Ad-limina-Ansprache von Papst Paul VI. an die ÖBK am 13. September 1977

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Ansprache von Papst Paul VI. an die Bischöfe Österreichs beim Ad-limina-Besuch, 13. September 1977

(Offizieller lateinischer Text: AAS 69 [1977] 659-662)

(Quelle: Papst Paul VI., Wort und Weisung im Jahr 1977, Libreria Editrice Vaticana und Butzon & Bercker Verlag 1978, S. 380-383 (556 Seiten, Mit kirchlicher Druckerlaubnis Nr 305/6-7/78 Münster. den 9. März 1978 Dr. Spital, Generalvikar, ISBN 3-7666-9018-3)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


DIE SORGE UM EHE UND FAMILIE

Ehrwürdige Brüder!

Wir heißen Sie zu dieser freudigen gemeinschaftlichen Begegnung anlässlich Ihres "ad-limina"-Besuches aufrichtig willkommen. In Ihnen, den Oberhirten der Diözesen von ganz Osterreich, grüßen wir von hieraus zugleich Ihre Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, die Ordensleute sowie alle Gläubigen Ihrer Heimatdiözesen.

Ihnen, sehr verehrter Herr Kardinal, danken wir für die verehrungsvollen Worte, die Sie soeben im Namen aller anwesenden Bischöfe an uns gerichtet haben. Wir benutzen gern diese Gelegenheit, um Ihnen auch hier noch einmal persönlich unsere besten Glück- und Segenswünsche zu Ihrem Silbernen Bischofsjubiläum und für ein weiteres fruchtbares bischöfliches Wirken auszusprechen, wie wir es schon in unserem kürzlichen Schreiben an Sie getan haben.

Ehrwürdige Brüder! Ihr "ad-limina"-Besuch bei den Gräbern der Apostel und der damit verbundene Quinquennalbericht über das kirchliche und religiöse Leben in Ihren Diözesen sind ein willkommener und geeigneter Anlass für eine vertiefte Besinnung auf Ihren bischöflichen Sendungsauftrag in der Kirche und der Gesellschaft von heute, für eine kritische Überprüfung der getanen Arbeit, für neue Pläne und Vorsätze. Sie sind vor allem aber auch Grund zu innigem Dank und Lobpreis an Gott, den Geber alles Guten.

Wie Sie, Herr Kardinal, in Ihrem Grußwort angedeutet haben und wir selbst in Ihren Berichten noch ausführlicher nachlesen werden, bietet das heutige religiöse und kirchliche Leben in vielen Bereichen Ihrer Ortskirche trotz manchen Prüfungen und Schwierigkeiten doch viele Anzeichen einer tiefgreifenden Erneuerung und eines verheißungsvollen Neuaufbruchs. Sie nannten das sich intensivierende Laienapostolat, die allmähliche Zunahme der Priester- und Ordensberufe und eine neue Wertschätzung des Gebetslebens. Diese trostvollen Tatsachen sind nicht zuletzt auch die Frucht Ihres unermüdlichen persönlichen Einsatzes sowie des pastoralen Bemühens Ihrer Priester und der offenen Bereitschaft der Gläubigen für die getreue Verwirklichung der Lehren und Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils. Auch Ihre diesbezüglichen Diözesansynoden geben davon ein beredtes Zeugnis. Gott, der der Kirche unseres Jahrhunderts die besondere Gnadenstunde dieses Konzils gewährt hat, wird es bei unserer treuen und geduldigen Mitarbeit nicht unterlassen, dieses Gnadengeschenk zum Heil der Menschen auch zu entfalten und voll zur Wirkung zu bringen.

Nach den hilfreichen und angemessenen Neuordnungen im liturgischen und pastoralen Bereich richtet die Kirche heute ihre Aufmerksamkeit stärker auf ihren zentralen Auftrag der Verkündigung der Frohbotschaft und der Glaubensunterweisung, auf die Evangelisierung und die Katechese, wie es die Themen der letzten und der kommenden Bischofssynode deutlich unterstreichen.

