Casti connubii (Wortlaut)

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Enzyklika
Casti connubii

unseres Heiligen Vaters
Pius XI.
an die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die anderen Oberhirten, welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
über die christliche Ehe
31. Dezember 1930

(Offizieller lateinischer Text AAS XXII [1930] 539-598)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, Band II, VII, Nr. 45-181; S. 1200-1283, Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Die Nummerierung ist der englischen Fassung angeglichen.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder!
Gruß und Apostolischen Segen !

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Wiederherstellung der Ehe durch Christus

1 Der reinen Ehe Hoheit und Würde leuchtet Uns, Ehrwürdige Brüder, vor allem daraus entgegen, dass Christus der Herr, der Sohn des ewigen Vaters, nach Annahme unserer gefallenen Natur, die Wurzel und Grundlage der Familiengemeinschaft und damit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, nicht allein in den liebevollen Plan der allgemeinen Wiederherstellung unseres Geschlechtes ganz besonders mit einschließen wollte, sondern sie außerdem zur ursprünglichen Reinheit der Einsetzung durch Gott zurückgeführt, zu einem wahren und „großen“<ref> {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:32|,32}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Sakrament des Neuen Bundes erhoben und deshalb die Ordnung derselben und die Sorge für sie ganz der Kirche, seiner Braut, anvertraut hat.  

Die Notwendigkeit der Belehrung über die Ehe

  2 Damit jedoch aus der Erneuerung der Ehe bei allen Völkern der ganzen Erde und aller Zeiten die erhofften Früchte ersprießen, muss in den Menschengeist zunächst die unverfälschte Lehre Christi über die Ehe hineinleuchten. Sodann ist es Pflicht der christlichen Ehegatten, in ihrem schwachen Willen durch die Gnade Gottes gestärkt, ihr ganzes Denken und Tun nach dem reinen und lauteren Gesetz Christi zu gestalten, um so für sich und ihre Familie das wahre Glück und den wahren Frieden zu finden.

Das Absinken der Ehemoral

  3 Indessen müssen nicht allein Wir, wenn Wir von der hohen Warte Unseres Apostolischen Amtes mit Vaterblick den gesamten Erdkreis überschauen, wahrnehmen – auch Ihr, Ehrwürdige Brüder, seht es und empfindet es ganz gewiss mit Uns aufs schmerzlichste, dass so viele Menschen das Gotteswerk der Wiederherstellung vergessen haben und die erhabene Heiligkeit der Ehe entweder gar nicht mehr kennen oder schamlos leugnen oder gar, von den falschen Grundsätzen einer neuen, aber ganz verkehrten Sittenlehre ausgehend, aller Orten mit Füßen treten. Da diese gefährlichen Irrlehren und verderbten Sitten sich auch unter den Gläubigen breit zu machen begonnen haben und sich immer tiefer einzudrängen suchen, haben Wir, da dies Unseres Amtes als Statthalters Christi auf Erden und obersten Hirten und Lehrers ist, es für Unsere Pflicht erachtet, Unsere Apostolische Stimme zu erheben, um die Uns anvertrauten Schaffe von den vergifteten Weiden abzuwehren und, soviel Wir nur können, unversehrt zu bewahren.  

Inhaltsangabe des Rundschreibens

  4 Wir haben deshalb beschlossen, zu Euch, Ehrwürdige Brüder, und durch Euch zur ganzen Kirche Christi, ja zur gesamten Menschheit vom Wesen und von der Würde der christlichen Ehe, dem aus ihr in die Familie und die ganze menschliche Gesellschaft sich ergießenden Glück und Segen, den diesem gewichtigen Punkt der christlichen Lehre entgegenstehenden Irrtümern, den Verfehlungen wider die christliche Ehegemeinschaft und endlich den entsprechenden hauptsächlichsten Heilmitteln zu reden. Wir treten dabei in die Fußstapfen Unseres Vorgängers Leo XIII. seligen Angedenkens und machen Uns sein vor fünfzig Jahren erlassenes Rundschreiben über die christliche Ehe „Arcanum“<ref>Rundschreiben Arcanum divinae sapientiae, 10. Februar 1880.</ref> durch Unser vorliegendes Rundschreiben zu eigen und, indem Wir einige die heutigen Verhältnisse betreffenden Punkte etwas ausführlicher behandeln, erklären Wir ausdrücklich, dass jenes Schreiben, weit davon entfernt, veraltet zu sein, vielmehr seine volle Kraft und Wirkung beibehält.

Kurze Übersicht über die kirchliche Lehre von der Ehe im Anschluss an das Rundschreiben Leos XIII. „Arcanum“

  5 Um mit dem eben erwähnten Rundschreiben zu beginnen, das sich fast nur damit befasst, die Einsetzung der Ehe durch Gott, ihre sakramentale Würde und ihre lebenslängliche Dauer sicherzustellen, so muss zunächst als unverrückbare und unantastbare Grundlage gelten: nicht von Menschen ist die Ehe eingesetzt und wiederhergestellt worden, sondern von Gott. Nicht von Menschen, sondern vom Urheber der Natur selbst, von Gott, und vom Wiederhersteller der Natur, Christus dem Herrn, ist sie durch Gesetze gesichert, ist sie gefestigt und erhöht worden. Diese Gesetze können also in keiner Weise dem Gutdünken von Menschen, keiner entgegenstehenden Vereinbarung, auch der Gatten nicht, unterworfen sein. Das ist die Lehre der Hl. Schrift<ref>{{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 1{{#if:27-28|,27-28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 2{{#if:22-23|,22-23}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 19{{#if:3ff|,3ff}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:23ff|,23ff}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>, die ständige und allgemeine Tradition der Kirche, die feierliche Entscheidung des Heiligen Konzils von Trient, das mit den Worten der Hl. Schrift selbst verkündet und bekräftigt: das lebenslängliche und unauflösliche Eheband und dessen Einheit und Festigkeit haben Gott zum Urheber.<ref>Conc. Trid., Sess. XXIV.</ref>

6 Wenn nun aber auch die Ehe ihrem Wesen nach von Gott stammt, so hat doch auch der Wille des Menschen, und zwar in hervorragender Form, seinen Anteil an ihr. Denn die einzelne Ehe entspringt, sofern sie die eheliche Verbindung zwischen diesem Mann und dieser Frau ist, dem freien Jawort der beiden Brautleute. Diese freie Willenserklärung, durch die jeder Teil das der Ehe eigentümliche Recht gibt und nimmt<ref>Vgl. CIC, c. 1081 § 2.</ref>, ist zu einer wahren Eheschließung derart notwendig, dass sie durch keine menschliche Macht ersetzt werden kann.<ref>Vgl. CIC, c. 1081 § 1.</ref> Diese Freiheit hat jedoch nur das eine zum Gegenstand, ob die Eheschließenden wirklich eine Ehe eingehen und ob sie dieselbe mit dieser Person eingehen wollen. Dagegen ist das Wesen der Ehe der menschlichen Freiheit vollständig entzogen, so dass jeder, nachdem er einmal die Ehe eingegangen ist, unter ihren von Gott stammenden Gesetzen und wesentlichen Eigenschaften steht. Denn der Englische Lehrer sagt da, wo er von der ehelichen Treue und der Nachkommenschaft handelt: „Sie gehen in der Ehe aus dem Ehevertrag hervor, und zwar so, dass, falls in dem Jawort, durch das die Ehe zustande kommt, etwas ihnen Entgegengesetztes Ausdruck fände, überhaupt keine wahre Ehe vorläge.“<ref>Thomas von Aquin, S. theol. