Ecce adstat consilium

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Ansprache
Ecce adstat consilium

von Papst
Paul VI.
an die Mitglieder und Berater des "Consilium", anlässlich ihrer siebten Vollversammlung in Rom.
13. Oktober 1966

(Offizieller lateinischer Text: AAS 58 [1966] 1145-1150)

(Quelle: Dokumente zur Erneuerung der Liturgie, Band 1, S. 372-377, Nr. 681-690)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Wir sehen den Rat zur Ausführung der Liturgie-Konstitution vor uns, den wir bei der Gelegenheit dieser Vollversammlung mit Liebe und Ehrfurcht grüßen. Ihr bildet wahrhaft eine sehr umfassende Gruppe, die sich aus erfahrenen und gelehrten Männern zusammensetzt, die dank ihrer weisen Verbundenheit, ihrer Herkunft aus verschiedenen Teilen der WeIt, ihrer Studien und ihrer Frömmigkeit nun gemeinsam ein Werk von größter Bedeutung fruchtbar vollbringen. Sie sollen nämlich die liturgischen Texte der Kirche überprüfen und die Normen und Formen neuordnen, nach denen sie die heiligen Geheimnisse in echtem Gottesdienst feiert, die öffentlichen Gebete der Gemeinschaft verrichtet, das gläubige Volk zur Teilnahme daran anleitet und so zu einem geistigen Leben führt, das sie immer intensiver gestaltet und mit heiligender Kraft immer reicher nährt.

Wir stehen daher mit großer Ehrfurcht und Freude vor euch und danken euch für dieses Zusammenkommen, bei dem wir uns selbst und unsere Gedanken gewissermaßen mit eurem hervorragenden Werk verbinden können. Wir sprechen euch unsern Dank aus für eure Arbeit. Denn was kann in dieser Zeit nach dem Konzil für die Kirche nützlicher sein, was wirksamer zur Entfaltung der Frömmigkeit in ihren Reihen, zur Erlangung der Hilfe des Heiligen Geistes und zur Mehrung ihrer Kraft beitragen, so dass sie die Seelen anzuziehen, zu belehren und zu heiligen vermag?

Wir denken oft an eure mühevolle, weise Arbeit für die Erneuerung der Liturgie im Geiste des Konzils. Drei Dinge scheinen uns bei diesem Werk, das so vielseitig ist und soviel Klugheit verlangt, beachtenswert zu sein. Eure erste Aufgabe besteht in der Untersuchung der Zeremonien, die man in der Kirche zu beobachten pflegte; ihr seid darauf bedacht, sie zu erneuern und in passendere Formen zu bringen. Wohl bietet diese Untersuchung keine besonderen Schwierigkeiten, da die Zeremonien allen bekannt sind. Dennoch verlangt sie besondere Geistesgaben, nämlich eine Ehrfurcht vor den heiligen Dingen, die uns die von der Kirche beim Gottesdienst verwandten Gebräuche in Ehren haIten läßt, eine fromme Achtung vor der Überlieferung, die uns als kostbares, verehrungswertes Erbe übergeben worden ist, ein feines geschichtliches Verständnis für die euchologische und symbolhafte Zusammensetzung und Bedeutung der zu überprüfenden Riten, und andere Eigenschaften ähnlicher Art.

Daher soll diese Untersuchung weder von einer vorgefaßten grundlosen Absicht, einfach zu ändern, noch von einer bilderstürmerischen Eile, alles zu korrigieren und umzustellen, beherrscht sein, sondern von einer religiösen, mit Weisheit gepaarten Klugheit und Ehrfurcht. Denn wir müssen nicht einfach Neues suchen, sondern das Bessere; bei Neuerungen wollen wir das Erbe der christlichen Frömmigkeit jener Zeiten, in denen sie ihre Blüte erlebte, den in unserer Epoche eingeführten Erfindungen vorziehen. Doch soll deswegen die Sprache der Kirche unserer Zeit nicht so zurückgedrängt werden, dass sie nicht auch ihr "Canticum novum" beitragen könnte, wenn der Hauch des Heiligen Geistes dazu wahrhaft die Kraft verleiht (Vgl. Konst. Sacrosanctum concilium, 23).

Eure zweite Aufgabe, die größte Klugheit erheischt, besteht in der Suche nach der Art und Weise, wie die Liturgie in Wort, Musik oder Gesang, in Gebärden und im Vollzug der Handlung ausgedrückt werden soll. Mit größtem Fleiß sind die biblischen Quellen der einzelnen liturgischen Handlungen zu beachten; mit größtem Eifer ist darauf zu schauen, dass die Norm des Betens der des Glaubens entspricht, d. h. dass das Beten in seinem Sinn den Reichtum der Lehre bewahrt, dass sein Wort zu der Dogmatik paßt, die es enthält, und die richtige Gesinnung gewahrt wird, die den gefeierten Dingen gewissermaßen ihre passende Stufe zuweist. Auf all dies müßt ihr eure Gelehrsamkeit und euer Wissen, euern Geist und euer literarisches Können richten. Mitbringen müßt ihr aber dazu auch die Liebe zu Gott, zu Christus und seinem Reich in euren Seelen, die im geistlichen Gespräch, wie wir glauben, eine mystische Bereicherung erhaIten haben. Dieser Eifer, der aus dem Gebet, das ein jeder von euch an Gott richtet und sich zur Lebensgewohnheit macht, seine innerste Kraft schöpft und die Mittel der Kunst in seinen Dienst nimmt, findet hier ein weites Feld für seine Betätigung. Er wird zu eurem Werk der Erneuerung den Glanz erhabener Schönheit und das hohe Geschenk oder Charisma der Universalität hinzufügen, und zu diesem wird sich noch das Charisma der Beständigkeit, einer gewissen unvergänglichen Jugend gesellen. Mit Recht ist die Liturgie durch solch ausgezeichnete Gaben geschmückt.

Dieses Bestreben eures Geistes, für die Liturgie eine glänzende, ihrer würdige Sprache zu finden, läßt euch eine andere Aufgabe voll Nächstenliebe nicht vergessen, die in unserer Zeit bei denen, die sich der Erneuerung der Liturgie widmen, ein Hauptgewicht besitzt. Es sollen nämlich die liturgischen Zeremonien klar und schlicht sein, so dass die Menge der Gläubigen sie in ihren Ausdrucksmitteln und ihrer Gestaltung unschwer verstehen kann (Vgl. Konst. Sacrosanctum concilium, 11, 14 usw. ). Auch diese Arbeit, welche die Formen und die Sprache der Riten den Seelsorgsbedürfnissen, dem katechetischen Zweck des Gottesdienstes, der geistigen und sittlichen Belehrung der Gläubigen, dem Wunsch der Seelen nach Vereinigung mit Gott, der Natur heiliger Zeichen gemäß gestalten soll, so dass man sie verstehen und in ihrer religiösen Kraft erleben kann, verlangt von euch, den Schöpfern einer neuen Liturgie und Entdeckern ihrer bisher verborgenen Schätze, reiches Wissen und Erfahrung und eine große Liebe. So sollen sich in der Liturgie Schönheit und Schlichtheit, Ernst und Klarheit des Ausdrucks, Tiefe des Inhalts und Kürze, die Klänge der aIten Zeiten und die Stimmen der unsrigen passend zu einer neuen Harmonie vereinigen. Euch hat die Kirche Gottes die herrliche Aufgabe anvertraut, dies zu verwirklichen.

Mit diesen Worten wollten wir euch, ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, darlegen, wie hoch wir die Aufgabe schätzen, der ihr euch mit soviel Eifer widmet. Wir sehen aber, dass sie noch weiter greift und andere Aufgaben umfaßt und weiteren Nutzen stiftet; denn sie gibt weittragenden und vielgestaltigen Maßnahmen zu der vom Konzil angeregten Erneuerung der Liturgie Richtung. Es ist das Amt unserer alten, hochverdienten Ritenkongregation, neue Formen als sichere, verpflichtende Einrichtungen zu bestimmen und die schon bestehenden zu schützen; Sache eures Rates dagegen ist es, in dieser Zeit der Versuche zur Neugestaltung des Gottesdienstes, die in den verschiedenen Ländern unternommen werden, wachsam zu sein, abwegige Gestaltungen, die sich da und dort feststellen lassen, zu korrigieren, die Geister, die ohne Erlaubnis nach eigenem Gutdünken vorgehen, so dass für die richtige Disziplin des öffentlichen Gebetes Störungen und für die Lehre Irrtümer entstehen können, in die Schranken zu weisen. Euch kommt es also zu, Mißbräuche zu verbieten, die Zauderer und Widerstrebenden anzuspornen, Kräfte zu wecken, gute Unternehmungen zu fördern, den Gutwilligen verdientes Lob zu erteilen. Diese Aufgabe des Lenkens ist in dieser Zeit von großer Bedeutung, und wir möchten euch dazu besonders aufmuntern. Und da wir wissen, mit wie viel Wachsamkeit und Klugheit ihr sie erfüllt, sprechen wir euch dafür unsern Dank aus. Wohl ist der Verschiedenheit der Sprachen und der neuen Riten, die das Bemühen um Erneuerung in die Liturgie eingeführt hat, Rechnung zu tragen. Dennoch soll nichts unternommen werden, was von der pflichtbewußten Autorität der Bischöfe und dieses Apostolischen Stuhles nicht rechtmäßig gebilligt wurde, nichts, was des Gottesdienstes unwürdig wäre, was offenkundig profan und ungeeignet ist, die heilige, innerliche Kraft des Gebetes auszudrücken, kurz, nichts Ausgefallenes und Ungewohntes, das, weit entfernt, die Frömmigkeit der betenden Gemeinde zu fördern, im Gegenteil Befremden und Unruhe weckt und verhindert, dass sich die auf der Überlieferung aufbauende Frömmigkeit passend und rechtmäßig weiterentwickeln kann. Was diesen Punkt betrifft, scheint es geraten, nach den Regeln der Erziehungskunst stufenweise vorzugehen.

Mit Freuden stellen wir fest, dass eure kurzen, aber nützlichen Bemerkungen, die unter dem Titel "Notitiae" herauskommen, diese Aufgabe schon erfüllen. Diese Bemerkungen erwerben sich noch in einer anderen Hinsicht Verdienste, um derentwillen wir eurem Rat Ehre erweisen möchten: sie veröffentlichen für die ganze Kirche Nachrichten über die liturgische Disziplin und neue Versuche. Auf diese Weise bemühen sie sich, andere durch das gute Beispiel zum Wetteifer anzuregen, die berechtigte Verschiedenheit im Ausdruck der Liturgie und gleichzeitig in den wesentlichen Dingen die Einheit zu fördern, die wir im liturgischen Leben der Kirche immer hochschätzen müssen.

Wir freuen uns auch über die eingehende, wohlorganisierte Arbeit, die der Rat mit vollem Einsatz leistet, um andern als Beispiel voranzugehen; sie hat schon reiche, glückliche Frucht getragen und läßt auch weiter das Beste hoffen. Die Kirche, die nach dem Abschluß des Konzils auf die Arbeit achtet, mit der seine Anregungen ausgeführt und die Dekrete vollzogen werden, freut sich über dieses edle Bemühen, sowohl was seine Treue zu den Verordnungen des Konzils betrifft, von denen es restlos beseelt und beherrscht ist, als auch angesichts der zahlreichen Unternehmungen, die durchgeführt werden, und der Raschheit, mit der dies geschieht, so gut es die Schwierigkeit und Vielfalt der Dinge sowie die notwendige Vollkommenheit, mit der sie verwirklicht werden müssen, nur gestatten.

