geradewerden der Frau und besonders von der Heilung ihres taubstummen Verwandten, welcher auch hier auf prophetische Weise von Jesus bei der Verkündigung seiner Genesung gesprochen hatte. Alles war vor den Häusern versammelt. Die Heiden hielten sich in demütiger Entfernung zurück und hielten dem Zuge grüne Zweige entgegen. Die Juden, etwa zwanzig an der Zahl, darunter sehr alte Männer, die geführt werden mussten, kamen Jesus entgegen, auch der Lehrer mit allen Kindern. Frauen und Töchter folgten verschleiert.

Es ward Jesus und den Jüngern ein Haus bei der Schule eingeräumt und von der Frau mit schönen Teppichen, Gefäßen und Lampen ausgerüstet. Es wurden ihnen dort sehr demütig die Füße von den Juden gewaschen und andere Kleider und Sohlen gegeben, bis die ihrigen ausgeschüttet, gereinigt und gestrichen waren. Jesus war dann mit den Vorstehern in der Schule und lehrte.

Nachher war ein prächtiges Mahl in einer offenen Halle. Es war alles von der Syrophönizierin veranstaltet. Man sah an der ganzen Zubereitung, an den Gefäßen, Speisen und der Tischrüstung, dass alles von einer Heidin herkam. Es waren drei Tische, viel höher als die jüdischen, und die Lagerbetten ringsum waren auch höher. Es waren wunderlich bereitete Figuren von Speisen da, welche Tiere, Bäume, Berge und Pyramiden darstellten: auch Speisen, die etwas anderes waren, als was sie vorstellten: allerlei Arten von wunderlichem Backwerk, Vögel, die aus Fischen, und Fische, die aus Fleisch gebildet waren, Lämmer von Gewürz und Früchten, Mehl und Honig: aber auch natürliche Lämmer. An einer Tafel aß Jesus mit den Aposteln und ältesten Juden, an den beiden andern die Jünger und andere Juden: die Frauen und Kinder aßen an der durch eine Scheidewand getrennten Tafel. Während der Mahlzeit trat nun die Frau mit ihrer Tochter und ihrem Verwandten herein, um für die Genesung zu danken. Diener folgten mit Geschenken in zierlichen Kästchen, welche sie zwischen sich auf Teppichen trugen. Die Tochter trat verschleiert hinter Jesus heran, brach ein Fläschchen mit köstlicher Salbe über seinem Haupt und zog sich bescheiden zur Mutter zurück. Die Diener übergaben die Geschenke den Jüngern, es waren Geschenke der Tochter. Jesus dankte. Die Frau hieß Ihn willkommen in ihrer Heimat und erklärte, sie würde glücklich sein, wenn sie nur ihren guten Willen zeigen könnte, nach ihrer Unwürdigkeit auch nur die mindesten der vielen Unbilden zu vergüten, welche so viele seines Volkes Ihm antäten. Es geschah alles sehr kurz und demütig, mit einem Sich-Fernhalten. Jesus ließ von dem Geld, das sich bei den Geschenken befand, und von den Speisen an die armen Juden vor ihren Augen verteilen.

Die Frau war eine Witwe und sehr reich: ihr Mann war vor fünf Jahren gestorben. Er hatte viele große Schiffe auf dem Meer und sehr viele Diener und besaß viele Güter und ganze Orte. Es lag nicht weit von hier ein ganzes Heidennest auf einem Vorsprung ins Meer, welches der Frau gehörte. Ich meine, er war ein großer Kaufmann. Die Frau war im Ort ungemein geehrt. Die armen Juden lebten fast ganz von ihrer Unterstützung. Sie war sehr klug und wohltätig und hatte eine gewisse Erleuchtung in ihrer heidnischen Frömmigkeit. Die Tochter war etwa vierundzwanzig Jahre alt, groß und von schönem Angesicht. Sie war bunt gekleidet mit Schnüren am Hals und Ringen um die Arme. Sie hatte wegen ihres Reichtums viele Freier gehabt: wurde aber von einem bösen Geist besessen. Sie hatte schreckliche Krämpfe, so dass sie in ihrem Wahnsinn aus dem Bett sprang und zu entrinnen suchte. Man musste sie wohl bewahren und binden. War es vorüber, so war sie sehr gut und tugendlich. Es war aber dies ein schrecklicher Kummer und eine große Beschämung für die Mutter und Tochter, und man musste diese immer verborgen halten. Sie hatte dieses Leiden schon viele Jahre gehabt. Als die Mutter nach Hause kam, kam ihr die Tochter entgegen und sagte ihr, in welcher Stunde sie genesen. Es war derselbe Augenblick, da Jesus ihre Heilung ausgesprochen hatte. Und wie war sie freudig und verwundert, ihre gekrümmte Mutter als eine große schlanke Frau wiederzusehen und sich von ihrem taubstummen lahmen Verwandten deutlich und freudig begrüßen zu hören! Sie war voll Dank und Verehrung für Jesus und half alles mit zu seinem Empfang bereiten.

Die Geschenke, die Jesus erhalten hatte, waren alle Kleinodien der Tochter, welche sie von Jugend auf von ihren Eltern und besonders von ihrem weithin Handel treibenden Vater geschenkt erhalten hatte, dessen einziges geliebtes Kind sie war. Es waren lauter altertümliche Kostbarkeiten und Geschmeide, wie man sie reichen Kindern gab. Es waren Dinge darunter, welche die Eltern ihrer Eltern schon gehabt hatten: viele wunderbare Götzenbildchen von Perlen und Steinen zusammengesetzt und mit Gold verbunden, seltsame Steine von großem Wert und kleine Gefäße und goldene Tiere und fingerlange Figuren, woran die Augen und der Mund von Edelsteinen waren. Auch wohlriechende Steine und Ambra und Goldstängelchen, wie Bäumchen gewachsen, worauf bunte Steine, wie Früchte, angebracht waren - sehr, sehr viele Sachen! Es war ein ganzer Schatz, denn es waren einzelne Stücke dabei, die wohl jetzt tausend Taler wert wären. Jesus sagte, es sollte alles den Armen und den Bedürftigen gegeben werden, und sein Vater im Himmel werde sie ihnen belohnen.

Am Sabbat besuchte Jesus die einzelnen Judenfamilien, teilte Almosen aus, heilte und tröstete. Sie waren hier sehr arm und verlassen. Er versammelte sie in der Synagoge und sprach ungemein rührend und tröstlich mit ihnen, denn sie hielten sich für ausgestoßen und unwürdig in Israel. Er bereitete auch viele zur Taufe vor. Es wurden etwa zwanzig Männer in einem Badegarten getauft, worunter der geheilte taubstumme Verwandte der heidnischen Frau.

Jesus ging mit den Jüngern auch zu der Syrophönizierin, die in einem schönen, mit vielen Gärten und Höfen umgebenen Haus wohnte. Er wurde mit vielen Feierlichkeiten empfangen, das Gesinde war festlich gekleidet und breitete Teppiche unter seinen Füßen aus.

Im Eingang einer schönen Gartenhalle mit Säulen traten Ihm die Witwe und ihre Tochter verschleiert entgegen, warfen sich vor Ihm nieder und dankten, so auch der geheilte Taubstumme. In dem Saal waren wunderliches Backwerk und Früchte aller Art auf kostbaren Geschirren vorgesetzt. Die Gefäße waren von Glas, das aus vielen bunten, zusammen- und durcheinanderlaufenden Fäden wie zusammengeschmolzen war. Ich habe bei reichen Juden hie und da ein einzelnes solches Gefäß gesehen. Hier aber war es sehr häufig und wie zu Hause. In den Winkeln des Saales standen hinter Vorhängen viele solche Geschirre an den Wänden in die Höhe. Die Gerichte waren auf kleinen runden und eckigen Tischen aufgesetzt, die man zu einem großen Tisch zusammenstellen konnte.

Unter den Speisen waren sehr schöne getrocknete Trauben, die noch an den Reben hängend in Gefäßen von jenem bunten Glas aufgestellt wurden. Ebenso eine andere Art von getrockneten Früchten, die ganz weiß, vielleicht verzuckert waren und wie das Weiße am Blumenkohl aussahen. Man pflückte sie von den Stengeln, und sie hatten einen angenehmen süssen Geschmack. Dieses Gewächs wurde nicht weit vom Meer in einer sumpfigen Stelle gezogen, welche der Syrophönizierin gehörte.

In einem abgesonderten Raum des Saales standen die Heidenmädchen, Freundinnen der Tochter, und das Gesinde. Jesus sprach mit ihnen. Die Frau bat Jesus auch sehr inständig für die armen Leute in Sarepta, dass Er sie doch besuche und auch für andere Orte in der Gegend. Sie war sehr klug und hatte eine geistreiche Art, alles vorzubringen. Sie sprach ungefähr: «Sarepta, dessen arme Witwe mit dem Elias geteilt hat, ist selbst eine arme Witwe und in Hungersnot. Und Du als der größte Prophet erbarme Dich doch auch derselben. Mir aber, die selbst eine arme Witwe gewesen, der Du alles wiedergegeben, mögest Du verzeihen, dass ich Dich auch für Sarepta anflehe.» Jesus versprach es ihr. Sie sagte Ihm auch, dass sie gerne eine Synagoge würde bauen lassen, und wünschte, dass Er ihr bestimmen sollte wo. Ich weiß seine Antwort nicht mehr.

Die Frau hatte große Webereien und Färbereien. In dem Örtchen am Meer und in einiger Entfernung ihres Hauses waren große Gebäude und darüber viele Gerüste, wo fahle und gelbes Zeug ausgespannt waren. Unter ihren Geschenken waren auch viele kleine Schälchen und Kügelchen aus Bernstein, der dort sehr kostbar ist.

Den Schluss des Sabbats hielt Jesus in der Schule der Juden, welche sehr schön ausgeschmückt war. Um die armen Leute zu trösten, lehrte Er, dass das Sprichwort nicht mehr gelten sollte in Israel: unsere Väter haben Weinbeeren gegessen, und den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden. Jeder, der sich an das von Ihm verkündete Wort Gottes halte, Buße tue und sich taufen lasse, trage die Sünden der Väter nicht mehr. Die Leute waren darüber ungemein froh und freudig.

Am Nachmittag des folgenden Tages nahm Jesus Abschied von der Frau, die Ihm wie ihre Tochter und der geheilte Verwandte noch handlange Figuren von Gold schenkten und Vorrat von Broten, Balsam, Früchten, Honig in Binsenkörbchen und Fläschchen für die Reise und für die Armen in Sarepta in die Herberge sandten. Jesus ermahnte die ganze Familie, empfahl ihr die armen Juden und ihr eigenes Heil und schied aus dem Haus unter den Tränen aller, die sich vor Ihm demütigten. Die Frau war immer sehr erleuchtet und suchte das Gute. Sie geht mit ihrer Tochter nicht mehr zum Heidentempel, sondern hält sich zur Lehre Jesu und schließt sich an die Juden an und sucht auch ihre Leute nach und nach dahin zu bringen.

Jesus unterrichtete die Jünger noch mehrmals über ihre Ordnung und Pflichten auf ihrer jetzigen Sendung. Thomas, Thaddäus und Jakobus der Kleinere gingen mit den Jüngern, welche nicht bei Jesus blieben, in den Stamm Aser hinab. Sie durften nichts bei sich haben, Jesus aber ging mit den übrigen Aposteln, mit Saturnin, Judas Barsabas und noch einem Dritten, von allen Juden und vielen Heiden eine Strecke Weges begleitet, nördlich nach Sarepta. Sechzehn Juden gingen ganz mit dahin. Er zog nicht in Sarepta ein, das ungefähr zwei und eine halbe Stunde nordöstlich von hier entfernt war, sondern kehrte bei einer Reihe von Häusern ein, welche ziemlich weit von Sarepta an dem Ort lagen, wo die Witwe von Sarepta Reiser sammelte, als Elias zu ihr kam. Arme Juden hatten sich da angesiedelt, die noch ärmer sind als die in Ornithopolis, welche die Wohltaten der Syrophönizierin genießen. Auch hier war Jesus und den Seinigen die Herberge durch diese Frau schon bereitet und die Geschenke für die Armen waren schon vorausgeschickt. Die Leute kamen Ihm unbeschreiblich glücklich und gerührt mit Frau und Kindern entgegen und wuschen ihnen die Füße.

Jesus tröstete und lehrte die Leute und ging noch ein paar Stunden östlich aufsteigend von sechzehn Männern von Ornithopolis und anderen von Sarepta begleitet. Bei einem Heidenstädtchen hielt Er auf einem Hügel eine Lehre vor Leuten, die Ihn erwartet hatten und zog dann weiter. Die Begleiter aus Ornithopolis aber kehrten zurück.

Auf der weiteren Reise kam Jesus mit den Jüngern in östlicher Richtung aufsteigend gegen den Hermon, der wie die Spitze des hohen Gebirges aussieht, das Obergaliläa einschließt. Er überschritt den Hermon in einem hochliegenden Tal und kehrte in Rechob ein, das südwestlich am Fuß des Hermon unterhalb Baal-Hermon liegt, das sehr groß ist und mit seinen vielen Götzentempeln auf Rechob herabsieht.

17. Jesus in Gessur und Nobah. Feier des Purimfestes

Von Rechob ging Jesus sieben Stunden nordöstlich nach Gessur, wo Er bei den Zöllnern einkehrte, deren viele an der Landstraße wohnten, die nach Damaskus führte. Gessur ist eine große, schöne Stadt, und es liegen römische Soldaten hier. Heiden und Juden wohnen in getrennten Teilen der Stadt, sind aber im Umgang doch sehr vertraut, weshalb die Juden hier, von den andern sehr verachtet sind.

Von Gessur waren viele Juden und Heiden bei den Lehren am Berg der Seligkeiten. Einzelne Kranke von hier sind neulich von den hier gewesenen Aposteln geheilt worden. Auch ein Blinder war hier, der bei der Lehre sehend geworden, welche vor der Brotvermehrung stattgefunden hatte. Der Mann der Maria Suphanitin ist von hier, wohnt aber jetzt mit ihr in Ainon.

Absalon hat sich einmal eine Zeitlang hier aufgehalten, als er vor David floh, denn seine Mutter Maacha war Tochter eines hiesigen Königs Namens Tholmai (1 Chr 3, 2).

Der Apostel Bartholomäus, der mit hierher gekommen ist, stammt auch von diesem Königshaus. Sein Vater hatte längere Zeit das Bad von Bethulien gebraucht und war deswegen von hier nach Kana gezogen und hatte sich im Tal Zabulon angekauft. Dadurch ist Bartholomäus ein dortiger Landsmann geworden. Hier in Gessur hatte er mütterlicherseits noch einen sehr alten Grossoheim, der ein Heide war und große Güter und Reichtümer besaß. Dieser alte Mann wohnte in einem großen Haus mitten in der Stadt und ließ sich zu Jesus in das Quartier der Zöllner hinführen, wo Er auf einer Terrasse lehrte, auf welcher die durchgehenden Waren verpackt und verzollt wurden. Der Oheim sprach mit den Aposteln und besonders mit seinem Vetter Bartholomäus und lud Jesus in sein Haus zur Mahlzeit ein. Es hörte alles Volk vermischt Jesu Lehre zu, Männer und Frauen, Heiden und Juden. Er aß auch bei den Zöllnern mit vielen andern. Es war ein großes Aufsehen, denn diese ordneten ihre Güter, um alles an die Armen auszuteilen.

Als Jesus in die Heidenstadt zum Oheim des Bartholomäus ging, wurde Er prächtig auf heidnische Art mit vorgebreiteten Teppichen empfangen, und es war ihm ein reichlicher Imbiss auf heidnische Art vorgesetzt.

Die Heiden beteten hier ein mehrarmiges Götzenbild an, das einen Scheffel mit Ähren auf dem Kopf trug. Viele neigten sich aber zu den Juden und noch mehrere zu der Lehre Jesu. Es waren schon viele durch Johannes und die Apostel in Kapharnaum getauft worden.

Die Zöllner teilten den größten Teil ihrer Reichtümer aus. Auf dem Platz, wo Jesus lehrte, hatten sie große Getreidehaufen, die sie den Armen ausmaßen. Auch gaben sie Äcker und Gärten an arme Taglöhner und Sklaven und ersetzten allen Schaden, den sie verursachten.

Als Jesus wieder am Zollhaus vor Heiden und Juden lehrte, kamen auch fremde Pharisäer zum Sabbat hier an und warfen Jesus vor, dass Er bei den Zöllnern einkehre, mit ihnen und Heiden verkehre.

Der Oheim des Bartholomäus und sechzehn andere alte Männer wurden in einem Badegarten getauft. Das Wasser wurde aus einem Brunnen der Stadt auf einen hochliegenden Kanal hinaufgewunden und durch diesen in den Garten geleitet. Judas Barsabas taufte. Der Garten war festlich geschmückt, alles wurde sehr feierlich getan und den Armen viel ausgeteilt. Der Oheim gab viel Almosen.

Jesus lehrte zum Schluss des Sabbats in der Synagoge, nahm Abschied von allem Volk an der Zollstätte, teilte den Armen aus und ging, von vielen Menschen begleitet, fünf Stunden bis in das Fischerdorf an dem auf einer Bergebene liegenden See Phiala, der etwa drei Stunden östlich von Paneas entfernt ist. Er kam spät an und kehrte nächst der Schule bei dem Lehrer ein. Die Leute hier waren meist Juden.

Der See Phiala ist kaum eine Stunde groß, hat sanfte Ufer, klares Wasser und fließt gegen einen Berg, wo er verschwindet. Es sind auch Kähne auf demselben. Die Gegend ist voll von Getreidefeldern und schönen Wiesen, worauf viele Esel, Kamele und anderes Vieh gehen. Auch Kastanienhaine sind in der Gegend. Hier und an der andern Seite des Sees liegen jüdische Fischerdörfer, von denen jedes eine Schule hat.

Jesus lehrte in den Schulen und ging mit einzelnen Einwohnern und den Aposteln in die um den See liegenden Hirtenwohnungen. Johannes der Täufer hatte sich hier in der Gegend aufgehalten.

Von hier ging Jesus mit Johannes, Bartholomäus und einem Jünger südlich drei Stunden nach Nobah einer Stadt der Dekapolis. Heiden und Juden wohnen gesondert in den zwei Stadtteilen, welche etwas verschiedene Namen haben. Alle Städte hier herum sind aus einem schwarzen glimmernden Stein gebaut. Jesus lehrte in Nobah und in einzelnen kleinen Orten der Umgegend. Johannes und Bartholomäus waren mit Ihm. Die andern Apostel und Jünger waren zerstreut in der Gegend.

Jesus bereitete auch zur Taufe vor, und Bartholomäus taufte. Es war an diesen Orten nur schwarzes, schlammiges Wasser. Sie hatten aber große runde Steinbecken, worin sie es abklären und dann in andere Becken ablaufen ließen und zudeckten. Die Apostel gossen Wasser, das sie in Trinkgefäßen bei sich hatten, hinein, und Jesus segnete das Wasser. Die Leute knieten um das Gefäß, den Kopf überbeugend.

Die Heiden in Nobah empfingen Jesus sehr feierlich. Sie zogen Ihm mit grünen, blühenden Zweigen entgegen und breiteten Decken und Bahnen vor Ihm aus, welche sie quer über die Straße hielten und die Er mehrere Male überschreiten musste, denn sie liefen damit immer wieder vor Ihm hin. An der Judenstadt empfingen Ihn die Rabbiner, welche Pharisäer waren. Er lehrte in der Synagoge. Es war der Sabbat des Purimfestes. Hernach war ein Mahl in dem Festhaus, wo die Pharisäer wieder stritten und stichelten, dass die Jünger Früchte auf dem Wege äßen und Ähren abstreiften.

Jesus erzählte die Parabel von den Arbeitern im Weinberg und vom reichen Prasser und armen Lazarus. Er warf nämlich den Pharisäern vor, dass sie die Armen nicht wie gebräuchlich eingeladen, worauf sie sagten, dazu seien ihre Einkünfte zu gering. Er fragte, ob sie dieses Mahl für Ihn angestellt hätten, und als sie «ja» sagten, legte Er an einem Kettchen fünf große, gelbe, dreieckige Stücke auf den Tisch und sagte, sie möchten dieses den Armen zuwenden, und ließ auch durch die Jünger viele Arme herbeirufen und am Tisch niedersitzen und labte sie. Er diente, lehrte und teilte viele Speisen aus. Jenes Geld war vielleicht die an jenem Tag gebräuchliche Tempelabgabe oder das heute gewöhnliche Geschenk, denn auch hier beschenkten sich an diesem Fest die Leute mit Früchten, Broten, Getreide und Kleidern.

Man las an diesem Fest aus ganz eigenen Rollen die Geschichte der Esther in der Synagoge und las sie auch kranken und alten Leuten in den Häusern vor. Auch Jesus ging umher und las alten Leuten die Estherrollen und heilte einige Kranke. Ich sah auch Festspiele und Aufzüge der jungen Mädchen und Frauen, die viele Rechte am heutigen Tage hatten. Einmal kamen sie, wie mit einer Gesandtschaft, in die Synagoge, ganz in den vordersten Teil. Sie hatten eine geschmückte Königin unter sich gewählt und schenkten den Priestern schöne geistliche Kleidungsstücke. In einem Garten hatten sie eigene Spiele, wählten bald die eine, bald die andere zur Königin und setzten sie wieder ab. Sie hatten auch eine Puppe, die misshandelt und aufgehängt wurde, während kleine Jungen mit Hämmern auf Bretter klopften und Verwünschungen ausschrieen.

18. Jesus in Regaba und Cäsarea-Philippi

Von Naboh wandelte Jesus nach GauIon. Der Weg führte um ein hohes Gebirge westlich und betrug vier Stunden. Gaulon ist von Juden und Heiden bewohnt und ein paar Stunden vom Jordan entfernt. Jesus verweilte lehrend und heilend nur wenige Stunden hier und zog an dem hochliegenden Argos vorüber auf lauter Bergrücken zur Festung Regaba, wo Er sehr spät in der Nacht anlangte. Er ruhte mit seinen Begleitern an einsamer Stelle vor der Stadt im Gras aus und erwartete hier die anderen Apostel und Jünger, fünfzehn an der Zahl und dann begab Er sich mit allen in die hier für sie errichtete Herberge. Regaba gehört zu den Flecken der Gergesener und war ihr äußerster Ort gegen Mitternacht und einer der besser gesinnten. Gaulon war ein Grenzort des Tetrarchen Philippus.

Die meisten Leute hier, Juden und Heiden, waren schon getauft und ihre Kranken am Berg der Seligkeiten geheilt worden. Jesus hat den ganzen Tag über gelehrt, getröstet und im Glauben gestärkt. Es war eine ungeheure Menge Menschen aus der ganzen Gegend zum Sabbat hier versammelt. Dazu kam noch eine Karawane aus Arabien. Diese Menschenmenge brachte Lahme, Blinde, Stumme und andere Kranke heran und drängte mit solchem Ungestüm, dass Jesus zur Synagoge aus der Stadt auf einen Berg mit den Jüngern zog. Einige blieben aber zurück und versuchten, die Menge des Volkes, so gut es anging, zu ordnen, Das Volk aber zog Ihm nach, und Er lehrte vom Vaterunser, vom Nichtprahlen und Öffentlichtun beim Gebet und von der Erhörung, heilte auch viele Menschen und kam dann wieder nach Regaba zur Synagoge. Er hatte in der letzten Zeit auf dem Weg und in den Schulen viel vom Gebet gelehrt. Es waren einige Jünger bei Ihm, die bei der ganzen Auseinandersetzung des Vaterunsers nicht gegenwärtig gewesen waren. Sie hatten gebeten: «Lehre uns doch auch zu beten, wie Du es die andern gelehrt!» Und Er legte wieder das Vaterunser aus und warnte gegen das scheinheilige Beten.

Regaba liegt sehr hoch und hat eine herrliche Aussicht auf den See und über Genesareth weg bis an den Tabor. Höher als die nicht sehr große Stadt liegt auf einem Felsen ein viereckiges Gebäude von großen, steilen Seitenwänden, wie aus Felsen gehauen, mit Gewölben und Kammern, worin Soldaten waren. Oben ist es platt und es stehen Bäume darauf. Das ist die Festung. Es sind von hier zum See ungefähr fünf Stunden gegen Südwesten, zum Berg der Seligkeiten drei bis vier gegen Abend, etwa fünf nach Bethsaida-Julias. Aber wohl sieben bis acht Stunden bis zum Ort, wo Jesus die Teufel in die Schweine trieb. Nach Cäsarea-Philippi mögen es fünf Stunden sein. Es geht der Karawanenweg von hier über den hohen Berg dahin.

Jesus sprach in diesen Tagen viel von schwerer Zukunft. Man werde Ihn überall verfolgen und Ihm nach dem Leben trachten. Einmal sagte Er, es nahe seine Aufnahme. Vom Brot des Lebens, vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes hatte Er seit dem letzten Aufstand zu Kapharnaum nicht mehr öffentlich gesprochen. Er hatte diese Lehre hauptsächlich auch darum ausgesprochen, um die Jünger zu prüfen und die schlechten auszuscheiden, damit Er sie nicht immer mit herumschleppen müsse.

Die hohe Umgebung von Regaba ist sehr schön, aber etwas wild, gegen Nordost ist sie kahl und steinig. Edles Obst, wie in Genesareth, wächst hier nicht, aber viel Getreide, und auf den Bergen sind gute Weiden. Es gehen da große Herden von Eseln und Kühen mit sehr breiten Hörnern und schwarzen in die Höhe stehenden Schnauzen. Andere haben den Kopf mehr gesenkt und die Hörner vorwärts, vielen sind die Hörner gebrochen. Auch große Herden von Kamelen sind da, die in der Ferne ganz klein aussehen. Sie schlafen oft stehend und lehnen sich dabei an Bäume und Felsen. Zu einer Gegend, wo Bäume wie Buchen stehen, sah ich sehr viele Schweine gehen. Ich habe nie gesehen, dass die Juden oder Heiden Fleisch räucherten. Fische trockneten sie an der Sonne und salzten sie. Hier oben ist Wassermangel. Sie haben Regenzisternen und tragen das Wasser in Schläuchen herauf.

Von Regaba zog Jesus mit seinen Begleitern nach Cäsarea-Philippi, wo Er um Mittag ankam. Der Weg dahin ging immer auf der Höhe und war an vielen Stellen sehr rauh. Cäsarea liegt ungemein schön zwischen fünf Hügeln und sieht nach einer Seite ins Gebirge, ist mit Gärten und Alleen umgeben und auf heidnische Art mit Säulen und Bogen gebaut. Es sind ungefähr sieben Paläste dort und viele Heidentempel. Doch wohnen die Heiden von den Juden getrennt. Vor der Stadt liegt tiefer ein sehr großer Teich, in dessen Mitte ein Häuschen steht, das man herumdrehen kann. Es quillt Wasser daraus hervor in den Teich und von da in den Jordan. In der Heidenstadt ist ein sehr tiefer Brunnen mit einem schönen Gebäude darüber. Man sah ganz tief hinunter. Ich vermute, es ging der Brunnen durch den Berg auf die Quellen, die vom See Phiala herkommen. Ich sah auch vor der Stadt Bogen und Gewölbe, wo das Wasser wie in Kellern und auf Brücken floss.

Jesus wurde gut empfangen. Man hatte Ihn erwartet, denn die Karawane hatte seine Ankunft verkündet. Verwandte der geheilten Blutflüssigen kamen bis an den Teich entgegen. Er kehrte nicht weit von der Synagoge in einer Pharisäerherberge ein. Es kamen bald Kranke und anderes Volk. Die Apostel heilten hie und da. Es sind auch übelgesinnte Pharisäer hier, welche bei der Kommission von Kapharnaum gewesen waren.

Jesus heilte und lehrte vor der Stadt auf einem Hügel. Es wurden fremde Kranke von allen Gegenden gebracht, die oft auch riefen: «Herr, befehle einem deiner Jünger, uns zu helfen!» Die Pharisäer stichelten, warum Er mit lauter so geringen Leuten umherziehe und sich nicht mit Gelehrten abgebe.

Durch die Jünger wurden Almosen, Speisen und Kleider ausgeteilt, welche Enue, die geheilte Blutflüssige, die hier wohnte, und ihr noch heidnischer Oheim gegeben hatten.

Es kamen die in Ornithopolis von Jesus nach Tyrus, Chabul und Aser gesandten drei Apostel und alle Jünger hier wieder zusammen. Das Wiedersehen ist immer sehr rührend, sie reichen sich die Hände und umarmen sich. Jesus hatte sie hierher beschieden. Es wurden ihnen die Füße von den Leuten gewaschen. Dann nahmen sie gleich an der Austeilung der Speisen und Almosen und an den Heilungen teil.

Danach ging Jesus mit allen Aposteln und Jüngern, wohl sechzig an der Zahl, in das Haus des Oheims der Enue, wo Er sehr feierlich auf heidnische Art mit ausgebreiteten Teppichen, mit Zweigen und Kränzen empfangen wurde. Der Oheim kam Jesus, von Enue und ihrer Tochter geführt, entgegen und die Frauen warfen sich vor Ihm nieder.

Jesus war zum Teil auch auf die Bitte dieses alten Mannes hierher nach Cäsarea gekommen, der sich mit mehreren andern Heiden taufen lassen wollte, aber Skrupel wegen der Beschneidung hatte. Er sprach deshalb allein mit Jesus, der nie öffentlich darüber redete. Er befahl nie die Beschneidung in solchen Fällen, aber sagte auch nicht, dass sie dieselbe unterlassen sollten. Wenn fromme alte Heiden sich taufen ließen und Ihm hierüber im Vertrauen ihre Sorge mitteilten, so tröstete Er sie und sagte, wenn sie nicht Juden werden wollten, so sollten sie so bleiben und das glauben und üben, was sie von Ihm gehört. Diese Leute lebten dann vom Juden- und Heidendienst entfernt, beteten, gaben Almosen und wurden Christen, ohne durch das Judentum gegangen zu sein. Auch gegen die Apostel sprach Jesus sich hierüber nicht aus, um sie nicht zu ärgern, so dass ich mich nie erinnere, dass die Pharisäer, die auf alles lauerten, Jesus deswegen beschuldigten, selbst bei der Passion nicht.

Es war in dem schön geplatteten innern Hof des Hauses zwischen Bäumen und Blumenkränzen ein oben offenes Zeltdach von weißem Stoffe gespannt, in welcher Öffnung ein Kranz hing. Unter diesem Zelt wurde die Taufe vollzogen. Jesus lehrte vorher, sprach mit den Täuflingen allein, die Ihm ihr ganzes Herz und Leben und ihren Glauben bekannten, und Er vergab ihre Sünden und sie wurden aus einem Becken, nachdem Jesus das Wasser gesegnet hatte, von Saturnin getauft. Nachher war eine große Mahlzeit, an der alle Jünger und die Freunde des Hauses teilnahmen. Die Mahlzeit war auf heidnische Weise eingerichtet, der Tisch war höher als bei den Juden, sie lagen auf erhöhten langen Polsterstühlen, die Füße nach außen gekehrt und mit einem Arme lehnten sie auf einem Wulst. Der Tisch hatte Einschnitte. Sie hatten einzeln Schüsselchen vor sich. In der Mitte des Tisches aber waren große Aufsätze mit Speisen.

Die geheilte Enue, welche kaum mehr zu erkennen war, so vollkommen und gesund sah sie nun aus, und ihre einundzwanzigjährige Tochter saßen zur Seite des Oheims mit an dem Tisch, standen aber während der Mahlzeit auf und entfernten sich. Sie nahten später wieder, die Mutter stand etwas zurück, die Tochter mit einem schönen Schleier bedeckt trug ein weißes Krüglein mit Wohlgeruch, trat hinter Jesus, zerbrach es über seinem Haupt, strich mit beiden Händen über sein Haar links und rechts und streifte es hinter den Ohren durch beide Hände. Dann fasste sie das Schleier-Ende in einen Bündel, fuhr abtrocknend über sein Haupt und ging von dort weg. Den Armen vor dem Haus wurden viele Speisen hinausgeschickt.

Dieses Haus war nicht das ehemalige Wohnhaus des Oheims. Es war ein anderes, wohin er mit Enue zusammenzog, um aus der Berührung mit den Heiden und Götzentempeln zu kommen. Jedoch war es noch nicht in der Judenstadt. Enue war seines Bruders oder seiner Schwester Tochter, welche sich zu den Juden getan und einen Juden geheiratet hatte, der nun verstorben war. Von ihren heidnischen Eltern kam alles Vermögen. Am Beginn des neuen Haushalts, hatten sie sehr vieles Getreide, Kleider, Decken für die Armen zurückgelegt.

Cäsarea-Philippi liegt von Leschem oder Lais, wo die Syrophönizierin zu Jesus kam, vier Stunden östlich, und ist nicht dieselbe Stadt.

Während Jesus in Cäsarea weilte, hatten die Heiden ein Fest an dem Brunnen in der Stadt, das sich auf die Wohltat des Wassers bezog. Es wurde auf Dreifüßen geräuchert vor einem Götzenbild, das von einer Schar mit Kränzen geschmückter Mädchen umgeben war. Der Götze hatte die Gestalt, als säßen drei oder vier Figuren mit dem Rücken aneinander. Er hatte ringsum Köpfe, Hände und Füße, die Ellbogen waren an den Leib gezogen, die Hände aber ausgestreckt. Der Brunnen ergoss Wasser nach allen Seiten in Becken. Nach einer Seite floss sein Wasser zu einem ummauerten, mit Hallen und Badezisternen umgebenen Platz, wo die Juden ihr Bad hatten.

Als das Fest der Heiden vorüber war, kam Jesus hierher und bereitete mehrere Juden vor, welche von den Jüngern getauft wurden. Dann ging Er mit mehreren Jüngern ins Haus der Enue und ihres Oheims und nahm Abschied von diesen Leuten, die mit viel Demut und Verehrung unter Tränen sich verabschiedeten und unterdessen Geschenke an Broten, Getreide, Kleidern und Decken hinaus vor das Tor gesandt hatten, wo Jesus arme Reisende von der Karawane und Leute aus der Stadt noch lehrte und alles, was sie erhalten hatten, unter die Bedürftigen austeilte. Diesem Beispiel der Barmherzigkeit folgten andere fromme Juden und die Neugetauften nach, sie maßen Getreide aus, verteilten Tuch, Decken, Mäntel und Brot und so war es ein sehr fröhlicher Tag für die Armen.

Jesus wurde aber danach von den Pharisäern auf eine ganz höfliche Art genötigt, ihnen in der Synagoge noch einiges zu erklären. Die Apostel gingen mit, und es war auch anderes Volk zugegen. Die Pharisäer hatten allerlei verfängliche Fragen über die Ehescheidung ausgedacht, denn es gab hier viele verwirrte Ehehändel und Jesus hatte einzelne versöhnt und zurechtgewiesen. Sie begannen boshaft mit Jesus darüber zu disputieren. Dann stellten sie Ihn auch noch zur Rede, was Er alles seinen Jüngern zumute. Es hatte nämlich ein junger Mensch bei ihnen über Jesus geklagt. Derselbe war reich und gelehrt und hatte sich schon früher Jesus zum Jünger aufdrängen wollen. Jesus aber hatte ihm mehrere Bedingungen vorgeschrieben, z. B. Vater und Mutter zu verlassen, sein Vermögen den Armen zu geben und noch anderes. Dieser hatte sich auch hier wieder bei Jesus gemeldet, wollte aber sein Vermögen behalten und selber verwalten, und Jesus hatte ihn abgewiesen. Die Pharisäer stellten Jesus zur Rede, was Er den Menschen für unerhörte Dinge zumute, und der junge Mensch brachte noch allerhand vor, was Jesus gesagt haben sollte, und rief die Apostel auf, es zu bezeugen; denn sie hätten es gehört. Die Apostel waren verlegen, weil sie darauf gar nicht vorbereitet waren und nicht Bescheid wussten. Und darum warfen die Pharisäer Jesus vor, Er ziehe nur mit unwissendem Volk umher, und dieser sei Ihm zu gelehrt gewesen, weshalb Er ihn abgewiesen habe. Jesus antwortete ihnen sehr streng und begab sich von ihnen weg auf die Reise.

Vor der Stadt unterrichtete Jesus die Apostel und Jünger und sandte sie östlich und nordöstlich in ziemlich ferne Orte. Sie hatten eine weite und beschwerliche Reise nach Damaskus und Arabien in Städte zu machen, wo sie noch nicht hingekommen waren. Er selbst reiste mit zwei Jüngern, den See Phiala zur Linken lassend, zum hoch liegenden Argob, wohin es vier Stunden geraden Weges von Cäsarea waren, und kehrte an der Synagoge bei Leviten ein, Argob ist meist von Juden bewohnt. Die wenigen Heiden dort sind arm und arbeiten für Juden. Es wird hier Baumwolle verarbeitet, Frauen und Kinder und Männer spinnen und weben. Der Ort leidet an Wassermangel. Das Wasser wird in Schläuchen herauf in eine Zisterne getragen. Jesus lehrte auf einem öffentlichen Platz, heilte einige Kranke und besuchte alte kranke Leute zu Hause, heilte und tröstete sie. Die Einwohner waren meistens schon getauft. Es waren keine Pharisäer hier. Man hat von hier eine sehr weite Aussicht ins jenseitige Obergaliläa, den Berg der Seligkeiten vor sich und kann besonders schön auf Bethsaida-Julias hinabsehen.

Von mehreren Leuten des Ortes eine Strecke begleitet, ging Jesus mit den zwei Jüngern wieder auf der Höhe ostwärts gegen Regaba zu und blieb zwei Stunden davon in einer offenen Herbergshütte, wo manchmal Karawanen lagern, welche jährlich dreimal in solcher Richtung ziehen. Es kamen hier vier der jüngeren Jünger zu Ihm, die Speise mitbrachten. Sie kamen über Kapharnaum von Jerusalem her.

Von der Herberge hinweg wandte sich Jesus zur Burg oder Festung von Regaba, wo eine große Volksmenge und viele aus den Karawanen sich versammelt hatten. Die Burg ist wie in Stein gehauen. Es lagen um sie her einige Reihen Häuser und eine Synagoge. Sechs von den Aposteln kamen hier wieder mit Jesus zusammen, die von Cäsarea östlich in die nähern Orte gegangen waren. Die andern waren weitergezogen. Es waren nun Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus der Größere, Philippus und Jakobus der Kleinere hier und viele Pharisäer. Die Synagoge war so voll, dass alles ringsherum stehen musste. Jesus lehrte aus Jeremias und sprach davon, dass sie Ihn jetzt suchten und drängten, dass sie alle aber Ihn nach einiger Zeit verlassen, verspotten und misshandeln werden.

Die Pharisäer fingen einen heftigen Disput an, indem sie wieder das Teufelsaustreiben durch Beelzebub vorbrachten. Jesus nannte sie Kinder des Vaters der Lüge und sprach auch davon, dass Gott keine blutigen Opfer verlange. Ich hörte Ihn vom Blut des Lammes, von dem unschuldigen Blut sprechen, das sie vergießen würden, von dem das Blut der Tiere nur das Vorbild sei. Mit dem Opfer des Lammes werde ihr Dienst ein Ende nehmen. Alle, die an das Opfer des Lammes glaubten, würden versöhnt, sie aber als die Mörder des Lammes würden verdammt werden. Er warnte angesichts der Pharisäer seine Jünger vor ihnen. Diese aber wurden so ergrimmt, dass Jesus und die Jünger sich entfernten und in die Wüste eilten. Ich sah, dass sie Leute mit Knütteln auf Ihn lauern ließen. Er hatte sie noch nie so kühn angegriffen. Sie blieben die Nacht über in der Wüste und zogen dann nach Chorazin.

Es strömten hier wieder sehr viele Menschen zusammen und legten ihre Kranken an die Wege hin, die Jesus wandelte. Er heilte Wassersüchtige, Lahme und Blinde, da Er zur Synagoge ging.

Hier lehrte Jesus auf eine prophetische Weise von seinem künftigen Leiden unter heftigem Gezänk der Pharisäer. Er sprach von ihrem steten Opfern und Versöhnen, wie sie aber doch immer voll Sünden und Gräuel blieben und kam auf den Bock zu sprechen, den sie am Versöhnungsfest zu Jerusalem in die Wüste hinaustrieben, nachdem sie ihre Schuld auf ihn gelegt und sagte hindeutend, doch für sie unverständlich, es nahe die Zeit, dass sie ebenso einen Unschuldigen, der sie liebe und alles für sie getan habe, der wirklich ihre Sünden trage, hinausstoßen und ermorden würden mit großem Geräusch. Hierüber entstand ein großes Getöse und Höhnen unter den Pharisäern. Und da Jesus zur Stadt hinausging, kamen sie Ihm nach und forderten eine nähere Erklärung. Er antwortete ihnen, dass sie diese jetzt nicht verstehen könnten.

Währenddessen wurde Jesus in dem großen Gedränge ein Taubstummer zugeführt, dass Er ihn heile. Es war ein Hirte aus der Gegend, ein guter frommer Mann. Die Seinigen führten ihn zu Jesus und baten, Er möge ihm seine Hand auflegen. Da ließ ihn Jesus aus dem Gedränge wegbringen. Aber die Pharisäer folgten. Er heilte ihn vor ihnen, damit sie sähen, dass Er in Kraft des Gebetes und Glaubens an seinen himmlischen Vater und nicht durch den Teufel heile. Jesus legte dem Taubstummen die Finger in die Ohren, benetzte seine Finger mit Speichel und berührte dessen Zunge damit, blickte seufzend zum Himmel und sprach zu dem Mann: «Tu dich auf!» Da konnte er ganz gut sprechen und hören und dankte voll Freude. Jesus aber befahl ihm, kein Gerede und Geprahle mit der Genesung zu machen.

Der Andrang des Volkes wurde aber immer größer, denn es war eine Karawane hier angekommen. Jesus ging darum mit seinen Begleitern zwei bis drei Stunden weiter zur Zollstätte des Matthäus. Da aber auch hier das Volk sich häufte, ließ Er ein paar Jünger dabei zurück und fuhr mit den andern nach Bethsaida-Julias, wo sie landeten und bis zur Nacht in der Einsamkeit am Fuß des Berges der Seligkeiten blieben.

Schon vor Tags fuhren sie von Bethsaida wieder an die Ostseite, wo Jesus auf dem Bergrücken über der Zollstätte des Matthäus eine Lehre hielt. Es waren Heiden aus der Dekapolis und Karawanenvolk dabei. Viele Kranke wurden auf Bahren und Eseln hinaufgetragen, und Jesus heilte sie.

Jesus lehrte vom Gebet, wie und wo sie beten sollten, und vom dringenden Gebet. Er sprach: «Wenn ein Kind um Brot bittet, gibt ihm der Vater keinen Stein, wenn um einen Fisch, keine Schlange, statt eines Eis, keinen Skorpion», erwähnte als ein Beispiel, dass Er Heiden kenne, welche solches Vertrauen zu Gott hätten, dass sie um gar nichts flehten, sondern nur für alles Empfangene dankten und sagte: «Wenn die Knechte und Fremdlinge solches Vertrauen haben, welches Vertrauen müssen die Kinder des Vaters nicht haben!» Er sprach auch von der Danksagung für empfangene Heilung durch Besserung des Lebens und von der Strafe der Rückfälligen und dass diese in üblerem Seelenzustand als vorher seien. Das Gedränge wurde aber so groß, dass Er sich wieder entfernte, kündigte aber auf den folgenden Tag eine große Lehre auf einem andern Berg an. Es lag dieser Berg östlich dem Berg der Seligkeiten. Das Volk zog von allen Seiten dahin. Es war in der ganzen Gegend an Höhen und in Tälern gelagert und forschte überall nach, wohin Jesus sich begeben habe. Er lehrte von der siebten und achten Seligkeit. Danach begab Er sich, um dem Gedränge zu entgehen, mit den Aposteln und Jüngern auf das Schiff des Petrus. Sie fuhren den See abwärts, landeten aber nicht, weil das Volk auch Schiffe bestiegen hatte und folgte.

19. Schluss der Bergpredigt- Speisung der Viertausend. Die Pharisäer begehren ein Zeichen

Am folgenden Morgen stieg Jesus mit den Seinigen bei Klein-Chorazin eine Stunde nordöstlich hinter dem ersten Brotvermehrungsberg in die höheren Berge hinauf. Es war rechts in der Wüste von Chorazin und zwei und eine halbe Stunde westlich von Regaba, das noch höher lag. Oben, wo Jesus lehrte, war ein großer Raum und nicht weit davon der Weg, auf dem Er neulich aus Cäsarea-Philippi gegen Regaba gegangen war. Der Ort war benutzt, er war ein Lagerplatz für Reisende mit Spuren von Wällen und mit einer großen Steinbank, an welcher die Reisenden zu essen pflegten. Sonst war die Gegend sehr einsam. Tiefer lagen kleine Täler und Buchten, worin Esel und andere Tiere weideten. Die Leute waren teils schon oben, teils zogen sie von allen Seiten heran.

Hier hielt Jesus den Schluss der acht Seligkeiten und der sogenannten Bergpredigt. Er lehrte ungemein stark und rührend. Es waren viele Fremde und Heiden heraufgekommen, im Ganzen - ohne Frauen und Kinder - wohl viertausend Menschen. Gegen Abend hielt Jesus etwas inne, sprach mit Johannes, dass die Leute schon drei Tage Ihm nachzögen und Er sie nun auf länger verlassen werde. Er möchte sie aber nicht hungernd fortgehen lassen. Johannes erwiderte: «Hier sind wir ganz in der Wüste, und es ist weit, um Brot zu holen. Sollen wir ihnen vielleicht Beeren und Früchte sammeln, die in der Gegend noch an den Bäumen hängengeblieben?» Jesus sagte aber, er solle die andern fragen, wie viele Brote sie hätten. Sie sagten: «Sieben Brote und sieben kleine Fische», sie waren aber doch wohl armlang. Nun ließ Jesus die leeren Brotkörbe der Leute heranbringen und Brote und Fische auf die Steinbank legen und lehrte indessen wohl noch eine gute halbe Stunde. Er sprach sehr deutlich aus, dass Er der Messias sei, auch von seiner Verfolgung und nahen Aufnahme. An jenem Tage aber sollten diese Berge erschüttert werden und dieser Stein zerspringen. Er zeigte auf die Steinbank, wo Er die Wahrheit verkündet habe, die nicht angenommen worden. Er rief Wehe über Kapharnaum, Chorazin und viele Orte der Gegend aus. Sie alle sollten am Tag seiner Aufnahme fühlen, dass sie das Heil von sich gestoßen. Er sprach von dem Glück dieser Gegend, der Er das Brot des Lebens gebrochen, aber die Durchziehenden nähmen das Glück mit hin, die Kinder des Hauses werfen das Brot unter den Tisch, und die Fremden, die Hündlein, wie die Syrophönizierin gesprochen, sammeln die Brosamen auf, und sie werden ganze Flecken und Dörfer mit denselben erquicken und entzünden. Er nahm auch Abschied von den Leuten, flehte sie nochmals an zur Buße und Bekehrung, schärfte seine Drohung ein und sprach, dass dieses der Schluss seiner Lehre hier sei. Die Leute weinten und waren voll Bewunderung, wenngleich sie nicht alles verstanden.

Dann befahl Er ihnen, sich am Abhang um den Berg zu lagern. Die Apostel und Jünger mussten wieder wie das vorige Mal Ordnung machen. Jesus verfuhr mit den Broten und Fischen auch wie damals, und die Jünger trugen Brote und Fische in den Körben den Gelagerten von beiden Seiten zu. Nachher wurden sieben Körbe voll Brocken gesammelt und unter arme Reisende verteilt-

Während der Lehre hatte eine Anzahl Pharisäer unter dem Volk gestanden, einzelne aber hatten sich noch vor dem Schluss wieder hinab in das Tal begeben. Die übrigen hatten die Drohungen noch mit angehört und waren auch Zeugen der Brotvermehrung. Ehe das Volk auseinanderging, begaben sie sich aber den Berg hinab, um mit den anderen sich zu beratschlagen, wie sie Jesus entgegentreten wollten, wenn Er herabkommen werde. Es waren ihrer gegen zwanzig. Unter dem Vorwand, die Synagogen zu visitieren, waren sie die ganze Zeit über in kleineren Abteilungen Jesus nachgezogen, um zu lauern, so in Cäsarea-Philippi, Nobah, Regaba und Chorazin. Sie berichteten alles mündlich oder durch Boten nach Kapharnaum und Jerusalem.

Jesus entließ das Volk. Sie weinten, dankten und priesen Ihn mit lauter Stimme. Er konnte nur mit Mühe von ihnen loskommen und ging zu dem See mit den Jüngern, um zur südöstlichen Seite in die Grenzen von Magdala und Dalmanutha zu fahren. Ehe Er aber oberhalb der Zollstätte des Matthäus das Schiff bestieg, kamen die Pharisäer am Fuß des Berges der ersten Brotvermehrung zu Ihm heran und begehrten, weil Er oben von drohenden Erschütterungen der Erde und Zeichen der Natur gesprochen hatte, ein Zeichen am Himmel von Ihm zu sehen. Er antwortete ihnen, wie es im Evangelium steht. Ich hörte aber auch, dass Er eine Zahl von Wochen aussprach, da ihnen das Zeichen des Jonas werde gegeben werden und dass diese Zahl gerade auf seine Kreuzigung und Auferstehung auslief. Dann ließ Er sie stehen und ging mit den Aposteln an den See zum Schiff des Petrus, wo die anderen Jünger schon alles bereitet hatten. Sie ruderten in die Mitte des Sees, wo der Trieb der Jordanströmung ist und wo das Schiff nur mit dem Steuer regiert zu werden braucht. Sie blieben die Nacht auf dem Schiff, wo sie zu gewissen Stunden beteten. Sie kamen in die Grenzen von Magdala und Dalmanutha.

Am folgenden Morgen ruderten sie an der Westseite des Sees wieder hinauf außerhalb des Triebes. Da merkten sie, dass sie nur ein Brot bei sich hatten.

Die Fahrt ging langsam, und Jesus lehrte sie vieles. Er sprach von seiner bevorstehenden Aufnahme, von seinem Leiden und den Verfolgungen und sagte deutlicher als je, dass Er Christus, der Messias, sei. Sie glaubten es auch. Aber, indem sie es mit ihren einfältigen menschlichen Begriffen nicht reimen konnten und den gewöhnlichen Erfahrungsansichten Raum gaben, ließen sie diese Worte wieder dahingestellt sein und rechneten sie unter die tiefsinnigen prophetischen Reden. Er sprach auch vom Gehen nach Jerusalem und von Verfolgung daselbst. Sie würden sich noch an Ihm ärgern und es würde so weit kommen, dass man mit Steinen nach Ihm werfe. Er sprach auch, wer alles das Seine und die Seinigen nicht verlasse und Ihm glaubend nicht in seiner Verfolgung nachfolge, der könne sein Jünger nicht sein. Und von den Wegen, die noch zu tun seien vor seiner Aufnahme und von mancherlei Arbeit und dass viele, die sich getrennt hätten, wieder zurückkehren würden. Da fragten sie, ob auch der zurückkehren werde, der seinen Vater erst habe begraben wollen, und ob Er ihn nicht aufnehmen wolle, denn er scheine ihnen dieses wohl zu verdienen. Jesus legte ihnen aber das Gemüt dieses Menschen aus und wie er am irdischen Gute hange. Dabei hörte ich, dass «das Vater begraben» eine figürliche Redensart sei und die Anordnung und Teilung des Erbes zwischen ihm und seinem alten Vater bedeute, um diesen von sich zu scheiden und das Seinige sicherzustellen. Da Jesus vom Hängen dieses Menschen am zeitlichen Gute sprach, eiferte Petrus mit den Worten: «Gott sei Dank! Solche Gedanken habe ich nicht gehabt, da ich Dir folgte.» Jesus aber gab ihm einen Verweis und sagte, dass er dieses hätte verschweigen sollen, bis Er es ihm gesagt haben würde.

Als sie in Bethsaida anlangten, kehrten sie im Haus des Andreas ein, um sich zu erquicken. Hier waren sie ungestört und ohne großen Zulauf, da die Scharen nicht wussten, wo Jesus geblieben war und sich verteilt hatten. Es war in Bethsaida ein blindgeborener bejahrter Mann, den Jesus bisher nicht geheilt hatte. Jetzt brachte man ihn wieder heran, und da sie im Begriff waren, zum Schiff zurückzukehren, rief er um die Hilfe Jesu. Er nahm ihn an der Hand vor den Ort hinaus und hier, unter seinen Aposteln und Jüngern, berührte Er die Augen des Blinden mit seiner Zunge und mit Speichel, legte ihm die Hand auf und fragte, ob er etwas sehe. Da tat der Mann die Augen starr auf und sagte: «Ich sehe die Menschen wie Bäume so groß herumgehen.» Jesus legte ihm die Hände nochmals auf die Augen und ließ ihn wieder schauen. Und nun sah er ganz gut. Jesus befahl ihm, nach Hause zu gehen und Gott zu danken, aber nicht in der Stadt herum von seiner Heilung zu prahlen.

Gegen Abend fuhr Jesus mit den Aposteln auf das jenseitige Seeufer und nahm, nachdem sie gelandet waren, den Weg vom östlichen Ufer des Jordan hinauf gegen Bethsaida-Julias zu. Auf diesem Wege kamen die von Cäsarea-Philippi gegen Osten gesandten Apostel und Jünger vom Gebirge herab wieder zu ihnen und setzten mit ihnen den Weg nach Bethsaida-Julias fort.

Jesus sprach unterwegs von seiner nahen Aufnahme und den drohenden Gefahren. Die Apostel baten Ihn, sie doch nicht mehr zu versenden, damit sie in der Not bei Ihm sein könnten.

In Bethsaida-Julias war eine eigene Einkehr für sie bereitet. Als sie der Stadt nahten, wo Jesu Ankunft durch Leute, die zum Sabbat gingen, schon bekannt war, kam man ihnen freundlich entgegen und bot in der Herberge Imbiss und Fußwaschung. Es wohnten hier sehr viele Heiden, die aus der Entfernung grüßten.

Jesus lehrte in der Synagoge, in der viele Schriftgelehrte und Pharisäer aus Saphet, wo eine Lehranstalt für geistliche und weltliche Wissenschaft war, anwesend waren.

Alles war sehr erfreut, dass Jesus so unerwartet zum erstenmal auch hierher kam: die gemeinen Leute von Herzen und die Schriftgelehrten aus Eitelkeit, damit sie den Lehrer, um den soviel Lärm in der Gegend und besonders in Kapharnaum war, doch auch gehört und beurteilt hätten. Sie waren ganz höflich, aber kalt und vornehm, wie Professoren, und disputierten mit Jesus, indem sie Ihm Fragen aus dem Gesetz und den Propheten vorlegten. Doch ohne Bosheit, mehr aus Neugierde und Eitelkeit, ihre Wissenschaft vor dem Volk zu zeigen.

Jesus las und erklärte die Sabbats-Lektion und lehrte vom vierten Gebot: «Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass du lange lebst auf Erden.» Dieses «lang leben auf Erdem» legte Er sehr wunderbar und tiefsinnig aus, dass ein Strom versiegen müsse, wenn er seine Quelle verschütte. Nachher war eine sehr festliche Mahlzeit, bei welcher auch die Schulkinder an eigenen Tischen saßen. Jesus legte hier die Parabel von den Arbeitern im Weinberg aus.

Julias ist ein neuer Ort und noch im vollen Bauen, ganz schön und auf heidnische Art mit Bogen und Säulen begriffen. Es liegt der Länge nach am Jordan hin, und es sind an der Ostseite, wo es sich mit der aufsteigenden Höhe berührt, viele Häuser mit der Rückseite in die Felsen eingehauen.

Da Jesus, nachdem Er wieder in der Synagoge gelehrt hatte, vor die Stadt wandelte, zogen die Einwohner Ihm nach, hielten Ihn an und fragten um die rechte Lehre und was sie tun sollten. Er gab ihnen zur Antwort, dass sie die Lehre nicht befolgen würden, wenn Er sie ihnen auch sagte. Sie seien neugierig, seine Lehre hätten sie ja oft schon in der Gegend gehört. Ob sie eine andere wollten, weil sie fragten, Er habe ihnen ja seine Lehre auch in der Synagoge verkündet. Sie gingen aber mit Ihm zu ihren Gütern und Bauplätzen, wo Holz und Steine lagen und sprachen von der neuen schönen Bauart. Jesus aber lehrte in Parabeln vom Bauen auf Sand und Bauen auf Felsen und vom Eckstein, den die Bauleute verwerfen würden, und vom Einstürzen ihres Baues. Er heilte auf diesem Weg auch mehrere Kranke, Lahme und Wassersüchtige und ein paar Besessene.

Von Bethsaida-Julias ging Jesus mit den Zwölfen und etwa dreißig Jüngern, von Leuten der Stadt begleitet, bis in die Gegend, wo der Jordan in den See Merom fließt, zum Flecken Sogane, anderthalb Stunden von Cäsarea, wo Er lehrte und heilte. Die Leute drängten sich sehr heran und baten um Unterricht. Jesus lehrte und heilte bis gegen Abend und ging dann mit den Aposteln und Jüngern etwa eine Stunde zurück auf eine Höhe, wo Er den größten Teil der Nacht im Gebet zubrachte.

20. Petrus empfängt die Schlüssel des Himmelreiches

Auf dem Weg zu der Höhe und bis Jesus sich zum Gebet von ihnen absonderte, hatten die Apostel und Jünger, welche zuletzt von ihrer Aussendung zurückgekommen waren, über alles berichtet, was sie gelehrt, getan und erfahren hatten. Jesus hatte sie über alles angehört und sie aufgefordert, zu beten und sich bereitzuhalten, was Er ihnen mitteilen werde.

Als sie vor Tagesanbruch sich wieder um Jesus versammelten, standen die Zwölf, einen Kreis bildend, um Jesus. Zu seiner Rechten standen Johannes, dann Jakobus der Ältere, der dritte war Petrus. Die Jünger standen außerhalb des Kreises, und zwar die älteren Jünger dem Kreis am nächsten. Nun fragte Jesus, gleich wie anknüpfend an die Unterredungen der verflossenen Nacht: «Wer sagen denn die Menschen, dass Ich sei?» Die Apostel und älteren Jünger sprachen von den verschiedenen Meinungen der Leute über Jesus, wie sie dieselben da und dort vernommen hatten, dass Ihn einige für den Täufer, andere für Elias, wieder andere für Jeremias hielten, der von den Toten auferstanden sein solle. Sie erzählten, was ihnen hierüber bekanntgeworden und waren in Erwartung, was Jesus ihnen erwidern werde. Es war eine kurze Pause. Jesus war sehr ernst und sie schauten voll Erwartung Ihm ins Angesicht. Da sagte Er: «Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?» Keiner fühlte sich getrieben zu antworten. Nur Petrus, voll Kraft und Feuer, trat mit einem Fuß in dem Kreis vor und sprach mit gehobener Hand feierlich beteuernd, als die Stimme und Zunge aller, laut und kräftig: «Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!» Jesus antwortete mit großem Ernst, seine Stimme war stark und belebend. Er war in einem feierlichen, prophetischen Wesen, schien zu leuchten und war von der Erde erhoben: «Selig bist du Simon, Jonas Sohn, denn Fleisch und Blut hat dir dieses nicht offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist! Und Ich sage dir: du bist ein Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, und Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du bindest auf Erden, das soll im Himmel gebunden sein, und was du lösest auf Erden, das soll auch im Himmel gelöst sein!» Petrus empfand die prophetischen Worte Jesu in ihrer vollen Bedeutung durch denselben Geist, durch den er das Bekenntnis der Gottheit ausgesprochen hatte, er war ganz davon durchdrungen. Die andern Apostel aber schienen bestürzt, blickten Jesus und sich und Petrus scheu an, als dieser mit solchem Feuer gesprochen: «Du bist Christus, der Gottessohn!» Selbst Johannes gab sein Erschrecken so merklich zu verstehen, dass Jesus nachher, mit ihm allein des Weges wandelnd, ihm sein Befremden ernsthaft verwies.

Die Rede Jesu an Petrus war bei Sonnenaufgang. Sie war um so ernster und feierlicher, da Jesus mit den Jüngern sich dazu ins Gebirge abgesondert und ihnen zu beten befohlen hatte. Die andern Apostel verstanden sie nicht ganz. Petrus aber fühlte sie. Die andern machten sich noch immer irdische Auslegungen, meinten, Jesus wolle in seinem Reich dem Petrus das Hohepriesteramt geben, und Jakobus äußerte gegen Johannes auf dem Weg, dann würden sie doch wahrscheinlich die nächsten Stellen nach Petrus erhalten.

Jesus aber sagte nun den Aposteln ganz deutlich aus, dass Er der verheißene Messias sei, wandte alle Stellen der Propheten auf sich an und sagte, dass sie nun zum Fest nach Jerusalem ziehen wollten. Nun traten sie den Rückweg südwestlich zur Jordanbrücke an.

Petrus ganz voll von den Worten Jesu von der Schlüsselgewalt, nahte sich Ihm auf dem Weg, Unterweisung und Auskunft über einzelne Fälle zu begehren, die ihm nicht ganz klar waren, denn er war so glaubend und eifrig, dass er meinte, seine Arbeit gehe nun gleich an, indem ihm die Bedingung des Leidens Christi und der Sendung des Heiligen Geistes noch unbekannt war. Er fragte daher, ob er in diesen und jenen Fällen auch die Sünden lösen könnte. Er sprach etwas von Zöllnern und vom öffentlichen Ehebruch. Jesus beruhigte ihn. Er werde alles noch deutlicher erfahren. Es sei anders, als er erwarte, es komme ein anderes Gesetz.

Weiter des Weges wandelnd, fing Jesus an, ihnen alles Bevorstehende zu erklären. Sie würden jetzt nach Jerusalem gehen, bei Lazarus das Osterlamm essen, es werde noch viel Arbeit, Mühe und Verfolgung kommen. Er sagte viele Ereignisse im allgemeinen voraus, wie Er einen ihrer besten Freunde vom Tod erwecken und dadurch so großes Ärgernis erregen werde, dass Er werde fliehen müssen, wie sie über ein Jahr wieder zum Fest gehen würden, wie einer Ihn verraten werde, wie man Ihn misshandeln, geißeln, verhöhnen und schimpflich töten werde, und wie Er sterben müsse für die Sünden der Menschen, aber am dritten Tage wieder auferstehen werde. Er sagte dieses alles ausführlich, bewies es aus den Propheten und war sehr ernst und liebevoll dabei. Petrus betrübte sich über das Misshandeln und Töten so sehr, dass er in seinem Eifer Jesus nachging und, allein mit Ihm sprechend, dagegen stritt und eiferte: das könne nicht so kommen, das werde er nicht zugeben. Er wolle eher sterben, als das dulden! «Das sei fern von Dir, Herr! Das soll Dir nicht geschehen!» Da wandte sich aber Jesus sehr ernsthaft um und sagte ihm eifrig: «Weg von Mir, du Satan! Du bist Mir zum Anstoß, du hast keinen Sinn für das, was Gottes ist» und ging vorwärts. Petrus voll Schrecken überlegte nun, wie Jesus gesagt, er habe nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Gottes Offenbarung Ihn als Christus verkündet und wie Er ihn nun Satan nenne und einen, der nicht aus Gott, sondern nach Menschen Sinn und Gelüsten spreche, da er sein Leiden verhindern wolle, verglich beides und war demütiger und sah Jesus bewundernder und glaubender an. Er war aber sehr betrübt, da er die Wahrheit seines Leidens dadurch mehr erkannte.

Jesus, die Apostel und Jünger wandelten in getrennten Scharen, von denen immer einer abwechselnd mit dem Herrn ging, schnell und nirgends verweilend, auch alle Orte soviel als möglich vermeidend, bis in die Nacht, da sie in den Herbergen beim Badesee von Bethulien einkehrten, wo Lazarus mit einigen jerusalemischen Jüngern Jesus erwartete.

Lazarus hatte es schon erfahren, dass Jesus mit den Seinigen bei ihm das Osterlamm essen wolle, und war hierher Ihm entgegengekommen, um Ihn mit den Aposteln und Jüngern in Bezug dieses Osterfestes zu warnen. Er sagte, dass ein Aufstand bei dem Fest drohe. Pilatus wolle nämlich eine neue Abgabe vom Tempel haben, um dem Kaiser ein Bild zu errichten. Er verlange auch zu Ehren des Kaisers gewisse Opfer und dass ihm gewisse hochverehrende Namen öffentlich zugestanden werden sollen. Die Juden aber hätten einen Aufstand dagegen vorbereitet. Es solle eine große Anzahl Galiläer und an ihrer Spitze ein gewisser Judas, ein Gaulonite, dagegen auftreten, der viel Anhang habe und ganz gegen die Knechtschaft und den Römerzins lehre. Jesus möge sich daher am Fest zurückhalten, weil große Unruhe entstehen könne. Jesus aber antwortete dem Lazarus: es sei seine Zeit noch nicht, es werde Ihm noch nichts geschehen. Dieser Aufruhr werde nur das Vorbild eines viel größeren Aufruhrs über ein Jahr sein, wo seine Zeit komme und der Menschensohn den Händen der Sünder werde überliefert werden.

Jesus sandte die Apostel und Jünger auf verschiedene Wegen in getrennten Scharen und behielt nur Simon und Thaddäus, Nathanael, Chased und Judas Barsabas bei sich. Die andern sollten teils am Jordan hinab, teils westlich von Garazim durch Ephraim zum Fest ziehen und einige Orte besuchen, wo sie noch nicht gewesen waren. Lazarus reiste auch mit den Jüngern ab. Jesus verbot ihnen, in die Städte der Samariten zu gehen und gab ihnen verschiedene Verhaltensregeln. Er selbst wandelte bis nach Ginnim, dem Gute des Lazarus, wo Er übernachtete.

Von hier zog Er am folgenden Tage über Lebona und Koreä durch die Wüste nach Bethanien.

VOM ZWEITEN OSTERFEST BIS ZUR RÜCKKEHR AUS ZYPERN

1. Jesus in Bethanien und Jerusalem

Etwa drei Stunden von Bethanien, noch in der Wüste, lag ein einzelnes Hirtenhaus, dessen Bewohner meist von Lazarus lebten. Bis hierher war Magdalena, nur allein von Maria Salome, der Verwandten Josephs, begleitet, Jesu entgegengekommen. Sie hatte Ihm eine Erquickung bereitet. Als Er nahte, eilte sie hinaus und umarmte seine Füße. Jesus ruhte nur wenig und setzte seinen Weg bis zu der Herberge des Lazarus eine Stunde vor Bethanien fort. Die zwei Frauen zogen auf einem andern Weg nach Hause. In der Herberge fand Jesus schon einen Teil der ausgesandten Jünger zurück, andere kamen nach, und in Bethanien trafen alle zusammen. Jesus ging nicht durch Bethanien, sondern von hinten in das Haus des Lazarus. Da Er ankam, eilten sie Ihm in den Hof entgegen, und Lazarus wusch Ihm die Füße. Dann gingen sie durch die Gärten. Die Frauen grüßten Ihn verschleiert. Es war seine Ankunft sehr rührend, denn es wurden gerade vier Osterlämmer gebracht, die man von der Herde abgesondert hatte und in einen abgezäunten Grasplatz tat. Die heiligste Jungfrau, welche auch hier war, und Magdalena hatten Kränzchen gemacht, die ihnen um den Hals gehängt wurden. Jesus war kurz vor dem Sabbat angekommen. Er feierte ihn mit allen in einem Saal. Er war sehr ernst, las die Sabbatslesung und lehrte darüber. Abends beim Mahl sprach Er vom Osterlamm und seinem künftigen Leiden.

In Jerusalem brach kurz vor Anfang des Sabbats der Aufstand aus, aber noch ohne Tätlichkeiten. Pilatus saß auf einem hohen Platz auf einer Mauer der Burg Antonia und hatte viele Soldaten um sich. Alles Volk war auf dem Markt versammelt. Die Burg Antonia liegt an der Nordwestecke des Tempels auf einem herausspringenden Felsen. Wenn man von des Pilatus Palast links durch den Bogen geht an dem Geißelhaus vorüber, hat man sie zur Linken. Es wurden dem Volk die neuen Gesetze des Pilatus vorgelesen von einer Steuer, am Tempel zu erlegen. Es sollte zu einer Wasserleitung sein, die bis auf den großen Markt und in den Tempel kommen sollte. Es war auch von gewissen Ehrenbezeigungen, Namen und Opfern für den Kaiser die Rede. Es entstand aber großer Tumult, Geschrei und Gemurre unter dem Volk und besonders, wo die Galiläer beisammenstanden. Doch ging es noch ruhig ab. Pilatus ließ ihnen Bedenkzeit geben und warnte sie, und das Volk ging unter Murren auseinander. Die Herodianer waren die heimlichen Triebfedern und Aufwiegler des Volkes. Doch konnte man sie nicht überführen. Sie hatten den Judas Gaulonita an der Hand und dieser hatte eine ganze Sekte von Galiläern zum Anhang, zu denen er immer gegen den Kaiserzins redete und ihren Freiheitseifer unter religiösen Gründen aufhetzte. Es war gerade mit den Herodianern wie heutzutage mit den Freimaurern und andern geheimen Gesellschaften, welche unwissendes Volk in Aufruhr bringen, das gar nicht weiß, wo der Eifer herkommt, und mit seinem Blut bezahlt.

Am Sabbat lehrte Jesus im Haus des Lazarus, und dann gingen sie in den Gärten spazieren. Jesus sprach von seinen Leiden und sagte deutlicher, dass Er der Christus sei. Die Ehrfurcht und Bewunderung wächst in allen. In Magdalena kann die Reue und Liebe nicht mehr wachsen. Sie folgt Jesus überall, sitzt zu seinen Füßen, steht und harrt überall auf Ihn, denkt nur an Ihn, sieht nur auf Ihn, weiß nur von ihrem Erlöser und ihren Sünden. Jesus sagt ihr oft tröstende Worte. Sie ist sehr verändert. Ihre Gestalt und ihr Wesen sind noch ausgezeichnet und edel, aber von Tränen und Kasteiungen zerstört. Sie sitzt fast immer einsam in ihrem engen Bußgewölbe und tut niedere Dienste bei Armen und Kranken.

Am Abend war ein großes Mahl. Die jerusalemischen Freunde und Frauen waren alle hier, auch Heli aus Hebron, der Witwer einer Schwester Elisabeths, der am letzten Abendmahl Jesu Speisemeister und Hauswirt war, nebst seinem Sohn, dem Leviten, der des Johannes Vaterhaus besitzt und seinen fünf Töchtern, die Essenerinnen sind und nicht heiraten.

Lazarus und die Seinigen haben großen Anteil und Vertraulichkeit mit Jesus und allen seinen Jüngern, denn sie sind mit ihrem Hab und Gut und allen ihren Kräften die Pfleger und Nährer der Gemeinde.

Tags darauf ging Jesus morgens gegen zehn Uhr mit den Aposteln und etwa dreißig Jüngern über den Ölberg durch Ophel zum Tempel. Alle gingen in braunen Röcken von ordinärer Wolle, wie die gemeinen Galiläer zu gehen pflegen. Jesus hatte nur einen breiteren Gürtel mit Buchstaben darauf. Er fiel gar nicht auf, denn es gingen viele Scharen so gekleideter Galiläer umher. Das Fest ist nahe, es sind große Lager von Hütten und Zelten um die Stadt, und überall zieht vieles Volk heran. Jesus lehrte im Tempel vor seinen Jüngern und einer großen Zahl von Menschen wohl eine Stunde lang. Es waren mehrere Lehrstühle, wo gelehrt wurde. Alles war mit den Zurüstungen zum Fest so beschäftigt und zugleich mit dem Aufruhr gegen Pilatus, dass Jesus kein vornehmerer Priester angriff. Einige geringe boshafte Pharisäer gingen Ihn an und fragten Ihn, wie Er es wage, sich hier sehen zu lassen und wie lange es mit Ihm noch währen solle. Man werde Ihm wohl das Handwerk bald legen. Jesus antwortete ihnen beschämend, lehrte ungestört fort und ging dann wieder nach Bethanien und am Abend noch an den Ölberg.

Es war an diesem Tag wieder eine große Volksschar auf dem Markt vor der Burg Antonia, welcher den Pilatus sprechen wollte. Er wusste aber schon alles, denn er hatte Spione und verkleidete Soldaten unter ihnen. Die Herodianer hatten den Judas Gaulonita und seine galiläischen Anhänger aufgewiegelt. Diese kamen ganz kühn und sagten dem Pilatus, er solle von seinem Vorhaben abstehen, vom Tempelschatz Geld zu nehmen. Da viele sehr zügellose Reden führten, ließ Pilatus sie plötzlich überfallen und etwa fünfzig gefangennehmen. Das andere Volk stürzte aber drauf zu und machte sie wieder frei und zerstreute sich. Es kamen etwa fünf unschuldige Juden und auch einige römische Soldaten dabei um. Es wurde dadurch alles ärger, als zuvor. Herodes ist auch in Jerusalem.

Am folgenden Tage ging Jesus morgens wieder mit allen Jüngern in den Tempel. Seine Anwesenheit war schon bekannt und in dem Vorhof des Tempels harrten, wo Er vorüberkam, Leute mit Kranken, und schon an dem aufsteigenden Weg brachte man einen wassersüchtigen Mann auf einem Tragbett. Jesus heilte ihn und am Tempel noch mehrere Kranke und Gichtige. Es zogen Ihm darum viele Menschen nach. Als Er dem Tempel nahte, wo man hie und da noch mit Ausräumen und Anordnen des Raumes zu dem morgigen Schlachten beschäftigt war, kam Er an dem beim Teich Bethesda geheilten Mann vorüber, welcher hier als Taglöhner arbeitete. Jesus wandte sich zu ihm und sprach: «Siehe, du bist gesund geworden, sündige nicht mehr, damit dir künftig nicht noch Ärgeres widerfahre!» Man hatte den Mann, der sehr bekannt war, viel gefragt, wer ihn denn am Sabbat geheilt habe. Er kannte aber Jesus nicht und sah Ihn hier zum ersten mal wieder. Es war nun sein erstes Geschäft, den Pharisäeren, die gerade vorbeikamen, zu sagen, der Jesus, der hier eben auch geheilt habe, sei es, der ihn am Teich Bethesda damals geheilt habe. Da diese Heilung großes Aufsehen gemacht hatte und die Pharisäer sehr über den Sabbatsbruch geschimpft hatten, fanden sie hierin eine neue Klage gegen Jesus und sammelten sich darum mehr um seinen Lehrstuhl und brachten ihre alten Geschichten vom Sabbatschänden wieder vor. Der eigentliche Ausbruch geschah heute noch nicht, obschon sie bereits sehr tobten.

Es lehrte Jesus im Tempel vor vielen Menschen an zwei Stunden vom Opfer. Er sprach, dass sein himmlischer Vater von ihnen kein blutiges Brandopfer verlange, sondern ein reumütiges Herz. Auch vom Osterlamm, als dem Vorbild eines höchsten Opfers, das sich bald erfüllen werde. Es kamen aber viele seiner boshaften Feinde unter den Pharisäern, schmähten und stritten gegen Ihn und brachten unter andern die höhnischen Worte vor: ob der Prophet ihnen die Ehre antun wolle, das Osterlamm mit ihnen zu essen. Jesus antwortete: «Der Menschensohn ist selbst ein Opfer für eure Sünden!» Es war aber auch jener Jüngling in Jerusalem, der gesagt hatte, er wolle erst seinen Vater begraben, und dem Jesus geantwortet hatte: «Lasse die Toten die Toten begraben!» Er hatte dieses den Pharisäern hinterbracht und sie warfen Jesus diese Rede vor und fragten Ihn, was Er darunter verstehe, wie ein Toter den andern begraben könne. Jesus sagte ihnen, wer seiner Lehre nicht folge, nicht Buße tue und an seine Sendung nicht glaube, habe kein Leben in sich und sei tot. Wer aber sein Hab und Gut mehr schätze, als sein Heil, der folge seiner Lehre nicht und glaube nicht an Ihn und habe kein Leben in sich, sondern den Tod. So sei auch jener Jüngling gesinnt, denn er habe sich erst mit seinem alten Vater um sein Erbe abfinden und den Vater auf Pension setzen wollen. Er habe am toten Erbe gehangen, könne also kein Erbe seines Reichs und des Lebens werden. Darum habe Er ihn gewarnt, er solle die Toten ihre Toten begraben lassen und selbst zum Leben sich wenden. Jesus fuhr hierin fort und verwies ihnen ihre Habsucht streng. Da Er aber seine Jünger vor dem Sauerteig der Pharisäer warnte und die Parabel vom reichen Mann und dem armen Lazarus erzählte, wurden die Pharisäer so erbittert, dass sie ein großes Getümmel erhoben. Jesus musste sich unter dem Volk verlieren und entweichen, sonst hätten sie Ihn festgenommen.

Die vier Lämmchen, welche von vier Ostergesellschaften bei Lazarus in Bethanien sollten gespeist werden und die täglich an einem Brunnen gewaschen und mit frischen Kränzen geschmückt worden waren, wurden am Abend dieses Tages nach Jerusalem zum Tempel getragen. Jedes hatte einen Zettel mit dem Namen und Zeichen des Hausvaters an einem Kränzchen um den Hals. Sie wurden, nachdem sie nochmals gewaschen waren, in bestimmte eingezäunte schöne Rasenplätze am Tempelberg gebracht. Alle Hausgenossen des Lazarus nehmen heute Waschungen vor. Und Lazarus trug selbst das Wasser herbei, das zur Bereitung der süßen Brote gebraucht wurde. Auch ging er mit einem Diener in verschiedene Gemächer. Der Diener leuchtete ihm, und er fegte, wie zu einer Zeremonie, ein wenig aus den Ecken. Dann reinigten und fegten die Knechte und Mägde alles und wuschen und scheuerten die Geschirre und Zubereitungsorte der süßen Brote. Dies war das Ausfegen des Sauerteigs, - Simon, der Pharisäer von Bethanien, war auch schon bei Jesus. Er schien neulich dem Aussatz nahe, jetzt aber scheint er reiner. Er ist ein schwankender Anhänger Jesu. Auch der Geheilte vom Teich Bethesda lief nach Bethanien und wo sich Jesus sehen ließ. Er erzählte überall den Pharisäern, dass Jesus es gewesen, von dem er geheilt worden. Die Pharisäer entschlossen sich, Jesus gefangen zu nehmen und beiseite zu schaffen.

Jesus sah ich mehrmals an den Ölberg mit den Jüngern und anderen Freunden wandeln und Maria, Magdalena und andere Frauen in einiger Entfernung nachziehen. Ich sah, dass die Jünger bei reifen Kornfeldern Ähren abbrachen und aßen und hie und da auch Früchte und Beeren. Jesus lehrte die Jünger sehr umständlich vom Gebet, warnte vor der Heuchelei im Gebet und wiederholte manches schon früher Gesagte. Er ermahnte sie auch, wie sie ohne Aufhören vor dem Angesicht Gottes, seines und ihres Vaters, im Gebet wandeln sollten.

2. Ostermahl im Haus des Lazarus

An diesem Osterfest wurde im Tempel das Osterlamm nicht so früh geschlachtet wie bei der Kreuzigung Christi, wo das Schlachten schon um halb ein Uhr anfing, da Jesus auch ans Kreuz geschlagen wurde. Damals war es Freitag, und man fing wegen des eintretenden Sabbats früher an. Heute begann es gegen drei Uhr nachmittags. Viele Trompeten wurden geblasen, alles stand bereit, und das Volk zog in geteilten Scharen in den Tempel. Die Geschwindigkeit und Ordnung war bewundernswürdig. Alle standen dicht aufeinander, doch hinderte keiner, und jeder hatte seine Wege, zu kommen, zu schlachten und zu gehen. Die vier Lämmer für das Haus des Lazarus schlachteten die Vier, welche die Hausväter vorstellten: Lazarus, Heli von Hebron, Judas Barsabas und Heliachim, ein Sohn der Maria Heli und Bruder Maria Kleophä. Die Lämmer wurden an einem hölzernen Spieß mit einem Querholz wie gekreuzigt und im Backofen stehend gebraten. Die Eingeweide, Herz und Leber lagen ins Osterlamm hineingesteckt. Bei einigen wurde es auch vorne an den Kopf gesteckt. Betphage und Bethanien wurden mit zu Jerusalem gerechnet und man konnte das Osterlamm dort essen.

Am Abend, da der 15. Nisan begann, aßen sie das Osterlamm. Alle waren geschürzt, hatten neue Sohlen an und Stäbe in der Hand. Zuerst sangen sie Psalmen, «Gebenedeit sei der Gott Israels», auch: «Gelobt sei der Herr», indem sie heranwandelnd sich mit erhobenen Händen paarweise einander gegenüberstellten. An dem Tisch, wo Jesus mit den Aposteln saß, war Heli aus Hebron Hausvater. Lazarus war es an dem Tisch seiner Hausgenossen und Freunde, an einem dritten Tisch, der Jünger, war es Heliachim, an einem vierten Judas Barsabas. Es aßen sechsunddreißig Jünger das Pascha hier.

Nach den Gebeten wurde dem Hausvater ein Becher mit Wein gebracht, den er segnete, trank und herumreichte. Dann wusch er die Hände. Es standen auf dem Tisch: das Osterlamm, eine Schüssel mit Osterkuchen, eine Schale mit einem braunen Mus und eine Schale mit einer Brühe, auch eine mit kleinen Bündeln bitterer Kräuter und eine, worauf grünes Kraut aufrecht, wie ein wachsender Rasen, dicht beieinander stand. Der Hausvater zerlegte dann das Osterlamm, sie reichten es herum und aßen es sehr geschwind auf. Sie schnitten von dem dichten Kraut ab, tauchten es in die Brühe und aßen es. Es brach auch der Hausvater einen von den Osterkuchen und legte ein Stückchen davon unter das Tischtuch, und das alles ging sehr schnell und mit allerhand Gebeten und Sprüchen vor sich, und sie lehnten dabei an den Sitzen. Nachher ging wieder ein Becher herum, und der Hausvater wusch wieder die Hände und legte dann ein Bündelchen von den bittern Kräutern auf ein Täfelchen Brot, tauchte es ein und aß davon, und die andern taten auch so.

Das Osterlamm wurde ganz aufgegessen, die Knochen mit beinernen Messern rein abgeschabt, gewaschen und nachher verbrannt. Dann sangen sie wieder und legten sich nun förmlich zu Tisch und aßen und tranken. Mancherlei zierlich geformte Speisen waren da, und sie waren voll Freude und Lust. Hier bei Lazarus hatten alle Gäste schöne Schalen, worauf sie aßen. Beim letzten Osterlamm Jesu waren Brotscheiben mit allerlei eingedrückten Figuren, die in Höhlungen des Tisches lagen, ihre Teller.

Die Frauen standen auch bei ihrer Mahlzeit und waren reisemäßig gekleidet. Sie hatten auch Psalmen, aber sonst keine Zeremonien. Sie zerlegten ihr Lamm nicht selber, es wurde ihnen von einem andern Tisch gesandt. In den Seitenhallen des Speiseraums aßen noch viele arme Leute ihr Osterlamm, deren Mahlzeit Lazarus besorgt hatte und die alle beschenkt wurden.

Jesus lehrte und erzählte während des Mahles. Er hielt besonders eine sehr schöne Lehre vom Weinstock, vom Veredeln des Weinstockes, vom Ausrotten des schlechten, vom Pflanzen edler Reben, vom Beschneiden derselben nach jedem Aufschießen. Er sagte den Aposteln und Jüngern, dass sie diese Reben seien und dass des Menschen Sohn der wahre Weinstock sei und dass sie in Ihm bleiben müssten und wenn Er gekeltert sei, müssten sie fort und fort den wahren Weinstock, Ihn selbst, verbreiten und alle Weinberge mit anbauen. Sie waren bis sehr spät in die Nacht zusammen und sehr gerührt und freudig.

Judas Barsabas war nach Andreas der bejahrteste Jünger. Er war verheiratet, seine Familie lebte im Hirtenstand in einer Reihe Häuser zwischen Michmethath und Ischariot. Heliachim war auch verheiratet und lebte im Hirtenstand auf dem Feld Ginnim. Er war viel älter als Jesus. Jesus sandte diese Jünger selten in diese Gegend.

3. Der reiche Prasser und arme Lazarus

Das Fest im Tempel begann sehr früh, er war nach Mitternacht schon offen, alles war voll Lampen. Die Leute kamen schon vor Tagesanbruch, mit ihren Dankopfern, allerlei Tieren und Vögeln die zu kaufen waren und von den Priestern in Empffang genommen und besichtigt wurden. Sie brachten auch allerlei Geschenke anderer Art und an Geld, Stoffen, Mehl, Öl usw..

Jesus, die Jünger, Lazarus, seine Hausgenossen und auch die Frauen gingen, als es Tag geworden, zum Tempel und Jesus stand unter der Menge des Volkes mit den Seinigen zusammen. Es wurden viele Psalmen gesungen, musiziert und geopfert und auch ein Segen gesprochen, den alle auf den Knien empfingen. Die Leute gingen immer partieenweise herein und nach ihrem Opfer heraus, und dazwischen wurde geschlossen, damit keine Störung eintrete. Es gingen auch viele Menschen, besonders die Fremden, nach dem Segen in die Synagogen der Stadt, wo gesungen und das Gesetz gelesen wurde. Gegen Mittag war eine Pause mit den Opfern, etwa um elf Uhr, und es hatten sich schon viele Leute zerstreut, und waren teils bei den Küchen im Vorhof der Frauen, wo von den Opfern Speisen bereitet wurden, die dann in den Esssälen von ganzen Gesellschaften zusammen verzehrt wurden. Die Frauen waren früher nach Bethanien zurück.

Jesus hatte mit den Seinen bis zur Zeit des Stillstandes ruhig gestanden und begab sich nun, da alle Zugänge wieder offen waren zum großen Lehrstuhl im Tempel vor dem Heiligen in der Vorhalle. Es zogen sich viele Menschen zusammen und auch Pharisäer waren darunter. Der Geheilte vom Teich Bethesda war auch wieder unter der Menge. Er hatte alle die Tage nur allzu viel von Jesus erzählt und öfter auch gesagt, der solche Werke tue, müsse der Sohn Gottes sein. Die Pharisäer hatten ihm zwar zu reden verboten, das half aber nichts. Da nun Jesus vorgestern sehr kühn im Tempel gelehrt hatte und sie sich fürchteten, Er möchte sie noch mehr vor dem Volk verächtlich machen, und da auch alle aus dem Land auf dem Fest versammelten Pharisäer ihre Klagen und Lügen gegen Jesus schon vorgebracht hatten, so nahmen sie sich vor, Ihm bei der ersten Gelegenheit stark zu Leibe zu gehen, Ihn gefangenzunehmen und zu richten. Als Jesus nun zu lehren begann, kamen viele um Ihn her und unterbrachen seine Lehre durch mancherlei Einwürfe und Vorwürfe. Sie fragten Ihn, warum Er das Osterlamm nicht mit ihnen im Tempel gegessen und ob Er heute ein Dankopfer gebracht habe? Jesus wies sie an die Hausväter, die es für Ihn entrichtet hatten. Sie brachten wieder vor, seine Jünger hielten die Gebräuche nicht, äßen mit ungewaschenen Händen und naschten Ähren und Früchte auf dem Weg, man sehe Ihn nie Opfer bringen, es seien sechs Tage zur Arbeit, der siebente zur Ruhe, und Er habe den Mann am Sabbat geheilt und sei ein Sabbatschänder. Jesus aber lehrte sehr streng gegen sie vom Opfer. Er sagte wieder, des Menschen Sohn sei selbst ein Opfer und sie schändeten das Opfer durch ihren Geiz und ihre Lästerungen gegen den Nebenmenschen. Gott verlange keine Brandopfer, sondern bußfertige Herzen. Ihr Opfer werde ein Ende nehmen, der Sabbat werde bestehen, aber um der Menschen willen zu ihrem Heil, damit ihnen geholfen werde, sei er da und nicht die Menschen um des Sabbats willen.

Sie fragten Ihn auch über die Parabel vom armen Lazarus, die Er neulich erzählt hatte, und machten sie ganz lächerlich: woher Er denn die Geschichte so genau wisse und was Lazarus, Abraham und der reiche Mann gesprochen. Ob Er denn bei ihnen in Abrahams Schoß und in der Hölle gewesen sei, ob Er sich denn nicht schäme, dem Volk solche Dinge aufzubinden. Jesus lehrte wieder über diese Parabel, verwies ihnen ihren Geiz, ihre Grausamkeit gegen die Armen, ihr selbstsicheres Beobachten der leeren Formen und Gebräuche bei gänzlichem Mangel der Liebe und legte die Geschichte des reichen Prassers ganz auf sie aus, denn seine Geschichte ist wahr und bekannt bis zu seinem Tod, der grässlich war. Ich habe auch wieder gesehen, dass der reiche Prasser und der arme Lazarus in Wirklichkeit gelebt haben und dass sie durch ihren Tod im Land sehr bekannt geworden sind. Sie wohnten aber nicht zu Jerusalem, wo nachher den Pilgern Häuser von ihnen gezeigt wurden. Sie starben in den Jugendjahren Jesu, und man sprach damals viel in frommen Familien davon. Die Stadt, wo sie lebten, heißt Aram oder Amthar und liegt westlich vom galiläischen Meer im Gebirge. Ich weiß die ganze Geschichte nicht mehr ausführlich. Aber so viel weiß ich noch: der Reiche war sehr reich und wohllebend und Ortsvorstand, ein berühmter Pharisäer, der das Gesetz äußerlich sehr streng beachtete. Aber er war sehr hart und unbarmherzig gegen die Armen, und ich sah ihn die Armen des Ortes, welche von ihm Pflege und Hilfe begehrten, weil er Vorstand war, sehr streng von sich weisen. Es war aber ein gar frommer und elender armer Mann da, der Lazarus hieß und voll von Geschwüren und Elend, aber demütig und voll Geduld war. Er ließ sich hungernd zum Haus des Reichen bringen, um die Sache der abgewiesenen Armen zu vertreten. Der Reiche lag zu Tisch und prasste. Lazarus aber war als ein Unreiner hart von ihm abgewiesen und lag nun vor der Tür und flehte nur um die Brosamen, die von seinem Tisch fielen. Doch niemand gab ihm was. Aber die Hunde waren barmherziger und leckten seine Geschwüre, und das hatte die Bedeutung, dass die Heiden barmherziger seien als die Juden. Nachher starb Lazarus sehr schön und auferbaulich. Der Reiche starb auch, aber eines fürchterlichen Todes, und man hörte auch eine Stimme aus seinem Grab, wovon die Rede im ganzen Lande war.

Jesus setzte das Ende der Parabel aus der innern Wahrheit hinzu, was den übrigen Menschen unbekannt war. Darum spotteten Ihn die Pharisäer aus und sagten, ob Er denn alle diese Reden in Abrahams Schoß mitangehört habe? Da nun dieser reiche Prasser ein sehr strenger pharisäischer Beobachter der Gebräuche gewesen, ärgerte es die Pharisäer besonders, dass sie damit verglichen wurden, weil es darin heißt, dass sie Moses und die Propheten nicht hörten. Jesus sagte ihnen aber gerade heraus: wer Ihn nicht höre, höre die Propheten nicht, denn sie sprächen von Ihm. Wer Ihn nicht höre, höre Moses nicht, denn er spräche von Ihm und wenn auch die Toten auferständen, würden sie nicht an Ihn glauben. Sie würden aber aufstehen und von Ihm zeugen; (das geschah das Jahr darauf in demselben Tempel bei seinem Tod) und sie würden nicht glauben, sie würden aber auch aufstehen und Er werde sie richten. Alles aber, was Er tue, tue sein Vater in Ihm, auch die Toten erwecken. Auch von Johannes und dessen Zeugnis sprach Jesus und dass Er es nicht bedürfe. Er habe ein größeres Zeugnis: seine Werke zeugten von seiner Sendung und der Vater zeuge selbst davon. Sie aber würden Gott nicht kennen. Sie wollten durch die Schrift selig werden und hielten die Gebote nicht. Er werde sie nicht anklagen, Moses werde es tun, dem sie nicht glaubten und der doch von Ihm geschrieben.

So lehrte Jesus noch vieles unter oftmaligen Unterbrechungen. Zuletzt wurden sie so ergrimmt, dass sie gegen Ihn andrangen und lärmten und zur Wache sandten, denn sie wollten Ihn ergreifen. Es wurde aber finster, und Jesus schaute empor, da das Getümmel groß wurde und sagte: «Vater zeuge von deinem Sohn!» Da kam eine dunkle Wolke vor den Himmel, es geschah wie ein Donnerschlag, und ich hörte eine geIlende Stimme durch die Halle: «Das ist mein lieber Sohn, an dem Ich mein Wohlgefallen habe!» Die Feinde wurden ganz verwirrt und schauten erschrocken empor. Die Jünger aber, welche in einem Halbkreis hinter Jesus standen, setzten sich in Bewegung und Jesus ging zwischen ihnen ungehindert durch die sich öffnende Menge hindurch, an der Abendseite zum Tempel hinaus und aus der Stadt durch das Ecktor beim Haus des Lazarus. Sie zogen noch nördlich nach Rama.

Die Jünger hatten die Stimme nicht gehört, nur den Donner, denn ihre Stunde war noch nicht gekommen. Aber mehrere der zornigsten Pharisäer hörten sie. Als es aber wieder hell ward, sprachen sie nicht davon, eilten fort und sandten Leute nach, Jesus zu ergreifen. Er war aber nicht mehr zu finden, und sie ärgerten sich, dass sie sich so überraschen lassen und Ihn nicht angehalten hätten.

In den Lehren, welche Jesus in diesen Tagen im Tempel und auch in Bethanien an die Jünger und das versammelte Volk gehalten, sprach Er mehrmals von der Nachfolge und dem Kreuznachtragen. «Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer es aber um Meinetwillen verliert, der wird es gewinnen. Was hilft es, wenn einer die Welt gewinnt und leidet Schaden an der Seele? Wer sich Meiner vor diesem ehebrecherischen, sündhaften Geschlecht schämt, dessen wird sich auch des Menschen Sohn schämen, wenn Er in der Herrlichkeit seines Vaters kommen wird, jedem nach seinen Werken zu vergelten.» Er sagte auch einmal, dass solche unter den Zuhörern seien, welche den Tod nicht empfinden würden, bis sie das Reich Gottes in Kraft kommen gesehen haben. Es spotteten manche darüber. Ich weiß nicht mehr anzugeben, was Jesus damit gemeint hat. Die Worte, die im Evangelium stehen, höre ich immer wie die hervorstehenden Hauptlehren, aber es ist alles viel weitläufiger, und was man da in ein paar Minuten lesen kann, davon lehrte Er oft stundenlang.

Stephanus ist schon in Berührung mit den Jüngern. An dem Fest, da Jesus den Mann am Bethesda heilte, wurde er mit Johannes bekannt und ist seitdem viel mit Lazarus umgegangen. Er ist sehr schlank und liebenswürdig und ein Schüler in der Schriftgelehrsamkeit. Dieses Mal war er mit mehreren andern Jerusalem-Jüngern in Bethanien und hörte die Lehren Jesu an.

4. Jesus in Atharoth und Hadad-Rimmon

Von Rama wandelte Jesus mit den Jüngern nach Thänath-Silo, bei Sichar. Da alle Pharisäer in Jerusalem beim Fest waren, wurde Er hier sehr freudig empfangen. Nur die alten und kränklichen Leute und Frauen und kleine Kinder sind vom Fest zurückgeblieben und die alten Hirten bei den Herden. In Rama und Thänath sah ich die Leute in Prozession auf die reifen Kornfelder gehen und Büschel von Getreide abschneiden und an Stangen in die Synagogen und Häuser tragen. Jesus lehrte hie und da auf dem Feld von seinem nahen Ende und auch in Thänath-Silo, wo Er übernachtete. Er rief alle zu sich, Trost zu suchen und sprach von dem Gott wohlgefälligen Opfer eines reumütigen Herzens.

Von Thänath-Silo ging Jesus nach Atharoth nördlich vom Berg bei Meroz, wo Ihm die Pharisäer einmal einen Toten zum Heilen gebracht hatten. Der Ort ist ungefähr vier Stunden nördlich von Thänath-Silo. Jesus kam gegen Mittag vor Atharoth an und lehrte auf einem Hügel vor der Stadt, wohin Ihm viele alte Leute, Kranke, Frauen und Kinder folgten. Es kamen nun alle Kranken und vor den Pharisäern furchtsamen Leute zum Vorschein und flehten um Trost und Hilfe. In Atharoth waren die Pharisäer und Sadduzäer so erbost gegen Jesus, dass sie einmal die Tore hatten sperren lassen, als Er in der Nähe war. Er lehrte sehr streng, doch liebreich und warnte die armen Leute vor der Bosheit der Pharisäer. Er sprach fortwährend deutlicher von seiner Sendung, von seinem himmlischen Vater, von seiner nahen Verfolgung, von der Auferstehung der Toten und dem Gericht und von der Nachfolge. Er heilte viele Kranke, Lahme, Blinde, Wassersüchtige, auch kranke Kinder und blutflüssige Frauen.

Die Jünger hatten Ihm eine Herberge vor Atharoth bei einem einfältigen Schullehrer, einem alten Mann, der da zwischen Gärten wohnte, bereitet. Sie wuschen die Füße, nahmen eine Erquickung und gingen zum Sabbat nach Atharoth in die Synagoge. Da versammelten sich viele Leute, die aus der Gegend herangekommen waren und alle Geheilten. Ein alter krummer Pharisäer, der zurückgeblieben war, stand der Synagoge vor und gab sich ein ganz besonderes Ansehen, wenn er den Leuten gleich etwas lächerlich war. Es wurde heute über gesetzliche Unreinigkeit der Kindbetterinnen und über den Aussatz gelesen und über die Brotvermehrung des neuen Brotes und Getreides durch Elisäus und wie Naaman durch ihn geheilt worden (Lev Kap. 12-14; 2 Kön 4, 42 bis 5, 19).

Jesus hatte schon eine zeitlang gelehrt, da wandte Er sich zu der Stelle, wo die Frauen standen und rief einer Witwe, die ganz gekrümmt von ihren Töchtern in die Synagoge auf ihren gewöhnlichen Platz geführt worden war und gar nicht daran dachte, Hilfe zu begehren. Sie war schon achtzehn Jahre krank, war in der Mitte des Leibes gekrümmt und ging mit dem Oberleib so niedergebogen zur Erde, dass sie schier auf den Händen hatte gehen können. Jesus sprach, als ihre Töchter sie vor Ihn führten: «Frau, sei los von deiner Krankheit!» und legte seine Hand auf ihren Rücken. Da richtete sich die Frau kerzengerade in die Höhe und lobte Gott: «Gelobt sei der Herr Gott Israels», warf sich vor Jesus nieder, und alle Anwesenden lobten Gott.

Der alte krumme Schelm aber, erbittert, dass ein solches Wunder am Sabbat unter seiner Regierung in Atharoth vorgefallen, wandte sich, da er sich nicht an Jesus wagte, mit großer Autorität an das Volk, zankte und sagte: «Es sind sechs Tage, an denen man arbeiten soll; an denen kommt und lasst euch heilen, aber nicht am Sabbat!» Da sagte Jesus zu ihm: «Du Heuchler! Löst nicht jeder von euch seinen Ochsen oder Esel am Sabbat von der Krippe und führt ihn zur Tränke? Sollte nun diese, die doch eine Tochter Abrahams ist, nicht am Sabbat von diesem Band gelöst werden, welches Satan schon achtzehn Jahre gebunden hatte?» Da schämte sich der krumme Pharisäer und all sein Anhang. Die Leute aber lobten Gott und freuten sich des Wunders.

Es war gar rührend, die Töchter und einige der Frau verwandte Knaben so freudig um die Frau herum zu sehen. Ja, alle Leute waren froh, denn sie war wohlhabend und in der Stadt geliebt und geachtet. Es machte sich der krumme Pharisäer lächerlich und abscheulich zugleich, statt selbst Hilfe zu erflehen, über die Heilung der frommen krummen Frau zornig zu sehen. Jesus fuhr aber in seiner Lehre fort über den Sabbat und lehrte eben so streng wie im Tempel, da sie Ihm die Heilung des Mannes am Teich Bethesda vorhielten. Er übernachtete bei dem Schullehrer von Atharoth und war tags darauf auch im Haus der geheilten Frau, die viele Arme speiste und großes Almosen gab. Dann schloss Er den Sabbat in der Synagoge und ging noch ein paar Stunden bis zu einer Herberge bei Ginnim.

Von hier wandelte Er am folgenden Tag ungefähr acht Stunden mit den Jüngern nördlich im Tal Esdrelon und über den Bach Kison nach Hadad-Rimon, an Endor Jezrael, Naim die Ihm rechts lagen, vorüber. Rimmon lag höchstens eine Stunde östlich von Megiddo, auch nicht weit von Jezrael und Naim und etwa drei Stunden westlich vom Tabor und nicht weiter südwestlich von Nazareth. Es ist eine ganz bedeutende, belebte Stadt, denn es geht eine Heer- und Handelsstraße von Tiberias zur Meeresküste hier durch. Jesus berbergte vor der Stadt. Er lehrte unterwegs und heilte hie und da Hirten und kranke arme Leute. Er lehrte auf dem Weg von der Nächstenliebe, empfahl die Liebe gegen die Samariter und alle Menschen. Auch legte Er die Parabel vom barmherzigen Samariter aus.

In Hadad-Rimmon lehrte Er besonders von der Auferstehung der Toten und dem Gericht. Er heilte Kranke, und es kam ein großer Zug von Leuten zu seiner Lehre, die einen Tag nach Ihm von Jerusalem weggezogen waren. Die Apostel und Jünger lehrten in den umliegenden Orten.

Pilatus hatte am Tag nach Jesu Abreise den galiläischen Eiferern bei Todesstrafe verbieten lassen, aus Jerusalem zu ziehen, welches sie tun wollten. Viele von ihnen waren als Geisseln für die andern eingefangen worden. Nun gab Pilatus sie wieder los und allen die Erlaubnis, ihre Opfer zu tun und abzuziehen. Er selbst machte gegen Mittag Anstalten zu seiner eigenen Abreise nach Cäsarea. Die zurückgehaltenen Galiläer waren sehr froh und überrascht über ihre Freiheit und eilten, im Tempel ihr Sühnopfer zu bringen, weil sie sich verschuldet hatten und das Opfer nicht hatten darbringen können.

Es war auch gebräuchlich, dass an diesen Tagen allerlei Geschenke zum Tempel gebracht wurden. Viele kauften Vieh und brachten es zum Opfer in den Tempel. Die meisten verkauften alles, was sie nur immer entbehren konnten und machten es zu Geld, das sie in die Opferkasten des Tempels brachten. Für die Ärmeren zahlten die Wohlhabenderen. Ich sah drei verschiedene Opferstöcke, in welche sie opferten; dabei wurde gelehrt und gebetet. Andere waren auf dem Schlachtplatz mit ihrem Opfervieh. Es waren ziemlich viele Menschen im Tempel, doch nicht übermäßig. Ich sah an verschiedenen Stellen kleine Scharen von Israeliten gebückt, mit verhülltem Haupt in Betmänteln stehen oder auf dem Angesicht liegen.

Judas Gaulonita war unter seinen Anhängern am Opferstock. Diese Galiläer waren es, welche Pilatus angehalten und wieder freigelassen hatte. Sie waren die teils einfältigen, teils boshaften Werkzeuge der Herodianer. Es waren sehr viele Leute aus Gaulon und eine große Menge aus Thirza und dessen Umgebung und andern Herodianer-Nestern dabei. Als nun diese Leute ihre Geldopfer gebracht hatten und in der besten Andacht begriffen waren, indem keiner sich umschaute, sah ich etwa zehn Leute von verschiedenen Seiten heranschleichen und als sie nahe waren, unter ihren Mänteln dreischneidige, ellenlange Schwerter hervorziehen und die ihnen Nächsten niederstossen. Es erhob sich ein entsetzliches Geschrei. Die wehrlosen Leute flohen in der Bestürzung nach allen Seiten. Nun aber liefen auch jene herzu, welche ich verhüllt hatte knien sehen. Sie waren verkleidete Römer, die alles niederschlugen und stachen, was ihnen in den Weg kam. Viele drangen zu dem verlassenen Opferkasten und rissen die Schläuche mit dem Geld heraus. Doch sie trugen nicht alles davon, es war ein guter Teil noch darin. Das Getümmel war so groß, dass viel Geld im Tempel verschüttet wurde, denn auch zur Schlachtstelle eilten Römer und stachen die Galiläer nieder. Ich sah diese römischen Soldaten aus allen Winkeln herauskommen, ja durch Fensteröffnungen herein- und hinausspringen.

Als durch das Zetergeschrei alles, was im Tempel war, zusammenlief, wurden auch viele ganz unschuldige Leute aus Jerusalem im Getümmel ermordet und auch von den armen Leuten, welche im Vorhof und an den Mauern ihre Esswaren feilbieten. Ich sah auch einige Galiläer in einem dunkeln Gang, wo sie sich retten wollten. Sie hatten einige Römer überwältigt und ihnen die Waffen entwunden. Da kam ihnen Judas Gaulonita entgegen, der schon hier war, um auch zu entwischen. Aber sie hielten ihn für einen Römer und stachen ihn trotz seines Geschreis, dass er Judas sei, nieder, denn die Verwirrung war durch die ähnliche Kleidung der Mörder so groß, dass alles, was entgegenkam angefallen wurde. Dieses Morden dauerte etwa eine Stunde. Da drängte sich das Volk mit Waffen zum Tempel herauf. Die Römer aber zogen sich in die Burg Antonia zurück und schlossen dieselbe. Pilatus war bereits hinweg, und die Besatzung in der Stadt hatte schon überall eine drohende wehrhafte Stellung eingenommen, und alle Zugänge waren besetzt und gesperrt, damit keine Vereinigungen entstehen konnten.

Ich sah an einer steilen, schwindelhohen Seite des Tempels hinab in die engen Straßen und sah Frauen und Kinder wehklagend aus einem Haus ins andere rennen, denen man die Nachricht von der Ermordung ihrer Männer brachte. Es waren viele von den armen Leuten umgekommen, die in der Nähe des Tempels wohnen und Höcker und Taglöhner sind. Es war eine schreckliche Verwirrung im Tempel und alles floh hinaus, als ein wenig Luft wurde. Die Ältesten, Vorsteher, bewaffnete Männer und auch Pharisäer kamen heran. Alles lag umher voll Leichen, Blut und zerstreutem Geld. Einzelne Sterbende und Schwerverwundete ächzten und wälzten sich am Boden. Nun erst kamen die Angehörigen der aus Jerusalem zufällig Erschlagenen, und es war Wehklagen, Zorn, Wut und Angst an allen Ecken. Die Pharisäer und Hohenpriester waren ganz entsetzt, der Tempel war verunreinigt durch und durch- Die Priester wagten sich nicht heran, um sich nicht zu verunreinigen durch die Toten. Das Fest war daher unterbrochen.

Ich sah die ermordeten Jerusalemer auf Bahren und in Tüchern mit Wehklagen von ihren Angehörigen hinabtragen. Die andern Leichen aber wurden von Sklaven aus einer niedrigen Menschenart hinweggebracht. Alles, was im Tempel war an Vieh und Esswaren, alle Geräte mussten liegen bleiben, weil alles unrein war. Und alles ging hinweg, außer die aufgestellten Wächter und Arbeiter. Der Ermordeten waren mehr, als bei dem Einsturz der Wasserleitung verschüttet worden sind. Es waren außer den einzelnen unschuldigen Leuten aus Jerusalem meistens die Anhänger des Judas Gaulonita, welche gegen den kaiserlichen Zins und gegen das die Gebräuche des Tempels verletzende Opfergeld zu der Wasserleitung geeifert hatten. Es waren jene, welche sich so laut bei dem Antrag des Pilatus erhoben und auch einige Römer im Gefecht erschlagen hatten. Pilatus nahm so seine Rache hier, da sie wehrlos waren, auch an Herodes für seine Bosheit beim Einsturz des Turmes. Es waren viele Leute von Tiberias, Gaulon, aus Obergaliläa und Cäsarea Philippi, besonders aber aus Thirza unter den Ermordeten.

5. Die Verklärung auf dem Berge Tabor

Von der Herberge vor Hadad-Rimmon ging Jesus mit einigen Jüngern östlich nach Kisloth-Tabor, das am Fuß des Tabor gegen Mittag liegt, etwa drei Stunden von Rimmon. Auf dem Wege dahin kamen die ausgesandten Jünger nach und nach zu Ihm zurück. Zu Kisloth sammelte sich wieder eine große Schar von Reisenden um Jesus, welche von Jerusalem kamen. Er lehrte und heilte einige Kranke. Nachmittags sendete Er die Jünger rechts und links um den Berg herum aus, zu lehren und zu heilen. Er selbst behielt Petrus, Johannes und Jakobus Major bei sich und ging mit ihnen auf einem Fußpfad den Berg hinauf. Sie brachten gegen zwei Stunden auf dem Wege zu, denn Jesus verweilte oft an Stellen und Höhlen, wo Propheten gewohnt hatten, erklärte ihnen mancherlei und betete mit ihnen. Sie hatten keine Speise mitgenommen. Jesus hatte es ihnen verboten und gesagt, sie würden im Überfluss gesättigt werden. Auf dem Gipfel des Berges war eine weite Aussicht und ein großer freier Platz, der mit einer Umwallung und schattigen Bäumen umgeben war. Der Boden war mit wohlriechenden Kräutern und Blumen bedeckt. Es war ein Wasserbehälter in einem Felsen verborgen, und wenn man einen Zapfen zog, floss helles, sehr kühles Wasser. Sie wuschen Jesus und sich die Füße und erfrischten sich. Jesus begab sich aber mit ihnen in eine etwas vertiefte Stelle vor einem Felsen, der eine Höhle bildete, wie ein Tor. Es war wie die Bethöhle am Ölberg, man konnte aber auch in Gewölbe hinabgehen.

Jesus setzte hier seine Lehre fort, sprach mit ihnen auch von dem Kniendbeten und sagte, dass sie jetzt dringend mit emporgehobenen Händen beten sollten. Er lehrte sie auch das Vaterunser mit einigen dazwischen einfallenden Stellen aus den Psalmen. Sie beteten dieses in einem Halbkreis in den Knien sitzend. Jesus kniete ihnen gegenüber, an einen aus der Erde hervorstehenden Felsen gelehnt, und lehrte abwechselnd wunderbar tiefsinnig und süß von der Erschaffung und Erlösung. Er sprach ungemein liebevoll und begeistert und die Jünger waren ganz trunken von seinen Worten. Er hatte im Anfang seiner Lehre gesagt, Er wolle ihnen zeigen, wer Er sei. Sie sollten Ihn verherrlicht sehen, damit sie nicht wankten im Glauben, wenn sie Ihn verschmäht, misshandelt und von aller Herrlichkeit verlassen in seinem Tode sehen würden.

Die Sonne war gesunken, und es ward dunkel, aber sie bemerkten es nicht, so wunderbar war Jesu Rede und Wesen. Er ward immer leuchtender, es waren Erscheinungen von englischen Geistern um Ihn her. Petrus sah sie auch, denn er unterbrach Jesus und sagte: «Meister! Was bedeutet das?» Jesus sagte: «Sie dienen Mir!» Petrus rief aber ganz begeistert aus, mit vorgestreckten Händen: «Meister, wir sind ja hier! Wir wollen Dir dienen in allem!» Jesus lehrte weiter, und es kamen mit dem Erscheinen der Engel Ströme von wechselndem Wohlgeruch und Sättigung und himmlisches Genügen über die Apostel. Jesus aber leuchtete immer mehr und war wie durchschimmernd. Der Kreis um sie war in der dunklen Nacht so erleuchtet, dass man jedes Kräutchen, wie am hellen Tag, auf dem Rasen erkennen konnte. Die drei Apostel wurden so innerlich und so erquickt, dass sie, als das Leuchten einen hohen Grad angenommen, das Haupt verhüllt zur Erde niederbeugten und so liegenblieben.

Es war etwa um zwölf Uhr in der Nacht, als ich diese Glorie am höchsten sah. Vom Himmel nieder sah ich eine leuchtende Bahn und eine stets wechselnde Bewegung von Engeln der verschiedensten Art. Einige waren klein, doch in ganzer Gestalt, andere schimmerten bloß wie Angesichter aus dem Licht hervor, viele waren priesterlich, andere waren kriegerisch erscheinend. Alle hatten ein verschiedenes Wesen in sich, und es kamen verschiedene Erquickungen, Kräfte, Wonnen und Lichter mit ihnen. Sie waren in steter Tätigkeit und Bewegung.

Die Apostel lagen mehr entzückt als schlafend auf ihrem Angesicht. Da sah ich drei leuchtende Gestalten zu Jesus in das Licht eintreten. Sie schienen ganz natürlich zu kommen, wie einer, der aus der Nacht auf eine beleuchtete Stelle tritt. Zwei erschienen bestimmter und körperlicher. Sie redeten Jesus an und sprachen mit Ihm: es waren Moses und Elias. Die dritte Erscheinung sprach nicht, war leichter und geistiger. Es war Malachias.

Ich hörte, wie Moses und Elias Jesus begrüßten und wie Er von seiner Erlösung und seinem Leiden mit ihnen sprach. Ihr Zusammensein hatte etwas ganz Einfaches und Natürliches. Moses und Elias erschienen nicht so alt und abgelebt, wie sie die Erde verlassen hatten, sie waren blühend und jung. Moses, größer, ernster und majestätischer als Elias, hatte auf der Stirne wie zwei ausgewachsene Zitzen und ein langes Gewand. Es war ein ganz fester Mann und wie ein strenger Zuchtmeister, aber sehr rein und recht und einfach. Er sagte zu Jesus, wie er sich freue, Ihn zu sehen, der ihn und sein Volk aus Ägypten geführt habe und nun abermals erlösen wolle. Er erwähnte viele Vorbilder seiner Zeit und sprach sehr tiefsinnig von dem Osterlamm und dem Lamm Gottes. Elias war viel anders, er war feiner, lieblicher und milder anzuschauen. Beide waren sehr von der Erscheinung des Malachias verschieden. Beiden konnte man etwas Menschliches, Erlebtes in ihren Gesichtern und Gestalten ansehen, man sah in ihren Gesichtern Familiengesichter. Malachias sah ganz anders aus, er hatte etwas Außermenschliches, wie ein Engel, er sah aus wie die Gestalt einer einfachen Kraft und Aufgabe. Er war ruhiger und geistiger als die andern.

Jesus sprach mit ihnen von allen Schmerzen, welche Er bis jetzt erlitten, und von allem, was Ihm bevorstand. Er beschrieb seine ganze Leidensgeschichte Punkt für Punkt. Elias und Moses sprachen oft ihre Rührung und Freude darüber aus, und ihre Reden waren ein Mitleiden und Trösten, ein Verehren des Heilandes und ein beständiges Lobpreisen Gottes. Sie sprachen oft die Vorbilder dessen aus, was Jesus sagte, und lobten Gott, dass Er sich seines Volkes von Ewigkeit her erbarmt habe. Malachias aber schwieg.

Die Jünger erhoben die Häupter und sahen lange Jesu Herrlichkeit und sahen Moses, Elias und Malachias. Als Jesus in der Beschreibung seines Leidens auf seine Erhöhung am Kreuze kam, breitete Er seine Arme aus, als sage Er: so wird des Menschen Sohn erhöht werden. Sein Angesicht war gegen Mittag gekehrt, und Er war ganz von Licht durchdrungen, sein Gewand schimmerte bläulichweiß. Er und die Propheten, auch die drei Apostel waren über die Erde emporgehoben.

Indem schieden die Propheten von Ihm, Elias und Moses gegen Morgen, Malachias abendwärts in die Dunkelheit verschwindend. Und Petrus außer sich sprach freudig: «Meister! hier ist gut sein für uns, hier wollen wir drei Hütten bauen! Dir eine, Moses eine und Elias eine!» Er meinte, sie brauchten keinen andern Himmel, es sei ja alles so selig und süß. Unter den Hütten verstand er Orte der Ruhe und Ehre, Wohnungen der Heiligen. Er sprach dieses aber im Taumel seiner Freude und in einem entrückten Zustand, ohne zu wissen, was er sagte.

Als sie wieder in das gewöhnliche Wachen zurückkehrten, kam eine weiße lichte Wolke über sie, wie der Tau morgens über den Wiesen schwebt. Über Jesus sah ich den Himmel offen und das Bild der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Gott Vater auf dem Thron, wie einen priesterlichen Greis, und zu seinen Füßen Scharen von Engeln und Gestalten. Ein Strom von Licht ergoss sich auf Jesus, und wie ein süßes flüsterndes Wesen kam eine Stimme über die Apostel: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe. Diesen höret!» Es befiel aber Furcht und Zagen die Apostel. Sie warfen sich mit dem Angesicht auf die Erde und wurden sich wieder bewusst, dass sie arme, schwache Menschen seien und welche Herrlichkeit sie gesehen. Sie zagten vor Jesus, über welchen sie das Zeugnis seines himmlischen Vaters hatten aussprechen hören.

Jesus trat nun zu ihnen, rührte sie an und sprach: «Steht auf und fürchtet euch nicht!» Sie standen von der Erde auf und sahen Jesus allein. Es war etwa gegen drei Uhr morgens. Das nahende Tageslicht schimmerte weiß am Himmel und feuchte Tauwolken schwebten über der Landschaft am Fuß des Berges. Die Apostel waren aber sehr schüchtern und ernst. Jesus sprach zu ihnen, wie Er sie die Verklärung des Menschensohnes habe sehen lassen, um ihren Glauben zu stärken, damit sie nicht wankten, wenn sie Ihn für die Sünden der Welt in die Hände der Missetäter gegeben sehen würden, damit sie nicht an Ihm sich ärgerten, wenn sie Zeugen seiner Erniedrigung sein würden, und dass sie dann die Schwächeren stärken möchten. Er erwähnte wieder den Glauben des Petrus, der Ihn früher als die anderen durch Gott erkannt habe und sprach von dem Felsen, auf den Er seine Kirche bauen wolle. Sie beteten noch und gingen dann bei der Morgenröte an der Nordwestseite des Berges hinab.

Im Niedersteigen sprach Jesus über das, was sie gesehen, und sagte, sie sollten niemandem etwas von diesem Gesichte sagen, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden sein würde. Sie merkten sich diesen Befehl und waren überhaupt sehr erschüttert und ehrerbietiger als sonst, sie gedachten seit der Stimme: «Diesen höret!» mit Angst und Reue an früheren Zweifel und Unglauben. Als sie aber mit dem sich verbreitenden Tageslicht im Herabsteigen der gewöhnlichen Empfindung wieder nähergerückt waren, teilten sie sich untereinander ihr Befremden über den Ausdruck mit, was das heißen solle: «Bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist.» Sie wagten aber jetzt nicht, Jesus darüber zu fragen.

Sie waren noch nicht am Fuß des Berges angekommen, als Jesus schon Leute mit Kranken entgegen zogen, welche Er heilte und tröstete. Die Leute aber erschraken über Ihn, denn es war etwas Ungewöhnliches, Übernatürliches und Leuchtendes in seinem Aussehen. Eine kleine Strecke tiefer waren viele Leute um die tags zuvor um den Berg ausgesandten Jünger und auch einige Schriftgelehrte versammelt. Es war diese Schar, die vom Fest nach Hause zog, mit den Jüngern im Nachtlager zusammengekommen und war dann mit diesen hierher gegangen, Jesus zu erwarten. Jesus sah aber diese Leute in einem Wortwechsel mit den Jüngern. Als nun die Menge Jesus erblickte, liefen sie Ihm entgegen, grüßten Ihn und entsetzten sich über seinen wunderbaren Anblick, denn der Tau seiner Verherrlichung lag noch auf Ihm. Die Jünger ahnten auch an dem Wesen der drei Apostel, welche ernster und schüchterner als sonst Jesus folgten, dass etwas Wunderbares mit Ihm vorgegangen sein müsse. Da nun Jesus fragte, worüber sie stritten, trat ein Mann von Amthar, einer Stadt auf dem galiläischen Gebirge, wo die Geschichte mit Lazarus und dem reichen Prasser geschehen war, aus der Menge hervor, warf sich vor Jesus auf die Knie und flehte Ihn an, Er möge seinem einzigen Sohn helfen, der mondsüchtig sei und einen stummen Teufel habe, der ihn bald ins Feuer, bald ins Wasser schleudere und ihn so anhaltend quäle, dass er vor Pein schreie. Er habe ihn seinen Jüngern schon in Amthar, als sie dort gewesen, gebracht, sie hätten ihm aber nicht helfen können. Darüber hätten sie nun mit ihm und den Schriftgelehrten gestritten. Da sagte Jesus: «O du ungläubiges, verkehrtes Geschlecht! Wie lange werde Ich noch bei euch sein, wie lange euch noch ertragen müssen!» und befahl dem Mann, den Knaben, zu Ihm zu bringen. Der Mann holte den Kanben, welchen er auf der Reise, wie ein Schaf, quer über dem Nacken getragen hatte, bei der Hand führend herbei. Er mochte neun bis zehn Jahre alt sein. Sobald er Jesus sah, fing er an, sich schrecklich zu zerren, und der Geist warf ihn nieder. Er schleuderte und verdrehte sich, würgte, wälzte sich umher, und der Schaum stand ihm vor dem Mund. Jesus befahl ihm zu ruhen, und er lag still. Nun fragte Jesus den Vater, wie lange der Knabe dieses Leiden habe, und dieser sagte: «Von Jugend auf. Ach! wenn Du etwas vermagst, so hilf uns! Erbarme Dich unser!» Jesus sprach: «Wenn du glauben kannst. Wer glaubt, dem ist alles möglich!» Und der Vater rief weinend: «Herr! ich glaube, hilf meinem Unglauben!»

Auf diese laut ausgerufenen Worte lief das Volk herzu, das aus Scheu etwas zurückgestanden war. Jesus aber hob die Hand drohend gegen den Knaben und sagte: «Du tauber und unreiner Geist! Ich befehle dir, fahre aus von ihm und kehre nie wieder in ihn zurück!» Da schrie der Geist schrecklich aus dem Knaben, zerrte ihn heftig und fuhr aus. Der Knabe aber lag wie tot, bleich und unbeweglich. Viele unter der Menge riefen, als man ihn umsonst zu bewegen suchte: «Er ist tot! Er ist wirklich tot!» Jesus aber nahm ihn an der Hand, richtete ihn, der frisch und gesund war, auf und gab ihn seinem Vater mit einer Ermahnung zurück. Dieser dankte mit Tränen und Lobsingen, und alle Anwesenden priesen die Herrlichkeit Gottes. All dieses geschah etwa eine Viertelstunde östlich von jenem kleinen Ort am Tabor, wo Jesus im vorigen Jahre den aussätzigen Gutsbesitzer heilte, zu dem Ihn sein aufwartender Knabe gerufen hatte.

Jesus wanderte sodann mit den Jüngern bei Kan vorüber durch das Tal des Badesees von Bethulien bis zum Städtchen Dothaim, drei Stunden von Kapharnaum. Sie gingen meistens auf Nebenwegen, um das Zusammenlaufen des Volkes zu vermeiden, welches in Scharen von Jerusalem zurückkehrte. Sie zogen in verschiedenen Mengen, und Jesus ging bald allein, bald mit diesem oder jener Menge. Auf diesem Wege nahten Jesus die Apostel, welche Zeugen seiner Verklärung gewesen, und fragten Ihn über seine Worte: «Bis des Menschen Sohn wird von den Toten auferstanden sein», worüber sie bis jetzt immer nachgesonnen und disputiert hatten. Sie sagten: «Die Schriftgelehrten sprechen ja, Elias müsse noch erst vor der Auferstehung kommen.» Da erwiderte Jesus: «Elias wird zwar zuvor kommen und alles wiederherstellen. Ich aber sage euch, Elias ist schon gekommen. Sie haben ihn aber nicht erkannt, sondern an ihm getan, was sie nur wollten, wie es von ihm geschrieben steht. Ebenso wird auch der Menschensohn von ihnen zu leiden haben.» Er sprach noch mehreres, und sie merkten, dass Er von Johannes dem Täufer rede.

Als alle Jünger um Jesus in der Herberge zu Dothaim wieder vereinigt waren, fragten sie, warum sie nicht imstande gewesen seien, den mondsüchtigen Knaben von dem Teufel zu befreien. Jesus sagte: «Wegen eures Unglaubens, denn wenn ihr eines Senfkorns Größe Glauben hättet, so würdet ihr zu diesem Berg sagen können: hebe dich von hier dorthin und er würde sich weg begeben und nichts würde euch unmöglich sein! Diese Gattung aber wird nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben.» Und Er belehrte sie, was nötig sei, um den Widerstand des Teufels zu brechen, wie der Glaube die Handlung lebendig und kräftig mache und wie derselbe durch Fasten und Gebet gestärkt werde, indem man dadurch dem Feinde, den man aus dem andern vertreiben wolle, die Gewalt an sich selber entziehe.

6. Jesus in Kapharnaum und der Umgegend

Jesus wandelte von Dothaim auf dem geraden Wege nach Kapharnaum, wo die vom Fest Heimkehrenden feierlich empfangen wurden. Es wurde auch Jesus mit den Jüngern zu einem Festmahl geladen, bei dem Pharisäer teilnahmen. Als sie zu Tisch liegen wollten, kam der Jünger Manahem von Koreä zu Jesus und brachte Ihm einen gelehrten Jüngling von Jericho, der, schon einmal abgewiesen, wieder um Aufnahme bat. Er hatte sich an Manahem gewendet, weil er ihn kannte. Dieser Jüngling hatte viele Güter in Samaria, und Jesus hatte ihm früher gesagt, er solle sich erst von allem losmachen. Nun kam er wieder. Er hatte alles mit seinen Verwandten geordnet und geteilt, aber doch einen Besitz für sich zurückbehalten und war sehr besorgt um seinen Unterhalt. Darum nahm Jesus ihn nicht an, und er schied unmutig von dort weg. Die Pharisäer ärgerten sich hierüber, denn sie waren dem Jüngling geneigt und warfen Jesus vor, Er spreche immer von Liebe und sei ganz ohne Liebe. Er spreche von unerträglichen Bürden der Pharisäer und lege selbst unerträgliche Bürden auf. Dieser Jüngling sei gelehrt. Er wolle aber nur Unwissende. Das Notwendige erlaube Er nicht, das herkömmlich Verbotene lasse er zu. Sie kamen abermals mit dem Sabbatschänden, Ährenabstreifen, Nicht-Händewaschen usw.. Jesus aber beschämte sie.

Als Jesus sich in Petri Haus befand, redeten Leute aus Kapharnaum den Petrus vor dem Haus an, ob sein Meister den Zinsgroschen, zwei Drachmen, nicht bezahle. Petrus bejahte es, und als er in das Haus kam, sagte Jesus zu ihm: «Was meinst du, Simon, von wem fordern die Könige auf Erden Zoll und Zins? Von ihren Kindern oder den Fremden?» Petrus antwortete: «Von den Fremden», und Jesus versetzte: «Die Kinder sind also frei! Aber damit wir sie nicht ärgern, wirf die Angel ins Meer, und in dem Mund des zuerst anbeißenden Fisches wirst du einen Euro finden, den zahle für Mich und dich!» Petrus ging nun in einfältigem Glauben an seine FischersteIle, ließ eine der dort feststehenden Angeln nieder, zog sie auf und fing einen sehr großen Fisch. Er griff ihm ins Maul und fand eine länglich-runde, gelbliche Münze darin, die er für sich und Jesus bezahlte. Der Fisch war so groß, dass sie am Mittag alle satt daran zu essen hatten.

Danach fragte Jesus die Jünger, über was sie auf dem Weg von Dothaim nach Kapharnaum geredet hätten. Sie schwiegen, denn es war, wer der Größte unter ihnen sei. Er aber kannte ihre Gedanken und sagte: «Wer der erste sein will, sei der letzte, der Diener von allen!»

Nach dem Mahl zog Er mit den Zwölfen und den Jüngern nach Kapharnaum hinein, wo ein Fest für die von Jerusalem Zurückgekommenen war. Straßen und Häuser waren mit Blumen und Kränzen geschmückt. Kinder, Greise, Frauen und die Schulen kamen den Wiedergekehrten entgegen, welche in Scharen, wie eine Prozession, durch die Straßen zogen und die Häuser der Freunde und Angesehenen besuchten. Die Pharisäer und viele andere zogen ganz freundlich mit Jesus und den Jüngern umher und trennten sich auch zuweilen wieder.

Jesus aber ging in die Häuser vieler Armen und Freunde. Man brachte die Kinder, die Er segnete und beschenkte. Auf dem Markt aber, an dessen einer Seite die alte, an der andern die neue von Cornelius erbaute Synagoge steht, waren Hallen vor den Häusern. Hier grüßten Jesus die Schulkinder, und viele Mütter nahten mit ihren Kindern. Jesus hatte den ganzen Weg an verschiedenen Stellen gelehrt. Hier segnete Er die Kinder, lehrte sie und ließ reichen wie armen Kindern gleiche Röckchen austeilen, welche die Pflegerinnen der Gemeinde besorgt hatten und welche von den Frauen von Jerusalem mitgebracht worden waren. Sie erhielten auch Früchte, Schreibtafeln und andere Geschenke. Die Jünger fragten abermals, wer der Größte im Himmelreich sei. Da rief Jesus die wohlhabende Frau eines Kaufmanns, welche mit ihrem vierjährigen Knaben in einiger Entfernung unter der Haustür stand. Sie verschleierte sich und kam mit dem Knaben herbei, welchen Jesus von ihr nahm. Sie trat wieder zurück. Er umarmte den Knaben, stellte ihn vor die Jünger in die Mitte. Es standen noch viele andere Kinder umher und sprach: «Wer nicht wird wie die Kinder, kommt nicht ins Himmelreich! Wer ein Kind in meinem Namen aufnimmt, nimmt Mich, ja Den auf, der Mich gesandt hat. Und wer sich demütigt, wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich.»

Johannes fiel Jesus auch in die Rede, da Er vom Aufnehmen in seinem Namen sprach. Sie hätten einem gewehrt, der nicht unter seinen Jüngern sei und doch in seinem Namen Teufel ausgetrieben habe. Das verwies ihnen Jesus und lehrte noch länger fort. Dann segnete Er den Knaben, welcher sehr lieblich war und schenkte ihm Früchte und ein Röckchen, winkte der Mutter und gab ihr den Knaben zurück, indem Er ihr einige prophetische Worte über die Zukunft des Knaben sagte, welche erst später verstanden wurden. Er wurde ein Jünger der Apostel und Ignatius genannt, er wurde Bischof und Märtyrer.

Während des ganzen Zuges und der Lehre Jesu war eine verschleierte Frau unter dem Volk. Sie war fortwährend wie außer sich vor Rührung und Freude und sagte oft mit zusammengefalteten Händen die Worte halblaut vor sich hin, doch so, dass sie die umstehenden Frauen damit rührte und zur Andacht bewegte: «Selig der Leib, der Dich getragen! Selig die Brüste, die Du gesogen! Ja selig vielmehr, die Gottes Wort hören und dasselbe bewahren!» Sie sprach dieses unter häufigen Tränen und mit einer rührenden Bewegung der Hände aus dem innersten Herzen bei jeder kleinen Pause in Jesu Lehre, bei jedem zusammenhängenden Spruch seines Mundes, aus ungemeiner Rührung, Liebe und Bewunderung. Sie nahm einen unbeschreiblich kindlichen, hingerissenen Anteil an dem Leben und Dasein und der liebevollen Lehre des Erlösers. Es war Lea, eines bösgesinnten Pharisäers Frau aus Cäsarea-Philippi. Sie hatte jene Worte: «Selig der Leib» hier bei den Lehren Jesu schon ausgerufen und Jesus hatte zu ihr gesprochen: «Ja vielmehr selig, die Gottes Wort hören und es bewahren!» Seitdem war ihr der damalige Ausruf, mit Jesu Antwort verbunden, stets im Munde und ein Gebet der Liebe und Andacht geworden. Sie war hierher zu den heiligen Frauen gekommen und hatte vieles des Ihrigen der Gemeinde geschenkt.

Jesus brachte die Zeit lehrend auf dem Markt zu, bis der Sabbat anging, da Er in der Synagoge lehrte. Die Lesung war von der Reinigung der Aussätzigen und von der schnell gewandten Hungersnot zu Samaria auf die Prophezeiung des Elisäus.

Jesus, die Apostel und einzelne Jünger gingen darauf nach Bethsaida, wohin viele andere Jünger teils von der Aussendung, teils von ihrer Heimat, in der sie gewesen, zurückkamen. Sie kamen teils von jenseits aus der Dekapolis und Gergesa über den See her und waren sehr angegriffen und pflegebedürftig. Sie wurden am Ufer liebevoll empfangen und umarmt und auf alle Weise bedient. Sie wurden in des Andreas Haus geführt, man wusch ihnen die Füße, bereitete ihnen Bäder, gab ihnen andere Kleider und richtete ihnen eine Mahlzeit.

Da nun Jesus bei ihrer Bedienung sehr hilfreich Hand anlegte, bat Ihn Petrus: «Herr! willst Du dienen? Lasse uns dienen!» Jesus sagte aber, Er sei gesandt, um zu dienen. Was diesen getan werde, werde seinem Vater erwiesen. Und Er kam wieder auf die Lehre von der Demütigung. Wer der Geringste sei und allen dienend, werde der Größte sein. Wer aber diene, nicht aus Liebe und sich zur Hilfe des Nächsten beuge, nicht, um den bedürftigen Bruder zu laben, sondern um der erste durch diesen Preis zu werden, der sei ein Heuchler und Augendiener und erhalte keinen Lohn, denn er diene sich und nicht dem Bruder. Es waren nun wohl siebzig Jünger zusammen, aber es sind noch viele andere in und um Jerusalem.

Jesus hielt auch den Aposteln und Jüngern eine sehr tiefsinnige und wunderbare Lehre, in welcher Er deutlich aussprach, dass Er nicht aus einem Mann, sondern aus dem Heiligen Geist empfangen sei. Er sprach dabei mit einer großen Verehrung von seiner Mutter, nannte sie das reinste, heiligste, auserwählte Gefäß, nach welchem Jahrtausende in den Herzen aller Frommen, mit den Zungen aller Propheten gebetet und geseufzt hätten. Er legte ihnen das Zeugnis seines himmlischen Vaters bei seiner Taufe aus, das Zeugnis auf Tabor erwähnte Er nicht. Er sprach von der glücklichen und heiligen Zeit, seit Er lebe und wie die Verwandtschaft der Menschen mit Gott durch Ihn wiederhergestellt sei. Er sprach auf eine sehr tiefsinnige Weise vom Fall der Menschen und ihrer Trennung vom himmlischen Vater, von der Macht der bösen Geister und des Satans über sie und wie durch seine Geburt aus der reinsten, langersehnten Jungfrau das Reich und die Kraft Gottes unter die Menschen mitten in das Leben eingetreten sei und wie durch Ihn und in Ihm wieder alle in die Kindschaft Gottes aufgenommen seien. Durch Ihn sei das natürliche und übernatürliche Band, die Brücke zwischen Gott und Mensch wieder errichtet. Wer aber hinüberwolle, müsse mit Ihm und in Ihm hinüber, müsse aber das Irdische und die Lust dieser Welt zurücklassen. Er sprach auch, wie die Macht und der Teil der bösen Geister an der Welt und den Menschen durch Ihn gebrochen sei und wie alles durch diese Macht über die Menschen und Natur gekommene Leid durch die innige Vereinigung mit Ihm im Glauben und der Liebe in seinem Namen könne zerbrochen werden. Er sprach sehr ernst und feierlich hiervon. Sie verstanden nicht alles und waren erschüttert, weil Jesus von seinem Leiden sprach. Die drei, welche mit Jesus auf dem Tabor gewesen, waren seither immer sehr ernst und nachdenklich.

Alles dieses geschah während und nach dem Sabbat. Die Jünger herbergten teils in Kapharnaum, teils im Haus des Petrus vor der Stadt. Alle wurden aus gemeinsamen Mitteln schier wie Klosterleute beköstigt.

Am Tage nach dem Sabbat zog Jesus mit den Jüngern nördlich von Kapharnaum gegen den Berg der Aussendung, ungefähr zwei Stunden weit bei den Korn schneidenden Bauern und den Hirten umher und lehrte die Jünger und diese abwechselnd. Man war mit der Ernte beschäftigt.

Das Getreide war mehr als mannshoch. Sie schnitten es in bequemer Höhe etwa einen halben Arm lang ab. Die Ähren waren viel größer und dicker als bei uns und, damit die Halme nicht niedersanken, waren die Felder in nicht großen Strecken mit Stangenzäunen umfasst. Sie hatten eine Art von Sicheln, welche mehr dem Hacken eines Krummstabes als unsern Sicheln glichen. Mit der rechten Hand schnitten sie eine Masse von Halmen, die sie mit der linken hinten fassten, so gegen sich, dass sie ihnen in den Arm fielen und banden sie in kleine Garben. Es war eine schwere Arbeit, ging jedoch ziemlich geschwind. Alles, was niederfiel, gehörte nachfolgenden armen Ährenlesern.

Jesus lehrte die Leute in den Ruhepausen, indem Er sie fragte, wie viel sie gesät, wie viel sie geerntet, wem das Getreide gehöre, wie ihr Boden sei, wie sie ihn bearbeiten und knüpfte Parabeln daran vom Säen, vom Unkraut, vom Weizenkörnlein, vom Gericht und Verbrennen des Unkrauts. Er lehrte auch die Jünger, wie sie so wieder lehren sollten, und machte die Lehre ihnen wieder zur Lehre, indem Er die Ernte geistlich auslegte, sie seine Sämänner und Schnitter nannte und ihnen sagte, dass sie sich jetzt das Saatkorn sammeln müssten zu Schätzen künftiger Fruchtbarkeit, weil Er nicht mehr lange bei ihnen sein würde. Die Jünger waren sehr bange und fragten. Er werde doch wohl bis Pfingsten bei ihnen bleiben? Da sagte Jesus zu ihnen: «Was sollte aus euch werden, wenn Ich nicht länger bliebe!»

Auch bei den Hirten knüpfte Jesus das Gespräch auf mancherlei Weise an: «Ist dieses deine eigene Herde? Sind dies Schafe mehrerer Herden? Wie hütest du? Warum gehen deine Schafe zerstreut?» usw. So fragte Er und knüpfte seine Lehre vom verlorenen Schaf, vom guten Hirten dabei an.

Danach zog Jesus nach einem Tal, das sich westwärts wandte und höher als Kapharnaum lag. Der Berg von Saphet lag Ihm rechts. Er wandelte, Hirten und Schnitter und die Jünger lehrend, durch Täler und einsame Gegenden. Er ging alle Pflichten eines guten Hirten durch, wandte sie auf Sich an, wie Er für seine Schafe in den Tod gehe. Er gab den Jüngern dabei Anleitung, wie sie auf ihren Wegen auf ähnliche Weise mit diesen verlassenen, einsamen Menschen reden und guten Samen bei ihnen ausstreuen sollten. Dieses Wandeln und Lehren voll Friede und Liebe in der Einsamkeit war ungemein rührend und eindringlich.

Sie kehrten etwas nördlicher wieder zur Richtung gegen Morgen, woher sie ausgegangen, zurück und kehrten in dem Städtchen Lekkum, eine halbe Stunde vom Jordan, ein, wo die sechs Apostel bei der ersten Aussendung zuerst hingegangen waren. Jesus war noch nicht da gewesen. Es waren dort die Leute von Jerusalem zurückgekommen, auch Schriftgelehrte und Pharisäer waren da. Die Leute erzählten den ihnen bekannten Jüngern, von welchen sie besucht wurden, von dem Mord der Galiläer im Tempel, aber Jesus wurde noch nichts davon gemeldet.

Lekkum ist ein kleiner, aber wohlhabender Ort und liegt etwa eine halbe Stunde vom Jordan und ein paar Stunden von seinem Einfluss in den See. Die Einwohner sind Juden. Nur an den äußersten Enden wohnen wenige arme Heiden, welche manchmal von den Karawanen in Hütten zurückbleiben. Alles ist hier emsig mit Baumwollzucht beschäftigt. Sie bereiten sie aus dem Rohen zu Gespinst und weben Decken und Zeuge, auch die Kinder arbeiten daran.

Es war hier die Willkommensfeier für die Rückkehrenden aus Jerusalem, wie neulich zu Kapharnaum. Die Straßen waren mit Laubgewinden und Blumen geschmückt. Die Rückgekehrten besuchten alle Häuser der Freunde und die Schulen kamen ihnen entgegen.

Jesus war in einzelnen Häusern bei alten Leuten und heilte Kranke. Auf dem Markt des Ortes hielt Er vor der Synagoge eine große Lehre zuerst an die Kinder, die Er liebkoste und segnete, auch an Jünglinge und Jungfrauen, die mit ihren Lehrern wegen der allgemeinen Feierlichkeit da waren. Nachdem diese nach Hause gegangen waren, lehrte Er abwechselnd Männer und Frauen sehr schön und tiefsinnig von der Ehe in allerlei Vergleichen. Er sprach darüber, dass die menschliche Natur mit vielem Bösen vermischt sei, das aber durch Gebet und Entsagung ausgeschieden und unterworfen werden müsse. Wer der wilden Lust folge, der wirke Unheil, das Werk aber folge uns nach und klage einst seinen Urheber an. Unser Leib sei ein Ebenbild des Schöpfers. Der Satan wolle es aber in uns zerstören. Das Überflüssige bringe Sünde und Krankheit hervor, werde Missgestalt und Gräuel. Er ermahnte zur Keuschheit, Mäßigkeit und Gebet, Enthaltung. Gebet und Zucht habe die heiligen Männer und die Propheten hervorgebracht. Jesus erklärte dies alles durch Vergleiche mit dem Säen des Getreides und dem Reinigen des Ackers von Unkraut und Steinen, mit dem Ruhen des Ackers in Frieden, mit dem Segen Gottes auf einen Acker, der rechtmäßig erworben sei. Auch gebrauchte Er den Vergleich des Ehestandes mit dem Bauen des Weins und dem Beschneiden der Reben. Er sprach von edlen Reben, von frommen Familien, von gebesserten Weinbergen und veredelten bekehrten Geschlechtern. Er sprach vom Stammvater Abraham, seiner Heiligkeit und von dem Bunde der Beschneidung, und wie seine Nachkommen wieder verwildert seien durch ihre Ausgelassenheit und häufige Verbindung mit den Heiden. Er sprach vom Herrn des Weinbergs, der seinen Sohn sende, und wie es diesem gehen werde.

Die Leute waren sehr bewegt, viele weinten und waren angetrieben zur Besserung. Diese Lehre tat Jesus hauptsächlich, weil sie nie von solchen Geheimnissen unterrichtet wurden und sehr zügellos lebten.

Er lehrte auch über die wesentliche Wirkung des guten Willens in Gebet und Entsagung über die Mitwirkung. Er sagte, was sie sich abbrechen an Speise und Trank und überflüssigem Wohlstand, sollten sie vertrauensvoll in die Hände Gottes geben mit der Bitte, Er möge es den armen Hirten in der Wüste oder andern Armen zukommen lassen. Der Vater im Himmel werde als ein treuer Haushalter ihr Gebet erhören, wenn sie selbst als treue Knechte das, was Er ihnen im Überfluss gegeben, den Armen mitteilen, die ihnen bekannt seien oder die sie liebend aufsuchen. Dieses sei das treue Mitwirken und Gott arbeite mit seinen treuen, glaubenden Knechten. Er führte dabei das Gleichnis von einem Baum an, der dem andern Gedeihen zuführe wie durch Liebe und Sehnsucht, ohne ihn zu berühren.

Von Lekkum ging Jesus über den Jordan nach Bethsaida-Julias, wo Er auch lehrte.

Auch hier wurde das Fest der Rückkehrenden gefeiert. Ich sah Jesus mit den Jüngern, einigen Pharisäern und Schriftgelehrten und andern Vornehmen von Julias wandeln und lehren. Hier erzählten sie Ihm von der Ermordung der Galiläer im Tempel. Ich hörte dabei, dass an hundert Leute aus Jerusalem und hundertfünfzig von den aufrührerischen Anhängern des Judas Gaulonita ermordet worden seien, denn diese hatten aus Furcht viele Leute beredet, mit ihnen zu gehen und das Opfer darzubringen. Diese Leute hatten sich den Aufrührern zugesellt, obwohl sie deren unrechte Gesinnung, dem Kaiser den Zins zu verweigern, kannten und waren mit ihnen nun auch erschlagen worden.

Die Gegend um Julias ist ungemein reizend, fruchtbar, einsam und grün, voll weidender Esel und Kamele und ein Aufenthalt von allerhand Vögeln und Tieren, wie ein Tiergarten. Es sind hier sich am Hafen hinschlängelnde Fußpfade und mehrere Quellen. Man hat die Mittagssonne und sieht den ganzen Spiegel des Sees blitzen. Die Landstraße nach Julias geht dichter am Jordan. Hier ist es einsam. Sie fuhren über den Jordan und gingen nach Bethsaida und Kapharnaum, wo Jesus am Sabbat in der Synagoge lehrte. Es wurden die Schriftrollen vom jährlichen Versöhnungsopfer aus Moses gelesen und dass man vor der Stiftshütte opfern solle, dass man kein Blut essen dürfe und von den verbotenen Verwandtschaften in der Ehe. Auch wurde aus Ezechiel gelesen von den Sünden der Stadt Jerusalem (Lev Kap, 16-19; Ez 22).

Jesus wurde mit den Jüngern zu einem Mahl nicht weit von der Wohnung des Hauptmannes Cornelius von einem Pharisäer geladen. Es war ein Wassersüchtiger daselbst, der um Hilfe bat. Da fragte Jesus die Pharisäer, ob es erlaubt sei, am Sabbat zu heilen. Da sie schwiegen, legte Er die Hand auf den Kranken und heilte ihn. Als dieser dankend weggegangen, sagte Jesus zu den Pharisäern, wie gewöhnlich bei solcher Gelegenheit, keiner von ihnen werde seinen Ochsen oder Esel, der ihm am Sabbat in die Wassergrube gefallen sei, nicht wieder herausziehen. Sie ärgerten sich und wussten Ihm nicht zu antworten.

Der Pharisäer hatte nur seine Verwandten und Freunde geladen und da Jesus sah, dass diese Pharisäer die besten Plätze am Tisch einnahmen, sprach Er: Wenn man eingeladen sei, solle man sich nicht gleich oben ansetzen, denn es könne ein Vornehmerer auch eingeladen sein und der Wirt einen zwingen, vor diesem zu weichen, das beschäme dann. Wenn man sich aber unten ansetze, so spreche wohl der Wirt: «Freund, rücke weiter herauf!» und das bringe dann Ehre. Denn sich zu erhöhen, das erniedrige, wer sich aber demütige, der werde erhöht. Und zu dem Wirt sagte Jesus, wer seine Verwandten, Freunde und reiche Nachbarn zu Gast bitte, die ihn wieder einladen, der habe seinen Lohn schon erhalten. Wer aber Arme, Lahme, Blinde und sonst gebrechliche Menschen einlade, die es ihm nicht vergelten könnten, der werde selig seinen Lohn bei der Auferstehung empfangen. Als einer der Gäste erwiderte: «Ja selig! Wer im Reiche Gottes mitspeist», wandte sich Jesus zu ihm und erzählte die Parabel vom großen Gastmahl.

Jesus hatte durch die Jünger viele Arme zum Haus rufen lassen und fragte die Pharisäer, ob sie die Mahlzeit für Ihn bestellt hätten und da sie es bejahten, dankte Er und ließ nach der Sättigung alles Übrige den Armen austeilen.

Hierauf zog Er mit den Jüngern über das Gut des Hauptmanns Serobabel in eine schöne, einsame Gegend zwischen Tiberias und Magdalum. Da Ihm viele Leute nachzogen, lehrte Er von der Nachfolge. Wer Ihm nachfolgen und sein Jünger sein wolle, müsse Ihn mehr lieben als alle seine nächsten Verwandten, ja als sich selbst und müsse Ihm sein Kreuz nachtragen. Wer einen Turm bauen wolle, müsse erst die Kosten überschlagen, sonst könne er nicht vollenden und werde verlacht. Wer in den Krieg ziehe, solle vorerst seine Armee gegen die des Feindes zählen, und, so sie nicht ausreiche, lieber um Frieden bitten. Um sein Jünger zu werden, müsse man allem entsagen.

7. Jesus lehrt auf dem Berg bei Gabara

Jesus wanderte lehrend durch die Landschaft Genesareth und sandte eine große Anzahl der älteren Jünger aus, um das Volk zu einer Lehre von mehreren Tagen auf den Berg über Gabara einzuladen, welche Er am Mittwoch daselbst beginnen wollte. Ich hörte die Bestimmung dieses Tages auf eine andere Art, aber ich wusste, dass der künftige Mittwoch gemeint war.

Viele Jünger fuhren über den See zu den Gergesenern, nach Dalmanutha und in die Dekapolis. Sie sollten alles einladen. Er werde nicht mehr lange bei ihnen sein. Sie sollten so viele mitbringen, als kommen könnten. Es gingen an vierzig Jünger hinaus. Die zuletzt zurückgekehrten Jünger, behielt Er bei sich und fuhr fort, sie zu lehren. Auch die Apostel blieben bei Ihm. Er wandelte mit ihnen nach Tarichäa am Südende des Sees. Man konnte am Seeufer nicht bis Tarichäa gehen, denn zwei Stunden vor Tarichäa sind Felsenufer bis an den See. Jesus ging westlich um Tarichäa herum über eine Brücke nach einer Art Vorstadt, welche auf dem Steindamm lag, der sich von Tarichäa bis zum Ausfluss des Jordan aus dem See erstreckte. An der Brücke lagen zwei Reihen von Häusern. Ehe Jesus dahin kam, musste Er bei dem Haus der Aussätzigen vorbei, wo Er voriges Jahr mehrere geheilt hatte. Diese Leute hatten seine Nähe vernommen, kamen, Ihm zu danken, und andere Aussätzige, die seitdem in das Haus gekommen, schrieen um Hilfe, und Er heilte sie. Auch in der Vorstadt brachte man Ihm viele Kranke, die von Dalmanutha auf Schiffen herübergefahren waren, denen Er half. Jener Damm ist durch das Erdbeben bei Jesu Tod eingesunken mit dem größten Teil der Vorstadt, die verlassen und nicht mehr erneuert wurde, da der See vieles von seinem Ufer veränderte. Tiberias war jetzt erst wie eine halbe Stadt, der Bauplatz an einer Seite noch ganz offen.

Von allen Seiten zogen große Volksscharen zum Berg von Gabara und viele Schiffe voll Menschen kamen über den See. Sie hatten Zelte und Vorrat bei sich, auch Kranke, welche in Körben auf Eseln getragen wurden. Die Jünger ordneten die Scharen und halfen in allem.

Als Jesus mit den Aposteln auf dem Weg nach Gabara war, kamen Pharisäer und fragten, was das große Gelaufe und die ziehende Volksmenge zum Berg bedeute. Es sei das ganze Land in Aufruhr! Jesus antwortete, sie möchten hinkommen und seine Lehre morgen hören. Er habe das Volk eingeladen, denn Er werde nicht mehr lange bei ihnen sein.

Die heiligen Frauen kamen zur Herberge am Fuß des Berges, um für die Nahrung der Jünger zu sorgen.

Es war morgens gegen zehn Uhr, als Jesus auf den Lehrberg kam. Die Jünger hatten die Leute geordnet und bestimmt, wie sie nach und nach in gewisser Anzahl vortreten sollten, die Lehre anzuhören, denn es waren weit mehr, als der Umkreis des Lehrstuhls fassen konnte. Die Leute lagen unter Zelten, jede Landsmannschaft beieinander. Es hatte jede Gegend ihr Lager mit einem Fruchtbogen aus Früchten ihrer Gegend geschmückt, durch den man zu ihnen einging und in welchem oben ein Kranz der ausgezeichnetsten Früchte ihrer Gegend hing. Die einen hatten Weinreben und Getreide, die andern Baumwolle, Zuckerrohr, Würzkräuter, allerlei Früchte und Beeren. Es war jedes Zeichen mit Blumen geschmückt und zierlich geordnet und es gewährte einen sehr angenehmen Eindruck. Eine Menge Vögel, Tauben und Wachteln hatten sich in dem Lager eingestellt, um die zerstreuten Brosamen aufzulesen und sie waren so zutraulich, dass die Leute sie aus den Händen fütterten. Auch viele Pharisäer, Sadduzäer und Herodianer, Schriftgelehrte und Ortsvorstände hatten sich eingefunden und den nähern Platz um den Lehrstuhl Jesu eingenommen. Sie hatten sich bessere Sitze bereitet, eine Art von Stühlen, welche sie sich hatten heranbringen lassen.

Jesus versammelte seine Jünger dicht um Sich und die Pharisäer ärgerten sich, dass diese vor ihnen standen. Zuerst betete Er und forderte das Volk zur Ordnung und zur Aufmerksamkeit auf, Er wolle sie das lehren, was sie nicht gelehrt worden von andern und was doch zu ihrem Heil notwendig sei. Was sie aber jetzt nicht fassen könnten, das werden seine Jünger ihnen nochmals sagen und näher erklären, welche Er ihnen senden wolle, denn Er werde nicht mehr lange unter ihnen verweilen. Danach warnte Er laut und öffentlich die um Ihn versammelten Jünger vor den Pharisäern und falschen Propheten und lehrte das Volk vom Gebet und von der Nächstenliebe. Die Jünger führten das Volk abwechselnd ab und hinzu. Die Pharisäer und andere Gelehrte fielen Jesus oft in die Rede mit allerlei Widerspruch. Er aber achtete nicht darauf, lehrte sehr streng gegen sie und warnte das Volk, so dass sie sich sehr ärgerten. Er heilte heute nicht, befahl aber, dass die müden Kranken auf ihren Betten unter offenen Zelten abwechselnd in die Nähe gebracht würden, um seine Lehren anzuhören und ließ den Kranken sagen, sich bis zum Schluss seiner Lehre zu gedulden. Er lehrte ununterbrochen bis zum Abend. Die Leute nahmen abwechselnd Speise. Ich habe Jesus nicht essen sehen. Er lehrte so lange die große Volksmenge, dass am Abend seine Stimme ganz schwach und fein war, da Er sich hinab in die Ebene zur Herberge begab. Sie gehörte sonst zu Magdalenas Besitz in Magdalum und wurde für die Gemeinde beim Verkauf des Gutes zurückbehalten.

Lazarus und Martha, Dina und die Suphanitin, Maroni von Naim und Jesu Mutter und die andern galiläischen Frauen waren hier angekommen mit vielem Vorrat von Speise und Stoffen zu Kleidern und auch mit fertigen Kleidern. Sie hatten ein einfaches Mahl bereitet für Jesus und die Jünger und der Überrest war den Bedürftigen gegeben.

Am folgenden Tag setzte Jesus die Lehre auf dem Berg fort und sprach wieder vom Gebet, von der Nächstenliebe, der Wachsamkeit im Guten, vom Vertrauen auf Gottes Güte und ermahnte die Leute, sich nicht von den Bedrückern und Verleumdern irre machen zu lassen.

Die Pharisäer waren heute noch unruhiger und hatten sich in größerer Anzahl als gestern eingefunden, um mit Jesus zu disputieren. Sie nannten Ihn einen Aufwiegler und Unruhestifter. Er treibe die Menschen aus ihrer Arbeit, dass sie im Land herum Ihm nachzögen. Sie hätten ihren Sabbat, ihre Festtage und ihre Lehre. Es brauche seine Neuerungen nicht. Sie machten Ihm und seinen Jüngern alle alten tausendmal beantworteten Vorwürfe und drohten Ihm zuletzt mit Herodes. Sie wollten diesem sein Treiben und Lehren klagen. Er habe bereits ein Auge auf Ihn und werde seinem Treiben ein Ende machen. Jesus antwortete streng und sagte, Er werde unbekümmert um Herodes lehren und heilen, bis seine Sendung vollendet sei. Die Pharisäer waren aber so frech und ungestüm, dass das Volk sich herandrängte und die Leute sich stießen und traten, so dass die Pharisäer mit großem Unwillen sich endlich wegbegaben.

Jesus lehrte aber auf eine sehr rührende und bewegliche Weise fort. Da viele von den Leuten, welche auf dem Rückweg von Jerusalem begriffen waren und auch andere ihre Speise aufgezehrt hatten, ließ Jesus durch die älteren Jünger Brote, Honig und Fische unter sie verteilen, welche von der Herberge in vielen Körbchen heraufgebracht worden waren. Die Frauen hatten für den Vorrat gesorgt. Es wurden auch Kleider, Stücke Tuch, Decken, Sohlen und kleine Röckchen für Kinder unter die Bedürftigen ausgeteilt. Alles hatten die Frauen in großem Überfluss herangeschafft. Sie teilten an die Frauen, die Jünger an die Männer aus.

Jesus lehrte währenddessen die neuangekommenen Jünger und die Frauen kehrten zur Herberge zurück, das Mahl für alle zu bereiten. Dem Volk verhieß Er, seine Jünger zu senden, welche sie weiter trösten sollten, denn Er werde sich eine Weile entfernen. Dann segnete und entließ Er das Volk und sagte, dass Er morgen früh den Kranken helfen wolle. Er blieb noch lange mit den Jüngern allein und sprach über das Wesen der Pharisäer und wie sie sich künftig benehmen sollten. Spät kam Er mit ihnen zur Herberge, wo ein Mahl für alle bereitet war.

Hier sprach auch Lazarus von der Ermordung der Galiläer am Tempel, wovon unter dem Volk und den Jüngern viel die Rede gewesen war und erzählte, dass die verwandten Frauen von Hebron und einige von Jerusalem nach Machärus gereist seien, um das Haupt des Johannes des Täufers zu erhalten, da jetzt dort aufgeräumt und an der Festung gebaut werde. Er selbst hatte manche Einleitung dazu getroffen.

Am frühen Morgen des dritten Tages kehrten Lazarus und die heiligen Frauen nach Hause. Jesus aber ging mit den Aposteln zu den Kranken, deren Hütten und Zelte teils in die Nähe der Herberge gebracht waren, teils noch in den Lagern des Volkes am Fuß des Lehrberges sich befanden. Jesus und die Apostel heilten alle Anwesenden und gingen nicht eher von dort weg, bis alle Kranken wieder auf den Beinen waren. Die Jünger teilten noch den Rest der Nahrungsmittel und Kleider und Sachen unter sie aus. Die Genesenen und ihre Freunde erfüllten die Luft mit Dankpsalmen. Alle machten sich auf den Weg, um vor dem Sabbat noch ihre Wohnorte zu erreichen.

Jesus aber zog nach Garisima, etwa eine Stunde nördlich von Sephoris auf der Höhe am Ende des Tales gelegen. Er sandte Jünger voraus, die Herberge zu bestellen und ging der Kranken wegen auf einem Umweg dahin. Ich sah Ihn und seine Schar in dem kleinen Ort Kapharoth bei Jotopata eine Weile einkehren. Die Straße von Kapharnaum nach Jerusalem führte hier durch. Hier in der Gegend war Saul kurz vor dem Besuch bei der Hexe von Endor und der unglücklichen Schlacht herumgestreift. Von Kapharoth bis Garisima waren es etwa fünf Stunden. Dieser Ort lag in Weingärten, hatte die Morgen- und etwas Mittagssonne, von Abend und Norden aber Schatten.

Die vorausgesandten Jünger kamen Jesus eine Strecke Wegs entgegen. Er hatte seine Herberge vor dem Ort. Sie wuschen sich die Füße und nahmen den Imbiss. Jesus lehrte dann in der Synagoge aus dem Levitenbuch und aus Ezechiel. Er hatte keinen Widerspruch. Alle erstaunten sich über seine Kenntnis des Gesetzes und seine wunderbare Auslegung. Nach der Lehre hatte Er eine Mahlzeit mit den Seinen allein in der Herberge. Es waren einige Verwandte aus der Gegend von Sephoris hier, die mitaßen. Auch hier sprach Er von seinem nahen Ende.

Es kamen zum Sabbat hier gegen hundert Jünger, die Apostel mit eingeschlossen, um Jesus zusammen. Auch die beiden Söhne des in Dabrath getauften Cyrinus aus Zypern und andere zyprische Juden waren hier. Es lag eine große Schar derselben, von Jerusalem vom Osterfest nach Zypern zurückkehrend, hier und hörte seine Lehre am Sabbat mit Bewunderung. Man sehnt sich sehr in Zypern nach Jesus, wo viele Juden und zwar sehr verlassen sind.

Jesus lehrte in Garisima auch auf einem Hügel die Jünger. Weil so viele anwesend waren, die bisher nur zu Botendiensten zwischen den zerstreuten Jüngern und Freunden Jesu gedient und andere, welche meist noch zu Hause gelebt hatten und vieles von der Lehre, der Art ihrer Verbreitung, von der Anwendung und Auslegung der Parabeln nicht gehört hatten, lehrte Jesus fortwährend, erklärte den Jüngern alles ganz einfach und kindlich und ging alles, was Er bis jetzt gelehrt wie in einem Auszug durch. Er zog mit allen vier bis sechs Stunden nordwestlich von Garisima ins Gebirge, in eine sehr einsame Gegend, wo sie über Nacht blieben. Es waren Herden von Eseln, Kamelen und Schafen abseits in den Tälern an der Abendseite des großen Gebirgszuges, der mitten durch das Land sich erstreckt. Die Täler laufen hier zickzack, wie das Kraut der Wolfsklaue. In dieser Wildnis waren viele Palmbäume, auch eine Art Bäume mit bis an die Erde niedergesenkten und verflochtenen Ästen, unter welche man sich wie in eine Hütte verkriechen konnte. Darunter hielten sich die Hirten der Gegend auf. Jesus und die Jünger brachten die größte Zeit im Gebet und mit Unterweisung zu. Er befahl ihnen vieles, was Er bei früheren Sendungen schon gesagt hatte. Besonders fiel mir auf, dass sie keine Tasche haben sollten. Sie mussten sie dem Vorsteher abgeben. Je zehn hatten immer einen Vorgesetzten. Er sagte ihnen, wie sie die Orte kennen sollten, wo sie Gutes wirken würden, wie sie die Schuhe vor den übelgesinnten Orten ausschütteln und wie sie sich verantworten sollten, wenn man sie anhalte. Sie sollten unbekümmert sein, was zu antworten, es werde ihnen in den Mund gelegt werden. Sie sollten sich nicht fürchten, ihr Leben werde nicht in Gefahr kommen.

Ich sah hie und da in der Gegend Männer mit langen Stäben und eisernen Hacken. Sie waren Wächter gegen wilde Tiere, die vom Meeresufer heraufkamen und die Herden anfielen.

Ganz früh am Morgen darauf sandte Jesus die Jünger und Apostel aus. Er legte den Aposteln und ersten Jüngern die Hände auf. Die übrigen aber segnete Er nur, Er füllte sie dadurch mit neuer Kraft und Stärke. Es war dieses noch keine Priesterweihe, sondern nur eine Füllung und Stärkung. Er sagte ihnen nochmals mehreres vom Gehorsam unter den Vorgesetzten.

Petrus und Johannes blieben nicht mit Jesus, sondern zogen südlich, Petrus zur Gegend von Joppe und Johannes mehr östlich nach Judäa. Einige zogen nach Obergaliläa, andere in die Dekapolis. Thomas erhielt seine Sendung zum Gebiet der Gergesener, wohin er auf einem Umweg mit einer Schar Jünger zur Stadt Asach zog. Diese Stadt lag auf einer Höhe zwischen zwei Tälern ungefähr neun Stunden von Sephoris und vom Weg höchstens eine Stunde zur Linken. Es waren viele Juden in der Stadt, die den Leviten gehörte.

Jesus zog in nordwestlicher Richtung mit fünf Aposteln, deren jeder zehn Jünger unter sich hatte. Ich erinnere mich, den Judas, Jakobus den Kleineren, Thaddäus, Saturnin, Nathanael, , Barnabas, Asor, Mnason und die zyprischen Jünglinge dabei gesehen zu haben. Sie gingen am ersten Tag wohl sechs bis acht Stunden. Es lagen mehrere Städte zur Linken und Rechten des Weges und es trennten sich einzelne des Zuges, nach diesen hinwandelnd. Jesus ließ Tyrus zu seiner Linken unten am Meeresufer liegen. Er hatte den Aposteln und Jüngern einen Ort bestimmt, wo Er etwa nach dreißig Tagen wieder mit ihnen zusammentreffen wollte. Er übernachtete mit seinen Begleitern abermals unter Baumlauben, wie in der vorigen Nacht.

8. Jesus zieht in die Gegend von Ornithopolis und schifft nach Zypern über

Ich sah Jesus mit seinen Begleitern, Jüngern und andern Leuten, wohl an fünfzig Mann, in einer hohlen Bergschlucht weiterwandern. Es war ein wunderlicher Berg. An den beiden Seiten der Bergwände waren eine Stunde lang Wohnungen und Vorbauten von leichten Sparren, in die man hineinschauen konnte und wo die Leute wie in Höhlen wohnten. Oft waren Dächer von Schilf und Moos oder Rasen darüber. Hie und da waren wie Befestigungen, dass der Berg den Weg nicht verschüttete. Es wohnten hier arme verworfene Heiden, um den Weg zu hüten und die Gegend von hässlichen Tieren zu reinigen. Diese Leute kamen zu Jesus und baten um Hilfe gegen die Tiere. Es waren lange breitfüssige, fleckige Tiere, wie große Eidechsen. Jesus segnete die Gegend und befahl den Tieren, in einen schwarzen Sumpf in der Nähe zu ziehen. An den Wegen wuchsen wilde Orangenbäume und es war etwa vier Stunden nach Tyrus.

Jesus verteilte hier seine Begleitung und, immer abwärts wandelnd in dieser Schlucht, lehrte Er hie und da vor den Höhlen die Einwohner. Der Weg führte hinab an den klaren und ziemlich starken Fluss Leontes, der in einem tiefen Bett ein paar Stunden nördlich von Tyrus ins Meer fließt. Eine hohe Steinbrücke führte über diesen Fluss nach einer großen Herberge, wo die Jünger wieder mit Jesus zusammentrafen.

Von hier aus sandte Jesus mehrere seiner Begleiter in die Städte des Landes Chabul und den Judas Ischariot mit einigen Jüngern nach Kana bei Sidon. Die Jünger hatten, was sie bei sich hatten, dem Apostel, der ihnen vorstand, zu übergeben. Dem Judas allein gab Jesus eine Summe für sich. Er kannte seinen Geldgeiz und wollte ihn nicht in der Versuchung wissen, das Geld der andern anzugreifen, denn Er hatte seinen Kummer um das Geld wohl bemerkt, obschon Judas prahlte, wie mäßig er sei, wie streng er das Gebot der Armut halten wolle. Da er nun das Geld empfing, fragte er Jesus, wie viel er täglich davon anwenden dürfe. Und Jesus antwortete ihm, wer sich so streng gemäßigt fühle, der bedürfe kein Maß noch Gebot, der trage sein Gesetz in sich.

In der Herberge erwarteten Jesus wohl an hundert Personen von jenem Judenstamm, welchen Er in Ornithopolis und bei Sarepta schon getröstet hatte. Sie waren Ihm teils entgegengekommen, teils wohnten sie hier, wo sie eine Synagoge hatten. Sie empfingen Jesus und die Seinen mit großer Demut und Freude und wuschen ihnen die Füße. Sie waren in ihren Feierkleidern ganz altväterisch gekleidet, trugen lange Bärte und hatten zottige Manipeln an den Armen hängen. Sie hatten mancherlei eigene Gebräuche und etwas Absonderliches, wie die Essener, in ihrem Wesen. Auch die Heiden waren hier sehr ehrerbietig gegen Jesus und achteten auch die Juden, was überhaupt in diesem ganzen Landstrich mehr der Fall war als in der Dekapolis. Diese Juden hier stammen von einem Nebensohn des Patriarchen Juda, welcher von seinen Brüdern Her und Onan verfolgt hierher geflohen war und sich angesiedelt hatte. Seine Familie hatte sich mit den hier wohnenden Heiden verbunden und war nicht mit nach Ägypten gezogen und verwilderte gänzlich.

Die Heiden hier, mit denen seine Familie sich verband, hatten schon, als Jakob nach dem Fall der Dina auf dem Erbteil Josephs bei Samaria wohnte, ein großes Verlangen getragen, Ehen mit Jakobs Söhnen oder doch mit seinen Knechten und Mägden einzugehen. Sie zogen über die Berge zu ihm hin, verlangten demütig, mit seinen Angehörigen sich zu verehelichen und erboten sich gerne, die Beschneidung anzunehmen. Jakob aber wies sie auf alle Weise zurück. Als nun dieser vertriebene Nebensohn des Juda mit seiner Familie zu ihnen kam, wurde er sehr liebevoll von den Heiden aufgenommen und seine Kinder verbanden sich mit ihnen. Wie wunderbar erscheint die Fügung Gottes, dass die rohe Begierde der Heiden nach Verbindung mit dem heiligen Stamm, auf dem die Verheißung ruhte, nicht ganz verworfen wurde und dass durch spätere Schicksale ein vertriebener Nebenspross dieses Stammes sie veredeln musste!

Trotz der großen Verwilderung durch diese gemischten Ehen hatte sich doch eine Familie unter ihnen rein erhalten und war zuerst durch Elias, der viel hier in der Gegend lebte, im Gesetz unterrichtet. Salomo hatte sich schon viel Mühe gegeben, sie wieder mit den Juden zu vereinigen, aber es war ihm nicht gelungen. Jetzt waren etwa hundert fromme Leute von reiner Abkunft aus Juda unter ihnen. Elias hatte diesen abgeirrten Stamm wieder mit Israel vereinigt und in der Zeit von Joachim und Anna kamen Lehrer aus der Gegend von Hebron dahin, um sie in der Ordnung zu erhalten. Die Familien derselben lebten jetzt noch unter ihnen und durch sie schloss sich die Syrophönizierin mit ihren Leuten an die Juden an. Sie lebten sehr demütig und achteten sich nicht würdig, den Boden des Gelobten Landes zu betreten. Der Zyprier Cyrinus hatte in Dabrath mit Jesus von ihnen gesprochen und Jesus nahm von dieser Erzählung die äußere Veranlassung, viel und vertraut mit ihnen zu reden.

Er lehrte zuerst vor der Herberge die unter offenen Lauben oder Schuppen umherstehenden Leute. Die Herberge hier gehörte den Juden oder war von ihnen gemietet. Danach lehrte Jesus in der Synagoge, wo viele Heiden von außen zuhörten. Die Synagoge war hoch und schön und man konnte oben auf ihr herumgehen und hatte eine sehr weite Aussicht.

Am Abend gaben die Juden Jesus eine festliche Mahlzeit in der Herberge, bei welcher sie alles aufwandten, Ihm ihren großen Dank zu bezeigen, dass Er nicht verschmäht habe, auch zu ihnen, den verlorenen Schafen aus Israel, zu kommen und ihnen das Heil zu verkünden. Sie hatten ihre Stammregister in guter Ordnung, legten sie Jesus vor und waren tief gerührt, mit Ihm aus einem Stamm hervorgegangen zu sein. Es war eine fröhliche Mahlzeit. Alle waren zugegen. Sie sprachen viel von den Propheten, besonders mit großer Liebe von Elias und seinen Prophezeiungen vom Messias, ebenso von Malachias und dass jetzt die Zeit der Erfüllung sein müsse. Jesus legte ihnen alles aus und versprach ihnen, sie von hier nach Judäa zu führen. Er siedelte sie später an der mittäglichen Grenze von Judäa zwischen Hebron und Gaza an.

Es trug hier Jesus ein langes weißes Reisekleid. Er und seine Begleiter waren gegürtet und geschürzt, wenn sie wandelten. Bündel hatten sie nicht. Ihre Bedürfnisse trugen sie unter dem Kleid unter dem Gürtel rund um den Leib. Einige hatten Stäbe, eine Kopfbedeckung sah ich nie bei Jesus, nur manchmal eine Bahn Zeug, die sonst um den Hals lag, übers Haupt gezogen.

Es gab hier eine hässliche Art von fleckigen Tieren mit häutigen Flügeln, die sehr schnell flogen. Sie waren wie ungeheure Fledermäuse und sogen Leuten und Vieh im Schlaf das Blut aus. Sie kamen aus den Sümpfen am Meeresufer herauf und taten vielen Schaden. In Ägypten sind ihrer auch viele gewesen. Es waren keine eigentlichen Drachen, auch nicht so gräulich. Die Drachen waren nicht so häufig und lagen sehr einsam in ganz wüsten Gegenden. Man sammelte hier Früchte wie Nüsse, auch Früchte wie Kastanien und in Trauben hängende Beeren.

Von der Herberge ging Jesus zum drei Stunden von Tyrus entfernten Hafenort. Am Hafen erstreckt sich eine Gebirgszunge weit wie eine Insel in die See, worauf die heidnische Stadt Ornithopolis liegt. Die wenigen, aber frommen Juden daselbst scheinen von den Heiden zu leben. Ich sah wohl an dreißig Götzentempel dort und umher. Manchmal scheint mir, als gehöre der Hafenort zu Ornithopolis. Die Syrophönizierin hat noch so viele Gebäude, Webereien, Färbereien und Schiffe dort, dass ich meine, der Ort sei ihrem verstorbenen Mann oder dessen Voreltern untertan gewesen. Sie wohnt nicht in Ornithopolis selbst, sondern in einer Art Vorburg. Hinter Ornithopolis liegt ein hohes Gebirge und dahinter liegt Sidon. Es ist noch ein Flüsschen zwischen Ornithopolis und dem Hafen. Die Ufer zwischen Tyrus und Sidon sind außer dem Hafen wenig zugänglich und rau und wild. Der Hafen ist der größte zwischen Sidon und Tyrus. Die vielen Schiffe in demselben machen selbst eine kleine Stadt aus.

Das Gut der Syrophönizierin sieht mit den vielen Gebäuden, Höfen und Gärten aus, wie ein großes Besitztum mit Fabriken und Pflanzungen, worauf viele Arbeiter- und Sklavenfamilien leben. Es ist aber alles etwas in Stillstand geraten und wird nicht mehr recht tätig betrieben. Die Frau will sich von allem losmachen, und dass ihre Leute einen Herrn unter sich wählen.

Ornithopolis liegt etwa drei Stunden von dem Flussübergangs-Örtchen, wo Jesus heute übernachtete, der Ort der armen Juden aber ein und eine halbe Stunde. Wenn Jesus gerade über diesen Ort zum Hafen geht, lässt Er Ornithopolis links liegen. Der Judenort liegt gegen Sarepta, welches die Morgensonne hat, denn von dieser Seite steigt das Gebirge sachte an. Von Mitternacht aber ist es ganz schattig. Die Lage ist sehr gut,

Zwischen Ornithopolis, dem Judenort und dem Hafen liegen so viele einzelne Gebäude und Ansiedlungen, dass man von oben niedersehend meinen könnte, es hätte einst alles zusammengehört. Mit Jesus waren nur noch Jakobus der Jüngere, Barnabas, Mnason, Azor, die zwei Söhne des Cyrinus und noch ein zyprischer Jüngling, den sie Jesus zugeführt hatten. Alle andern Apostel und Jünger hatten sich bereits verteilt. Judas, der mit seiner Schar nach Groß-Kana ging, war der letzte gewesen.

Jesus ging mit seinen Begleitern zum Wohnort der Syrophönizierin, welche Ihn durch ihren geheilten Verwandten zur Mahlzeit hatte bitten lassen. Es waren viele Menschen versammelt, auch Arme und Krüppel, deren Jesus viele heilte. Der Wohnort der Syrophönizierin mit seinen Gärten, Höfen und allerlei Gebäuden war wohl so groß wie Dülmen. Auf vielen Gebäuden mit Galerien, auf denen man gehen konnte, waren Stoffe von gelber, violetter, roter und himmelblauer Farbe ausgespannt. Gelb wird mit einer Pflanze gefärbt, die dort in der Nähe gebaut wird. Zur roten und violetten Farbe brauchen sie Schnecken aus dem Meer. Ich sah dort große Räume, wo sie gefangen oder gezogen werden. Es waren Orte voll von einem Schleim, wie Froschlaich. Auch wurde in der Nähe die Baumwollstaude gebaut, welche aber hier nicht einheimisch ist. Es ist überhaupt hier nicht so fruchtbar wie im Gelobten Land und es steht manchmal Wasser hier herum.

Wenn man von hier aufs Meer sieht, meint man, es liege höher als die Gegend, so blau steigt es gegen den Himmel an. Am Meeresufer stehen hie und da sehr dicke schwarze, aber nicht sehr hohe Bäume, deren Äste sich weit ausbreiten und deren Wurzeln sich so weit und dicht ausdehnen, dass man Strecken weit darauf übers Wasser hinausgehen konnte. Diese schwarzen Stämme sind meistens hohl - es kann sich allerlei Ungeziefer darin aufhalten.

Jesus ward sehr feierlich empfangen und als Er zu Tisch lag, goss die Tochter der Witwe eine Flasche wohlriechender Salbe über sein Haupt. Die Mutter beschenkte Ihn mit Zeugen, Gürteln und dreieckigen Stücken Goldes, die Tochter mit Stücken, die zusammengekettet waren. Er verweilte jedoch nicht lange, sondern ging mit seinen Gefährten zum Hafenort, wo Er von den jüdischen Einwohnern und den nach Zypern zurückreisenden Ostergästen feierlich empfangen wurde. Er lehrte in der Synagoge. Sehr viele Heiden standen draußen umher und hörten zu.

Beim Sternenschein begleiteten Ihn alle an den Hafen und schifften sich ein. Es war eine helle Nacht. Die Sterne sehen dort größer aus. Es war eine kleine Flotte. Ein großes Lastschiff enthielt das Gepäck, Waren und Vieh, besonders viele Esel. Zehn Ruderschiffe mit Segeln trugen die zyprischen Ostergäste und Jesus mit den Seinen. Fünf dieser Ruderschiffe waren mit langen Stricken an den Seiten und vorne am Lastschiff befestigt und zogen es vorwärts. Die fünf übrigen segelten umher. Alle diese Schiffe hatten wie Petri Schiff auf dem galiläischen See um den Mast erhöhte Ruderbänke mit Ruhestellen darunter. Auf einem der angehängten Schiffe stand Jesus an dem Mast und segnete Land und Meer, da sie abfuhren. Viele Fische folgten dem Zuge, darunter ganz große mit wunderlichen Schnauzen. Sie spielten umher und streckten die Köpfe aus dem Wasser, als hörten sie zu, wenn Jesus während der Überfahrt lehrte.

Die Fahrt ging so ungewöhnlich schnell bei ganz ruhigem Meer und dem schönsten Wetter vor sich, dass die Schiffsleute, Juden und Heiden, ausriefen: «O welche glückliche Fahrt! Das kommt von Dir, o Prophet!» Jesus stand an dem Mast, gebot ihnen, zu schweigen und dem allmächtigen Gott allein die Ehre zu geben und sprach von dem Einen allmächtigen Gott und seinen Werken, von der Nichtigkeit der heidnischen Götter, von der Nähe der Zeit, ja von ihrer Gegenwart, wo das größte Heil auf der Erde sei und von der Berufung der Heiden. Die ganze Lehre war für die Heiden eingerichtet.

Die wenigen Frauen auf den Schiffen waren abgesondert. Vielen Leuten wurde während der Fahrt ganz schwindlig, sie lagen in den Ecken und mussten sich heftig erbrechen. Jesus heilte mehrere auf seinem Schiff. Dann meldeten sich bald viele von den andern Schiffen mit Rufen und Er heilte sie aus der Ferne.

Ich sah sie auch auf dem Schiff essen. Sie hatten Feuer in einem erzenen Gefäß und lange braune und hellere gerollte Streifen wie Leim, die in heißem Wasser zerschmolzen. Sie gaben die Speisen portionweise auf Schalen mit einem Rand und Stiel herum. Es waren mehrere Tellergruben in einer solchen Schale ausgehöhlt, worin verschiedenes lag, runde Kuchen und Kräuter, die Brühe wurde darüber gegossen.

Von hier nach Zypern sieht das Meer nicht so breit aus wie unten von Joppe aus - da sieht man nichts als Wasser.

Die Schiffe kamen gegen Abend im Hafen von Salamis an. Der sehr feste und mit hohen Mauern und Bollwerken eingefasste Hafen ist sehr weit und sicher, die beiden Ufer springen weit ins Meer vor. Die Stadt liegt wohl eine gute halbe Stunde ins Land. Das merkt man aber nicht, denn es ist alles bis dahin mit schönen Gärten und Bäumen besetzt. Es waren viele Schiffe da. Das Schiff, auf dem sie ankamen, konnte nicht dicht anlanden, denn das Ufer, wie ein fester hoher Wall, lief schräg ab. Das Schiff ging zu tief und konnte darum nicht heran. Sie warfen deshalb in einiger Entfernung Anker. Am Ufer waren kleine Schiffchen an Seilen zum Ufer gezogen worden. In dem Schiffchen, auf welchem Jesus und die Jünger ans Land fuhren, waren jüdische Männer, die Ihn begrüßten.

Am Ufer waren viele Juden aus der Stadt in einem festlichen Aufzug. Sie hatten das Schiff aus der Ferne kommen sehen. Es ist der Brauch, die vom Pascha kommenden Juden immer so zu empfangen. Es waren meistens alte Leute, Frauen, Jungfrauen und die Schulkinder mit ihren Lehrern. Sie hatten Pfeifen und trugen fliegende Wimpel, Kränze an Stangen und Zweige und sangen freudig.

Cyrinus, drei ältere Brüder des Barnabas und einige alte Juden in Feierkleidern empfingen Jesus und die Seinen und führten sie eine Strecke vom Hafen auf eine schöne grüne Terrasse. Da waren Teppiche ausgebreitet und Waschbecken mit Wasser aufgestellt und auf Tafeln standen Schalen mit Erfrischungen. Sie wuschen Jesus und den Seinen die Füße und labten sie.

Es wurde auch ein alter Mann, der Vater des Jonas, des neuen Jüngers, herbeigeführt. Er fiel seinem Sohn weinend um den Hals und dieser führte ihn zu Jesus, vor dem er sich beugte. Er hatte gar nicht gewusst, wo sein Sohn hingekommen war, denn jene, mit welchen er ausgezogen war, waren schon früher zurückgekommen. Es war überhaupt eine große Besorgnis unter allen Anwesenden um die Ankömmlinge. Viele drangen in die Menge und riefen: «Ist der, ist jener da?» Sie umarmten die Gefundenen und führten sie weg. Es war die Nachricht, vom Aufruhr und der Meuterei des Pilatus im Tempel mannigfach vergrößert, schon hierher gedrungen, und alle waren um die Ihrigen in Sorge.

Es war ein ungemein angenehmer Platz, wo Jesus empfangen wurde. Gegen Abend sah man auf die weite Stadt mit ihren vielen Kuppeln und hohen Gebäuden, die von der Sonne gerötet waren, welche groß und rot unterging. Gegen Morgen sah man übers Meer auf die hohen Gebirge von Syrien, die wie Wolken dalagen. Um Salamis ist eine weite Ebene, mit vielen hohen schönen Bäumen, Terrassen und Anlagen. Der Boden schien mir etwas fein, wie Staub oder Sand, aber Trinkwasser schien mir hier nicht häufig. Der Eingang in den Hafen ist nicht offen, er hat zwischen befestigten Inseln einen breiten und mehrere schmälere Eingänge. Die kleinen Inseln sind an den Ufern mit halbrunden, niederen, dicken Türmen besetzt. Diese haben oben Fenster, durch welche man alles beobachten kann. Das Quartier der Juden liegt im nördlichen Teil der Stadt. Als sie vom Hafen gegen die Stadt eine halbe Stunde gegangen waren, wandten sie sich nach rechts und gingen außerhalb der Stadt noch eine gute Strecke nördlich.

Als Jesus mit den Seinen ankam, waren die anderen Pascha-Juden schon auf einem terrassierten freien Platze versammelt. Ein Ältester und Synagogenvorsteher stand erhöht, damit er alle überschauen konnte. Es war mir, wie wenn man Soldaten verliest, ob alle da seien. Es wurde über alles Erkundigung eingezogen, ob keiner Schaden gelitten oder gegen andere Reisekameraden zu klagen habe und über das, was in Jerusalem vorgefallen. Jesus und die Seinen waren hier nicht mit dabei. Jesus wurde von vielen alten ehrwürdigen Juden feierlich begrüßt und hielt eine Ermahnung an das versammelte Volk von der Höhe herab an diesem Ort, worauf sie mit den Ihrigen nach ihren Wohnungen zogen.

Vor den zwei Straßen des jüdischen Stadtteils lagen die prächtige Synagoge, die Wohnungen der Ältesten und Rabbinen, die Schulen und in einiger Entfernung das Krankenhaus mit einem Wassergraben oder Teich. Der Weg zur Stadt war sehr fest mit feinem Sande bedeckt und von schönen Bäumen beschattet. Auch auf dem höchsten Punkt des jüdischen Versammlungsortes, war ein so stark und dicht gewachsener Baum, dass man in den Ästen sitzen konnte wie in einer Laube.

Jesus und die Seinigen wurden von den Vorstehern nahe bei der Synagoge in eine große Halle gebracht, wo sie übernachteten. Hier heilte Jesus noch einige Wassersüchtige, welche man in den Vorhof der Herberge auf Tragbetten gebracht hatte. Es war dieses Haus eine große Lehrhalle, in welcher man reisende Rabbinen beherbergte. Es war sehr schön heidnisch gebaut mit Säulen ringsum. Das Innere war ein großer Saal mit erhöhten Terrassen und Lehrstühlen an den Wänden. Es waren aber auf dem ebenen Grunde Lager an den Wänden aufgerollt und man konnte Zeltdächer, die darüber an den Wänden fest aufgeschürzt waren, niederlassen, so dass die Lager einzeln umzeltet waren. Man konnte von außen auf das platte Dach der Halle steigen, auf welchem mancherlei Pflanzen in Töpfen aufgestellt waren.

Der Vater des neuen Jüngers Jonas war auch mit hier, denn er war nicht aus der Stadt selbst. Cyrinus aber war mit seinen Söhnen nach Hause gegangen.

9. Jesus lehrt in Salamis

Am Morgen des folgenden Tages wurde Jesus von dem Ältesten, einem ehrwürdigen Greis, und den Lehrern zum Krankenhaus begleitet, das rund um einen Garten gebaut war. Mitten in dem Garten war der Wasserbehälter oder Teich für Bäder. Zum Trinken und Kochen aber wurde dessen Wasser in großen Gefäßen durch hineingeworfene Früchte erst gereinigt. Um den Teich waren Arzneikräuter angebaut. Der dritte Teil des Krankenhauses war mit weiblichen Kranken besetzt und durch geschlossene Tore von den anderen Räumen getrennt. Jesus heilte einige wassersüchtige und gichtkranke Männer, auch solche, die mit einem leichten Aussatz behaftet waren. Die Geheilten folgten Ihm an den freien Platz, wo sich die anderen Juden indessen versammelt hatten und wo Jesus zuerst vor den Männern von dem Sammeln des Manna in der Wüste lehrte und wie eben jetzt die Zeit des wahren himmlischen Manna der Lehre und Bekehrung gekommen sei und wie ihnen ein neues Himmelsbrot gegeben werden soll.

Nach der Lehre verließen die Männer den Platz, die Frauen nahmen ihn ein. Es kamen auch viele heidnische Frauen dazu, die abgesondert zurückstanden. Jesus lehrte allgemeiner vor den Frauen, weil Heidinnen darunter waren. Er sprach von dem Einen allmächtigen Gott, dem Vater und Schöpfer Himmels und der Erde, von der Torheit der Vielgötterei und von der Liebe Gottes zu den Menschen.

Danach ging Jesus mit den Seinen zu dem Haus des Ältesten zu einer Mahlzeit, wohin dieser mit mehreren Rabbinen Ihn geleitete. Es war dieses ein sehr großes Gebäude auf heidnische Art mit Vorhöfen, offenen Galerien und Terrassen. Hier war alles zu einem großen Fest bereitet. Es standen viele Tafeln unter den Säulengängen. Es waren Bogen gespannt und Kränze aufgehängt. Es schien ein Festmahl für Jesus und die vom Pascha zurückgekehrten Freunde überhaupt. Der Älteste führte Jesus in ein Seitengebäude, wo seine Frau mit andern Frauen war. Auch einige Lehrer kamen hierher. Nachdem die verschleierten Frauen Jesus mit tiefer Verbeugung gegrüßt und Er einige freundliche Worte gesprochen hatte, kam ein Zug mit Kränzen geschmückter Kinder, auf Flöten und andern Instrumenten spielend und holten Jesus zur Mahlzeit. Die Tafel war mit Blumenbüschen und Gefäßen geschmückt. Sie war etwas höher als in Judäa und sie lagen dichter und nicht so ausgestreckt zu Tisch. Man wusch sich die Hände. Unter vielen andern Speisen war ein Lamm, das Jesus zerlegte und auf runden Brotkuchen herumgab. Es war zuvor schon zerschnitten und nur wieder zusammengelegt.

Es kamen aber die musizierenden Kinder wieder und unter ihnen auch blinde Kinder und die sonst einen Mangel hatten. Es folgte ihnen eine Schar geschmückter Mägdlein von acht bis zehn Jahren, worunter Töchter oder Enkelinnen des Wirtes. Alle waren in feines weißes, etwas schimmernde Zeug gekleidet. Die Kleidung ist hier nicht so weit und hüllenartig wie in Judäa. Sie hatten die Haare in drei Teilen lang niederhängen. Unten waren sie eingefasst und endeten mit einer Locke oder einem Schmuck, an dem allerhand kleine Zierrate, Quästchen, Perlen oder rote Früchte hingen, damit die krausen, schwarzen und rotbraunen Haare nicht so aufquellen sollten. Mehrere dieser Mägdlein trugen eine große Krone, die von Kränzen und allerlei Zierwerk zusammengesetzt war. Sie war von festen Reifen gebildet, denn sie bog sich nicht zusammen. Von einem weiten Kreis stiegen Spangen aufwärts und schlossen sich an eine zweite Krone, aus der sich ein spielender Strauß oder ein Fähnlein erhob. Ich meine nicht, dass es lebendige Blumen waren, wenigstens zum Teil nicht, denn vieles daran schien mir Seide oder Wolle, auch Federn und mancherlei glänzendes Werk. Die Mägdlein stellten diese große Krone wie einen Thronhimmel auf ebenso geschmückten Säulen über dem Sitz Jesu auf, und andere brachten Gewürze und Wohlgerüche in kleinen Schalen und alabasternen Krüglein, die sie vor Ihm niedersetzten. Ein Kind des Hauses zerbrach eine solche kleine Flasche über seinem Haupt und fuhr mit einem Tuch über seine Haare. Dann gingen sie wieder von dort weg. Sie taten dieses ganz still, ohne zu sprechen und mit niedergeschlagenen Augen, ohne nach den Gästen zu schauen. Jesus ließ es still geschehen und dankte mit einigen freundlichen, ruhigen Worten, worauf die Kinder sich wieder, ohne aufzublicken, zum Frauengemach begaben. Die Frauen aßen auch zusammen.

Ich sah Jesus und die Seinen nicht lange zu Tisch liegen. Er sandte immer Speisen und Getränke zu den Tischen der Ärmeren durch seine Jünger, welche schier immer den andern dienten. Nachher ging auch Er von Tisch zu Tisch, teilte aus, lehrte und erzählte.

Nach der Mahlzeit gingen der Älteste und einige Lehrer mit Jesus und den Seinen hinaus zu den Wasserleitungen. Sie kamen von der Abendseite her. Die Stadt hat schlechtes Wasser. Es waren dieses erstaunliche Bauwerke, wie große Brücken, woran viele große Behälter wie Zisternen waren. Jeder Teil der Stadt hatte seine eigene Wasserstelle und Tröge. Bei einzelnen musste man pumpen, bei anderen Wasser einschöpfen. Die Behälter der Juden waren abgesondert. Sie zeigten Jesus ihre Wasserbehälter und klagten über den Mangel und die schlechte Beschaffenheit und wünschten, dass Er es ihnen verbessern möchte. Er sprach auch von einem neuanzulegenden Behälter, womit man beschäftigt war. Er wollte hier taufen lassen und sprach, wie er einzurichten sei.

Dann gingen sie zur Synagoge, da der Sabbat begann. Sie war außerordentlich groß und schön, mit vielen Lampen erleuchtet und voll von Menschen. Außen herum liefen Terrassen und Treppen hinauf, so dass man von oben hineinschauen und zuhören konnte. Alle Stellen hier oben waren von Heiden besetzt und selbst unten hatten sich viele hineingedrängt und standen friedlich unter den Juden.

Die Lehre war aus dem dritten Buch Moses von den Opfern und allerlei Gesetzen und aus Ezechiel. Anfangs lasen einzelne Lehrer und dann erklärte Jesus und lehrte so schön, dass alles ganz erschüttert war. Er sprach auch von seiner Sendung und deren baldiger Vollendung. Sie glaubten, Er sei ein Prophet. Aber sie meinten doch, Er müsse etwas mehr sein, Er müsse wenigstens der sein, welcher vor dem Messias hergehen solle. Jesus erklärte ihnen, dass dieser Vorläufer Johannes gewesen sei und sprach von allen Zeichen des Messias und woran sie ihn erkennen sollten, ohne ihnen jedoch bestimmt zu sagen, dass Er es Selbst sei. Aber sie verstanden Ihn und waren voll Ehrfurcht und frommer Scheu. Nachher war Er noch mit seinen Jüngern bei dem Ältesten, worauf sie zu ihrer Wohnung gingen.

Im ganzen ist Jesus mit ungemeiner Liebe hier empfangen worden. Alles drängt sich nach Ihm und will Ihm Ehre erweisen. Es ist hier keine Sekte, kein Streit. Er hat auch mehrere Kranke in Häusern geheilt, Juden und Heiden leben hier ganz vertraut, jedoch in abgesonderten Straßen. Die Juden haben zwei Straßen. Das Haus der Söhne des Cyrinus ist ein großes viereckiges Gebäude. Sie haben Handel und Schiffe. Es ist hier eine andere Bauart. Ich sah viele Türmchen und Spitzen, viele Gitterwerke und Gitterfenster und allerlei Verzierungen an den Gebäuden. Die Leute hatten Jesus und den Jüngern bei ihrer Ankunft gleich Geschenke und Sohlen und neue Kleider gebracht. Jesus trug sie nur, bis die seinen ausgeschüttelt und gereinigt waren, dann gab Er sie den Armen.

Am Sabbatmorgen lehrte Jesus wiederum in der Synagoge ganz hinreissend von der Zeit der Gnade und der Erfüllung der Prophezeiungen, so dass viele Menschen weinten. Er ermahnte zur Buße und Taufe. Die Lehre dauerte wohl an drei bis vier Stunden.

Danach wandelte Er mit den Seinen, von den Lehrern begleitet, zum Haus des Cyrinus, wo sie zu Gast geladen waren. Dieses Haus lag zwischen der Juden- und Heidenstadt. Salamis hat acht Straßen, wovon zwei jüdische. Sie gingen auch jetzt nicht durch die Judenstraße, sondern auf einem Weg, welcher zwischen der Heiden- und Judenstadt zur Rückseite der Häuser an den großen Toren der Stadt vorüber dahin führte. In diesen Toren waren viele Heiden, Männer, Frauen und Kinder sehr ehrerbietig versammelt und grüßten Jesus und die Seinen schüchtern aus der Entfernung. Sie hatten seine Lehre in der Schule gehört und waren nun mit den Ihrigen an die Tore gekommen.

Halb in die heidnische Stadtmauer gebaut, liegt am Ende der Straße das große Haus des Cyrinus mit Höfen und Nebengebäuden. Sobald das Haus in der Ferne sichtbar wurde, nahten die Frauen und die Töchter des Cyrinus mit den Dienern und begrüßten Jesus und die Seinen. Er hatte fünf Töchter, Nichten und andere Verwandte. Alle seine Kinder hatten Geschenke bei sich, die sie, nachdem sie sich vor Jesus tief verbeugt hatten, vor seine Füße auf Teppiche, die sie ausbreiteten, niedersetzten. Es waren unter diesen Geschenken Seltenheiten in allerhand Formen, z. B. Bernstein, Korallen-Bäumchen auf einem Gestell. Es schien, als wollte jedes Kind das Liebste bringen, was es besaß und was sie nicht bei Jesus anbringen konnten, reichten sie seinen Begleitern dar.

Das Haus des Cyrinus ist sehr weitläufig auf heidnische Weise gebaut, mit Vorhöfen und außen befindlichen Treppen. Oben auf dem Dach ist ein ordentlicher Garten von in Töpfe gepflanzten Gewächsen. Alles war festlich geschmückt. Der Tisch war höher als gewöhnlich und mit rotem Tuch bedeckt und darüber lag eine schimmernde, durchbrochene Decke von Seide oder feinem Strohgeflecht. Auch die Lager um den Tisch waren mehr auf heidnische Art und nicht so langgestreckt. Außer den Jüngern waren es etwa zwanzig Männer. Die Frauen aßen abgesondert. Nach der Mahlzeit wandelten alle den gewöhnlichen Sabbatsweg zu den Wasserleitungen hinaus.

Von hier ließ sich Jesus mit den Seinen durch den neuen Jünger Jonas zum Haus seines Vaters führen, welches abgesondert von der Judenstadt in Gärten liegt. Es ist wie ein großes Bauernhaus, das in seiner Einteilung etwas von einem Kloster hatte. Der alte Mann ist ein Essener und es wohnen bei ihm abgesondert mehrere ältere Frauen, verwandte Witwen, Nichten oder Töchter, die etwas verschieden gekleidet und weiß verschleiert sind. Der Alte war kindlich froh und demütig und ließ sich von seinen Kindern Jesus entgegenführen. Er wusste nicht, was er Jesus geben sollte, er hatte keine Schätze, er zeigte um sich her, auf sich, seinen Sohn und seine Töchter, als sage er: «Herr! Alles, was wir haben, wir selbst sind Dein und mein Liebstes, ja mein Sohn ist Dein.» Er lud Jesus und die Jünger auf den folgenden Tag zu einer Mahlzeit.

Dann ging Jesus wieder zur Wasserleitung und sprach mit den Vorstehern über die Einrichtung des Taufbrunnens, der noch kein Obdach und kein hineingeleitetes Wasser hatte. Sie mussten das Wasser von den Heiden erst erbitten oder erkaufen, das in einer Wasserleitung, die in der Ebene ungefähr ein Stockwerk hoch ist und Behälter an beiden Seiten hat, von Abend her aus dem Gebirge kommt. Der neue Taufbrunnen hat mehr als vier Ecken. Man steigt auf Stufen hinab und um ihn her sind muldenförmige Aushöhlungen, welche sich mit Wasser füllen, wenn man auf einen Stempel drückt. Das Ganze ist mit einem Wall umgeben und nahe dabei ist ein schöner mit Zeltdächern überspannter Platz zum Lehren.

Viele Juden und Heiden waren versammelt und Jesus sprach, dass Er morgen jene lehren werde, welche die Taufe empfangen wollten. Die Juden sprachen viel von Elias und Elisäus, die auch hier gewesen sind.

An den Wegen hatten sich hie und da jüdische Frauen mit den Kindern aufgestellt, die Jesus berührte, auch oft zu sich zog und segnete. Auch mehrere heidnische Lehrerinnen oder Mütter mit gelben Schleiern standen mit Mägdlein und Knaben abgesondert. Jesus segnete sie aus der Ferne.

Darauf ward der Sabbat in der Synagoge geschlossen und Jesus lehrte hier abermals von den Opfern aus dem dritten Buch Mosis und aus Ezechiel. Er sprach wunderbar süß und eindringend, die Gesetze des Mose auf die jetzige Erfüllung ihrer Bedeutung auslegend. Er sprach vom Opfer eines reinen Herzens und wie die tausendfachen Opfer nichts mehr nützen könnten, man müsse seine Seele reinigen und seine Leidenschaften zum Opfer bringen. Er schob keine Anordnung des Gesetzes beiseite, als verwerfe Er etwas. Er löste sie in ihre höhere Bedeutung auf und machte das Gesetz durch die Erklärung seines Inhaltes nur noch ehrwürdiger und schöner. Er bereitete zugleich zur Taufe vor und ermahnte zur Buße, denn die Zeit sei nahe.

Seine Worte, der Ton seiner Stimme waren gleich lebendigen, tief eindringenden Strahlen. Er redete ungemein ruhig und kräftig, nie sehr schnell, außer manchmal mit den Pharisäern. Dann waren seine Worte wie scharfe Pfeile und seine Stimme strenger. Der Ton seiner Stimme ist ein sehr wohlklingender Tenor, ganz rein und ohne seinesgleichen. Man hört Ihn von allen Stimmen aus einem großen Geräusch deutlich heraus, ohne dass Er schreit.

Die Lektionen und Gebete werden in den Synagogen in einem singenden Ton rezitiert, auf die Art wie die Chorgesänge und Messen der Christen, manchmal singen die Juden auch wechselweise, Er las die Lektionen auch so.

Nach Jesus begann noch ein alter frommer Lehrer zu der Versammlung zu sprechen. Er hatte einen langen, weißen Bart, war hager, aber von freundlichem, frommem Angesicht. Er war nicht von Salamis, sondern ein wandernder armer Lehrer, der auf der Insel von Ort zu Ort zog, die Kranken besuchte, die Gefangenen tröstete, für Arme sammelte, die Unwissenden und Kinder lehrte, Witwen tröstete und in Synagogen Vorträge hielt. Dieser Mann wurde wie vom Heiligen Geist ergriffen und hielt an das Volk eine Rede zum Zeugnis von Jesus, wie ich es nie von einem Rabbiner öffentlich gehört habe. Er führte ihnen alle Wohltaten des allmächtigen Gottes gegen ihre Väter und sie selbst nacheinander an und forderte sie zum Dank auf, dass Er sie die Ankunft eines solchen Propheten und Lehrers habe erleben lassen und dass dieser sich sogar erbarme, zu ihnen außerhalb des Heiligen Landes zu kommen. Er erwähnte das Erbarmen Gottes mit ihrem Stamm - sie waren aus Issachar und forderte sie zur Buße und Bekehrung auf. Er sprach, Gott werde jetzt nicht so streng sein, wie da, als Er die Anbeter und Verfertiger des Goldenen Kalbes geschlagen. Ich weiß den Zusammenhang nicht mehr davon, vielleicht dass viele aus Issachar unter jenen Götzendienern gewesen waren. Er sprach auch gar wunderbar von Jesus, wie er Ihn für mehr als einen Propheten halte, wie er nicht zu sagen wage, wer Er sei, wie die Erfüllung der Verheißungen nahe sei, wie alle sich selig preisen sollten, solche Lehren aus solchem Munde gehört und die Hoffnung, den Trost Israels erlebt zu haben. Es war eine große Rührung unter dem Volke. Viele weinten vor Freude. Es geschah dieses in der Gegenwart Jesu, der unter seinen Jüngern ruhig beiseite stand.

Nachher ging Jesus mit den Seinen in das Haus des Ältesten, wo das Gespräch sehr lebhaft war. Die Anwesenden forderten Jesus auf, bei ihnen zu bleiben. Sie sprachen von den Worten einiger Propheten, von Verfolgungen und Leiden, die man auf den Messias deute, das werde doch an Ihm nicht geschehen sollen? Sie fragten Ihn, ob er der Vorläufer des Messias sei? Er aber sprach von Johannes und dass Er hier nicht bleiben könne. Ein Anwesender, der mit in Palästina gewesen war, kam auf den Hass der Pharisäer gegen Jesus zu reden und sprach hart gegen dieselben. Jesus aber verwies ihm seine Härte und sprach entschuldigend und ablenkend.

Am folgenden Tag bereitete Jesus im Krankenhaus und an dem neuen Taufbrunnen die Leute zur Taufe vor. Im Krankenhaus bekannten Ihm mehrere an einem abgesonderten Ort ihre Sünden. Er ließ hier das Wasser für die Taufe in Mulden absondern, worin die Kranken von den Jüngern später getauft wurden.

Auf dem freien Platz um den Taufbrunnen war, als Jesu hinkam, eine große Volksmenge versammelt, unter der sich auch viele Heiden befanden. Die Leute waren zum Teil schon während der Nacht aus der Umgegend herangezogen. Jesus lehrte unter einem Zeltdach von seiner Sendung, von der Buße und der Taufe und vom Vaterunser.

10. Jesus wird zum römischen Landpfleger in Salamis geladen

Während der Lehre kam aber ein heidnischer Soldat oder Gerichtsdiener zu den Vorgesetzten und sagte, dass der römische Landvogt in Salamis den neuen Lehrer zu sprechen wünsche und zu sich entbiete. Er sagte dieses mit einigem Ernst, als nähme er es ihnen übel, dass sie Jesus nicht gleich zu ihm geführt hätten. Sie ließen es durch die Jünger Jesus in einer Pause sagen. Er antwortete, dass Er kommen werde und lehrte weiter. Nach der Lehre folgte Er mit den Jüngern und Ältesten dem Boten des Landvogtes. Sie hatten wohl eine halbe Stunde auf dem Weg zu gehen, auf dem Jesus vom Hafen hierher gekommen war, bis sie an das Haupttor von Salamis kamen, welches ein hoher schöner Bogen mit Säulen ist. Wo sie an großen Mauerwerken und Gärten vorüber kamen, schauten heidnische Leute und Arbeiter neugierig nach Jesus hin. Manche aber versteckten sich scheu bei seiner Annäherung hinter Büsche und Mauern. In Salamis gingen sie zu einem großen freien Platz. Viele Menschen standen auf den Galerien der Vorhöfe hinter Gittern und in den Toren. An einigen Straßenecken und unter Bogen standen heidnische Frauen mit Kindern, immer drei und drei hintereinander gestellt. Die Frauen beugten sich verschleiert vor Jesus. Da und dort traten Kinder, auch Frauen hervor und reichten Jesus oder seinen Begleitern kleine Gaben, die in Büschchen von Gewürz, in Wohlgeruch in kleinen Büchsen, in kleinen, braunen Kuchen und wohlriechenden Figuren von Sternen oder anderen Formen bestanden. Es schien dies Sitte hierzulande, ein Zeichen ehrerbietigen Willkommens zu sein. Jesus verweilte wenige Augenblicke mit freundlichen ernsten Blicken bei Solchen und segnete sie, ohne sie zu berühren.

Ich sah hie und da Götterbilder stehen, die nicht wie in Griechenland und Rom Bilder in menschlicher Gestalt, sondern wie in Sidon, Tyrus und Joppe Figuren mit Flügeln oder Schuppen waren. Ich sah auch einige wie Wickelpuppen.

Tiefer in der Stadt hatten sich immer mehr Menschen auf dem Weg an Jesus angeschlossen und auf dem freien Platz kamen sie von allen Seiten angeströmt. In der Mitte dieses Platzes ist ein schöner Brunnen. Man stieg auf Stufen hinab, und in der Mitte des Beckens wallte es auf. Ein Säulendach ist darüber gebaut und offene Galerien und Bäumchen und Blumen darum her. Der Zugang zum Brunnen ist geschlossen. Die Leute erhalten nur durch eine gewisse Bevorzugung von seinem Wasser, weil es das beste in der Stadt ist und für sehr heilsam gehalten wird.

Diesem Brunnen gegenüber steht der Palast des Landvogts mit Säulenhallen. Auf einer offenen, vorspringenden Terrasse unter einem Säulendach saß der römische Landvogt, ein Kriegsmann, auf einem steinernen Stuhl und sah Jesus ankommen. Er war weiß und knapp um den Leib gekleidet, hie und da mit roten Streifen. Sein Leibkleid ging bis an die Lenden und endete sich in Riemen oder Fransen. Die Beine waren geschnürt. Er hatte einen kurzen roten Mantel und auf dem Kopf einen Hut auf die Art wie ein Barbierbecken. Er war ein kräftiger, stämmiger Mann, mit einem kurzen, krausen schwarzen Bart. Hinter ihm und an den Stufen der Terrasse standen römische Soldaten.

Alle Heiden waren erstaunt über seine Ehrerbietung vor Jesus, denn, als Er herankam, stieg der Landvogt die Terrasse herab, fasste Jesu Hand mit einem Tuch, das er in der Hand hatte und drückte sie mit der andern Hand, welche das Ende des Tuches hielt, indem er sich etwas beugte. Dann ging Er mit Jesus auf die Terrasse hinauf, wo Er ganz freundlich mancherlei neugierige Fragen stellte. Er habe von Ihm gehört, dass Er ein weiser Lehrer sei. Er achte das Gesetz der Juden. Er solle so große Wunder tun - ob die Gerüchte von Ihm alle wahr seien - Wer Ihm die Kraft dazu gegeben - Ob Er der verheißene Tröster, der Messias der Juden sei - Die Juden erwarteten ja einen König, - ob Er dieser König sei - Mit welcher Macht Er dann sein Reich in Besitz nehmen wolle - Ob Er Kriegsvolk habe irgendwo - Ob Er vielleicht hier in Zypern unter den Juden Volk sammeln wolle - Ob es noch lange währen solle, bis Er sich in seiner Macht zeigen werde. Allerhand solche Fragen hatte der Landvogt mit einem verbindlichen Ernst und sichtbarer Rührung und Ehrfurcht an Jesus, welcher immer ganz allgemein und unbestimmt antwortete, wie Er sonst Obrigkeiten auf solche Fragen Antwort gab, z. B. «Du sagst es! - So glaubt man - Die Zeit der Verheißung erfüllt sich - Die Propheten haben es so gesagt!» Auf die Frage von seinem Reich, seinem Kriegsvolk sagte Er, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Die Könige der Welt brauchen Krieger. Er sammle die Seelen der Menschen zum Reich des allmächtigen Vaters, des Schöpfers Himmels und der Erde. Er ließ allerlei Lehren und tiefe Worte mit einfließen und der Landvogt war ganz erstaunt über seine Worte und sein Wesen.

Der Landvogt hatte befohlen, eine Erquickung an den Brunnen auf dem Platz zu bringen und lud Jesus und die Seinen ein, ihm dahin zu folgen. Sie besahen den Brunnen und nahmen etwas Speise, welche auf einer mit einem Teppich belegten Steinbank aufgetragen war. Es waren mehrere braune Schalen mit Saft von der nämlichen Farbe, worin sie Kuchen tauchten und aßen sie von armlangen und ein paar Zoll dicken Stangen, Konfekte oder Käse, auch Früchte und Backwerk in Figuren von Sternen und Blumen. Es wurden kleine Krüge mit Wein aufgestellt. Andere Krüge von buntgeadertem Stoff, ganz von der Form wie die Krüge zu Kana, nur viel kleiner, wurden mit Wasser aus dem Brunnen gefüllt. Der Landvogt sprach auch von Pilatus und dessen Gewalttätigkeit im Tempel und dem ganzen Wesen des Pilatus mit einer merklichen Missbilligung, auch von der eingestürzten Wasserleitung bei Silo-

Jesus hielt hier an dem Brunnen noch ein Gespräch mit ihm vom Wasser und den verschiedenen Quellen, trüben und klaren, bitteren, salzigen und süßen und von dem großen Unterschied ihrer Wirkung und wie sie in Brunnen gefasst und ausgeteilt würden. Er kam hieraus auf die Lehre der Heiden und Juden und auf das Wasser der Taufe und die Wiedergeburt der Menschen durch Buße und Glauben und wie sie dann alle Kinder Gottes würden. Es war eine wunderbare Lehre und hatte etwas von seiner Unterredung mit der Samariterin am Brunnen. Seine Worte machten großen Eindruck auf den Landvogt, welcher bereits den Juden sehr geneigt ist und Jesus öfters zu hören wünscht.

Es war hier nicht so große Trennung zwischen Juden und von ausgezeichneten Heiden, nahmen die verständigeren Juden und besonders die Anhänger Jesu auch in Palästina Speise und Trank an, jedoch hier wie dort immer nur in abgesonderten Gefäßen. Auf dem Rückweg begrüßten Jesus viele Heiden noch ehrerbietiger als vorher, durch das Betragen des Landvogts dazu aufgefordert.

Es gibt hier im Land ungemein viele Blumen, aber sie machen auch kunstvolle Blumen von bunter Wolle, Seide und Federchen sehr geschickt. Ich sah die Heidenkinder, welche Jesus segnete, großenteils mit solchen Blumen geschmückt. Die Mägdlein wie die Knaben waren sehr kurz und dünn bekleidet. Ganz kleine und ärmere hatten nur eine um die Mitte des Leibes geschlungene Binde. Die wohlhabenderen Mädchen trugen leichte gelbliche Röckchen, die reichlich mit solchen bunten Wollblumen benäht waren. Um Brust und Schultern hatten sie auch ein Stück dünnes Zeug gekreuzt, um Arme und Kopf hatten sie Kränzchen von Wollblumen. Es muss hier auch Seidenbau sein, denn ich sehe Bäume sorgsam an Mauern ausgebreitet, woran viele Würmer kriechen, die sich einspinnen.

11. Jesus im Haus des Vaters von Jonas. Lehre am Taufbrunnen

Da Jesus in das Haus des Esseners, des Vaters von Jonas, kam, waren nur seine Jünger und einige Lehrer mit Ihm. Er wurde mit Fußwaschen empfangen. Es war hier eine viel ländlichere, einfachere Wirtschaft als da, wo Er früher bewirtet wurde. Es ist dieses eine größere Essener-Familie von jenen, welche sich verehelichen, aber fromm und einfach und sehr enthaltsam leben. Die Frauen waren Witwen mit schon erwachsenen Kindern, sie waren Töchter des Alten, welche vereint mit ihm lebten. Jonas, der Jünger, war ein späterer Sohn des Alten und die Mutter war bei seiner Geburt gestorben. Er liebte ihn als einzigen Sohn um so mehr und war in großer Betrübnis um ihn gewesen, denn er war schon über ein Jahr abwesend gewesen. Er hatte ihn schon für verloren gehalten, als er durch Cyrinus, dessen Söhne ihn auf dem Fest und in Dabrath am Tabor gefunden hatten, von ihm Nachricht erhielt. Der Jüngling war wie junge Lehrlinge gereist, hatte die Merkwürdigkeiten der heiligen Orte besucht, war in Judäa bei den Essenern gewesen, hatte das Grab Jakobs bei Hebron und das Grab der Sara zwischen Jerusalem und Bethlehem besucht. Dieses lag damals noch am Weg, jetzt liegt es etwas abseits. Er hatte auch alles in Bethlehem sowie den Berg Karmel und den Tabor besucht. Er hatte von Jesus gehört und war bei einer Berglehre gewesen, ehe Jesus ins Land der Gergesener ging. Er war dann nach dem Osterfest mit den Söhnen des Cyrinus von Dabrath aus wieder bei der letzten Lehre bei Gabara gewesen, daselbst von Jesus zum Jünger aufgenommen worden und so hierher zurückgekehrt.

Die Mahlzeit war in einem Garten mit langen, dichten Heckenlauben. Als Tisch diente ein erhöhter Rasen, der mit Decken belegt war. Auch die Lagerstellen waren im Rasengrund angebracht und mit Matten belegt. Die Mahlzeit war mit Kuchen, Brühe, eingetauchtem Grün, Lammfleisch, Früchten und kleinen Krügen sehr einfach. Die Frauen waren abgesondert, doch vertraulicher als sonst. Sie trugen verschleiert das Essen auf und hörten nachher die Reden Jesu in einiger Ferne sitzend mit an. Es waren an den Seiten des Gartens ganze Reihen von einzelnen dichten grünen Laubzelten. Ich meine, es ist bei dem Haus ein jüdischer Betgarten. Es ist eine ganze kleine Essener-Gemeinde, diese Familie. Sie leben von Feldbau und Viehzucht, Weben und Spinnen.

Von hier ging Jesus mit den Jüngern zu dem neuen Taufbrunnen, wo Er viele Juden zur Taufe durch eine Bußlehre vorbereitete und das Taufwasser segnete. Um den mittleren Brunnen waren einige muldenförmige Becken, alle dem Boden gleich. Diese Becken waren mit kleinen Gräben umgeben, in welche die Täuflinge traten. Man ging ein paar Stufen dazu hinab. Am Rande des Beckens stand der Täufer und schöpfte auf den über das Becken gebeugten Kopf des Täuflings. Die handauflegenden Paten standen hinter diesem. Durch das Öffnen oder Drücken eines Stempels in dem mittleren Brunnen trat das Wasser in die kleinen Graben und die Becken. Ich sah an drei Becken durch Barnabas, Jakobus und Azor taufen. Vor der Taufe sah ich Jesus aus einem platten ledernen Gefäß. das sie aus Judäa mitgebracht hatten, ein wenig Jordanwasser von Jesu Taufstelle in die Becken gießen und das damit gemischte Wasser segnen. Nach der Taufe wurde nicht nur all dieses Taufwasser wieder in den Mittelbrunnen geschöpft, sondern auch mit einem Tuch das letzte ausgewischt und das Tuch in den Brunnen ausgewrungen. Ich sah die Täuflinge mit weißen Mäntelchen um den Oberleib.

Nachher sah ich Jesus in mehr westlicher Richtung zwischen Gärten und Mauern gehen, wo Ihn mehrere Heiden erwarteten, welche, durch die Bekanntschaft mit Cyrinus vorbereitet, auch die Taufe verlangten. Er ging mit einzelnen beiseite und bereitete sie vor und es wurden ihrer wohl dreißig von Barnabas in verschiedenen Gartengebäuden, wohin sie das Wasser in Badegefäßen hatten bringen lassen, getauft. Jesus segnete das Wasser.

Außer den zwei Judenstraßen befindet sich noch eine ganze Judenstadt bei Salamis. An der einen Seite von Salamis ist ein ungemein dicker runder Turm mit allerhand Aufsätzen. Er ist wie eine Festung. Es sind in der Stadt viele Tempel, besonders ein ungemein großer. Man kann von außen und von innen hinauf. Es sind sehr viele Säulen darin und einige so dicke, dass sich Treppen und Stuben darin befinden und ein Teil des Volks darin empor auf erhöhte Stellen steigen kann. Ich sehe ein paar Stunden von Salamis noch eine bedeutende Stadt.

Abendwärts vor der Stadt sah ich auch einen Zug Fremder ankommen, die sich in Zelthütten lagerten. Sie müssen von der andern Seite der Insel kommen, Ich meinte anfangs von Rom wegen der Richtung. Sie haben auch Frauen bei sich und viele dicke, langsame Ochsen mit breiten Hörnern und niedrigen Köpfen. Über den Rücken von zwei und zwei liegen Stangen, worauf sie Lasten tragen. Ich meine, dass sie teils wegen der Ernte gekommen sind, Waren gebracht haben und Getreide mitnehmen wollen.

Jesus hielt am folgenden Morgen eine große Lehre vor Juden und Heiden auf dem Lehrplatz am Taufbrunnen. Er lehrte von der Ernte, von der Vermehrung des Getreides, vom Undank der Menschen, die größten Wunder Gottes so lau hinzunehmen und wie es den Undankbaren gehen werde gleich dem Stroh und Unkraut: man werde sie ins Feuer werfen. Er sprach auch, wie aus einem Korn endlich eine ganze Ernte werde und wie alles aus einem allmächtigen Gott komme, dem Schöpfer Himmels und der Erde, dem Vater aller Menschen, ihrem Ernährer, Belohner und Strafer. Er sprach auch, wie sie sich statt zu Gott dem Vater zu Geschöpfen, zu toten Klötzen wandten und an den Wundern Gottes kalt vorübergingen und die glänzenden, aber doch so armseligen Werke der Menschen, und jeden Gaukler, Zauberer anstaunten, ja ihm Ehre erwiesen. Seine Rede kam hier auch auf die heidnischen Götter und alle ihre Meinungen von ihnen und ihre gänzliche Verwirrung, ihren Dienst und auf alle die Gräuel, welche sie von denselben erzählten. Und nun sprach Er von den einzelnen Göttern und fragte und antwortete selbst in seiner Rede: «Wer ist dann jener, wer dieser und wer ist sein Vater?» und entwickelte die ganze Verwirrung ihrer Götterabstammungen und Familien und was sie alles für Schändlichkeiten von ihnen sagten und zeigte im ganzen die elende Verwirrung und den Gräuel, welcher nicht im Reich Gottes, sondern allein im Reich des Vaters der Lügen sei. Er erwähnte die verschiedenen, sich widersprechenden Bedeutungen dieser Götter und löste sie auf.

So streng und bestimmt Jesus sprach, so war doch alles so angenehm unterrichtend und so allgemein Gedanken erweckend in den Zuhörern, dass kein Ärgernis daraus entstehen konnte, denn Er lehrte gegen die Heiden hier viel milder als in Palästina. Er sprach auch von der Berufung der Heiden zum Reich Gottes und dass viele Fremde vom Auf- und Niedergang die Stühle der Kinder des Hauses einnehmen würden, welche das Heil von sich stießen.

Es war aber eine Pause in der Lehre, da Jesus einige Bissen aß und trank und das Volk sich besprach. Da nahten sich einige heidnische Philosophen und fragten Ihn einiges, was sie nicht verstanden und auch etwas, was sie von ihren Vorfahren als eine Aussage von Elias, der hier gewesen, gehört hatten. Jesus belehrte sie darüber und fuhr nachher fort, von der Taufe zu lehren, auch vom Gebet und zwar in Bezug auf die Ernte und das tägliche Brot. Viele Heiden sind durch seine Lehre ganz heilsam angeregt und zu einem fruchtbringenden Nachdenken gebracht worden. Andere aber, denen sie nicht behagte, sind weggegangen.

Ich sah nun sehr viele Juden am Taufbrunnen taufen. Jesus segnete das Wasser. Drei standen immer um ein Becken, das Wasser in dem Graben ging ihnen bis an die Waden.

12. Jesus geht zur Judenstadt

Jesus ging hierauf mit den Seinigen und einigen der Lehrer etwa eine halbe Stunde nördlich zur abgesonderten Judenstadt. Es folgten Ihm viele Zuhörer seiner Lehre und Er sprach fortwährend mit einzelnen Zusammenstehenden. Der Weg geht oft über erhöhte Stellen und es liegen dann die Wiesen und Gärten tiefer. Es stehen auch hie und da Reihen und einzelne hohe dicke Bäume am Wege, auf welche man hinaufsteigt und schattige Sitze darin findet. Man kann gar weit umher mehrere Ortschaften und die gelben Weizenfelder sehen. Einigemal geht der Weg auf breiten nackten Flächen von Felsen, in welche ganze Reihen von Zellen für die Feldarbeiter hineingehauen sind.

Vor der Judenstadt ist eine schöne Herberge und ein Lustplatz. Hier trat Jesu Gesellschaft ein und Er sagte den übrigen Begleitern, zurückzugehen. Es wuschen die Jünger hier Jesus und einander die Füße, schürzten die Kleider nieder und folgten Ihm hierauf in die Judenstadt. Während der Fußwaschung sah ich in der Nähe des Hauses an einer Seite der Landstraße, dem Ort entlang, lange leichte Gebäude wie Schuppen, in welchen eine große Anzahl von jüdischen Frauen und Mägden beschäftigt waren, Obst auszusuchen, zu ordnen und aufzubewahren, das Sklavinnen oder Mägde in Körben aus verschiedenen Gärten herbeitrugen. Es waren allerlei Früchte, große und kleine, auch Beeren. Sie sonderten gutes und schlechtes aus, machten allerlei Abteilungen, legten einiges sogar in Baumwolle auf Gestellen übereinander. Andere hatten mit Baumwolle selbst zu tun, die sie auseinanderzupften und verpackten. Ich bemerkte die Hausfrauen alle verschleiert, sobald sich die Männer auf der Landstraße zeigten. Es waren mehrere Abteilungen in den Schuppen. Es schien mir ein allgemeines Obsterntehaus, wo sie auch den Zehnten und Almosen absonderten. Es war eine große Geschäftigkeit dort.

Jesus ging mit seiner Gesellschaft zu der Wohnung der Rabbiner an der Synagoge. Der älteste Rabbiner empfing Ihn höflich, aber mit einer unangenehmen Zurückhaltung. Er bot Jesus die gewöhnliche Erquickung und sprach einiges obenhin mit Ihm von seinem Besuch dieses Landes und von seinem großen Ruhm usw.. Jesu Ankunft war aber bekannt und mehrere Kranke baten um seine Hilfe. Da ging Jesus mit den Rabbinern und den Jüngern in die Häuser dieser Leute, heilte mehrere Lahme und Gichtbrüchige. Die Geheilten und ihre Familien folgten Ihm aus den Häusern nach und riefen sein Lob aus. Er wies sie aber zurück und ließ es ihnen verbieten. Auf den Straßen traten Ihm auch Frauen mit Kindern entgegen und Er segnete sie. Einzelne trugen Ihm kranke Kinder zu, die Er heilte.

So ging der Nachmittag hin bis gegen Abend, da Jesus dem Rabbinern zu einer Ehrenmahlzeit folgte, welche auch mit der beginnenden Ernte zusammenhing. Es wurden die Armen und Arbeitsleute dabei gespeist und Jesus lobte diese Gewohnheit sehr. Sie wurden truppenweise vom Feld geholt und erhielten Speise an einzelnen langen Tischen, wie Steinbänken. Jesus diente ihnen oft mit den Jüngern und lehrte sie mit kurzen Sprüchen und Parabeln. Es waren noch mehrere jüdische Lehrer bei dem Mahl, doch die ganze Schar hier war nicht so wohlgesinnt und offen, wie die Juden bei Jesu Herberge in Salamis. Sie hatten etwas Pharisäisches, und nachdem sie warm geworden, führten einzelne anzügliche Reden. Ob Er denn nicht mehr bequem in Palästina habe bleiben können. Was Er denn hier bei ihnen suche. Er möge doch keine Unruhen hier machen und ob Er denn lange hier zu bleiben gedächte. Auch berührten sie allerlei Punkte seiner Lehre und seines Wandels, welche die Pharisäer in Palästina immer auftischten. Jesus antwortete wie gewöhnlich und scharf treffend oder gelinder nach dem Maße ihrer Höflichkeit. Er sagte, dass Er gekommen sei, die Werke der Barmherzigkeit zu üben und zu tun, wie der Vater im Himmel es wolle. Das Gespräch war sehr lebhaft und führte eine strenge Straflehre Jesu herbei, wobei Er jedoch ihre Milde gegen die Armen und alles Lobenswerte lobte, alle Heuchelei aber strafte. Es war schon spät, als Jesus mit den Seinen zurückkehrte. Die Rabbiner geleiteten Ihn bis zum Tor.

13. Die Götzenpriesterin Merkuria. Heidnische Gelehrte

Als Jesus mit den Jüngern wieder in der Herberge war, kam ein heidnischer Mann zu Ihm und bat Ihn, einige Schritte mit Ihm zu einem Garten zu gehen, wo Ihn eine Person erwarte, die in ihrer Bedrängnis um Hilfe flehe. Jesus ging mit den Jüngern zum Ort und als Er zwischen Mauern am Weg eine heidnische Frau stehen sah, welche sich vor Ihm beugte, ließ Er die Jünger etwas zurücktreten und fragte die Frau, was ihr Verlangen sei. Es war dieses eine sehr wunderliche Frau. Sie war ganz ohne allen Unterricht, tief im Heidentum und zwar im schändlichsten Dienst befangen. Es war eine Unruhe durch Jesu Anblick in sie gekommen, sie hatte ein Gefühl, dass sie im Unrecht sei, aber sie war ohne einfachen Glauben und hatte eine sehr verwirrte Art, sich anzuklagen. Sie sagte zu Jesus, sie habe gehört, dass Er der Magdalena geholfen habe und auch der Blutflüssigen, die nur seinen Saum berührte. Sie bitte Ihn auch um Hilfe, sie könne nicht mehr den Dienst der Göttin ertragen. Sie erkenne, dass die Forderungen dieses ausschweifenden Dienstes unrecht seien. Sie bitte Ihn, Er möge sie heilen und belehren. Aber Er könne sie vielleicht nicht heilen, weil sie nicht körperlich krank sei wie die Blutflüssige. Sie bekannte, dass sie verheiratet sei und drei Kinder habe. Das eine sei ohne Wissen ihres Mannes im Ehebruch erzeugt. Sie habe auch Umgang mit dem römischen Landvogt. Als Jesus gestern in Salamis zum Landvogt gegangen sei, habe sie, hinter einem Fenster stehend, Ihn erblickt und einen Glanz um sein Haupt gesehen. Da sei sie heftig erschüttert worden. Sie habe anfangs gedacht, es sei dieses Liebe zu Ihm. Bei diesem Gedanken aber sei eine schreckliche Angst über sie gekommen und sie sei ohnmächtig niedergestürzt. Als sie zu sich gekommen, sei ihr ganzes Dasein und Leben ihr so fürchterlich vorgekommen, dass sie keine Ruhe mehr gehabt habe. Sie habe Ihm nachgefragt und von jüdischen Frauen die Heilung Magdalenas und der blutfüssigen Enue von Cäsarea-Philippi gehört. Sie flehe Ihn nun auch an, Er möge sie, wenn möglich, heilen. Jesus sagte ihr, der Glaube der blutflüssigen Frau sei einfach gewesen, sie habe keine lange Wahl und Erklärung gemacht, sie sei heimlich herangekrochen und habe fest geglaubt, wenn sie nur den Saum seines Kleides berühre, werde sie genesen und ihr Glaube habe ihr geholfen.

Die törichte Frau fragte Jesus noch, wie Er das aber habe wissen können, dass sie Ihn berührt und dass Er ihr geholfen habe. Und sie hatte gar keinen Begriff von Jesus und seiner Macht, aber sie verlangte doch herzlich um Hilfe. Jesus aber wies sie zurück, befahl ihr, ihrem schändlichen Leben zu entsagen, sprach ihr von Gott dem Allmächtigen und seinem Gebot: du sollst nicht ehebrechen. Er stellte ihr den ganzen Gräuel der Unzucht vor, gegen den sich selbst ihre Natur in dem unreinen Dienst ihrer Götzen empöre und Er traf sie mit so ernsten und zugleich barmherzigen Worten, dass sie weinend und ganz zerknirscht von dort weg ging. Sie hieß Merkuria und war eine große Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren. Sie war in einen weißen Mantel gehüllt, hinten breit und lang, vorn etwas abfallend. Er bildete um den Kopf eine Kapuze. Die übrige Kleidung war auch weiß, doch alles mit bunten Rändern. Dieses Zeug ist bei den Heidinnen so weich und anschmiegend, dass man ganz ihren Wuchs sieht.

Tags darauf wurde den ganzen Morgen am Brunnen von den Jüngern getauft. Ich sah Jesus hier und bei den Wasserleitungen lehren. Er lehrte noch hauptsächlich in Ernteparabeln und vom täglichen Brot, vom Manna, vom Brot des Lebens, welches kommen werde und vom Einen Gott. Es wurden auch die Arbeiter scharenweise zur Ernte verteilt. Und ich sah Jesus die vorüberziehenden Scharen lehren. Die Leute, welche hier in ZeIten lagen, waren Juden, die um Jesu willen hergekommen waren. Sie hatten auf ihren Lasttieren auch Kranke mitgebracht und diese waren heute auf Tragbetten unter Zeltdecken und Bäume in der Nähe des Lehrplatzes aufgestellt. Jesus heilte wohl an zwanzig Lahme und Gichtkranke.

Als Jesus an die Wasserleitungen kam, wurde Er von mehreren gelehrten heidnischen Männern angeredet, welche seine gestrige Lehre gehört hatten. Sie baten über Verschiedenes um seine Erklärung, sprachen von ihren Göttern, besonders von einer Göttin, die hier aus dem Meer gestiegen sei und von einer andern mit dem Fischleib im Tempel, welche Derketo heißt. Auch fragten sie über eine Erzählung, welche unter den Juden von Elias umgehe, dass er eine Wolke aus dem Meer habe steigen sehen und dass dies eine Jungfrau gewesen sei. Sie möchten doch wissen, wo sie niedergefallen sei, denn aus ihr solle ein König und Helfer der ganzen Erde kommen und nach den Rechnungen sei jetzt die Zeit. Auch mischten sie eine Geschichte darunter von einem Stern, den ihre Göttin habe auf Tyrus fallen lassen und ob das wohl jene Wolke sei.

Einer sagte, man rede jetzt von einem Schwärmer in Judäa, welcher, die Wolke des Elias und die Zeit benützend, jener König zu sein vorgebe. Jesus tat nicht, als wenn Er dieses sei, aber Er sagte doch, jener Mann sei kein Schwärmer, der Falsches vorgebe. Man rede viel Unwahres von Ihm und der Berichtende selbst sei auch schlecht informiert. Aber es sei jetzt Zeit, da die Propheten erfüllt würden. Der Fragende war ein schlecht gesinnter Mann, ein Schwätzer. Er ahnte nicht, dass er mit Jesus redete, den er verleumdete, er hatte nur allgemein von Ihm gehört.

Es waren diese Männer Philosophen, welche die Wahrheit ahnten, ein Gemisch von Glauben an ihre Götter hatten und sie doch auch wieder in allerlei Bedeutungen auflösen wollten. Es waren aber alle die Personen und Götzen, welche sie erklären wollten, ganz durcheinander gekommen und vermischt und so wollten sie gar noch die Wolke des Elias und die Mutter Gottes, von der sie jedoch nichts wussten, mit in den Wirrwarr hineinziehen. Sie nannten ihre Göttin, die Derketo, auch die Königin des Himmels. Sie sprachen von ihr, wie sie alle Weisheit und Lust auf die Erde gebracht habe, wie sie ihre Anhänger nicht mehr erkannt hätten, wie sie alles vorhergesagt habe, auch dass sie ins Wasser werde hinabsteigen und als ein Fisch wiederkehren und ihnen dann ewig nahe sein und wie das auch geschehen sei usw.. Ihre Tochter, die sie im heiligen Dienst empfangen, sei Semiramis, die weise allmächtige Königin von Babyion.

Es war wunderlich, dass ich die ganze Geschichte jener Göttinnen, während sie sprachen, ganz so sah, wie sie wirklich entstanden sind und gelebt haben und ich war daher immer ganz ungeduldig, den Philosophen ihren groben Irrtum zu sagen. Sie kamen mir so erstaunlich dumm vor, dass sie das nicht auch sahen und ich dachte immer: Das ist doch so deutlich, so klar, das will ich nun alles erzählen! Dann dachte ich wieder: Du darfst nicht dreinschwätzen, diese gelehrten Männer müssen es doch besser wissen! Und so quälte ich mich während des Gesprächs mehrere Stunden.

Jesus legte ihnen ihre ganze Verwirrung und Torheit auseinander. Er erzählte ihnen die Geschichte der Schöpfung, von Adam und Eva, von dem Sündenfall, von Kain und Abel, von den Kindern Noes, dem babylonischen Turmbau, von der Ausscheidung der Bösen und der Steigerung ihrer Gottlosigkeit und wie sie, um den Zusammenhang mit Gott, von dem sie abgefallen, wieder herzustellen, allerlei Götter erfunden hätten, aber vom bösen Geist in die größten Irrwege gebracht worden seien. Wie aber die Verheißung vom Samen der Frau, der der Schlange das Haupt zertreten solle, durch alles ihr zauberisches Dichten, Trachten und Wirken durchgehe und wie daher die vielen Figuren aufträten, welche der Welt Heil bringen sollten, aber nichts als größere Sünden und Gräuel aus der unreinen Quelle brachten, aus der sie selbst geschöpft worden seien. Jesus sprach von der Absonderung Abrahams und der Erziehung eines Stammes der Verheißung, von der Führung, Erziehung und Reinigung der Kinder Israel, von den Propheten, von Elias und seiner Prophezeiung und von der jetzigen Zeit, der Zeit der Erfüllung. Er sprach so einfach, so überzeugend und eindringend, dass einzelnen von den Philosophen viel Licht aufging, andere aber verwirrten sich wieder in ihren Geschichten. Jesus sprach bis gegen ein Uhr mit ihnen. Einige von ihnen werden glauben und sich bekehren. Sie sind aber in ihren tiefsinnigen Erklärungen von allerlei törichten verwirrten Dingen gar sehr verwickelt. Jesus hat jedoch ein Licht in ihre Seele geworfen, indem Er ihnen nachgewiesen, dass in den gefallenen Menschengeschlechtern und ihrer Geschichte immer noch eine Spur, mehr oder weniger richtig, von den Absichten Gottes mit den Menschen geblieben sei. Und wie sie in einem Reich der Finsternis und Verwirrung lebend allerlei Unformen und Gräuel des Götzendienstes ergriffen hätten, welche mitten durch ihre Torheit doch noch den äußeren Schein der verlorenen Wahrheit böten, während Gott, sich der Menschen erbarmend, sich aus den wenigen Reinen ein neues Volk gebildet habe, aus welchem die Verheißung in Erfüllung gehen werde. Er zeigte ihnen, dass diese Zeit der Gnade jetzt da sei. Wer Buße tue und sich bekehre und die Taufe empfange, der werde neu zu einem Kind Gottes geboren.

Schon vor diesem Gespräch mit den Philosophen hatte Jesus gleich nach der Taufe den Barnabas mit andern Jüngern entlassen, die von hier zum einige Stunden entfernten Chytrus gingen, wo des Barnabas Familie wohnt. Jesus hatte nur den Jünger Jonas und einen Jünger aus Dabrath bei Sich, da Er eine halbe Stunde vor Salamis abendwärts hinaus in eine reiche, fruchtbare Gegend ging, wo eine Bauernschaft lag und das Volk mit der Ernte beschäftigt war. Es waren meistens Juden, deren Felder hier liegen. Die Gegend ist sehr angenehm und anders angebaut als bei uns. Das Getreide wächst auf sehr hohen Rücken, wie auf Wällen und zwischen diesen sind tiefe, mit vielen Obst-, ÖI- und andern Bäumen umgebene und bepflanzte Weideplätze voll Vieh, das wie eingepfercht, im Schatten gehen und keinen Schaden anrichten kann. Auch sammelt sich Wasser und Tau in die Wiesen. Ich sah viele schwarze Kühe ohne Hörner, auch bucklige, schwergehende Stiere mit sehr breiten Hörnern, die zum Lasttragen gebraucht werden, sehr viele Esel, sehr große Schafe mit dicken Schweifen und Herden von Böcken oder gehörnten Schafen abgesondert, Häuser und Schuppen liegen zerstreut. Die Leute haben hier eine sehr schöne Schule und offenen Lehrstuhl, auch einen Lehrer. Zum Sabbat aber gehen sie zur Synagoge bei Jesu Herberge in Salamis.

Der Weg war sehr schön. Kaum bemerkten die Arbeiter Jesus, den sie schon in der Synagoge und bei der Taufe gesehen hatten, als sie auch truppenweise ihre Arbeit verließen, ihr Werkzeug und das Stück Baumrinde, das sie gegen die Sonne auf dem Kopf trugen, ablegten und von den hohen Wällen herabeilten und sich am Weg vor Jesus niederbeugten. Manche warfen sich ganz zur Erde. Jesus grüßte und segnete sie und sie kehrten zurück. Als Er sich der Schule näherte, hatten sie es dem Lehrer schon hinterbracht und dieser trat Jesus mit andern ehrbaren Männern entgegen, hieß Ihn willkommen, führte Ihn an einen schönen Brunnen, wusch Ihm die Füße, nahm Ihm den Mantel ab, der geschüttelt und gestreckt wurde, reichte Ihm zu trinken und einige Speise.

Jesus ging mit diesen Leuten und andern, die noch von Salamis dazu gekommen waren, von Feld zu Feld und lehrte hie und da die Schnitter in kurzen Parabeln vom Sämann, von der Ernte, vom Absondern des Weizens und Unkrauts, vom Bauen der Scheune, vom Unkraut-ins-Feuer-Werfen. Die einzelnen Scharen hörten Ihm zu und arbeiteten dann fort, wenn Er wieder zu andern ging.

Die Männer schnitten mit einem krummen Messer ein paar Hand unter der Ähre die Halme ab und reichten sie den hinter ihnen stehenden Frauen, die sie banden und in Körben wegtrugen. Ich sah, dass viele Ähren, welche niedriger waren, stehenblieben und dass arme Frauen nachgingen und diese abschnitten und die gefallenen Ähren auflasen als ihr Eigentum. Diese Frauen hatten sehr kurze Kleidung. Sie hatten die Mitte des Leibes mit Tüchern umwunden und den Rock zu einem Sack um den Leib aufgeschürzt, in welchen sie die gelesenen Ähren steckten. Ihre Arme waren bloß, um Brust und Nacken hatten sie Tücher gewunden, den Kopf verhüllt oder frei unter dem Bastschirm, je nachdem sie verheiratet oder Jungfrauen waren.

Jesus wandelte so lehrend wohl eine halbe Stunde Wegs in die Gegend hinein und kehrte dann zum Brunnen an der Schule zurück, wo Ihm und den andern auf einer Steinbank eine Brühe, ich meine Honig, in Schalen, lange Stangen, von denen man Schnittchen aufs Brot legte und Brotkuchen, auch Früchte und kleine Krüge vorgesetzt wurden. Dieser Brunnen war unbeschreiblich schön an einer hohen Wand, die voll von Bäumen war. Man stieg auf vielen Stufen zu dem Brunnenkasten hinab und es war kühl und schattig hier. Abgesondert vom Lehrhaus wohnten die Frauen, die verschleiert die Speisen heranbrachten. Jesus lehrte vom Vaterunser. Abends versammelten sich die Schnitter in der Schule, wo Jesus die erzählten Parabeln auslegte, vom Manna, vom täglichen Brot und Himmelsbrot lehrte. Danach ging Er mit dem Lehrer und einigen andern in einzelne Hütten zu Kranken und heilte mehrere Lahme und Wassersüchtige. Diese Kranken waren meist in kleinen, an die Häuser angebauten Kammern. So kam Jesus auch zu einer wassersüchtigen Frau. Ihr Ställchen war nicht größer als ihr Lager und zu ihren Füßen offen, wo sie auf ein kleines Blumengärtchen sah. Das Dach war leicht und konnte geöffnet werden, dass sie den Himmel sah. Männer und Frauen nahten mit Jesus der Hütte, nahmen das Verdeck ab und Jesus fragte: «Frau, willst du wieder besser werden?» Da antwortete sie demütig: «Wie der Prophet es befiehlt, so will ich.» Da sagte Jesus: «Stehe auf! Dein Glaube hat dir geholfen!» Da stand die Frau auf, ging heraus und sagte: «Herr, nun erkenne ich deine Macht: denn viele wollten mir helfen und konnten es nicht.» Sie dankte mit den Ihrigen, pries den Herrn, und viele kamen und wunderten sich sehr über ihre Genesung. Jesus kehrte zum Lehrhaus zurück.

In Salamis sah ich an diesem Tag die Sünderin Merkuria in großer Unruhe und Trauer in ihren Gemächern auf und nieder gehen. Sie weinte, rang die Hände, lag oft ganz eingehüllt in einer Ecke. Ihr Mann, der mir etwas dumm vorkommt und die Mägde hielten sie für wahnsinnig. Sie aber ist ganz von Reue zerrissen, denkt und sinnt nur, wie sie hier los und zu den heiligen Frauen nach Palästina kommen könnte. Sie hat zwei Töchter von acht und neun und einen Knaben von fünf Jahren. Ihr Haus liegt nahe am großen Tempel, ist sehr groß und von schweren Mauern, mit Gesindewohnungen, Säulen und Terrassen und Gärten umgeben. Man forderte sie auf, in den Tempel zu gehen, sie schlug es aber aus und sagte, sie sei krank. Dieser Tempel ist ein erstaunliches Gebäude voll Säulen, Kammern, Wohnungen der Götzenpriester und Gewölben. Es steht ein riesenhaftes Bild der Göttin darin, das wie von Gold schimmert, einen Fischleib und einen Kopf mit Hörnern hat wie eine Kuh. Es hat eine zweite Figur vor sich, auf deren Schultern es seine kurzen Arme oder Pratzen legt. Die ganze Figur steht auf einem hohen Postament mit Öffnungen, worin Rauchwerk und anderes verbrannt wird. Sie opferten selbst Kinder, besonders Krüppel, zu Ehren der Göttin. Das Haus der Merkuria ist das nachmalige Wohnhaus des Vaters der heiligen Katharina, der Costa hieß, Katharina ist in diesem Haus geboren und erzogen worden. Ihr Vater stammte aus einem Fürstengeschlecht aus Mesopotamien und war für geleistete Dienste mit großen Gütern auf Zypern belohnt worden. In Salamis vermählte er sich mit einer Tochter derselben heidnischen Priesterfamilie, zu der Merkuria gehörte. Schon als Kind war Katharina voll Weisheit. Sie hatte innere Anschauungen und ward von ihnen geführt. Die Götzenbilder konnte sie nicht leiden und brachte sie, wo sie konnte, auf die Seite. Dafür wurde sie von ihrem Vater einmal eingesperrt.

Die Städte hier sind nicht wie bei uns, wo ein Haus abgesondert neben dem anderen steht. Die Gebäude sind sehr groß, mit Terrassen und dicken Mauern, in welche wieder viele Räume für geringere Leute eingebaut sind. Oft sind die Straßen wie dicke Wälle, über die man fährt und die mit Bäumen angepflanzt sind. In diesen Wällen aber sind Wohnräume für viele Menschen. In Salamis ist große Ordnung. Jede Klasse der Einwohner hat ihre eigene Straße. Auch die Schulkinder sehe ich meist in einer bestimmten Straße, in anderen Straßen gehen nur die Züge der Lasttiere. Die Philosophen haben ein eigenes großes Haus mit Höfen und ich sehe sie meist in einer besonderen Straße wandeln. Sie gehen in ihren Mänteln reihenweise zu viert und fünft nebeneinander und sprechen abwechselnd. Ich sehe die Aufgehenden stets an der einen und die Niedergehenden an der anderen Seite. Diese Ordnung ist meist in allen Straßen.

Der Platz mit dem schönen Brunnen, an welchem der Landvogt mit Jesus sprach, ist erhöht. Von den umgebenden Seitenstraßen steigt man auf Stufen hinauf. Es sind Bodengänge darum her mit Buden. Zur Seite ist der Markt, woran Reihen von dichten pyramidenförmigen Bäumen, auf die man steigen und in Lauben sitzen kann. Der Palast des Landvogts sieht auf diesen Platz zu.

14. Jesus lehrt in Chytrus

Als Jesus auch am folgenden Tag durch die Erntefelder wandelnd die Arbeiter lehrte, war ein wunderlicher Nebel den ganzen Tag über, dass einer den andern kaum sehen konnte. Die Sonne schimmerte wie ein weißer Fleck durch den Nebel, welcher dicht über der Erde lag. Die Felder laufen nordöstlich zwischen den ansteigenden Höhen in eine Spitze zusammen. Es gibt sehr viele Feldhühner, Wachteln und große kröpfige Tauben hier. Auch erinnere ich mich einer Art dicker, grauer gerippter Äpfel an ausgebreiteten Spalierbäumen mit rotgestreiftem Fleisch.

Jesus lehrte in Ernteparabeln und vom täglichen Brot und heilte mehrere lahme Kinder, welche in einer Mulde oder einem Trog auf Schaffellen lagen. Da einige von den Leuten in großes Lob seiner Lehre ausbrachen, verwies Jesus ihnen das und sagte Worte, wie: «Dem, der da hat, wird gegeben, wer nicht hat, dem wird genommen.»

Die Juden waren hier über allerlei Punkte im Zweifel, worüber Jesus sie belehrte. Sie fürchteten, keinen Anteil am Gelobten Land zu haben. Sie meinten, Moses habe nicht durchs Rote Meer gebraucht, auch nicht so lange in der Wüste umzuziehen, es gebe nähere Wege. Jesus entgegnete ihnen: das Gelobte Land liege nicht allein in Kanaan. Das Reich Gottes könne man an sich reißen und brauche dann freilich nicht so lange in der Wüste zu irren. Er forderte sie auf, wenn sie solches dem Moses vorwürfen, doch selbst nicht in der Wüste der Sünde, des Unglaubens und Murrens herumzuziehen, sondern den kürzeren Weg einzuschlagen durch Buße, Taufe und Glauben. Es haben sich die Juden in Zypern viel mit Heiden vermischt, doch so, dass die Heiden Juden geworden sind.

Auf diesem Lehrwandel durch die Erntefelder kam Jesus mit seinen Begleitern an die Heerstraße, welche von einem nordwestlichen Hafen Zyperns nach einem südöstlichen führt und ein paar Stunden westlich von Salamis vorüberläuft. Es lag hier eine große Herberge für die Juden, in welcher sie einkehrten. Nicht weit davon waren auch Schuppen und ein Herbergshaus mit einem Brunnen für die heidnischen Karawanen. Diese Straße ist immer voll von Reisenden. Es war keine Frau im Haus - sie wohnte abgesondert. Nach der Fußwaschung und einiger Erquickung, kamen auch die andern Jünger, welche in Salamis geblieben waren und getauft hatten, hier an. Die Begleitung Jesu war nun wohl an zwanzig Mann. Jesus lehrte noch im Freien die Leute, welche von der Arbeit heimkehrten. Sie brachten Ihm einige kranke Arbeitsleute, welche nicht mehr ihr Brot verdienen konnten, und da sie glaubten, heilte sie Jesus und gebot ihnen, gleich an die Arbeit zu gehen.

Gegen Abend kam noch eine Karawane von arabischen Leuten. Sie hatten Lastochsen, welche paarweise auf zwei Stangen große Pakete trugen, die ihnen bis über die Köpfe gingen. Wo der Weg schmal war, da gingen sie hintereinander und hatten die Last zwischen sich. Auch bepackte Esel waren dabei und Kamele, die Bündel von Wolle trugen. Diese Leute waren aus der Gegend, wo Jethro gewohnt hatte. Sie waren brauner als die Zyprier und waren zu Schiff mit Waren aus ihrem Land hierher gekommen. In den Bergwerksorten hatten sie Kupfer und anderes Metall eingetauscht und zogen nun auf der Heerstraße südöstlich, um sich wieder einzuschiffen. Die Tiere trugen das schwere Metall in langen Särgen, und die Pakete waren wegen der Schwere kleiner als sonst. Ich meine, es waren Stangen oder lange Platten. Auch verarbeitetes Metall in Gefäßen oder Kesseln war dabei und dieses sah ich in runden, tonnenförmigen Paketen. Die Frauen waren sehr fleißig, sie spannen im Gehen und Reiten und flochten Decken und Bahnen, wo sie irgend lagerten, wofür sie unterwegs wieder sich erhalten und bekleiden konnten. Dieses geschah von der Wolle, welche auf Lasttiere gepackt war. Sie hatten die Wolle an einer Schulter angeheftet, spannen mit einer Hand den Faden und wickelten ihn auf die Spindel, welche sie in der anderen Hand drehten. War die Spindel voll, so wurde der Faden auf eine am Gürtel hängende Rolle abgewickelt.

Als die Leute ihre Tiere abgepackt und versorgt hatten, begrüßten sie Jesus und baten, seine Lehre mitanhören zu dürfen. Er lobte ihren Fleiß und kam dann auf die Frage: für wen alle ihre Mühe und Arbeit und führte sie so auf den Schöpfer und Erhalter aller Dinge und sprach von dem Dank gegen Gott und dessen Erbarmen mit den Sündern und verlorenen Schafen, die herumirren und ihren Hirten nicht kennen. Er lehrte sie ganz sanft und lieblich. Sie waren gerührt und fröhlich und wollten Ihm allerlei schenken. Er segnete ihre Kinder und verließ sie mit seiner Begleitung, mehr nördlich gegen Chytrus sich wendend, welches vier bis fünf Stunden von hier und etwa sechs von Salamis liegt. Der Weg ging nun bergan.

Ich sah hier im Land ÖI- und Baumwollbäume, auch eine Pflanze, von der sie, meine ich, eine Art Seide machen. Sie sieht nicht aus wie unser Flachs, eher wie Hanf und gibt lange sanfte Fäden. Vor allem aber wächst ein Bäumchen mit schönen gelben Blumen in großer Menge und ist sehr lieblich anzusehen. Es hat schier Früchte auf Art der Mispeln und scheint mir Safran zu sein. Links schaut man schön ins Gebirge voll hohen Waldes. Es sind sehr viele Zypressen und kleine wohlriechende Harzstauden hier. Links im Gebirge sah ich auch ein Flüsschen mit einem Wasserfall niederkommen. Weiter vorwärts, die Höhe hinan, ist an der einen Seite Wald und an der anderen nacktes Gebirge und vom Weg aus gehen Höhlen in den Berg, wo sie Kupfer und weißes Metall, wie Silber, ausgraben. Von oben sah ich sie auch niederbohren. Sie müssen hier auch schmelzen und zwar mit einem gelben Brand. Es ist ein ganzer Berg davon in der Nähe. Ich sah, dass sie das Zeug in große Ballen kneten und trocknen. Es ward auch davon gesprochen, dass der Berg manchmal sich entzünde.

Nach vier Stunden Weg kam Jesus in eine Herberge, mehr als eine halbe Stunde vor Chytrus, bis wohin noch immer Bergwerke liegen. Hier kehrten sie ein und der Vater des Barnabas nebst einigen andern Männern empfing den Herrn und leistete Ihm die gewöhnlichen Liebesdienste. Jesus ruhte hier und lehrte und nahm eine kleine Mahlzeit mit seiner Begleitung ein.

Chytrus liegt in der Tiefe auf einer Ebene. Jesus kam von der Seite, wo die Bergwerke sind. Chytrus hat jüdische und heidnische Einwohner. Es liegen viele einzelne Gebäude ,wie durch Gärten und Felder verbundene Bauernschaften, rings um die Stadt.

Da ich sehr betrübt wurde, dass die große Mühe und Arbeit Jesu so wenig in Zypern gewirkt haben sollte, so dass man, wie der Pilger sagte, gar nichts in der Schrift noch sonst von dieser Reise wisse und dass auch nicht erwähnt sei, dass Paulus und Barnabas viel dort ausgerichtet haben, erhielt ich ein Bild darüber, von welchem ich mich noch an Folgendes erinnere. Fünfhundertsiebzig Seelen hat Jesus in Zypern gewonnen, Heiden und Juden. Ich sah, dass die Sünderin Merkuria mit ihren Kindern Jesus bald gefolgt ist und viel Gut und Geld mitgenommen hat. Sie kam zu den heiligen Frauen und hat bei den ersten christlichen Niederlassungen um Ophel bis gegen Bethanien hin unter den Diakonen vieles zum Bauen und Unterhalt hergegeben. Ich sah auch, dass bei dem Aufstand gegen die Christen, da Saulus noch nicht bekehrt war, Merkuria ermordet wurde. Es war, als Saulus gegen Damaskus auszog. Als bald nach Jesu Abreise viele andere Heiden und Juden mit Geld und Gut Zypern verließen und nach Palästina wanderten und nach und nach ihr Vermögen herauszogen, entstand ein großes Geschrei unter den Andersgesinnten der Familien, die sich dadurch verletzt fanden. Man schmähte Jesus einen Betrüger, Juden und Heiden hielten zusammen. Es durfte nicht mehr von Ihm gesprochen werden. Man zog viele Menschen ein und geißelte sie. Die Heidenpriester marterten die Ihrigen und zwangen sie zu opfern. Der Landvogt, der mit Jesus gesprochen hatte, wurde nach Rom gerufen und abgesetzt. Ja es kamen römische Soldaten und besetzten alle Häfen und ließen niemanden mehr zu Schiff. Mit der Kreuzigung aber erlosch Christi Andenken ganz und man sprach von Ihm wie von einem Rebellen und Verräter und die noch etwas glaubten, wankten und schämten sich Seiner. Zwölf Jahre nachher fanden Paulus und Barnabas keine Spur mehr. Sie blieben nicht lange hier, nahmen aber doch einige mit.

Auf dem Weg nach Chytrus lehrte Jesus auch vor einzelnen Scharen von Bergleuten. Es waren hier teils heidnische, teils von Juden gepachtete Gruben. Die Arbeiter sahen sehr mager, elend und bleich aus und waren an vielen Stellen ihres nackten Leibes mit braunen Lederstücken gepanzert, worin sie staken wie die Schildkröten. Jesus lehrte vom Goldschmied, der das Erz im Feuer reinigt. Die Heiden und Juden arbeiteten an verschiedenen Seiten des Weges und hörten immer von zwei Seiten zu. Es waren aber auch einige Besessene oder Angefochtene hier, welche an Stricke gebunden arbeiten mussten. Diese begannen zu toben und zu schreien, als Jesus nahte und sie verkündigten Ihn und riefen, was Er hier mit ihnen wolle. Er gebot ihnen aber zu schweigen, worauf sie still wurden. Es kamen auch jüdische Bergleute zu Jesus und klagten, dass die Heiden unter dem Weg hinweg in ihre Grenze gearbeitet und sie bestohlen hätten. Jesus möge es entscheiden. Da ließ Jesus nahe an der Grenze auf jüdischem Grund bohren und kam auf heidnische Gänge. Es waren da Nester von Brocken weißen Metalls, ich meine Zink oder Silber. Das hatte sie herübergelockt. Jesus lehrte nun vom Ärgernis und ungerechtem Gut. Die Heiden waren überführt - es waren Zeugen genug da. Da aber ihre Obrigkeit nicht zugegen war, so wurde nichts ausgemacht und die Heiden zogen sich murrend zurück.

Chytrus ist ein sehr lebendiger Ort. Es wohnen viele Heiden und Juden hier, die untereinander vertrauter sind, als ich sie sonst wohl sah. Obschon sie in getrennten Straßen wohnen. Die Heiden haben mehrere Tempel und die Juden zwei Synagogen. Sie haben sich auch viel untereinander verheiratet, doch immer so, dass der Heide Jude wurde.

Vor der Stadt kamen Jesus die jüdischen Ältesten und Lehrer entgegen und auch zwei von den Philosophen aus Salamis, welche, von seiner Lehre gerührt, hierher gefolgt waren, Ihn weiter zu hören. Nachdem sie Jesus in einem dazu gewöhnlichen Haus den Empfang mit Fußwaschung und Imbiss erwiesen hatten, baten sie Ihn um die Heilung von mehreren Kranken, welche Ihn sehnlich erwarteten, Jesus ging mit ihnen in die Judenstraße, wo an dem Weg vor einzelnen Häusern etwa zwanzig Kranke lagen, welche Er heilte. Es waren Lahme darunter, welche sich auf Krücken lehnten, die wie Gestelle waren und von drei Füßen getragen wurden. Die Genesenen lobten und riefen wie auch ihre Verwandten Jesus kurze Lobsprüche meist aus Psalmen nach. Die Jünger aber beruhigten sie wieder.

Jesus ging nun in das Haus des Synagogenvorstehers, wo noch mehrere Gelehrte versammelt waren und darunter mehrere von der Sekte der Rechabiten. Sie hatten etwas verschiedene Kleidung und absonderliche, strenge Sitten und Meinungen, hatten aber schon vieles davon abgelassen. Dieselben hatten eine ganze Straße hier inne und hatten besonders mit dem Bergbau zu tun. Sie waren von jenem Geschlecht, das sich in Ephron im Königreich Basan aufhält, wo auch Bergbau in der Nähe ist. Jesus wurde hier vom Vorsteher zu einer Mahlzeit eingeladen, welche Er nach dem Sabbat für Ihn hatte bereiten lassen. Weil Jesus aber versprochen hatte, bei dem Vater des Barnabas zu sein, so lud Er alle dorthin mit ein und bat den Vorsteher, die armen Arbeiter und Bergleute mit seiner Mahlzeit zur Synagoge zu bewirten.

Die Synagoge war voll von Menschen und viele Heiden hörten von außen auf den Terrassen zu. Jesus lehrte aus dem dritten Buch des Mose vom Opfer zur Stiftshütte und aus Jeremias von der Verheißung (Lev 25 und 26, Jer 23, 6-28). Er sprach vom toten und lebendigen Opfer und sie fragten nach dem Unterschied. Außerdem lehrte Er von den acht Seligkeiten.

Es war aber in der Synagoge ein alter frommer Rabbiner, der schon lange wassersüchtig war und sich wie gewöhnlich auf seinen Platz hatte hineintragen lassen. Da nun die Gelehrten noch allerlei mit Jesus disputierten, rief er laut aus: «Schweigt! lasst mich reden». Und da sie still wurden, rief er aus: «Herr! Du hast andern Barmherzigkeit erwiesen, hilf auch mir und heiße mich zu Dir kommen!» Da sprach Jesus zu dem Mann: «So du glaubst, steh auf und komme zu Mir!» Da stand der Kranke auf und rief: «Herr! ich glaube», war gesund und ging zu Jesus die Stufen hinan und dankte Ihm. Alles brach in Freude und Lob aus. Jesus und die andern aber gingen hinaus zur Wohnung des Barnabas. Der Speisenmeister sammelte nun die Armen und Arbeiter zu der Mahlzeit, die Jesus ihnen überlassen hatte.

15. Das elterliche Haus und die Familie des Barnabas. Jesus lehrt in der Umgegend von Chytrus

Des Barnabas Vater wohnt vor der Westseite der Stadt in den dort zerstreut liegenden Häusern, denn solche Wohnungen, wie ganze Dörfer, liegen rings um Chytrus. Das Haus ist ganz ansehnlich, es hat an der einen Seite Terrassen, deren Wände braun sind, als seien sie mit Ölfarbe oder Harz bestrichen oder ist dies natürliche Farbe? Es sind Pflanzen und Lauben darauf. Außerdem läuft ein Säulengang, eine offene Galerie, um das Haus, woran schöne Bäume sind. Ringsum sind Weingärten und ein Platz voll von geordnetem Bauholz. Es sind erstaunlich große, dicke Stämme und allerhand Formen von Holzstücken. Alles ist so geordnet, dass man dazwischen durchgehen kann. Ich meine es ist zum Schiffsbau. Sie haben auch solche lange Wagen, nicht breiter als das Holz, und ich meine mit dicken eisernen Rädern. Sie werden von Ochsen gezogen, die weit auseinander gespannt sind. Man sieht nicht weit von hier einen sehr schönen, hohen Wald.

Der Vater des Barnabas ist ein Witwer. Seine Schwester mit einigen Mägden hat ein Haus in der Nähe und besorgt den Haushalt und die Mahlzeit. Die heidnischen Begleiter Jesu und die Philosophen von Salamis lagen nicht mit zu Tisch, weil es eine Sabbatszeit war. Aber sie gingen in der offenen Halle ab und zu und aßen aus der Hand und hörten Jesu Lehre unter den Säulen stehend. Das Essen bestand außer Brotkuchen, Honig und Früchten meist aus Vögeln und breiten platten Fischen. Auch waren mehrere Schüsseln mit Fleisch in schneckenförmig gewundenen Stücken da, die mit allerlei Kräutern besteckt waren. Jesus sprach vom Opfer und der Verheißung und viel von den Propheten.

Während des Essens kamen mehrere Scharen von vier- bis sechsjährigen armen, halbgekleideten Kindern. Sie hatten weitgeflochtene Körbchen mit essbaren Kräutern, die sie den Gästen gegen eine Gabe von Speise oder Brot anboten. Sie hielten sich meist an die Seite, wo Jesus und die Seinen lagen. Jesus stand auf, leerte ihre Körbe und füllte sie mit Speise und segnete sie. Es war dieses sehr lieblich und rührend.

Am folgenden ganzen Morgen lehrte Jesus hinter des Barnabas Haus, wo ein schöner Lehrhügel und Lehrstuhl ist, zu dem man von dem Haus aus vor vielen Menschen durch herrliche Weinlauben geht. Zuerst vor Bergleuten und Arbeitern, dann vor Heiden und zuletzt vor einer großen Schar von Juden, die sich mit Heidenfamilien verheiratet hatten. Viele kranke Heiden hatten Jesus um Hilfe und Erlaubnis bitten lassen, seine Lehre anzuhören. Es waren meist verkrüppelte kranke Arbeiter, die auf ihren Lagern in die Nähe des Lehrstuhls gebettet waren. Jesus lehrte die Arbeiter vom Vaterunser, vom Scheiden des Erzes im Feuer, dann die Heiden von wilden Sprossen der Bäume und des Weinstocks, welche abgeschnitten werden müssen, von dem Einen Gott und den Kindern Gottes und vom Sohn des Hauses und dem Knecht und von der Berufung der Heiden. Hierauf lehrte Er über die gemischten Ehen, wie sie nicht zu unterstützen, aber zugelassen seien durch Barmherzigkeit. Jedoch allein zur Bekehrung und Veredlung, nicht aber zur Sinneslust und wie sie nur da zu dulden seien, wo beide Teile einen heiligen Willen hätten. Er sprach jedoch mehr dagegen als dafür und pries jene glücklich, welche reine Sprossen im Haus des Herrn trieben. Er sprach von der schweren Verantwortung des jüdischen Teils, von der Kinderzucht und Frömmigkeit, vom Ergreifen der Zeit der Gnade, von der Buße und Taufe.

Nachher heilte Jesus die Kranken und nahm die Mahlzeit bei Barnabas ein. Hierauf gingen sie mit Ihm zur andern Seite der Stadt, wo ungemein weitläufige Bienenstände zwischen großen Blumengärten sind. Es liegt auch in der Nähe eine Quelle und ein kleiner See. Jesus lehrte und erzählte. Sie gingen dann in die Stadt zur Synagoge, wo die Lehre vom Opfer und der Verheißung geschlossen wurde.

Es waren einige gelehrte reisende Juden da, welche Jesus allerlei kunstvolle Fragen vorlegten, die Er ihnen auflöste. Sie hatten etwas bösen Willen. Es war von den gemischten Ehen, von Moses, der viele habe niederhauen lassen und von Aaron, der das goldene Kalb habe machen lassen und seiner Strafe und dergleichen die Rede.

Tags darauf schien ein Fest- oder Fasttag bei den Juden zu sein, denn am Morgen war Gebet und Lehre in der Synagoge. Nachher ging Jesus mit allen seinen Jüngern und den heidnischen Jünglingen bei der Nordseite der Stadt hinaus. Es kamen noch jüdische Lehrer und einige Rechabiten hinzu. So waren es zusammen wohl hundert Mann. Sie gingen etwa eine Stunde Wegs zu einem Ort, welcher der Hauptsitz der Bienenzucht war. Weit hinaus, der Morgensonne zu, standen die langen Reihen der mannshohen, weißen, ich meine, von Binsen oder Bast geflochtenen Bienenkörbe. Sie hatten viele Öffnungen und waren übereinander gesetzt. Jeder Bienenstand hatte ein Blumenfeld vor sich. Besonders wuchs sehr viele Melisse hier. Alles war eingezäunt und es sah aus wie eine ganze Stadt. Den heidnischen Teil konnte man gut erkennen, denn bei diesem standen öfters in Nischen Figuren wie Wickelpuppen mit hinten in die Höhe sich beugenden Fischschwänzen. Sie hatten kurze, kleine Pratzen und nicht ganz Menschengesichter.

Das Dorf selbst bestand aus vielen kleineren Häusern der Bienenbesitzer, worin sie ihre Geräte hatten. Die Herberge war ein großes Gebäude mit allerlei Seitengebäuden. Es kreuzten sich viele Schuppen oder offene Hallen um die Höfe, worin viele Gestelle und lange Matten waren. Der Speisemeister dieses Gebäudes lieferte allen, die hier zu schaffen haben, die Bedürfnisse. Er ist ein Heide. Die Juden haben auch besondere Säle und Gebetsorte. Ich glaube, dass in diesem Haus und den langen Schuppen das Wachs und der Honig bereitet werden. Es ist wie ein allgemeines Erntehaus. Ich sah hier auch viele jener Bäumchen, die so schöne, gelbliche Blüten haben. Die Blätter sind mehr gelb als grün und die Blüten fallen so dicht an den Boden, dass es wie ein welcher Teppich ist. Es werden dann lange Matten unter den Bäumen ausgebreitet. Ich sah, dass sie die Blüten auspressen und Farbe davon machen. Jung werden die Bäumchen wohl in Töpfen gezogen und dann oft in Felsenlöcher mit Erde gepflanzt. In Judäa sind sie auch. Auch großen Flachs habe ich hier gesehen, von dem sie lange Fäden ziehen.

Nicht weit, etwa eine halbe Stunde nördlich von Chytrus, kommt eine starke Quelle aus dem Felsen, fließt erst durch die Stadt und dann durch die Gegend, wo Jesus herkam. Manchmal ist sie offen, manchmal überbaut. Ich meine, sie führt auch den Wasserleitungen in Salamis ihr Wasser zu. Sie bildet bei ihrem Ursprung einen ordentlichen kleinen See. An diesem Wasser wird noch getauft werden. Ich meine, dass die Rede davon war und darauf hingedeutet wurde. Es gibt hier erstaunlich viele schöne wilde Blumen, Orangenbäume stehen dem Weg entlang, auch Feigenbäume, Korinthen und Rosinen.

Jesus war hauptsächlich hiehergegangen, um ohne Störung und Überlauf die Heiden lehren zu können. Er tat dies den ganzen Rest des Tages in den Gärten und Lauben des Gebäudes. Sie lagen teils, teils standen sie. Jesus lehrte vom Vaterunser und über die acht Seligkeiten. Vor den Heiden sprach Er besonders von den Gräueln ihrer Götter und wie diese entstanden und von der Absonderung Abrahams deswegen und der Führung Israels. Er sprach sehr deutlich und streng. Es waren wohl an hundert Mann beisammen. Sie nahmen, jedoch getrennt, Speise in dem Haus, Brot und von dem langen Ziegenkäse, Honig und Früchte. Der Herr des Hauses war ein Heide, aber sehr demütig und zurückgezogen. Am Abend waren die Juden abgesondert. Jesus lehrte und sie beteten. Sie übernachteten alle hier.

In Chytrus ist es schier lebendiger als in Salamis, wo alles Gewerbe und Treiben am Hafen und in ein paar Straßen ist. Hier aber ist eine große Regsamkeit. Von der Seite, woher Jesus kam, ist eine große Marktstraße mit Vieh und Vögeln. In der Stadt hängen um einen schönen erhöhten Markt und unter hohen Bogen vieles buntes Zeugs und Decken feil. Auf der andern Seite der Stadt sind fast lauter Metallarbeiter und Schmelzer. Es ist da ein erstaunliches Hämmern und Klopfen, dass man sein eigen Wort nicht hört, doch ist das meiste vor der Stadt. Sie machen allerlei Gefäße, besonders eine Art von dünnen, großen Gefäßen. Sie sind beinahe eiförmig, mit kleinem Deckel und haben oben zwei Henkel. Sie werden erst zusammengebogen und dann in großen Öfen mit langen Röhren geblasen. Äusserlich sind sie gelb, inwendig weiß. Es werden allerlei Früchte, Honig oder Sirup darin versendet. Sie kommen auf dem Wasser auf gekreuzte Balken zu stehen. Man trägt sie auch an Stöcken, die durch die Henkel gesteckt werden.

Tags darauf lehrte Jesus noch einmal am Bienenort. Die Zahl der Zuhörer war zuletzt auf ein paar hundert Menschen angewachsen. Als Er den Heiden ihre Irrtümer so eindringlich wieder auseinandersetzte und ihnen das Wesen ihrer Götter schon daraus als sehr erbärmlich darstellte, dass sie dieselben immer in allerlei Bedeutungen auflösen müssten, um sie nur ertragen zu können, und da Er sie ermahnte, von ihrem steten Grübeln, Dichten und Trachten nachzulassen und sich in Einfalt an Gott und seine Offenbarungen anzuschließen, ärgerten sich einige Heiden, welche mit Stäben wie wandernde Gelehrte hinzugekommen waren, und gingen murrend ihres Wegs. Jesus sagte, sie sollten sie nur hingehen lassen. Es sei besser, als wenn sie blieben und aus dem, was sie hörten, neue Götter machten. Er sprach auch viel Prophetisches von der Zerstörung dieses schönen Landes, dieser Städte und Tempel und von dem Gericht über alle diese Länder. Er sagte, wenn der Gräuel am höchsten gekommen sein werde, werde das Heidentum zugrunde gehen, und sprach auch viel von der Strafe über die Juden und der Zerstörung von Jerusalem. Die Heiden nahmen das alles noch besser an als die Juden, welche sich mit Einwürfen immer auf ihre Verheißungen stützten. Jesus ging mit ihnen alle Propheten durch, legte alle Stellen auf den Messias aus und sagte, dass die Zeit da sei. Er werde mitten unter den Juden aufstehen, und sie würden Ihn nicht erkennen, sie würden Ihn verhöhnen und belächeln und so Er es sagte, dass Er es sei, würden sie Ihn ergreifen und töten. Das wollte vielen nun gar nicht zu Sinn und Jesus stellte ihnen vor, wie sie mit allen ihren Propheten getan, und wie sie die Verkündiger behandelt, also würden sie auch dem Verkündigten selbst tun.

Die Rechabiten sprachen mit Ihm von Malachias, auf den sie viel hielten, und wie man ihn für einen Engel Gottes halte, wie er als ein Kind zu frommen Leuten gekommen und nachher oft wieder verschwunden sei. Auch wisse man nicht, dass er gestorben sei. Sie sprachen auch viel von seinen Prophezeiungen von dem Messias und dessen neuem Opfer mit Jesus, und Er legte ihnen alles auf jetzt und die nahe Zeit aus.

Von dem Bienenort ging Jesus mit einer großen Begleitung, die sich aber auf dem Wege immer mehr verringerte, wiederum zur Heimat des Barnabas. Es war ein Weg von mehreren Stunden. Die größere Anzahl der Begleiter hatte aus jungen Männern der jüdischen Gemeinde bestanden, welche wegzogen, um sich nach Jerusalem zum Pfingstfest einzuschiffen. Die Übriggebliebenen bildeten aber noch immer eine bedeutenden Schar. Vor den Gärten hatten sich wohl an dreißig bis vierzig heidnische Frauen und Jungfrauen und etwa zehn jüdische Mägdlein versammelt, um Jesus ihre Verehrung zu bezeigen. Sie bliesen auf Flöten, sangen Lobsprüche, trugen Blumenkränze und warfen Zweige in den Weg. Auch breiteten sie oft Matten über den Wegen aus, beugten sich vor Jesus und boten Kränze, Blumen, Gewürze, kleine Fläschchen mit Wohlgeruch zum Geschenkedar. Jesus dankte und sprach mit ihnen. Sie zogen mit bis in den Hof des Barnabas und setzten ihre Gaben in der Versammlungshalle nieder. Alles hatten sie mit Blumen und Kränzen geschmückt. Es war ein Empfang wie am Palmsonntag, nur ruhiger und ländlicher. Hierauf begaben sie sich hinweg. Es war Abend.

Mir fiel die Tracht der Heidinnen auf. Die Jungfrauen trugen so kuriose Mützen, wie ich als Kind von Schilf sogenannte Kukkuckskörbe flocht. Einzelne trugen einfach solche Mützen, andere hatten noch Kränze darum geflochten, von welchen viele Fäden mit allerlei Zierwerk bis an die Stirne niederfielen. Der untere Rand war immer ein Kranz von Woll- und Federblumen. Den Schleier hatten sie darunter, schlugen ihn vorn auseinander oder an der Mütze in die Höhe, und hinten lag er im Nacken. Sie waren sehr knapp um den Gürtel, hatten ein Bruststück vor und um den Hals allerlei Fäden und Zierate. Unter dem Gürtel wurden sie sehr breit, denn sie hatten viele Röcke von dünnen Zeugs übereinander, immer einen eine Spanne länger als den andern. Der unterste war ganz lang. Die Arme waren nicht ganz bedeckt. Es waren nur lange Lappen, keine Ärmel, mit Kränzchen um die Arme geheftet. Die Stoffe waren von verschiedenen Farben, gelb, rot, weiß, blau, gestreift und geblümt. Ihre Haare hingen lang hernieder und waren am Ende wie mit einer Schnur verbunden, welche Troddeln hatte. Dadurch waren sie wie eine Decke und konnten nicht herumflattern. An den bloßen Füßen trugen sie vorne spitz aufgebogene Sandalen, die mit Schnüren angebunden waren. Die Frauen trugen einen andern Kopfputz, der nicht so hoch war und über der Stirne wie einen festen Schirm hatte, der oft spitz bis auf die Nase herabstand und sich über den mit Perlen verzierten Ohren in die Höhe bog. Er war durchbrochen, mit Haargeflecht, Perlen und allerlei Zierde durchwunden. Sie trugen hinten breit niederhängende Mäntel. Sie hatten Kinder bei sich, ohne andere Bekleidung als eine Bahn Zeugs, die von einer Schulter quer über die Brust hinab geschlungen die Mitte des Leibes bedeckte. Die Frauen hatten schon an drei Stunden Jesus erwartet.

Bei Barnabas war eine Mahlzeit bereitet, aber man legte sich nicht zu Tisch, sondern reichte einem jeden auf einem Brettchen, wie auf dem Schiff, etwas Speise. Es waren hier viele alte Männer versammelt, unter diesen auch der alte Gelehrte, den Jesus in der Synagoge geheilt hatte. Des Barnabas Vater ist ein alter, vierschrötiger Mann. Man sieht, dass er mit Holz arbeitet. Alle die Männer jener Zeit sind viel derber, als jetzt unsere Leute.

Danach sah ich Jesus an dem Brunnen vor Chytrus auf einem Lehrstuhl. Er bereitete zur Taufe vor, und die Jünger tauften zuerst die Juden und dann die Heiden.

Jesus sprach hier auch mit jüdischen Lehrern über die Beschneidung. Man solle sie diesen Heiden nicht zumuten, es sei denn, dass sie es selbst verlangten. Jedoch könne auch den Juden nicht zugemutet werden, die Heiden in die Synagoge zuzulassen. Man müsse Ärgernis vermeiden und Gott danken, wenn die Heiden den Götzendienst verließen und das Heil erwarteten. Auch solle ihnen anderer Abbruch und die Beschneidung des Herzens und aller Gelüste aufgelegt werden. Er werde ihnen Lehre und Gebet abgesondert anordnen.

16. Jesus in der Stadt Mallep

Um den Brunnen vor Chytrus, an dem die Jünger getauft hatten, erblickte ich Männer, die ihn ehrerbietig zuschlossen. Die Schar der Zuhörer und Getauften war im Begriff, sich nach verschiedenen Seiten hinweg zu begeben. Einzelne standen noch um reisende Juden, die eben herbeigekommen waren und antworteten auf deren Fragen: «Der Prophet hat von frühem Morgen bis Mittag hier gelehrt. Nun ist Er mit seinen Jüngern und etwa sieben getauften Philosophen aus Salamis zum großen Dorf Mallep gezogen.» Dieser Ort ist von den Juden erbaut, darum wohnen nur Juden darin. Er liegt auf einer Höhe am Abhang des Gebirges und hat wunderschöne Aussichten nach allen Seiten hin. Man kann auch das Meer sehen. Er hat fünf Straßen, die zu der Mitte führen, wo in Felsengrund ein Wasserbehälter ausgehauen ist, der sein Wasser aus der Leitung von der Quelle bei Chytrus empfängt. Es sind schöne Sitze und schattige Bäume umher. Man hat von da eine herrliche Aussicht über den Ort und das Land voller Früchte. Rund um Mallep ist ein doppelter Wall, ein niederer inwendig, ein höherer außen. Vieles ist in Felsen gehauen, und außerhalb des Walles laufen, wie kleine Täler, die Graben weit herum. Auf frischem Rasengrund mit herrlichen Blumen stehen in Reihen die reichsten Obstbäume, unter welchen große gelbe Früchte im Gras liegen. Es ist jetzt hier noch alles in der Ernte. Die Leute trocknen viele Früchte und schicken sie weg, auch machen sie Decken, Teppiche und Matten und leichte niedere Kasten aus Splint, um die Früchte darauf zu trocknen.

Als Jesus hier ankam, zogen Ihm die Lehrer der Synagoge, die Schulkinder und vieles Volk bis vors Tor entgegen. Alle waren festlich geschmückt, Kinder sangen und musizierten und trugen Palmzweige in den Händen. Die Mägdlein zogen vor den Knaben. Jesus ging segnend durch die Kinder durch und wurde von den Lehrern mit seiner Begleitung, etwa dreißig Mann, in eine Halle geführt, wo ihnen die Füße gewaschen wurden.

Unterdessen waren gegen zwanzig Kranke, Lahme und Wassersüchtige in die Straße vor das Haus gebracht worden, die Jesus heilte und Ihm zu dem Brunnen in der Mitte der Stadt folgen hieß. Alle zogen gesund unter großer Freude ihrer Verwandten mit zu dem Brunnen, wo Jesus vom täglichen Brot und der Dankbarkeit gegen Gott lehrte.

Von hier ging Er zur Synagoge und lehrte von: «Dein Reich komme». Er sprach vom Reich Gottes in uns, von seiner Nähe, und wie es ein geistliches, kein weltliches sei, und wie es denen ergehen werde, die es von sich stoßen würden. Die Heiden, welche Ihm gefolgt waren, standen außerhalb. Sie waren hier mehr abgesondert als in den heidnischen Städten.

Nachher wohnte Jesus einer Mahlzeit bei den Lehrern bei, nach welcher sie Ihn in die Herberge führten, welche sie Ihm und seinem Gefolge eingeräumt hatten. Es war ein Aufseher dabei, der alles besorgen musste.

Am darauffolgenden Morgen lehrte Jesus wieder in der sehr schönen Synagoge, in der alles versammelt war. Er sprach von dem Sämann, von dem verschiedenen Acker und dem Unkraut, auch vom Senfkorn, wie es so große Früchte trage. Er nahm sein Gleichnis von einer Staude, welche sie hier ziehen und die aus einem sehr kleinen Kern einen beinahe mannshohen armdicken Stengel treibt und sehr nützlich ist. Seine Frucht wird wie eine Eichel groß, rot und schwarz. Sie wird ausgepresst und zum Färben gebraucht. Die getauften Heiden waren nicht in der Synagoge. Sie hörten draußen von der Terrasse herab zu.

Als Jesus danach mit den Jüngern einer Mahlzeit bei den Vorgesetzten beiwohnte, wurden drei blinde Knaben von etwa zehn bis zwölf Jahren durch andere Kinder hereingeführt. Sie musizierten auf Flöten und einem Instrument, welches sie vor den Mund hielten und mit den Fingern daran spielten. Es war keine Pfeife und hatte im Klang etwas Summendes, wie ein Brummeisen. Auch sangen sie mit angenehmem Ton dazwischen. Ihre Augen standen offen, es war, als hätten sie den Star. Jesus fragte sie, ob sie gerne das Licht sehen möchten und fromm und fleißig auf gerechten Wegen wandeln. Sie sagten ganz freudig: «Herr, hilf uns! Wir wollen tun, wie Du befiehlst!» Da sagte Jesus: «Legt eure Pfeifen nieder!» und stellte sie vor Sich, führte seine beiden Daumen zum Mund und fuhr ihnen nacheinander mit den beiden Daumen zugleich von dem Augenwinkel nach den Schläfen über die Augen und hob eine Schale mit Früchten vom Tisch vor sie und sagte: «Seht ihr das ?» segnete sie und gab ihnen die Früchte. Sie staunten freudig und tranken um sich her und warfen sich vor Jesus nieder und weinten. Es war eine große Rührung, Freude und Verwunderung in der ganzen Versammlung. Die Knaben aber eilten mit ihren Führern aus dem Saal durch die Straßen in voller Freude zu ihren Eltern. Es war eine große Bewegung in der ganzen Stadt. Die Kinder kehrten mit allen Ihrigen und vielen andern Menschen zu dem Vorhof des Saales zurück und kamen, auf ihren Instrumenten fröhliche Lieder spielend und singend, heran, Jesus zu danken. Da hielt Jesus noch eine schöne Lehre über die Dankbarkeit und sagte, der Dank sei ein Gebet, welches neue Gnaden vorbereite, so gütig sei der himmlische Vater.

Nach der Mahlzeit wandelte Jesus mit den Jüngern und den heidnischen Philosophen durch die schönen schattigen Auen um die Stadt herum und lehrte die heidnischen Männer und neuen Jünger. Die älteren Jünger lehrten auch einzelne Scharen. Am Abend lehrte Jesus wieder in der Synagoge.

Am folgenden Tag besuchte Er die Eltern der geheilten blinden Knaben. Sie waren Juden aus Arabien, aus der Gegend, wo Jethro, des Mose Schwiegervater, gewohnt hatte. Sie hatten einen eigenen Namen. Sie zogen oft umher und waren schon bei Kapharnaum getauft worden, wo sie durchziehend Jesu Berglehre gehört hatten. Diese Leute, ein paar Familien von etwa zwanzig Personen zusammen mit Frau und Kindern, waren Handelsleute und Fabrikanten, welche, wie bei uns die Italiener, Tiroler und Schwarzwälder, mit Holzuhren, Mäusefallen und Gipsfiguren bald hier, bald dort eine Zeitlang verweilten und zugleich Arbeit und Handel trieben. Um diese Zeit blieben sie gewöhnlich ein paar Monate hier und hatten vor der Nordseite der Stadt eine Herberge inne mit allerhand Werkzeug und Weberei. Ihre blinden Knaben mussten auf ihren Umzügen bei Gelegenheit mit Gesang und Flötenspiel etwas verdienen. Jesus sagte ihnen, dass sie nun die Knaben nicht mehr mit herumziehen lassen sollten, sondern dass sie hier bleiben und zur Schule gehen sollten. Er zeigte ihnen auch Leute, welche sie aufnehmen und unterrichten wollten. Er hatte dieses gestern schon zustande gebracht. Die Eltern versprachen es Ihm.

17. Jesus lehrt vor den heidnischen Philosophen und bei jüdischen Trauungsfeierlichkeiten

Jesus wandelte mit den Jüngern und den sieben getauften Philosophen durch das ganz reizende Wiesental, das von Mallep zum Dorf Lanifa führt und sanft aufsteigend sich südlicher ins Gebirge wendet. Von dieser südlichen Seite kommt von der Quelle bei Chytrus ein Bach hierher, etwa drei Schuh breit. Er kommt verdeckt, durch das Gebirge, läuft durch das Dorf Lanifa und das Tal gegen Mallep zu und in den Gräben umher. Es ist aber nicht das Wasser, das in der Mitte von Mallep in dem hochliegenden Brunnen ist, obschon die Straße, durch welche Jesus hinausging, die fünfte Straße des Ortes ist, durch welche die Wasserleitung zu dem schönen Brunnen zieht. Es ist gar nicht auszusprechen, wie reizend und heimlich dieses rings geschlossene, sanft gewundene grüne Tal ist. Bis gegen Mallep hin ziehen sich die an beiden Seiten zerstreut liegenden Höfe des am Ende liegenden Dorfes Lanifa. Alles ist ganz grün und voll der schönsten Blumen und Früchte, die hier wild und geordnet wachsen. Jesus zog links an der Südseite des Baches hinauf gegen Lanifa, wo Er mit einer Schar von jungen Leuten sprach, die auf dem Weg waren, sich einzuschiffen, um auf das Pfingstfest nach Jerusalem zu kommen. Er befahl ihnen, Lazarus zu grüßen, aber außer diesem nicht von Ihm zu sprechen. Weiter wandelnd, überschritt Er den Bach und kam an dessen Nordseite wieder das Tal herab gegen Mallep. Dort drüben berührte Er noch ein Dorf, welches den seltsamen Namen Leppe hat.

Die Ernte ist nun beendet, und die Leute stellen Garben in Haufen zusammen, welche sie den Armen geben wollen.

Jesus lehrte die heidnischen Philosophen den ganzen Weg, bald wandelnd, bald an einem schönen Platz verweilend. Er lehrte sie vom gänzlichen Verderben der Menschen vor der Sündflut, von der Rettung Noes, von der neuen Verwilderung und der Aussonderung Abrahams und der Führung von dessen Geschlecht bis zur Zeit, dass der verheißene Tröster aus ihm hervorgehen könne. Die Heiden baten sich allerlei Erläuterungen aus und brachten manche große Namen von alten Göttern und Helden vor und was man für Wohltaten von ihnen erzähle. Jesus sagte ihnen, dass alle Menschen mehr oder weniger natürliche Gnaden hätten und mit ihren Gaben manches Bequeme und zeitlich Nützliche und Weise hervorbrächten, dass aber viele Laster und Gräuel aus diesen Wirkungen mit hervorwüchsen. Er zeigte ihnen die ganze abgöttische Versunkenheit und den teilweisen Untergang jener Völker und die lächerliche fabelhafte Entstellung ihrer Göttergeschichten, gemischt mit dämonischen Weissagungen und zauberischen Täuschungen, die als Wahrheit hineingewebt seien.

Die Philosophen erwähnten auch einen ältesten weisen König, der hoch oben hinter Indien hervorgekommen sei, Dsemschid heiße und mit einem goldenen Dolch, den er von Gott erhalten, so viele Länder geteilt und bevölkert und überall Segen verbreitet habe, und fragten Jesus über ihn und allerlei Wunder, die sie von ihm erzählten. Jesus sagte ihnen, dass Dsemschid ein natürlich-kluger und sinnenhaft-weiser Mann und Völkerführer gewesen sei, der einen Stamm Völker, als sie sich nach der Trennung beim Turm von Babel zerstreuten, geführt und Länder nach gewissen Ordnungen mit ihnen besetzt habe. Und weiter, dass es solche Führer gegeben habe, welche übler gehaust hätten als er, weil seine Rasse nicht so verfinstert gewesen sei. Er zeigte ihnen aber auch, welche Fabeln auf seine Rechnung geschrieben würden und wie er ein falsches Nebenbild und Irrbild des Priesters und Königs Melchisedech sei. Er sagte ihnen, auf diesen zu schauen und auf Abrahams Stamm, denn als die Ströme der Völker sich bewegten, habe Gott den bessern Familien den Melchisedech gesandt, dass er sie führe und verbinde und ihnen Länder und Wohnstätten bereite, auf dass sie rein erhalten und nach ihrem Wert der Annäherung an die Gnade der Verheißung fähiger oder unfähiger würden. Wer Melchisedech gewesen sei, das möchten sie selbst denken, aber das sei die Wahrheit, er sei ein frühes Vorbild künftiger, jetzt so naher Gnade der Verheißung gewesen, und sein Opfer von Brot und Wein, welches er gebracht, werde erfüllt werden und vollendet und werde bestehen bis ans Ende der Welt.

Jesus sprach so bestimmt und unbestreitbar über Dsemschid und Melchisedech, dass diese Gelehrten erstaunt sprachen: «Meister, wie weise bist Du! Ist es doch, als habest Du in jenen Zeiten gelebt und kenntest alle diese Leute, wie sie sich selbst kaum kannten!» Er sprach noch vieles von den Propheten mit ihnen, auch von den kleinen Propheten und besonders von Malachias. Bei Eintritt des Sabbats ging Jesus zur Synagoge und lehrte aus dem dritten Buch des Mose vom Jubeljahr und aus Jeremias. Er sprach davon, dass man sein Feld gut bauen müsse, auf dass unser Bruder, der es von uns empfange, unsere Liebe erkenne.

Am folgenden Morgen setzte Jesus die Lehre vom Jubeljahr und dem Bauen des Feldes und aus Jeremias in der Synagoge fort und ging dann mit den Jüngern und vielem Volk, Juden und Heiden, vor die Stadt gegen Mittag zu, wo ein jüdischer Badegarten aus der Wasserleitung von Chytrus bestand, mit einer schönen Zisterne und Badebecken ringsum und mit angenehmen Plätzen und langen, dunkeln Lauben. Es war hier bereits alles zur Taufe eingerichtet. Viele Menschen folgten Jesus zu einem Lehrplatz bei dem Brunnen, worunter sieben Bräutigame und deren Führer und Verwandte waren.

Jesus lehrte vom Sündenfall, vom Verderben der Menschen, von der Verheißung, von der Verwilderung und Entartung, von der Absonderung besserer Menschen, vom Wachen über die Vermählung, um die Tugenden und Gnaden der Eltern zu vererben, von der Heiligung der Ehe durch Gesetz, Mäßigung und Enthaltsamkeit. So kam Er auf Braut und Bräutigam zu sprechen und nahm ein Beispiel von einer Art Bäume auf der Insel, welche von Bäumen weit entfernt, ja übers Meer befruchtet werden und sagte, so mache die Hoffnung, das Vertrauen auf Gott und die Sehnsucht nach dem Heil die Demut und Keuschheit zur Mutter der Verheißung. In dieser Weise kam Er auf die geheime Bedeutung der Ehe, als der Verbindung des Trösters von Israel mit seiner Gemeinde, zu sprechen und nannte die Ehe ein großes Geheimnis. Er sprach so schön und wunderbar darüber, dass ich es nicht zu wiederholen wage. Er lehrte hierauf von der Buße und der Taufe, welche reinige und die Schuld der Trennung austilge und alle fähig mache, an dem Verband des Heils teilzunehmen.

Jesus sonderte sich auch mit einzelnen Täuflingen ab, hörte ihre Bekenntnisse, verzieh ihnen die Sünden und legte ihnen Enthaltungen und gute Werke auf. Jakobus der Jüngere und Barnabas tauften. Es wurden meist alte Leute und einige Heiden getauft, auch die drei geheilten Knaben, die bei der Taufe ihrer Eltern in Kapharnaum nicht getauft worden waren.

Nach Sabbatschluss brachten einige der Philosophen die Frage vor, ob denn Gott die schreckliche Sündflut habe über die Erde gehen lassen müssen und warum Er denn so lange die Menschen auf den Tröster warten lasse. Er habe ja das alles ändern und einen schicken können, der alles gutmache. Da lehrte Jesus, dass dieses nicht im Ratschluss Gottes gelegen sei und dass Er die Engel mit freiem Willen und mit englischen Kräften geschaffen habe und dass diese durch Hoffart von Ihm ab und in ein finsteres Reich gefallen seien und dass der Mensch zwischen diesem finstern Reich und dem Reich des Lichts abermal mit freiem Willen gestanden sei und sich durch die verbotene Frucht dem finsteren Reich hingegeben habe. Dass aber der Mensch nun mitwirken müsse, auf dass Gott ihm helfe und dass er das Reich Gottes herabziehen müsse, auf dass Gott es ihm gebe. Der Mensch habe wie Gott werden wollen durch den Genuss der verbotenen Frucht, und es könne ihm nicht geholfen werden, als wenn der Vater seinen Sohn unter ihnen aufstehen lasse, der sie wieder mit Gott aussöhne. Die Menschen seien aber so verunstaltet in ihrem ganzen Wesen, dass es großen Erbarmens und wunderbarer Führungen bedurft habe, um das Reich Gottes zur Erde zu führen, indem das Reich der Finsternis im Menschen es zurückstoße. Er sprach auch davon, dass dieses Reich keine weltliche Herrschaft und Herrlichkeit sei, sondern die Erneuerung und Aussöhnung des Menschen mit dem Vater und die Verbindung aller Guten in einen Leib.

Es waren die sieben Brautpaare zugegen, darunter ein paar Heiden, welche die Beschneidung angenommen hatten und Judentöchter heirateten. Andere Heiden, welche jüdisch gesinnt waren, hatten die Erlaubnis begehrt, die Lehre mitanhören zu dürfen.

Zuerst lehrte Jesus im allgemeinen über die Pflichten des Ehestandes und besonders der Frauen. Sie sollten nach den Augen des Mannes sehen und sonst die Augen niederschlagen. Er sprach von Gehorsam, Demut, Keuschheit, Arbeitsamkeit und Kindererziehung. Als die Frauen weggegangen waren, um in Leppe die Mahlzeit zu ordnen, bereitete Jesus die Männer zur Taufe.

Er sprach von Elias und von der großen Dürre des Landes, von der Wolke des Regens, die Elias erfleht habe und die aus dem Meere aufgestiegen sei. Es war auch heute eine solche weiße Nebelwolke wie neulich dicht über der Erde. Man konnte nicht weit um sich sehen. Jesus sprach von jener Dürre des Landes als der Strafe Gottes für die Abgötterei des Königs Achab. Gnade und Segen habe sich entfernt und es sei auch eine Dürre der Herzen gewesen. Er sprach von des Elias Verborgenheit am Bache Karith, wie der Vogel ihn ernährt habe und wie er gegen Sarepta zur Witwe gekommen sei und dieser geholfen habe, von seiner Besiegung der Götzendiener auf Karmel und wie die Wolke aufgestiegen und alles mit Regen erquickt habe. Jesus verglich diesen Regen mit der Taufe und ermahnte sie, sich zu bekehren, und nicht wie Achab und Jezabel in Sünde und Dürre des Herzens nach diesem Regen der Taufe, zu bleiben. Er sprach auch von Segola, jener frommen heidnischen Frau aus Ägypten, welche sich zu Abila niedergelassen, so viel Gutes getan und Gnade vor Gott gefunden habe. Er sprach von der Art, wie die Heiden streben und sich heiligen sollen, damit die göttliche Gnade zu ihnen komme; denn die heidnischen Zuhörer wussten von Elias und Segola.

Nach der Taufe der Bräutigame wurden Jesus und die Seinen mit allen Brautleuten und Rabbinern zu einer Mahlzeit zum Dorf Leppe, westlich von Mallep, von dem dortigen Judenlehrer eingeladen, dessen Tochter die Braut eines heidnischen Philosophen von Salamis war, der dort schon Jesu Lehre gehört und die Beschneidung angenommen hatte. Der Weg dahin führte sanft ansteigend und dann tiefer fallend durch schöne Alleen, wie in einem Garten. Bei Leppe führte die Straße zum etwa zwei Stunden entlegenen kleineren Hafen Cerinia hin. Die andere Straße, auf der Jesus mit den ziehenden Arabern sprach, zieht zum Hafen von Lapithus hin, der westlicher liegt. In Leppe wohnen die Heiden in einer Häuserreihe längs der Landstraße hin. Es ist Handel und Gewerbe dort. Die Juden wohnen abgesondert und haben eine schöne Synagoge. Ich sah in heidnischen Gärten Götzenbilder wie Wickelpuppen und auch auf einem öffentlichen Platz vom Weg ab in einer Umzäunung ein Götzenbild über Mannsgröße mit einer Art Ochsenkopf. Zwischen den Hörnern hatte es wie eine kurze Garbe. Es hockte auf den Beinen und hatte die kurzen Hände vorwärts hängend.

Es war hier ein einfaches Mahl von Vögeln, Fischen, Honig, Brot und Früchten. Die Bräute und Brautjungfern saßen abgesondert am Ende der Tafel und waren verschleiert. Sie trugen ganz lange gestreifte Kleider und hatten Kränze von bunter Wolle und Federchen auf dem Kopf.

Jesus lehrte während und nach der Mahlzeit von der Heiligkeit der Ehe und dass sie sich nur eine Frau nehmen sollten, denn sie hatten hier die Gewohnheit, sich leicht zu scheiden und eine andere zu nehmen. Dagegen sprach Er sehr streng und erzählte auch die Parabel vom hochzeitlichen Mahl, vom Weinberg und Königssohn. Es wurden von den Brautführern die Vorüberreisenden eingeladen, am Mahl und der Lehre teilzunehmen. Die drei geheilten Knaben musizierten und Mägdlein sangen und spielten.

Es war schon dunkel, als Jesus mit den Seinen nach Mallep zurückkehrte. Oben auf der Höhe des Weges war es sehr schön, man konnte das Meer sehen, das einen wunderbaren Schein von sich warf. In Mallep war die große Zurüstung zur Trauung der sieben Brautpaare. Die ganze Stadt schien an dem Fest teilzunehmen, denn sie ist ganz wie eine Art Verbrüderung, Arme Leute sieht man nicht. Sie wohnen abgesondert und werden verpflegt.

Mallep ist ganz regelmäßig gebaut. Es sieht aus wie ein Pfannkuchen, den man in fünf gleiche Stücke teilt. Die fünf Straßen, welche die Stadt einteilen, laufen in der Mitte auf den hohen, mit Bäumen und Terrassen umgebenen Brunnen zu. Vier von diesen Stadtteilen sind von zwei Querstraßen durchschnitten, welche im Kreis um den Mittelpunkt des Ortes, den Brunnen, herumführen. In einer der Zirkelgassen ist ein Haus, wo die Witwen und alten kinderlosen Mütter, von der Gemeinde unterhalten, zusammenleben. Schule halten und die Waisen pflegen. Auch für arme Fremde und Reisende ist ein Haus hier zur Pflege und zum Unterhalt. Der übrige Teil der Stadt enthält öffentliche Gebäude und wird durch die zu dem Brunnen führende Wasserleitung in zwei Hälften geteilt. In der einen Hälfte liegen der öffentliche Markt, mehrere Herbergen und ein Bewahrungshaus für die Besessenen, die hier nicht herumlaufen dürfen und deren Jesus auch schon einige geheilt hat, welche Ihm unter den andern Kranken zugeführt wurden. In der andern Hälfte liegt in der Nähe des Brunnens das allgemeine Fest- und Hochzeithaus, mit der Höhe seines Daches der Höhe des Brunnens gleichkommend. Sein Eingang ist nicht gegen den Brunnen zu, sondern in entgegengesetzter Richtung diesen Stadtteil hinabschauend, und es führt aus dem vorneliegenden Hof ein Gang zwischen grünen Laubwänden einige hundert Schritte weit die Gasse hinab bis zur Stelle, wo der Synagogenvorhof ist. Es ist dieses etwa zwei Drittel der Straßenlänge. Es führen zwar Zugänge aus den Kreisstraßen hierher, aber das Volk darf nicht immer und nur mit Erlaubnis bei Festen hierher.

Am Tag der Trauung nun wurde dieses Festhaus während des ganzen Morgens geschmückt. Unterdessen war Jesus mit den Seinen in der Herberge, wohin Männer und Frauen zu Ihm kamen, welche Unterweisung, Rat und Trost bei Ihm suchten, denn durch die Verbindung mit den Heiden hatten diese Leute oft Skrupel und Sorge. Auch die Brautpaare waren längere Zeit bei Jesus. Er sprach mit den Bräuten allein und einzeln, und es war wie Beichte und Unterricht. Er fragte sie, warum sie heirateten, ob sie auch an die Nachkommen dächten und deren Heil, welches eine Frucht der Gottesfurcht, Zucht und Mäßigkeit sei. Sie waren hierin nicht unterrichtet.

In dem offenen Laubgang wurden Bogen aufgerichtet, Teppiche, Blumenkronen und Früchtenkränze aufgehängt, auch Treppen und Galerien errichtet, dass man von oben in die Lust-Allee hinabschauen konnte. Vor der Synagoge war eigens eine offene Laube errichtet, und viele schöne Bäumchen in Kästen wurden aufgestellt. In den Höfen und Lauben um das Festhaus sah ich die Leute Speisegerüste herbeitragen. Wer etwas aus der Stadt schickte, nahm am Fest teil. Sie trugen die Speisen in langen Bahren herbei, welche zugleich als Tische dienten. Die Speisen, Brote und kleine Krüge standen darin und konnten aus kleinen Seitenöffnungen von dem davor liegenden Gast herausgenommen werden. Oben über die Bahre ward ein Teppich gebreitet, worauf sie aßen. Diese Bahren waren niedere, aber lange geflochtene Körbe, in denen die Speisen unter einem Deckel standen und aus den Seitenöffnungen herausgenommen wurden. Die Gäste lagen davor auf Decken an Polster gelehnt. All dieses wurde bereitet und von verschiedenen Seiten hingetragen.

Unter der Trauungslaube war ein Teppichhimmel aufgerichtet, Jesus und seine Jünger gingen auf Bitten hin. Und weil ehemalige Heiden unter den Bräutigamen waren, standen auch einige der Philosophen und andere Heiden in bescheidener Entfernung. Die sieben Bräute und ihre Bräutigame kamen von verschiedenen Seiten mit vortretenden, spielenden, bekränzten Knaben und Mädchen, von den Brautführern und -führerinnen begleitet und von ihren Verwandten umgeben, unter die Laube gezogen. Die Bräutigame hatten lange Mäntel um und an ihren Röcken Gürtel und Riemen mit Buchstaben und weiße Schuhe.

Sie hatten gelbe Tücher in den Händen. Die Bräute hatten sehr schöne wollweiße lange Kleider an, mit Goldblumen und Linien durchziert. Ihre Haare, worunter auch gelbe, waren über dem Rücken zu einem Netz mit Perlen und Goldfäden verflochten und unten mit einem Rand eingefasst. Der Schleier lag im Nacken und über das Gesicht nieder, auf dem Kopf selbst war ein Ring mit drei Zacken und einem höheren Bügel vorne, hinter welchem man den Schleier auflüften konnte. Sie trugen auch Feder- oder Seidenkrönchen. Mehrere dieser Schleier waren ganz glänzend, als seien sie von schöner Seide oder sonst seltsamem Gewebe. Sie trugen lange goldene Fackeln in den Händen, wie Leuchter ohne Füße. Sie hielten sie mit einem schwarzen oder dunkeln Tuch gefasst und hatten weiße Schuhe oder Sandalen.

Bei der Trauung, welche durch Rabbiner geschah, waren allerlei Gebräuche, die ich nicht mehr recht nach der Ordnung weiß. Es wurden Rollen abgelesen, ich meine Heiratsverträge und Gebete. Das Paar trat unter den Teppichhimmel, die Verwandten warfen Weizen nach ihnen und sprachen einen Segen aus. Der Rabbiner verwundete Braut und Bräutigam am kleinen Finger und ließ einige Tropfen Blut von jedem in einen Becher Wein laufen, den sie zusammen tranken. Dann reichte der Bräutigam den Becher hinter sich, und er wurde in ein Becken mit Wasser gelegt. Es lief von dem Blut in die flache Hand, und sie rieben sich einander dies in die Hände, die sie sich reichten. Es wurde ein weißes Fädchen um die Wunde gelegt und die Ringe gewechselt. Ich meine, sie hatten nachher zwei Ringe, einen am kleinen, den andern am Zeigfinger. Dabei wurde eine gestickte Decke oder Bahn über das Haupt des Paares gelegt. Die Braut nahm die Fackel, die sie einstweilen der Führerin gegeben hatte, mit dem schwarzen Tuch in die Rechte und gab sie in die Rechte des Mannes, der sie in die Linke nahm und ihr in die Linke gab, worauf sie dieselbe der Führerin wieder gab. Es wurde auch ein Becher Wein gesegnet, woraus alle Verwandten tranken. Wenn die Braut nun vermählt war, nahmen ihr die Führerinnen den Kopfputz ab und verschleierten sie. Dabei bemerkte ich, dass das große Haargewebe falsches Haar war.

Die Trauungen wurden durch drei Rabbiner vollzogen. Das Ganze dauerte an drei Stunden. Danach zogen zuerst die Bräute mit ihrem Zug zum Festhaus durch den Laubengang. Die Männer folgten unter den Segenswünschen der Zuschauer. Nach dem Imbiss gingen die Brautleute zum Badegarten an der Wasserleitung, wo sie sich belustigten.

Am Abend war in der Synagoge eine Lehre für die Getrauten. Nachdem die Rabbiner gesprochen hatten, baten sie auch Jesus, den neuen Eheleuten eine Unterweisung zu geben.

Am folgenden Tag zogen die sieben Paare samt allen Gästen mit Musik wieder zum Festhaus. Die Jünger Jesu waren auch zugegen, aber sie nahmen nur als Dienende Anteil. Es wurden den Brautpaaren Backwerk und Früchte auf schönen Gefäßen gereicht. Es waren vergoldete Äpfel mit vergoldeten Kräutern und Blumen besteckt. Auch kamen Scharen von Kindern mit Gesang und Musik. Es waren fremde, sangen und spielten ums Brot, wurden beschenkt und zogen wieder ab. Hernach spielten die drei von Jesus geheilten Knaben und mehrere andere Chöre aus der Stadt, und es wurde ein ganz eigener Tanz in einer länglichen viereckigen Laube aufgeführt, auf einem wiegenden gepolsterten Grund. Es war, als seien schwankende Bretter auf eine dichte Moosfläche gelegt. Sie standen in vier doppelten Reihen, welche sich den Rücken wandten. Die Paare tanzten, sich wechselweise die Hände an den Tüchern fassend, von dem ersten Platz, der ersten Reihe bis zum letzten Platz der vierten, und alles war bald in einer schlängelnden Bewegung. Sie hüpften nicht, aber bewegten den ganzen Leib, schön hin und her schwankend, als ob sie keine Beine im Leib hätten. Die Bräute und alle Frauen hatten ihre Schleier in den goldenen Bügeln ihres Kopfputzes aufgeschürzt. Nach dem Tanz nahm man Erfrischungen zu sich, welche in den vier Ecken der Laube auf Gestellen aufgesetzt waren. Sie zogen dann wieder mit Musik hinaus in den Garten am Badebrunnen.

Hier wurden in Lauben und auf Rasenplätzen Spiele gespielt, die in Laufen, Springen und Nach-dem-Ziele-Werfen bestanden. Die Männer spielten allein und auch die Frauen. Es geschah um kleine Preise und Strafen an Münzen, Gürteln, kleinen Zeugstücken, Bahnen um den Hals. Wer nichts hatte, ließ es beim Anbieter holen, der mit seinem Vorrat sich in der Nähe eingefunden hatte. Alle Gewinne und Bußen empfingen aber die Ältesten, die alles den zuschauenden Armen austeilten. Die Bräute und Jungfrauen spielten auch Ringel- und Reihenspiele. Sie hatten sich bis zu den Knien geschürzt, und die Beine waren darunter mit weißen Zeugbahnen umwickelt, ihre Schleier waren aufgekrempelt und um den Kopf hinter die Stirn und Ohrenbügel geschürzt. Sie sahen gar schön und flink aus. Sie fassten sich an dem Gürtel mit der linken Hand und bildeten so einen Kreis, der sich drehte, und warfen mit der Rechten sich einen gelben Apfel zu, nach dem sie haschten, und die, welche ihn nicht fing, musste ihn, im Drehen des Kreises sich niederbückend, von der Erde aufheben. Zuletzt spielten sie mit den Männern gemeinschaftlich. Sie saßen in Reihen einander gegenüber und schoben in Rinnen sich welche gelbe Früchte zu. Wenn die Früchte sich trafen, zerplatzten sie, und sie lachten. Gegen Abend zogen sie nach Hause. Es war ein festlicher Zug. Die Brautleute wurden auf geschmückten Eseln abgeholt. Die Bräute saßen in Quersätteln, Musik ging vorher, und alles folgte jubelnd ins Festhaus, wo noch eine Mahlzeit war.

Die Bräutigame gingen auch zu den Rabbinern und legten in der Synagoge ein Gelübde der Enthaltung während gewisser Feste ab. Sie wurden in einen Büßerstand verwiesen, wenn sie dieses Gelübde brachen. Sie versprachen, in der Pfingstnacht zusammen zu wachen und Gebete abzulesen. Vom Festhaus aus wurden die Paare in ihre Haushaltungen eingewiesen. Jener Teil, der ein Haus als Mitgift brachte, stand vor demselben, und die Verwandten führten den andern Teil aus dem Festhaus dahin, indem sie dreimal mit ihm um das Haus zogen. Auch die Hochzeitsgeschenke wurden feierlich hineingetragen, und die Armen wurden beschenkt.

18. Das Pfingstfest, Jesus lehrt über die Taufe

In Mallep ist nun alles mit den Vorbereitungen zum Fest mit Putzen, Scheuern und Baden beschäftigt. Die Synagoge und viele Häuser sind mit grünen Bäumen und Blumenkränzen geschmückt und der Boden mit Blumen bestreut. Die Synagoge wurde ausgeräuchert und die Gesetzrollen wurden mit Blumen bekränzt. Im Vorhof der Synagoge werden Pfingstbrote in eigens dazu bestimmten Kammern gebacken, wozu die Rabbiner das Mehl segneten. Zwei Brote sind aus Weizen der diesjährigen Ernte. Für andere Brote und große dünne gekerbte Kuchen, um sie in Bissen zu brechen, war das Mehl aus Judäa von dem Feld vorgeschrieben, auf welchem Abraham das Opfermahl des Melchisedech empfangen hatte. Das Mehl war in langen Büchsen hierher gesandt. Sie nannten es die Saat Abrahams. Dieses wurde nicht gesäuert. Alles musste gegen vier Uhr fertig sein. Es waren noch Mehl und Kräuter da, die gesegnet wurden.

Am Morgen dieses Tages lehrte Jesus in seiner Herberge vor den getauften Heiden und alten Juden vom Pfingstfest, vom Gesetz auf Sinai und von der Taufe sehr tiefsinnig. Er berührte vieles, was sich aus den Propheten darauf bezog. Er sprach auch von den heiligen Broten, die zu Pfingsten geweiht werden, von dem Opfer Melchisedechs und dem von Malachias prophezeiten Opfer. Er sagte, dass dessen Einsetzung nahe sei und dass alsdann, wenn dieses Fest wiederkehren werde, eine neue Gnade über die Taufe kommen werde, und dass alle Getauften, welche alsdann an den Tröster von Israel glauben würden, dieser Gnade teilhaftig werden sollten. Als hierüber Streit und Disputieren entstand und einige es gar nicht verstehen wollten, sonderte Jesus ungefähr fünfzig ab, welche reif zu seiner Lehre seien. Die andern wies Er hinweg, um sie ein andermal vorzubereiten. Hierauf wandelte Er mit den Ausgewählten vor die Stadt zu den Wasserleitungen am Badegarten und lehrte. Ich sah sie bald stehen und mit allerlei Bewegungen Fragen und Einwürfe machen und sah Jesus mit emporgehobenem Zeigefinger oft etwas erklären. Sie hatten bei ihren Gesprächen viele Gebärden mit Händen und Fingern. Als Er ihnen die große Gnade und das alleinige Heil durch die Taufe erklärte, welches nach der Vollbringung jenes Opfers kommen werde, fragten einige, ob ihre jetzige Taufe denn diese Gnade auch habe? Er sagte, ja, so sie im Glauben beharrten und jenes Opfer erkennen würden, denn selbst die Altväter, welche diese Taufe nicht empfangen, aber sich danach gesehnt und sie im Geiste geahnt hätten, würden Hilfe durch jenes Opfer und jene Taufe empfangen.

Es fragte auch einer, ob denn die Toten auch von der Taufe etwas haben könnten, also die Seelen im Reinigungsort, die doch gar nichts davon wüssten? Da sagte ihnen Jesus: Ja, die Verstorbenen könnten die Taufgnade empfangen durch das Gebet und die guten Werke der Lebenden, und wenn diese mit vollem Glauben und mit der vollen Liebe sich sehnten, den Geistern der Verstorbenen die Taufe zu erteilen, so sie könnten. Sie würden alsdann nach der Vollbringung jenes Opfers der vollen Gnade der Taufe teilhaftig.

Die Heiden sprachen viel hierüber und schienen es besser als die Juden aus einigen ihrer Gebräuche zu verstehen. Einer nahm einen Zweig, da sie eben an einem Bächlein waren, tauchte ihn hinein und fragte Jesus, ob es denn erlaubt sei, nach eifrigem Gebet den Zweig ins Wasser zu tauchen und zu sprengen, mit dem Wunsch, jene Seelen zu taufen, welche danach verlangten? Und der Herr nannte dieses gut und sehr nützlich, wenn es aus inniger Begierde zu helfen, mit Glauben, Hoffnung und Liebe geschehe. Er sprach auch von dem Nutzen des eifrigen Gebets in dieser Festzeit, welches die frommen Israeliten allezeit beobachtet und um die Erfüllung des Trostes von Israel gefleht hätten.

Jesus sprach sehr viele tiefe Dinge, welche ich nicht mehr richtig wiederholen kann. Ich erinnere mich, dass ich sonst immer gesehen habe, wenn Jesus nach der Auferstehung mit den Seelen der Altväter durch Palästina wandelte, dass Er sie auch an seinen Taufort am Jordan geführt und sie Selbst getauft hat. Vielleicht war dieses geistigerweise so eine Handlung, um welche der Heide mit dem Zweig an der Quelle fragte, nur dass ich diese Seelen wirklich gesehen habe.

Vor Eintritt des Sabbats wurden die Rabbiner von den Schulkindern feierlich in die Synagoge abgeholt, so auch die Bräute von den Frauen und auch die Bräutigame von den jungen Männern. Jesus begab sich mit den Seinen auch zur Synagoge. Der Gottesdienst war keine besondere Erklärung, sondern nur Singen und wechselweises Lesen und Beten. Die geweihten Brote wurden in Stückchen in der Synagoge verteilt. Sie hielten es für ein Mittel gegen Krankheiten und Zauberei. Mehrere Juden, unter andern die sieben jungen Ehemänner, brachten die Nacht unter Gebet in der Synagoge zu. Viele Bewohner der Stadt gingen in Scharen, zu zehn oder zwölf, ins Freie auf Hügel und Gärten. Sie hatten eine Fackel auf einer Stange und beteten die ganze Nacht dabei. Die Jünger und getauften Heiden taten es auch. Jesus aber ging allein ins Gebet. Auch die Frauen waren in den Häusern versammelt und beteten. Am Festtag war man den ganzen Morgen in der Synagoge mit Gebet, Gesang und Lesen des Gesetzes beschäftigt. Auch hielt man eine Art Prozession. Die Rabbiner, Jesus an ihrer Spitze, und viel Volk zogen in den Gängen um die Synagoge her, standen an verschiedenen Stellen nach den Weltgegenden hin und sprachen den Segen über Land und Meer und alle Gegenden aus. Nach einer Pause von etwa zwei Stunden kam man nachmittags wieder zur Synagoge und das abwechselnde Lesen dauerte fort. In einigen Pausen fragte Jesus: «Habt ihr dieses verstanden ?» und legte ihnen einige Teile aus. Es wurde der Durchgang durchs Rote Meer und bis zum Gesetz auf Sinai gelesen. Ich aber sah diese Dinge, während sie lasen, und erinnere mich noch an folgendes

Bild vom Durchgang durchs Rote Meer

Die Israeliten lagen wohl eine Stunde lange Strecke dem Roten Meer entlang in einer Tiefe. Das Meer war sehr breit dort, und es waren mehrere Inseln von einer halben Stunde Länge und Halbviertel- bis Viertelstunde Breite darin. Pharao mit seinem Heer suchte die Israeliten anfangs weiter oben und fand sie durch Kundschafter. Er glaubte sie gewiss in seinen Händen vor dem Meer. Die Ägypter waren sehr erbittert wegen der Mitnahme ihrer heiligen Gefäße, vieler Götzen und Religionsgeheimnisse. Als die Israeliten ihre Nähe vernahmen, waren sie ganz in Todesangst. Moses aber betete und sagte ihnen, sie sollten auf Gott vertrauen und ihm folgen. Da trat die Wolkensäule hinter die Israeliten und machte einen so dichten Nebel hinter ihnen, dass die Ägypter sie gar nicht sehen konnten. Moses aber trat ans Ufer mit seinem Stab, der zwei Sprossen und oben einen Knopf hatte, betete und schlug ins Wasser. Da erschienen vor der Mitte des linken und des rechten Flügels des Heeres, wie auf dem Meer wurzelnd, zwei große Lichtsäulen, oben mit einer Flammengarbe, die sich in eine Flamme zuspitzte, und ein starker Wind trieb das Meer auseinander, die ganze Breite des Heeres entlang, wohl in der Breite einer Stunde, und Moses wandelte zu dem Meeresboden auf sanftem Abgang nieder, und das ganze Heer folgte höchstens in der Breite von fünfzig Mann. Anfangs war der Grund etwas schlüpfrig, bald aber gingen sie auf dem sanftesten Grasboden, wie auf Teppichen vorwärts. Die Feuersäulen leuchteten vor ihnen und es war alles wie lichter Tag. Das Schönste aber waren die Inseln, über die sie sich ergossen und die wie schwimmende Gärten waren, voll der herrlichsten Früchte und allerlei Tieren, die sie einsammelten und mit sich trieben, und ohne dieses würden sie jenseits Mangel an Nahrung gehabt haben.

Das Wasser des Meeres war aber an beiden Seiten nicht wie eine Mauer senkrecht durchschnitten, sondern mehr wie Gallerte geronnen. Sie gingen mit eilenden, vorwärtsstürzenden Schritten, wie schwebend, wie einer, der bergab eilt. Es war gegen Mitternacht, als sie hineinzogen. Die Lade mit Josephs Reliquien ging mitten im Heer. Die Lichtsäulen wuchsen aus dem Wasser empor, schienen zu wirbeln und gingen nicht über die Inseln, sondern drum her. Auf einer gewissen Höhe verloren sie sich in einen Schein. Das Wasser wich nicht auf einmal, sondern vor Moses Schritten wich es, keilförmigen Raum lassend, bis zur völligen Furt. Daher sah man in der Nähe der Inseln bei dem Schein der Säulen Bäume und Früchte sich darin spiegeln. Sie zogen wunderbar in drei Stunden hindurch, da sie doch neun Stunden natürlicherweise gebraucht hätten. Eine Stadt lag etwa sechs bis neun Stunden höher am Ufer, die später vom Wasser vernichtet war.

Um drei Uhr kam Pharao auch zum Ufer nieder und wurde vom Nebel wieder zurückgetrieben, dann aber fand er die Fährte und rollte mit vielen schönen Wagen hernieder, und sein ganzes Heer eilte nach. Doch Moses, schon jenseits am Ufer, befahl dem Wasser, zurückzukehren, und Nebel und Feuer verwirrte das Heer, und sie kamen alle elend im Wasser um, Israel lobte Gott, als es seine Rettung am Morgen erblickte. Jenseits wurden die zwei Lichtsäulen wieder eine Feuersäule. Ich kann die Schönheit des Bildes nicht genug beschreiben.

Tags darauf ging Jesus mit den Jüngern in zwei Stadtviertel, die Er noch nicht besucht hatte. Mehrere Leute hatten Ihn bitten lassen. Er heilte kranke Männer und Frauen, welche abgesondert in angebauten Zellen in den Höfen lagen, ermahnte und tröstete manche melancholische Menschen, die ein geheimer Kummer verzehrte. Alles war in Mallep so wohl eingerichtet, dass jedes Leiden, wodurch die Ehre verletzt wird, geheim gehalten werden konnte. So fragten mehrere Frauen, wie sie sich verhalten sollten? Die Männer seien ihnen ungetreu und sie trügen Scheu, sie anzuklagen wegen des öffentlichen Ärgernisses und der schweren Strafe. Sie wünschten Änderung, oder geschieden zu werden. Jesus tröstete und ermahnte sie zur Geduld. Sie sollten überlegen, ob sie ihre Männer von Ihm oder von seinen ausländischen Jüngern ermahnt haben wollten, damit der Verdacht der Anklage nicht auf sie falle und es im Land nicht bekannt werde. Es wurden Jesus auch viele Kinder zum Segnen in die Häuser gebracht.

Am Nachmittag ging Er in ein großes Haus, wo hinten im Hof in einem Gang, getrennt voneinander, viele vornehme kranke Männer lagen und auf der andern Hofseite ebenso Frauen. Es waren ganz untröstliche, melancholische, kranke Leute darunter, welche weinten. Er heilte etwa zwanzig und sagte, was sie essen und trinken sollten, und wies sie zum Baden. Hernach ließ Er alle zusammenkommen lehrte zuerst die Frauen, dann die Männer. Dies währte schier bis zum Abend, da Jesus sich zur Synagoge begab.

19. Jesus hält in der Synagoge eine ernste Strafpredigt

Es war die Lesung aus Levitikus 26, und Jeremias 17, vom Fluch Gottes über die, welche seine Gebote nicht halten, vom Zehnten, von Abgötterei, von entheiligtem Sabbat usw.. Jesus hielt hier eine so strenge Strafrede, dass sehr viele Leute ganz zerknirscht schluchzten und weinten. Die Synagoge war überall offen, und seine Stimme tönte so hell und einzig wie keine andere Menschenstimme. Er lehrte besonders gegen jene, welche sich an die Kreaturen hängen und von Menschen Hilfe und Lust erwarten. Er sprach von dem teuflischen Zug der Ehebrecher und Ehebrecherinnen zueinander, von dem Fluch der verletzten Eheleute, der auf die Kinder solcher Vermischungen komme, dessen Schuld aber auf die Ehebrecher falle. Die Leute waren so erschüttert, dass viele am Schluss der Lehre sagten: «Ach, Er sprach, als ob der Tag des Gerichts schon nahe sei!» Auch gegen die Hoffart spitzfindiger Gelehrsamkeit und Grübeleien sprach Jesus. Er zielte damit auf das Treiben jüdischer Gelehrsamkeit an der großen Schule, welche für solche Juden hier war, die nachher auf ihrer Wissenschaft weiterreisten.

Nach dieser Strafrede kamen viele Leute in die Herberge Jesu, welche Hilfe und Aussöhnung verlangten. Es waren Gelehrte und Schüler von hiesiger Schule darunter, die Anweisung verlangten, wie sie ihre Studien treiben sollten. Auch sonst geängstigte Menschen, die in allerlei Händel mit den Heiden verwickelt waren, weil ihre Güter an die der Heiden grenzten. Es waren aber auch die Männer jener Frauen dabei, welche bei Jesus geklagt hatten, und andere in gleichen Verbrechen, über die keine Anklage gekommen war. Sie traten einzeln als Sünder vor Jesus, warfen sich vor Ihm nieder, bekannten ihre Schuld und flehten um Aussöhnung. Sie waren besonders geängstigt, dass der Fluch ihrer Frauen die unehelichen, sonst unschuldigen Kinder treffen könnte, und fragten, ob dieser Fluch gesühnt und getilgt werden könne. Jesus sagte, dass der Fluch durch große Liebe und Aussöhnung des Fluchenden und durch Buße und Reue des Veranlassers zu tilgen sei. Der Fluch müsse zurückgenommen werden vor dem Priester, der darüber segnen müsse. Er sagte auch, der Fluch treffe die Seelen nicht, denn der allmächtige Vater sage: Alle Seelen sind mein. Aber er treffe das Fleisch und zeitliche Gut. Das Fleisch aber sei das Haus und Werkzeug der Seele, und das verfluchte Fleisch mache der Seele große Not und Bedrängnis, welche an der mitempfangenen eigenen Bürde schon so schwer trage. Ich sah bei dieser Gelegenheit, wie der Fluch verschieden wirkt durch die Intention des Fluchenden und durch das Wesen der Kinder selbst. Viele Konvulsionäre und Dämonische haben davon ihren Zustand. Die unehelichen Kinder selbst sehe ich meistens mit zeitlichen, sündhaften Vorzügen. Sie haben etwas von jenen, die aus der Vermischung der Kinder Gottes mit den Töchtern der Menschen hervorgingen. Sie sind oft schön, listig, voller Verstecktheit, steter Begierde, möchten alles an sich reißen und wollen das doch nicht anerkennen. Sie tragen das Gepräge ihres Ursprungs in ihrem Fleisch und ihre Seele geht häufig dadurch zugrunde.

Nachdem Jesus diese Sünder einzeln angehört und ermahnt hatte, mussten sie ihre Frauen zu Ihm senden. Auch diesen sagte Er einzeln die Reue der Männer, ermahnte sie zu herzlicher Aussöhnung und gänzlichem Vergessen und Zurücknahme des Fluches. So sie nicht herzlich hierin handelten, komme die Schuld des Rückfalls auf sie. Die Frauen weinten und dankten und versprachen alles. Mehrere Paare söhnte Jesus heute gleich aus, indem Er sie vor Sich treten ließ und sie wie neu zu Trauende mancherlei fragte, ihre Hände zusammengab, sie mit einer Bahn Zeug bedeckte und segnete. Die Frau eines untreuen Mannes nahm ihren Fluch von den außerehelichen Kindern desselben, deren Mutter eine Heidin war und die im jüdischen Kinderhaus hier erzogen wurden, feierlich zurück, indem sie in Gegenwart Jesu über der Kinder Haupt ihrem Mann kreuzweise die Hand reichte, den Fluch widerrief und die Kinder segnete. Jesus gab den Ehebrechern eine Buße an Almosen, Fasten, Enthaltung und Gebet auf. Jener, welcher mit der Heidin gesündigt hatte, war ganz verwandelt. Er lud Jesus demütig zur Mahlzeit ein, und Jesus kam mit seinen Jüngern zu ihm. Es waren ein paar Rabbiner eingeladen, die, wie alle in der Stadt, über dieses Mahl sehr verwundert waren, denn dieser Mann war als leichtsinnig und weltlich bekannt, der sich eben nicht viel um Priester und Propheten bekümmerte. Er war reich und hatte Feldgüter, die seine Knechte bauten. Das Haus lag bei jenem Krankenhaus, wo Jesus die Schwermütigen geheilt hat. Bei der Mahlzeit kamen zwei Töchterchen des Hauses und gossen Jesus köstliche Salbe auf das Haupt.

Nach der Mahlzeit ging Jesus und alles Volk zur Synagoge, den Sabbat zu schließen. Jesus setzte seine gestrige Lehre fort, aber nicht mehr so streng, und sprach, wie Gott sie doch nicht verlassen wolle, so sie zu Ihm riefen. Zuletzt sprach Er noch von dem Hängen an ihren Häusern und Gütern und ermahnte sie, so sie seiner Lehre glaubten, die große Gelegenheit zur Sünde, in der sie unter den Heiden lebten, zu verlassen und im Gelobten Land unter den Ihrigen der Wahrheit zu folgen. Judäa sei groß genug, sie zu ernähren und aufzunehmen, wenn sie auch anfangs unter Zelten leben müssten. Es sei besser, alles zu verlassen, als die Seele zu verlieren wegen ihrer Abgötterei mit ihren schönen Häusern und Gütern und ihrer Bequemlichkeit zu sündigen. Auf dass das Reich Gottes zu ihnen komme, sollten sie ihm entgegengehen. Sie sollten nicht trotzen auf diese schönen festen Wohnungen in einem lustigen Lande, denn die Hand Gottes werde sie hier ereilen und sie würden alle hier vertrieben und ihre Wohnungen zerstört werden. Er wisse wohl, ihre Tugend sei scheinheilig und ruhe auf Lauigkeit und Bequemlichkeit. Sie strebten nach den Gütern der Heiden und suchten sie durch Wucher, Handel, Bergbau und Heiraten an sich zu ziehen. Sie würden sie aber einst alle verlieren. Er warnte sie auch vor solchen Heiraten mit den Heiden, wo beide Teile lau in ihrem Glauben würden und nur um Gut und Geld, um größere Freiheit und Sinnenlust sich verbänden. Alle waren sehr erschüttert und getroffen, und viele baten, mit Ihm sprechen zu dürfen.

Auch an dem folgenden Tag war Jesus bis in die späte Nacht in vielen Häusern, um zu mahnen, zu trösten und zu versöhnen. Es waren auch ein paar Frauen vor Ihm, die selbst sich über ihre außerehelichen Kinder anklagten. Jesus ließ ihre Männer kommen, söhnte sie aus und verband sie. Die Kinder wurden von den Männern angenommen und gesegnet, ohne zu wissen warum. Für die Frauen war es eine große Überwindung, außereheliche Kinder ihrer Männer aufzunehmen. Aber es gelang allen hier von Herzen, so dass die Männer sie darum um so mehr lieben mussten und Kinder ihrer Frauen segneten, welche nicht von ihnen waren. So kam eine gründliche Versöhnung zustande und alles Ärgernis wurde vermieden.

Viele Leute suchten auch Trost bei Jesus wegen seiner strengen Mahnung, aus dem Heidenland zu ziehen. Jesu Lehre gefiel ihnen wohl und sie fühlten sich als getrennte Juden sehr geehrt durch seinen Besuch. Aber das Nachfolgen und Wegziehen wollte ihnen nicht behagen. Sie saßen hier reich und bequem, hatten eine selbstgebaute Stadt, vielen Handel und Anteil am Bergbau. Sie bereicherten sich von den Heiden, waren von den Pharisäern nicht gequält, von Pilatus nicht bedrängt, waren zeitlich in der behaglichsten Lage, aber der Verbindung mit den Heiden sehr ausgesetzt. Heidnische Güter und Höfe lagen in der Nähe, die heidnischen Töchter heirateten gerne Juden, weil die Frauen nicht so sklavisch behandelt wurden wie bei ihnen, und so lockten sie die jungen Leute auf alle Weise mit Geschenken, Gefälligkeiten und Verführung. Wurden sie auch Jüdinnen, so war es doch kein rechter Ernst, es war aus unlauterer Absicht, und so schlich sich leicht Zuchtlosigkeit und Lauigkeit in die Familien ein. Die Juden waren überhaupt hier nicht so einfach und gastfrei wie in Palästina. Sie waren mehr eingerichtet und nicht so auf dem Stamm gewachsen und brachten allerlei Skrupel gegen das Wegziehen vor. Jesus stellte ihnen vor, dass ihre Väter doch auch Häuser und Felder in Ägypten gehabt und sie gerne und willig verlassen hätten, und Er bestätigte ihnen sein Wort von ihrem künftigen Unglück hier im Lande nochmals. Die Jünger und besonders Barnabas gingen viel in der Nähe umher, lehrten und berichteten die Leute. Sie hatten weniger Scheu vor Barnabas und fragten ihn um alles. Er hatte einen ganzen Kreis um sich.

20. Jesus zieht zu den Bergwerksarbeitern bei Chytrus

Von Mallep begab sich Jesus mit den Jüngern, dem jüngst von Naim angekommenen Jünger und den Söhnen des Cyrinus von Salamis, welche auch in diesen Tagen gekommen waren - sie waren ungefähr zu zwölf - nach einem Bergmannsdorf bei Chytrus, aber auf einem großen Umweg von etwa sieben Stunden. Er verweilte bei einzelnen Arbeitern am Weg und sprach vom Bahnen des Weges zum Guten. Jesus war nach diesem Bergmannsdorf durch die Familie des Barnabas und mehrere Leute von Chytrus eingeladen worden, weil die jüdischen Bergleute dort ein Fest halten und Geschenke und ihren Teil an der Ernte von der Herrschaft empfangen. Den Umweg machte Jesus, um ungestört mit seinen Jüngern sprechen zu können und nicht so früh an dem Ort zu sein. Er ließ sich nun alles von dem Jünger aus Naim erzählen, was diesem aufgetragen war, denn wenn Er gleich alles wusste, so pflegte Er dieses doch nicht zu äußern, weil es die Mitlebenden gestört hätte.

Der Jünger war den Tag vor Pfingsten, nachdem die Opfergelder gebracht worden waren und die Meuterei des Pilatus geschehen war, aus Jerusalem nach Naim, von Naim über Nazareth nach Ptolemais und von da nach Zypern abgereist. Er erzählte Jesus, dass seine Mutter und die andern heiligen Frauen, Johannes und einige Jünger das Pfingstfest in Nazareth still gefeiert hätten und dass seine Mutter und Freunde Ihn grüßen und bitten. Er möge doch einige Zeit in Zypern verweilen, damit alles noch ruhiger von Ihm würde. Die Pharisäer sagten schon, dass Er sich verlaufen habe. Herodes habe Ihn auch nach Machärus fordern wollen unter dem Vorwand, sich mit Ihm wegen der in Thirza ausgelösten Gefangenen zu besprechen, habe Ihn aber gefangen halten wollen, wie Johannes.

Der Jünger erzählte von des Pilatus Meuterei am Rüsttag vor Pfingsten, da die Juden ihre Opfer zum Tempel brachten, wobei ein paar Freunde Jesu, Tempeldiener von den Verwandten des Zacharias, die zufällig unter das Gedränge gerieten, umgekommen sind. Jesus wusste es schon und war darüber betrübt. Die Nachricht machte Ihn abermals nebst den Jüngern sehr betrübt. Pilatus war am Abend vorher zur Stadt hinausgezogen und hatte sich mit einigen Truppen seitwärts vom Weg nach Joppe, wo er ein Schloss besaß, aufgehalten. Er hatte die Opfersteuer des Festes begehrt, um sehr weither eine Wasserleitung machen zu lassen, und hatte auf Erztafeln den Kopf des Kaisers und darunter eine Schrift, welche die Abgabe begehrte, an den Ausgängen des Tempels an den dort befindlichen Säulen aufrichten lassen. Das Volk war sehr verärgert über die Bilder, und die Herodianer wiegelten durch ihre Leute eine Schar Galiläer von der Partei des Judas Gaulonita, der beim letzten Tumult erstochen worden war, auf. Herodes, der heimlich in Jerusalem war, wusste darum. Das Gesindel war am Abend ganz toll, riss die Tafeln herunter, verstümmelte und beschimpfte die Bildnisse und warf die Trümmer vor das Prätorium am Markt und schrie: «Da hast du dein Opfergeld!» Sie liefen dann auseinander, und man rügte es nicht besonders. Als sie aber am andern Morgen aus dem Tempel wollten, waren die Ausgänge mit Wachen besetzt, welche das von Pilatus befohlene Geld begehrten. Und da sie sich widersetzten und durchdringen wollten, drangen Verkleidete mit ihnen heraus, die sie mit kurzen Schwertern erstachen. Darüber wurde der Lärm allgemein, und die beiden herzulaufenden Tempeldiener wurden auch mit erschlagen. Aber die Juden wehrten sich und trieben die Soldaten in die Burg Antonia zurück.

Jesus sprach auf dem Weg vieles mit den Jüngern von den Einwohnern in Mallep, ihrem Hängen an zeitlichen Gütern und wie schwer ihnen die Zumutung falle, nach Palästina zu ziehen. Auch sprach Er von den heidnischen Philosophen, welche Ihm folgen würden, und wie sie sich in Palästina gegen sie verhalten sollten, wenn sie ihre Mitgefährten würden. Er tat dieses, weil sie nicht recht mit diesen Philosophen zusammenzustimmen schienen und sich etwas an ihnen ärgerten.

Gegen Abend kamen sie ins Bergmannsdorf, eine halbe Stunde von Chytrus. Es liegt in der Nähe der Bergwerke um einen hohen Felsrücken herum, in welchen viele Wohnungen mit der Rückseite eingebaut sind. Auf diesem Felsrücken sind Gärten und ein mit schattigen Bäumen umgebener Lehrplatz. Es führen Stufen auf diesen Rücken, von dem man das Dorf überschaut. Jesus ging zu einer Herberge, wo der Aufseher wohnt, der diesen Leuten befiehlt und ihnen Sold und Lebensmittel verabreicht. Die Leute empfingen Ihn sehr freudig. Es waren auf das Fest schon alle Eingänge des Ortes und das Haus des Aufsehers mit grünen Bogen und Blumenkränzen geschmückt. Sie führten Jesus und die Seinen in das Haus, wuschen ihnen die Füße und boten Ihm einen Imbiss. Er zog dann mit ihnen auf den Felsen zum Lehrhügel. Er saß und die Menge lagerte umher. Er sprach vom Glück der Armut und Arbeit, wie sie glücklicher seien als die reichen Juden in Salamis, wie vor Gott nur der Tugendhafte reich sei und wie sie weniger Gelegenheit zur Sünde hätten. Er sagte auch, dass Er zu ihnen komme, um zu zeigen, dass Er sie nicht verschmähe, dass Er sie liebe. Er lehrte bis in die Nacht vom Vaterunser in Parabeln.

Von Chytrus aus waren Vorräte jeder Art an Kleidungsstücken, Speisen und Getreide hierher geschafft worden, und tags darauf kamen des Barnabas Vater und Brüder und mehrere vornehme Bürger und Bergwerksbesitzer mit einigen Rabbinern von Chytrus hierher. Nachdem alle Gaben auf Plätze des Ortes zusammengetragen waren, wo das Volk sich in Reihen versammelt hatte, gingen sie dahin. Hier wurde muldenweise Getreide ausgeteilt, auch große Brottafeln, etwa zwei Fuß ins Geviert, Honig und Früchte, Krüge und lederne Kleidungsstücke, Decken und allerlei Gerätschaften. Die Frauen erhielten Stücke von dickem Zeug, wie Teppiche, von etwa anderthalb EIlen ins Geviert. Während des Austeilens war Jesus mit den Jüngern auch zugegen. Darnach lehrte Er auf der Felshöhe, wo alles wieder versammelt war, von den Arbeitern im Weinberg und vom barmherzigen Samaritan, vom Dank und Segen der Armut, vom täglichen Brot und vom Vaterunser. Nach dieser Lehre hatten die Leute ein Gastmahl im Freien unter Lauben, wobei Jesus, die Jünger und die vornehmeren Leute ihnen dienten. Knaben und Mägdlein spielten auf Flöten und sangen. Nach der Mahlzeit waren Kinderspiele: Laufen, Springen, Augenverbinden, Suchen und dergleichen. Sie tanzten auch, indem sie in langen Reihen sich hin und wieder beugend aneinander vorüberzogen und dann Kreise schlossen,

Am Abend ging Jesus mit etwa zehn Knaben von sechs bis acht Jahren nach den Berggruben hin. Die Kinder waren nur gegürtet, hatten Festkränze von Wolle oder Federn um den Gürtel oder über der Brust. Sie sahen sehr lieblich aus. Sie zeigten Jesus ganz kindlich alle Stellen, wo gute Gruben seien, und erzählten alles, was sie wussten. Jesus lehrte sie sehr freundlich und machte auf alles eine Anwendung. Er lehrte oft in Rätseln und erzählte ihnen Parabeln. Die Bergleute sind trotz ihrer schmutzigen Erdarbeit zu Hause und in ihren Festkleidern sehr reinlich.

Ich sah Jesus mit den Jüngern den Jünger von Naim nach dem Hafen zu begleiten, wohl an fünf Stunden weit. Ein Trupp ging voraus, einer folgte. Jesus ging mit dem Jünger und einigen andern abwechselnd in der Mitte. Jesus segnete beim Abschied den Jünger, und die andern Jünger umarmten ihn. Dann ging Er mit diesen wieder zum Bergmannsdorf zurück. Der Jünger reiste nach der Salzgegend bei Citium. Der Hafen ist hier nicht so weit vom Ort wie bei Salamis. Das Meer tritt weit ins Land, und man meint, die Stadt liege im Meer. Von da nicht fern liegt ein sehr hoher Berg. Es ist auch ein Salzberg in der Nähe. Am Hafen bei dem Salzort sind nur kleine Schiffe und Floße. Auch schwimmt viel Bauholz da.

21. Jesus geht nach Cerynia und besucht Mnasons Eltern

Als Jesus mit den Jüngern das Bergmannsdorf verließ, zog Er über das Gebirge in nordwestlicher Richtung zum Hafen Cerynia zu. Sie ließen Mallep rechts liegen, gingen durch einen Teil des Tales Lanisa und beim Ort Leppe vorüber. Unterwegs ruhte Jesus einmal an einer schönen schattigen Anhöhe und lehrte. Gegen vier Uhr nachmittags kamen sie etwa eine Dreiviertelstunde vor Cerynia an, wo sie in einem Betgarten in der Einbuchtung eines Abhanges von der Familie Mnasons und mehreren andern Juden empfangen wurden. Diese Familie wohnt eine halbe Stunde vor Cerynia seitwärts vom Weg. Mnasons Vater ist ein hagerer, alter, gebückter Jude mit langem Bart, aber sehr rasch und lebendig. Er hat noch zwei Töchter und drei Söhne, einen Schwiegersohn und eine Schwiegertochter. Alle wohnen hier zusammen seit etwa zehn Jahren. Vorher waren sie herumziehende Handelsleute. Sie empfingen Jesus mit vieler Freude und Demut, wuschen den Reisenden in einem Becken die Füße und reichten den Imbiss. Es war hier eine Terrassierung mit Schattengängen und der Betort dieser Leute. Jesus lehrte noch bis gegen Abend von der Taufe, vom Vaterunser und den Seligkeiten.

Hernach folgte Jesus dem Vater Mnasons, der Moses hieß, und den Brüdern zum Haus, wo Ihm vier von Mnason geführte Kinder entgegenkamen, die Er segnete. Mnasons Mutter und Schwestern nahten verschleiert und Jesus redete sie an. Dann war eine Mahlzeit der ganzen Familie im Freien unter einer Laube. Die Leute gaben das Beste, was sie hatten: Brot, Honig, Vögel, auch Früchte, welche noch auf kleinen Zweigen zusammenhingen. Jesus lehrte nach dem Essen. Sie herbergten in einer langen Laube, die inwendig mit Splintwänden dicht geschlossen, außen aber ganz mit Grün überwachsen war. Es war eine Reihe von Lagern darin.

Mnasons Mutter ist eine starke und kräftige Frau. Sein Vater ist aus dem Stamm Juda, aber seine Voreltern waren in der babylonischen Gefangenschaft verkommen und nicht mehr zurückgekehrt. Er zog herum und führte Karawanen, lebte auch eine zeitlang in Arabien gegen das Rote Meer und hat sich vor etwa zehn Jahren ganz verarmt hier mit seiner Familie niedergelassen. Da kam Mnason in die Schule nach Mallep und reiste später nach Judäa zum Studieren, wo er zu Jesus kam. Sein Vater lebt mit seinen erwachsenen Kindern, von denen Mnason das jüngste ist, in mehreren leichten Hütten zusammen. Sie haben keinen Feldbau, nur einige Gärten, die sie sich hinter den Häusern mit Lauben und Obstbäumen angelegt haben. Früher selbst Handelswaren mit Karawanen herumführend, hat sich der Alte nun hier als ein Herbergsvater, Helfer und Besorger für die Handelskarawanen niedergelassen, die hier vor Cerynia anhalten. Moses hat einige Esel und Tragochsen, womit er kleinere Lasten, die nach den Seitenorten gehen, den Karawanen abnimmt und weiterbesorgt. Er ist wie ein Fuhrmann, der nun auch Wirt für Fuhrleute geworden ist. Er ist arm, aber sie nähren sich doch in streng jüdischer Sitte ganz ordentlich. Es gehen nicht viele Handelszüge nach Cerynia. Die Hauptstraße geht nach Lapithus, ein paar Stunden westlicher.

Als Jesus am Morgen wieder auf dem Lehrplatz lehrte, waren mehrere Juden von Cerynia und Leute von einer kleinen Karawane zugegen, die unbeschreiblich froh waren, Jesus hier zu finden, denn sie hatten Ihn schon bei Kapharnaum gehört und waren dort getauft worden. Er lehrte ganz scharf gegen den Wucher und die Handelsgier, sich an den Heiden zu bereichern, außerdem aber von der Taufe, dem Vaterunser und den Seligkeiten. Am Mittag war ein gemeinsames Mahl. Jesus diente mehr zu Tisch und ging lehrend umher, als dass Er selbst zu Tisch lag.

Eine der verheirateten Schwestern Mnasons kam nicht zum Vorschein, denn ihr Töchterchen war vorgestern gestorben. Sie saß verhüllt bei dem Leichnam und trauerte. Das Kind konnte gestern, ich weiß nicht mehr wegen welcher Hindernisse, nicht begraben werden. Heute gegen vier Uhr erwarteten sie die Rabbiner von Mallep, die es holten, denn dort hatten sie ihren Kirchhof. Das Kind war schon ziemlich groß, aber immer krank. Es konnte nicht recht sprechen und nicht gehen, doch verstand es alles. Mnason, der schon mehrmals hier gewesen war, hatte Jesus davon gesprochen, der ihm sagte, es würde bald sterben, und ihn belehrte, wie er es zum Tod vorbereiten sollte. Dieses hatte Mnason redlich getan, wenn die Mutter nicht zugegen war. Er hatte das Kind zum Glauben an den Messias gebracht, zu herzlicher Reue über seine Sünden und zur Hoffnung auf das Heil. Er hatte mit ihm gebetet und es mit von Jesus gesegnetem Öl gesalbt. Das Kind ist so eines sehr guten Todes gestorben. Ich sah es neben der verhüllten Mutter in einer Mulde liegen, ganz wie eine Wickelpuppe eingewunden und mit bedecktem Angesicht. Es hatte ein Blumenkrönchen auf, und Kräuterbüschchen waren zu ihm gepackt. Seine Arme und Hände waren auch umwickelt; aber man konnte sie doch unterscheiden, und es lag ihm ein weißes Stäbchen im Arm, an dessen Spitze eine große Kornähre, ein Weinlaub, ein Ölzweiglein, eine Rose und andere Kräuter des Landes zu einem Strauß angebunden waren. Es kamen auch mehrere Frauen zur Mutter und klagten mit ihr, legten zu dem Kind Spielwerk in den Sarg, zwei kleine Flöten, ein krummes, gewundenes Hörnchen, einen ganz kleinen Bogen, mit einer Sehne gespannt, oben eine Rinne und ein Stäbchen, wie einen Pfeil darauf. Außerdem hatte es in jedem Arm einen vergoldeten kurzen Stab mit einem Knopf.