"Der Glaube kommt vom Hören", sagt der Apostel Paulus und fragt deshalb zugleich: "Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie von ihm hören, wenn ihnen niemand predigt?" (Röm 10, 17; 14). Somit kommt gerade im nachkonziliaren Erneuerungsprozess der mutigen, unverfälschten und doch zeitgemäßen Glaubensverkündigung eine entscheidende Bedeutung zu. "Gelegen oder ungelegen" (2 Tim 4,2) ist auch in der heutigen pluralistischen Gesellschaft Gottes Wort unverkürzt zu verkünden und Gottes heiliger Wille und sein Gebot als letztgültige Norm des sittlichen Handelns den Menschen deutlich in Erinnerung zu bringen. Sie haben dies, ehrwürdige Brüder, in jüngster Zeit freimütig in der Diskussion um die Unantastbarkeit und den Schutz des menschlichen Lebens getan. Lassen Sie sich durch den betrüblichen Verlauf der Ereignisse in keiner Weise entmutigen! Je mehr in Staat und Gesellschaft heute sittliche Grundwerte und Verhaltensweisen in Frage gestellt werden, um so nachdrücklicher und mutiger muss vor allem den Gläubigen selbst die ganze Frohbotschaft Jesu Christi verkündet werden; um so mehr sind sie zu wirklich mündigen Christen heranzubilden, die sich aus innerster Überzeugung zu ihrem christlichen Glauben bekennen und auch ihr persönliches Leben danach gestalten.

Hierbei sind insbesondere die Glaubensunterweisung und Glaubenserziehung in der Schule und vor allem in den Familien von grundlegender Bedeutung. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass sie von Seiten Ihrer Bischofskonferenz in nächster Zeit gerade der Familie Ihre besondere Aufmerksamkeit und Sorge schenken wollen und sogar ein eigenes "Jahr der Familie" durchzuführen gedenken. Die Sorge um Ehe und Familie ist heute eine der Hauptaufgaben einer lebensnahen und zeitgemäßen Pastoral. Die Familie ist nicht nur die Urzelle der menschlichen Gesellschaft, sondern auch der Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Familie zu Recht eine "Art Hauskirche" genannt, in der "die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein sollen" (Lumen gentium, Nr. 11).

Von einer Gesundung und Erstarkung der Familie als Pflanzstätte des religiösen Lebens der Menschen werden entscheidende Impulse für die Erneuerung und Verlebendigung der Pfarrgemeinden, der Diözesen und der ganzen Kirche erwartet. Es wird deshalb eine vordringliche Aufgabe der Priester und Seelsorger sein, den Familien im persönlichen Gespräch durch Rat und Tat bei der Entdeckung und Entfaltung der in ihr vorhandenen vielfältigen Werte behilflich zu sein und ihnen auch die Möglichkeiten zur Förderung und Verwirklichung dieser Werte im gesellschaftlichen Leben aufzuzeigen. Eine wirklich lebendige christliche Familie wird gleichsam von selbst in dem sie umgebenden Milieu apostolisch wirksam. Für die Kirche werden solche Familien einer heute besonders schmerzlich empfundenen Not abhelfen; sie werden wie das Konzil überzeugt ist - "zu Pflanzstätten des Laienapostolats sowie für Priester- und Ordensberufe" (Ad gentes, N r. 19). In einem anderen Dokument sagt dasselbe Konzil: "Durchdrungen vom Geist des Glaubens, der Liebe und der Frömmigkeit, werden sie (die Familien) gleichsam zum ersten Seminar" (Optatam totius, Nr. 2).

Dass die erneuerte Familienpastoral in Ihren Diözesen diese von der Kirche heute so sehr ersehnten kostbaren Früchte zeitigen möge, ist unser aufrichtiger Segenswunsch für Sie und all Ihre Mitarbeiter. Wir flehen auf Ihr weiteres bischöfliches Wirken Gottes Licht und Gnadenbeistand herab und erteilen als deren Unterpfand Ihnen, Ihren bischöflichen Amtsbrüdern, den Priestern und Ordensleuten sowie allen Gläubigen Ihrer Diözesen, insbesondere den Kranken und von Prüfungen Heimgesuchten unter ihnen, aus der Fülle des Herzens unseren besonderen Apostolischen Segen.