Es bestehen jedoch einige Probleme von großer Bedeutung, auf die der Kardinal, der als Präsident eurem Rate vorsteht, hingewiesen hat und die auch von uns mit besonderem Fleiß beachtet werden wollen. Eines davon betrifft die Kirchenmusik, die für viele, sowohl Liturgiker wie Musiker, eine Sorge bildet. Dieses Problem bedarf einer eingehenden Erörterung, die zweifellos später auch stattfinden wird. Es werden dabei einerseits die Pastoralerfahrung, anderseits das Genie der Musiker gegenseitig in Berührung kommen; wir hoffen, das möge im Geist des Wohlwollens und mit gutem Erfolg geschehen. Eine Instruktion, die auf diese Beziehungen zwischen Liturgie und Musik eingehen wird, soll diese Eintracht erleichtern und - so hoffen wir - gewissermaßen das Gemeinschaftswerk erneuern, in dem sich zwei erhabene Stimmen des menschlichen Geistes, das Gebet und die Kunst, gegenseitig unterstützen. Der kürzlich in Chicago abgehaltene Kongreß für Kirchenmusik bestärkt uns in dieser Hoffnung. Hier möchten wir in Erinnerung rufen, was die Konzilskonstitution "Sacrosanctum concilium" diesbezüglich festgelegt hat, wobei es sowohl der Liturgie als auch der Musik Ehre erwies (Nr. 39, 44, 112, 114, 115, 116, 120, 121). Nur darauf möchten wir hinweisen, dass der Seelsorgsund der Gemeinschaftscharakter, durch den sich die liturgische Erneuerung auszeichnet und den das Konzil verlangt hat, erfordert, dass die Musik und der Kirchengesang anerkannt und in den Möglichkeiten der Verbindung mit dem Vollzug der heiligen Riten, wie sie jetzt gegeben sind, vervollkommnet werden. Das wird beiden die Gelegenheit bieten, sich gewissermaßen neue Verdienste zu erwerben und auf dem Gebiet der Kunst und der Religion neuen Ruhm zu gewinnen. Dazu mahnt das Konzil mit den Worten: "Die Kirchenmusik wird um so heiliger sein, je enger sie sich mit der liturgischen Handlung verbindet" (Nr. 112).

Ein anderes Problem, das verdient, die Aufmerksamkeit aller zu erlangen, ist das des "Ordo Missae". Wir wissen, was diesbezüglich an Arbeit schon geleistet worden ist, und wieviele gelehrte und gründliche Erörterungen ihm gewidmet wurden, sowohl was den Text dieses "Ordo" als auch was die Gestaltung des neuen Meßbuches und den Kalender der kirchlichen Feste betrifft. Es handeIt sich dabei aber um eine so wichtige Sache von allgemeiner Bedeutung, dass wir diesbezüglich zuerst die Bischöfe zuziehen müssen, ehe wir die wohlüberlegten Vorschläge mit unserer Autorität billigen.

Bis dahin, ehrwürdige Brüder und verehrte Hüter der Liturgiewissenschaft, führt eure Studien und Arbeiten weiter! Möge euch das Bewußtsein des großen Nutzens ermutigen, den ihr durch euer Werk der Sache des Glaubens bringt, dessen öffentliches, feierliches Bekenntnis im Gottesdienste stattfindet und der aus dem Wissen Trost schöpft, dass er den Einzelnen und der ganzen Gesellschaft Unterstützung bringt. So leistet eure Arbeit jener Epiphanie, jener Kundmachung Christi einen großen Dienst, weIche die Liturgie durch ihre Worte, ihre Sakramente, ihr Priestertum so gestaItet, dass die Seelen der Gläubigen sie beinahe sinnenfällig erfassen können und lebendig in sich erfahren. So erfährt die Kirche hohen Nutzen durch die Liturgie und ihr heiliges Wort, das rein geworden ist und nun um so höher emporsteigt, das Wort, in dem die Kirche sich als das zeigt, was sie ist, als mystischer Leib, mit Christus, ihrem Haupte, verbunden, als erlöste Menschheit und liebende Braut, die Christus alles schenkt und von ihm alles empfängt. Großer Nutzen wird auch dem Volke Gottes zuteil, das in einer klaren, einfachen, von Gottes Hauch erfüllten Liturgie Frieden, Einheit, Heiligung finden kann. Und Nutzen erweist ihr endlich allen Menschen unserer Zeit, die ihr durch die schlichte, wunderbare Schönheit der Liturgie und ihrer echten Formen jenes herrliche verlorene Land wiederfinden laßt, das dem Geiste eigen ist und in dem auf unaussprechliche, unvergleichliche Weise das Geheimnis Gottes wohnt.

Schreitet also auf eurem Wege beharrlich und zuversichtlich voran. Möge euch die Überzeugung eine Hilfe sein, dass euch unser Vertrauen und Wohlwollen gewiß ist. Und möge euch endlich das Licht und das Zeichen der Liebe Christi, des Herrn, Hilfe sein, da ihr für ihn diese Mühen auf euch genommen. In seinem Namen erteilen wir, sein unwürdiger Vertreter, euch den Segen.