Als die Rabbiner kamen, die Leiche zu holen, war der leichte Deckel des Sarges nur mit einer Binde geschlossen, nicht zugenagelt. Vier Männer trugen den Sarg auf Stangen. Es wurde eine brennende Lampe in einer Hornlaterne auf einer Stange getragen, ein Trupp Leute und Kinder gingen, auf einen Haufen gedrängt, mit. Jesus und die Jünger standen vor dem Haus und sahen den Zug. Jesus tröstete die Mutter und die Verwandten und sprach von der Auferstehung.

Den Sabbat hielten alle in Cerynia, das drei Straßen gegen das Meer hat. Die mittlere ist sehr breit, zwei Straßen durchschneiden diese drei. Die Stadt ist auf der Landseite mit einer dicken Wallmauer umgeben, in welche die Häuser der wenigen Juden von außen eingebaut sind, so dass sie außerhalb der Stadt wohnen - doch sind diese Wohnungen mit einem Wall umgeben. So wohnen hier also die Juden zwischen zwei Mauern der Stadt, von dem heidnischen Cerynia getrennt, welches wohl an zehn heidnische Tempel oder Götzenorte hat. Der Juden sind wenige, sie sind nicht besonders reich, haben aber doch alle ihre Einrichtungen in Ordnung. Sie haben in einem Gebäude Schule, Synagoge und Rabbiner- und Lehrerwohnungen beieinander. Es ist hoch und hat zwei Abteilungen übereinander. Sie haben einen fließenden schönen Brunnen, einen Strahl aus einer andern Quelle, und haben ihn geteilt in einen Trinkquell und einen Badebrunnen in einem angenehmen Garten.

Die Lehrer empfingen Jesus sehr ehrerbietig am Eingang der Straße und führten Ihn ins Lehrhaus, dann in die Synagoge, in welche sich auch sieben Kranke auf kleinen Tragbetten hineintragen ließen, seine Lehre anzuhören. Es waren ungefähr hundert Männer beisammen. Sie ließen Jesus allein lehren. Es wurde aus Mose gelesen (Ex 1-4, 21,) von der Zahl der Kinder Israels und von vielen Geschlechtern und vom Propheten Hoseas (Hoseas 1, 10 - 2, 21,) eine heftige Strafpredigt gegen Abgötterei.

Es kam darin vor, dass Gott dem Hoseas befahl, eine Dirne zu heiraten, und dass die Kinder dieser Ehe besondere Namen erhielten. Sie fragten Jesus hierüber. Er legte es ihnen aus, dass der Prophet mit seinem ganzen Leib und Leben den Zustand des Bundes Gottes mit dem Haus Israel vorstellen musste, und die Namen der Kinder mussten die Strafurteile Gottes aussprechen. Es kam auch darin vor, dass oft auf Gottes Veranlassung Bessere sich mit Sündern verbinden müssen, um die Brut der Sünde zu unterbrechen. Diese Verheiratung des Hoseas mit einer Dirne und die verschiedenen Namen der Kinder zeugen von dem mehrmaligen Erbarmen Gottes und den fortwährenden Gräueln. Jesus lehrte sehr scharf, mahnte zur Buße und Taufe, sprach von der Nähe des Reiches und von der Strafe derer, die es zurückstoßen, und von der Zerstörung Jerusalems.

Während der Lehre Jesu riefen in den Pausen die Kranken mehrmals: «Herr! wir glauben deiner Lehre - aber Herr hilf uns!» Als sie nun merkten, dass Er die Synagoge bald verlassen werde, ließen sie sich vorher hinaustragen. Sie lagen im Vorhof in zwei Reihen und riefen Jesus an: «Herr, tue an uns, was Du vermagst! Herr, was Dir verliehen ist, tue an uns!» Jesus aber heilte hier nicht sogleich, und als die Rabbiner auch für die Leute baten, fragte Er die Kranken: «Was vermag Ich an euch zu tun?» Da antworteten sie: «Herr, hilf uns von unserer Krankheit! Herr, heile uns!» «Glaubt ihr, dass Ich dieses kann?» fragte Jesus, und alle Anwesenden riefen: «Ja, Herr, wir glauben, dass Du es vermagst!» Da befahl Jesus den Rabbinern, Gebetsrollen zu holen und mit Ihm über diese Kranken zu beten. Sie holten die Rollen und beteten. Den Jüngern aber befahl Jesus, den Kranken die Hände aufzulegen, und sie legten ihnen die Hände auf, dem einen auf die Augen, dem andern auf die Brust, und so auf verschiedene Stellen. Jesus fragte sie nochmals: «Glaubt ihr und wollt ihr genesen?» Da sagten sie abermals: «Ja, Herr, wir glauben, dass Du uns hilfst!» Da sagte Jesus: «Steht auf, euer Glaube hat euch geholfen!» Und sie standen alle sieben auf, dankten Jesus, der ihnen gebot, sich zu baden und zu reinigen. Einige darunter waren sehr vom Wasser aufgedunsen gewesen. Ihre Krankheit war vorüber, aber sie gingen noch schwach an ihrem Stab von dort weg.

Diese Weise, die Kranken unter dem Mitgebet der Rabbiner und der Handauflegung der Jünger zu heilen, sah ich an Jesus schon mehrmals in Zypern, zu Chytrus, Mallep und Salamis. Weil die Rabbiner und Lehrer gutwillig waren, so ließ Er sie wie Jünger teilnehmen an der Heilung und erweckte so Vertrauen in ihnen. Jesus hatte diese neue Art der Heilung deswegen hier ergriffen, um sie auf das Wirken seiner Jünger vorzubereiten, weil auch viele Rabbiner unter den fünfhundertsiebzig Juden waren, die Er in Zypern gewann.

Die Geheilten wurden mit anderen Juden aus Cerynia am Lehrplatz beim Haus des Moses getauft. Das Wasser wurde aus einer nahen Quelle herangebracht, denn Moses' Haus lag etwas hoch und es war kein Brunnen daselbst. Er hatte aber hier einen Wasserbehälter, ein großes kupfernes Becken, das in die Erde eingelassen und rings mit einem kleinen Steingraben umgeben war, der wieder einen Abfluss in einen steinernen Trog hatte. In dem Becken war ganz reines Wasser. In der Rinne pflegten sie zu waschen und die Füße zu waschen. Der Steintrog war zur Viehtränke und zum Begießen. Jetzt stellten die Täuflinge die Füße hinein und wurden aus dem Becken getauft. Zuerst lehrte Jesus von der Buße und der Reinigung durch die Taufe. Die Männer hatten lange weiße Kleider, Manipeln und Gürtel mit Buchstaben an. Es waren außer den sieben Geheilten nur noch acht Juden, die getauft wurden. Sie sprachen einzeln mit Jesus und bekannten ihre Sünden. Jesus lehrte auch, dass sie die Zeit der Gnade benützen und das Gesetz nach dem Sinn der Propheten erfüllen, nicht aber seine Knechte sein sollten, denn das Gesetz sei ihnen gegeben und nicht sie dem Gesetz. Es sei ihnen gegeben, um die Gnade an demselben zu verdienen.

Unter den Täuflingen waren die Brüder und Schwäger Mnasons. Sein Vater aber, ein frommer, doch eigensinniger Jude, wollte sich nicht dazu verstehen. Mnason hatte ihn vergebens die ganze Zeit schon bearbeitet, und auch Jesus sprach heute noch mit ihm davon, aber der alte eigensinnige Mann war nicht zu bewegen. Er zuckte die Schultern, bewegte den Kopf und weigerte sich mit allerlei Scheingründen von der Beschneidung, an die er sich halte. Mnason war so betrübt darüber, dass er weinte. Jesus beruhigte ihn, der Vater sei sehr alt und eigensinnig geworden. Er habe übrigens immer fromm gelebt, er werde nun seine Blindheit am andern Ort beweinen und dort sehend werden. Jesus hatte noch das Taufwasser gesegnet und Wasser vom Jordan hineingegossen. Nach der Taufe ward der Rest sorgsam ausgeschöpft und vergraben.

Während der Taufe ging Jesus hinter dem Lehrplatz auf die Anhöhe, wo ein schöner Garten mit Lauben und vielen Obstbäumen war und wo Ihn wohl an dreißig bis vierzig jüdische Frauen erwarteten. Sie waren verschleiert und verbeugten sich tief vor Ihm. Viele dieser Frauen waren in großer Angst und Sorge, dass ihre Männer sie verlassen und Jesus nachziehen würden und sie dann hilflos wären. Sie baten Ihn, Er möge ihren Männern doch sagen, sie nicht zu verlassen. Jesus sagte ihnen, dass sie, wenn ihre Männer Ihm nachfolgten, auch nach Palästina folgen sollten, wo sie Unterkommen finden würden. Er erzählte ihnen das Beispiel der heiligen Frauen und stellte ihnen die Zeit in ihrem Wert dar: es seien jetzt nicht Tage des bequemen, ruhigen Lebens, sondern es komme darauf an, dem nahenden Reich entgegen zu ziehen und den Bräutigam zu empfangen. Er sprach auch vom verlorenen Groschen, den fünf kugen und fünf törichten Jungfrauen. Die jüngeren Frauen baten, Jesus möge ihre Männer ermahnen, sich nicht den heidnischen Töchtern zu nahen. Er habe ja so streng über die Mahnung des Hoseas gegen die Versündigung mit den Heiden gelehrt. Sie waren aber meist mit Eifersucht geplagt. Jesus fragte sie über ihr eigenes Betragen gegen die Männer und ermahnte sie zur Milde, Demut, Geduld und Gehorsam und warnte sie vor Vorwürfen und Klatschereien. Danach schloss Er die Sabbatslehre in der Synagoge von Cerynia und ging mit den Jüngern den geraden Weg nach Mallep.

22. Abreise von Zypern

In Mallep hielt Jesus eine große Lehre am Brunnen in der Stadt. Er sprach wiederum von der Nähe des Reiches, vom Entgegengehen demselben, vom Abschied, von der kurzen Zeit, die Er überhaupt noch bleiben werde, und von der schweren Vollendung seines Werks, von der Nachfolge und Mitarbeit. Er redete abermals von der bald folgenden Zerstörung und Strafe über Jerusalem und alle, welche das Reich Gottes von sich stießen, nicht Buße tun und sich bekehren wollten, sondern an ihrem irdischen Gut und ihren Lüsten hängen blieben. Er stellte ihnen vor, wie alles hier so angenehm und bequem aussehe, aber nur ein bunt angetünchtes Grab sei, inwendig voller Moder und Unrat. Er wies sie auf ihr Inneres zurück: sie sollten selbst schauen, wie es in ihnen bei all der äußeren schönen Einrichtung sei. Er sprach von ihrem Wucher, ihrem Geiz, ihrer auf Habsucht beruhenden Vermischung mit den Heiden, ihrer Gefangenschaft in irdischem Gut, ihrer Scheinheiligkeit, und sagte nochmals, sie sollten umherschauen über alle diese Herrlichkeit und Bequemlichkeit, all dies werde zerstört werden, und es werde eine Zeit kommen, wo kein Israelit mehr hier leben werde. Er sprach sehr deutlich von Sich und der Erfüllung der Propheten; doch nur wenige verstanden Ihn. Die Leute traten während dieser Lehre scharenweise abwechselnd in die Nähe, Greise, Männer, Jünglinge, Frauen, Jungfrauen. Alle waren tief erschüttert, weinten und schluchzten.

Nachher ging Jesus mit einigen Jüngern und nachfolgenden Leuten von Mallep ein paar Stunden morgenwärts, wohin Ihn die Bewohner mehrerer Bauerngüter zu kommen gebeten hatten, zu denen Er schon einmal von Mallep aus gewandelt war. Sie hatten einen schattigen Lehrhügel. Auch der Jünger von Naim war vom Hafen bei Citium hierher gekommen, um über seine Anstalten zur Abreise von Zypern zu berichten.

Jesus lehrte hier zum Abschied, wie in Mallep, ging danach in einige Hütten und heilte mehrere Kranke, die Ihn gebeten hatten. Schon auf dem Rückweg nach Mallep begriffen, bat Ihn ein alter Bauer in sein Haus und um Erbarmen für seinen blinden Knaben. Es waren in dem Haus drei Familien von zwölf Personen, Großeltern und zwei verheiratete Söhne mit Kindern. Die verschleierte Mutter brachte Jesus den blinden Knaben, der schon sprechen und gehen konnte, auf den Armen zu. Jesus nahm das Kind auf die Arme und strich ihm mit den Fingern der rechten Hand Speichel auf die Augen, segnete es, stellte es nieder und hielt ihm etwas vor die Augen. Das Kind griff ungeschickt danach, lief nach der Stimme der Mutter und zum Vater und aus einem Arm in den andern. Sie führten es zu Jesus zurück und dankten weinend auf den Knien. Jesus drückte das Kind an sich und gab es den Eltern zurück mit der Ermahnung, es zum wahren Licht zu führen, damit es mit sehenden Augen nicht in tiefere Finsternis als vorher falle. Er segnete auch die andern Kinder und das ganze Haus. Die Leute weinten und lobsangen Ihm nach.

In Mallep war eine Mahlzeit in dem allgemeinen Festhaus, an der alles teilnahm. Die Armen wurden gespeist und beschenkt, Jesus hielt zuletzt eine große Lehre über das Wort Amen. Er sprach, dass es die ganze Summe des Gebetes sei. Wer es leicht hinspreche, der vernichte sein Gebet. Das Gebet rufe zu Gott, verbinde uns mit Gott, tue uns seine Barmherzigkeit auf, und mit dem Wort Amen, so wir recht gebetet, nehmen wir die Gabe aus seinen Händen. Er sprach gar wunderbar von der Kraft des Wortes «Amen.» Er nannte es Anfang und Ende von allem. Er sprach schier, als habe Gott die ganze Welt damit geschaffen. Er sprach auch das Amen über alles, was Er sie gelehrt, und über seinen Abschied hier und bei der Vollendung seiner Sendung, und endete ganz feierlich mit Amen. Diese Lehre dauerte bis spät in die Nacht. Er segnete alle. Sie weinten und riefen Ihm nach.

Jesus verließ mit den Jüngern die Stadt, Barnabas und Mnason folgten tags darauf. Sie ließen Chytrus zur Rechten und gingen gerade Feldwege durch Gebüsch über Bergrücken. Jesus hatte die Herberge bezahlt. Der Jünger von Naim hatte Geld mitgebracht. Da man es nicht nehmen wollte, wurde es den Armen verteilt. Die Wege aller, welche von Mallep, Chytrus und Salamis jetzt und in nächster Zeit nach Palästina folgen, sind eingeteilt. Ein Teil fährt nordöstlich von Salamis über und andere, die Handel nach Tyrus haben, fahren in Salamis über. Die getauften Heiden gehen meistens nach Gessur.

In Salamis kehrten Jesus und seine Begleiter im Lehrhaus ein, wo Er bei seiner Ankunft in Zypern gewohnt hatte. Sie kamen nordwestlich herein, die Wasserleitung lag ihnen rechts, die Judenstadt links. Ich sah sie noch aufgeschürzt, drei und drei, in dem Vorhof des Lehrhauses an einem Becken sitzen, welches mit kleinen Gräben umgeben ist, in die man die Füße zum Waschen setzt. Je drei hatten einen langen braunen Lappen, womit sie die Füße trockneten. Nicht immer ließ sich Jesus von andern die Füße waschen, meist taten es alle selbst. Man hatte sie erwartet, und es wurde ihnen Speise gereicht. Es waren viele vertraute Menschen da, vor welchen Jesus wohl ein paar Stunden lehrte. Dann hatte Er eine lange Unterredung mit dem römischen Landvogt, der Ihm zwei heidnische Jünglinge vorstellte, welche mit ihm Unterricht und Taufe verlangten. Sie bekannten ihre Sünden unter Tränen, und Jesus vergab sie ihnen. Sie wurden gegen Abend heimlich in dem Vorhof der Lehrerwohnung von Jakobus getauft. Die Jünglinge werden den Philosophen nach Gessur folgen.

Auch Merkuria ließ Jesus bitten, in einem Garten bei der Wasserleitung mit ihr zu sprechen. Er folgte dem Diener dahin. Sie näherte sich verschleiert, ihre beiden seltsam gekleideten Töchterchen an der Hand führend. Diese hatten nur kurze Röckchen bis an die Knie und waren mit einem feinen durchsichtigen Zeug bewickelt, woran Woll- oder Federkränze. Die Arme waren frei, die Füße umwunden, die Haare los. Sie waren schier, wie man die Engel bei uns auf der Krippe kleidet. Jesus sprach lange und freundlich mit Merkuria. Sie weinte ganz entsetzlich und war sehr betrübt, dass sie ihren Sohn werde zurücklassen müssen, und dass die Eltern ihre jüngere Schwester von ihr entfernt hielten und diese so in ihrer Blindheit bleiben werde. Sie weinte auch über ihre Sünden. Jesus tröstete sie und versicherte sie nochmals der Vergebung. Die beiden Mägdlein schauten ganz unwissend zu der Mutter hinauf, weinten und schmiegten sich an sie. Jesus segnete die Kinder und kehrte nach dem Lehrhaus zurück.

Mit Mnason kam einer seiner Brüder, der auch nach Palästina folgen wollte.

Nach dem Abschiedsmahl gingen sie zum Ort, wohin der römische Landvogt einige seiner Leute mit Eseln bestellt hatte. Alle setzten sich auf. Jesus saß seitwärts auf einem Quersitz mit einer Lehne, der über den Esel gelegt wurde. Auch der Landvogt ritt mit. Sie ritten durch die Wasserleitungen und kamen hinter Salamis weg über den Fluss Pädius. Sie ritten einen kürzeren schmalen Landweg. Die eigentliche Straße geht mehr am Ufer in einem Bogen. Ich sah den Landvogt durch die schöne Nacht hin meist in der Nähe Jesu reiten. Voraus zog ein Trupp von zwölfen, dann kam ein Trupp von neun, unter denen Jesus und der Landvogt etwas abgesondert, dann wieder ein Trupp von zwölfen. Außer dem Palmsonntag sah ich nur hier Jesus reiten. Als der Morgen zu dämmern anfing und sie noch drei Stunden zu dem Meer hatten, schied der Landvogt von Jesus, um kein Aufsehen zu machen. Jesus reichte ihm die Hand und segnete ihn. Er war abgestiegen und wollte Jesu Füße umarmen. Dann beugte er sich tief vor Jesus und nach einigen Schritten hinweg nochmals - es muss so Sitte sein -, worauf er sein Lasttier wieder bestieg und zurückritt. Die zwei neugetauften Heiden kehrten mit ihm zurück. Jesus ritt nur bis auf etwa eine Stunde vor den Ort hin. Dann stiegen alle ab und schickten die Esel mit den Knechten zurück. Sie kamen nun durch die Salzhügel zu einem langen Gebäude, wo sie mit den sie erwartenden Schiffern zusammentrafen. Es war eine stille, einsame Gegend am Meer mit wenigen Bäumen und und einem ganz erstaunlich langen Wall, der mit Rasen und Bäumen besetzt war. Nach der Meerseite waren Wohnungen und offene Hallen, wo arme Judenfamilien und einige Heiden wohnten. Am tieferen Ufer waren ausgemauerte Buchten mit Treppen, worin drei Schiffchen für die Reisenden lagen. Es ist hier gut landen, und es wird von hier das Salz in die Uferstädte gefahren.

Jesus wurde hier erwartet. Sie aßen Fische, Honig, Brot und Früchte. Das Wasser ist hier sehr schlecht. Man reinigt es, indem man etwas hineinwirft, ich meine Früchte - sie haben es in Krügen und Schläuchen. Es waren sieben Juden von den Schiffen, welche hier aus einem Becken getauft wurden.

Jesus ging von Wohnung zu Wohnung, tröstete und beschenkte die armen Leute und heilte Verwundete und Kranke, die Ihm elend die Hände entgegenstreckten. Er fragte, ob sie glaubten, dass Er sie heilen könne. Sie sagten: «Ja Herr! wir glauben es». Da heilte Er sie. Er ging bis ans Ende des langen Walles, auch an die Wohnungen der Heiden, welche sehr schüchtern und scheu waren. Er segnete die armen Kinder und lehrte.

Hierher war der Jünger von Naim neulich gereist und hatte zwei andere Jünger erwartet, welche später ankamen, mit denen er nun vorausreiste, um die Ankunft Jesu in Palästina zu melden.

Die Gesellschaft Jesu war siebenundzwanzig Mann stark. In der Abenddämmerung fuhren sie in drei kleinen Schiffen ab. Das Schiff Jesu war das kleinste, und es waren vier Jünger und einige Ruderknechte darin. Auf allen Schiffen waren in der Mitte um den Mast aufsteigende Gerüste mit kleinen Abteilungen, in denen sie lagen und schliefen. Hätten die Ruderer nicht oben gestanden, hätte man niemand gesehen. Das Schiffchen Jesu sah ich vorausfahren, und ich wunderte mich, dass die andern eine andere Richtung nahmen. Aber ich sah sie, da es schon dunkel war, in der Entfernung einer halben Stunde vom Ufer auf zwei Stellen festgefahren. Sie steckten Fackeln auf den Mast als Notzeichen. Da befahl Jesus seinen Schiffern zurückzufahren. Sie nahten erst dem einen Schiff, warfen ihm einen Strick zu, zogen es heran und fuhren dann mit demselben eine Strecke herum nach dem andern, mit dem sie es ebenso machten. Dann wurden sie an Jesu Schiff gebunden und folgten ihm. Jesus verwies ihnen ihr Besserwissenwollen des Weges, sprach vom Eigenwillen und der Nachfolge. Sie waren in einen Strudel zwischen Sandbänke gekommen.

Am Abend des folgenden Tages, nahe vor der weiten Bucht, welche das Meer zwischen Ptolemais und Hepha am Fuß des Karmels in das Land hinein macht, sah ich die drei Schiffe Jesu wieder zurück in die See rudern, denn es waren am Eingang der Bucht ein großes und kleineres Schiff mit mehreren andern Schiffen im Kampf begriffen. Das große Schiff siegte, und mehrere Tote wurden ins Wasser geworfen. Als Jesu Schiffe den streitenden Schiffen näherkamen, hob Jesus die Hand auf und segnete gegen die Streitenden, worauf sie sich bald trennten. Sie sahen Jesu Schiffe nicht, die in einiger Entfernung den Ausgang abwarteten. Es war ein Streit, der schon in Zypern über die Schiffsladung entstanden war. Die kleinen Schiffe passten dem großen hier auf. Sie hakten sich aneinander an und stießen mit langen Stangen aufeinander. Man hätte denken sollen, es bliebe niemand am Leben, es dauerte wohl ein paar Stunden. Das große Schiff nahm die kleinen gefangen und schleppte sie mit.

Jesus landete bei der Ausmündung des Kison, östlich von Hepha, das nahe am Meer liegt. Am Ufer empfingen Ihn mehrere Apostel und Jünger, darunter Thomas, Simon, Thaddäus, Nathanael, Chased und Heliachim. Sie waren unbeschreiblich erfreut und umarmten Jesus und seine Begleiter. Sie umgingen nun etwa zwei Stunden weit den Meerbusen, überschritten ein Flüsschen, das bei Ptolemais in den Meerbusen fällt, auf einer langen Brücke gleich einer gemauerten Straße. Diese Brücke reicht bis zum Fuß der Anhöhe, hinter welcher der Sumpf Cendevia liegt. Sie gingen die Anhöhe hinauf nach der Vorstadt der Levitenstadt Misael, welche durch eine Wendung der Anhöhe getrennt liegt. Die Vorstadt hat die Aussicht gegen Abend auf das Meer, gegen Süden auf das schöne Tal und den Karmel und besteht nur aus einer Herberge und einer Straße, welche sich über die Höhe zieht. Hier kam Jesus bei einem Brunnen ein Festzug von Leuten des Ortes mit singenden Kindern entgegen, welche Palmzweige trugen, woran noch Datteln hingen. Es war jener Simeon aus der Wasserstadt Libnath mit seiner ganzen Familie dabei, welcher nach seiner Taufe nach Misael gezogen ist, denn seine Kinder ließen ihm keine Ruhe, bis er sich wieder ganz mit den Juden vereinigt hatte. Er hatte den ganzen Empfang Jesu auf seine Kosten veranstaltet. Als sie in der Herberge anlangten, kamen neun Leviten von Misael, um Jesus zu begrüßen.

23. Jesus zieht von der Levitenstadt Misael über Thanach, Naim, Azanoth und Damna nach Kapharnaum

Nördlich von der Vorstadt lag am Abhang der schöne Vergnügungsgarten von Misael mit herrlicher Aussicht über den Meerbusen. Er lag auf der halben Höhe des Hügels. Oben auf dem Hügel sieht man den See oder Sumpf Cendevia und die Wasserstadt Libnath, die anderthalb Stunden von hier näher gegen das Meer liegt, das dort ins Land einspringt, als Misael, welches ein paar Stunden vom Meer ab liegt. Dabbeset ist fünf Stunden östlich von hier am Kison, Nazareth etwa sieben Stunden. Jesus wandelte in diesem Garten mit den Jüngern und erzählte die Parabel von einem Fischer, der übers Meer fuhr, zu fischen und fünfhundertsiebzig Fische fing. Er sprach, dass ein guter Fischer die guten Fische aus schlechtem Wasser in gutes versetze, dass er die Quellen verbessere gleich Elias, und die guten Fische aus dem bösen Wasser wegtue, wo die Raubfische sie verschlingen würden, und ihnen neue Brutteiche mache in besserem Wasser. Es kam in der Parabel auch der Fall vor, wie sie aus Eigensinn auf die Sandbank gekommen seien, indem sie dem Schiffmeister nicht gefolgt hätten. Die mitgekommenen zyprischen Männer weinten, als Er von den in besseres Wasser mühsam versetzten Fischen sprach. Jesus sprach die Zahl «fünfhundertsiebzig guter Fische», welche gerettet seien, bestimmt aus und sagte, dass dieses wohl die Arbeit lohne.

Auch vor den Leviten sprach Jesus von Zypern. Sie freuten sich, dass Juden von dort herüberkommen. Es werden viele über Ptolemais kommen und auch hierher. Man besprach einige Anordnungen. Jesus sprach von der Gefahr, die ihnen dort drohe. Die Leviten fragten bange, ob die Heiden auch hier so mächtig werden würden, dass Gefahr komme. Jesus aber sprach von dem Gericht, das über das ganze Land hier kommen werde, und von der Gefahr, die Ihm selbst bevorstehe, und von der Strafe über Jerusalem. Sie konnten nicht begreifen, dass Er wieder dahin wollte. Er sagte aber, Er habe noch vieles zu tun und dann zu vollenden.

Die Syrophönizierin aus Ornithopolis hat goldene Stängelchen und zusammengekettelte Goldbleche durch Jünger hierher gesandt. Sie will auch der Merkuria von Zypern mit einem ihrer Schiffe zur Flucht helfen.

Auf Bitten der Leviten ging Jesus mit nach der Stadt Misael. Sie ist mit Mauern und Türmen umgeben und sehr alt. Es wohnen einzelne Heiden in den Mauern. Elisabeth hat hier eine zeitlang bei ihrem Vater gewohnt, der als Levite hier diente. Auch Zacharias war einmal hier. Elisabeth ist zwei Stunden von hier in der Ebene Esdrelon in einem einzelnen Hof geboren, der ihren Eltern gehörte und den sie nachmals erbte. Sie kam mit dem fünften Jahr zum Tempel. Als sie herauskam, war sie noch eine Zeit in Misael und auf dem Hof und zog dann zum Haus des Zacharias in Judäa. Jesus sprach von ihr und von Johannes und von diesem so deutlich, als Vorläufer des Messias, dass sie wohl ahnen konnten, wer Er sei.

Jesus ging in der Stadt mit den Leviten in mehrere Häuser zu Kranken, die Er heilte, Kinder und mehrere Lahme, die Ihm die Hände in der Binde entgegenstreckten. Er besuchte auch den Simeon von Libnath in seinem Haus und schloss dann in der Synagoge den Sabbat. Die Frauen standen in ihr hoch und nicht weit vom Lehrstuhl. Er lehrte von dem Sündenopfer und von Simson, gab Erklärungen von Simsons Taten und sprach von ihm als von einem Heiligen, dessen Leben prophetisch sei. Er habe nicht alle Kraft verloren, eine habe er behalten, die Kraft, Buße zu tun. Er habe den Tempel der Heiden über sich gestürzt aus göttlicher Eingebung.

Judas, der gerne Geschäfte macht und Thomas, dessen Familie Floßholz im Hafen liegen hat und der dort gut bekannt ist, sind mit mehreren Jüngern nach Hepha gegangen, um Einrichtungen wegen der ankommenden Zyprier zu treffen.

Jesus aber wandelte mit etwa zehn Jüngern, worunter auch Saturnin zur Levitenstadt Thanach, wo Ihn die Synagogen-Vorsteher empfingen. Die Pharisäer hier waren zwar nicht offene Feinde, doch spitz und lauernd, ich merkte es an ihren zweideutigen Reden. Sie sagten, Jesus möge doch verschiedene Kranke besuchen, und ob Er auch einen von ihnen besuchen wolle, der in Kapharnaum gewesen sei und sich sehr elend fühle. Sie meinten aber, Jesus werde das nicht wollen, weil dieser Ihm dort sehr entgegen gewesen und zur Strafe für sein dortiges Benehmen in eine seltsame Krankheit gefallen war. Er schluchzte immer, zuckte mit dem Oberleib, erbrach sich und zehrte ganz ab. Er war ein Mann zwischen dreißig und vierzig Jahren und hatte Frau und Kinder. Jesus fragte ihn, ob er glaube, dass Er ihm helfen könne? Er war ganz kleinlaut und sagte beschämt: «Ja, Herr, ich glaube es!» Da legte Jesus ihm die eine Hand auf den Kopf, die andere auf die Brust, betete und befahl ihm, aufzustehen und Speise zu nehmen. Der Mann stand auf und dankte Jesus unter Tränen, so auch Frau und Kinder. Jesus sprach freundlich und tröstend gegen alle und erwähnte nichts von dem Vergehen des Mannes gegen Ihn. Als die Pharisäer den Geheilten abends in der Synagoge erscheinen sahen, verloren sie alle Lust, Ihm zu widersprechen. Jesus lehrte von der Erfüllung der Propheten, von Johannes dem Täufer, dem Vorläufer des Messias, und von dem Messias selbst so deutlich, dass sie wohl ahnen konnten, Er meine Sich.

Von Thanach ging Jesus zu einem Zimmermannshof, wo Joseph zuerst gearbeitet hatte, als er von Bethlehem geflohen war. Es war ein Gebäude, worin wohl zwölf Leute, die sich mit Handel von Holzwaren beschäftigten, um den Hof wohnten. Die Werkstelle, worin Joseph gearbeitet hatte, war von den Nachkommen jenes Meisters bewohnt. Sie machten aber die Sache nicht mehr selbst, sondern ließen sie von ärmeren Leuten machen und verkauften sie teils auf Schiffe. Es waren feine Holzplatten, Stäbe und geflochtene Stellwände. Es war noch das Gerede davon, dass des Propheten Vater einmal hier gearbeitet haben solle. Aber sie wussten doch nicht mehr recht, ob es der nämliche Joseph von Nazareth gewesen sei oder nicht. Ich dachte, wenn diese Leute das schon nicht mehr recht wussten, so ist es kein Wunder, dass wir so wenig davon wissen. Jesus lehrte in dem Hof von der Arbeitsamkeit und dem Wucher.

Von hier ging Jesus nach dem alten hässlichen Ort Sion, zwei Stunden westlich vom Tabor. Sion, mit einer alten Burg und der Synagoge, neben welcher einige Pharisäer wohnen, liegt etwas hoch, unten aber tief hinter Wällen, nahe am Ufer des Kison, ist noch ein Nest von Häusern, das nicht gesund ist. Man kann nicht über die Wälle sehen. Die Leute unten sind wie abhängig von denen oben und werden von ihnen gedrückt und gequält. Jesus lehrte in der Synagoge gegen die Pharisäer vom Auflegen schwerer Bürden und Selbst-nicht-Halten, von Druck und Herrschsucht. Auch vom Messias, der ganz anders erscheinen werde, als sie ihn erwarteten. Er war darum nach Sion gekommen, um die armen gedrückten Menschen zu trösten. Er ging auch in das untere, so eng eingeschlossene Stadtquartier und heilte mehrere Kranke in ihren Hütten, meistens Gichtkranke und Lahme. Die Pharisäer schickten alle Kranken an diesen elenden Ort, wo sie kaum frische Luft schöpfen konnten. Jesus und die Jünger beschenkten die armen Leute mit Tüchern und Zeugbahnen.

Von hier ging Jesus mit den Jüngern nach Naim in etwa anderthalb Stunden. Es kamen Ihm bei dem Brunnen vor Naim mehrere Jünger und der erweckte Jüngling von Naim entgegen, so dass nun gegen zwölf Jünger, aber keine Apostel um Jesus waren. Die jerusalemischen Jünger waren mit einigen der heiligen Frauen von Jerusalem nach Naim gekommen. Andere hatten das Pfingstfest in Nazareth mit Maria gefeiert und waren auf dem Rückweg hierher gekommen, Jesus zu erwarten. Er kehrte in der eigenen Herberge ein, die in Naim in einem der Gebäude der Witwe eingerichtet war, und ging hernach zu der Witwe. Die Frauen traten Ihm verschleiert in der Halle des inneren Hofes entgegen und warfen sich vor Ihm nieder. Er grüßte sie und begab sich mit ihnen in den Saal. Es waren fünf Frauen außer der Witwe: Martha, Magdalena, Veronika, Johanna Chusa und die Suphanitin. Die Frauen saßen am einen Ende des Saals abgesondert mit unterschlagenen Beinen auf Kissen und Teppichen auf einem erhöhten Gestell wie ein langes, niederes Kanapee. Man sah die Füße desselben. Die Frauen redeten nicht, bis Jesus das Wort an sie richtete, dann eine nach der andern. Sie erzählten von Jerusalem und von Herodes, dass er Ihm nachgestellt habe. Es kam wohl vor, dass Jesus den Finger erhob und ihnen die weltliche Sorge und das Richten über andere verwies. Er erzählte von Zypern und von jenen, welche die Wahrheit erkannt hätten, auch mit Liebe von dem römischen Landvogt in Salamis. Da die Frauen meinten, es wäre gut, wenn dieser auch nicht dort bliebe, sagte Jesus: nein, er müsse dort bleiben und noch vielen helfen, bis einst, wenn Er selbst sein Werk vollendet habe, ein anderer dahin komme, der auch ein Freund der Gemeinde sein werde.

Magdalena und die Suphanitin sind lange nicht mehr so schön wie sonst. Sie sind bleich und abgehärmt und ihre Augen rot von Tränen. Martha ist sehr emsig und in Geschäftssachen sehr beredt. Die Chusa ist eine lange, bleiche, starke Frau, ernst und rüstig. Veronika hat in ihrem Wesen viel von der heiligen Katharina, ist entschlossen, tapfer und freimütig. Wenn sie so beisammen sind, nähen und wirken sie und bereiten allerhand zu für die Gemeinde, was nach den einzelnen Herbergen und Vorratskammern verteilt wird, von wo aus die Jünger und Apostel wieder zu eigenem Gebrauch und zum Austeilen an die Armen nehmen. Auch arbeiten sie, wenn sie das Nötige fertig haben, für arme Synagogen. Sie haben gewöhnlich ihre Mägde bei sich, die voraus und nachgehend Zeug tragen, teils in ledernen Taschen, teils um den Gürtel unter dem Mantel. Die Mägde tragen engere Kleidung um den Oberleib und kürzere Röcke. Wenn die Frauen an Ort und Stelle sind, gehen die Mägde zurück und warten in den Herbergen unterwegs. Veronikas Magd war lange bei ihr und diente ihr noch nach Jesu Tod.

Als Er am Sabbat zur Synagoge ging, trat Er nicht an den Lehrstuhl, sondern stand, wo die reisenden Lehrer zu stehen pflegen, mit seinen Jüngern. Die Rabbiner aber nötigten Ihn, nachdem sie Ihn willkommen geheißen hatten und die Gebete gebetet waren, vor die aufgelegten Rollen zu treten und zu lesen. Es war die Lektion (Num 8, 1 - 13, 1; Sach 2, 10,-4, 8) von den Leviten, von dem Murren und den Wachteln und der Strafe der Mirjam. Im Propheten Sacharja kam von der Erwählung der Heiden und dem Messias vor. Jesus lehrte sehr scharf und sagte: die Heiden würden im Reich des Messias in die SteIle der verhärteten Juden treten. Er lehrte auch vom Messias, dass sie ihn nicht erkennen würden. Er werde ganz anders erscheinen, als sie ihn erwarteten. Unter den Pharisäern waren drei besonders frech, die auch mit bei der Kommission in Kapharnaum gewesen waren. Sie waren sehr erbittert über die Heilung des Pharisäers in Thanach und sagten, Jesus habe das nur getan, damit die Pharisäer dort Ihm durch die Finger sehen sollten. Sie forderten Ihn auch auf, Sich ruhig zu verhalten und den Sabbat nicht mit Heilen zu stören. Er möge sich überhaupt zurückziehen und die Unruhen vermeiden. Jesus versetzte, Er werde tun, was seines Amtes sei, wandeln und lehren, bis seine Zeit erfüllt sei. Sie luden Ihn in Naim zu keiner Mahlzeit und waren voller heimlichen Ärgers an Ihm, weil seine Lehre und seine Liebe alle Armen, Elenden und Einfältigen zu Ihm hinriss, welche sie selbst aber von sich zurückstießen.

Es war unbeschreiblich schönes Wetter in Naim. Jesus wandelte mit den Jüngern den Sabbatsweg und lehrte sehr ernst und innig von seiner Zukunft. Er ermahnte sie, fest und treu zu bleiben, denn es stünden Ihm große Leiden und Verfolgungen bevor. Sie möchten sich dann nicht an Ihm ärgern! Er werde sie nicht verlassen, sie möchten Ihn auch nicht verlassen. Aber man werde Ihn so misshandeln, dass ihr Glaube werde geprüft werden. Sie waren sehr gerührt und weinten. Sie gingen in den Garten der Witwe Maroni. Auch die heiligen Frauen kamen dahin. Jesus sprach hier von der Aussöhnung der Eheleute in Mallep und besonders von jenem Ehepaar, bei welchem Er ein Mahl angenommen hatte und welches auch nach Palästina ziehen werde, auch von Merkuria. Diese wird zuerst zu der Syrophönizierin kommen, welche sich ebenfalls rüstet, Ornithopolis zu verlassen. Sie ziehen zuerst nach Gessur und dann weiter herab. Es kamen schon viele Leute aus Zypern herüber - eine Anzahl wird auch in der Gegend von Joppe landen.

Als Jesus mit den Jüngern aus dem Garten zur Synagoge ging, um den Sabbat zu schließen, hatten sich mehrere Kranke auf ihren Tragbetten auf seinen Weg bringen lassen, streckten ihre Hände nach Ihm aus, baten um Hilfe, und Er heilte sie. So kam Jesus bis zur Synagoge, wo auch einige auf Betten sich heranbringen ließen. Darunter war ein von Gicht ganz aufgedunsener Mann und solche, denen Jesus bei seiner letzten Anwesenheit die Heilung versagt hatte, weil ihr Glaube nicht rein war und sie noch länger leiden sollten, um demütiger die Heilung zu erbitten. Es kamen die Pharisäer hinzu, welche sich besonders ärgerten, dass Jesus diese Kranken heilte, weil sie verbreitet hatten, Er vermöge es nicht. Sie machten nun ein großes Geschrei. Jesus entheilige den Sabbat, Er aber vollendete die Heilung; es waren ihrer sieben.

Den ergrimmten Pharisäeren entgegnete Er mit strengen Worten, ob es am Sabbat verboten sei, Gutes zu tun, ob sie sich selbst am Sabbat nicht hegten und pflegten, ob diese Kranken nicht geheilt seien, um selbst den Sabbat zu heiligen, ob man am Sabbat auch nicht trösten dürfe, ob man am Sabbat ungerechtes Gut behalten müsse, ob man die Witwen und Waisen und die Armen, welche die Woche hindurch gequält und belastet seien, auch am Sabbat in der Qual lassen müsse? So hielt Er ihnen ihre Heuchelei und ihr Bedrücken der Armen hart vor und sprach aus, wie sie unter dem Vorwand, die Synagoge, die doch allen Überfluss habe, zu erhalten, die Armen auspressen und ihnen dafür in dieser Synagoge noch das Gesetz aufbürden wollen, am Sabbat die Gnade Gottes nicht empfangen und nicht gesund werden zu dürfen, während sie selbst am Sabbat doch äßen und tränken, was sie von diesen Leuten erpresst hätten. Dadurch brachte Er sie zum Schweigen und sie gingen zur Synagoge, wo sie Ihm doch die Schriftrolle vorlegten und zu lehren aufforderten, und zwar aus List, um Ihn einer Irrlehre beschuldigen und Ankläger gegen Ihn sein zu können. Als Er nun von den Zeiten des Messias sprach, dass da viele Heiden zum Volk Gottes kommen sollten, sagten sie spottweise zu Ihm, Er sei wohl in Zypern gewesen, um sich Heiden zu holen? Jesus lehrte auch vom Zehnten und vom Bürden auflegen und Selbst-nicht-Tragen und von dem Unterdrücken der Witwen und Waisen, denn von Pfingsten bis zum Laubhüttenfest wurden die Zehnten zum Tempel gebracht. In den von Jerusalem entlegeneren Orten aber, wie hier, sammelten die Leviten ein. Dabei waren Unordnungen eingerissen, indem die Pharisäer den Leuten den Zehnten abdrückten und für sich behielten. Darüber strafte sie Jesus. Sie wurden sehr erbittert und als Er die Synagoge verlassen hatte, lehrten sie gegen Ihn.

Von Naim ging Jesus auf der Anhöhe diesseits des Kison nordöstlich mit einigen Jüngern nach Rimmon, wo die Schule von Leviten besorgt wird. Sie kamen Jesus an der Schule entgegen. Er lehrte die Jünglinge und Knaben vor der Schule auf einem freien Platz, wohin auch die übrigen Leute kamen, welche schon in Naim seine Lehre gehört hatten, von allgemeinen Pflichten aus dem Gesetz und sprach die Drohungen der Zeit nicht so vor ihnen aus wie in den Volksversammlungen. Dieser Ort liegt in einer langen Reihe am Berg hin. Es wohnen meistens Gärtner und Winzer hier, die ihre Früchte nach Naim liefern und auch in den dortigen Gärten arbeiten. Von hier ging Jesus an der Ostseite des Tabor hinauf, von den Leviten eine Strecke weit begleitet, die in Rimmon mit Zehnteinsammeln beschäftigt gewesen waren, und kam nach einem Weg von etwa drei Stunden an den verfallenen Ort Beth-Lechem, östlich von der Stadt Dabrath. Dieser Ort bestand nur aus einer Reihe von Wohnungen armer Bauersleute, die Jesus in ihren Wohnungen besuchte, tröstete und heilte. Danach ging Er noch etwa vier Stunden weiter, durchschritt das Tal, in welchem der Brunnen von Kapharnaum liegt und kam in der Dämmerung nach Azanoth, wo Er eine Herberge hatte. Hier erwarteten Ihn Freunde von Kapharnaum: Jairus und seine Tochter, der geheilte Blinde von Kapharnaum, die verwandte Frau der geheilten blutflüssigen Enue und Lia, welche gerufen: Selig der Leib, der Dich getragen. Die Frauen fielen verschleiert vor Jesus auf die Knie und Er segnete sie. Sie weinten vor Freude, Ihn wieder zu sehen. Die Tochter des Jairus ist nun frisch und gesund und ganz verändert, fromm und demütig. Jesus lehrte bis spät in die Nacht. Am folgenden Tag ging Er nach Damna, wo Er vor der Stadt eine Herberge hatte, welcher Verwandte von Josephs Familie vorstanden. Hier erwartete Ihn Lazarus mit zwei jerusalemischen Jüngern. Lazarus war wohl schon acht Tage in der Gegend. Er hatte noch wegen der Grundstücke und Gebäude von Magdalum Geschäfte, denn es waren nur die Hausgerätschaften und dergleichen Magdalenas verkauft. Jesus umarmte den Lazarus. Er pflegte dieses nur mit Ihm und den älteren Aposteln und Jüngern zu tun, den andern bot Er die Hände. Jesus sprach von den zyprischen Leuten, den Bekehrten und Herüberkommenden, wie sie untergebracht werden sollten. Da hörte ich, dass Jakob der Jüngere und Thaddäus gegen Gessur seien, um die dort angekommenen sieben heidnischen Philosophen zu empfangen und zu führen. Er war mit Lazarus sehr vertraut und wandelte lange allein mit ihm, der groß und ein sanfter, ernster Mann, sehr stille, gesittet, in allem gemäßigt ist und etwas Vornehmes bei aller Vertraulichkeit mit den andern hat. Seine Haare sind schwarz, und er hat Ähnlichkeit mit Joseph, aber strengere, bestimmtere Züge. Joseph hatte etwas ungemein weiches, Mildes und Dienstwilliges in seinem Wesen und hatte gelbe Haare.

Von Damna ging Jesus mit Lazarus, den Jüngern, dem Herbergsverwalter nebst dessen Sohn, der nun auch zu den Jüngern kommen wird, zwei kleine Stunden östlich zum Dorf des Hauptmannes Serobabel von Kapharnaum an der Südseite des felsigen Hügels, der das Tal von Kapharnaum südwärts einschließt und worauf die Gärten und Weinberge des Hauptmannes liegen. Hier lehrte Er vor den Feldarbeitern und Knechten vom Messias und der Nähe des Reiches, erklärte alle Zeichen der Propheten und ihre Erfüllung, flehte und ermahnte zur Bekehrung und sagte, wie der Messias nicht erscheinen würde in der Gestalt, wie die Juden sich ihn erwarteten. Es würde ihn darum nur die kleine Zahl der Bußfertigen und Demütigen erkennen. Er sagte auch, der Messias werde durch mehr als einen Mund seine Lehre verkünden, wie er früher durch den Mund vieler Propheten gesprochen habe. Es wurden melancholische, stumme Besessene herbeigebracht, denen Jesus den mit Speichel benetzten Finger unter die Zunge legte und dem Satan zu weichen befahl. Da sah ich einige ohnmächtig werden und sich gesund aufrichten, andere bekamen kurze Zuckungen und wurden gesund, lobten und dankten. Darnach ging Jesus auf einsamem Weg zum Haus seiner Mutter im Tale östlich von Kapharnaum, wohin Er etwa eine Dreiviertelstunde zu gehen hatte.

Die heiligen Frauen waren von Naim auf dem geraden Weg hierher gegangen und befanden sich bei der heiligen Jungfrau. Sie gingen nicht vor das Haus entgegen, auch Maria eilte ihrem Sohn nicht entgegen. Er trat gereinigt und abgeschürzt in den großen Raum, in welchem viele Kämmerchen abgezeltet waren. Maria reichte Ihm, das verschleierte Haupt demütig senkend, die Hand, da Er die Seinige bot. Er grüßte sie freundlich und ernst. Die andern Frauen standen verschleiert zurück in einem Halbkreis. Wenn Jesus mit Maria allein war, habe ich wohl gesehen, dass Er sie tröstend und stärkend freundlich an seine Brust lehnte und ihr zusprach. Sie selbst aber behandelte Ihn seit seinem Lehramt immer, wie man einen Heiligen, einen Propheten behandeln oder wie eine Mutter tun würde, deren Sohn Papst, Bischof oder König würde, jedoch auf eine viel edIere, heiligere Weise und mit unbeschreiblicher Einfachheit. Sie umarmte Ihn nie, reichte nur die Hand, wenn Er die seine darbot.

Hernach sah ich Jesus und Maria allein zusammen essen. Es stand ein kleiner, niedriger Tisch zwischen ihnen. Jesus lag an der einen Seite, gegenüber saß Maria. Es standen Honig, ein Fisch, Brot, Kuchen und zwei kleine Krüge auf dem Tisch. Die andern heiligen Frauen waren teils zu zwei und drei in den abgezelteten Kämmerchen, teils waren sie in einer Seitenhalle mit der Mahlzeit der Jünger beschäftigt, worunter mehrere Verwandte waren. Jesus erzählte seiner Mutter von Zypern und von den gewonnenen Seelen. Sie freute sich stille, fragte nicht viel, sprach nur, von mütterlicher Sorge bewegt, von der Gefahr seiner Zukunft. Jesus sagte sanft, Er werde seine Sendung erfüllen, bis die Zeit seiner Aufnahme zum Vater erfolge.

24. Ankunft der Apostel und Jünger in Kapharnaum

Nach kurzer Zeit waren schon gegen dreißig Jünger um Jesus versammelt. Einzelne waren von Judäa gekommen mit der Meldung, dass in Joppe Schiffe mit zweihundert zyprischen Juden gekommen und dort von Barnabas, Mnason und dessen Bruder empfangen worden seien. Für die weitere Unterbringung derselben ist Johannes besorgt, der noch in Hebron bei den Verwandten von Zacharias verweilt. Die Essener daselbst beschäftigen sich auch damit, sie unterzubringen. Einstweilen werden sie sich teilweise in Höhlen niederlassen, bis die Verteilung geordnet ist. Für die aus der Gegend von Ornithopolis eingewanderten Juden haben die Syrophönizierin und Lazarus um Ansiedlung bei Ramoth-Gilead gesorgt. Die in Kapharnaum angekommenen Jünger herbergten teils im Haus des Petrus vor Kapharnaum, teils in Bethsaida, teils im Lehrhaus zu Kapharnaum. Von Gessur kamen Jakobus der Jüngere und Thaddäus mit drei der heidnischen Philosophen, sehr angenehmen, feinen Jünglingen, welche die Beschneidung angenommen hatten. Auch Andreas und Simon kamen mit Jüngern, und die Begrüßung war gar rührend. Jesus stellte die Neubekehrten seiner Mutter vor. Er tat dies immer. Es war ein stillschweigender Vertrag, ein inneres Einverständnis unter Jesus und Maria, dass sie die Jünger in ihr Herz, ihr Gebet, ihren Segen und gewissermassen in sich selbst, als ihre Kinder und Jesu Brüder, aufnehme, dass sie ihre geistliche wie seine leibliche Mutter sei. Sie tat dieses mit ernster Innigkeit. Jesus behandelte sie dabei sehr feierlich. Es war eine Heiligkeit in dieser Handlung, eine Innerlichkeit, die ich nicht auszusprechen vermag. Maria war die Rebe, die Ähre seines Fleisches und Blutes.

Die Jünger erzählten, wo sie gewesen und wie es ihnen ergangen war. Hie und da waren Steine nach ihnen geworfen, sie aber nicht getroffen worden. An einigen Orten mussten sie flüchten, waren aber immer wunderbar beschützt. Sie hatten auch gute Leute gefunden, hatten geheilt, getauft und gelehrt. Jesus hatte ihnen befohlen, nur zu den verlorenen Schafen Israels zu gehen. Sie hatten also die Juden in den heidnischen Städten aufgesucht und sich mit Heiden nicht eingelassen, außer mit solchen, welche bei Juden Knechte waren. In Gazora, nordöstlich von Jabesch Gilead, hatten Andreas und seine Jünger mehrere jüdische Sklaven losgekauft und alles dafür hingegeben, was sie hatten. Sie fragten Jesus, ob sie recht getan. Er bejahte es. Jesus hörte nicht alle an. Manchen, welche mit gewissem Eifer gerne erzählt hätten, nahm Er das Wort gleich und sagte etwa: «Es ist Mir schon bekannt.» Andere, welche einfältig und demütig erzählten, hörte Er der Länge nach an, forderte die Schweigenden auch wohl selbst auf. Wenn die Abgewiesenen fragten, warum Er sie nicht anhöre, sagte Er ihnen den Unterschied, mit welchem sie und diese gesprochen hätten. Oft unterbrach Er ihre Mitteilungen mit der Erzählung von Parabeln, so vom Unkraut, das unter den guten Samen gesät worden und, wenn es aufgewachsen, bei der Ernte verbrannt werde. Er sagte, es werde nicht alles aufgehen, was gesät worden. Er sprach von mehreren, welche von den Jüngern wieder abgefallen waren, und ermahnte diese, auf ihre Werke nicht zu sicher zu sein, denn sie würden noch große Versuchungen zu bestehen haben. Er erzählte auch die Parabel vom Herrn, welcher auszieht, ein fremdes Königreich in Besitz zu nehmen und seinen zurückgelassenen Knechten eine Anzahl von Talenten überlässt und hernach Rechenschaft fordert. Diese Parabel bezog sich auf seine Reise nach Zypern und die jetzige Rechenschaft der Jünger über ihre Wirksamkeit während derselben. Dabei wandte Jesus sich oft zu dem einen oder dem andern, dessen Gedanken Er erriet, mit den Worten: «Warum denkst du Unnützes?» oder: «Denke nicht dergleichen!» oder: «Du meinst dies jetzt ganz anders, denke so und nicht so!» Er erriet die Gedanken der Zuhörenden und strafte sie gleich. Es dachte aber hie und da einer: «Damit meint Er diesen oder jenen!»

Als der Sabbat eintrat, ging Jesus mit den Jüngern zur Synagoge. Die Pharisäer standen schon auf dem Lehrplatz. Jesus aber ging gerade hinauf und sie räumten Ihm den Platz. Die Lehre war von den Kundschaftern des Mose nach Kanaan, dem Murren des Volkes und seiner Strafe und von den Kundschaftern Josuas nach Jericho und von Rahab (Ex 13-16, Jos 2, 1. Die Pharisäer waren über seine Kühnheit sehr erbittert und sagten zueinander, sie wollten Ihn jetzt nur reden lassen, aber am Abend Rat halten oder wenn der Sabbat aus sei, dann wollten sie Ihm schon den Mund schließen. Jesus, der ihre Tücke erkannte, sagte, dass sie Kundschafter einer ganz eigenen Art seien. Sie seien nicht hier, die Wahrheit zu erkunden, sondern sie zu verraten. Er lehrte scharf gegen sie und kam auf die Zerstörung von Jerusalem und das Gericht über das Volk, das nicht Buße tue und das Reich des Messias nicht erkenne. Auch die Parabel vom König, dessen Sohn in dem Weinberg von den ungetreuen Knechten erschlagen werde, kam in seiner Lehre vor. Die Pharisäer wagten aber nicht, Ihm zu widersprechen. Alle heiligen Frauen waren in der Synagoge, wo sie eigene Plätze haben.

Am Nachmittag ging Jesus, von den Eltern kranker Kinder gebeten, mit einzelnen Jüngern wohl in zwanzig Häuser von Kapharnaum, zu Vornehmen und Geringen, und heilte sehr viele Kinder von drei bis acht Jahren, Knaben und Mädchen. Es musste eine Art Seuche sein, denn sie hatten meist dieselbe Krankheit: Hals und Wangen waren geschwollen, auch die Hände. Sie sahen ganz gelb aus. Es waren Zustände, wie sie manchmal nach andern Krankheiten, wie nach dem Scharlachfieber, folgen. Jesus legte einigen die Hand an die kranke Stelle, andere bestrich Er mit Speichel, andere hauchte Er an. Viele standen gleich auf. Er segnete sie und gab sie den Eltern mit Ermahnung zurück. Bei andern befahl Er Gebet und die Art der Pflege. Es geschah dies zum Besten der Kinder und Eltern. Auf dem erhöht liegenden Marktplatz von Kapharnaum, zu dem vier Straßen laufen, ging Jesus in das Haus der Eltern von Ignatius und heilte diesen. Er ist ein sehr lieblicher, etwa vier Jahre alter Knabe. Die Eltern sind wohlhabend und handeln mit erzenen Gefäßen, denn ich sah in langen Gängen viele solche Sachen stehen. Die Leute hatten Jesus vor ein paar Tagen darum gebeten, da Er die Kinder eines nahewohnenden Teppichhändlers heilte. Der Markt ist mit Bogengängen umgeben, worin die Waren der Kaufleute ausgestellt sind. Es ist ein Brunnen in der Mitte, und an beiden Enden sind zwei große Gebäude. Die Pharisäer waren voller Grimm über diese Heilungen, und drei von ihnen kamen danach in den Hof des Hauses des Petrus, in dessen Hallen auch Kranke gebracht worden waren, die Jesus heilte. Sie drängten sich vor Jesus, sprachen, Er möge das Heilen unterlassen, keine Störung am Sabbat erregen, und wollten zu disputieren anfangen. Jesus aber wandte sich von ihnen weg und sagte, Er habe nichts mit ihnen zu tun, an ihnen sei, als an Unheilbaren, nichts zu heilen.

Am Abend lehrte Jesus zum Schluss des Sabbats in der Synagoge abermals vom Murren des Volkes über die Nachricht der Kundschafter und vom Fluch über das Volk, dass es in der Wüste umkommen und dass nur ihre Kinder das Gelobte Land sehen sollten. Er lehrte aber besonders und sehr streng vom Fluch und Segen, von den falschen Kundschaftern nach dem Reich Gottes, von denen, die nicht hineinkommen würden, von der Verkennung des Messias, von dem Gericht über das Land und Jerusalem. Nun traten zwei Pharisäer auf den Lehrstuhl und lehrten über eine Stelle der heutigen Lektion, wo Gott dem Mose in der Wüste befiehlt, einen Mann, der am Sabbat Holz sammelte, von dem ganzen Volk steinigen zu lassen (Num 15, 32-36). Sie wandten dieses gegen das Heilen am Sabbat an. Jesus aber fragte sie, ob die Gesundheit der Armen und Notleidenden Holz sei, das man verbrenne, ob eine tote hölzerne Heuchelei nicht vielmehr ein Holz sei und ob das Ärgernissuchen am Heilen der Armen, das Splitterrichten und Balken-im-Auge-Haben nicht ein Holzssammeln sei, mehr, um es in den Weg der Wahrheit zu werfen und zum Kochen und Wärmen des Giftes der Zwietracht und Verfolgung als um sich Speise zu bereiten? Sollen wir nicht das, um was wir am Sabbat flehen, auch am Sabbat empfangen und geben, so wir es haben? Er legte alles im Gesetz auf die weltliche Arbeit aus und sagte, dass diese nur verboten sei, um die geistliche Arbeit verrichten zu können. Wie könne also der Sabbat verbieten, dass der Kranke genese, auf dass er den Sabbat heiligen könne? Auf diese Weise widerlegte sie Jesus und beschämte sie so, dass sie kein Wort mehr vorbringen konnten. Einige wenige Zuhörer bezeigten sich dabei sehr stille und gerührt nachdenkend, mehrere steckten die Köpfe zusammen und sagten: «Ja! Er ist es! Er ist der Messias! So kann kein Mensch, kein Prophet lehren!» Die meisten winkten sich mit den Augen und freuten sich der Niederlage der Pharisäer. Die Verstockten aber ärgerten sich mit diesen.

Nachdem gegen fünfzig Jünger in Kapharnaum beisammen waren, nahm sie Jesus mit sich auf den Berg bei Bethsaida, wo Er über das Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes gelehrt hatte, und lehrte über ihre Sendung und Arbeit und welche Früchte sie tragen werde. Auch die heiligen Frauen waren zugegen. In dieser Lehre erzählte Jesus die Parabel von den Arbeitern im Weinberg. Jesus lobte und tröstete auch die Jünger und segnete sie insgesamt mit über ihre Häupter ausgestreckten Händen. Sie wurden von neuem mit Mut und Stärke erfüllt.

Am Abend dieses Tages kamen Petrus, Jakobus Major, Matthäus mit einigen der alten Johannesjünger an und begrüßten Jesus im Haus seiner Mutter. Petrus weinte vor Freude. Bei dem Mahl darauf erzählte Jesus wiederum die Parabel von dem Fischer, den 570 Fischen und ihrem Versetztwerden in gutes Wasser, über die Er schon in Misael und in Kapharnaum vor den heiligen Frauen und Jüngern gelehrt hatte. So wurden auch alle andern Parabeln oft wiederholt und nach verschiedenen Weisen von Jesus ausgelegt. Tags darauf ging Jesus mit den Aposteln und Jüngern zu Schiff. Das große Schiff des Petrus und das von Jesus wurden vom Ufer entfernt zusammengehängt und man ließ sie, ohne zu rudern, sanft treiben. Jesus wollte sich ungestört mit ihnen unterreden. Es war ein schöner Tag. Sie hatten die Segel zum Schatten über sich gespannt und fuhren erst gegen Abend wieder zurück. Petrus war sehr eifrig zu erzählen, sprach mit Freude davon, wie viel Gutes sie erfahren und gewirkt hätten. Da wandte sich Jesus zu ihm und hieß ihn schweigen. Petrus, den der Herr doch so liebte, wurde ganz still und erkannte mit Reue, dass er zu eifrig sei. Judas ist ruhmsüchtig ohne Offenheit. Er nimmt sich mehr in acht, nicht beschämt zu werden als nicht zu sündigen.

Wenn ich so das Leben und Wandeln Jesu mit seinen Aposteln und Jüngern betrachte, so kommt mir oft die deutliche Gewissheit, dass, käme Er zu uns, es Ihm noch viel hinderlicher gehen würde. Wie frei kann Er und die Seinigen gehen, lehren und heilen! Außer von den ganz verhärteten, aufgeblasenen Pharisäern geschieht Ihm kein Hindernis, und diese selbst wissen nicht, woran sie mit Ihm sind. Sie wissen wohl, dass die Zeit der Verheißung da ist, da die Propheten sich erfüllen. Sie sehen etwas Unwiderstehliches, Heiliges, Wundervolles an Ihm. Wie oft sehe ich sie sitzen und die Propheten und alte Auslegungen aufschlagen. Aber niemals wollen sie sich beugen, denn sie erwarteten Ihn ganz anders und meinen, Er müsse ihr Freund und Genosse sein, und doch wagen sie sich noch nicht an Ihn. Viele Jünger meinen auch, Er müsse noch eine geheime Macht, einen Zusammenhang mit einem Volk oder König haben und Er werde einst in Jerusalem den Thron besteigen, als ein heiliger König eines frommen Volkes, und sie würden dann in seinem Reich gute Plätze haben und auch fromm und weise sein. Jesus lässt sie noch eine Zeit bei diesem Glauben. Andere nehmen die Sache mehr aufs Himmlische, doch nicht ganz bis zur Erniedrigung des Kreuzestodes. Wenige handeln aus kindlicher, heiliger Liebe und Begeisterung allein.

Als endlich alle Apostel zurückgekehrt waren - die zuletzt gekommenen waren Thomas, Johannes und Bartholomäus -, ging Jesus mit ihnen nach Kana, wohin sich auch alle siebzig Jünger und die heiligen Frauen von Kapharnaum aus begaben. Mitten in Kana war auf einem Hügel ein Lehrstuhl, auf dem Jesus von seiner Sendung und ihrer Erfüllung lehrte, dass Er nicht um die Bequemlichkeit und Lust des Lebens gekommen und wie es töricht sei, anderes von Ihm zu verlangen als den Willen seines Vaters. Er sprach deutlicher als je, dass Derjenige da sei, der lange erwartet worden. Er werde aber nur von wenigen erkannt und werde, wenn seine Arbeit getan sei, zum Vater zurückkehren. Er sprach drohend und bittend eine sehr ernste Mahnung aus, das Heil und die Zeit der Gnade nicht zurückzustoßen. Er wies abermals auf die Erfüllung der Propheten hin, und seine Lehre war so wunderbar und eindringend, dass die Leute von Kana zueinander sagten: «Er ist mehr als ein Prophet! So hat nie einer in Israel gesprochen!»

Im Haus des Vaters der Braut von Kana war eine Mahlzeit, bei der auch die Armen des Ortes gespeist und beschenkt wurden. Jesus und die Apostel dienten. Am Schluss erzählte Er die Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen, legte sie ihnen aus und sprach viel von der Nähe der Zeit des Bräutigams. Es war dies eine Art Erinnerungsfest der Hochzeit von Kana, weil wie damals alle Jünger, Apostel und Freunde beisammen waren. Das Festhaus war mit Blumen bekränzt, man trank aus jenen Wasserkrügen des ersten Wunders, Kinder machten Musik und brachten Blumenkronen und Pyramiden heran. Bartholomäus, Nathanael, Chased und einige Jünger hatten schöne Sprüche auf geistliche Vermählung gemacht.

Von Kana wandelte Jesus mit allen Aposteln und Jüngern auf den Lehrberg bei Gabara. Sie wandelten langsam in Scharen, oft um Jesus her stillstehend. Er war sehr liebevoll und redete sie oft an mit den Worten: «Meine lieben Kinder!», befahl ihnen, alles zu erzählen, was sie erlebt hatten und wie es ihnen ergangen war. Zuerst sprachen die Apostel, die in den letzten Tagen schon einiges erzählt hatten, aber nicht vollkommen. Nun sollten alle hören, was alle getan und wie es allen ergangen war. Er sagte so süß: «Liebe Kindlein, nun wird es sich zeigen, wer Mich geliebt und in Mir meinen himmlischen Vater und um Meinetwillen das Wort des Heils verbreitet und geheilt hat, nicht aber um seinetwillen und eitlen Ruhmes wegen.» Da erzählte bald dieser, bald jener Apostel und nach jedem die Jünger, die zu ihm gehörten. Dieses geschah hauptsächlich auf einem Hügel, der etwa zwei Stunden vom Lehrberg und zwei von Kana entfernt liegt. Man pflegt ihn zu besteigen, weil man da mehr Aussicht hat, die sonst hier etwas beschränkt ist.

Petrus erzählte sehr eifrig, was für verschiedene Arten von Besessenen es gegeben, wie er sie behandelt habe und wie sie in Jesu Namen vor Ihm gewichen seien. Er hatte in seiner Begeisterung den Verweis auf dem Schiff wieder vergessen. Er war gleich so feurig und eifrig. Er sagte auch, im Gergesener Land seien ein paar Besessene gewesen, die hätten mehrere nicht heilen können, und nannte die Jünger, worunter die zwei ehemals selbst besessenen Gergesener Jünger. Er aber habe die Teufel gleich ausgetrieben, sie seien ihm unterworfen gewesen. Da winkte ihm Jesus zu schweigen, schaute empor, alle schwiegen. Er aber sagte: «Ich sah den Satan aus dem Himmel fallen, als einen Blitz.» Ich sah dabei einen sich windenden trübfeurigen Strahl durch die Luft zucken. Und Jesus verwies dem Petrus seinen Eifer und allen, die auch prahlhaft sprachen oder dachten. Sie sollten handeln und wirken in seinem Namen und aus Ihm und in Demut aus dem Glauben, nicht denken, einer könne mehr als der andere. Er sagte auch: «Seht, Ich habe euch die Macht gegeben, auf Skorpionen und Schlangen zu treten und über alle Gewalt des Feindes, nichts wird euch schaden.

Aber sucht keine Freude darin, dass euch die Geister gehorchen, freut euch, dass eure Namen in dem Himmel geschrieben stehen!» Noch mehreres sagte Er immer gar freundlich und liebend mit der Anrede «liebe Kindlein» und hörte noch viele an. Auch Thomas und Nathanael, erhielten einen Verweis wegen einer Nachlässigkeit, aber mit großer Liebe und Innigkeit.

Als Jesus auf dem Hügel stand, war Er ganz ernst, freudig und selig und hob die Hände empor. Ich sah Licht um Ihn, das wie eine helle Wolke über Ihn kam. Er war ganz entzückt und betete freudig: «Ich bekenne Dich Vater, Herr Himmels und der Erde, dass Du solches den Weisen und Verständigen verborgen und es den Kleinen geoffenbart hast! Ja, Vater, weil es Dir so gefallen hat. Alles ist Mir von meinem Vater übergeben, und niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, als nur der Sohn allein und wem der Sohn es offenbaren will!» Und zu den Jüngern sprach Er: «Selig die Augen, welche sehen, was ihr seht, denn Ich sage euch, viele Propheten und Könige wünschten zu sehen, was ihr sehet und sahen es nicht, und zu hören, was ihr höret, und hörten es nicht!»

Auf dem Berg über Gabara angelangt, lehrte Jesus ausführlich über alles, was sie Ihm erzählt hatten. Er unterrichtete sie in allem, was sie nicht wussten und worin sie schwankten und gefehlt hatten. Er unterwies sie über die verschiedenen Besessenen und wie sie Teufel austreiben müssten. Er sprach, was ihnen noch alles bevorstehe, von seiner Sendung, seiner nahen Vollendung, und dass Er sie nächstens auf eine Zeit nach Hause gehen und ruhen lassen wolle, wie sie aber auch dann wirken und lehren und das Reich verbreiten sollten. Er dankte ihnen auch für ihren Fleiß und Gehorsam und zog mit ihnen nach Kapharnaum zurück, wo sie erst in der Nacht ankamen. Es waren noch viele andere Zuhörer auf dem Berg.

Am darauffolgenden Sabbat lehrte Jesus in der Synagoge von Kapharnaum über Samuels Niederlegung des Richteramtes sehr ernst und streng. Die Pharisäer fühlten sich überall getroffen, konnten aber nichts Falsches in der Lehre auf Ihn herausbringen und hatten allerlei Läppereien aus dem Wandel seiner Jünger zusammenspioniert, die sie Ihm vorwarfen. Sie sagten, dass seine Jünger nicht ordentlich die Fasten hielten und auch selbst am Sabbat Ähren abstreiften und Früchte auf dem Weg aufläsen und äßen, dass sie grob und unrein seien mit ihrer Kleidung, dass sie hier oder dort in die Synagoge mit von der Reise beschmutzten Kleidern gekommen und nicht gehörig abgeschürzt gewesen seien, dass sie sich da und dort beim Essen nicht gewaschen hätten. Da hielt Jesus eine scharfe Straflehre gegen die Pharisäer, schilderte ihr Tun und Treiben, nannte sie Natterngezücht, die andern Bürden auflegen und selbst nicht tragen. Er sprach von ihrem Herumspazieren am Sabbat, von ihrer Bedrückung der Armen, ihrem Unfug mit Zehnten, ihrer Heuchelei, führte auch an, dass sie den Splitter vor dem Auge eines andern tadelten und den Balken vor ihrem eigenen Auge nicht, dass Er aber lehren und wandeln und heilen werde, bis die Zeit seiner Aufnahme komme. Während dieser Strafrede rief plötzlich ein junger Mann unter den Pharisäern ganz laut, indem er die Hände emporhob und nähertrat: «Wahrhaftig, dieser ist der Sohn Gottes! Der Heilige in Israel! Er ist mehr als ein Prophet!» und ergoss sich in ein begeistertes Lob Jesu. Es entstand große Bewegung in der Synagoge. Zwei alte Pharisäer fassten ihn bei den Armen und schleppten ihn zur Synagoge hinaus, während er noch immer Jesu Lob verkündete. Jesus aber redete fort und der Mann sagte sich draußen laut und heftig vor allem Volk von den Pharisäern los. Als Jesus die Synagoge verließ, warf sich der Mann zu seinen Füßen und flehte, unter seine Jünger aufgenommen zu werden. Jesus sagte, ja, wenn er Vater und Mutter verlassen, all das Seine den Armen geben, sein Kreuz auf sich nehmen und Ihm nachfolgen wolle. Darauf nahmen ihn einige Jünger, worunter Mnason, mit sich.

Am Abend schloss Jesus den Sabbat in der Synagoge, wohin Er sich mit den Aposteln und Jüngern schon vorher, noch ehe die Zeit des Sabbatschlusses gekommen war, begeben hatte, damit jedermann erfahren sollte, was Er die Seinen lehre und wie Er sie nicht im Geheimen zu lehren brauche. Er warnte sie in seiner Lehre vor den Pharisäern und falschen Propheten, empfahl ihnen Wachsamkeit und legte die Parabel vom guten wachsamen und von dem faulen Knecht aus. Da nun Petrus während des Vortrags Jesus fragte, ob diese seine Worte nur den Jüngern oder allen Zuhörern gälten, richtete Er seine Rede so an Petrus, als sei Petrus der Hausherr, der Aufseher über die Knechte, und sprach das Lob eines guten Haushälters, aber verurteilte auch streng den schlechten, der seine Pflicht nicht tue.

Jesus lehrte, bis die Pharisäer kamen, den Sabbat zu schließen, und da Er ihnen Platz machen wollte, sprachen sie ganz höflich: Rabbi, lege die Lektion aus, und legten die Rollen vor Ihn. Da lehrte Er ganz wunderbar von der Niederlegung des Richteramtes Samuels, indem Er die Abdankungsworte Samuels als Worte Gottes und seines Gesandten anführte und sie so auslegte, dass die Pharisäer wohl fühlen konnten, Er deute auf Sich selber die Worte Samuels: «Ich bin alt und grau geworden.» 1 Sam 12, 2 usw.. Er sagte ungefähr: «Ihr habt Mich schon lange und seid Meiner müde! Ihr erneuert euch immer und Ich bin euch ewig da.» Auch die Fragen Samuels an das Volk: «Habe ich dieses oder jenes Unrecht an euch getan? Habe ich jemandes Ochsen oder Esel genommen? Habe ich jemanden unterdrückt?» führte Er als Fragen Gottes und seines Gesandten an, und die Auslegung, die Er gab, traf immer bestimmt auf jene Lehrer und Pharisäer, welche es nicht wagen durften, solche Fragen an das Volk zu richten. Das Schreien der Israeliten nach einem König, von dem sie wie die heidnischen Völker regiert sein wollten, und ihr Abweisen der Richter deutete Jesus auf ihre verkehrte Erwartung eines weltlichen Reiches, eines prächtigen weltlichen Königs und Messias, bei dem sie in weltlicher Pracht und Freude leben könnten und der alle ihre Sünden und Gräuel nicht mit Mühe, Leiden, Buße und Genugtuung hinwegnähme, sondern sie samt ihrem Schmutz und Gräuel in seinen prächtigen Königsmantel einhüllte und für ihre Sünden sie noch belohnte.

Dass ferner Samuel nicht aufhörte, für das Volk zu beten, und dass er Donner und Regen auf sein Gebet vor ihnen erscheinen ließ, legte Jesus aus als Gottes Erbarmen mit den Besseren, und dass dessen Gesandter, den sie nicht aufnehmen, sondern verstoßen würden, auch seinen Vater bis ans Ende für sie anflehen werde. Die erbetenen Regen und Donner legte Jesus aus als die Zeichen und Wunder, welche den Gesandten Gottes begleiten würden, auf dass die Besseren sich bekehren und erwachen möchten. Dass ihr König und sie Gnade vor Gott finden würden, wenn sie vor Gott wandelten, der sie nicht verstoßen werde, legte Er aus, dass die Gerechten Gerechtigkeit erfahren würden und Gnade zur Erkenntnis, den Ungerechten aber werde Samuel ein schweres Gericht werden. Dann kam Jesus auf David und dessen Salbung zum Gegenkönig und auf die Scheidung der Guten von den Bösen und auf den Untergang Sauls und der Seinen.

In der Synagoge erhoben die Pharisäer keinen Widerspruch, um nicht wie immer vor dem Volk beschämt und widerlegt zu werden. Sie hatten es sich aber vorbehalten, es bei der Mahlzeit zu tun, zu der Jesus mit den Aposteln und einem Teil der Jünger von ihnen eingeladen war. Dieselbe war in einer offenen Halle des Hauses der Synagogenvorsteher, und es waren wohl an zwanzig Pharisäer da. Vor dem Essen brachte einer von ihnen ein großes Waschbecken vor Jesus, fragend, ob Er sich nicht waschen wolle, und sprach vom alten heiligen Gebrauch und Gebot der Israeliten Jesus und andern zu Gehör. Jesus wies ihn zurück. Er kenne seine Schalkheit wohl und wolle kein Wasser von ihm. Bei Tisch nun begannen sie mit Jesus über seine heutige Lehre zu disputieren. Sie wurden aber überführt und dermassen beschämt, dass manche ganz ergrimmt, manche aber auch so erschüttert und gerührt wurden, dass während des Gesprächs, welches sie hin und her wandelnd führten, zwölf von den andern verstockt Bleibenden sich trennten und dass so die Zahl seiner Feinde gemindert wurde.

Es kam hier zu Jesus auch einer der Jünglinge von Nazareth, welche Ihn so oft vergeblich um Aufnahme gebeten hatten, und fragte: «Herr, was soll ich tun, das ewige Leben zu erlangen?» Da kam die ganze Szene aus dem Evangelium Lk 10, 25-37 und die Erzählung vom barmherzigen Samariter vor. Die Pharisäer aber erhoben gegen Jesus Vorwürfe, dass Er den Menschen nicht unter seine Jünger aufnehmen wolle, weil er etwas gelernt habe und sich das Wort nicht verbieten lasse wie die Seinen. Sie beschuldigten auch die Jünger wieder der Unordnung, Unreinlichkeit, des Ährenabstreifens am Sabbat, Obstauflesens am Weg und Essens zu ungewohnter Zeit, der Grobheit und vieler solcher Dinge. Besonders beschuldigten sie Petrus, der ein Zänker und Streiter wie sein Vater sei. Jesus verteidigte die Jünger: sie dürften freudig sein, solange der Bräutigam bei ihnen sei. Dann entfernte Er sich gegen des Jairus Haus zu durch den Gartengraben bei der Synagoge und kam über den Landweg gegen Bethsaida zu. Er betete einsam bis nach Mitternacht, da Er zum Haus seiner Mutter ging. Die Pharisäer hatten Gesindel gedungen, welches Steine hinter den Jüngern herwarf. Gott aber beschützte sie. Sie wussten nicht, wo Jesus hingegangen war.

Die nach Palästina ausgewanderten zyprischen Juden wohnten zuerst in Höhlen. Aber allmählich entstand aus ihrer Niederlassung eine ganze Stadt, welche den Namen Eleutheropolis erhielt. Sie lag westlich von Hebron, nicht fern von dem Brunnen Simsons. Die Juden haben diese Niederlassung mehrmals zu zerstören gesucht, aber nach jeder Zerstörung haben die Einwohner sich wieder gesammelt. Die Höhlen wurden mit der Stadt überbaut, so dass sie bei Verfolgungen sich darin verbergen konnten. Bei der ersten Verfolgung, zur Zeit der Steinigung des heiligen Stephanus, wo die Ansiedlung zwischen Ophel und Bethanien zerstört wurde, ist auch Merkuria ums Leben gekommen. Von dieser Ansiedlung zogen die Leute nach dem Abendmahlshaus und der Kirche am Teich Bethesda, um da ihre Opfer und Beisteuer zu bringen und bei der Verwüstung von Ophel flüchteten sie nach Eleutheropolis. Hier war Joses Barsabas, der Sohn der Maria Cleophä und ihres zweiten Mannes, Sabbas, der erste Bischof. Er wurde auch dort in einer Verfolgung an einem Baum gekreuzigt.

25. Jesus lehrt vor den zuletzt aufgenommenen Jüngern vom Gebet und von der achten Seligpreisung

Jesus ging tags darauf ganz früh von Mariä Haus, den Weg von Kapharnaum nach Bethsaida durchschneidend, mit den neuesten, noch nicht so unterrichteten Jüngern gegen jenen Lehrberg zu, auf welchem Er die Apostel einmal ausgesandt hatte, etwa drei Stunden von Kapharnaum. Unterwegs fand sich Mnason mit einigen anderen Jüngern und dem bekehrten Pharisäer aus Thanach bei Naim ein, der schon dort durch die Heilung eines Pharisäers gerührt und durch die letzte Lehre auf dem Berg über Gabara erschüttert worden war. Auf dem Apostelsendungsberg ist ein wohlgeordneter Lehrplatz mit einem Schattendach. Unten an dem Berg kam Jesus zu einer langen Hütte, wo zehn arme gichtbrüchige, ganz durcheinander gekrümmte Kranke der Gegend lagen, welche von den Hirten daherum bedient wurden, die Jesus heilte und lehrte.

Hier auf der einsamen Höhe nun baten die Jünger Jesus, Er möge sie doch beten lehren. Und Er lehrte sie das Vaterunser, alle einzelnen Bitten weitläufig auslegend, wobei Er die schon früher erwähnten Beispiele wiederholte: wenn einer nachts bei einem Freund um Brot poche und dringend wieder poche, bis er befriedigt werde; vom Kind, das den Vater um ein Ei bitte, der ihm keinen Skorpion geben werde, und so alles, was Er früher vom dringenden Gebet und von dem ganz väterlichen Verhältnis Gottes zu den Menschen gesagt hatte. Er lehrte alle seine Jünger dasselbe und wiederholte es sehr oft mit rührender Mühe und Geduld, auf dass auch sie überall genau dasselbe wieder lehren könnten. Er verfuhr auch ganz wie bei einer Kinderlehre, indem Er einzelne über die gegebenen Erklärungen abfragte, berichtigte und wiederholt auslegte, was sie nicht recht erkannt hatten. Zuletzt wiederholte Er das ganze Gebet und gab die Auslegung über das Wort Amen, wie in Zypern, dass dies Wort alles in sich enthalte, Anfang und Ende. Es waren noch andere Leute und ein paar Pharisäer von Bethsaida-Julias dazugekommen, die noch einen Teil seiner Lehre anhörten. Einer von ihnen lud Ihn in sein Haus nach Bethsaida-Julias zur Mahlzeit, welches Jesus annahm.

Als Er nun mit den Jüngern dahin ging, wandelte Er südlich von der Jordansbrücke gegen das diesseitige Bethsaida zu bis zu einer Herberge, wo Ihn seine Mutter, die Witwe von Naim, Lia und noch ein paar andere Frauen erwarteten, um Abschied zu nehmen, weil Er nun über den Jordan gehen und jenseits das Land hinabziehen und lehren wollte. Maria war sehr betrübt. Sie war mit Jesus allein, weinte sehr und flehte, Er möge doch zum Fest der Tempelweihe nicht nach Jerusalem gehen. Sie brachte dies mit solcher Demut und Liebe vor, dass ich fühlte, wie sie wohl die Notwendigkeit des heiligen Schicksals ihres Sohnes ahnte. Jesus lehnte sie an seine Brust und tröstete sie mit großer Milde und Liebe, dass Er vollenden müsse, wozu sein Vater Ihn gesandt habe und weswegen sie seine Mutter geworden sei. Sie solle stark sein und fortfahren, die andern zu stärken und zu erbauen. Dann grüßte Er die andern Frauen, segnete sie, und sie kehrten nach Kapharnaum zurück. Jesus aber wandelte mit den Jüngern nach Bethsaida-Julias, wo Er von den Pharisäern empfangen wurde. Außer den hiesigen Pharisäern waren auch einige von Paneas hier, denn es war eine Art Feiertag wegen eines bösen Buches der Sadduzäer, das einmal verbrannt worden war. Es kamen auch hier ihre alten Vorwürfe wieder vor. Da Jesus sich zu Tisch setzen wollte, zog Ihn ein Pharisäer am Arm und sagte, er müsse sich sehr wundern, wie ein Mann, der so herrlich lehren könne, so wenig die heiligen Sitten beobachte, dass Er sich vor dem Essen nicht wasche. Jesus entgegnete, die Pharisäer reinigen das Äußere der Schüssel und des Bechers, inwendig aber seien sie voll Bosheit, worauf der Pharisäer erwiderte, woher Er denn wisse, wie sein Inwendiges sei? Jesus antwortete, der das Äußere gemacht, habe auch das Innere gemacht, und auf das Innere sehe Gott. Die Jünger zogen Jesus beiseite und baten Ihn, nicht zu eifern, sie möchten sonst vertrieben werden. Er verwies ihnen aber ihre Feigheit.

Am Abend lehrte Jesus in der Synagoge, heilte aber nicht, denn die Pharisäer hatten die Leute eingeschüchtert. Sie waren sehr stolz und hatten eine Art hohe Schule hier.

Von Bethsaida-Julias wandelte Jesus nordöstlich nach dem anderthalb Stunden entfernten Lehrberg der Brotvermehrung, wo sich alle Apostel und Jünger nebst vielen Leuten aus Kapharnaum, Cäsarea-Philippi und andern Orten versammelt hatten. Er lehrte hier von der achten Seligpreisung: wenn sie euch hassen und verfolgen um des Menschensohnes wegen. Auch: wehe den Reichen, Gesättigten von den Gütern der Welt, sie haben ihren Lohn schon empfangen, und dass sie aber sich freuen sollten auf zukünftigen Lohn. Auch vom Salz der Erde, von der Stadt auf dem Berg, vom Licht auf dem Leuchter, von der Erfüllung des Gesetzes, von der Verborgenheit der guten Werke, dem Gebet in der Kammer und vom Fasten, dass man es fröhlich, mit gesalbtem Haupt und nicht scheinheilig öffentlich tun solle. Ferner vom Sammeln der Schätze im Himmel, der Sorglosigkeit und dass niemand zwei Herren dienen könne, von der engen Pforte, dem breiten Weg, von dem schlechten Baum und der schlechten Frucht, von dem weisen Mann, der ein festes Haus baue, und den Toren, die auf Sand bauen. Die Lehre dauerte länger als drei Stunden. Die Zuhörer gingen einmal hinab an den Fuß des Berges, um zu essen, worauf Jesus die Lehre wieder fortsetzte und die Apostel und Jünger über alle jene Punkte ermahnte, von welchen Er schon bei den früheren Aussendungen geredet hatte, und dass sie glauben, vertrauen und ausharren sollten. Am folgenden Tag, da die Zahl der Zuhörer auf mehrere Tausende angewachsen war, lehrte Jesus wieder auf dem Berg. Es waren durch die herumziehenden Karawanen Leute aus dem ganzen Land hier und viele Kranke und Besessene. Die Pharisäer, die heraufgekommen waren, kamen nicht zum Disput, obwohl sie scharf in der Lehre getroffen wurden. Jesu Wunder waren so groß und das Volk sehr begeistert. Das Volk hatte Speise bei sich und lagerte zum Essen. Unter den Geheilten war ein Blinder aus Jericho, der auch lahm gewesen und den ein Jünger gehend, aber nicht sehend gemacht hatte. Er war ein Vetter Manahems, der ihn zu Jesus führte, damit Er ihn sehend mache.

Die neuen Jünger, welche Jesus in den letzten Tagen mit so erstaunlicher Geduld wie Kinder mit Fragen und Antworten unterrichtet hatte, sandte Er nun zu zwei und zwei aus mit den Worten: «Ich sende euch, wie Lämmer unter die Wölfe.» Einer der Neffen Josephs von Arimathäa brachte von Jerusalem die Nachricht hierher, dass Lazarus krank sei.

Jesus behielt nur die Apostel Petrus, Jakobus, Johannes, Matthäus und einige Jünger bei sich, mit denen Er sich zur Zollstätte des Matthäus und von da zu Schiff nach Dalmanutha begab. Danach sah ich Ihn in der Stadt Edrai, wo Er am Sabbat lehrte, dann in der Levitenstadt Bosra und in Nobah.

In Nobah wohnten außer dem heidnischen Teil der Stadt lauter Rechabiten, welche diesen Ort bei der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft von Heiden besetzt gefunden, ihn erobert und sich dann dort zusammengezogen hatten. Sie haben einen außerordentlichen Hass gegen die Pharisäer und Sadduzäer und ziehen von ihnen weg, wo sie nur können. Sie leben sehr streng, treiben Viehzucht, trinken keinen Wein außer an Festtagen und halten ganz gewaltig am Buchstaben der Schrift. Jesus ermahnte sie darüber und lehrte vom Geist des Buchstabens. Sie waren sehr demütig und nahmen alles gut an. Es wurden viele Leute, darunter auch Heiden, getauft, und Besessene, von denen ein ganzes Hospital hier war, befreit. Petrus, Jakobus, Johannes heilten und lehrten auch. Jesus fand hier keinen Widerspruch und arbeitete erstaunlich. Er wohnte in der Herberge an der Synagoge. Nobah ist eine freie Stadt und gehört zu Dekapolis. Sie regiert sich aber selbst.

Von Nobah wandelte Jesus fünf Stunden südwestlich nach dem wunderbar lieblichen Hirtenaufenthalt, der Jakobs Friedenslager heißt, denn hier hatte er, da Laban ihm folgte, zuerst bei seiner Rückkehr im Gelobten Land gelagert. Es beginnt hier das Gebirge Galaad (Gen 31, 25 usw.) und wohnen Hirten hier, welche von Eliezer, dem Knechte Abrahams, herstammen, der seinem Sohn Isaak die Rebekka geholt hatte. Es waren auch von den Nachkommen derer darunter, die Melchisedech aus der Sklaverei der Semiramis befreit und hier an die Grenze gesetzt hatte, welche sich nachher mit den Nachkommen Eliezers vermischten. Es sind drei schöne Brunnen hier, die um einen angenehmen Hügel liegen, an welchem ringsum, wie in einem grünen Wall, kühle Wohnungen sind. Aus einiger Entfernung hält man sie für eine Bergterrasse. Die ältesten und vornehmsten Herdenbesitzer wohnen an dem Hügel, auf dem ein Lehrplatz ist. Weit umher sind umzäunte Weideplätze für Kamele, Esel und Schafe. Jede Tierart ist allein, und bei den Brunnen sind Tränken. Die Hirten wohnen in der Nähe der Brunnen unter Zelten auf festen Grundlagen. Es stehen lange Reihen von Maulbeerbäumen dort und besonders lustig ist ein sehr langer Weg an beiden Seiten mit Pfählen, an denen ein Gewächs sehr weit, oft ein paar hundert Schritte hinrankte, mit Früchten wie Flaschenkürbisse. Dieser Weg führt gegen Selcha von dem Hügel aus und erinnert an eine unabsehbare Laube. Sie hatten erst vor einigen Tagen darin ein Erinnerungsfest an die Errettung ihrer Voreltern aus der Sklaverei der Semiramis gefeiert. Sie gehen nach Selcha zur Synagoge und werden von dort aus unterrichtet. Der Ort hier ist von jedermann geehrt, und das Ganze wird wie eine Stiftung zum Andenken Jakobs angesehen. Auch wird hier reichlich Gastfreundschaft geübt. Die Hirten müssen um ein Geringes die arabischen Karawanen und alle Fremden beherbergen.

Jesus kam mit drei Aposteln gegen Mittag an einem der Brunnen an, wo Ihm die Ältesten der Hirten die Füße wuschen und Ihm Früchte, Honig und Brot reichten. Sie hatten schon gewusst, dass Er kommen werde, und hatten viele Kranke in das lange Haus am Hügel gebracht, welche nun geheilt wurden. Es waren an vierhundert Hirten mit Frauen und Kindern versammelt. Die Frauen trugen kürzere Röcke als sonst im Gelobten Land. Jesus lehrte an dem Hügel und war ganz kindlich und vertraut mit ihnen, erinnerte sie an den Zug der drei Könige, die vor zweiunddreißig Jahren hier gerastet, an den Stern aus Jakob, von dem Balaam geweißagt, an das neugeborne Kind, das, jene weisen Könige damals aufgesucht. Er sprach auch von Johannes, dessen Lehre und Zeugnis und sagte, dass der verheißene Messias, der Tröster und Helfer, da sei mitten unter den Israeliten, dass sie Ihn aber nicht erkannten. Außerdem erzählte Er ihnen Parabeln vom guten Hirten und vom Säen und Ernten, denn man war hier in der Gegend an einer Ernte von Obst und großem Weizen. Auch von den Hirten bei Bethlehem, wie sie das Kind noch vor den Königen gefunden, und wie die Engel es ihnen verkündet hätten. Die Leute gewannen Jesus sehr lieb. Viele wollten alles verlassen und Ihm nachfolgen, um Ihn immer zu hören. Er ermahnte sie aber, zu bleiben und seine Lehre zu befolgen. Da von Selcha, das ungefähr eine Stunde nördlich liegt, Leute kamen und Jesus dahin einluden, ging Er mit den Jüngern dahin. Er wurde mit Feierlichkeit am Tor von den Lehrern und Schülern empfangen und lehrte in der Synagoge vom Zeugnis des Johannes. Es wurden sehr viele getauft und geheilt, die Kinder gesegnet.

Von Selcha wandelte Jesus mit den Seinen etwa anderthalb Stunden in der sogenannten Straße Davids, welche nach den Wendungen der Täler immer westlich den Jordan hinabläuft. Diese Straße ist tief, eine Art Hohlweg, in welchem manchmal Wasser läuft. Sie zieht sich einsam zwischen den Bergen hin und hat an mehreren Stellen Futterplätze für die Kamele mit Trögen und Ringen. In dieser Straße hatte Abraham, da er in das Land zog, ein Leuchten gesehen und ein Gesicht gehabt. Und als David auf den Rat Jonathans seine Eltern in die Gegend von Maspha (1 Sam 22) flüchtete, hielt er sich mit dreihundert Mann in ihr versteckt, woher sie den Namen «Straße Davids» erhalten hat. David erhielt hier von Gott ein prophetisches Gesicht von dem Zug der Heiligen Drei Könige und hörte singen wie aus offenem Himmel vom verheißenen Tröster in Israel. Auch Malachias hatte nach einer Schlacht einem Licht folgend sich hier verborgen, und die Heiligen Drei Könige sind, ihren Kamelen den Willen lassend, aus der Gegend von Selcha auf diesem Weg unter lieblichem Gesang hinabgezogen, dann längs dem Ufer bis gegenüber von Koreä, wo sie über den Jordan setzten und durch die Wüste über Anathoth nach Jerusalem kamen, wo sie durch das Tor einzogen, durch welches Maria von Bethlehem zum Opfer ging.

Aus der Davidsstraße wandte sich Jesus nach dem kleinen Ort Thantia, wo Er gleich zur Synagoge ging. Die Lehre war von Balaam, vom Stern Jakobs, aus Michäas und über Bethlehem Ephrata (Num 22, 2 - 25, 10; Mich, 5, 7 - 6, 9). Danach heilte Er in den Häusern viele Kranke, auch mehrere, welche hier gewesene Jünger nicht zu heilen vermocht hatten. Es war keine rechte Kranken- und Armenpflege hier. Erst die Jünger hatten sie zu ordnen begonnen, und Jesus brachte sie nun ganz zustande. Von den Jüngern wurden sehr viele getauft-

Die Leute und Rabbiner hier waren fromm und hatten die Gewohnheit, in die Straße Davids unter Fasten und Beten zu wallfahrten und nach dem Messias zu flehen. Sie hofften, dass sie dort Erscheinungen vom Messias haben würden und dass Er von dort zu ihnen kommen werde. Unter Jesu Lehre sagten sie manchmal: «Er spricht, als sei Er es selbst; aber das ist doch nicht möglich!» Dann meinten sie, der Messias müsse irgendwie ein Engel, unsichtbar in Israel angekommen, und Jesus etwa ein Verkünder und Vorläufer desselben sein. Jesus sagte ihnen, sie würden den Messias vielleicht noch erkennen, wenn es zu spät sei. Ich sah, dass viele von hier vor und nach der Kreuzigung zur Gemeinde kamen.

Von Thantia ging Jesus vier Stunden östlich zur zerstörten Bergfestung Datheman. Es ist der Berg in der Nähe, den sich die Tochter Jephtes mit ihren zwölf Gespielinnen zum Trauern ausgewählt hatte. Auf demselben waren auch Propheten und Einsiedler, wie die Essener. Balaam war auf dem Berg in Einsamkeit und Betrachtung, als er von dem Moabiter-König (Num 22, 5) berufen wurde. Er war von hoher Herkunft und von sehr reichen Leuten. Von Jugend auf war er von prophetischem Geist getrieben und hing mit jenen Völkern zusammen, die nach dem verheißenen Stern sahen, worunter die Voreltern der Heiligen Drei Könige waren. Er war kein Zauberer, noch Bösewicht, diente nur dem wahren Gott, wie die Erleuchteten aus andern Völkern, aber in unvollkommener und sehr gemischter Weise. Früh ist er in die Einsamkeit auf die Gebirge gezogen und hat sich besonders auf diesem Berg aufgehalten. Ich meine, mit noch andern Propheten oder Schülern. Als er von dem Moabiter-König Balak zurückkehrte, wollte er wieder auf diesen Berg, konnte aber aus göttlicher Verhinderung nicht mehr hinauf. Er war durch seinen schändlichen Rat (Num 31, 16) an die Moabiter tief aus aller Gnade gefallen und irrte ganz verwirrt in der Wüste umher, in welcher er auch umgekommen ist.

Die Leute dieser Gegend sind voll von der Heiligkeit der Davidsstraße. Sie sagten zu Jesus, sie möchten nicht im Land über dem Jordan wohnen, wo man alles, was in der Davidsstraße vorausgesehen worden und eingetroffen sei, gar nicht erwähnen dürfte.

ERWECKUNG DES LAZARUS. JESUS IM LANDE DER HEILIGEN DREI KÖNIGE

1. Jesus in Bethabara und Jericho. Der Zöllner Zachäus

Als Jesus mit den Aposteln sich Bethabara am Jordan näherte, war hier schon eine unzählige Menschenmenge versammelt. Der ganze Ort war voll. Sie lagerten in Schuppen und unter Bäumen. Besonders viele Mütter zogen mit Scharen von Kindern in großen Prozessionen heran. Es waren Kinder von jeglichem Alter, selbst Säuglinge, die auf den Armen getragen wurden. Als sie auf der breiten Straße des Ortes Jesus entgegenkamen, wollten die vor Ihm gehenden Jünger die Frauen und Kinder der großen Arbeit Jesu wegen unfreundlich zurückweisen, denn Er hatte schon viele gesegnet. Jesus aber wehrte ihnen, und es ward Ordnung gemacht. Zu einer Seite der Straße stellten sich in fünf langen Reihen Kinder verschiedenen Alters und Geschlechtes hintereinander auf, doch Knaben und Mägdlein gesondert. Es waren viel mehr Mägdlein als Knaben. Die Mütter mit den Säuglingen auf den Armen standen hinter der fünften Reihe. Auf der andern Seite der Straße stand das übrige Volk, das sich abwechselnd vordrängte. Jesus ging nun längs der ersten Reihe der Kinder hinab, legte ihnen die Hand auf das Haupt und segnete sie. Einigen legte Er eine Hand auf das Haupt und die andere auf die Brust, einige schloss Er an seine Brust, manche stellte Er den andern wie ein Muster vor, und Er lehrte, ermahnte, ermunterte und segnete. Wenn Er an einer Reihe der Kinder hinabgeschritten war, ging Er an der andern Seite der Straße bei den erwachsenen Leuten wieder hinauf, ermahnte und lehrte auch diese und stellte ihnen einzelne Kinder vor. Dann ging Er an der folgenden Reihe der Kinder wieder hinab und gelangte nachher wieder hinab zu den Erwachsenen, von denen wieder andere in die vordere Reihe getreten waren. So tat Er fort, bis Er dieselbe Liebe auch den Säuglingen erwiesen hatte. Alle Kinder, die Er segnete, erhielten eine innere Gnade und wurden später Christen. Es waren nach und nach wohl an tausend Kinder hier, denn es erneuerte sich der Andrang einige Tage hindurch. Jesus war in steter Arbeit, immer ernst, milde und ruhig, mit einer rührenden geheimen Trauer. Er lehrte bald auf der Straße, bald zogen sie Ihn bei den Kleidern in ein Haus. Er erzählte viele Parabeln, lehrte die Weisen und die Einfältigen. Zu jenen sprach Er, sie sollten alles Gott aus Dankbarkeit wiedergeben, was Er ihnen gegeben habe - so tue Er auch.

Von den heiligen Frauen waren Veronika, Martha, Magdalena und Maria Salome zugegen. Ich sah Maria Salome mit ihren Söhnen Johannes und Jakobus Major zu Jesus herantreten und Ihn bitten, dass ihre Söhne Ihm zu Seiten sitzen sollten. Von den Pharisäern in Jerusalem waren Kundschafter hierher gesandt worden, von denen manche sich bekehrten und blieben. Andere, die erbittert nach Jerusalem zurückkehrten, wurden unterwegs anderen Sinnes und später Jesu Anhänger.

Als Jesus mit den Aposteln Bethabara verließ, wurde Er auf dem Weg in ein Haus gebeten, in welchem zehn Aussätzige lagen. Da gingen die Apostel scheu vor den Aussätzigen in mittäglicher Richtung voraus, um Jesus unter einem Baum zu erwarten. Die Aussätzigen lagen in einem entlegenen Teil des Hauses verhüllt und voller Schorf. Jesus befahl ihnen etwas, und es ist mir, als habe Er einen angerührt. Dann verließ Er sie. Die Aussätzigen aber wurden nacheinander von zwei Leuten zu einem kleinen Teich in der Nähe des Hauses geführt, in Trögen gewaschen und konnten sich darauf den Priestern als geheilt vorstellen.

Jesus ging noch durch ein anderes Gebäude mit einem viereckigen Hot, der an zwei Seiten bedeckte Bogengänge hatte, wo kranke, krüppelhafte Männer und im andern kranke Frauen lagen. Es waren für die Lager ordentliche Vertiefungen im Bogen. In gleicher Linie durchschnitt ein bedeckter Gang die Mitte des Hofes und führte zu einem Raum, wo gekocht und gewaschen wurde. Zwischen diesem Gang und den Gängen, worin die Kranken lagen, waren Rasenplätze unter freiem Himmel. Hier heilte Jesus noch mehrere. Als Er weiterging, sah ich Ihm auf dem Weg einen der geheilten Aussätzigen nachfolgen und Ihm Lob nachrufen. Er schaute sich um, der Mann aber warf sich auf sein Antlitz und dankte. Weiterziehend segnete Jesus noch viele Kinder, die Ihm von den Müttern entgegengebracht wurden.

Der Weg, auf dem Jesus mit den Aposteln von Bethabara aus weiterwanderte, führte sie rechts an Machärus und an der Stadt Madian vorüber. Sie näherten sich dann wieder mehr dem Jordan, umgingen Bethabara und zogen auf Umwegen durch eine öde Gegend gegen Jericho. Auf diesen Wegen kamen nach und nach die ausgesandten Jünger wieder zu Jesus und erzählten, was sie getan. Er belehrte sie in Parabeln. Ich erinnere mich aber nur des Wortes, das in seiner Lehre vorkam: Jene, welche sagen, sie seien keusch, essen und trinken aber, was ihnen gelüstet, wollen ein Feuer mit dürrem Holz löschen. Eine andere Parabel bezog sich auf das künftige Tun aller zwölf Apostel. Jesus sagte darin: «Jetzt hängt ihr Mir an, weil ihr eine gute Kost habt». Allein sie verstanden nicht, dass Er damit den Frieden und die schönen Lehren meinte, «In der Not werdet ihr anders handeln, sogar jene, welche wie einen Mantel von Liebe zu Mir tragen, werden diesen fallen lassen und fliehen.» Es bezog sich dieses auf Johannes im Garten Gethsemane. In einem Städtchen nahe am Jordan sah ich eine Frau um die Heilung ihrer mit Geschwüren bedeckten Tochter bitten. Jesus sagte ihr, dass Er einen Jünger zu ihr senden werde. Sie aber wollte, dass Er selber komme. Er tat es nicht. Aber als Er nicht ferne mehr von Jericho war, näherte sich die Frau wiederum, bat um Hilfe und sagte, dass sie sich nun von allem losgesagt habe, wie Er befohlen. Jesus wies sie nochmals zurück, ihr Kind sei in Sünden empfangen, und hielt ihr einen Fehler vor. Es schien nur eine Kleinigkeit, an dem sie schon mehrere Jahre klebe, sie solle nicht wieder kommen, bis sie sich davon bekehrt habe. Da sah ich die Frau an den Aposteln und Jüngern vorbei nach Jericho ziehen.

Näher gegen Jericho traten vier Pharisäer zu Jesus, die von den Pharisäern von Jerusalem abgeschickt waren, Ihn zu warnen, nicht dahin zu kommen, denn Herodes wolle Ihn ermorden. Sie taten es aber, weil sie Ihn fürchteten, denn sie hatten von seinen vielen Wundern gehört. Da sprach Jesus, sie sollten Herodes dem Fuchs nur sagen: «Siehe! Ich treibe Teufel aus, und mache gesund heute und morgen, am dritten Tag aber werde Ich vollendet.» Zwei von diesen Pharisäern bekehrten sich und schlossen sich Jesus an, während die zwei andern erbittert nach Jerusalem gingen.

Dann kamen zwei Brüder aus Jericho zu Ihm, die über ihr Erbe nicht einig werden konnten. Der eine wollte bleiben, der andere wollte wegziehen. Da hatte sich der eine vorgenommen, der berühmte Jesus soll ihnen ihre Sache teilen und so waren sie Ihm entgegen gezogen. Er aber wies sie ab, weil dieses nicht sein Geschäft sei. Und als selbst Johannes Ihm sagte, dieses sei doch ein gutes Werk, und auch Petrus so sprach, bekundete Jesus, Er sei nicht gekommen, irdische Güter zu teilen, sondern himmlische, und hielt eine lange Ermahnung vor dem sich versammelnden Volk. Die Jünger aber verstanden Ihn noch immer nicht ganz, da sie den Heiligen Geist noch nicht hatten, und erwarteten noch immer ein irdisches Reich.

Da Jesus nun hier wieder sehr viele Frauen mit Kindern entgegen zogen, welche um seinen Segen baten, die Jünger aber durch die letzten Drohungen der Pharisäer wegen des Aufsehens sehr bange waren, versuchten sie, die Frauen hinweg zu weisen, denn sie hatten die Aufgabe, Ordnung zu halten. Jesus befahl aber, die Kinder heranzulassen, sie seien des Segens bedürftig, um auch einmal seine Jünger zu werden. Dann segnete Er viele Säuglinge und zehn- bis elfjährige Kinder. Einzelne segnete Er nicht, und diese kamen später wieder.

In nächster Nähe vor der Stadt, wo Gärten, Vergnügungsplätze und Häuser liegen, kam Jesus mit seinem Gefolge in ein dichteres Gedränge. Es waren Menschen aus allen Gegenden zusammengekommen, welche nebst den vielen Kranken, die unter Schuppen und Zelten gebettet waren, Seiner harrten und Ihn umringten. Auch Zachäus, ein Oberzöllner, der ausserhalb der Stadt wohnte, war hier an den Weg gekommen, wo Jesus vorbei musste. Da er aber klein war, stieg er auf einen Feigenbaum, um Jesus im Gedränge recht sehen zu können. Jesus sah auf den Baum und sagte: «Zachäus, steige geschwind herunter, denn Ich muss heute in deinem Haus einkehren!» Zachäus stieg eilends herunter, demütigte sich, war sehr gerührt und begab sich nach Hause, um alles vorzubereiten. Dass Jesus zu ihm sagte, Er müsse heute in sein Haus kommen, bezog sich aber auf sein Herz, in das Er heute einkehrte, denn Er zog heute in die Stadt Jericho, nicht in das Haus des Zachäus ein. Aus der Stadt selbst hatten sich vor dem Tor keine Leute eingefunden, denn sie hielten sich aus Furcht vor den Pharisäern still in den Häusern. Es waren lauter Fremde, welche Hilfe begehrten. Jesus heilte einen Blinden und einen Taubstummen. Andere wurden abgewiesen. Er segnete auch Kinder, besonders Säuglinge, und sagte den Jüngern, die Menschen müssten auf diese Weise gewöhnt werden, ihre Kinder von der frühesten Jugend sich Ihm anzuschließen, alle Gesegneten würden Ihm nachfolgen. Unter den Abgewiesenen war auch eine blutflüssige Frau, die schon vor einigen Tagen weit hergekommen war mit dem festen Entschluss, von Ihm Heilung zu erflehen. Ich hörte Jesus zu den Jüngern sagen, wer nicht ausharre zu flehen, dem sei es nicht ernst, der habe keinen Glauben.

Als nun der Sabbat anrückte, ging Er mit den Seinen in die Synagoge der Stadt und nachher in die Herberge. Er war mit den Aposteln in dem offenen Speisesaal, die Jünger in den Bogengängen. Die Mahlzeit bestand aus kleinen Broten, Honig und Früchten. Sie aßen nur stehend und Jesus lehrte und erzählte fortwährend. Die Apostel tranken zu drei und drei. Jesus trank allein. Hier kam die schon zweimal abgewiesene Mutter wieder zu Ihm, für ihre Tochter um Hilfe flehend, wurde aber auch jetzt abgewiesen, denn sie trug auf beiden Schultern und hatte in Jericho bei den Pharisäern nachgefragt, was man in Jerusalem von Jesus spreche.

Auch Zachäus kam herbei. Die neuen Jünger hatten schon vor der Stadt gemurrt, dass sich Jesus mit dem verrufenen Zöllner abgebe und gar bei ihm einkehren wolle. Sie ärgerten sich besonders an Zachäus, indem einzelne von ihnen mit Zachäus verwandt waren und sich schämten, dass er so lange Zöllner geblieben und sich bis jetzt nicht bekehrt habe. Zachäus nahte ihnen vor dem Haus. Aber keiner wollte sich mit ihm einlassen, keiner bot ihm etwas an. Da trat Jesus unter die Halle, winkte ihm herein und bot ihm Speise und Trank.

Als Jesus am folgenden Morgen wieder zur Synagoge ging und den Pharisäern sagte, dass sie weichen möchten, indem Er die Sabbatslektion auslegen und lehren werde, hoben sie ein großes Gezänk an, vermochten aber nichts. Er lehrte streng gegen den Geiz und heilte auch einen Kranken vor der Synagoge, den man auf einer Tragbahre herangetragen hatte. Nach Sabbatsschluss ging Er mit den Aposteln aus Jericho hinaus zu der Wohnung des Zachäus. Die Jünger waren nicht dabei. Auf dem Weg dahin folgte Ihm wiederum die Frau nach, welche Hilfe für ihre Tochter begehrte. Nun legte Er ihr die Hand auf, um sie selbst von ihrem Fehler zu befreien und sagte, sie solle nach Hause ziehen, ihr Kind sei gesund. Bei dem Mahl, das aus Honig, Früchten und einem Lamm bestand, wartete Zachäus auf. So oft aber Jesus sprach, hörte er mit Andacht zu. Jesus erzählte die Parabel vom Feigenbaum im Weinberg, der drei Jahre keine Früchte getragen, für den der Weingärtner aber noch auf ein Jahr um Geduld gebeten habe. Er sprach dieses so gegen die Apostel, als seien sie der Weinberg, Er der Herr, Zachäus aber der Feigenbaum. Denn dieser war, nachdem seine Verwandten das ehrlose Amt verlassen und Ihm gefolgt waren, bereits ins dritte Jahr länger bei seinem ehrlosen Geschäft geblieben und darum besonders bei den Jüngern verachtet. Nun aber hatte sich Jesus seiner erbarmt, da Er ihn von dem Baum herabrief. Jesus sprach auch von unfruchtbaren Bäumen, die viele Blätter trügen, aber keine Früchte. Die Blätter seien das äußere Tun und rauschten immer ohne Dauer und Samen des Guten. Die Früchte aber seien das innere, wirkende Wesen in Glauben und Tun mit der Erquickung der Frucht und der Fortdauer des Baumes im Kern der Frucht. Es schien mir, als habe Er zu Zachäus gesagt, vom Baum herabzusteigen, gleich als solle er sich der geräuschvollen Äußerlichkeit begeben und als sei Zachäus die reifere Frucht, welche nun den Baum verlasse, der drei Jahre unfruchtbar im Weinberg gestanden sei. Auch von den treuen Knechten, welche wachten und kein Geräusch litten, damit sie hören könnten, wenn der Herr anpoche, war die Rede.

Es schien, als wäre Jesus nun das letzte Mal in Jericho und als wollte Er seine ganze Liebe erschöpfen. Er sendet auch Apostel und Jünger paarweise in die Ortschaften aus, in welche Er selber nicht mehr kommen wird. Er geht in Jericho von Haus zu Haus, lehrt in der Synagoge wie auf der Straße, überall unter großem Zulauf. Sünder und Zöllner umringen Ihn, Kranke liegen an den Wegen, auf denen Er vorüberwandelt, seufzen und flehen um Heilung. Er lehrt und heilt ununterbrochen und ist so ernst, so sicher, so sanft, die Jünger aber so bange und unmutig, dass Er sich unbekümmert allen Gefahren aussetze, welche die erbitterten Pharisäer, deren gegen hundert aus verschiedenen Teilen des Landes hier versammelt sind, Ihm zu bereiten suchen. Sie senden Boten nach Jerusalem und beratschlagen, wie sie Ihn gefangen nehmen könnten. Auch die Apostel sind in einer gewissen Angst, als gäbe Er sich zu bloß und handle zu sehr den Leuten gegen den Sinn. Ich sah, wie Jesus einmal von einer großen Schar Hilfesuchender umringt war, die Er lehrte, und wie auch Kranke sich herantragen ließen, die Jünger sich aber in Ferne hielten. Die gichtbrüchige und blutflüssige Frau, die Er schon mehrmals abgewiesen, hatte sich in das Reinigungs- oder Sühnungsbad bringen lassen, mit dem ein Sündenvergeben verbunden war, und kroch danach an Jesus heran und rührte den Saum seines Kleides an. Er blieb stehen, schaute nach ihr und heilte sie. Sie stand auf, dankte und kehrte gesund zur Stadt und nach Hause zurück. Jesus aber lehrte von wiederholtem, stetem Gebet. Man dürfe nicht ablassen zu flehen. Ich dachte dabei an die große Liebe der guten Leute, welche die Frau einen so weiten Weg hergebracht, sie bald hier, bald dort in die Nähe des Herrn geführt und bei den Jüngern bittend gefragt hatten, wo Jesus gehen würde, damit sie ihr einen guten Platz verschaffen könnten. Sie durfte wegen ihrer unreinen Krankheit nicht überall liegen und musste an acht Tage lang vergeblich harren.

Es wurden von Jakobus und Bartholomäus viele getauft. Mitten in Jericho ist ein von Gebäuden umgebener Badeteich, zu dem Stufen hinabführen und worauf schwimmende Badekasten wie zu Jerusalem am Teich Bethesda liegen. Die Täuflinge hatten ein weißes Mäntelchen um, zwei Jünger legten ihnen die Hand auf die Schultern, und ein Apostel taufte sie. Manche Kranke wurden durch die Taufe auch geheilt.

Noch vor der Weiterreise Jesu von Jericho brachten Boten aus Bethanien an die Jünger die Meldung, wie sehr Martha und Magdalena nach seiner Ankunft verlangen, da Lazarus sehr krank sei. Jesus aber ging nicht nach Bethanien, sondern zu einem kleinen Ort etwa eine Stunde nördlich von Jericho. Auch hier hatten sich viele Leute versammelt und Kranke, Blinde und Krüppel harrten seiner Ankunft. Zwei Blinde saßen am Weg mit ihren Führern. Als Jesus vorüber kam, riefen sie Ihm nach und flehten um Heilung. Das Volk aber drohte ihnen, sie sollten schweigen. Sie wurden Ihm aber, ein jeder von zweien, nachgeführt und schrien immerfort: «Ach du Sohn Davids! erbarme dich unser!» Da wandte sich Jesus zu ihnen, ließ sie heranführen und berührte ihre Augen. Sie wurden sehend und folgten Ihm. Über diese und jenen Blinden, welchen Jesus geheilt hatte, als Er in Jericho einzog, entstand viel Tumult. Die Pharisäer stellten Untersuchungen an und fragten einen der Geheilten und auch dessen Vater aus. Die Jünger wünschten sehr, Jesus möchte nach Bethanien zu Lazarus ziehen, wo sie ruhiger und ungestörter sein könnten. Sie waren etwas verdrossen. Jesus heilte noch viele. Es ist nicht auszusprechen, wie ruhig und geduldig Er unter diesen Zumutungen, Anfällen und Verfolgungen war und wie sanft und ernst Er lächelte, wenn die Jünger Ihn von seinem Weg abwendig machen wollten. Er zog in Richtung gegen Samaria zu. Vor einem Ort an der Landstraße, etwa hundert Schritte abseits, waren in einem Zelt zehn Aussätzige auf Lagern in die Runde gebettet. Als Jesus da vorüberzog, traten die Aussätzigen hervor und riefen Ihn um Hilfe an. Jesus blieb stehen, die Jünger aber zogen voraus. Die Aussätzigen nahten ganz eingehüllt mit verschiedener Schnelligkeit, wie es ihre Kräfte erlaubten, und traten im Kreis um Jesus. Er berührte einen jeden, befahl, sich den Priestern zu stellen, und setzte seinen Weg fort. Einer der Aussätzigen, ein Samariter, war der schnellste und ging desselben Wegs mit zwei Jüngern. Die übrigen aber gingen verschiedene Wege. Diese waren nicht augenblicklich ganz genesen, obschon sie wandeln konnte, waren sie doch erst in etwa einer Stunde rein.

Bald danach kam ein Hausvater aus einem Hirtendorf, das eine Viertelstunde rechts vom Weg lag, zu Jesus und flehte, mit ihm zu gehen, denn sein Töchterlein war gestorben. Er ging mit ihm zu seinem Wohnort und auf dem Weg dahin holte Ihn der geheilte Samariter ein, der, von seiner vollkommenen Heilung gerührt, sogleich zurückeilte, um zu danken. Er warf sich vor Ihm nieder, und Jesus sagte: «Sind nicht zehn rein geworden, wo sind aber die neun übrigen? Ist keiner unter ihnen als dieser Fremdling, der Gott die Ehre gäbe und umkehrte und dankte? Stehe auf, gehe nach Hause, dein Glaube hat dir geholfen!» Dieser Mann ist später ein Jünger geworden. Mit Jesus waren Petrus, Johannes und Jakobus Major. Das Mädchen von etwa sieben Jahren war schon vier Tage tot. Jesus legte ihm eine Hand auf das Haupt, eine auf die Brust und betete emporschauend. Da erhob sich das Kind und lebte. Jesus sagte den Aposteln, sie sollten ebenso in seinem Namen tun. Der Vater des Kindes hatte einen starken Glauben und wartete voll Zuversicht auf Jesus. Die Frau wollte ihn schon früher zu Ihm schicken, aber er war voll Hoffnung und wartete, bis Er kam. Seine Haushaltung übergab er bald einem andern und als seine Frau nach Jesu Tod starb, ward er ein Jünger und hat einen berühmten Namen erlangt. Das geheilte Mädchen ist auch sehr fromm geworden.

Jesus wandelte darauf in weit zerstreuten Hirtenhäusern umher und heilte viele. Er zog von Hirtenhaus zu Hirtenhaus in dem Gebirgslande gegen Hebron zu. Ich sah Ihn mit Petrus allein in einem Hirtenhaus, wohin Brautleute aus der Schule von der Trauung gezogen kamen. Sie wurden unter einer Art Traghimmel begleitet. Voraus gingen Mädchen mit kleinen Kränzen von bunter Wolle und auf Flöten blasend, hintennach folgten dem Zug geschmückte Knaben mit ähnlicher Musik. Es war ein Priester aus Jericho dabei. Als sie in das Haus traten und Jesus erblickten, waren sie sehr verwundert und gerührt. Jesus aber sagte, sie sollten ihre Hochzeitsgewohnheit nicht unterbrechen, um kein Ärgernis zu geben. Sie tranken nun aus kleinen Gläsern. Die Braut war allein mit den Frauen, und die Kinder spielten und tanzten vor ihr. Ich sah hierauf, dass der Bräutigam und die Braut zu Jesus in eine besondere Kammer traten, wo Er ihre Hände nochmals zusammenlegte und mit seiner Rechten die verbundenen Hände segnete und über die Unauflöslichkeit der Ehe und die Enthaltung lehrte. Er lag nachher mit Petrus und dem Priester zu Tisch und der Bräutigam wartete auf. Der Priester aber war unwillig, dass den Gästen die Ehrenstelle bei Tisch gegeben worden war, und verließ bald das Mahl. Ich sah auch, dass er einige Pharisäer auftrieb, welche später den Herrn überfielen und zur Rede stellten, wobei Ihm einer in heftiger Rede den Mantel von der Schulter zog. Jesus aber blieb sanft, und sie konnten Ihm nichts anhaben und wichen.

Jesus verweilte in diesem Hirtenhaus mit ungemeiner Liebe und Freundlichkeit. Die Brauteltern und andere alte Hirten, welche noch kamen, waren von jenen Leuten, die Ihn in der Nacht seiner Geburt an der Krippe heimgesucht hatten. Sie begannen auf eine sehr rührende Weise davon zu erzählen und Jesus zu ehren. Jüngere erzählten, was ihre verstorbenen Eltern davon gesagt hatten. Sie brachten auch Kranke, welche aus Altersschwäche nicht mehr gehen konnten, und kranke Kinder, welche Jesus heilte. Er sagte auch den Brautleuten, sie sollten nach seinem Tod zu den Aposteln gehen und Ihm nachfolgen, wenn sie getauft und in der Lehre unterrichtet sein würden. Auf der ganzen Reise sah ich Jesus nie so heiter wie bei diesen einfachen Leuten. Ich sah, dass alle, welche Ihn als Kind geehrt hatten, die Gnade des Christentums erhalten haben.

Nun zog Jesus noch südlicher gegen Juta zu in das Gebirgsland. Die Hochzeitsleute gaben Ihm das Geleite. Es waren wieder sechs Apostel bei Ihm, darunter Andreas. Auf dem Weg heilte Er viele kranke Kinder, die sehr dick geschwollen waren und nicht gehen konnten. Die Leute in der Gegend hier waren auch noch sehr gut. Als Er durch einen kleinen Gebirgsort kam, ging Er gerade zur Synagoge, um zu lehren. Die Priester verweigerten es und riefen noch andere zu sich, aber sie mussten den Lehrstuhl räumen. Das Volk hörte Ihn freudig an. Die Jünger wollten, Jesus solle nun nach Nazareth in seine Vaterstadt gehen, weil Er immer von seinem nahen Ende sprach. Er wollte aber den guten Leuten hier seine Zeit zugut kommen lassen und nicht nach Nazareth, und lehrte über: «Niemand kann zwei Herren dienen.» Auch sprach Er davon, Er sei gekommen, das Schwert zu bringen, das heißt die Lostrennung von allem Bösen, wie Er dies Wort den Jüngern erklärte.

2. Jesus auf dem Weg nach Bethanien. Erweckung des Lazarus

Als Jesus darauf in einem kleinen Ort bei Samaria verweilte, wohin auch die heilige Jungfrau mit Maria Kleophä über den Sabbat gekommen war, erhielten sie die Botschaft vom Tod des Lazarus. Seine Schwestern verließen nach dem Tod Bethanien und begaben sich nach ihrem Gut bei Ginäa, um dort mit Jesus und der heiligen Jungfrau zusammenzutreffen. In Bethanien wurde die Leiche auf jüdische Weise balsamiert und eingewickelt und in einen gewölbten, von Stäben geflochtenen Sarg gelegt. Um Jesus waren nun wieder alle Apostel vereinigt. Sie wandelten in mehreren Abteilungen nach Ginäa, wo Jesus in der Synagoge lehrte und nach dem Schluss des Sabbats mit den Aposteln zum Gut des Lazarus sich begab, wohin auch die heilige Jungfrau voraus gewandelt war. Hier kam Magdalena Ihm entgegen, meldete den Tod ihres Bruders mit den Worten: Lazarus sei nun gestorben - wenn Er doch da gewesen wäre! Jesus erwiderte: es sei seine Zeit noch nicht und es sei gut, dass er gestorben. Doch sagte Er zu beiden Schwestern, dass sie alles Gerät ihres Bruders zu Bethanien an seinem Ort stehen lassen möchten und dass Er dahin kommen werde. Die heiligen Frauen gingen nach Bethanien und Jesus mit den Aposteln nach Ginäa zurück, von wo Er nach der eine Stunde von Bethanien entfernten Herberge wandelte. Hierher brachte ein Bote wiederum die Bitte der Schwestern, nach Bethanien zu kommen. Aber auch jetzt noch zögerte Jesus. Er verwies auch den Jüngern ihre Ungeduld und ihr Murren, dass Er so lange zögere, dahin zu kommen. Er war immer wie jemand, der nicht sagen konnte, wie es mit Ihm und mit ihnen ist, weil sie Ihn nicht verstanden. Er lehrte immer mehr ihre Begriffe auflösend und auf ihre irdischen Meinungen Misstrauen in ihnen erweckend, als dass Er ihnen das Wesen der Sache erklärte, weil sie dies nicht fassen konnten. Er lehrte noch von den Arbeitern im Weinberg. Und da die Mutter des Johannes und Jakobus, die Ihn von der Nähe seiner Vollendung reden hörte und meinte, seinen Verwandten gebühre ein Platz in seinem Reich, mit ihrer Bitte Ihm wieder nahte, wies Er sie ernsthaft zurück.

Nun wandelte Er lehrend mit den Aposteln gegen Bethanien. Das Gut des Lazarus lag teils innerhalb der verfallenen Ringmauern des Fleckens, ein Teil der Gärten und Vorhöfe aber außerhalb.

Lazarus war nun acht Tage tot. Vier Tage hatten sie ihn über der Erde gelassen in der Hoffnung, Jesus werde kommen und ihn erwecken. Die Schwestern waren Ihm nach dem Gut bei Ginäa entgegengegangen. Da Er aber noch nicht mitgehen wollte, waren sie zurückgekehrt und hatten Lazarus begraben lassen. Jetzt befanden sich Männer und Frauen aus Bethanien und Jerusalem bei ihnen, um nach der Sitte mit ihnen den Toten zu beklagen. Es schien mir gegen Abend, als Maria des Zebedäus zu Martha, die unter den Frauen saß, hereintrat und ihr leise sagte, der Herr komme, Martha ging mit ihr in den Garten hinter dem Haus, wo Magdalena allein in einer Laube saß und sagte, Jesus nahe. Sie wollte aus Liebe Magdalena zuerst dem Herrn entgegengehen lassen. Ich sah aber nicht, dass sie zu Ihm gelangte. Jesus ließ die Frauen, wenn Er mit den Aposteln und Jüngern war, nicht leicht zu jeder Zeit zu Sich. Da es schon dämmerte, kam Magdalena wieder zu den Frauen und nahm den Platz Marthas ein, die Jesus entgegenging, welcher mit den Aposteln und andern Leuten an der Grenze ihrer Gärten vor einer offenen Laube stand. Martha sprach mit Ihm und kehrte dann zu Magdalena zurück, die sich nun auch dahin begab und Jesu zu Füßen fallend sprach: «Wärst Du da gewesen, er wäre nicht gestorben!» Die Anwesenden weinten. Auch Jesus trauerte und weinte und hielt eine sehr lange dauernde Lehre über das Sterben. Manche von den Zuhörern, die vor der Laube standen und sich immer vermehrten, flüsterten und murrten, dass Er Lazarus nicht beim Leben erhalten habe.

Es schien mir in frühester Morgenzeit, als Jesus mit den Aposteln zum Grab ging. Auch Maria und die Schwestern des Lazarus, im ganzen an sieben Frauen, und viel Volk waren dabei. Es war ein wachsendes Gedränge, ja schier ein Tumult, wie bei Christi Kreuzigung. Sie gingen durch einen Weg, an dessen beiden Seiten grün durchwachsene Zäune waren, dann durch ein Tor, und hatten nun noch etwa eine Viertelstunde zum von einer Mauer umgebenen Begräbnisort von Bethanien. Vom Tor des Begräbnisortes führte rechts und links der Weg um einen aufgeworfenen Hügel, welcher quer durch von einem Gewölbe durchschnitten war, in welchem sich die durch Gitter abgeteilten Grüfte befanden und dessen Ende auch durch ein Gitter geschlossen war, so dass man von der Türe an durch die ganze Länge des Gewölbes hindurch das Grün der Bäume am gegenüberliegenden Ende erblicken konnte. Das Licht fiel auch durch Öffnungen von oben herein.

Die Gruft des Lazarus war die nächste rechts am Eingang in das Gewölbe, in welches einige Stufen hinabführten. In dieser Gruft war das länglich-viereckige, etwa halb mannstiefe, mit einem Stein bedeckte Grab, welches den leichten, durchsichtig geflochtenen Sarg mit dem Leichnam enthielt und um welches man herumgehen konnte. Jesus ging mit einigen Aposteln an das Grab, die heiligen Frauen, Magdalena und Martha, standen in der Tür, die anderen Leute aber drängten sich so herzu, dass sie auf die Höhe des Gewölbes und auf die Kirchhofmauer kletterten, um zu sehen. Jesus befahl den Aposteln, den Stein vom Grab aufzuheben, den sie nun gegen die Wand lehnten, und eine leichtere Tür darunter ebenso. Da sprach Martha, Lazarus sei vier Tage begraben und rieche schon. Nun nahmen die Apostel auch den leichten geflochtenen Deckel des Sarges weg, dass man die eingehüllte Leiche liegen sah. Jesus aber blickte empor, betete laut und rief mit starker Stimme: «Lazarus, komme heraus!» Bei diesem Rufe erhob sich der Leichnam in sitzende Stellung. Die Menge draußen drängte sich gewaltsamer heran, so dass der Herr dieselbe vor den Kirchhof hinauszuweisen befahl. Die Apostel, welche in der Gruft an dem Sarg standen, nahmen dem Lazarus das Schweißtuch vom Gesicht, der wie schlaftrunken war, lösten ihm Hände und Füße aus den Binden, gaben die Binden hinaus und bekamen einen Mantel. Lazarus stieg nun aus dem Sarg und dem Grabe empor und schwankte wie ein Schatten. Sie hängten ihm den Mantel um, und er schritt wie ein Traumwandelnder an dem Herrn vorüber zur Tür hinaus, wo die Schwestern und andere Frauen scheu wie vor einem Geist zurücktraten und ohne ihn zu berühren sich auf das Angesicht niederwarfen. Jesus aber trat hinter ihm aus der Gruft und fasste ihn freundlich ernst an den beiden Händen.

Nun begaben sie sich zur Wohnung des Lazarus. Das Gedränge war groß. Es war ein gewisser Schrecken unter den Leuten und der Zug hatte Raum durch die mitfolgende Menge. Lazarus ging wie schwebend, hatte aber noch allen Schein einer Leiche. Jesus ging neben ihm, die andern gingen weinend und schluchzend in stummer, banger Verwunderung umehr. Sie kamen wieder durch ein altes Tor, dann den Weg zwischen den grünen Gartenzäunen bis an die Laubhalle, wo sie ausgegangen waren und in welche der Herr mit Lazarus und den Seinigen trat. Das Volk drängte sich in Massen draußen herum. Es war ein großes Getöse. Hier legte sich Lazarus vor Jesus platt auf die Erde, wie einer, der in einen Orden aufgenommen wird. Nachdem Jesus seine Rede hier geendet hatte, gingen sie in das Haus des Lazarus, das etwa hundert Schritte davon entfernt war.

Jesus, die Apostel und Lazarus waren allein in dem Speisesaal. Die Apostel stellten sich im Kreis um Jesus und Lazarus, der vor Ihm auf den Knien lag. Jesus aber legte ihm die rechte Hand auf das Haupt und hauchte ihn siebenmal mit leuchtendem Odem an. Ich sah, wie von Lazarus ein dunkler Dampf wich, und sah den Teufel als eine schwarze fliegende Gestalt rückwärts außer dem Kreis in der Höhe grimmig und ohne macht.

Hiermit weihte Jesus den Lazarus zu seinem Dienste, reinigte ihn von allem Zusammenhang mit der Welt und ihren Sünden und stärkte ihn mit geistlichen Gaben. Er sprach noch lange mit ihm, wie Er ihn erweckt habe, auf dass er Ihm diene, und dass er große Verfolgung von den Juden werde leiden müssen.

Bis jetzt war Lazarus noch in den Grabtüchern. Nun ging er, sie abzulegen und sich zu kleiden. Dann erst umarmten ihn seine Schwestern und Freunde, denn vorher hatte er etwas Leichenähnliches, das Scheu erregte. Ich sah aber auch, dass seine Seele an einem stillen, dämmernden, peinlosen Ort gewesen war, seit sie den Leib verlassen hatte, und dass sie dort den Gerechten: Joseph, Joachim, Anna, Zacharias, Johannes usw. erzählte, wie weit es mit dem Erlöser auf Erden gekommen sei.

Lazarus empfing durch das Anhauchen sieben Gaben des Heiligen Geistes und wurde ganz vom Zusammenhang mit dem Irdischen abgetan. Er hat diese Gaben vor den andern Aposteln erhalten, denn er hatte durch seinen Tod große Geheimnisse erkannt, hatte eine andere Welt gesehen, war in Wirklichkeit gestorben und nun wiedergeboren. Darum konnte er diese Gaben empfangen, Lazarus hat eine große Bedeutung und ein großes Geheimnis in sich.

Nun aber wurde eine Mahlzeit bereitet und alle waren zu Tisch. Es waren viele Gerichte da und kleine Krüge standen auf dem Tisch. Ein Mann wartete auf. Die Frauen kamen nach dem Mahl und traten in den Hintergrund, die Lehre Jesu mit anzuhören. Lazarus saß neben Ihm. Es war ein entsetzlicher Lärm um das Haus, es waren viele von Jerusalem gekommen, auch Wachen, welche das Haus umher besetzten. Jesus schickte aber die Apostel hinaus, welche die Leute und die Wachen fortweisen mussten. Jesus lehrte noch bei Lampenschein und sprach auch mit den Jüngern, dass er morgen mit zwei Aposteln nach Jerusalem gehen wolle. Da sie Ihm die Gefahr vorstellten, sagte Er, man werde Ihn nicht kennen. Es werde nicht öffentlich sein. Ich sah, dass sie nachher an den Wänden umher ein wenig schliefen.

Vor Tagesanbruch ging Jesus mit Johannes und Matthäus, welche sich auf etwas andere Art als sonst schürzten, von Bethanien nach Jerusalem. Sie gingen um die Stadt herum und kamen auf Nebenwegen in jenes Haus, worin nachher das Abendmahl gefeiert wurde. Sie waren dort den ganzen Tag und die folgende Nacht in der Stille. Jesus lehrte und stärkte seine hiesigen Freunde. Ich sah Maria Markus und auch Veronika in dem Haus und wohl noch ein Dutzend verschiedener Männer. Nikodemus, welchem dieses Haus gehörte, das er aber gern den Freunden Jesu zum Gebrauch überließ, war nicht dabei. Er war an diesem Tag nach Bethanien gegangen, um Lazarus zu sehen.

Ich sah auch eine Versammlung der Pharisäer und Hohenpriester wegen Jesus und Lazarus und hörte unter anderem, dass sie fürchteten, Jesus möchte ihnen alle Toten erwecken, und dann würde es große Verwirrung geben.

In Bethanien war am Mittag ein großer Tumult. Wenn Jesus da gewesen wäre, würden sie Ihn gesteinigt haben. Lazarus musste sich verstecken. Die Apostel wichen aus, nach allen Seiten sich verteilend. Die Freunde Jesu in Bethanien verbargen sich. Es ward aber wieder ruhiger, da sie bedachten, dass man Lazarus mit keinem Recht etwas tun könne.

Jesus war noch die ganze Nacht bis früh in dem Haus auf dem Berg Sion. Vor Tag verließ Er mit Matthäus und Johannes Jerusalem und floh über den Jordan. Aber nicht den letzten Weg gegen Bethabara, sondern zwischen Morgen und Mitternacht hinauf. Gegen Mittag mochte Er schon über dem Jordan sein. Am Abend kamen auch die Apostel von Bethanien her zu Ihm. Sie übernachteten unter einem großen Baum.

Am Morgen zogen sie zu einem nahen kleinen Ort. Es lag ein Blinder am Weg, den zwei Knaben führten, die ihm nicht verwandt waren. Er war ein Hirt aus der Gegend von Jericho, hatte von den Aposteln gehört, der Herr komme, und rief nun Jesus um Heilung an. Jesus legte ihm die Hand auf das Haupt und er ward sehend. Da warf der Blinde seine Lumpen ab und folgte Jesus im Unterkleid in den Ort nach, wo Jesus in einer Halle über die Nachfolge lehrte, dass man, wie der Blinde seine Lumpen, alles verlassen müsse, um sehend zu folgen. Hier ward dem Blinden ein Mantel gereicht. Er wollte gleich bei Jesus bleiben, ward aber zurückgewiesen, er solle sich erst beständig zeigen. Jesus lehrte hier bis gegen Abend. Es waren etwa acht Apostel bei Ihm.

Da Er danach einer kleinen Stadt nahte, hungerte Ihn. Ich musste lächeln, dass Ihn hungerte, denn es hungerte Ihn eigentlich anders, es hungerte Ihn nach Seelen. Es gingen einige vom letzten Ort mit Ihm, welche nicht in Ordnung waren. Der Weg führte an einem Feigenbaum vorüber, der ohne Früchte war. Jesus ging zu dem Baum und verfluchte ihn. Er verdorrte augenblicklich, seine Blätter wurden gelb und er verkrümmte ganz in sich. In der Schule des Ortes lehrte Jesus vom unfruchtbaren Feigenbaum. Es waren Gelehrte und Pharisäer hier, die böswillig waren und Jesus aufforderten, wieder umzukehren. Es läuft ein Flüsschen, das eine Brücke hat, bei dem Ort (vielleicht Betharan) in den Jordan. Die Schule hier liegt hoch. Sie übernachteten in einer Herberge.

3. Jesus tritt die Reise in das Land der Heiligen Drei Könige an

Als Jesus mit seinen Begleitern tags darauf den Ort wieder verließ, zogen sie nordöstlich durch den Stamm Gad. Ich hörte Ihn davon sprechen, wohin Er nun reisen werde und dass die Apostel und Jünger sich von Ihm trennen, wo sie lehren, und an welchen Orten sie nicht lehren, und wo sie wieder mit Ihm zusammentreffen sollten. Er macht eine wunderbare Reise. Den nächsten Sabbat will Er in Gross-Chorazin halten, dann nach Bethsaida gehen und von da wieder ganz hinab gegen Mittag in die Gegend von Machärus und Madian. Er wird auch dahin kommen, wo Hagar den Ismael ausgesetzt und wo Jakob den Stein aufgerichtet hat. Er wird auf der Ostseite um das Tote Meer und auch dahin kommen, wo Melchisedech vor Abraham geopfert hat. An diesem Ort steht noch heute eine Kapelle, wo manchmal Gottesdienst ist. Sie ist von rohen Steinen und ganz grün überwachsen. Jesus wird auch nach Ägypten, nach Heliopolis gehen, wo Er als Kind gewohnt hat. Es sind dort einige gute Leute, die als Kinder mit Ihm gespielt hatten und Ihn gar nicht vergessen können. Sie hatten immer gefragt, wo Er doch hingekommen sein möge, denn sie konnten gar nicht glauben, dass Er das sei. Er wird von der andern Seite über Hebron und durch das Tal Josaphat zurückkommen, und auch dahin, wo Johannes Ihn getauft hat und Er in der Wüste versucht worden ist. Jesus gab seine Abwesenheit etwa auf drei Monate an. Am Brunnen Jakobs bei Sichar würden sie Ihn dann bestimmt wieder finden, jedoch könnten sie Ihm auch schon früher begegnen, da Er durch Judäa heimkehren werde. Er unterrichtete sie von allem in einer langen Lehre. Besonders gab Er ihnen viele Anweisungen, wie sie sich während seiner Abwesenheit in ihrem Lehrwandel verhalten sollten. Ich erinnere mich auch der Worte, dass sie dort, wo sie nicht gut aufgenommen würden, den Staub von ihren Schuhen schütteln sollten. Matthäus ging auf eine Zeitlang nach Hause. Er ist verheiratet. Seine Frau ist sehr gut und sie leben seit seiner Berufung in vollkommener Enthaltung. Er wird zu Hause lehren und sich ruhig verachten lassen.

In Gross-Chorazin lehrte Jesus am Sabbat in der Synagoge. Petrus, Andreas und Philippus waren bei Ihm. Gegen Mittag näherte sich Ihm ein Mann von Kapharnaum, der Ihn erwartet hatte. Sein Sohn war totkrank. Er flehte den Herrn an, mit ihm zu kommen und seinen Sohn zu heilen. Jesus aber befahl ihm, zurückzukehren, sein Sohn sei bereits gesund. Es waren noch andere Kranke und Trostsuchende aus der Stadt und Ferne um Jesus versammelt, welchen Er teils gleich half, teils für die Zukunft Heil versprach.

Am Sabbatsabend nahm Jesus vor der Synagoge von den Einwohnern Abschied und zog mit einigen Aposteln aufwärts gegen den Jordanseinfluss zum See, um auf die andere Seite zu kommen. Die Überfuhr war höher oben, dadurch war der Weg viel länger. Hier fuhr man auf einer Art von Floß über, das aus einem Rost von übereinander gelegten Balken bestand, in dessen Mitte eine höher liegende Kufe oder Bütte angebracht war, in welche sie ihre Bündel warfen, denn da konnte kein Wasser eindringen. Dieses Floß wurde mit Stangen hinüber gedrückt. Das Ufer des Jordans ist dort nicht hoch, und es schienen mir einige lnselchen darin. Ich sah den Herrn und die drei Apostel bei Mondschein gehen. Vor Bethsaida steht ein Schuppen, wie oft vor den Städten im Gelobten Land, wo sich die Reisenden zu entschürzen und zu reinigen pflegten, ehe sie in die Stadt eingingen. Es befanden sich da meistens Leute, welche ihnen die Füße reinigten. Dieses geschah auch hier, dem Herrn und den Aposteln. Sie gingen hierauf in das Haus des Andreas, der verheiratet war. Es war hier ein Mahl von Honig, kleinen Broten und Trauben. Das Haus liegt an einer Seite der Stadt und ist nicht ganz gering. Es hat einen Vorhof und Mauern umher. Mit dem Herrn kamen Petrus und Philippus. Andreas war vorausgegangen. Im ganzen waren bei dem Mahl zwölf Männer und am Schluss kamen auch sechs Frauen heran, um Jesus zu hören. Als Er tags darauf mit den drei Aposteln Bethsaida wieder verließ, hielt Er sich vor Bethsaida noch in einem Haus auf, worin Fischergerätschaften lagen und viele Männer versammelt waren, vor welchen Er lehrte. Von da ging Er am Jordanufer hinauf und weit oberhalb der vorigen Übergangsstelle auf der Jordanbrücke wieder über den Fluss und wandelte durch Ostgaliläa zum Land Basan.

Ich sah, dass mehrere Jünger in einer Gegend jenseits des Jordans, wo weißer Sand und kleine weiße Steine waren, in einem offenen Hirtenschuppen seine Ankunft erwarteten. Es waren drei schlanke Jünglinge bei ihnen, die sie mitgebracht hatten. Sie sammelten hier gelbe und grüne Beeren, wie Feigen so groß, auch kleine gelbe Äpfel, die teils an Sträuchern, teils an Bäumen wuchsen, von welchen sie dieselben mit Hakenstöcken abpflückten. Der Weg, auf dem Jesus mit den drei Aposteln herankam, schien wenig gebraucht, denn er war mit langem Gras bewachsen und lief unter einer Allee von breiten Fruchtbäumen hin, deren Zweige sich verschlungen hatten. Die Apostel brachen von den Früchten und steckten sie in die Taschen. Jesus nahm nichts. Er war die ganze Nacht durch aufsteigend gewandelt. Die harrenden Jünger gingen Ihm entgegen, umgaben Ihn grüßend, doch ohne Ihm die Hand zu reichen. Vor dem Schuppen lag ein langer, breiter, vierkantig behauener Balken, um welchen Jesus und die andern sich wie zu Tisch niederlegten. Es wurde vor jeden eine Portion der gesammelten Früchte gelegt. Auch hatten sie kleine Krüge mit Getränken bei sich. In der Ferne erhob sich ein Gebirge und vor demselben eine Stadt. Ich meine, es sei dieses im Land der Amoriter gewesen. Von hier zog sich der Weg bald wieder etwas abwärts. Ich sah sie den ganzen Tag wandeln und am Abend in einem zerstreut liegenden Dorf ankommen. Am Weg lag ein Herbergshaus, in welches sie traten und wo viele Menschen neugierig sich um sie versammelten. Sie wussten nicht viel von Jesus, waren übrigens einfältig und gut. Er lehrte über die Parabel vom guten Hirten. Dann gingen sie eine Strecke vom Weg ab in eine andere Herberge, wo sie aßen und schliefen. Der Herr sagte ihnen, dass Er mit den drei Jünglingen allein durch Chaldäa und das Land Ur, wo Abraham geboren wurde, und durch Arabien nach Ägypten ziehen werde. Die Jünger sollten sich hie und da in den Grenzen zerstreuen und lehren, Er werde auch lehren, wo Er hinkomme. Nach drei Monaten bestimmte Er ihnen abermals als Hauptsammelplatz den Brunnen Jakobs bei Sichar. Unter den Jüngern sah ich Simeon, Kleophas und Saturnin.

Mit Tagesanbruch trennte sich Jesus von den Aposteln und Jüngern und reichte einem jeden die Hand. Sie waren sehr betrübt, dass Er nur die drei Jünglinge mitnehmen wollte, die sechzehn bis achtzehn Jahre alt und ganz anders als die Juden, schlanker und gewandter waren und lange Gewänder trugen. Sie sind wie die Kinder um Jesus, dienen Ihm sehr lieblich. So oft Er an ein Wasser kommt, waschen sie Ihm die Füße. Sie gehen auf dem Weg hin und her, bringen Stäbe, Blumen, Früchte und Beeren herbei. Jesus belehrt sie sehr liebevoll und erklärt ihnen in Parabeln alles, was bis jetzt geschehen ist. Die Eltern dieser Jünglinge waren aus dem Stamm Mensors. Sie waren mit dem Zug der drei Könige nach Palästina gekommen und bei den Hirten im Tal der Hirten nach der Heimreise der Könige zurückgeblieben. Sie wurden Juden, verheirateten sich mit Töchtern der Hirten und hatten Weiden zwischen Samaria und Jericho. Der jüngste hieß Eremenzear und wurde später Hermas genannt. Er war der Knabe, den Jesus auf die Bitte seiner Mutter nach dem Gespräch mit der Samariterin am Brunnen Jakobs in der Gegend von Sichar geheilt hat. Der mittlere hieß Sela oder Silas, der älteste hieß Eliud und erhielt in der Taufe den Namen Siricius. Man nannte sie auch die verschwiegenen Jünger und sie waren später mit Thomas. Johannes und Paulus, Eremenzear hat von dieser Reise geschrieben.

Jesus trug bei dieser Reise einen bräunlichen gestrickten oder gewobenen Hemdrock, welcher sich dehnte und in längliche Falten zog. Darüber hatte Er ein langes, feines, wollweißes Gewand mit weiten Ärmeln, das um den Leib mit einem breiten Gürtel von demselben Stoff gehalten war wie das Tuch, das Er beim Schlafe um das Haupt hüllte. Jesus war größer als die Apostel. Wo sie gingen oder standen, war es immer, als rage Er mit seiner weißen, ernsten Stirne über sie hervor. Er wandelte sehr gerade und aufrecht, war nicht hager und auch nicht dick, sondern durchaus gesund und edel gebaut, mit breiten Schultern und breiter Brust. Seine Muskeln waren ausgebildet durch Reisen und Übung und hatten doch keine Spur von schwerer Arbeit.

Der Weg, den Jesus mit den Jünglingen nach dem Abschied von den Aposteln einschlug, führte immer absteigend gegen Morgen über einen weißen sandigen Boden durch Zedern und Dattelbäume. Gegenüber erhoben sich die Berge von Galaad. Er wollte zum Sabbat in der letzten jüdischen Stadt in dieser Richtung sein. Ich meine, dass sie Kedar hieß. Unterwegs aßen sie Baumfrüchte und Beeren. Die Jünglinge trugen Beutel mit kleinen Broten und Krüglein mit Getränk und hatten Stäbe. Manchmal brach der Herr auch einen Stab und ließ ihn wieder zurück. Er hatte Sohlen unter den blossen Füßen. Am Abend traten sie in ein einzelnes Haus, worin einfältige, rohe Menschen wohnten. Sie schliefen in der Nacht dort. Jesus gab sich nirgends zu erkennen und doch lehrte Er in allerhand schönen Parabeln, meistens vom guten Hirten. Die Leute fragten Ihn hier auch über Jesus von Nazareth. Aber Er sagte ihnen nicht, dass Er es sei. Er fragte um ihre Arbeit und Geschäfte, und sie hielten Ihn für einen reisenden Hirten, der sich nach guten Weidegegenden umsehe, wie es oft Reisende in solchen Geschäften im Judenland gab. Ich sah Ihn hier nicht heilen, auch nicht Wunder tun. Er reiste am Morgen weiter und mochte nun noch einige Meilen von Kedar sein, welches auf wieder aufsteigendem Boden liegt. Das Gebirge liegt dahinter. Das Vaterland Abrahams liegt von dieser Richtung, wie ich meine, noch weit gegen Nordost, das Land der drei Könige gegen Morgen südwärts.

Die Jünger waren teils nach Hause gegangen, teils hatten sie sich lehrend zerstreut. Zachäus von Jericho war auch hier bei ihnen gewesen. Er kehrte nach Hause zurück, gab seine Wirtschaft auf, verkaufte alles, gab es den Armen und zog mit seiner Frau, mit welchem er fortan in Enthaltsamkeit lebte, an einen kleinen Ort. Neun Wochen bestimmte der Herr, bis Er sich mit den Jüngern wieder traf.

Der Aufruhr wegen Lazarus war in Jerusalem sehr groß gewesen. Jesus entfernte sich, um vergessen zu werden, während die Überzeugung von der Wahrheit dieses Wunders viele zur Bekehrung vorbereitete. Da Er zurückkehrte, war Er sehr mager geworden. Von dieser Reise steht nichts geschrieben, denn kein Apostel war dabei. Vielleicht wussten sie auch nicht alle, wohin Er ging. Ich sehe diesen Weg, soviel ich mich erinnere, zum ersten Mal.

Jesus wanderte mit seinen drei Jünglingen fortwährend südöstlich auf mancherlei Umwegen. Die Nacht brachten sie wieder in einem einzeln liegenden Haus bei Hirten zu. Die Leute sind hier herum gut und ohne Arg, sehen Jesus mit Bewunderung an und haben Ihn lieb. Er erzählt manche Parabeln, welche Er in Judäa erzählte, und sie hörten Ihm gerne zu. Er heilt aber und segnet nicht. Wenn sie Ihn über Jesus von Nazareth fragen, erzählt Er von jenen, die Ihm nachgefolgt seien, und knüpft dieses wieder mit Parabeln zusammen. Sie halten Ihn für einen Hirten, der Herden oder Weide sucht.

4. Jesus in Kedar

Vor dem Sabbat kam Jesus mit den Jünglingen bei Kedar an. Sie waren nicht auf der Landstraße, sondern auf Umwegen gewandert. Es war zu spät, um in die Stadt hinein zu gehen. Sie übernachteten in einer großen offenen Herberge, wo noch andere Reisende Obdach gesucht hatten. Es waren offene Schuppen mit Lagerstellen darin, und das Ganze war von einem geschlossenen Hof umgeben. Ein Mann, der die Aufsicht darüber hatte, hatte die Herberge aufgeschlossen und war dann in die Stadt zurückgekehrt. Als er am andern Morgen wieder aus der Stadt zur Herberge kam, empfing er einen kleinen Lohn. Die Reisenden zerstreuten sich. Jesus aber und seine Gefährten nahm er mit sich in die Stadt in sein Haus. Die Stadt liegt am Vorgebirge in einem Tal diesseits und jenseits eines Flusses und besteht aus einer alten und neuen Stadt, welche der kleine Fluss trennt, der von Morgen kommt und nach dem Gelobten Land fließt. Das Ufer ist sehr tief, und zwei gemauerte Bogen gehen darüber. Diesseits ist der Ort unbedeutender und ärmer und meist von jüdischen Hirten bewohnt, welche auch leichtes Bauwerk, Hirten- und Stallgerät verfertigen. Jenseits schien der Ort reicher. Dort sind Heiden und keine Juden mehr. Die Leute sind hier schon nicht mehr ganz jüdisch gekleidet. Sie haben teils Zipfelkaputzen auf. In der Stadt diesseits ist eine Synagoge und ein Springbrunnen auf einem mit Rasen und mit weißem Sand reinlich umgebenen Platz. Das ist das Schönste in dem Ort.

Der Herr und die Knaben gingen mit ihrem Wirt in die Synagoge und feierten den Sabbat ganz ruhig mit. Am Schluss der Gebete fragte Jesus, ob Er etwas erzählen dürfe. Und da die guten Leute gerne zuhörten, erzählte Er ihnen vom verlorenen Sohn. Sie hörten aufmerksam zu und bewunderten Ihn sehr, wussten aber nicht, wer Er sei. Er nannte sich einen Hirten, der verlorene Lämmer suchen und auf gute Weiden führen wolle. Sie hielten Ihn für einen Propheten und holten Ihn an diesem Tag auch in die Häuser, wo Er lehrte. Er lehrte tags darauf bei dem Springbrunnen, wo Männer und Frauen zu seinen Füßen saßen und Er die Kinder an seine Brust drückte, wie Zachäus auf den Feigenbaum gestiegen sei, alles verlassen habe und nachgefolgt sei, und von jenem, der im Tempel sagte: «Gut, dass ich nicht bin wie der Zöllner», und auch von dem, der an die Brust geschlagen und sagte: «Gott sei mir armen Sünder gnädig!» Die Leute gewannen Jesus sehr lieb und hatten kein Arg an Ihm. Sie baten Ihn, noch bis zum nächsten Sabbat zu bleiben und dann in der Schule zu lehren. Da sie Ihn über Jesus von Nazareth fragten, erzählte Er auch manches von Ihm und seiner Lehre.

Danach ging Jesus mit seinen Gefährten morgenwärts von Kedar in einer Gegend mit schönen Wiesen und Palmen nach dem Ort Edon und besuchte unterwegs ein einzeln liegendes Haus, in welchem Vater und Mutter schon lange unheilbar zu Bett lagen. Mehrere Kinder waren im Haus, welche gingen und kamen. Alle waren gute Leute. Sie fragten Ihn auch hier nach Jesus von Nazareth, von welchem sie allerlei Gerüchte gehört hatten. Er sprach von Ihm, wie Er verfolgt werde und wie Er in das Reich seines Vaters zurückkehren und allen denen, welche Ihm nachfolgten, dieses Reich mitteilen werde, in einer schönen Parabel von einem König und seinem Sohn. Ich sah zugleich ein Bild von seinem Leiden und von seiner Himmelfahrt und seinem Thron über der Welt neben seinem Vater, von allen Engeln umgeben, und sah den Lohn seiner Nachfolger. Ich sah auch das Bild seines Reiches und der ganzen Parabel, welche Er den Leuten erzählte, und dass Er ihnen dieses Bild im Herzen zurückließ. Als Er sie dann fragte, ob sie das alles so glaubten und ob sie dem guten König nachfolgen wollten, und sie dies Ihm beteuerten, da verhieß Er ihnen, dass Gott sie dafür belohnen, sie gesund machen und Ihm nach Edon folgen lassen werde. Sie wurden nun plötzlich gesund und konnten Ihm zum Erstaunen aller nach Edon folgen. Der Mann hieß Benjamin und stammte in gerader Linie von Ruth ab. Ich meine, dass Titus ein Sohn oder Verwandter dieser geheilten Eheleute war. Er war damals vierzehn bis sechzehn Jahre alt, war auch in Kedar und an allen Orten dieser Gegend, wo Jesus lehrte, um Ihn zu hören und von Ihm auch andere reden zu hören. Markus, dessen Geburtsort näher gegen Judäa lag, und Silas waren auch mit dieser Familie bekannt.

Jesus wandelte darauf mit den drei Jünglingen, einen oben gekrümmten Hirtenstab in der Rechten haltend, durch liebliche Felder und Wiesen mit Palmbäumen nach Edon. Es war hier im öffentlichen Festhaus, welches gleich links auf einem freien Platz stand, eine Hochzeit. Das Haus bestand aus einem großen Saal, an dessen Ende die Küche und ringsum SchlafsteIlen waren, in welchen immer drei und drei Lager bereitet und dann wieder durch einen Verschlag getrennt waren. Es brannte am hellen Tag eine Lampe in dem Saal. Männer und Frauen, Braut und Bräutigam befanden sich in demselben, mit Kränzen geschmückten Raum. Knaben spielten auf Flöten und andern Instrumenten und sangen dazu. Diese frommen Leute erwarteten Jesus, den sie für einen Propheten hielten. Sie hatten von seinen Lehren und Parabeln in Kedar und der Gegend gehört und Ihn zu ihrem Fest eingeladen. Sie empfingen Ihn freudig und ehrerbietig, wuschen Ihm und seinen Gefährten gleich die Füße und trockneten sie mit ihren Gewändern. Sie nahmen seinen Stab, stellten ihn in eine Ecke und bereiteten einen Tisch, auf welchem Fische, kleine Brote und Honigwaben, wohl einen Schuh lang, auch rote Beeren, von welchen man oben ein Krönchen von schwarzen Blättern mit weißen Punkten abriss, ehe man sie aß, aufgetragen wurden. Auch kleine Krüge und Becher waren auf dem Tisch und kleine Schalen, wie von Erde, doch glasiert, aus welchem man etwas mit einem Löffelchen ins Getränk tat. Sie lagen zu Tisch auf kleinen Lehnbänken. Man gab Jesus den Sitz zwischen Bräutigam und Braut. Die Frauen saßen unten an. Er segnete die Speisen und das Getränk, und sie aßen davon.

Jesus lehrte bei Tisch von jenem Mann in Judäa, der bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in Wein verwandelt habe. Und als nun die zwei geheilten Eheleute kamen, waren die Gäste, welche sie als schon so lange krank kannten, sehr verwundert. Sie erzählten, was der Herr ihnen von dem König und seinem Reich gelehrt hatte und dass, wie sie alles glaubten, sie so gewiss einst seines Reiches teilhaftig würden, als sie jetzt genesen seien. Jesus erklärte ihnen dieses noch einmal und sagte gar deutlich, wie zwar noch eine Mauer zwischen ihnen und dem Reich dieses Königs sei, wie sie aber doch durch diese Mauer dringen könnten, wenn sie sich selbst überwinden würden. Erst gegen Morgen gingen sie zu Bett. Der Herr schlief hinter dem Speisesaal neben den Jünglingen. Ehe Er sich niederlegte, sonderte Er sich ab und betete kniend mit emporgehobenen Händen zu seinem himmlischen Vater. Ich sah Lichtstrahlen aus seinem Mund emporgehen und dass Licht oder auch eine Engelgestalt zu Ihm niederkam. Es geschah dieses auch oft untertags, wenn Er sich an irgendeinem einsamen Ort absonderte. Ich habe es von Ihm schon als Kind gelernt. Da ich Ihn so tun sah, tat ich auch so. Die heilige Jungfrau sah ich bis zur Empfängnis des Heilandes meistens stehend die Hände über der Brust gekreuzt und den Blick gesenkt beten, nach der heiligsten Menschwerdung aber meist kniend mit zum Himmel erhobenem Antlitz und emporgehobenen Händen.

Am folgenden Morgen lehrte Jesus wegen des großen Zulaufs im Freien. Dann brachte Er nach und nach viele Ehesachen wieder in Ordnung, weil die Leute hier gar keinen rechten Bescheid im Ehegesetz mehr kannten. Es wollten sich zwei Blutsverwandte ehelichen und fragten sich bei Jesus hierüber an. Er erklärte ihnen aus Moses, dass dieses nicht gestattet sei und sie gelobten, keusch zu bleiben. Auch ward Ihm gemeldet, dass in einem nahen Ort ein Mann bereits die sechste Schwester seiner ersten verstorbenen Frau ehelichen wolle, und Er sagte, dass Er nach diesem Ort gehen werde. Zum Sabbat kehrte Jesus nach Kedar zurück, wo Er den ganzen Tag in der Schule lehrte und auf die vielen vor Ihn gebrachten Anfragen und Zweifel in Gesetzes- und Ehesachen Entscheidungen traf, auch geschiedene Ehepaare wiedervereinigte.

5. Jesus geht nach Sichar-Kedar und lehrt über das Geheimnis der Ehe

Von Kedar wandelte Jesus mit vielen Begleitern gegen Norden, wo das Land ebener wurde. Ich sah sie in einem Hirtenort ankommen, wo offen stehende Schuppen, lange Reihen von zusammengeflochtenen Bäumen und Hütten von Laubwänden waren. Sie aßen unter einem Schuppen Feigen, Weintrauben und Datteln und waren noch beisammen, als die Sterne in dieser schönen warmen Nacht schon am Himmel standen und die Tautropfen hell blinkten.

Während die Begleiter sich nach ihren Wohnungen zerstreuten, wandelte Jesus mit den drei Jünglingen lehrend durch die Landschaft umher und kam erst gegen Abend des folgenden Tages zu der kleinen, am Abhang eines Gebirges liegenden Stadt Sichar-Kedar. Es kamen Ihm Leute entgegen und führten Ihn zum öffentlichen Festhaus der Stadt, schier wie das zu Kana in Galiläa, wo viele Leute versammelt waren. Junge Eheleute hatten plötzlich ihre Eltern durch den Tod verloren. Sie bewirteten hier alle, welche die Leichen zu Grabe begleitet hatten. Vor dem Haus war ein umgitterter Hof mit kunstvoll geflochtener Laube, in deren vier Ecken ausgehöhlte Steinblöcke voll Wasser standen, aus welchen Schlingpflanzen an Pfählen in die Höhe und an Bögen gegen die Mitte des Hofes zu liefen, wo eine marmorierte und mit Schnitzwerk verzierte Säule diese grünen Bögen stützte. Die Pflanzen hielten sich wie Schilf ganz frisch. Diese Verzierung und alle anderen Kränze im Haus waren ungemein schön. Jesus und seinen Begleitern wurden in einer Halle nächst dem Hof die Füße gewaschen und der Imbiss gereicht. Sie gingen dann zum andern Raum, wo ein Mahl bereitet war. Hier diente Jesus zu Tisch, reichte allen das Brot, die Früchte und die großen Honigwaben, goss aus den Krügen in die Becher dreierlei Getränke, einen grünen Saft, ein gelbes Getränk und eine ganz weiße Flüssigkeit. Er lehrte dabei. Dieses Sichar-Kedar ist der Ort, von welchem Jesus zu Edon auf dem Hochzeitsfest gehört hatte, dass dort so viele Leute in unerlaubten Eheverhältnissen lebten.

Von den beiden Eheleuten war beim Leichenmahl nur der Mann anwesend. Er hieß Eliud, war auch bei der Hochzeit zu Edon gewesen und hatte bei seiner Heimkehr seine beiden Schwiegereltern nicht mehr am Leben gefunden, denn diese waren plötzlich vor Kummer gestorben, da sie entdeckten, dass ihre Tochter, die Frau des Eliud, eine Ehebrecherin sei. Eliud selbst hatte davon keine Ahnung und so auch nicht von der Ursache des plötzlichen Todes seiner Schwiegereltern. Nach dem Mahl ließ sich Jesus von Eliud in sein Haus führen. Die drei Jünglinge waren nicht dabei. Hier sprach Jesus mit der Frau, die in großer Trauer war, allein, und sie bekannte, weinend zu seinen Füßen sinkend, ihre Vergehen. Dann verließ Er sie und Eliud brachte Ihn zu seiner Schlafstelle. Ich sah den Herrn dem Mann noch ernste, rührende Worte sagen und, als er Ihn verließ, beten und zur Ruhe gehen. Morgens früh trat Eliud mit einem Waschbecken und einem grünen Zweige wieder zu Jesus herein, da Er noch auf seinem Lager auf den Arm gestützt lag. Er stand auf, Eliud wusch Ihm die Füße und trocknete sie mit seinem Gewande. Nun sagte ihm der Herr, er solle Ihn zu seiner Betkammer führen. Er wolle ihm auch die Füße waschen. Der Mann wollte dieses nicht zulassen. Jesus aber sagte ihm ernst, so er dieses nicht zulassen wolle, werde Er sogleich sein Haus verlassen. Dieses müsse sein, und so er Ihm nachfolgen wolle, dürfe er sich nicht weigern. Nun führte der Mann Jesus in seine Betkammer und brachte Wasser in einem Becken. Jesus aber ergriff ihn bei den Händen, sah ihm liebevoll ins Angesicht, sprach mit ihm von der Fußwaschung und endlich davon, dass seine Frau eine Ehebrecherin sei, aber bereue, und dass er ihr verzeihen möge. Da warf sich der Mann weinend zur Erde aufs Angesicht und wälzte sich in großem Schmerz wehklagend auf dem Boden. Jesus aber wandte sich von ihm und betete. Nach einer Weile, da der erste Schmerz vorüber war, kehrte Jesus sich zu ihm, hob ihn auf, tröstete ihn und wusch ihm die Füße. Da ward der Mann stille und ruhig, und Jesus befahl ihm, seine Frau zu rufen. Diese kam verschleiert. Jesus nahm ihre Hand, legte sie in die Hand Eliuds, segnete sie, tröstete sie und hob den Schleier der Frau auf. Nun ließ Er sie abtreten und die Kinder zu Ihm senden, die Er segnete und dann zu ihren Eltern führte. Die Leute blieben von nun an treu beieinander, und beide gelobten Enthaltung. Jesus ging an diesem Tage auch in viele Häuser, um die Leute aus ihren Verirrungen zu führen. Ich sah Ihn Haus für Haus mit den Leuten von ihren Umständen sprechen und ihre Herzen gewinnen.

Es sind bei diesem Ort ganze Reihen von Bienenhäusern am Berg errichtet. Der Abhang ist terrassiert, und es stehen am Berg angelehnt viele viereckige, oben platte Bienenstände, etwa sieben Fuß hoch. Oben sind sie mit Knöpfen verziert. Die Bienenkörbe stehen in mehreren Reihen übereinander, sind oben nicht rund, sondern spitz wie ein Dach, und man kann sie an der Vorderseite ganz öffnen. Der ganze Bienenstand ist mit einem feingeflochtenen Schilfgitter geschlossen. Zwischen diesen Bienenständen führen Treppen zu Terrassen, auf welchen an Gittern aufgebundene Sträuche mit Beeren und weißen Blüten wachsen. Dann steigt man wieder zu einer höheren Reihe von Bienenhäusern.

Da Jesus von den Leuten hier gefragt wurde, woher Er sei, antwortete Er immer in Parabeln, welche sie einfältig glaubten. Er hielt auch unter der Laube des Festhauses eine Lehre, in der Er die Parabel von einem Königssohn erzählte, der gekommen sei, aller Schulden zu bezahlen. Sie nahmen das als ganz wirklich und freuten sich sehr darüber. Jesus führte sie auch auf die Parabel vom Schuldenerlassen und wie der Entschuldete seinen Schuldner um ein Geringes habe vor Gericht bringen wollen. Er sagte auch, sein Vater habe Ihm einen Weinberg gegeben, den müsse Er bauen und schneiden und müsse Arbeiter in den Weinberg suchen. Darum sei Er ausgegangen. Es müssten viele überflüssige faule Knechte hinausgeworfen werden, wie die Reben, die sie nicht schnitten. Und nun erklärte Er ihnen das Schneiden am Weinstock und sprach von dem vielen überflüssigen Holz und Laub und den wenigen Trauben und von dem Überflüssigen, das in den Menschen durch die Sünde gekommen sei, und wie dieses durch Entsagung abgeschnitten und getötet werden müsse, auf dass Früchte kämen. So kam Er endlich auf die Ehe und ihre Gesetze und die Zucht und Sittsamkeit in der Ehe. Dann kam Er wieder auf den Weinstock zu reden und sagte, sie sollten doch hier auch Wein bauen. Sie sagten ganz unschuldig, es sei keine Gegend hier dazu. Er erwiderte aber, sie sollten bauen, wo die vielen Bienen seien, da sei eine gute Lage, und nun erzählte Er eine Parabel von den Bienen. Die Leute meinten, so Er es wolle, wollten sie in seinem Weinberg arbeiten. Er sagte aber, Er müsse fort und die Schulden bezahlen und müsse den wahren Weinstock keltern lassen zu einem Wein des Lebens, auf dass die andern den Wein bauen und bereiten lernten. Da waren sie betrübt in Einfalt, dass Er fort wollte, und flehten, Er solle bleiben. Worauf Er sagte, so sie Ihm glaubten, wolle Er einen senden, der sie alle zu Arbeitern im Weinberg machen sollte. Ich sah auch, dass dieser ganze Ort in der Verfolgung auswanderte und dass sie durch Thaddäus Christen geworden sind.

Jesus erzählte hier keine Prophezeiung, tat keine Wunder. Aber die Leute waren kindlich und einfältig, obschon in ihren Sitten verwildert. Er brachte auch getrennt lebende Ehepaare wieder zusammen und erklärte dem Mann, welcher mit der sechsten Schwester sich verehelichen wollte, dass dies nicht erlaubt sei.

Als Jesus darauf wiederum vom Weinbau, von der Pflege des Weinberges, vom Beschneiden der Reben in wunderbar tiefer Anwendung auf die Ehe lehrte, war mir sein Ausspruch merkwürdig und klar überzeugend, dass, wo die Ehe uneinig sei und nicht gute, reine Früchte bringe, da liege die Schuld vornehmlich auf Seite der Frau. Sie habe zu dulden, zu leiden, sie müsse die Früchte hüten, bilden, und könne durch ihr geistliches Arbeiten und Ringen alles in sich und ihrer Frucht ausgleichen und das Böse darin tilgen. Denn all ihr Tun und Wirken gereiche der Frucht zum Segen oder zum Verderben. In der Ehe sei nicht von Vergnügung, sondern von Buße und Abtötung die Rede, von Sorge und von beständigem Kämpfen gegen Sünde und Begierlichkeit durch Überwindung und Gebet. Solches Streiten und Überwinden bringe auch den Kindern den Sieg. Alles dieses wurde vom Herrn mit sehr tiefen und doch einfachen Worten gelehrt. Er sprach noch sehr vieles und Bestimmtes von der Ehe, und ich war so ergriffen von der Wahrheit und dem Bedürfnis dieser Lehren, dass ich mit großer Heftigkeit in mir dachte: warum wird dieses nicht aufgeschrieben? Warum ist kein Jünger da, der dieses aufschreibt, dass es alle Leute erfahren? Ich war aber in diesem ganzen Bilde wie ein gegenwärtiger Zuhörer und ging mit hin und her. Als ich jenen Gedanken so begierig dachte, wandte sich mein himmlischer Bräutigam zu mir um und sagte soviel als: «Ich wirke die Liebe und baue den Weinberg, wo es Früchte trägt. Wäre dieses aufgeschrieben, es wäre wie vieles Geschriebene vernichtet oder verdreht oder unbefolgt. Dieses und unendlich vieles, was nicht geschrieben steht, ist fruchtbringender geworden als das Geschriebene. Nicht das geschriebene Gesetz ist das befolgte, in den Glaubenden, Hoffenden, Liebenden ist alles geschrieben!! Die Art, wie Jesus dies alles lehrte in steter Anwendung von Parabeln, indem Er aus der Natur des Weinstocks alles bewies, was Er von der Ehe sagte, und hinwiederum aus der Ehe das, was Er vom Weinbau aussprach, war unbeschreiblich schön und überzeugend. Die Leute fragten dabei den Herrn auch ganz einfältig, und Er gab ihnen Antworten, durch welche ihnen diese Bilder und Gleichnisse immer mehr zur Sache selber wurden, über welche Er lehrte.

Eines Mittags fand vor der Synagoge auch eine Trauung armer junger Brautleute statt, bei der Jesus zugegen war. Beide waren ganz unschuldig, und der Herr war ihnen sehr gut. Dem Zug zur Synagoge gingen geschmückte Kinder von sechs Jahren voraus, auf Pfeifen blasend, mit Kränzen auf dem Haupt und junge weiß gekleidete Mädchen mit Körbchen, die Blumen streuten, und Jünglinge, welche auf Harfen, Triangeln und andern seltsamen Instrumenten spielten. Der Bräutigam war schier wie ein Priester gekleidet. Beide Brautleute hatten Führer, welche bei der Trauung die Hände auf ihre Schultern legten. Die Trauung geschah in einer Halle, deren Decke dabei geöffnet wurde, unter freiem Himmel bei der Synagoge durch einen jüdischen Priester. Als die Sterne am Himmel erschienen, hielten sie den Sabbat in der Synagoge und fasteten bis zum folgenden Abend, wo dann die Hochzeit in dem Festhaus gefeiert wurde. Hier nun erzählte Jesus viele Parabeln, wie von dem verlorenen Sohn und von den Wohnungen in seines Vaters Haus. Der Bräutigam hatte kein eigenes Haus und sollte im Haus der Mutter seiner Braut wohnen. Jesus aber sagte ihm, dass er, bis er eine Wohnung im Haus seines Vaters erhalten werde, unter einem Zelt in dem Weinberg, den Er am Bienenhügel anlegen wolle, Wohnung nehmen solle. Dann lehrte Jesus wieder viel von der Ehe: wo die Eheleute in Zucht und Ehrbarkeit lebten und ihren Stand als einen Stand der Buße erkennten, da würden auch die Kinder zum Heil geführt, und ihr Stand würde nicht ein Zerstreuen, sondern ein Sammeln in die Wohnungen seines Vaters. Jesus nannte Sich in dieser Lehre den Bräutigam einer Braut, in welcher die Gesammelten wiedergeboren würden, und kam auch auf die Hochzeit von Kana und das Verwandeln des Wassers in Wein zu sprechen, wobei Er von Sich immer in der dritten Person redete, als von jenem Mann in Judäa, den Er so gut kenne und der so verfolgt werde und den sie töten werden.

Dies alles hörten die Leute kindlich und glaubend an, und die Parabeln wurden ihnen zur Wahrheit. Der Bräutigam schien ein Schullehrer zu sein, denn Jesus sagte ihm, wie er lehren müsse. Nicht wie die Pharisäer, welche Lasten auflegten, die sie selbst nicht tragen wollten, sondern durch sein eigenes Beispiel. Auch von Ismael kam die Rede vor, denn Kedar und die Orte umher sind von Nachkommen Ismaels bewohnt, welche meistens Hirten sind und sich für geringer halten als die Leute in Judäa, von welchen sie wie von sehr großen Leuten und von auserwähltem Volk sprechen. Sie leben noch ganz auf die alte Weise. Ein großer Herdenbesitzer hat ein großes Haus mit einem Graben umher, und in der Nähe liegen die Häuser seiner Unterhirten und die Weiden. Zu dem Brunnen, der ihm gehört, gehen nur seine Herden und auch Nachbarn, so sie sich vertragen. Solche Besitzstämme liegen dort viele zerstreut. Der Ort selbst aber ist nur klein.

Von Jesu Worten bewegt, entschlossen sich die Leute, dem Brautpaar ein leichtes Haus, ein Zelt, an dem Bienenberg zu bauen, wo auch der Weinberg angelegt werden sollte. Jeder Freund im Ort machte für das Zelt ein Stück leichter Flechtwand, welche mit Fellen belegt und mit etwas Klebendem überstrichen wurde. War ein Stück fertig, so brachten sie es an Ort und Stelle. Jeder arbeitete nach seinem Vermögen, mehr oder weniger. Auch teilten sie einander mit, wessen sie bedurften. Der Herr sagte ihnen, wie alles sein müsse, und sie wunderten sich, dass Er es so gut verstände. Bei dem Hochzeitsfest hatte Er sie auch gelehrt, dass die Alten und Armen obenan sitzen müssten. Er ging mit ihnen zum kleinen Vorhügel des Bienenberges, um hier für den Weinberg die beste Lage anzuweisen. Hinter dem Zelt sollte an der Anhöhe der Weinberg angelegt werden. Als nun das Neumondfest eintrat, kamen alle mit Jesus im Festhaus zusammen. Er wusste, dass viele, da Er gesagt, sie sollten dem neuen Ehepaar ein Haus bauen, gedacht und auch zueinander gesagt hatten: «Hat Er vielleicht selbst kein Haus und keinen Aufenthalt? Will Er bei diesen Leuten wohnen?» Deswegen sagte Er ihnen, Er werde nicht hier bleiben, Er habe kein Haus hier, sein Königreich werde erst kommen, Er müsse seines Vaters Weinberg pflanzen und begießen mit seinem Blut auf dem Kalvarienberg. Sie verstünden das jetzt nicht, würden es aber verstehen, wenn Er den Weinberg begossen habe. Dann werde Er wiederkommen aus einem dunklen Land und es würden seine Boten zu ihnen kommen und sie rufen. Dann würden sie Ihm nachfolgen und diesen Ort verlassen. Wenn Er aber zum dritten mal komme, dann werde Er alle in seines Vaters Reich führen, welche den Weinberg treu gebaut hätten. Es sei hier ihres Bleibens nicht lange, darum solle das Haus nur leicht und ein Zelt zum Abbruch sein. Er lehrte dann noch lange von der Liebe untereinander, und wie sie Anker ineinander werfen sollten, dass der Sturm der Welt sie nicht zerstreue und einzeln vernichte. Auch sprach Er in Parabeln vom Weinbau, und dass Er nur noch dem neuen Ehepaar einen Weinberg anlegen und sie lehren wolle, die Reben zu pflanzen. Dann werde Er scheiden, um seines Vaters Weinberg zu bauen. Dies alles lehrte Er so einfach und doch so kunstvoll, dass sie immer in der Ahnung des Wirklichen mehr wuchsen und doch in der Einfalt blieben. Er lehrte sie im ganzen Leben und in der ganzen Natur ein verborgenes, heiliges Gesetz erkennen, das durch die Sünde entstellt worden sei. Die Lehre währte bis spät in die Nacht, und als Jesus sich entfernen wollte, hielten sie Ihn zurück, umarmten Ihn und flehten: «Mache uns das alles verständlicher!» Er sagte aber, sie sollten nur tun, wie Er gesagt. Er werde ihnen einen senden, der sie deutlicher belehren werde. Es war bei dieser Versammlung ein kleines Mahl gehalten worden, wo alle aus einem Becher tranken.

Der junge Mann, dem der Herr hier ein Haus bauen ließ, hieß Salathiel die Braut wie Bräunchen oder Feinchen. Von Thaddäus wurden sie mit dem größten Teil des Ortes getauft. Der Evangelist Markus weilte auch in dieser Gegend. Fünfunddreißig Jahre nach Christi Himmelfahrt zog Salathiel mit seiner Frau und drei erwachsenen Söhnen nach Ephesus. Hier sah ich ihn bei dem Goldschmied Demetrius, der einmal eine Verfolgung gegen Paulus angestellt, sich aber nachher bekehrt hatte, und ihm viel von Paulus und dessen Bekehrungsgeschichte erzählte. Paulus war nicht mehr zu Ephesus, Salathiel, seine drei Söhne und Demetrius zogen ihm nach. Salathiels Frau aber blieb in Ephesus in einem Haus, wohin noch viele aus ihrer Gegend kamen und bei ihr wohnten. Die meisten Juden zogen von Ephesus fort. Salathiel mit seinen Söhnen, Demetrius, einer namens Gajus und auch Silas waren alle mit auf dem Schiff, da Paulus bei Malta Schiffbruch erlitt, und kamen mit auf die Insel. Aus seinem Kerker in Rom wies Paulus den drei Söhnen des Salathiel noch Plätze zur Arbeit an.

Als Jesus danach mit den Männern nach dem Bienenberg ging, um ihnen das Pflanzen der Reben zu zeigen, war der Platz für das Zelthaus schon abgesteckt und ein Spalier aufgerichtet. Und da sie sagten, die Trauben, die hier wüchsen, seien alle bitter, erwiderte Jesus: das sei, weil sie von unedler Art, von bösem Stamm seien, wild fortrankten und nicht geschnitten würden. Darum hätten sie nur die Gestalt des Weines, aber nicht seine Süßigkeit. Jene aber, die Er jetzt pflanzen wolle, sollten süß werden. Nun ging seine Lehre wieder auf die Ehe über, welche nur durch Überwindung, Abtötung und Enthaltsamkeit in Verbindung mit Arbeit und Schmerz reine, süße Früchte bringen könne.

Aus den herzu gebrachten Reben las Er fünf aus, die Er in den von Ihm selbst gelockerten Grund einlegte und zeigte, wie die Reben am Spalier ins Kreuz aufzubinden seien. Und alles, was Er dabei von der Natur und der Pflege des Weinstocks sprach, bezog sich auf das Geheimnis der Ehe und die Heiligung ihrer Früchte. Als Er darauf diese Lehre in der Synagoge fortsetzte, sprach Er von der Pflicht der Enthaltung nach der Empfängnis und führte zum Beweis, wie tief die Verderbtheit der Menschen hierin geworden sei, das bessere Beispiel der Elefanten an, deren es in dieser Gegend gab. Zum Schluss sprach Er noch davon, dass Er sie nun bald verlassen müsse, um auf dem Kalvarienberg den Weinstock zu pflanzen und zu begießen, doch werde Er jemanden senden, der sie alles lehren und in den Weinberg seines Vaters führen werde. Da Er hierbei auch vom Reich seines Vaters und den Wohnungen darin redete, fragten die Leute, warum Er aus diesem Reich nichts mitgebracht habe und so arm gekleidet umhergehe, worauf Er sagte, dieses Reich werde für jene Menschen bewahrt, die Ihm nachfolgen, und alle, die es empfangen wollten, müssten es verdienen. Er sei ein Fremdling hier und suche und rufe treue Knechte in den Weinberg. Das Haus des Bräutigams habe Er darum so leicht erbaut, weil des Bleibens seiner Nachfolger auf Erden nicht sei und sie sich nicht an die Erde hängen dürfen. Warum sie ihrem Leib ein Haus bauen wollten, da er doch selber eine gebrechliche Hütte sei? Sie sollten ihn als das Haus ihrer Seele reinigen, als einen Tempel heiligen, nicht aber entweihen oder zum Schaden der Seele überladen und verweichlichen. Mit solchen Reden kam Er wieder auf das Haus seines Vaters und auf den Messias und alle Kennzeichen desselben: wie er von hohem Stamm, aber einfältigen, frommen Eltern geboren werden müsse, und dass nach den Zeichen der Zeit er schon da sein müsse. Sie sollten sich an ihn halten und seiner Lehre folgen.

Er lehrte auch von der Liebe des Nächsten und dem guten Beispiel und sagte dem Bräutigam Salathiel, er solle sein Haus offenstehen lassen und ganz auf das vertrauen, was Er ihm sage und fromm leben. So werde ihm Gott sein Haus schon hüten, es werde ihm nichts entwendet werden. Salathiel hat für sein neues Haus weit mehr erhalten, als er brauchte, denn Jesus lehrte auch gegen den Eigennutz. Man müsse alles um Gottes und der Nächsten willen tun. Jesus wurde mit den Leuten hier nach und nach immer vertrauter, und um sie aus ihrer Verwilderung zu retten, lehrte Er unter den mannigfaltigsten Gleichnissen von der Zucht, der Sittsamkeit und Überwindung im Ehestand, z. B. in dem Gleichnis von Saat und Ernte. Er ging auch zu zwei Parteien, welche im Begriff standen, in unerlaubtem Verwandtschaftsgrad zu heiraten. Ein Paar war blutsverwandt, und Jesus ließ sie zu Sich rufen und sagte ihnen, dass ihr Vorhaben aus der Absicht zeitlichen Besitzes stamme und dass es nicht erlaubt sei. Sie erschraken sehr, dass Er ihre Gedanken wusste, denn niemand hatte Ihm davon gesagt. Sie gaben ihr Vorhaben auf. Auch hier war ein gegenseitiges Fußwaschen, und die Braut trocknete Jesus die Füße mit einem Tuchende ihres Schleiers oder mit dem Oberteil des Mantels. Beide Leute erkannten Jesus durch seine Lehre noch mehr als einen Propheten, bekehrten sich und folgten Ihm nach. Dann ging Er auch hinaus aufs Land in ein Haus, wo die Stiefmutter den Stiefsohn heiraten wollte und der Sohn diese ihre Absichten noch nicht ganz erkannte. Jesus eröffnete dem Sohn die Gefahr, in welcher er stehe, und befahl ihm, den Ort zu meiden und am Haus Salathiels zu bauen, was er gehorsam tat. Der Herr wusch auch ihm die Füße. Die Stiefmutter, welcher Jesus ihre Schuld ernstlich verwies, war sehr erbittert, tat keine Buße und ist zugrunde gegangen.

Die Leute hier müssen wohl in ihren Vorfahren irgendeinen besonderen Bezug auf die Bundeslade haben. Sie fragten den Herrn, wo denn das Heiligtum der Bundeslade hingekommen sei? Er antwortete, davon hätten die Menschen so vieles empfangen, dass es nun in sie übergegangen sei. Schon daraus, dass es nicht mehr vorhanden sei, sei zu erkennen, dass der Messias geboren sei. Viele von den Leuten hierzulande glaubten, der Messias sei unter den unschuldigen Kindern getötet worden.

Eine Totenerweckung

Ungefähr eine Stunde von dem Ort lag gegen Morgen das mit einem Graben umgebene Wohnhaus eines reichen Herdenbesitzers, der plötzlich auf dem Feld nicht weit vor seinem Haus gestorben war. Frau und Kinder waren in großer Betrübnis. Er war schon zur Beerdigung bereitet und die Familie sandte in den Ort, um den Herrn zu bitten, mit anderen zur Beerdigung zu kommen. Jesus ging mit seinen drei Jüngern, mit Salathiel, dessen Frau und mit mehreren anderen Personen, es waren ungefähr dreißig, dorthin. Die Leiche stand in einem großen, oben offenen Laubgang vor dem Haus bereits zur Beerdigung bereitet.

Es war dieser Mann zur Strafe seiner Sünden gestorben, denn er hatte sich von den Hirten, die, von ihm gedrückt, die Gegend verließen, mancherlei zugeeignet und war bald darauf auf einem ungerecht an sich gerissenen Acker plötzlich tot niedergesunken. Vor der Leiche sprach nun Jesus von dem Verstorbenen und was es ihm jetzt nütze, dass er seinen Leib, dieses Haus, das er nun habe verlassen müssen, gepflegt und ihm gedient habe? Er habe seine Seele dieses Leibes wegen, der nicht gezahlt habe und nicht zahlen könne, in Schulden gesetzt. Die Frau war sehr traurig und sagte, der Judenkönig aus Nazareth könne ja die Toten erwecken, wenn er doch hier wäre. Da sprach Jesus: «Ja, der Judenkönig kann es. Aber man verfolgt ihn deswegen und will ihn töten, der doch das Leben gibt, und sie wollten ihn nicht erkennen!» Hierauf sagten sie: «Wenn er bei uns wäre, wollten wir ihn erkennen!»

Jesus stellte sie aber auf die Probe. Er sprach von dem Glauben, und dass ihnen, so sie wollten und glaubten und täten, was Er lehrte, der Judenkönig auch helfen würde. Dann sonderte Er die Familie des Verstorbenen und Salathiel und dessen Frau ab und schickte die anderen Anwesenden zurück und sprach mit der Frau, der Tochter und dem Sohn des Verstorbenen. Diese Frau hatte Ihm, noch ehe die anderen sich entfernten, erklärt: «Herr, Du sprichst, als seist Du der König der Juden selbst!» Er hatte ihr aber bedeutet, zu schweigen. Als nun die andern, welche Er als schwächer kannte, hinweg waren, sagte Er den Anwesenden: so sie seine Lehre glaubten und Ihm nachfolgen und Verschwiegenheit halten wollten, so werde der Tote wieder aufleben, denn seine Seele sei noch nicht gerichtet und harre noch am Ort ihres Ausscheidens und ihres Unrechtes auf dem Feld. Sie versprachen vom Herzen Gehorsam und Verschwiegenheit und Jesus ging mit ihnen zum Feld, wo der Mann gestorben war. Ich sah den Zustand der Seele des Toten. Ich sah sie über dem Ort seines Todes in einem Kreis, in einer Sphäre, in welcher ihr die Bilder aller ihrer Vergehen und deren irdischen Folgen vorgestellt wurden und sie mit Reue ganz verzehrten. Sie sah auch alle die Strafen, in welche sie eingehen müsste, und erhielt in diesem Zustand eine Ansicht vom genugtuenden Leiden Jesu. Als sie, ganz von Reue verzehrt, in die Strafe eingehen sollte, betete Jesus und rief sie mit dem Namen Nazor, denn so hieß der Verstorbene, in ihren Leib zurück. Und den Anwesenden sagte Er: «So wir zurückkehren, wird Nazor aufrecht sitzen und leben!» Ich sah aber die Seele auf Jesu Wort zu ihrem Leib hinschweben, kleiner werden und wie in den Mund einschwinden, worauf sich dieser in die sitzende Stellung in dem Sarg aufrichtete. Ich sehe immer die menschliche Seele, wie über dem Herzen sitzen, und von da viele Fäden nach dem Kopf gehen.

Als Jesus danach mit seiner Begleitung in das Haus zurückkehrte, fanden sie Nazor, in die Leichentücher gehüllt und mit gebundenen Händen, aufrecht in dem Sarg sitzend. Seine Frau band ihm die Hände und die Binde los. Er stieg aus dem Begräbniskasten, warf sich vor Jesus nieder und wollte seine Knie umfassen. Der Herr aber wich vor ihm zurück und sagte, er solle sich reinigen, waschen und in seiner Kammer verborgen halten und nicht von seiner Auferweckung reden, bis Er diese Gegend verlassen habe. Die Frau brachte nun den Mann in einen verborgenen Winkel des Hauses. Er reinigte sich und kleidete sich um. Jesus aber, Salathiel, seine Frau und die drei Jünger nahmen etwas Speise und blieben in dem Haus. Der Sarg ward in den Totenkeller gesetzt. Der Herr lehrte bis in die Nacht. Am folgenden Morgen wusch Er dem auferweckten Nazor die Füße und ermahnte ihn, künftig seiner Seele mehr als seines Leibes zu gedenken und das ungerechte Gut zu ersetzen. Nachher ließ Er seine Kinder kommen, sprach von der Barmherzigkeit Gottes, welche ihr Vater erfahren, und ermahnte sie zur Gottesfurcht, segnete sie und führte sie den Eltern zu. Auch die Mutter führte Er zu dem Vater und übergab sie ihm als einem Wiedergekehrten zu strengerem und besserem Zusammenleben.

Jesus lehrte an diesem Tag noch vieles von der Ehe in den Bildern vom Weinstock und der Saat. Er wandte sich dabei besonders zu dem jungen Ehepaar und sagte zu Salathiel: «Du hast dich von der Schönheit deiner Frau bewegen lassen! Bedenke aber, wie schön muss die Seele sein, dass Gott seinen Sohn zur Erde sendet, um mit dem Opfer seines Leibes die Seelen zu retten! Wer dem Leib dient, dient der Seele nicht. Die Schönheit gebiert die Begierde, und die Begierde verdirbt die Seele. Die Unenthaltsamkeit ist wie eine Schlingpflanze, welche Weizen und Reben erstickt und verdirbt.» So führte Er seine Ermahnung wieder in die Anweisung von Wein- und Weizenbau über und ermahnte sie, zwei bestimmte rankende Unkräuter aus Acker und Weinberg fernzuhalten. Zuletzt kündete Er ihnen an, dass Er am Sabbat zu Kedar in der Schule lehren werde, wo sie hören würden, wie sie seines Reiches teilhaftig werden sollten und durch welche Nachfolge. Er werde danach diese Gegend verlassen und gegen Morgen durch Arabien ziehen. Als sie fragten, warum Er zu den Heiden gehe, welche die Sterne anbeteten, sagte Er, dass Er dort Freunde habe, welche einem Stern gefolgt seien, um Ihn bei seiner Geburt zu begrüßen. Diese wolle Er aufsuchen, um auch sie in den Weinberg und das Reich seines Vaters einzuladen und ihnen die Wege zu bahnen.

In Kedar war eine erstaunlich große Volksmenge um Jesus versammelt. Er heilte nun öffentlich viele Kranke. Manchmal sprach Er im Vorüberwandeln zu herbeigebrachten Kranken nur die Worte: «Stehe auf! Folge Mir nach!» und sie standen auf und waren gesund. Das Staunen und die Bewunderung nahm so zu, dass, hätte Jesus sich nicht zurückgezogen, ein Aufstand der Freude im ganzen Land ausgebrochen wäre.

Salathiel und seine Frau waren auch nach Kedar gegangen, wo Jesus noch einmal über ihren Ehestand mit ihnen sprach und ihnen recht im einzelnen erklärte, wie sie nach allen Bedingungen leben müssten, um ein guter Weinstock zu werden (d.i. der reine, edle Früchte tragen sollte, welche einstens Heilige und Schüler seiner Apostel und Märtyrer werden könnten). Er befahl ihnen die Pflege der Zucht und Reinheit und dass sie bei allen ihren Handlungen stets auf die Reinheit der Absicht ihr Augenmerk richten sollten. Er ermahnte sie zum Gebet und zur Entsagung und gebot streng die gänzliche Enthaltung nach der Empfängnis. Er sprach vom gegenseitigen Vertrauen und dem Gehorsam der Frau. Der Mann solle nicht schweigen, so sie frage. Er solle sie ehren und schonen, als ein schwaches Gefäß. Er solle nicht misstrauen, so er sie mit andern reden sehe, und sie solle nicht eifern, so er mit einer andern rede. Doch solle keines dem andern Ärgernis geben. Sie sollten keinen dritten Zwischenträger zwischen sich dulden und alles mit Liebe untereinander abhandeln. Er sagte der Frau, sie solle eine fromme Abigail werden. Er wies ihnen auch eine Gegend zum Weizenbau an. Er sagte, sie müssten einen Zaun um den Weinstock machen. Dieser Zaun war diese Ermahnung.

Ehe Jesus Kedar verließ, hielt Er noch eine sehr lange Lehre in der Synagoge, in welcher Er im Zusammenhang noch einmal alle Punkte erklärte, über welche Er bisher im einzelnen hier gelehrt hatte. Er sprach in kindlich einfacher, sinnbildlicher Weise vom Geheimnis des Sündenfalles, von der Verwilderung und dem wachsenden Verderben der Menschen sowie von den Gnadenanstalten Gottes und den Führungen des auserwählten Volkes bis herab zur heiligsten Jungfrau und dem Geheimnis der Menschwerdung und der Wiedergeburt der Gefallenen im Sohn der Jungfrau aus dem Tod zum ewigen Leben. Er nannte Sich dabei das Weizenkorn, das in die Erde begraben werden und wieder aufstehen müsse. Sie verstanden Ihn nicht. Er sagte, sie sollten Ihm nur nachfolgen, aber nicht auf diesem kurzen Weg, sondern auf dem langen bis zum Gericht. Er sprach von der Auferstehung der Toten und vom Jüngsten Gericht - sie sollten wachen! Er erzählte von faulen Knechten, das Gericht komme wie der Dieb in der Nacht, jede Stunde komme der Tod. Sie, die Ismaeliten, seien die Knechte, sie sollten treu sein. Melchisedech sei sein Vorbild gewesen. Sein Opfer sei Brot und Wein gewesen: in Ihm aber sei es Fleisch und Blut geworden. Er sagte ihnen zuletzt deutlich, dass Er der Erlöser sei. Da wurden viele scheuer und zaghafter, andere inniger und feuriger. Er empfahl ihnen besonders die Liebe untereinander, Mitleiden, Teilen von Freud und Leid, als Glieder eines Leibes.

Bei dieser Lehre waren auch Heiden aus dem heidnischen Stadtteil von Kedar zugegen gewesen und hatten aus der Ferne zugehört. Sie waren sonst sehr feindselig gegen die Juden. Von jetzt an aber näherten sich viele von ihnen den Juden und fragten freundlich nach Jesu Lehre und Wundern.

6. Jesus kommt zur ersten Zeltstadt der Sterndiener

Als Jesus mit den drei Jünglingen Kedar verließ, gaben Ihm der Synagogenvorsteher Nazor, der von Tobias seine Abstammung herleitete, Salathiel, der Jüngling Titus und Eliud eine große Strecke weit das Geleit. Sie gingen über den Fluss durch den heidnischen Stadtteil, wo gerade ein Götzenfest gefeiert und vor dem Tempel geopfert wurde. Der Weg führte anfangs morgenwärts und dann mittagswärts zwischen zwei hohen Rücken in der Ebene, abwechselnd über Heidengrund, gelben oder weißen Sand und über weiße Steinchen. Als sie auf einem grünen freieren Fleck anlangten, wo ein großes Zelt und kleinere zwischen Palmen vor ihnen lagen, entließ Jesus seine Begleiter, indem Er sie segnete, und ging noch eine Strecke bis zu der Zeltstadt der Sterndiener. Der Tag neigte sich zum Ende, als Er an einen großen schönen Brunnen kam, der mit einem niedern Wall umgeben in kleiner Vertiefung lag. Es war ein Schöpflöffel bei dem Brunnen. Der Herr trank und setzte sich an dem Brunnen nieder. Die Jünglinge wuschen Ihm die Füße und Er sie ihnen wieder. Es war dieses sehr kindlich und rührend. In dieser Ebene waren Palmbäume, Wiesen und weit zerstreute Zeltgruppen. Auch sah man einen Turm oder eine gestufte Pyramide von ziemlicher Größe, doch nicht höher als eine gewöhnliche Kirche, aus der Landschaft hervorragen. Hie und da traten Leute hervor und sahen aus der Ferne wie befremdet und scheu auf Jesus. Aber keiner nahte sich Ihm.

Nicht weit von dem Brunnen lag das größte Zelthaus, das mehrere Spitzen hatte und aus vielen zusammenhängenden Räumen bestand, welche durch gespannte und gegitterte Wände verbunden waren und das von oben mit Fellen bedeckt und überhaupt schön und kunstvoll gemacht war. Aus diesem Zeltschloss kamen fünf Männer mit Zweigen zu Jesus heran. Jeder hatte einen Zweig von anderer Frucht in der Hand, der eine mit gelben Blättchen und Früchten, der andere mit roten Beeren, ein dritter einen Palmzweig und einer eine Rebe mit Blättern und einer Traube. Sie trugen von dem Gürtel bis gegen die Knie ein wollenes, an den Seiten aufgeschnittenes Röckchen, um den Oberleib eine weitbauschige Jacke, mit Ärmeln bis zum halben Oberarm, von ganz leichtem, wie durchsichtigem Wollzeug. Sie waren von weißer Farbe, hatten schwarze, kurze Bärte und die Haare lang und lockig. Der Kopf war mit einer Mütze bedeckt, welche rings herabhing und oben wie gedreht war. Sie gingen auf Jesus und seine Begleiter freundlich zu, begrüßten sie und luden sie ein, in das Zelt zu kommen, indem sie ihnen die Zweige überreichten. Jesus gaben sie den Rebzweig, und der Ihn führte, hatte auch einen solchen. In dem Zelt mussten sie auf Kissen sitzen, woran vorne Quasten waren. Sie reichten ihnen auch Früchte. Der Herr sprach nicht viel. Sie brachten danach ihre Gäste durch einen Zeltgang, worin viele getrennte Schlafräume mit erhöhten gepolsterten Ruhebetten waren, in den Zeitraum, welcher der Speisesaal war. In der Mitte stützte eine Säule das Zelt, welche mit so natürlich gemalten Laub- und Fruchtkränzen, Weinreben, Trauben und Köpfen verziert war, dass ich nicht wusste, ob sie lebendig oder gemacht seien. Sie setzten hier ein ovales, schemelhohes Tischchen hin, das sie aus einem dünnen Brett auseinander klappten und dessen Fuß sich teilend auseinander schob. Sie breiteten einen bunten Teppich aus, auf welchem viele Männer, wie sie, abgebildet waren. Dann stellten sie Becher und Geräte auf den Tisch. Alle Räume in dem Zelt waren ganz mit Teppichen verhängt, so dass man die Wände nicht sehen konnte.

Als Jesus und die Jünger sich auf den Teppich um den Tisch gelegt, brachten die Männer Kuchen, die in der Mitte eingedrückt waren, allerhand Früchte und Honig. Sie selbst saßen auf runden Klappschemeln mit unterschlagenen Beinen, zwischen den Füßen stand auf einem Zapfen eine kleine Scheibe, auf welche sie eine Schüssel setzten. Sie bedienten wechselweise ihre Gäste selbst. Vor dem Zelt aber hatten sie Diener, welche alles bereiteten. Ich sah sie auch in ein anderes Zelt gehen und Vögel holen, welche in einer Küche am Spieß gebraten wurden. Diese Küche war ein Herd unter einer ausgemauerten Erdhütte, wo der Rauch oben hinauszog. Man trug diese Vögel wunderlich zugerichtet auf. Sie waren, ich weiß nicht wie, mit allen Federn besteckt und sahen wie lebendig aus. Nach der Mahlzeit geleiteten sie die Gäste in den Schlafraum, und als Jesus hier den Jünglingen die Füße wusch und sie Ihm, waren sie ganz verwundert. Jesus belehrte sie darüber, und sie gedachten, es künftig auch zu tun.

Nächtliche Feier der Sterndiener

Die fünf Männer gingen danach in Mänteln, die hinten länger als vorne waren und vom Hals einen breiten, hinten niederhängenden Lappen hatten, nach einem Tempel, der in Gestalt einer großen viereckigen Pyramide nicht von Stein, sondern von lauter leichten Sachen, Holz und Fellen errichtet war und auswendige Stufen bis zur Höhe hatte. Er lag in einer Tiefe, welche terrassenförmig heranstieg und Sitzstufen und Brustwälle im Umkreis hatte. Diese Kreise waren durch Zugänge zu den verschiedenen Abteilungen durchschnitten, und die Zugänge selbst waren mit leichten zierlichen Hecken bekleidet. Es waren wohl schon mehrere hundert Menschen in dieser Umgebung des Tempels. Die Frauen standen hinten, die Jungfrauen noch weiter und zuletzt die Kinder. Auf den Stufen der Tempelpyramide standen Kugeln, die beleuchtet wurden und ganz den Eindruck von Himmelssternen machten und auch blitzten wie diese. Ich weiß nicht, wie das eingerichtet war. Sie standen so geordnet wie gewisse Gestirne. Das Innere des Tempels fasste sehr viele Menschen. In der Mitte stand eine hohe Säule, von welcher Leuchter tragende Balken nach den Wänden und bis in die Spitze der Pyramide liefen, wodurch die äußeren Kugeln erleuchtet wurden. Inwendig aber war ein wunderbares Licht eine Dämmerung wie Mondschein und man sah wie in einen Himmel voller Sterne und den Mond und ganz oben in der Mitte die Sonne. Alles war ungemein kunstvoll und wie natürlich und machte einen schauerlichen Eindruck, denn unten im Tempel war es dämmerig und um die Säule standen drei Götzenbilder, eines wie ein Mensch mit einem Vogelkopf und großem gekrümmtem Schnabel. Ich sah, dass sie ihm allerlei Opferspeisen, Vögel und dergleichen hineinstopften, welche unter dem Leib wieder herausfielen. Ein anderes Bild hatte einen Kopf, schier wie ein Ochse, und saß wie ein zusammengekauerter Mensch da. Sie legten ihm Vögel, wie Kindchen, in die Arme. Es hatte auch Löcher im Leib, worin Feuer war. Auch ein Opfertisch war vorhanden, worauf sie Tiere schlachteten und zerschnitten, die verbrannt wurden. Der Rauch ging durch eine Röhre in der Erde zu dem Tempel hinaus. Man sah keine offene Flamme in dem Tempel, aber die hässlichen Bilder sah man in dem Dämmerlicht rötlich schimmern.

Das viele Volk umher sang auf eine wunderbare Art: bald eine einzelne Stimme, dann wieder ein großer Chor mit gar wehmütigen und plötzlich heftigen Tönen. Sie schrieen besonders heftig und allgemein, wenn der Mond und andere Sterne aufgingen. Ich glaube, dieser Götzendienst währte bis Sonnenaufgang.

Ehe Jesus am folgenden Morgen diese Leute wieder verließ, gab Er ihnen noch einige Lehren, und auf ihre Fragen, wer Er sei und wohin Er reise, sprach Er von dem Reich seines Vaters und dass Er ausgegangen sei, seine Freunde zu besuchen, welche Ihn bei seiner Geburt begrüßt hätten. Dann wolle Er in Ägypten Gespiele seiner Jugend aufsuchen und zur Nachfolge rufen, weil Er nun wieder zu seinem Vater gehen werde. Er verwarf ihren Götzendienst, mit dem sie sich so plagten und so viele Opfer schlachteten. Sie sollten den Vater anbeten, der alles dieses geschaffen habe, und die Opfer nicht den Bildern geben, die sie selbst gemacht, sondern ihren armen Brüdern. Die Wohnungen ihrer Frauen lagen ganz zurück und abgesondert von den Zelten der Männer, aber jeder hatte viele Frauen zugleich. Sie waren lange gekleidet, hatten Kleinodien in den Ohren und ihr Kopfputz bestand in einer hohen Mütze. Jesus lobte die Absonderung der Frauen. Es sei gut, wenn sie zurückständen. Aber ihre Vielweiberei verurteilte Er streng und ermahnte sie, nur eine Frau zu haben, sie als untertänig, doch nicht als Sklavin zu behandeln. Er erschien ihnen in solchen Lehren so liebevoll und übernatürlich, dass sie flehten, Er möge bei ihnen bleiben. Sie wollten einen alten weisen Priester holen. Aber Jesus ließ dies nicht zu. Nun brachten sie noch alte Schriften, in welchen sie nachschlugen. Es waren keine Rollen, sondern dicke Blätter, wie Baumrinde, in welche die Schriftzüge hineinvertieft waren. Diese Blätter sahen schier aus wie dickes Leder. Sie baten den Herrn sehr, bei ihnen zu bleiben und sie zu lehren. Er sagte ihnen aber, sie sollten Ihm nachfolgen, wenn Er zu seinem Vater gegangen sein werde. Er wolle sie schon rufen lassen.

Beim Scheiden schrieb Er ihnen mit einem spitzen Stab fünf Glieder seiner Abstammung auf den Steinboden des Zeltes. Es schienen mir nur vier bis fünf einzelne verschlungene Buchstaben, worunter ich ein M erkannte. Sie waren tief eingegraben. Die Leute bewunderten diese Worte gleich sehr, erwiesen ihnen große Ehre und machten später einen Altar aus diesem Stein. Jetzt sehe ich ihn zu Rom in der Peterskirche an einer Ecke eingemauert. Den werden die Feinde der Kirche auch nicht wegkriegen!

Jesus litt nicht, dass sie Ihn begleiteten und wandelte mit seinen Jüngern mittagswärts durch die weit zerstreuten Zelte an dem Götzenturm vorüber. Da sprach Er zu ihnen, wie liebevoll Ihn diese Heiden aufgenommen hätten, denen Er nichts erwiesen habe und wie boshaft Ihn die hartnäckigen undankbaren Juden verfolgt hätten, welche Er mit Wohltaten überhäuft habe. Er wanderte den ganzen Tag mit seinen Begleitern in großer Eile. Es ist mir, als habe Er noch einige Tage, wohl fünfzig Meilen, bis ins Land der Könige zu wandeln.

Jesus bei einem Hirtenstamm

Kurz vor Eintritt des Sabbats sah ich Jesus in der Nähe von einigen Hirtenzelten, wo Er sich mit seinen Begleitern an einem Brunnen niederließ und sie Ihm und Er ihnen die Füße wusch. Dann begann Er mit ihnen betend und lehrend den Sabbat zu feiern, auf dass es auch hier in der Fremde nicht wahr sei, was die Juden Ihm vorwarfen, dass Er den Sabbat nicht heilige. Er schlief diese Nacht mit den drei Jünglingen unter freiem Himmel an dem Brunnen. Es waren hier keine festwohnenden Hirten, auch keine Frauen bei ihnen. Sie hatten nur eine Herberge bei dem entfernt liegenden Weidenort. Am Morgen kamen sie um Ihn her und hörten Ihm zu. Er fragte sie, ob sie nicht von den Leuten gehört hätten, die vor dreiunddreißig Jahren durch einen Stern nach Judäa geführt worden seien, den neugeborenen König der Juden zu begrüßen? Sie sagten: «Ja! ja!» und Er erzählte ihnen nun, dass Er dieser König der Juden sei und dass Er diese Männer nun auch besuchen wolle. Sie hatten eine kindliche Freude und Liebe zu Ihm und machten Ihm auf einem von Palmen umgebenen Platz einen schönen Sitz von Rasenstufen. Sie arbeiteten gar schnell und schnitten und stachen den Rasen mit langen steinernen oder beinernen Messern, so dass der Sitz bald fertig war. Der Herr setzte sich und lehrte in so schönen Parabeln und die Leute, wohl an vierzig, hörten so kindlich zu und beteten mit Ihm.

Am Abend brachen sie ein Zelt ab und bauten es mit einem andern zu einem großen Saal zusammen und richteten darin eine Mahlzeit von Früchten, einen zusammengeballten Brei und Kamelmilch für alle an. Da Jesus seine Speisen segnete, fragten sie Ihn warum und da Er es ihnen erklärte, wollten sie auch die ihrigen von Ihm gesegnet haben: Er tat es. Sie wollten auch, Er solle ihnen gesegnete Speise zurücklassen. Und da sie Ihm welche, vergängliche Sachen brachten, begehrte Er dauerhafte, unverwesliche Früchte, die sie Ihm brachten. Die weißen Ballen, welche Er ihnen segnete, bestanden aus Reis. Er sagte ihnen, sie sollten, wenn sie davon äßen, immer frischen beimischen, er werde dann nie verderben und der Segen werde nie abnehmen.

Die Könige wissen schon durch Träume, dass Jesus zu ihnen kommt.

Eine wunderbare Kugel

Ich sah den Herrn wieder auf dem Rasenthron lehren. Er lehrte von der Erschaffung der Welt, von dem Sündenfall und der Verheißung der Wiederherstellung. Er fragte sie, ob sie keine Verheißung hätten? Sie wussten aber nur weniges von Abraham und von David. Alles war mit Fabeln vermischt. Sie waren ganz einfältig, wie die Kinder in der Schule. Wer etwas auf eine Frage wusste, sagte es gerade heraus. Da Jesus ihre Unschuld und Unwissenheit sah, geschah ein großes Wunder. Ich weiß nicht mehr, was Er gerade sprach, aber es war, als greife Er mit seiner Rechten aus einem Sonnenstrahl einen Ball heraus, wie eine kleine Lichtkugel und lasse sie an einem Lichtstrahl aus der Mitte seiner rechten Hand niederhangen. Sie war größer, als sei man in ihr und alles war in ihr zu sehen. Die guten Leute und die Jünger sahen alles darin, wie der Herr es ihnen erklärte. Alle standen sehr erschüttert um Ihn her. Ich sah aber die heiligste Dreifaltigkeit in der Kugel. Und als ich den Sohn in ihr sah, sah ich Jesus nicht mehr, sondern ich sah einen Engel neben der Kugel schweben. Einmal hatte Jesus auch die Kugel auf der Hand liegen und es war auch einmal, als sei seine Hand die Kugel selbst, in der unzählige sich auseinanderentfaltende Bilder waren. Ich hörte etwas von der Zahl 360 oder 365, wie die Tage des Jahres, wovon auch etwas in den Bildern der Kugel enthalten war.

Jesus lehrte sie auch ein kurzes Gebet, worin etwas vom Vaterunser war und sagte ihnen drei Intentionen, in welchen sie es abwechselnd beten sollten. Es war Dank für die Erschaffung und für die Erlösung und ein Drittes, ich glaube vom Jüngsten Gericht. In dieser Kugel war die ganze sich auseinanderentwickelnde Geschichte der Schöpfung, des Falles und der Erlösung und aller Mittel der Teilhaftigmachung. Ich sah in der Kugel alles mit der heiligsten Dreifaltigkeit durch Strahlen zusammenhängen und daraus sich entwickeln. Anderes aber sah ich davon abgerissen. Der Herr gab ihnen durch das Ausgehen der Kugel aus seiner Hand einen Begriff der Schöpfung, durch das Hängen an einem Faden den Begriff von der Verbindung der gefallenen Welt mit der Gottheit und der Erlösung, mit dem Fassen in die Hand vom Gericht. Er lehrte sie vom Jahr und von den Tagen als den Bildern dieser Geschichte der Schöpfung und von der Andacht und Arbeit darin.

Als der Herr seine Erklärung geschlossen hatte, verschwand die Bilderkugel, wie sie gekommen war. Die Leute, die von ihrem tiefen Elend und der göttlichen Würde ihres Gastes ganz erschüttert waren, wurden sehr traurig und warfen sich nebst den drei Jünglingen weinend und anbetend zur Erde auf ihr Antlitz nieder. Auch Jesus war sehr traurig und warf sich auf sein Antlitz auf dem Rasenhügel nieder. Die Jünglinge aber wollten Ihn aufrichten und als Er sich erhob und die Leute auch und schüchtern umherstanden, Ihn fragend, warum Er so traurig sei, sagte Er, dass Er traurig mit den Traurigen sei. Jesus ließ sich dann eine Hyazinthe abbrechen, welche da wild wuchs, aber weit größer und schöner als bei uns und fragte sie, ob sie die Eigenschaft dieser Blume nicht kennen würden? Wenn der Himmel sich trübe, sinke sie in sich zusammen, traure und ihre Farben erblassten. So sei auch eine Wolke über seine Sonne gezogen. Er sagte ihnen noch mancherlei Wunderbares über diese Blume und ihre Bedeutung. Ich hörte auch einen wunderbaren fremden Namen der Blume, wobei mir gesagt wurde, dass es die Hyazinthe sei.

Abschaffung des Götzendienstes

Jesus fragte sie auch, was sie für einen Gottesdienst hätten, obgleich Er es schon wusste. Aber Er war wie ein guter Lehrer, der mit den Kindern ganz kindlich ist. Da brachten sie Ihm alle ihre Götter herbei: allerlei recht natürlich nachgemachte Tiere, wie Schafe, Kamele, Esel. Sie waren ordentlich mit Fellen überzogen, sonst schienen sie von Metall. Was ganz lächerlich aussah, war, dass sie lauter weibliche Tiergötzen hatten, mit langen Beuteln als Brüsten und mit Rohrzitzen daran. Diese gossen sie voll Milch und melkten sie an ihren Festen, tranken davon und tanzten und sprangen dabei. Jeder stellte auch das schönste, reinste Vieh von seiner Herde besonders, das sie fütterten und für heilig hielten. Nach diesen für heilig gehaltenen Tieren machten sie die Götzentierbilder und füllten deren Milch in sie. Wenn sie dann Gottesdienst hatten, brachten sie alle diese Bilder unter zierlichen Zelten zusammen. Es war da eine Wirtschaft, wie ein Jahrmarkt. Die Frauen und Kinder waren auch dabei und es wurde gemolken und gegessen, getrunken und gesungen und getanzt und die Tiergötter angebetet. Sie feierten nicht den Sabbat, sondern den Tag nachher.

Indem sie Jesus dieses erzählten und Ihm ihre Tierbilder zeigten, sah ich ein solches Fest aus ihrer Erzählung. Der Herr erklärte ihnen, welch ein elender Schatten des wahren Gottesdienstes ihr Dienst sei und führte daraus endlich hervor, wie Er das reine Tier der Herde sei und das Lamm, aus welchem alle Nahrung und alles Heil gemolken werden müsse. Er befahl ihnen, dass sie diese Tiere abschaffen sollten, die lebendigen unter die Herde tun und die Götzen, was von Wert daran sei, an arme Leute geben. Sie sollten Altäre bauen und dem allmächtigen Schöpfer, dem himmlischen Vater, Weihrauch darauf anzünden und danken. Sie sollten um die Erlösung flehen und alles mit ihren armen Brüdern teilen. Es wohnten arme Leute in der nahen Wüste, die gar nichts, auch keine Zelte hatten. Was sie von den Tieren nicht essen könnten, sollten sie im Opfer verbrennen und so auch den Teil ihres Brotes, der nicht für die Armen sei. Sie sollten die Asche an unfruchtbare Orte streuen, welche Er ihnen zeigte, um den Segen dahin zu erflehen. Das alles sagte Er ihnen mit Erklärung der Ursache. Dann sprach Er wieder von den Königen, die Ihn besucht hätten. Sie sagten: ja, sie hätten gehört, dass diese vor dreiunddreißig Jahren fortgezogen seien, den Heiland zu suchen und hätten geglaubt, sie würden nun alles Glück und Heil mit sich bringen. Die Könige seien auch zurückgekehrt und hätten ihre Andacht verändert, aber sie hätten weiter nichts davon gehört.

Danach ging Jesus zusammen mit diesen Hirten zu ihren Herden und Hütten und belehrte sie über alles, auch über verschiedene Kräuter. Er versprach ihnen, bald jemand zu senden, der sie unterrichten solle und dass Er für jeden einzelnen Menschen gekommen sei, der nach Ihm verlange und keineswegs nur für die Juden allein, wie sie demütig glaubten. Sie hatten durch das wenige, was sie von Abraham wussten, Achtung vor der Enthaltsamkeit. Die drei Jünglinge waren durch das neue Wunder mit der Kugel besonders erschüttert. Sie hatten ein ganz anderes Verhältnis zu dem Herrn als die Apostel. Sie waren abhängig, still und kindlich dienend, hatten nichts dreinzureden wie jene. Die Apostel hatten ein Amt - diese Jünglinge waren wie arme dienende Schüler.

Jesus reist nach der Zeltstadt der Könige

Als Jesus zum Land der drei Könige weiterzog, begleiteten Ihn etwa zwölf Hirten von hier, die eine Abgabe entrichten zu haben schienen. Sie trugen Körbe mit Vögeln hin. Diese Reise war sehr einsam. Auf dem ganzen langen Weg kamen sie an keine Wohnung, doch war der Weg bestimmt gezogen und verlor sich nicht in der Wüste. Längs des Weges waren Bäume gepflanzt, welche essbare Früchte von der Größe einer Feige trugen. Auch Beeren wuchsen hie und da. An gewissen Ruhepunkten, wo eine Tagreise abgesteckt war, befand sich immer ein zugedeckter Brunnen, von Bäumen umgeben, welche oben durch einen Reif zusammengezogen waren und durch ihre rings niederhängenden Zweige eine Laube bildeten. Es waren an solchen Ruheorten auch bequeme Stellen zum Feueranmachen und Obdächer angebracht. Bei der großen Mittagshitze ruhten sie an solchen Brunnen und aßen Früchte. Dann wuschen der Herr und die Jünglinge einander jedesmal die Füße. Von den andern Begleitern ließ Er sich nicht berühren. Die Jünglinge waren durch seine Güte bald ganz kindlich vertraut mit Ihm, bald aber blickten sie scheu und furchtsam seitwärts nach Ihm hin und schauten sich dann wieder untereinander an, wenn sie seiner Wunder und Gottheit gedachten. Ich sah auch öfters, dass Jesus vor ihnen verschwunden schien. Er lehrte und sprach mit ihnen über alles, was der Weg darbot.

Sie gingen auch einen Teil in der Nacht. Die Jünglinge machten dann Feuer, indem sie zwei Hölzer durcheinanderdrehten. Auch hatten sie eine Laterne auf einem Stock bei sich, die oben offen war und deren kleines Licht einen großen rötlichen Schein gab. Ich weiß nicht, woraus sie bestand. Ich habe auch in der Nacht wilde Tiere scheu laufen gesehen. Die Reise ging mehrmals über hohe, doch nicht steile, sondern sanft aufsteigende Berge. Ich sah auf einem Feld viele Nussbäume in Reihen und Leute, welche die herabfallenden Nüsse in Säcke füllten. Es schien nur eine Nachlese. Auch Bäume, welche die Blätter verloren und die Früchte noch hatten. Pfirsiche auf Anhöhen, dünne Stämme, in Reihen gepflanzt, auch einen Baum schier wie die Lorbeeren bei uns. Manchmal war die Ruhestätte in großen Wacholderbüschen, deren Stamm so dick wie ein starker Mannsarm war. Oben waren sie dicht zugewachsen und inwendig rein ausgehauen. Sie waren sehr angenehm.

Der größte Teil des Weges ging jedoch durch weiße Sandwüste. Dann kamen Stellen von weißen kleinen Steinen, andere von kleinen Steinen glatt wie Vogeleier, auch große Lager voll schwarzer Steine, wie kleine zerbrochene Töpfchen, oder Stücke von hohlen Blasen. Es waren an manchen ordentliche Löcher, wie Henkel und die Leute suchten auch hierzulande die brauchbarsten zu Schüsseln und Töpfen aus. Auf dem letzten Berg lagen lauter graue Steine. Jenseits niedersteigend kamen sie am Fuß des Berges an eine dichte Baumhecke, hinter welcher ein reissender Bach um ein angebautes Land floss. Es war an dem Ufer eine Fähre von Baumstämmen und Weidengeflecht, auf welcher sie überschifften und nach einer Reihe von aus Stäben geflochtenen und mit Moos ausgelegten Hütten wandelten. Diese hatten spitze Dächer und SchlafsteIlen rings um den mittleren Raum mit Moossitzen und Lagern. Die hiesigen Leute waren bekleideter und hatten Decken wie lange Mäntel umhängen. In einiger Entfernung sah ich Zeltgebäude, viel größer und fester als alle bisherigen. Sie hatten einen Fuß von Stein und bestanden aus mehreren Stockwerken, zu welchen die Treppen von außen hinaufführten. Zwischen den ersten Mooshütten setzte sich Jesus an einen Brunnen und die Jünglinge wuschen Ihm die Füße. Man führte Ihn in ein Haus, das für Fremde eingerichtet war. Die Leute hier waren sehr gut. Die Begleiter begaben sich wieder in ihre Heimat zurück und erhielten Speise auf den Weg.

Diese Gegend mit Moosgebäuden ist sehr ausgedehnt. Es liegen unzählbar viele solcher Wohnungen zwischen Feldern, Wiesen und Gärten dort umher. Hier kann man die großen Zeltpaläste nicht sehen, sie sind noch eine ziemliche Strecke entfernt. Man sah sie vom Berg niedersteigend. Die Gegend ist ungemein angenehm und fruchtbar. Es sind an Hügeln viele Hecken von jener Balsamstaude gezogen, welche sie beschneiden und aus der ein köstlicher Saft tröpfelt, den sie in jenen topfartigen Steinschalen auffangen, die dort in der Wüste gefunden werden. Ich sah auch prächtige Weizenfelder, die Halme wie Rohre so dick, auch Weinstöcke. Ich sah Rosen und Blumenballen, wie Kindsköpfe groß und überhaupt sehr große Blumen. Kleine klare, schnell rieselnde Bäche sind mit sorgsam gezogenen Hecken, die zu einer Laube verbunden sind, überwölbt. Man sammelt die Blüten dieser Hecken und die, welche in das Wasser fallen, werden hie und da durch Netze aufgefangen und aufbewahrt. Es sind an den Stellen, wo diese Blüten aufgefischt werden, geschlossene Eingänge in diese Lauben. Die Leute brachten und zeigten dem Herrn alle Früchte, welche sie hatten.

Als Jesus mit den Leuten von jenen Männern sprach, welche einmal dem Stern gefolgt seien, erzählten sie Ihm, dass dieselben nach ihrer Rückkehr aus dem Judenland an dem Ort, wo sie zum erstenmal den Stern erblickt hatten, eine hohe Betpyramide und um sie her eine ganze Zeltstadt erbaut hätten, in der sie alle wohnen geblieben seien, während sie vordem weit voneinander getrennt gelebt hätten. Sie hätten auch die Gewissheit erhalten, dass der Messias sie noch besuchen werde und wenn Er wieder wegziehen würde, wollten auch sie diesen Ort verlassen. Mensor, der Älteste, lebe noch gesund. Theokeno, der zweite, könne vor Altersschwäche nicht mehr gehen. Seir, der dritte von ihnen, sei vor einigen Jahren gestorben und sein Leichnam läge ganz unversehrt in einer Grabpyramide. An dem Sterbetag gehe man hin, öffne die Gräber und besuche sie mit Festlichkeit. Auch werde bei ihnen Feuer unterhalten. Sie erkundigten sich auch bei Jesus nach jenen vom Zug, der draußen im Gelobten Land geblieben sei und sandten Boten zu der ein paar Stunden entfernten Zeltstadt Mensors mit der Meldung, dass sie glaubten, es sei ein Abgesandter jenes Königs der Juden bei ihnen angelangt.

Bei Eintritt des Sabbats begehrte Jesus für sich und die Jünger eine einsame Hütte und weil man hier keine Lampen auf jüdische Art hatte, richteten sie sich selbst eine zu und feierten den Sabbat.

7. Jesus wird feierlich von Mensor zu seinem Zeltschloss geleitet

Als die Könige die Botschaft von Jesu Ankunft erhielten, machten sie große Anstalten zu seinem Empfang. Bäume wurden zusammengebunden, Triumphbogen errichtet und mit Verzierungen, Stoffen, Blumen und Früchten behängt. Sieben Männer in langen weißen goldgestickten Schleppmänteln und mit Gold und hohen Federbüschen verzierten Wulsten um den Kopf wurden zum Hirtenort Ihm zur Begrüßung entgegengesandt. Er hielt vor diesen eine Lehre und sprach von gutgesinnten Heiden, welche nicht belehrt, doch frommen Herzens seien.

Der Ort, wo die Könige wohnen, ist unbeschreiblich zierlich und bequem, mehr ein Vergnügungsort als eine Zeltstadt. Das Hauptzelt gleicht einem Schloss. Es hat auf seinem aus Steinen gemauerten Unterbau mehrere Stockwerke. Das unterste besteht aus durchsichtigen Gitterwänden und die höheren enthalten die Gemächer des Zeltschlosses. Rings um das große Gebäude laufen bedeckte Treppengänge. Ähnliche Zeltgebäude liegen umher und sind miteinander durch Wege verbunden, welche sehr zierlich mit bunten Steinen ausgelegt sind, durch welche die verschiedensten Muster von Sternen, Blumen und dergleichen vorgestellt werden. Alle diese reinen schönen Wege ziehen sich zwischen grünen Rasenplätzen und Gärten hin, deren regelmäßige Beete voll von Blumen und feinen Bäumen mit kleinen Blättern wie Myrthen und Lorbeerbäumchen und allerlei Beeren- und Gewürzstauden stehen. Mitten auf einem solchen Rasenplatz steht in einer offenen, mit Bänken und Sitzen versehenen Säulenhalle ein sehr schöner, mehrere Aufsätze hoher Springbrunnen, der seine Strahlen weitherum verbreitet. Rückwärts von diesem Brunnen liegt der mit Säulenhallen umgebene Tempel, welche nach einer Seite offen sind, auf der anderen aber die Türen zu den Grüften enthalten und das Grab des Königs Seir. Der Tempel selbst ist eine viereckige Pyramide, doch nicht so platt aufstehend wie jene, welche ich zuerst auf dieser Reise gesehen habe. Es laufen hier auch Treppen mit Geländern rings um die Pyramide hinauf und die Spitze ist durchsichtig gearbeitet. Ich bemerkte auch ein Zelthaus, worin auf einer Seite Jünglinge und auf der andern, getrennten Seite junge Mädchen unterrichtet werden. Die Wohnungen aller Frauen überhaupt liegen außerhalb dieses Kreises. Sie wohnen abgesondert beisammen. Es ist nicht zu sagen, wie zierlich, fleissig, grün und reinlich alles eingerichtet und angelegt ist und alles hat dabei etwas Leichtes und Kindliches. Überall sind schöne Gärten und Ruhebänke. Ich sah auch ein großes durchsichtiges Haus von unten bis oben voll von Vögeln. Entfernter sah ich Zelte und Hütten, worin die Arbeiter, auch Schmiede wohnen. Auch sah ich Ställe und große Wiesen voll Herden von Kamelen, Eseln und großen Schafen mit feiner Wolle, auch Kühe, andere als hier, mit großen Hörnern und kleinen Köpfen.

Auch habe ich nur sanfte Hügel, keine Berge gesehen, nicht viel größer als hier bei uns die großen Heidengräber. In diese Hügel wurde von oben mit großen, durch Röhren hindurchlaufende Bohrer in das Erdreich gebohrt, um Gold zu suchen. Wurde beim Herausziehen des Bohrers Gold an seiner Spitze gefunden, so gruben sie von der Seite Gänge in die Hügel, um das Gold herauszuholen. Das Gold wurde in der Nähe der Hügel geschmolzen. Sie brannten kein Holz, sondern braune und helle Klumpen, die auch aus der Erde gegraben wurden.

Mensor, welcher auch glaubte, dass nur ein Abgesandter von Jesus herannahe, setzte alles in Bewegung, um diesen Abgesandten so feierlich zu empfangen, als komme der König der Juden selber. Er beriet sich mit den anderen Häuptern und Priestern und ordnete die Festanstalten. Kleider und Festgeschenke wurden bereitet und die Wege geschmückt. Alles war voll Ernst und Freude. Mensor zog auf einem reichgeschmückten Kamel, das an beiden Seiten Kasten trug, mit einem Gefolge von zwanzig der vornehmeren Männer, von denen einzelne beim Zug nach Bethlehem dabeigewesen waren, Jesus entgegen, welcher mit den drei Jünglingen und den sieben Boten den Weg zum Zeltschloss angetreten hatte. Der Zug Mensors sang eine feierlich wehmütige Melodie, wie sie auch des Nachts auf der Reise nach Bethlehem gesungen hatten. Mensor, der älteste der Könige, von bräunlicher Gesichtsfarbe, trug eine runde hohe Mütze mit weißem Wulste und einen goldgestickten weißen Schleppmantel. Dem Zug wurde als Ehrenzeichen eine flatternde Fahne, welche einem Pferdeschweife glich, auf einer Stange mit gezackter Spitze vorangetragen. Der Weg ging durch eine Allee über schöne Wiesen, aus welchen da und dort zarte weiße Moosdecken wie ein dichter Pilz herausschimmerten. Als der Zug zu einem Brunnen kam, der von einem grünen, kunstvoll geschnittenen Laubtempel umgeben war, stieg Mensor vom Kamel, um den Herrn zu erwarten, den sie nahen sahen. Einer aus den sieben Boten, welche Jesus abgeholt hatten, lief Ihm voraus und meldete seine Ankunft. Es wurden aus den Kasten des Kamels prächtige, goldgestickte Gewänder, goldene Becher, Teller und Schalen mit Früchten herausgenommen und an dem Brunnen auf Teppiche niedergelegt. Der vom Alter gebeugte Mensor ging, von zweien geführt, nebst seinem Schleppträger Jesus mit großer Demut entgegen, in seiner Rechten einen langen, mit Gold verzierten und nach oben in ein Zepter auslaufenden Stab haltend. Beim Anblick Jesu empfand er eine innerliche Mahnung, wie ehemals an der Krippe, wo er sich auch zuerst auf seine Knie niedergelassen hatte. Er überreichte Jesus seinen Stab und warf sich vor Ihm nieder. Jesus aber hob ihn vom Boden auf. Dann ließ sich der Greis die Geschenke bringen und bot sie Jesus dar, der sie den Jüngern reichte, die sie wieder auf das Kamel legten. Jesus nahm die Gewänder an, doch wollte Er sich nicht damit bekleiden. Auch das Kamel schenkte Ihm der Greis, aber Jesus dankte.

Nun traten sie in die Brunnenlaube, wo Mensor dem Herrn frisches Wasser reichte, in das er Saft aus Fläschchen goss und auf kleinen Schalen Früchte. Unbeschreiblich demütig und kindlich-freundlich fragte er Jesus nach dem König der Juden, denn er hielt Ihn für dessen Gesandten und konnte sich seine große innerliche Bewegtheit nicht erklären. Seine Begleiter sprachen mit den Jünglingen und weinten vor Freude, als sie von Eremenzear hörten, er sei ein Kind der bei Bethlehem zurückgebliebenen Leute der Könige, die von der zweiten Frau Abrahams, der Ketura, ihre Herstammung ableiteten. Mensor wollte, dass Jesus sich auf sein Kamel setze, als sich der Zug nach dem Zeltschloss wieder in Bewegung setzte. Doch Jesus wandelte mit den Jüngern dem Zug voran. Ungefähr nach einer Stunde langte der Zug vor den ausgespannten weißen Tuchwänden an, welche kreisförmig das Wohngebiet Mensors umzäunten. Unter dem Ehrenbogen vor dem Eingang kam Jesus und den Jüngern eine Schar geschmückter Jungfrauen entgegen, welche paarweise Blumenkörbe trugen und den Weg mit Blumen bestreuten, dass er damit ganz bedeckt war. Der Weg führte durch eine schattige Allee, deren Bäume oben zusammengezogen waren. Die Paare trugen unter ihren mantelförmigen Überkleidern weite weiße Beinkleider, an den Füßen Sohlen mit spitzen Schnäbeln, um den Kopf weiße Binden, um Hals, Brust und Arme Kränze von Blumen, Wolle und schimmernden Federn. Sie waren sehr sittsam gekleidet, aber nicht verschleiert. Diese Schattenallee endete an der bedeckten Brücke, welche über den Graben oder Bach in den großen Garten führte, der ringsum von diesem Bach umgeben war. Vor der Brücke stand ein geschmückter Ehrenbogen, unter welchem Jesus von fünf Priestern in weißen langen Schleppmänteln und reich mit Schnüren verzierten Gewändern, von denen am rechten Arme Manipeln bis zur Erde niederhingen, empfangen wurde. Auf dem Kopf trugen sie gezackte Kronen mit einem herzförmigen Schildchen vor der Stirn, woraus eine Spitze emporragte. Zwei trugen ein goldenes Feuerbecken, in welches sie aus goldenen, schifförmigen Gefäßen Weihrauch streuten. Die Schleppen ihrer Mäntel ließen sie, vor Jesus angelangt, sich nicht nachtragen, sondern schürzten sie rückwärts in eine Schlinge. Jesus zog durch alle diese Ehren ruhig wie am Palmsonntag.

Mitten durch den großen Garten, welcher von vielen Wässerchen durchrieselt und durch zierlich mit Steinen eingelegte Wege in dreieckige Blumenbeete eingeteilt war, führte ein Laubengang, dessen Pfad auch mit Steinen in Figuren bunt eingelegt war, nach einer zweiten bedeckten Brücke. Die Bäume und Stauden des Gartens waren in mancherlei Formen gezogen. Einige sah ich wie in Figuren von Menschen und Tieren geschnitten. An seinem äußersten Umfang standen hohe Bäume, nach einwärts aber kleinere und feine und viele schattige Ruhebänke. Über die zweite Brücke führte der Weg gerade auf die Mitte eines großen runden Platzes hin, welcher der Mittelpunkt der ganzen runden Anlage war und wo auf einer hügelförmigen, rundum von Wasser umgebenen Garteninsel ein offener Brunnentempel mit einem Dach von Fellen auf schlanken Säulen stand. Dieser Insel gegenüber lag das große Königszelt.

Als Jesus die zweite Brücke überschritt, wurde Er von den Jünglingen mit Musik von Flöten und kleinen Trommeln empfangen, welche hier an der Brücke in niederen viereckigen ZeIten, die rechts und links in Bogen hinliefen, ihre Wohnungen hatten. Diese Jünglinge waren eine Art Leibwache, denn sie trugen kurze Schwerter und standen auch zur Wache. Sie trugen Mützen mit einem Federbügel und hatten mancherlei Dinge an sich hängen, darunter auch einen großen halben Mond mit ordentlich ausgeschnittenem Gesicht. Vor der Brunneninsel hielt der Zug. Der König stieg vom Kamel ab und führte Jesus und die Jünger zu dem Brunnen, der ein Springbrunnen mit mehreren Springkreisen übereinander und vielen Röhren aus blinkendem Metall war. Zog man die Zapfen aus, so spritzten Wasserstrahlen weit in die Runde und das Wasser lief in Rinnen durch grüne Hecken den Hügel hinab in den umgebenden Bach. Rund um den Brunnen waren Sitze angebracht. Die Jünger wuschen Jesus die Füße und Er ihnen. Vom Brunnen führte über der Brücke ein bedeckter Zeltgang nach der anderen Seite des großen runden Platzes in das Zeltschloss Mensors und Theokenos. Seitwärts von dem Zeltschloss lag im weiten Kreis um die Brunneninsel das Tempelgebäude, eine viereckige Pyramide, nicht so hoch wie das Zeltschloss und von einer Säulenhalle umgeben, in der sich die Eingänge zu den Grüften der verstorbenen Könige befanden. Um die Tempelpyramide liefen unbedeckte Treppen bis zur durchsichtigen Spitze. Zwischen dem Tempel und der Brunneninsel hatten sie das heilige Feuer in einer Grube, welche mit einer metallenen Halbkugel gedeckt war, worauf eine Figur mit einem Fähnchen in der Hand. Das Feuer brannte immer. Es war ein weißes Lodern, das nicht über den Rand der Grube stieg. Die Priester legten oft Stücke hinein, die man aus der Erde grub.

Das Zeltschloss der Könige war mehrere Stockwerke hoch. Das unterste über dem gemauerten Grund war ein vergitterter, ganz durchsichtiger Raum, der mit Bäumchen und Pflanzen dem Theokeno, der nicht mehr gehen konnte, als Garten diente. Rings um das Zeltschloss liefen bedeckte Treppen und Galerien bis hoch hinauf. Man sah hie und da Fensteröffnungen, aber nicht regelmäßig. Das Zeltdach hatte mehrere Giebel mit Fähnchen, Sternen und Monden.

Nachdem Jesus am Brunnen etwas verweilt hatte, geleiteten sie Ihn durch den bedeckten Zeltgang in das Schloss und führten Ihn in einen großen Saal, der achteckig abgespannt war und in der Mitte eine stützende Säule hatte, um welche runde Scheiben übereinander angebracht waren, um Sachen daraufzustellen. Die Wände waren mit bunten Teppichen überdeckt, worauf man Blumen, Figuren sowie Knaben mit Bechern sah. Auch der Fußboden war mit Teppichen belegt. Jesus ließ sich von da gleich zu Theokeno durch Mensor führen. Seine Wohnung war in dem vergitterten unteren Raum an dem Gärtchen. Er ruhte auf einem Lager von Polstern und nahm dann an dem Mahl teil, das in sehr schönen Gefäßen aufgetragen wurde. Die Speisen waren sehr zierlich angerichtet. Feine Kräuter waren wie Gärtchen in die Teller geordnet. Die Becher waren von Gold. Unter den Früchten war eine große gerippte gelbe Frucht mit einem Kronenbusch und besonders groß waren die Honigwaben. Jesus aß nur Brot und einige Früchte und trank aus einem Becher, der sonst noch nie gebraucht worden war. Ich sah Ihn nur bei seiner Ankunft hier mit den Heiden essen, sonst nie. Ich sah Ihn hier ganze Tage lehren und nur selten einen Bissen nehmen.

Er lehrte bei dem Mahl und sagte ihnen zuletzt, dass Er nicht der Gesandte, sondern der Messias selber sei. Sie warfen sich weinend auf das Angesicht. Mensor weinte besonders heftig. Sie konnten sich vor Liebe und Ehrerbietung gar nicht fassen und nicht begreifen, dass Er sich gewürdigt, zu ihnen zu kommen. Jesus aber erwiderte, Er sei für die Heiden wie für die Juden, Er sei für alle gekommen, die an ihn glaubten. Sie meinten, es wäre die Zeit, dass sie ihr Land verlassen sollten und waren bereit, Ihm gleich nach Judäa zu folgen. Er sagte aber, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei und dass sie Ärgernis nehmen und im Glauben wanken würden, wenn sie sehen müssten, wie Er von den Juden verachtet und misshandelt werde. Sie konnten das gar nicht begreifen und fragten Ihn, wie das doch sei, dass es so vielen bösen Menschen gut gehe und dass die Guten so viel leiden müssen? Da sagte Er, dass die, welche ihre Vergnügung hier hätten, dort Rechenschaft geben müssten und dass dieses Leben ein Bußleben sei.

Die Könige wussten auch von Abraham und David. Und da Jesus von seiner Abstammung sprach, brachten sie alte Bücher herbei und suchten nach, ob sie nicht auch Verwandtschaft mit diesem Stamm hätten. Es waren dieses Tafeln, welche man im Zickzack auseinanderlegen konnte, wie Musterkarten, Sie waren auch so kindlich und wollten alles befolgen. Sie wussten, dass dem Abraham die Beschneidung befohlen war und fragten den Herrn, ob sie sich auch diesem Gesetz unterziehen sollten. Jesus sagte ihnen, dass dieses nicht mehr nötig sei, dass sie ihre Gelüste schon beschnitten hätten und noch ferner beschneiden sollten. Da sie auch von Melchisedech und seinem Opfer von Brot und Wein wussten und sagten, sie hätten auch ein Opfer auf diese Art, nämlich ein Opfer von kleinen Broten und einem grünen Saft, wobei sie einige Worte sprachen auf die Art: «Wer mich isst und fromm ist, der soll alle Glückseligkeiten haben», sagte Jesus, dass das Opfer Melchisedechs ein Vorbild des heiligsten Opfers sei und dass Er selbst dies Opfer sei. Sie aber hätten nur allerlei Formen von der Wahrheit, welche alle von Finsternis ganz verdorben seien.

In der Nacht vor Jesu Ankunft oder in der darauffolgenden waren um das Zeltschloss und weithin alle Wege beleuchtet. Auf Stangen waren durchsichtige Kugeln mit Lichtern aufgestellt und auf jeder Kugel war ein Krönchen, das wie ein Stern blitzte.

8. Jesus im Tempel der Könige. Fest der Erscheinung des Sternes

Als der Herr den Tempel der Könige zum ersten Mal besuchte, geschah es bei Tag. Er wurde von den Priestern feierlich aus dem Zeltschloss abgeholt. Sie hatten jetzt hohe Mützen auf und hatten von der einen Schulter Schnüre mit vielen silbernen Schildern herabhängen und am andern Arm wieder die langen Manipel. Der ganze Weg war mit Tuch überspannt und die Priester gingen barfuss. In der Gegend des Tempels saßen hier und dort Frauen, welche den Herrn zu sehen wünschten. Sie hatten kleine Dächer auf Stangen als Sonnenschirme über sich stehen. Sie standen, da Jesus ferne vorüberschritt, auf und beugten sich zur Erde. In der Mitte des Tempels stand eine Säule, von welcher Sparren nach den vier Wänden liefen und in der Höhe hing ein Rad, mit Sternen und Kugeln, welches sie beim Gottesdienst brauchten.

Sie zeigten Jesus ein Krippenbild, welches sie bei ihrer Rückkehr von Bethlehem hier errichtet hatten, ganz so, wie sie es im Stern gesehen. Die ganze Vorstellung war von Gold und von einer sternförmigen Goldplatte umgeben. Das goldene Kindchen saß in einer Krippe, wie die von Bethlehem, auf einer roten Decke. Es hatte die Händchen auf der Brust gekreuzt und war von den Füßen bis an die Brust eingewickelt. Sie hatten sogar das Heu dabei angebracht. Es war ein weißes Kränzchen, ich weiß nicht mehr wovon, hinter dem Kopf des Kindes zu sehen. Sie hatten sonst kein Bild im Tempel. An der Wand aber hing eine lange Rolle oder Tafel nieder, welche ihre heilige Schrift war und die als Schriftzeichen meist Figuren hatte. Ein kleiner Altar stand zwischen der Säule und dem Krippenbild, in welchem seitwärts Öffnungen waren. Sie hatten einen kleinen Sprengbesen und Wasser, das sie wie Weihwasser umhersprengten. Ich sah auch einen geweihten Zweig, mit dem sie allerlei Zeremonien machten, kleine runde Brote, einen Kelch und Opferfleisch auf einem Teller. Als sie dieses alles Jesus zeigten, lehrte und widerlegte Er, was sie vorbrachten.

Sie führten Jesus auch in die Gräber des verstorbenen Königs Sair und seiner Familie, welche in den Gewölben des bedeckten Ganges um die Tempelpyramide gleich Ruhebetten in der Wand waren. Die Leiber lagen in langen weißen Kleidern und schöne Decken hingen von den Lagern nieder. Ich sah ihre halbverhüllten Angesichter und ihre nichtbedeckten Hände schneeweiß, weiß aber nicht, ob es nur die Knochen oder die eingetrocknete Haut war, denn ich sah auf den Händen tiefe Furchen. Es war in den Grabgewölben ganz wohnlich und es stand auch in jedem ein Sessel. Die Priester brachten Feuer mit hinein und räucherten. Sie weinten alle, besonders der alte König Mensor, wie ein Kind. Jesus nahte dem Leichnam und sprach vom Tod. Theokeno hatte zuvor Jesus von Sair erzählt, dass eine Taube oftmals auf dem Zweig von ihnen erblickt werde, welche sie nach ihrer Gewohnheit auf die Tür seines Grabes gesteckt hätten und gefragt, was dieses zu bedeuten habe. Und auf die Frage Jesu, welches der Glaube Sairs gewesen sei, hatte Theokeno erwidert: «Herr! sein Glaube war wie der meinige. Seit wir den König der Juden verehrt haben, hatte er immer bis zu seinem Tod bei allem, was er dachte und tat, verlangt, es solle nichts von ihm geschehen, als was der Wille des Königs der Juden sei.» Darauf hatte Ihm Jesus erklärt, die Taube auf dem Zweig bedeute, dass Sair mit der Taufe der Begierde getauft sei.

Jesus zeichnete ihnen auch auf eine Platte das Lamm, das mit einem Fähnchen auf der Schulter über dem Buch mit den sieben Siegeln steht und verlangte, dass sie danach ein Bild anfertigen lassen und an der Säule gegenüber der Krippe aufstellen sollten.

Die Könige hatten seit ihrer Rückkehr von Bethlehem in jedem Jahr durch drei Tage hindurch das Gedächtnis des Tages gefeiert, an welchem sie fünfzehn Jahre vor Christi Geburt zum erstenmal den Stern mit dem Bild der Jungfrau erblickt hatten, welche in der einen Hand das Zepter, in der andern die Waage mit Ähre und Traube hielt. Die drei Tage waren zu Ehren Jesu, Mariä und des heiligen Joseph, den sie besonders verehrten, weil er sie so liebevoll empfangen hatte. Die Zeit dieser Feier war jetzt wieder eingetreten. Allein aus Demut vor dem Herrn wollten sie den dabei üblichen Gottesdienst nicht halten, sondern baten Ihn, dass nur Er allein lehren möge. Jesus aber sagte, sie sollten ihr Fest nur feiern, um den Leuten, die nicht anders unterrichtet seien, kein Ärgernis zu geben. Ich sah vieles dabei von ihrer Religion. Sie hatten drei Tierbilder, die außen um den Tempel her standen: einen Drachen mit großem Rachen, einen Hund mit dickem Kopf, einen Vogel mit langen Beinen und Hals, fast wie ein Storch, doch mit etwas krummem Schnabel. Ich glaube nicht, dass sie diese Bilder als Götter anbeteten. Sie dienten nur als Sinnbilder gewisser Tugendlehren. Der Drache stellte die böse finstere Natur vor, welche man abtöten müsse. Der Hund, der sich auch auf einen Stern bezog, die Treue, Dankbarkeit und Wachsamkeit. Der Vogel aber die Liebe gegen die Eltern. Sie hatten sonst noch allerlei Tiefsinniges zu bedeuten, was ich aber nicht wieder sagen kann. Doch weiß ich, dass kein Götzendienst, kein Gräuel dabei war, sondern viel Weisheit, Demut und Betrachtung der Wunder Gottes. Diese Tierbilder waren nicht von Gold, sondern dunkler und wie von den Brocken, welche sie beim Schmelzen brauchten oder was davon übrig blieb. Unter dem Bild des Drachen las ich fünf Buchstaben, AASCC oder ASCAS, was ich nicht mehr genau weiß. Der Hund hieß Sur: den Namen des Vogels weiß ich nicht mehr.

Die vier Priester lehrten an vier verschiedenen Plätzen um den Tempel vor den Männern, den Frauen, den Jungfrauen und den Jünglingen. Ich sah, dass sie dem Drachen das Maul öffneten und sagten: «wenn er nun lebte so hässlich und schrecklich und wollte uns verschlingen, wer anders könnte uns helfen als der allmächtige Gott?», den sie auch mit einem besondern Namen benannten. Sie ließen auch das Rad herab und setzten es auf dem Altar in ein Geleis und ein Priester drehte es um. Es waren mehrere Reife ineinander und hohle goldene Kugeln daran, welche glänzten und beim Drehen klangen, wodurch der Lauf der Gestirne angedeutet werden sollte. Sie sangen dabei, wie es sein würde, wenn Gott die Sterne nicht bewegte! Danach opferten sie vor dem goldenen Christkind in der Krippe noch Weihrauch. Jesus befahl ihnen, die Tiere künftig wegzulassen und von Barmherzigkeit, Nächstenliebe und von der Erlösung zu lehren. Übrigens sollten sie Gott in seinen Kreaturen bewundern, Ihm danksagen und Ihn allein anbeten. Am Abend dieses ersten der drei Festtage begann für Jesus der Sabbat: darum sonderte Er sich mit den drei Jünglingen in einem Gemach des Zeltschlosses zur Sabbatsfeier ab. Sie hatten weiße Kleider, schier wie Totenkleider, bei sich, welche sie anlegten, Gürtel mit Buchstaben und Riemen, welche gleich einer Stola über die Brust gekreuzt wurden. Auf einen rot und weiß gedeckten Tisch wurde eine Lampe mit sieben Lichtern gestellt. Bei dem Gebet stand Jesus zwischen zwei Jünglingen und der dritte hinter Ihm. Von den Heiden war keiner bei ihrer Sabbatsfeier zugegen.

Während des ganzen Sabbats aber waren die Heiden in dem Umkreis ihres Tempels versammelt. Männer, Frauen, Jünglinge und Jungfrauen hatten ihre besonderen, mit Stufensitzen umgebenen Kreis. Nachdem Jesus seine Sabbatsfeier geschlossen hatte, kam Er noch zu ihnen. Und da sah ich ein wunderbares Ereignis. Inmitten des Kreises der Frauen stand das Drachenbild. Die Frauen waren je nach ihrem Rang sehr verschieden gekleidet. Die geringeren trugen unter ihren langen Mänteln nur kurze einfache Gewänder. Die vornehmen aber waren ähnlich der Frau gekleidet, die ich vor das Drachenbild treten sah. Sie war eine starke Frau von etwa dreißig Jahren, trug unter dem langen Mantel, den sie beim Sitzen ablegte, einen steif gefalteten Rock, um Hals und Oberleib ein ganz knapp anliegendes, mit glänzendem Schmuck und Kettchen bedeckten Bauch. Von den Schultern bis an den halben Oberarm hingen Lappen wie offene halbe Ärmel nieder. Der übrige Teil der Arme war wie die Beine mit Schnüren und Armbändern umgeben. Auf dem Kopf hatte sie eine anliegende Mütze, die bis auf die Augen herabreichte, Wangen und Kinn umschloss und von lauter krausen Federkränzen gewunden war. Über die Mitte des Hauptes zog sich von vorne nach hinten ein Wulst, durch den man die geflochtenen und geschmückten Haar sah. Von den Ohren hingen viele lange Schmuckketten herab auf die Brust.

Ehe der Priester seine Lehre begann, ging die Frau wie viele andere vor das Drachenbild, warf sich nieder und küsste die Erde und zwar mit einer besonderen Andacht und Heftigkeit. Nun trat Jesus mitten in den Kreis und fragte, warum sie das tue. Sie sagte, dass sie jeden Morgen vor Tag von dem Drachen geweckt werde, dann aufstehe und sich vor ihrem Lager gegen die Gegend zu, wo der Drache stehe, auf ihr Antlitz niederwerfe und ihn anbete. Jesus aber fragte: «Warum wirfst du dich vor dem Satan nieder? Dein Glaube ist von dem Satan in Besitz genommen! Es ist wahr, dass du geweckt wirst, aber nicht der Satan, sondern der Engel sollte dich wecken. Schau, wen du anbetest!» In demselben Augenblick stand ihr und allen Anwesenden sichtbar ein schlanker, fuchsroter Geist mit spitzem Gesicht grässlich neben der Frau, die sehr erschrak. Jesus deutete auf ihn und sprach: «Dieser hat dich geweckt. Es hat aber ein jeder Mensch auch einen guten Engel. Vor diesem wirf dich nieder und folge seinem Rat!» Bei diesen Worten erblickten alle eine leuchtende schöne Gestalt neben der Frau. Sie warf sich ganz erschüttert vor derselben nieder. So lange der Satan neben ihr stand, sah ich den guten Engel hinter ihr stehen. Als jener aber wich, trat der Engel vor. Die Frau ging dann sehr bewegt auf ihre Stelle zurück. Sie hieß Cuppes und wurde von Thomas Serena getauft und unter diesem Namen wurde sie später gemartert und als Heilige verehrt.

Vor dem Vogelbild ermahnte Jesus die Jungfrauen und Jünglinge zum gehörigen Maß in der Menschen- und Tierliebe, denn es gab hier Leute, welche ihre Eltern fast anbeteten und andere, welche den Tieren mehr Liebe erwiesen als den Menschen.

Am letzten Tag des Festes wollte Jesus die Priester und Könige im Tempel und alles Volk umher lehren. Damit der altersschwache König Theokeno auch zuhören könnte, begab sich Jesus mit Mensor zu ihm, befahl ihm aufzustehen und mit Ihm zu gehen. Er nahm ihn an der Hand und der gläubige Theokeno richtete sich auf und konnte gehen. Jesus führte ihn zum Tempel und er konnte fortan immer gehen. Jesus ließ die Türen der Tempelpyramide öffnen, so dass Ihn alle Leute umher sehen und hören konnten. Er lehrte bald im Tempel, bald umher Männer und Frauen, Jünglinge, Jungfrauen und Kinder. Er erzählte viele der Parabeln, welche Er den Juden erzählt hatte. Die Zuhörer durften Ihm in die Rede fallen und Ihn fragen. Er hatte ihnen das geboten. Manchmal rief Er auch einen auf, seine Zweifel laut vor allen zu sagen, denn Er erkannte die Gedanken eines jeden. Unter anderem fragten sie, warum Er hier keine Toten erwecke und keine Kranken heile, der Judenkönig habe dieses getan. Er sagte, dass Er dieses bei den Heiden nicht tue. Er werde ihnen aber Leute senden, welche viele Wunder bei ihnen tun und sie durch das Bad der Taufe reinigen würden. Sie sollen seinen Worten glauben.

Vor den Priestern und Königen lehrte Jesus, dass alles, was in ihrer Lehre den Schein der Wahrheit habe, eine Lüge sei, denn es sei nur ein Schein oder die leere Form der Wahrheit und der Teufel habe sich diese Formen ausgefüllt. Sobald der gute Engel welche, trete der Satan vor, verderbe den Dienst und nehme ihn in Besitz. Sie hatten ehedem alles verehrt, womit sie nur einen Gedanken an eine Kraft verbinden konnten, doch hatten sie bei der Rückkunft von Bethlehem darin schon etwas nachgelassen. Dann befahl ihnen Jesus, die Tierbilder abzuschaffen und einzuschmelzen und gab ihnen Leute an, welchen sie den Wert schenken sollten. All ihr Dienst und ihr Wissen sei nichts. Sie sollten ohne diese Bilder Liebe und Barmherzigkeit lehren und dem Vater im Himmel danken, dass Er sie so barmherzig zur Erkenntnis berufen habe. Er wolle ihnen einen senden, der sie weiter belehren werde. Auch das Sternrad sollten sie wegtun. Dasselbe war so groß wie ein mäßiges Wagenrad, hatte sieben Felgen, an denen höher und niedriger verschiedene Kugeln mit Strahlen angebracht waren. Der Mittelpunkt war eine größere Kugel, die Erde vorstellend. Am Umkreis des Rades waren zwölf Sterne, in welchen zwölf verschiedene Bilder reich und glänzend angebracht waren. Ich sah darunter das Bild einer Jungfrau mit blitzenden Augen und Mund, auch auf der Stirne hatte sie Edelsteine, auch das Bild eines Tieres mit etwas ganz Funkelndem im Maul. Ich habe aber nicht alles recht sehen können, weil das Rad immer gedreht wurde. Die Figuren waren nicht immer gleich sichtbar. Es wurden manchmal einige verhüllt.

Jesus wollte ihnen auch ein von Ihm selbst geweihtes Brot und Wein zurücklassen. Die Priester hatten auf seine Anordnung sehr weiße feine Brote, wie kleine Kuchen, zu bereiten und ein Krüglein mit roter Flüssigkeit. Jesus gab ihnen die Form des Gefäßes an, worin dies alles aufbewahrt werden sollte. Dasselbe hatte die Gestalt eines großen Mörsers, zwei Henkel, einen Deckel mit einem Knopf und innen zwei Abteilungen. In die obere wurden die Brote gelegt und in die untere, die ein Türchen hatte, wurde das Krüglein mit der Flüssigkeit gestellt. Das Gefäß glänzte von außen wie Quecksilber, inwendig war es gelb. Jesus stellte die Brote und den Wein auf den kleinen Altar, betete und segnete. Die Priester und die beiden Könige lagen dabei vor Ihm auf den Knien mit über der Brust gekreuzten Händen. Er betete über sie, legte ihnen die Hände auf die Schultern und belehrte sie, wie sie das Brot, das Er ihnen kreuzweise schnitt, erneuern sollten und gab ihnen die Worte und die Art des Segens an. Es sollte ihnen dieses Brot und der Wein ein Vorbild des heiligen Abendmahles sein. Die Könige wussten von Melchisedech und hatten Jesus über sein Opfer gefragt. Als Er ihnen das Brot segnete, lehrte Er in Andeutungen von seinem Leiden und seinem Abendmahl. Sie sollten das erstemal von dem Brot und Wein an dem Jahrestag ihrer Anbetung vor der Krippe Gebrauch machen und von da an dreimal im Jahr oder alle drei Monate - ich weiß es nicht mehr recht.

Tags darauf lehrte Jesus wieder im Tempel, wo alles versammelt war. Er ging bald hinaus, bald herein und ließ eine Schar nach der andern zu sich kommen. Auch die Frauen und die Kinder ließ Er kommen und unterrichtete die Mütter, wie sie ihre Kinder erziehen und beten lehren sollten. Da sah ich hier zum ersten mal viele Kinder beisammen. Die Knaben trugen nur ein kurzes Kleidchen. Die Mädchen hatten kleine Mäntelchen um. Auch die Kinder der bekehrten Frau waren zugegen. Sie war eine vornehme Frau und ihr Eheherr, ein großer Mann, war bei dem König Mensor. Sie hatte wohl zehn Kinder bei sich. Jesus segnete die Kinder, indem Er ihnen die Hand auf die Schultern legte, nicht auf den Kopf, wie den Kindern in Judäa.

Er lehrte auch von seiner ganzen Sendung und seinem nahen Ende und wie es ein Geheimnis für die Juden sei, dass Er hier sei. Er habe sich von Kindern begleiten lassen, welche kein Ärgernis nähmen an den Dingen und gehorchten. Die Juden würden Ihn gemordet haben, wenn Er nicht entwichen wäre. Er habe aber noch zu ihnen kommen wollen, weil sie zu Ihm gekommen seien und geglaubt, gehofft und geliebt hätten. Er ermahnte sie, Gott zu danken, dass Er sie nicht ganz im Götzendienst habe erblinden lassen und dass sie treu glauben und seinen Geboten folgen sollten. Wenn ich mich nicht irre, sprach Er ihnen auch von der Zeit seiner Rückkehr zum himmlischen Vater und wann seine Gesandten zu ihnen kommen sollten. Auch, dass Er nach Ägypten gehe, wo Er als Kind mit seiner Mutter gewesen, weil dort Menschen seien, welche Ihn in seiner Kindheit erkannt hätten. Er werde dort ganz unbekannt sein, denn es seien Juden dort, die Ihn fangen und ausliefern könnten. Seine Zeit sei aber noch nicht gekommen.

Sie konnten seine menschliche Behutsamkeit nie begreifen und meinten ganz kindlich, wie man Ihm dann solches tun könnte. Er sei ja Gott! Da erwiderte Er ihnen, dass Er auch Mensch sei und der Vater habe Ihn gesandt, alle Zerstreuten zurückzuführen und als ein Mensch könne Er auch leiden und von Menschen verletzt werden zu seiner Zeit, und weil Er ein Mensch sei, könne Er auch so vertraut mit ihnen sein.

Er ermahnte sie abermals, alles Götzenwerk zu lassen und sich zu lieben und kam, da Er von seinem Leiden geredet, auf das wahre Mitleiden zu sprechen. Sie sollten die übertriebene Pflege der kranken Tiere sein lassen, ihre Liebe den Menschen an Leib und Seele zuwenden und, wo sie keine Bedürftigen in der Nähe hätten, sie in der Ferne aufsuchen und für alle bedürftigen Brüder beten. Er sagte auch, dass sie Ihm tun, was sie den Bedürftigen täten. Übrigens sollten sie die Tiere nicht grausam behandeln. Sie hatten hier ganze Zelte voll kranker Tiere aller Art und hatten sie ordentlich in Bettchen liegen. Besonders hatten sie eine große Liebe für die Hunde, deren viele große, mit dicken Köpfen, hier waren.

Ankunft eines fremden Stammhäuptlings

Jesus hatte schon sehr lange gelehrt, als ich einen Zug mit Kamelen ankommen sah. Der Zug blieb in einiger Ferne stehen. Es stieg aber ein alter fremder Stammführer ab und nahte sich mit einem alten Diener, den er sehr hoch ehrte, auf kürzere Entfernung. Niemand störte sich an ihnen, bis die Lehre des Herrn geschlossen war und dieser nun mit den Jüngern nach dem Zelt ging, um einige Speise zu nehmen. Nun wurde dieser Fremde von Mensor empfangen und ihm ein Zelt angewiesen. Er ging mit seinem alten Diener zu den Priestern und sagte, wie er nicht glauben könne, dass Jesus der verheißene König der Juden sei, weil Er so vertraut mit ihnen verkehre, denn die Juden hätten, wie er wisse, eine Lade, worin ihr Gott sei, dem sich niemand nahen dürfe. Also könne dieser nicht ihr Gott sein. Auch sein alter Diener sprach einiges Missverstandene von Maria. Doch waren beide gute Leute. Dieser König hatte auch den Stern gesehen, war aber nicht nachgefolgt. Er sprach viel von seinen Göttern, auf welche er große Stücke hielt, wie sie ihm so gütig seien und ihm alles Glück brächten. Er erzählte auch einen Fall von einem Krieg, den er jüngst gehabt, wo seine Götter ihm geholfen und sein alter Diener ihm eine gewisse Nachricht gebracht hätte. Dieser König war von Gesichtsfarbe weißer als Mensor. Seine Kleidung war kürzer und der Bund um seinen Kopf nicht so groß. Er hing sehr an seinen Göttern, führte auch einen davon mit sich auf einem Kamel, der rings viele Arme und Löcher im Leib hatte, worin man Opfer stecken konnte. Er hatte Frauen und wohl dreißig Personen bei sich. Für sich war er sehr einfach und der alte Mann, den er bei sich hatte, ging ihm über alles, ja er ehrte ihn wie einen Propheten. Er hatte ihn zu der Reise hierher bewogen, um ihm nun den Höchsten über alle Götter zu zeigen. Doch schien ihm Jesus nicht seiner Erwartung zu entsprechen. Was der Herr von dem Mitleiden und der Wohltätigkeit gesagt, gefiel ihm sehr, denn er selbst war sehr wohltätig und sagte, er halte es für das größte Verbrechen, die Menschen über den Tieren zu vergessen. Es ward ihm nachher ein Mahl bereitet, wobei Jesus nicht zugegen war, den ich überhaupt nicht mit ihm sprechen sah. Sein Name lautete wie Acicus. Der alte Diener war ein Sternseher. Er war wie ein Prophet gekleidet, hatte ein langes Kleid und einen Gürtel mit vielen Knoten um, einen Turban auf, um den viele weiße Stricke und Knoten wie von Baumwolle herabhingen und hatte einen langen Bart. Diese Leute waren von weißer Gesichtsfarbe. Sie wollten eine Zeitlang hier bleiben. Die Frauen und anderes Gefolge hatten sie weiter zurück in den Frauenzelten gelassen. Sie kamen ein paar Tagreisen weither. Ich habe Jesus nicht mit ihnen reden sehen, aber gehört, wie Er sagte, sie würden auch noch erleuchtet werden und dass Er des Königs Barmherzigkeit gegen die Menschen lobte. Ich hörte auch Namen wie Ormusd und Zorosdat. Der Mann der Cuppes war ein Bruderssohn Mensors und ist als Jüngling mit in Bethlehem gewesen. Er und Cuppes waren auch gelbbraun und von Hiobs Nachkommen.

Jesus lehrte noch in der Nacht im Tempel und umher. Alles war voll Leuchter und im Tempel war außerordentlich viel Licht. Alle Bewohner der Gegend jeden Alters und Geschlechts waren versammelt. Die Götzenbilder hatten sie gleich bei seinem ersten Verbot weggeschafft. Ich sah aber etwas im Tempel, was ich noch nicht gesehen hatte. Oben in der Höhe sah man einen ganzen leuchtenden Sternenhimmel und dazwischen eine Menge von kleinen Gärtchen und Wässerchen und Bäumchen sich spiegeln, welche oben in dem Tempel aufgestellt und mit Lichtern besteckt waren. Es war dieses eine ganz wunderbare Einrichtung, von der ich nicht weiß, wie sie gemacht war.

9. Jesus verlässt die Zeltstadt der Könige und kommt zu Azarias, dem Bruderssohn Mensors in dem Hirtenlager von Atom

Vor Tagesanbruch, da noch die Lampen brannten, verließ Jesus die Zeltstadt der Könige wieder. Sie hatten Ihm ein ebenso festliches Geleit, wie es die Begrüßung war, bestimmt. Er hatte es aber nicht angenommen, auch kein Kamel. Die Jünger nahmen nur etwas Brot und Saft in Flaschen mit. Der alte Mensor flehte sehr, Jesus wolle doch bei ihnen bleiben. Er legte die Krone, die er sonst auf seinem Bunde trug, zu seinen Füßen und bot Ihm alles an, was er hatte. Seine Schätze befanden sich unter dem vergitterten Raum seines Zeltes wie in einem Keller. Sie lagen hier in Stangen, Klumpen und in kleinen Haufen von Körnern. Mensor weinte wie ein Kind. Die Tränen rollten ihm wie Perlen von den gelbbraunen Wangen. Auch Hiob, von dem er stammte, war so gelblich braun. Es war eine sehr feine, glänzende Bräune, nicht so dunkel wie die der Leute am Ganges. Alles weinte und schluchzte bei dem Abschied.

Jesus wandelte an der Seite hinaus, wo der Tempel lag und kam an dem prächtigen Zelt der bekehrten Cuppes vorüber, welche Ihm mit ihren Kindern entgegenlief. Jesus zog die Kinder an sich und redete mit der Mutter, die sich weinend platt zur Erde warf. Mensor, die Priester und viele andere gaben Jesus das Geleit, indem abwechselnd zwei und zwei Ihm zur Seite gingen. Jesus und die Jünger trugen Stäbe. Als Mensor mit den Priestern wieder heimkam, war es schon dunkel. Überall waren Lampen angezündet und alles Volk war in und um den Tempel versammelt, betete kniend oder lag mit dem Angesicht auf der Erde. Mensor erklärte, dass jeder, der nicht nach dem Gesetz Jesu leben und seiner Lehre nicht glauben wolle, sein Land verlassen solle. Es waren noch dunkelfarbigere Menschen hier als Mensor. Seine Zeltstadt mit dem Tempel und dem Begräbnisort der Könige war der Hauptort dieser Sterndiener. Aber im Umkreis einiger Stunden waren noch andere Zeltlager.

Der Weg Jesu führte morgenwärts. Sein erstes Nachtlager, etwa zwölf Stunden vom Zeltschloss Mensors, war in einem Hirtenort, der noch zum Stamm Mensors gehörte. Er schlief mit den Jüngern in einem runden Zelt, dessen SchlafsteIlen durch Stellwände voneinander getrennt waren.

Am folgenden Morgen verließ Er diesen Ort, ehe die Bewohner erwachten. Ich sah, dass Er an einem Wasser, welches zu breit war, um durchzuwaten, mehr gegen Mitternacht hinauf reiste, wo Er es überschritt. Gegen Abend kam Er zu runden Moos- oder Erdhütten und an einen unbedeckten Brunnen, der mit einem Wall umgeben war. Sie wuschen sich hier die Füße und kehrten ohne Empfang in einer Laubhütte ein, wo sie schliefen. Es war dieses eine offene, durchsichtige, wie von grünendem Geflecht und Rasen gebaute runde Hütte mit spitzem Dach, um welche herum noch eine Umzäunung von Netzwerk war, um wilde Tiere abzuhalten. Die Gegend hier war sehr fruchtbar. Ich sah sehr schöne Felder, von Reihen dicker schattiger Bäume begrenzt und an den Winkeln, wo die Bäume zusammenliefen, die Wohnungen, die keine Zelte wie bei Mensor, sondern runde, geflochtene Hütten waren. Die Bewohner dieser Gegend waren sonnenbrandfarbig, nicht so fein braun in der Haut gefärbt wie Mensor. Sie waren beinahe gekleidet wie die ersten Sterndiener, zu denen Jesus auf dieser Reise gekommen war. Die Frauen hatten weite Hosen und darüber Mäntel. Die Leute schienen Weberei zu treiben. Sie hatten Decken und Fäden weithin von Baum zu Baum gespannt und es arbeiteten viele zugleich daran. Die Bäume entlang den Feldern waren zierlich geschnitten und Sitze in den Zweigen angebracht.

In der ersten Morgendämmerung, da noch die Sterne am Himmel sichtbar waren, kamen mehrere Leute auf die Hütte zu, die aber, als sie Jesus und die Jünger noch auf ihrem Lager erblickten, sich voll Ehrfurcht zurückzogen und auf das Angesicht zur Erde warfen. Sie hatten gegen Morgen von Mensor durch einen Läufer die Botschaft von Jesu Ankunft empfangen und nicht gewusst, dass Er bereits bei ihnen war. Jesus erhob sich, gürtete sein weites Unterkleid, nahm den Mantel um, den sie auf der Reise als ein Bündel zu tragen pflegten und trat, nachdem Er mit den Jüngern gebetet und sie Ihm die Füße gewaschen hatten, aus der Hütte, wo die Leute noch auf dem Angesicht lagen und sagte, dass sie nicht vor Ihm erschrecken sollen. Dann ging Er mit ihnen zum Tempelgebäude. Es war dies ein großes, länglich-rundes Gebäude mit einem flachen Dach, auf dem man gehen konnte. Das Dach hatte zwei Geländer, worauf Figuren standen, die mit Röhren nach dem Himmel sahen. Vor demselben aber war der für heilig gehaltene geschlossene Brunnen und ein Feuerbecken, das nicht dicht an der Erde, sondern erhöht stand, dass man darunter wegsehen konnte. Um den Tempel herum waren die Plätze für das Volk durch Schranken abgeteilt. Die Priester, die ich sah, trugen lange weiße Gewänder, die von oben bis unten mit mehrfarbigen Schnüren besetzt waren und einen breiten Gürtel mit einem Niederhang, worauf schimmernde Steine und Buchstaben. Von den Schultern hingen ihnen an Riemen Schildchen nieder. Als Jesus an den Tempel kam, rief Er einen Priester herab, der auf dem Dach nach den Sternen schaute. Der Herrscher dieser Hirtenansiedlung aber, ein Bruderssohn von Mensor, kam aus dem Tempel Jesus entgegen und reichte Ihm den Friedenszweig, den Er dem Eremenzear, dieser dem Silas und Silas dem Eliud gab. Eremenzear aber empfing ihn wieder und brachte ihn in den Tempel, wohin Jesus und die andern folgten. Hier stand ein kleiner runder Altar und auf demselben ein Kelch ohne Stiel, gleich einem Mörser, worin ein gelblicher Brei, in welchen Eremenzear den Zweig steckte. Der Zweig war dürr oder gemacht, hatte Blätter nach beiden Seiten und es ist mir, als habe Jesus gesagt, er solle grün werden. Die Bilder im Tempel waren verhüllt wie mit einem Futteral oder einer Larve von ganz leichtem, steifem Stoff. Im Umkreis des Tempels wurde ein Lehrstuhl errichtet, auf dem Jesus lehrte. Er fragte auch hier die Leute wie Kinder über alles unter seiner Lehre aus. Die Frauen standen weit zurück. Die Leute waren sehr kindlich und nahmen alles willig an. Jesus lehrte den größten Teil des Tages und nahm an diesem Tag die Nachtherberge in der Wohnung des Oberherrn der Ansiedlung. Seine Wohnung hatte mehrere Stockwerke und war rund. Die Treppen liefen von außen herum. Über der Tür war ein ovales Schild von gelbem Metall angebracht, auf dem ich die Worte «Azaria von Atom» las, Azaria hatte sich mit Mensor nicht vertragen können und dieser hatte mit ihm die Weiden geteilt. Er ist aber nach Jesu Hiersein sehr gut geworden. Das Innere des Hauses war sehr schön mit feinen bunten Teppichen eingerichtet und durch einen bedeckten Zeltgang mit dem Wohnraum seiner Frau verbunden.

Als der Sabbat eintrat, sonderte sich Jesus mit den Jüngern ab, um ihn ebenso zu feiern, wie Er in der Zeltstadt der Könige getan hatte.

Wunderbare Heilung von zwei kranken Frauen

Während Jesus mit den Jüngern in der offenen Hütte seiner ersten Nachtherberge den Sabbat feierte, sah ich, wie die kranke Frau des Azarias vor einem Götzenbild Heilung suchte. Die Frau hatte viele Kinder und in ihren Wohnräumen waren noch mehrere Frauen oder Dienerinnen. Rückwärts von der Feuerstelle, in einem Winkel zwischen den Wohnräumen, stand ein von Säulen getragener Tisch mit einem kleinen, von Laubwerk verzierten und auf allen Seiten mit Öffnungen versehenen Aufsatz, welcher ein Götzenbild von der Gestalt eines sitzenden Hundes mit dickem plattem Kopf trug. Es saß auf Schriftblättern, die wie ein Buch mit Riemen geheftet waren und hob einen der Vorderfüße wie zeigend über das Buch. Über diesem Götzen stand noch ein zweiter, ganz schändlicher, mit vielen Armen. Ich sah, dass Priester Feuer aus dem Becken beim Tempel heranbrachten und unter das hohle Bild des sitzenden Hundes schütteten, so dass Funken und Dampf aus Maul und Nase sprühten und die Augen funkelten. Zwei Frauen führten die an Blutfluss kranke Frau des Azarias, der auch zugegen war, herbei und setzten sie auf Kissen und Teppiche. Die Priester beteten, räucherten und opferten vor dem Götzen, aber es wollte nicht gehen. Flammen schlugen aus dem Bild und in dem dicken schwarzen Qualm zogen hässliche Mopsfiguren heraus und verschwanden. Die Kranke ward ganz elend, sank ohnmächtig, wie tot, nieder und rief: «Diese Götzen können mir nicht helfen! Es sind böse Geister! Sie können nicht mehr hier bleiben, sie fliehen vor dem Propheten, dem König der Juden, der bei uns ist. Wir haben seinen Stern gesehen und sind ihm gefolgt! Der Prophet allein kann mir helfen!» Nach diesen Worten sank sie wie leblos und unbeweglich nieder. Alles war sehr bestürzt. Sie hatten gemeint, es sei Jesus nur ein Gesandter des Königs der Juden. Nun gingen sie ehrerbietig zu Ihm, der noch in der abgesonderten Hütte den Sabbat mit den Jüngern feierte, baten Ihn, zu der Kranken zu kommen und sagten, wie diese gerufen, Er allein könne ihr helfen und wie die Götzen vernichtet seien.

Jesus war noch in seinen Sabbatskleidern und die Jünger auch, als sie zu der Kranken kamen, welche wie sterbend dalag. Jesus sprach gegen die Götzen und ihren Dienst sehr heftig und lebhaft: sie hätten dem Satan gedient und all ihr Wesen sei nichts. Er verwies Azaria, dass er seit seiner Rückkehr von Bethlehem, wo er als Jüngling mit den Königen gewesen, wieder so tief in die Gräuel des Götzendienstes gefallen sei. Er sagte aber, so sie seiner Lehre glauben, Gottes Gebote befolgen und sich taufen lassen wollten, wolle Er in drei Jahren seinen Apostel zu ihnen senden. So wolle Er der Frau helfen. Auch fragte Er die Frau und sie sagte: ja, sie glaube Ihm und die andern versicherten auch, zu glauben.

Es waren rings die Zeltwände losgesetzt und sehr viele Menschen standen umher, Jesus begehrte ein Becken mit Wasser, aber nicht von ihrem heiligen Brunnen, sondern gemeines Wasser. Auch ihren Weihwedel nahm Er nicht. Sie mussten Ihm einen frischen Zweig bringen, mit schmalen feinen Blättchen. Die Götzenbilder mussten sie bedecken, was sie mit feinen, weißen, mit Gold gestickten Teppichen taten. Er stellte das Wasser auf den Altar. Einer der drei Jünger, welche zu seiner Rechten, Linken und hinter Ihm standen, reichte Ihm eine runde Metallbüchse aus dem Beutel, den sie bei sich trugen. Es staken mehrere solche Büchsen mit Öl und Baumwolle übereinander. In der Büchse, welche er Jesus reichte, war ein feiner weißer Staub. Es schien mir Salz, Jesus streute davon in das Wasser und beugte sich darüber. Er betete und segnete es mit der Hand, tauchte den Zweig hinein und sprengte das Wasser über alle umher und streckte die Hand gegen die Frau mit dem Befehl, aufzustehen. Da stand sie auf und war gesund, warf sich auf die Knie und wollte seine Füße umfassen, aber Er ließ sich nicht von ihr berühren.

Nach dieser Heilung sagte Jesus, es sei noch eine Frau hier, welche viel kränker sei und seine Hilfe nicht begehre. Sie bete einen Mann an. Diese Frau hieß Ratimiris und war verehelicht. Ihre Krankheit bestand darin, dass sie bei dem Anblick, dem Namen, dem Gedanken an einen Jüngling in eine Art Fieber fiel und sterbenskrank wurde. Der Jüngling wusste von allem aber nichts, Ratimiris nahte verschämt. Jesus trat mit ihr beiseite, sagte ihr alle Umstände ihrer Krankheit und ihrer Sünden und sie gestand alles ein. Es war der Jüngling ein Tempeldiener. Immer, wenn sie die Opfer brachte, die er empfing, bekam sie ihre Zustände. Als Jesus mit ihr allein gesprochen hatte, führte Er sie wieder vor die Leute und fragte, ob sie an Ihn glaube und getauft werden wolle, wenn Er seinen Boten hierher senden werde. Da sie reumütig ja sagte und glaubte, trieb Er den Teufel aus ihr, der in einem schwarzen, aus ihr wirbelnden Dampf ausfuhr.

Der Jüngling hieß Caisar und hatte etwas von Johannes in seinem Wesen. Er war keusch und rein, ein Nachkomme der Ketura und Eremenzears Verwandter, der auch aus diesem Ort war, weswegen Jesus ihm beim Empfang den Friedenszweig gegeben hatte. Caisar sprach mit den Jüngern und hatte längst Ahnung vom Heil gehabt. Er erzählte ihnen auch mehrere Träume, unter anderem, dass er geträumt habe, wie er sehr viele Menschen durch ein Wasser getragen. Die andern meinten, er werde vielleicht noch viele bekehren. Ich sah, dass er von hier mit Jesus weiterzog. Drei Jahre nach Christi Himmelfahrt, da Thomas hier taufte, kam er mit Thaddäus wieder hierher, wurde von Thomas später zu einem Bischof an einen Ort gesandt, wo er als Dieb und Verbrecher unschuldig mit großer Freude seiner Seele gekreuzigt worden ist.

Jesus lehrte hier, bis der Tag anbrach und die brennenden Lampen erloschen. Er befahl ihnen, die Bilder des Teufels zu vernichten und verwies ihnen, dass sie die Frau in einem Teufelsbild anbeteten, ihre Frauen aber schlechter hielten als die Hunde, welche ihnen heilig seien. Gegen Morgen begab sich Jesus wieder in das einsame Haus mit den Jüngern, den Sabbat zu feiern.

Ich empfing auch die Unterweisung, warum die Reise Jesu so verborgen geblieben sei und weiß davon noch, dass Jesus seinen Aposteln und Jüngern gesagt hatte. Er wolle sich nur ein wenig entfernen, um in Vergessenheit zu kommen und dass sie selbst nichts von diesem Weg wussten. Der Herr hatte einfache Knaben mitgenommen, welche kein Ärgernis an den Heiden hatten und nicht auf alles achteten. Er hatte ihnen auch streng verboten, danach davon zu sprechen, worauf einer gar kindlich erwiderte: «Der sehend gewordene Blinde, dem Du verboten, nichts davon zu sprechen, hat es doch getan und ward nicht gestraft!» Worauf Jesus antwortete: «Jenes geschah zur Verherrlichung, dieses würde großes Ärgernis gebären!» Ich meine die Juden und selbst seine Apostel hätten teilweise Ärgernis genommen, wenn sie erfahren hätten, dass Er bei den Heiden gewesen sei.

Nach dem Sabbat berief der Herr noch alle zusammen und lehrte. Er weihte ihnen Wasser und sie mussten Ihm auch einen solchen Kelch wie bei Mensor bereiten. Er weihte ihnen, wie Er dort getan, Brot und die rote Flüssigkeit. In dem Becher, worin Eremenzear bei der Ankunft den Zweig gesteckt, dass er frisch werden sollte, war ein gelbgrüner Brei, der aus den Trebern einer ausgepressten Pflanze bestand, deren Saft sie als Heiligtum tranken. Ich sah, dass Jesus die ganze Nacht vom Samstag auf den Sonntag vor dem Tempel lehrte, dass Er selber ihre Götzen zerschlagen half und ihnen sagte, wie sie den Wert des Metalls austeilen sollten. Ich sah auch, dass Er hier den Priestern wie den früheren die Hände auf die Schultern legte und sie lehrte, das geweihte Brot auszuteilen, dass Er auch hier wie dort das Getränk bereitet hat, nur war hier das Gefäß größer.

Azaria ist später Priester und Märtyrer geworden. Auch die beiden Frauen, die Jesus hier heilte, sind später wie Cuppes Märtyrinnen geworden. Der Herr sprach auch hier gegen die Vielweiberei und belehrte sie vom Ehestand. Als die Frau des Azaria und die Ratimiris gleich von Ihm getauft sein wollten, sagte Er, Er könne dies wohl, aber es gezieme sich nicht. Er müsse erst zum Vater zurückkehren und den Tröster senden. Dann aber sollten sie seine Boten taufen. Sie sollten nur in seinem Willen mit der Begierde leben und das solle den Sterbenden bis dahin als Taufe dienen. Ratimiris wurde von Thomas getauft und Emilie genannt, als er drei Jahre nach Christi Himmelfahrt mit Thaddäus und Caisar in diese Gegenden, doch mehr von Mittag herauf als Jesus, kam und das Volk und die Könige taufte.

10. Jesus kommt nach Sikdor. Mozian und Ur

Von Atom wanderte Jesus anfänglich gegen Mittag, dann östlich durch eine sehr fruchtbare, von Flüssen und Kanälen durchzogene Gegend, wo viele Obstbäume und besonders Pfirsiche in Reihen gepflanzt waren. Ich hörte die Namen Euphrat, Tigris, Chaldar und meine, Abrahams Land, Ur, sei nicht weit von hier gewesen, ebenso der Ort, wo Thaddäus gemartert worden ist. Gegen Abend kam Er zu einer Reihe von Häusern mit platten Dächern, wo Chaldäer wohnten. Ich hörte Sikdor als den Namen des Ortes, in welchem sich die Priesterschule des Landes und eine zweite für Mädchen befand. Die Leute hier, die nicht so gekleidet waren wie die in der Zeltstadt der Könige, sondern nur überhängende, aber gegürtete Decken trugen, waren gut und so demütig, dass sie meinten, nur die Juden allein seien auserwählt. Sie hatten auf einem Hügel eine Pyramide mit Galerien, Sitzen und großen Sehröhren auf der Höhe. Sie beobachteten die Sterne, weissagten auch aus dem Lauf der Tiere und deuteten Träume. Ihr Tempel mit einem Vorhof und Brunnen war von eirunder Gestalt und lag in der Mitte des Ortes. Es waren viele, unbeschreiblich zierlich in Metall gearbeitete Bilder darin. Der Hauptgegenstand war eine dreiseitige Säule mit drei Götzenbildern. Das erste hatte viele Füße und Arme. Die Füße waren nicht menschlichgeformte, sondern Tierpratzen. Auf den Händen trug es eine Kugel, einen Reif, einen großen gerippten Apfel am Stil und Kräuterbüschchen. Sein Gesicht war wie eine Sonne und sein Name war My tor oder Mitras. Das zweite war das Einhorn und hieß wie Asphas oder Aspar. Dieses Tier kämpfte mit seinem Horn gegen ein böses Tier, das an der dritten Seite der Säule stand und den Kopf einer Eule mit krummem Schnabel, vier Beine mit Krallen, zwei Flügel und einen Schweif hatte, der sich wie ein Skorpion endigte. Über diesem Tier und dem Einhorn stand vor der scharfen Ecke der Säule ein Bild, welches die Mutter aller Götter vorstellte und den Namen Frau oder Alpha hatte. Sie war über alle Götter und wer von dem obersten Gott etwas wollte, musste es durch sie erflehen. Sie nannten sie auch die Kornscheuer. Aus dem Bild wuchs ein Busch dichter Weizenähren heraus, den es mit beiden Händen gefasst hielt. Der Kopf war zwischen die Schultern gedrängt und vorwärtsgebeugt, auf dem Nacken stand ein Gefäß mit Wein. Über dem Bild war eine Krone und über der Krone waren an der Säule zwei Buchstaben oder Zeichen, welche ich als O und W verstand. In ihrer Lehre über diese Bilder kam vor, dass der Weizen zu Brot werden und der Wein alle Menschen erquicken solle.

Außerdem war im Tempel ein Altar von Erz. Auf diesem stand, was mich sehr verwunderte, unter einem beweglichen, kieseiförmigen Schirm ein rundes, mit Golddrähten, wie ein Käfig, vergittertes Gärtchen mit einem Jungfrauenbild in der Höhe. Inmitten dieses Gärtchens war unter einem Tempeldach ein Brunnen mit mehreren verschlossenen Becken übereinander. Vor dem Brunnen war ein grüner Rebstock mit einer roten Traube, die in eine Kelter niederhing, von der Form, die mich ganz ans Kreuz erinnerte. Aus dem oberen Ende eines hohlen Stammes ragte ein sich trichterförmig öffnender lederner Sack mit zwei beweglichen Armen hervor, durch welche die hineinhängende Traube ausgepresst werden konnte, so dass der Saft unten am Stamm herauslief. Das Gärtchen hatte etwa fünf bis sechs Schuh Länge und Breite. Es waren grüne feine Sträucher und Bäumchen darin, welche wie die Weinrebe und Traube ganz natürlich waren. Sie hatten dieses Bild aus den Sterngesichten und hatten noch mehrere Ahnungen und Sinnbilder der heiligsten Gottesgebärerin. Sie opferten auch Tiere, hatten aber einen besonderen Abscheu vor dem Blut, welches sie immer in die Erde laufen ließen. Übrigens hatten sie das Feuer, Wasser, den Kelch mit dem Pflanzensaft und die kleinen Brote wie die Leute in Atom. Jesus verwies ihnen ihren Götzendienst und dass sie die himmlischen Verkündigungen und Vorbedeutungen mit den Irrbildern des Satans vermischt hätten. Wohl seien noch Ahnungen der Wahrheit darin, aber alle Formen seien vom Satan verunreinigt und erfüllt. Er erklärte ihnen das Bild des verschlossenen Gartens und sagte, dass Er der Weinstock sei, dessen Blut die Welt erquicken werde und dass Er das Weizenkorn sei, welches in die Erde gelegt werden und wieder auferstehen müsse. Er sprach hier viel freier und deutlicher heraus als bei den Juden, denn diese Leute waren demütiger. Er tröstete sie auch, dass Er für alle Menschen gekommen sei und befahl, die Götzenbilder zu zerstören und den Wert den Armen auszuteilen. Als Er sie wieder verließ, waren sie sehr bewegt und warfen sich vor seinen Füßen quer in den Weg, um Ihn nicht fortzulassen.

Auf der Weiterreise sah ich Jesus mit den vier Jüngern unter einem großen umzäunten Baum vor einem Haus ruhen und Honig und Brot essen, das aus dem Haus gebracht wurde. Sie wanderten dann die ganze Nacht hindurch. Ich sah sie in der Ebene bald über weiße Steine, bald über Wiesen voll weißer Blumen wandeln. Es standen viele schlanke Pfirsichbäume am Weg, Manchmal stand der Herr still und sprach mit den Jüngern und zeigte umher. Es sind viele Wasser und Kanäle hier im Lande. Es reiste Jesus überhaupt erstaunlich angestrengt, manchmal zwanzig Stunden ohne Unterbrechung Tag und Nacht durch. Sein Weg bis nach Judäa zurück wird einen sehr großen Bogen beschreiben. Ich meine immer, Eremenzear habe von dieser Reise geschrieben, seine Schrift sei verbrannt worden, aber es sei doch einiges übrig geblieben.

Am Abend des zweiten Tages nach der Abreise von Sikdor sah ich Jesus mit den Jüngern sich einer Stadt nahen, vor welcher an einem Hügel runde Gärten lagen, die meist einen Brunnen in der Mitte hatten und mit zierlichen feinen Bäumen und Sträuchern bepflanzt waren. Der Weg des Herrn ging mittagswärts. Babylon lag gegen Mitternacht. Es war, als gehe man von hier nach Babylon hinunter, das tiefer lag. Die Stadt lag an dem Fluss Tigris, welcher mitten durch sie floss. Jesus zog ruhig und ohne angehalten zu werden in sie ein. Es war Abend. Man sah wenige Einwohner, niemand störte sich an Ihm. Aber bald sah ich mehrere Männer mit langen Kleidern auf die Art Abrahams und mit Tüchern um den Kopf geschlungen Ihm entgegenkommen und sich vor Ihm verneigen. Einer überreichte Ihm einen kurzen gekrümmten Stab. Es war Rohr, auf die Art wie bei der Verspottung Christi und hieß der Friedensstab. Die andern hielten paarweise quer über die Straße eine Teppichbahn. War Jesus darüber geschritten, so ging das hinterste Paar wieder vor und senkte den Teppich nieder. So kamen sie zu einem Hof, über dessen Gitter Götzenbilder standen und eine Fahne aufgesteckt war, worauf ein Mann ebenfalls mit einem solchen Krummstab abgebildet war. Es war die Friedensfahne. Sie führten den Herrn durch ein Gebäude, worauf ein Geländer war und auch eine Fahne steckte. Es schien der Tempel zu sein. Im innern Raum standen rings verdeckte Götzenbilder, auch in der Mitte stand ein solches verdecktes Bild. Die Hülle war oben in eine Krone zusammengezogen. Der Herr verweilte hier nicht. Sie gingen durch einen Gang, an welchem man zu beiden Seiten Schlafräume sah. Sie kamen an einen kleinen umschlossenen Gartenhof, der mit vielen bunten Steinen zierlich gepflastert und mit feinen Büschchen und Stauden geziert war. In der Mitte stand ein Brunnen unter einem offenen Tempelchen. Hier ließen sich der Herr und die Jünger nieder. Die Götzendiener brachten ihnen auf ihr Verlangen Wasser in einem Becken. Der Herr segnete es zuerst, als wolle Er den heidnischen Segen daraus vernichten. Dann wuschen die Jünger Ihm die Füße und Er ihnen und sie gossen das übrige Wasser in den Brunnen. Hierauf führten die Heiden den Herrn in eine anliegende offene Halle, worin ein Mahl von großen gelben gerippten Äpfeln und andern Früchten, Honigwaben und Brotkuchen wie Waffeln und kleinen, viereckigen Bissen auf niedrigem Tisch bereitet stand. Sie aßen einiges stehend. Jesu Ankunft war den Leuten hier von den Priestern des vorigen Ortes angesagt worden und sie hatten den ganzen Tag auf Ihn geharrt, darum wurde Er so feierlich empfangen. Abraham hatte auch einen Begrüßungsstab auf die Art, wie sie Jesus einen reichten.

Diese Stadt hieß Mozin oder Mozian. Es war eine Priesterstadt. Sie stecken tief in der Abgötterei. Jesus betrat ihren Tempel nicht. Ich sah Ihn vor dem Tempel bei einem Brunnen auf einem aufgemauerten Stufenhügel vor vielen Leuten lehren. Er verwies ihnen sehr scharf, dass sie noch tiefer in dem Teufelsdienst seien als ihre Nachbarn. Er verwarf all ihren Dienst und sagte, dass sie das Gesetz verlassen hätten. Ich hörte, dass Er von der Zerstörung des Tempels, wobei ihre Voreltern gewesen seien, von Nabuchodonosor und Daniel sprach. Er sagte, sie sollten sich trennen, die Glaubenden von den Blinden, denn es waren einige gute Leute unter ihnen. Diesen sagte Er, wo sie hinziehen sollten. Viele waren hartnäckig. Es betraf einen Punkt, den sie nicht einsehen wollten: die Abschaffung der Vielweiberei. Die Frauen wohnten getrennt in einer besonderen Straße am äußersten Ende der Stadt. Es waren noch Alleen dazwischen. Sie schienen sehr verachtet und es durften sich die Mädchen nur bis zu gewissen Jahren sehen lassen. Es hat hier keine Frau Jesus gesehen, nur Knaben waren zugegen.

Jesus sagte den Leuten sehr strenge Worte: sie seien so verblendet und im Argen, dass wenn der Gesandte komme, den Er ihnen senden werde, sie noch nicht zur Taufe bereit sein würden. Jesus wollte nicht länger bei ihnen bleiben. Als Er die Stadt verließ, zogen Ihm junge Mädchen am Tor entgegen. Sie trugen weite Beinkleider, hatten Kränze an Armen und Hals und Blumen in den Händen und sangen Ihm ein Loblied.

Von hier zog Jesus mit seinen Begleitern durch ein großes Feld nach einem Dorf von Hirtenzelten. Er setzte sich an den Brunnen. Die Jünger wuschen Ihm die Füße und es nahten Männer mit einem Zweig, die Ihn freudig empfingen. Sie waren mehr auf Abrahams Art lang gekleidet und hatten hier auch eine Sternpyramide. Ich sah keine Götzenbilder; sie schienen reine Sterndiener und zu den Stämmen zu gehören, von welchen einzelne mit nach Bethlehem gezogen waren. Es schien mir nur eine kleine Hirtenschar, aus dem nur einer, der das Oberhaupt war, ein festes Haus hatte. Jesus aß stehend Brot und Früchte in diesem Haus und trank aus einem besonderen Gefäß. Er lehrte nachher am Brunnen und als Er wegging, warfen sie sich Ihm in den Weg und flehten Ihn an, zu bleiben.

Jesus wanderte von hier die ganze Nacht durch und den folgenden Tag. Einmal sah ich Ihn mit den Jüngern an einem Brunnen unter großen Schattenbäumen an einem Reise-Ruheplatz ausruhen, etwas Brot essen und trinken. Die Stadt, nach welcher Er hinzog, liegt dreißig Stunden südlicher von Mozian und auch noch am Tigris. Sie hieß Ur oder Urhi. Jesus kam am Abend noch vor Eintritt des Sabbats hier an. Abraham war aus dieser Gegend. Jesus ging vor der Stadt zu einem Brunnen, der von großen schattigen Bäumen umgeben war und wo steinerne Sitze waren. Hier wuschen die Jünger dem Herrn und sich die Füße, ließen die aufgeschürzten Gewänder nieder und gingen in die Stadt, welche mir in der Bauart anders vorkam als die vorige und wo auch Männer und Frauen nicht mehr so abgesondert wohnten. Sie hatte viele Türme mit Galerien und Sternröhren, auf welche von außen und innen Treppen führten. Die Leute wussten aus den Sternen um die Ankunft des Herrn, hatten auf Ihn gewartet und jeden Fremden dafür angesehen. Als Er bei seinem Einzug in die Stadt von einigen erblickt wurde, eilten diese nach einem großen Haus mit plattem Dach, das auf einem freien Platz lag, um seine Ankunft zu melden. Aus diesem Haus, das eine Schule zu sein schien, zogen nun mehrere Männer in langen einfarbigen Gewändern Jesus entgegen. Sie waren mit niederhängenden Riemen gegürtet und trugen runde Mützen mit einem Wulst von Wolle oder Federchen, dessen Streifen in einen Federbüschel oben zusammenliefen. Man konnte die Haare durchsehen. Auf dem Haus wurde eine Fahne aufgesteckt. Die Männer warfen sich vor Jesus nieder und führten Ihn mit den Jüngern zum Haus, das aus einem großen Saal bestand. Hier kamen sehr viele Menschen zusammen. Jesus lehrte kurze Zeit auf einem erhöhten Lehrstuhl, zu dem Stufen hinaufführten. Danach wurde Er in ein anderes Haus begleitet, wo sie ein Mahl bereiteten. Jesus aber nahm stehend nur einige Bissen und zog sich mit den Jüngern allein in einen abgesonderten Raum zurück, wo sie den Sabbat hielten. Am folgenden Tag lehrte Jesus vor dem Brunnen eines freien Platzes auf einem steinernen Lehrstuhl. Alle Frauen waren hier anwesend. Sie waren in ihre Gewänder so eng eingewickelt, dass sie kaum gehen konnten und trugen Mützen wie eine Kapuze, von der zwei Lappen niederhingen. Jesus sprach von Abraham und sehr streng von ihrer Versunkenheit in Götzendienst. Es waren Götzentempel hier. Der Herr betrat sie nicht. Die Götzenbilder waren mit Decken verhüllt, Thomas taufte bei seiner ersten Anwesenheit diese Leute hier nicht.

Als Jesus Ur verließ, begleiteten Ihn die Leute und streuten Zweige auf den Weg. Er reiste westlich lange über schönes Feld, dann wurde es sandiger. Später kamen sie durch Gebüsche und gegen Mittag an einen Brunnen, bei dem sie ausruhten. Der weitere Weg führte sie durch Wald und angebautes Land, bis sie am Abend vor einem großen runden Gebäude ankamen, das von einem Hof und mit Wasser umgeben war. Es lagen plumpe Häuser mit platten Dächern ringsum. Auf der Höhe des großen Gebäudes war es grün und wuchsen Bäume. In die starken Mauern waren Wohnungen geringerer Leute eingebaut. Vor dem Brunnen im Hof wuschen Jesus und die Jünger wie gewöhnlich die Füße. Nun kamen aus dem runden Haus zwei Männer in langen, mit vielen Schnüren umwickelten Gewändern und mit Federmützen auf dem Haupt. Der ältere davon trug einen Zweig und ein Büschchen mit Beeren und gab sie Jesus, der ihm mit den Jüngern in das runde Gebäude folgte. In der Mitte des Hauses war ein Saal, wo das Licht von oben hereinfiel und eine Feuerstelle auf Stufen. Von diesem runden Zimmer ging man rings durch Türen in unregelmäßige Gemächer, deren runde Hinterwände mit Teppichen verhängt waren, hinter welchen Geräte bewahrt wurden. Die Fußböden waren geplattet und wie die Wände mit dicken Decken belegt. Sie aßen hier mit Behutsamkeit und tranken aus neuen Gefäßen etwas, das ich nicht kannte.

Nun zeigte der Herr des Hauses Jesus alles, Ihn überall umherführend. Das ganze Schloss war voll von schön gearbeiteten Götzenbildern. Es waren große und kleine Gestalten mit Hunde- und Ochsenköpfen, mit Schlangenleibern und ein Götzenbild da mit mehreren Armen und Köpfen, in deren Rachen sie etwas hineinschoben, auch Figuren wie Wickelkinder. Im Hof standen Tierbilder unter Bäumen, z. B. ein Vogel, der in die Höhe schaute und andere Tiere standen umher. Sie opferten Tiere, hatten aber Abscheu vor dem Blut, das sie in die Erde laufen ließen. Sie hatten auch den Gebrauch, Brote auszuteilen. die Vornehmen erhielten mehr oder größere Stücke.

Jesus lehrte darauf am Brunnen im Hof sehr streng gegen ihren Teufelsdienst. Sie hörten Ihn nicht gutwillig an. Ich sah den Oberherrn besonders verblendet und geärgert und dass er Jesus auch widersprach. Dabei hörte ich, dass Jesus ihnen sagte, zum Beweis der Wahrheit seiner Worte sollten in der Nacht, da der Stern den Königen erschienen sei, die Götzenbilder zerbrechen, die Ochsenbilder brüllen, die Hundebilder bellen, die Vogelbilder schreien. Sie hörten dieses unwillig und ohne zu glauben an. Jesus aber sagte ihnen, was Er auch allen anderen, zu denen Er auf seiner Reise gekommen war, gesagt hatte, dass dieses an allen Orten seines Reiseweges im Land der Heiden geschehen werde. Ich hatte in der heiligen Weihnacht die Anschauung seines ganzen Weges von der Heidenstadt bei Kedar bis zur Zeltstadt der drei Könige und von da bis zu dem letzten Götzenschloss und sah, wie überall die Götzen zerbrachen und alle Tierbilder schrien. Die Könige sah ich im Gebet in ihrem Tempel. Sie hatten viele Lichter bei dem Krippchen und es ist mir, als wäre nun auch das Bild eines Esels dabeigestanden. Sie hatten zwar ihre Tierbilder in keiner Verehrung mehr, aber sie brüllten doch zum Zeichen, dass Jesus wirklich der sei, zu dem der Stern sie geführt hatte, woran manche Schwache vielleicht noch zweifelten.

11. Jesus kommt nach Ägypten, lehrt in Heliopolis und kehrt durch die Wüste nach Judäa zurück

Die Weiterreise Jesu von dem Götzenschloss ging immer gegen Abend. Er reiste sehr schnell und kehrte mit seinen vier Begleitern nirgends ein. Sie waren immer unterwegs, anfänglich in einer sandigen Wüste, dann einen langsam aufsteigenden Bergrücken übersteigend, danach durch ein grüneres Land und durch niedriges Gebüsch wandernd, das den Wacholderstauden glich und oben wie zusammengewachsen war, nach unten aber wie eine Halle bildete. Dann kamen sie durch eine Gegend mit vielen von Epheu überwachsenen Steinen und durch Wiesen und Bäume an einen Fluss, über welchen sie auf einem Rost von Balken schifften. Es war Nacht. Der Fluss war nicht reissend, aber tief. Sie kamen noch in der Nacht zu einer Stadt, welche zu beiden Seiten dieses Flusses oder eines seiner Arme oder Kanäle lag. Es war dieses die erste ägyptische Stadt. Hier gingen sie, von niemand beachtet, unter die Vorhalle eines Tempels, wo sich Lagerstellen für Reisende befanden. Die Stadt schien mir sehr verwüstet. Ich sah große, dicke Mauern und plumpe Steinhäuser mit vielen armen Leuten und hatte die Empfindung, als sei Jesus an einer Seite der Wüste hergereist, wo auch die Kinder Israels gezogen waren.

Als sich am Morgen Jesus und die Jünger entfernten, liefen ihnen Kinder nach und schrien: «Das sind heilige Leute!» Die Einwohner waren sehr aufgebracht, denn es war große Unruhe in der Nacht entstanden, da viele Götzenbilder herabgestürzt waren und Kinder von heiligen Leuten, die in die Stadt eingezogen seien, geträumt und geweißagt hatten.

Jesus und die Jünger entfernten sich eilig und zogen in tiefen Hohlwegen durch sandiges Land. Am Abend sah ich sie nicht weit vor einer Stadt am Ursprung eines Baches sich erholen und etwas Speise nehmen, nachdem die Jünger Jesus die Füße gewaschen hatten. Es lag neben diesem Bach auf einem großen runden Stein die Figur eines liegenden Hundes, der einen Kopf wie ein Mensch hatte und ganz freundlich aussah. Er hatte einen Kopfputz, wie die Leute des Landes, eine Binde mit seitlich niederhängenden, gekerbten Lappen und war wohl so groß wie eine Kuh. Vor der Stadt stand unter einem Baum ein Götzenbild mit einem Ochsenkopf und Löchern im Leib und mit mehreren Armen. Vom Tor führten fünf Straßen in die große Stadt. Jesus wanderte die erste Straße rechts, der Stadtmauer entlang, welche sehr breit und wie ein Wall mit Gärten und einem Fahrweg war. Unten in der Mauer waren Wohnungen mit leichten Türen von Flechtwerk. So gingen sie nachts durch die Stadt, ohne mit jemand zu sprechen oder bemerkt zu werden. Auch hier waren mehrere Götzentempel und viele verfallene dicke Gebäude, in deren Mauern Leute wohnten.

In größerer Entfernung von dieser Stadt führte sie der Weg auf einer großen Brücke von Stein über den Fluss (Nil), welcher der breiteste war, den ich auf der ganzen Reise gesehen habe. Er floss von Mittag nach Mitternacht und teilte sich in sehr viele Arme in verschiedenen Richtungen hin. Das Land war flach und man sah in der Ferne sehr hohe Gebäude auf die Art wie die Tempel der Sterndiener. Sie waren aber von Stein und viel höher. Das Land war nur längs dem Fluss sehr fruchtbar.

Etwa eine Stunde vor der Stadt, in welcher Jesus als Kind mit seiner Mutter gewohnt hatte (Heliopolis), kam Er auf denselben Weg, auf dem Er mit Maria und Joseph in sie eingezogen war. Sie lag am ersten Arm des Nils, der in der Richtung gegen Judäa floss. Am Weg sah ich hie und da Leute Hecken schneiden, große Balken schleifen und in tiefen Gräben arbeiten. Es war gegen Abend, als Jesus vor der Stadt ankam. Er und die Jünger hatten sich die Kleider niedergelassen, was ich sonst nie auf dem Weg gesehen habe. Einzelne dieser Arbeiter brachen, als sie Jesus ansichtig wurden, Zweige, eilten Ihm entgegen, warfen sich vor Ihm nieder und reichten Ihm die Zweige. Hatte Er sie in der Hand gehabt, dann steckten sie dieselben am Weg in die Erde. Ich weiß nicht, woher sie Jesus gleich erkannten. Vielleicht erkannten sie Ihn an der Kleidung, als einen Juden. Sie hatten Ihn erwartet und glaubten, dass Er sie befreien werde. Ich sah aber auch Leute, welche unwillig schienen und zur Stadt liefen. Es waren wohl an zwanzig Männer, welche mit gegen die Stadt zogen, vor der viele Bäume standen.

Ehe sie in die Stadt kamen, blieb Jesus bei einem Baum stehen, der auf eine Seite niedergesunken war, so dass seine Wurzeln aus der Erde gebrochen waren und eine große Grube bildeten, die voll schwarzen Wassers war. Diese Pfütze war mit einem hohen eisernen und so dichten Gitter umgeben, dass man keine Hand durchstecken konnte. Hier war ein Götzenbild versunken, als Maria und Joseph mit dem Jesuskind auf der Flucht nach Ägypten hierher kamen. Auch der Baum war damals umgestürzt. Die Leute führten Jesus in die Stadt, vor der ein großer viereckiger, ganz platter Stein lag, worauf unter anderen Namen einer stand, der sich auf die Stadt bezog und mit polis endigte. In der Stadt sah ich einen sehr großen, mit zwei Höfen umgebenen Tempel, mehrere hohe Säulen, die oben spitzer als unten und mit vielen Figuren verziert waren und sehr viele große liegende Hunde mit Menschenköpfen. Sonst war die Stadt sehr verwüstet. Die Leute führten Jesus dem Tempel gegenüber unter den Vorbau einer dicken Mauer und riefen noch mehrere Einwohner herbei. Es kamen deren viele, lauter Juden, darunter sehr alte Männer, mit langen Bärten, auch junge Leute. Unter den Frauen fiel mir besonders eine große alte Frau auf. Alle begrüßten Jesus ehrerbietig. Sie waren Freunde der Heiligen Familie gewesen, als diese hier lebte. Hinter dem Vorbau war in der Mauer der nun festlich gezierte Raum, in welchem der heilige Joseph die Wohnung für die Heilige Familie eingerichtet hatte und wohin nun die Männer Jesus führten, die mit Ihm als Kinder hier gelebt hatten. Es hingen Lampen darin.

Am Abend wurde Jesus durch einen sehr alten Juden in die vollkommen eingerichtete Schule geführt. Die Frauen standen zurück auf einer vergitterten Bühne und hatten eine Lampe. Jesus betete und lehrte. Sie ließen Ihm ehrerbietig den Vortritt. Auch am folgenden Tag sah ich Ihn in der Synagoge lehren.

Die Einwohner trugen weiße Binden um den Kopf und kurze Röcke. Einen Teil der Schultern und der Brust hatten sie bedeckt. Die Gebäude hier sind erstaunlich dick und schwer und sind ungeheure Steinblöcke angebracht, worauf viele Figuren eingehauen sind. Ich sah auch große ausgehauene Figuren, welche gewaltige Steine auf dem Kopf oder Nacken hatten. Die Leute haben hier eine wunderliche Abgötterei. Überall verehren sie Ochsenbilder und liegende Hunde mit Menschenköpfen und sonst in jedem Ort noch andere Tiere.

Als Jesus in Begleitung vieler Einwohner Heliopolis verließ, nahm Er einen fünften Jünger von da mit sich. Er hieß Deodatus und seine Mutter Mira. Sie war die große alte Frau, die am ersten Abend schon bei Jesus unter dem Vorbau gewesen war. Als Maria hier wohnte, war ihre Ehe kinderlos. Auf die Fürbitte der heiligen Jungfrau aber hatte sie später diesen Sohn erhalten. Er war groß und schlank und schien etwa achtzehn Jahre alt. Als die Begleitenden zurückgekehrt waren, sah ich Jesus mit den fünf Jüngern durch die Wüste ziehen. Er ging in einer östlicheren Richtung als der Weg der Flucht nach Ägypten. Die Stadt, wo Er gewesen, heißt Eliopolis. Das E stand verkehrt mit dem L zusammen, was ich sonst nie gesehen habe und darum habe ich gemeint, es sei ein X darin (Sie sah 3L).

Jesus kam gegen Abend mit den Jüngern in eine kleine Stadt in der Wüste, in welcher dreierlei Leute wohnten: Juden in festen Häusern, Araber in Hütten von Reisern und mit Fellen gedeckt und noch andere. Diese Leute waren hierher verschlagen, als Antiochus Jerusalem verwüstete und viele vertrieben wurden. Ich habe die ganze Geschichte gesehen, wie ein frommer alter Priester (Mathathias Vgl. 1 Mach 2, 23-25) einen Juden erschlug, der den Götzen opferte und wie er den Altar umstieß und alle guten Leute zusammenrief und wie ein Held alles wieder zustandebrachte. Bei jener Verfolgung hatten sich diese guten Menschen hierher geflüchtet. Ich sah auch, wo sie früher gewesen waren. Die Araber hatten sich an sie angeschlossen und waren mit ihnen vertrieben worden. Später jedoch waren sie wieder in Götzendienst gefallen. Der Herr ging hier wie gewöhnlich an den Brunnen, ward dort von den Leuten begrüßt und in ein Haus geführt, wo Er lehrte, denn sie hatten keine Schule. Er sprach von der nahen Zeit seines Heimgangs zum Vater und wie die Juden mit Ihm verfahren würden, auf dieselbe Art, wie Er zuletzt überall gelehrt hatte. Sie konnten es gar nicht glauben und hätten Ihn so gerne bei sich behalten.

Als Jesus diesen Ort verließ, folgten Ihm zwei neue Jünger, Nachkommen des Mathathias. Die Reise ging nun in großer Eile weiter durch die Wüste. Sie reisten Tag und Nacht mit kurzen Unterbrechungen für die Ruhe. Ich sah Jesus mit seinen Begleitern in lieblicher Gegend vor schönen Balsamhecken an jener Quelle Rast machen, welche für die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten hier entsprungen war und an der sie sich erquickt und Maria ihr Kind gewaschen hatte. Hier durchschritt die Richtung, in welcher Jesus aus Ägypten herausging, den Umweg, auf welchem Maria hineingeflohen war. Maria war auf der Abendseite in einem Bogenweg hereingekommen und Jesus zog an der Morgenseite mehr in gerader Richtung heraus. Auf dem Weg aus Arabien nach Ägypten hatte Jesus den Berg Sinai zu seiner Rechten in der Ferne liegen gesehen.

Als Jesus in Bersabee ankam, lehrte Er in der Synagoge. Er gab sich förmlich zu erkennen und sprach von seinem nahen Ende. Auch von hier nahm Er einige junge Leute mit Sich. Von Bersabee waren es noch etwa vier Tagreisen bis zum Brunnen Jakobs bei Sichar, an welchem Jesus mit den Aposteln wieder zusammentreffen wollte. Vor Eintritt des Sabbats langte Er von Bersabee in einem Ort des Tales Mambre an, wo Er in der Synagoge den Sabbat hielt und lehrte. Er ging auch in die Häuser und heilte Kranke. Bis zum Brunnen Jakobs mochten es von hier höchstens zwanzig Stunden sein. Jesus reiste in der Nacht weiter, um durch seine Wiederkehr nach Judäa keine plötzliche Aufregung zu veranlassen. Durch die Hirtentäler bei Jericho zog Er zum Brunnen Jakobs, wo Er in der Abenddämmerung ankam. Er hatte nun sechzehn Begleiter, da Ihm aus dem Tal Mambre noch einige Jünglinge nachgefolgt waren. In der Nähe des Brunnens war eine ordentliche Herberge und in einem verschlossenen Raum alles, was man zur Ruhe brauchte. Ein Mann hatte die Aufsicht und schloss Brunnen und Herberge auf. Von Jericho bis gegen Samaria ist die Gegend unbeschreiblich lieblich. Der Weg ist meist mit Bäumen besetzt, die Wiesen und Felder sind so grün und die Bäche laufen so süss dahin! Der Brunnen Jakobs ist von schönen Rasenplätzen und mit Schattenbäumen umgeben. Die Apostel Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus und Philippus hatten Jesus hier erwartet. Sie weinten vor Freude, Ihn wiederzusehen und wuschen Ihm und den Jüngern die Füße.

Jesus war sehr ernst und sprach von der Nähe seines Leidens, von dem Undank der Juden und dem Gericht, das über sie kommen werde. Drei Monate wird es noch dauern bis zu seinem Leiden. Ich habe das Osterfest immer richtig eintreffen gesehen, wenn es später fiel. Jesus ging mit seinen sechzehn neuen Jüngern zu den Eltern von Eliud, Silas und Eremenzear, welche in einem nahen Hirtenort wohnten. Die Apostel aber bestellte Er zum Sabbat nach Sichar.

12. Jesus in Sichar, Ephron und Jericho

Als Er in Begleitung der neuen Jünger vom Hirtenort nach Sichar wandelte, wohin es nur wenige Stunden waren, sah ich Ihn in lebendiger Belehrung der Jünger oft stillehalten. Dem Eliud, Silas und Eremenzear befahl Er, gegen niemand zu äußern, wo sie mit Ihm gewesen und was auf dieser Reise vorgefallen sei und sagte ihnen teils die Gründe warum. Ich sah aber auch, dass Eremenzear Ihn bittend am Ärmel seines Gewandes fasste. Er möge ihm doch erlauben, etwas von dieser Reise aufzuschreiben und dass Jesus ihm erlaubte, es nach seinem Tod zu tun und ihm befahl, es dann bei Johannes niederzulegen. Ich meine immer, dass irgendwo noch etwas existiert.

Petrus und Johannes kamen dem Herrn auf dem Weg entgegen und vor dem Tor des Ortes harrten noch sechs andere Apostel, die den Herrn und die Jünger in ein Haus führten, wo der Hausherr, der Jesus früher nie gesehen hatte, sie gut empfing. Jesus aber schien sich noch nicht öffentlich machen zu wollen. Er war wie einer der andern. Den Ankommenden wurden die Füße gewaschen und da der Sabbat begann, wurde die Lampe angezündet. Sie legten die langen weißen Kleider und Gürtel an, beteten und gingen dann in die Schule, welche etwas höher lag. Danach war bei dem Wirt ein Mahl, bei welchem noch andere Juden mit langen Bärten zugegen waren. Der älteste von ihnen war wie ein vornehmer Priester gekleidet und wurde geführt. Weder in der Schule noch bei Tisch trat Jesus besonders hervor. Der Hauswirt hatte einen falschen Blick und schien mir ein Pharisäer.

Nach dem Mahl verlangte Jesus, dass Ihm die Synagoge geöffnet werde, weil Er, nachdem Er ihre Lehre mitangehört habe, nun auch lehren wolle. Alle Apostel und Jünger begleiteten Ihn dahin und auch einige Juden hörten zu. Jesus sprach von den Zeichen und Wundern, die nichts helfen, wenn die Leute darüber vergessen, wie sündhaft und liebeleer sie seien. Nötiger sei für sie die Lehre als ein Wunder. Schon vor dem Mahl hatten die Apostel Jesus gebeten, Er möge sich noch deutlicher erklären, sie verstünden Ihn noch nicht. Er rede immer von seinem nahen Ende. Er möge aber doch noch einmal nach Nazareth gehen, dort seine Macht zeigen und durch Wunder seine Sendung kundmachen. Da hatte Jesus auch ihnen entgegnet, dass die Wunder nichts nützen könnten, wenn die Menschen sich nicht besserten, wenn sie nur bei den Wundern stehenblieben und nicht anders würden. Was Er denn mit den Zeichen und Wundern, mit der Speisung der Fünftausend, der Erweckung des Lazarus bewirkt habe, wenn sogar sie noch mehr Wunder begehrten? Petrus und Johannes waren seiner Meinung, die anderen aber waren nicht zufrieden. Zu Eliud, Silas und Eremenzear aber hatte Jesus auf dem Weg nach Sichar erklärt, warum Er auf seiner Reise nicht mehr Zeichen und Wunder gewirkt habe. Die Apostel und Jünger sollten durch Wunder seine Lehre bestätigen und mehr tun als Er. Jesus betrübte es auch, dass die Apostel von diesen drei Jünglingen gerne vernommen hätten, wo Er gewesen sei und was Er getan habe und dass sie Unwillen darüber empfanden, weil sie schwiegen. Er kündigte auch allen an, dass Er nach Jerusalem gehen und im Tempel lehren werde.

Ich sah, dass die Juden von hier durch Boten in Jerusalem melden ließen, Jesus lasse sich bei ihnen wieder sehen. Die Pharisäer in Sichar waren besonders unzufrieden und drohten Ihm mit Gefangennehmung und Auslieferung nach Jerusalem. Jesus aber entgegnete, seine Zeit sei noch nicht gekommen, Er wolle selber nach Jerusalem und Er habe nicht für sie, sondern für seine Begleiter geredet.

Jesus entließ nun die Apostel und Jünger nach verschiedenen Orten und behielt nur die drei verschwiegenen Jünger bei sich, mit welchen Er gegen Ephron wanderte, um mit den heiligen Frauen in einer gemieteten Herberge vor Jericho zusam-menzutreffen, denen Er durch die Eltern der drei Jünger hatte melden lassen, dass Er zurückgekehrt sei. Auf dem Weg von Sichar nach Ephron regnete es viel und es war sehr neblig. Jesus wanderte dahin nicht in einem fort, sondern ging nach verschiedenen Seiten in Orte und Häuser, tröstete, heilte und ermahnte zur Nachfolge. Auch die Jünger und Apostel gingen nicht geradewegs zu den Orten, die ihnen bestimmt waren, sondern auch in die naheliegenden Höfe und Häuser und verkündeten Jesu Nähe. Es war, als würden alle, die nach dem Heil verlangten, wieder neu angeregt, als würden die Schäfchen, die sich im Wald zerstreut hatten, weil der Hirte weggegangen war, nun, da Er wieder kam, von den Hirtenknechten in eine Herde zusammengetrieben. Als Jesus gegen Abend mit den drei Jüngern in Ephron ankam, ging Er in verschiedene Häuser, heilte Kranke und hieß sie zur Schule kommen. Es war eine große Schule hier, die unten und oben einen Saal hatte. Sehr viele Männer und Frauen aus Ephron und aus den benachbarten Orten kamen zur Lehre. Die Synagoge war gedrängt voll. Jesus ließ sich einen Stuhl in die Mitte stellen, lehrte zuerst die Männer, dann die Frauen, die zurückgestanden waren und denen die Männer nun Platz machten. Er lehrte von der Nachfolge, von seinem nahen Ende, von der Strafe über alle, die nicht glaubten. Es entstand ein Gemurmel unter den Leuten im Ort, denn viele Böse waren darunter.

Von Ephron sandte Jesus die drei verschwiegenen Jünger den heiligen Frauen entgegen, welche, zehn an der Zahl, in der gemieteten Herberge bei Jericho angekommen waren: die heiligste Jungfrau, Magdalena, Martha mit noch zwei anderen, die Frau des Petrus und Stieftochter, die Frau des Andreas und Frau und Tochter des Zachäus, welche mit einem sehr vorzüglichen Jünger namens Annadias, einem Hirten und Verwandten der Mutter des Silas, vermählt war. Zu Jesus waren auf dem Weg Petrus, Andreas und Johannes gekommen, mit denen Er gegen Jericho wandelte. Die heiligste Jungfrau, Magdalena, Martha und noch einige erwarteten Ihn bei einem Brunnen. Es war zwei Stunden vor Sonnenuntergang, als Er zu ihnen kam. Die Frauen warfen sich vor Ihm nieder und küssten seine Hand. Auch Maria küsste seine Hand und da sie sich erhob, küsste Jesus ihre Hand auch. Magdalena stand etwas zurück. Am Brunnen wuschen Ihm und den Aposteln die Jünger die Füße. Nachher war ein Mahl. Die Frauen aßen allein, kamen aber danach in den Hintergrund des Speisesaals und hörten zu. Jesus blieb nicht in der Herberge, sondern ging mit den drei Aposteln nach Jericho, wo die andern Apostel und Jünger und viele Kranke versammelt waren. Auch die Frauen folgten nach. Ich sah, dass Jesus in mehrere Häuser ging und heilte und dass Er sich die Schule aufschließen und einen Stuhl in die Mitte setzen ließ. Die heiligen Frauen waren dort in einem abgesonderten Raum und hatten eine eigene Lampe. Maria war auch da. Nach der Lehre gingen die heiligen Frauen wieder zur Herberge zurück und von da am folgenden Morgen zu ihrer Heimat. Es waren sehr viele Leute in Jericho, denn die Ankunft Jesu war durch die Jünger angekündigt worden. Da Jesus auch am folgenden Tag lehrte und heilte, wurde das Gedränge und auch das Murren der Pharisäer sehr groß. Diese sandten Boten nach Jerusalem. Jesus aber ging zum Jordan an die Taufstelle. Hier lagen sehr viele Kranke. Sie hatten gehört, dass Jesus hinkäme und hatten Ihn bitten lassen. Es waren Hütten und Zelte da, unter denen man in das Wasser gehen konnte. Die Grube auf dem lnselchen, worin Jesus getauft worden, sah ich auch. Sie war bald voll, bald lief das Wasser wieder ab. Die Leute holten von allen Seiten das Wasser daher. Es waren Leute aus Samaria, Judäa, Galiläa, auch aus Syrien da. Sie luden das Wasser in ledernen Säcken auf Esel. Sie hingen auf beiden Seiten und waren oben mit Reifen über den Rücken des Tieres verbunden. Jesus heilte sehr viele. Nur Johannes, Andreas und Jakobus der Jüngere waren bei ihm.

Es war jetzt keine Taufe, es war nur ein Abwaschen und ein Heilen. Selbst die Taufe des Johannes hatte mehr von einem Sakrament als jetzt das Waschen hier. Als Jesus das vorige Mal in Jericho war, wurden auch viele so an einem Bad in der Stadt geheilt, was auch keine eigentliche Taufe war. Es war hier am Jordan ein allgemeiner Badeort, den Johannes nur erweitert hatte. In der Grube auf der Insel, worin Jesus getauft worden war, stand noch die Stange in der Mitte, an die sie sich anlehnten. Jesus heilte viele ohne Wasser. Den Aussätzigen aber goss Er Wasser auf den Kopf und die Jünger strichen es an ihnen herab.

Die eigentliche Taufe kam erst nach Pfingsten. Jesus hat nie getauft. Die Mutter Gottes ist nach Pfingsten von Johannes ganz allein am Teich Bethesda getauft worden. Er las vorher die heilige Messe, so wie es damals getan wurde, mit der Konsekration und einigen Gebeten.

Als das Gedränge zu groß wurde, entfernte sich Jesus mit den drei Aposteln gegen Bethel zu, wo der Patriarch Jakob auf einem Hügel die Himmelsleiter gesehen. Es war schon dunkel, als sie dahin kamen. Sie nahten sich einem Haus, wo vertraute Leute ihrer warteten. Lazarus mit seinen Schwestern, Nikodemus und Johannes Markus waren hier. Sie waren in der Stille von Jerusalem hierhergekommen. Der Hauswirt hatte eine Frau und vier Kinder. Um das Haus war ein Hof mit einem Brunnen. Der Hausherr öffnete mit zweien seiner Kinder den Ankommenden die Türe, führte sie an den Brunnen und wusch ihnen die Füße. Als Jesus auf dem Rand des Brunnens saß, trat Magdalena aus dem Haus und goss Ihm aus einem kleinen platten Fläschchen Wohlriechendes über die Haare. Sie tat dieses gegen seinen Rücken nahend. Sie hat dieses öfters getan. Ich wunderte mich über ihre Kühnheit. Den Lazarus, der noch bleich und hager war und sehr schwarze Haare hatte, drückte Jesus an sein Herz. Es war hier ein Mahl mit Früchten, Brötchen, Honigwaben, kleinen Bechern und grünen Kräutern, wie es in Judäa gewöhnlich ist. Jesus heilte Kranke, die in einem Anbau des Hauses lagen. Die Frauen aßen allein und traten nachher in den Hintergrund, um zu hören, als Jesus lehrte.

Am folgenden Morgen ging Lazarus mit seinen Begleitern wieder zurück. Jesus aber begab sich mit den drei Aposteln auf einem großen Umweg zum Haus des Sohnes eines Halbbruders von Andreas, dessen Tochter krank lag. Sie kamen um Mittag vor dem Brunnen des Hauses an, wo der Hausherr, ein rüstiger Mann, der Flechtwände verfertigte, ihnen die Füße wusch und sie in sein Haus führte. Er hatte viele Kinder, worunter auch noch kleine, zwei erwachsene Söhne von sechzehn bis achtzehn Jahren waren nicht zu Hause, sondern am Galiläischen Meer bei der Fischerei, in dem Wohnort des Andreas. Dieser hatte ihnen auch Boten geschickt, dass Jesus wieder da sei und hatte sie an einen gewissen Ort hin beschieden.

Nach dem Mahl führte der Mann Jesus und die Apostel zu seiner zwölf jährigen Tochter, welche schon lange ganz bleich unbeweglich auf dem Bett lag. Sie war bleichsüchtig und mondsüchtig. Jesus befahl ihr aufzustehen, führte sie mit Andreas an der Hand zu dem Brunnen und goss ihr Wasser auf das Haupt. Dann musste sie sich unter einem Zelt waschen und kam dann geheilt in das Haus zurück. Sie war ein großes Mägdlein. Als Jesus mit den Aposteln weiterging, begleitete sie der Mann ein Stück Weges. Noch vor Eintritt des Sabbats kam Jesus in einem Städtchen an, wo Er in einer Herberge an der Stadtmauer Einkehr nahm und dann mit seinen Begleitern sich sogleich zur Synagoge begab und den Sabbat feierte.

Als Jesus am folgenden Morgen mit seinen Begleitern abermals zur Synagoge ging, betete und eine kurze Lehre hielt, sah ich ein großes Gedränge um Ihn. Man brachte viele Kranke aller Art, welche Er heilte. Ich sah, dass Ihn hier alle Leute verehrten und sich zu Ihm herandrängten. Es war ein großer Zulauf. Die Apostel heilten und segneten auch. Selbst die Priester führten die Kranken heran.

Ich sah auch, dass Jesus einen Aussätzigen heilte, der Ihm früher oft nachgetragen und an den Weg gesetzt worden war, an dem Er aber immer vorübergegangen war. Man brachte ihn aus einem abgelegenen Teil der Stadt, wo er in einem Häuschen an der Stadtmauer lag. Er wurde auf einem Ruhebett, in einem mit Decken verhüllten Kasten sitzend, herbeigetragen. Niemand nahte sich dem Kranken. Nur Jesus hob die Decken auf, rührte ihn an und befahl, dass er in das Bad an der Stadtmauer gebracht werde, wo dann die Schuppen des Aussatzes von ihm niederfielen. Er hatte aber einen doppelten Aussatz, den der Unkeuschheit und den gewöhnlichen. Der Herr heilte auch viele blutflüssige Frauen. Da die Heilungen im Hof vor der Synagoge geschahen, so wurde das Gedränge so groß, dass die Leute die Schranken niederrissen und über die Dächer kletterten.

Von hier weiterreisend kam Jesus mit den drei Aposteln vor ein festes Schloss (Alexandrium?), um welches Gräben oder Teiche waren, welche Abflüsse hatten. Es schienen Bäder dort zu sein. Ich sah allerlei Gewölbe und Mauerwerke dabei. Als Jesus in dieses Schloss hineingehen wollte, machten die Apostel Vorstellungen dagegen, als könnte Er Verdruss haben und Ärgernis geben. Jesus aber entgegnete, wenn sie nicht mitgehen wollten, so sollten sie Ihn allein lassen, denn Er gehe hinein. Es waren aber mancherlei Leute darin, welche teils Gefangene, teils Gebrechliche und Kranke zu sein schienen. An den Toren standen Wachen, denn diese Leute durften nicht allein ausgehen. Es gingen immer einige zusammen und eine Wache mit ihnen. Sie mussten auch in der Gegend graben und Schanzarbeiten machen. Als Jesus mit den Aposteln durch das Tor einging, hielt die Wache Ihn an, aber auf sein Wort ließ sie Ihn ehrerbietig ein. Die Leute versammelten sich um Ihn in dem Hof, wo Er mit ihnen redete und mehrere aussonderte. Aus der naheliegenden Stadt ließ Jesus zwei Männer rufen, welche Gerichtspersonen zu sein schienen, denn sie hatten metallene Schildchen an Riemen von den Schultern hängen. Er sprach mit ihnen und es war, als wenn Er für die Leute, die Er herausgestellt hatte, fürspreche. Ich sah Ihn hernach mit fündundzwanzig derselben, das Schloss verlassen und mit ihnen und den Aposteln die ganze Nacht hindurch am Jordan hinaufziehen. Auf dieser eiligen Reise kam Er in ein Städtchen, wo Er mehrere der befreiten Gefangenen ihren Frauen und Kindern zurückgab. Andere zogen über den Jordan noch weiter hinauf und dann gegen Morgen. Sie waren aus der Gegend von Kedar, wo Jesus vor seiner Reise zu den Sterndienern so lange gelehrt hatte. Er entließ die Apostel auf diesem Wege, denn da Er am Brunnen Jakobs vorüber durch die Täler gegen Tiberias zu wanderte, kamen die drei verschwiegenen Jünger und die andern Begleiter auf der heidnischen Reise wieder zu Ihm und gingen mit Ihm einen Teil der Nacht hindurch. Sie ruhten nur einige Stunden unter einem Schuppen und kamen gegen Abend des folgenden Tages in Kapharnaum an. Hier wurde Ihm ein Jüngling vorgestellt, der Sela oder Selam hieß. Es war ein Vetter des Bräutigams von Kedar, dem Jesus das Haus und den Weinberg angelegt hatte, als Er zu den Sterndienern reiste. Dieser hatte ihn zu Jesus gesandt. Er hatte bis jetzt zu Bethsaida im Haus des Andreas auf Ihn gewartet. Er warf sich vor Jesus auf die Knie. Er nahm ihn unter seine Jünger auf und legte ihm dabei die Hände auf die Schultern. Er brauchte ihn auch sogleich und schickte ihn zu dem Vorsteher der Schule, den Schlüssel und die Rolle zu begehren, welche in dem Tempel gefunden worden war, als er sieben Jahre ohne Dienst verwüstet gestanden hatte. Als Jesus das letztemal hier gelehrt hatte, hatte Er auch diese Rolle gehabt, die von Isaias war. Als der Jüngling zurückkehrte, gingen sie in die Schule, zündeten die Lampen an und Jesus ließ sich Raum machen und einen Rednerstuhl mit Stufen hinsetzen. Es waren sehr viele Menschen da. Er lehrte lange aus dieser Rolle. Es war eine große Aufregung. Auf der Straße lief alles Volk zusammen und ich hörte rufen: «Da ist der Josephs-Sohn wieder!»

Jesus verließ vor Tag Kapharnaum wieder und ich sah Ihn mit den Jüngern und mehreren Aposteln, die angekommen waren, in Nazareth einziehen. Ich sah bei dieser Gelegenheit im Haus Annas eine ganz andere Wirtschaft. Jesus war auch in Josephs Haus, welches nun geschlossen und unbewohnt war. Er ging alsbald zur Synagoge. Sein Erscheinen machte viel Aufsehen und Zusammenlauf. Ein Besessener, der einen stummen Teufel hatte, schrie Ihm plötzlich nach: «Das ist der Josephs-Sohn! Der Aufrührer! Ergreift Ihn, fangt Ihn!» Jesus gebot ihm, zu schweigen, Er schwieg, aber Jesus trieb ihm den Teufel nicht aus.

In der Schule ließ Jesus alles beiseitte räumen und den Lehrstuhl herrichten. Er tat auf dieser lezten Reise alles ganz frei und lehrte auch ganz offen und gleichsam aus einem Recht, worüber die Juden sich sehr ärgerten. Er ging auch in mehrere Häuser in der Nähe von Josephs Haus, heilte und segnete Kinder, worüber die Juden, welche während der Lehre noch ziemlich ruhig gewesen waren, ganz unwillig wurden. Da verließ Jesus die Stadt und bestellte die Apostel auf den Berg der Brotvermehrung. Er folgte ihnen mit den Jüngern allein.

Als Jesus mit den Jüngern auf dem Berg ankam, war es schon Nacht. Es brannten Feuer oben. Er trat in die Mitte, die Apostel standen um Ihn her, die Jünger außerhalb des Kreises. Auch viel anderes Volk hatte sich versammelt. Jesus lehrte die ganze Nacht bis gegen Morgen. Er sagte den Aposteln hin und her deutend, wo sie sich hinbegeben, lehren und heilen sollten. Es schien, als ob Er hier eine Ordnung der Wege und Arbeiten für die nächste Zeit unter ihnen anordnete. Die Apostel und viele Jünger schieden hier von Ihm und Er ging in der Morgendämmerung mittagswärts.

Auf diesem Weg wurde Jesus von Eltern in das Haus gebeten, ihre kranke Tochter zu heilen, die bleich- und mondsüchtig war. Er befahl ihr aufzustehen und sie war gesund.

Eine Stunde vor Thänath-Silo kamen Ihm alle Apostel mit grünen Zweigen entgegen. Sie warfen sich vor Ihm nieder und Er nahm einen der Zweige in die Hand. Sie wuschen Ihm auch die Füße. Ich glaube, diese Feierlichkeit war, weil nun alle hier beisammen waren und weil Jesus wieder öffentlich als ihr Meister auftreten und überall lehren wollte. Er ging nun von den Aposteln und Jüngern begleitet zu der Stadt, wo die heiligste Jungfrau, Magdalena, Martha und die anderen heiligen Frauen, außer der Frau des Petrus und Stieftochter und Andreas Frau, welche zu Bethsaida geblieben waren, Ihn vor einer Herberge empfingen. Maria war aus der Gegend von Jericho hierher gegangen und hatte Jesus hier erwartet. Auch die anderen Frauen waren auf verschiedenen Wegen hierher gereist. Sie bereiteten ein Mahl, bei dem an fünfzig Gäste teilnahmen. Nachher begab sich Jesus in die Schule, deren Schlüssel Er holen ließ. Die heiligen Frauen und sehr viel Volk hörte seine Lehre an.

13. Jesus wandelt nach Bethanien

Am andern Morgen heilte Jesus viele Kranke in der Stadt. An manchen Häusern ging Er jedoch vorüber und heilte auch in der Herberge, Dann sandte Er die Apostel hinweg: einige nach Kapharnaum, andere an den Ort der Brotvermehrung. Die heiligen Frauen zogen gegen Bethanien zu. Er selbst ging nach derselben Richtung und hielt den Sabbat mit allen Jüngern, die Er von der großen Reise mitgebracht hatte, in einer Herberge. Sie hängten eine Lampe mitten in dem Saale auf, überdeckten den Tisch mit Rot und Weiss, legten ihre weißen Sabbatskleider an und traten um Jesus in die Betordnung her. Er betete aus einer Rolle vor. Sie waren etwa zu zwanzig. Die Sabbatslampe brannte den ganzen Tag, Jesus unterrichtete unter abwechselndem Gebet die Jünger fortwährend in ihren Pflichten. Es befand sich unter ihnen ein neuer Jünger, Namens Silvanus, den Jesus in der letzten Stadt aufgenommen hatte, Er war schon über dreißig Jahre alt und von dem Geschlecht Aarons. Jesus kannte ihn schon von Jugend auf und sah ihn als einen künftigen Jünger auf dem Jugendfeste bei der heiligen Mutter Anna, da Er als zwölf jähriger Knabe von seiner Lehre im Tempel heimkehrte. Bei demselben Fest hatte Er auch den künftigen Bräutigam von Kana auserwählt.

Auf dem Wege gegen Bethanien zu setzte Jesus seine Unterweisung für die neuen Jünger fort, legte ihnen das Vaterunser aus, sprach von der treuen Nachfolge und dass Er nun in Jerusalem lehren und dann bald zu seinem himmlischen Vater zurückkehren werde. Er sagte ihnen auch, dass Einer von Ihm abfallen werde, der den Verrat schon im Herzen habe. Diese neuen Jünger blieben Jesus treu. Jesus heilte auf diesem Weg mehrere Aussätzige, welche an die Straße gebracht wurden, Eine Stunde vor Bethanien kehrten sie in dem Herbergshaus ein, wo Jesus vor der Erweckung des Lazarus so lange gelehrt hatte und Magdalena Ihm entgegengekommen war. Die heiligste Jungfrau war mit den andern Frauen auch in der Herberge und fünf Apostel, Judas, Thomas, Simon, Jakobus der Jüngere und Thaddäus, Johannes Markus und einige Andere. Lazarus war nicht zugegen. Die Apostel kamen dem Herrn ein Stück Weges bis zu einem Brunnen entgegen, wo sie Ihn begrüßten und Ihm die Füße wuschen. Er lehrte hier und es war eine Mahlzeit. Die Frauen gingen nach Bethanien. Jesus aber blieb mit den Andern hier. Er ging auch am folgenden Tage noch nicht nach Bethanien, sondern wandelte mit den drei verschwiegenen Jüngern in der Umgegend. Die Anderen verteilten sich in zwei Scharen, welchen Thaddäus und Jakobus vorstanden. Sie zogen umher und heilten. Ich sah sie auf sehr verschiedene Weise heilen: durch Handauflegung, Anhauchen, oder dadurch, dass sie sich über einen Kranken hinstreckten, oder dass sie Kinder quer auf den Schoss gegen die Brust nahmen und anhauchten.

Jesus heilte auf seinem Weg einen Besessenen, dessen Eltern Ihm nachliefen, als Er in ein zerstreut liegendes Dorf einging. Er folgte ihnen in den Hof ihres Hauses, wo ihr besessener Sohn sich befand, der bei der Annäherung des Herrn wie rasend wurde, hin und her sprang und an den Wänden hinauf lief. Die Leute wollten ihn fangen, vermochten es aber nicht, weil er immer rasender wurde und sie hin und herriss. Da befahl Jesus den Anwesenden, hinaus zu gehen und Ihn allein zu lassen. Da Er nun allein mit ihm war, rief Er dem Besessenen, zu Ihm zu kommen. Dieser kam nicht und streckte die Zunge mit verzerrtem Angesicht gegen Jesus. Er rief ihn nochmals. Er kam wieder nicht, sondern sah mit über die Schultern gedrehtem Kopf nach Ihm hin. Nun richtete Jesus seine Augen zum Himmel empor und betete. Und da Er dem Besessenen befahl, kam er vor Ihn und warf sich der Länge nach zu seinen Füßen hin. Jesus fuhr nun mit dem einen und dann mit dem andern Fuße zweimal über ihn, als trete Er auf ihn. Ich sah aus dem offenen Munde des Besessenen einen schwarzen verschlungenen Dampf aufsteigen und in der Luft verschwinden. In diesem aussteigenden Qualm erkannte ich drei Knoten, von welchen der letzte der finsterste und stärkste war. Diese drei Knoten hingen durch einen stärkeren und viele dünnere Fäden zusammen. Ich kann das Ganze mit Nichts vergleichen, als mit drei Rauchfässern übereinander, deren Rauchwolken aus verschiedenen Löchern ziehen und sich mit einander verbinden.

Nun lag der Besessene ruhig und wie tot zu den Füßen Jesu, der über ihn das Zeichen des Kreuzes machte und ihm gebot aufzustehen. Da stand der arme Mensch auf. Jesus brachte ihn gegen die Türe des Hofes seinen Eltern entgegen und sagte: Er gebe ihnen den Sohn geheilt zurück, werde ihn aber wieder von ihnen verlangen. Sie sollten sich nicht mehr an ihm versündigen. Sie hatten sich an ihm versündigt und dadurch war er in dieses Elend gekommen.

Hierauf ging Jesus nach Bethanien. Der Geheilte und viele Andere zogen Ihm nach und voraus nach Bethanien, wohin auch die von den Aposteln Geheilten kamen. Da war ein großes Getümmel in Bethania, denn die Geheilten machten ihr Glück überall bekannt. Ich sah auch, dass Jesus Priester entgegen kamen und Ihn in die Synagoge führten, wo sie Ihm ein Buch Moses vorlegten, worüber Er lehren sollte. Es waren viele Menschen in der Schule und die heiligen Frauen am Frauenort.

Nachher gingen sie in das Haus des geheilten aussätzigen Simon von Bethanien, wo die Frauen in dem daselbst gemieteten Saal ein Mahl bereitet hatten. Lazarus war nicht hier. Jesus und die drei verschwiegenen Jünger übernachteten in einer Herberge der Synagoge. Die Apostel und anderen Jünger in dem Herberghaus vor Bethanien, Maria und die anderen Frauen wohnten im Haus der Martha und Magdalena. Das Haus, welches sonst Lazarus bewohnte, lag gegen die jerusalemer Seite und war wie ein Schloss mit Gräben und Brücken umgeben-

Am folgenden Morgen lehrte Jesus wieder in der Schule, wo unter den vielen Jüngern auch Saturnin, Nathanael, Chased und Zachäus zugegen waren. Es waren auch viele Kranke nach Bethanien gebracht worden. Im Haus des geheilten Simon war wieder eine Mahlzeit, bei welcher Jesus Alles, was da war, an die Armen verteilte und sie zum Mitessen einlud. Darüber entstand unter den Pharisäern und in Jerusalem das Gerede, Jesus sei ein Verschwender und vergeude alles an Gesindel.

Die vielen Kranken, lauter Männer, wurden, während Jesus in der Schule lehrte, in einer doppelten Zeltreihe von der Schule bis zum Hause Simons untergebracht. Es waren keine Aussätzigen dabei; diese kamen nur an abgelegene Ort. Als Jesus an die Zeltreihe kam, folgten Ihm, wie Leviten, drei Jünger. Zwei gingen Ihm zu beiden Seiten etwas zurück, der dritte gerade hinter Ihm. Es war kein Gedränge, Jesus schritt an der einen Reihe hinab, an der anderen hinauf und heilte auf sehr verschiedene Weise. An einzelnen Kranken schritt Er einfach vorüber, andere ermahnte Er, ohne zu helfen. Sie sollten sich erst bessern. Einige nahm Er bei der Hand und befahl ihnen, aufzustehen, andere rührte Er nur an. Einem Wassersüchtigen strich Er mit der Hand über Kopf und Leib, der sogleich dünner wurde. Das Wasser drang in einem Strom von Schweiß aus ihm, der vom Kopf und Leib rann. Viele Geheilte warfen sich vor Jesus auf das Angesicht nieder. Seine Begleiter richteten die Genesenen auf und führten sie weg. Als der Herr wieder in die Schule kam, ließ Er den Genesenen Sitze in seiner Nähe machen und lehrte.

Ich sah Jesus von Bethanien die Jünger auch paarweise in die Gegend aussenden, zu lehren und zu heilen. Er beschied sie teils nach Bethanien, teils nach Bethphage zurück. Er selber ging mit den drei verschwiegenen Jüngern südlich von Bethanien ein paar Stunden weit in ein Örtchen, wo Er heilte. Hier sah ich Ihn in das Haus eines Mannes gehen, welchen Er früher von der Stummheit geheilt hatte, der sich aber wieder versündigt hatte und lahm geworden war. Die Hände und Finger waren ihm ganz verkrümmt. Jesus ermahnte ihn, rührte ihn an und er stand auf. Auch mehrere bleiche, krankliegende Mädchen heilte Er. Sie waren wie tot, weinten und lachten oft heftig. Sie waren mondsüchtig.

Als Er vor dem Sabbat wieder nach Bethanien zurück und zur Schule ging, hörte ich, dass die Juden gegen Ihn prahlten. Er könne doch nicht tun, was Gott für die Kinder Israels getan habe, da Er Manna in der Wüste habe niedertauen lassen. Sie waren ganz unwillig über Jesus. Er übernachtete diesmal nicht in Bethanien, sondern draußen in der Jüngerherberge.

Von Jerusalem kamen in die Jüngerherberge zu Jesus Obed, des alten Simeon Sohn, ein Tempeldiener und heimlicher Jünger, ein Verwandter der Veronika und ein dritter, der mit der Johanna Chusa verwandt war. Dieser wurde später Bischof von Kedar und lebte auch eine Zeitlang als Einsiedler in der Nähe des Dattelbaumes, der sich mit seinen Früchten zu Maria auf der Flucht nach Ägypten niederbeugte, dass sie davon essen konnten. Diese Jünger fragten Jesus, warum Er sie so lange verlassen und so viel an andern Orten getan habe, wovon sie nichts erfahren hätten? In seiner Antwort darauf sprach Jesus von Teppichen, von guten und wert gehaltenen Sachen. Wenn man sie eine Zeit lang von sich entferne, so würden sie einem wieder neu und lieber. Er sagte auch, so man alles hintereinander und auf einmal auf einen Fleck säe, könnte ein Hagel alles vernichten, zerstreute Lehre und Hilfe aber könnte nicht so leicht zerstört werden. Solches ungefähr antwortete Er.

Die Jünger brachten auch die Nachricht, dass die Hohenpriester und Pharisäer in den Orten rings um Jerusalem Laurer aufstellen wollten, Ihn, sobald Er sich nähere, gefangen zu nehmen. Jesus nahm hierauf nur die beiden neuesten Jünger, Selam von Kedar und Silvanus zu Sich und ging mit ihnen die ganze Nacht hindurch zu dem bei Ginäa gelegenen Gut des Lazarus, wo dieser sich jetzt aufhielt. Lazarus war zwar bis vor zwei Tagen noch in dem Städtchen zwischen Bethanien und Bethlehem gewesen, in dessen Nähe die drei Könige auf der Reise nach Bethlehem gefüttert hatten. Er war aber auf eine Nachricht von Jesus von dort zu seinem Gut gegangen. Jesus hatte also wohl gewusst, dass die drei Jünger Ihm diese Nachricht von Jerusalem bringen werden und dass Er sich von Bethanien entfernen werde. Darum hatte Er schon zweimal nicht in Bethanien, sondern draußen in der Jüngerherberge übernachtet.

Jesus kam vor der Morgendämmerung, da es noch dunkel war, auf dem Gut des Lazarus an und pochte an dem Tore der Hofmauer. Lazarus öffnete selbst, leuchtete und führte Jesus in einen Saal, wo auch Nikodemus, Joseph von Arimathäa, Johannes Markus und Jairus, der jüngere Bruder Obeds, anwesend waren.

Darnach sah ich Jesus mit den beiden Jüngern wieder in Bethabara und Ephron, wo Er den Sabbat hielt und wohin von Bethanien her Andreas, Judas, Thomas, Jakobus der Jüngere, Thaddäus, Zachäus und außerdem sieben andere Jünger zu Jesus kamen. Als Judas von Bethanien wegging, sah ich die heiligste Jungfrau ihn dringend warnen, dass er sich mäßige, auf sich acht gebe und nicht in alles sich so einmische.

In Ephron heilte Jesus Blinde, Lahme, Stumme und Taube, die dahin gebracht wurden. Auch ein Besessener wurde vom Teufel befreit.

Darnach begab sich Jesus an einen Ort nördlich von Jericho, wo ein Zufluchtshaus für Kranke und Arme war und machte einen alten blinden Mann sehend, den Er früher einmal in der Heilung übergangen hatte, als Er in demselben Ort zwei Blinde mit einer Salbe von Erde und Speichel geheilt hatte. Nun heilte Er diesen mit seinem bloßen Wort. Der Ort lag am Weg.

Von da kehrte Jesus wieder nach dem Gut des Lazarus zurück und begab sich dann mit Lazarus nach Bethanien, wo die heiligen Frauen Ihm entgegen kamen.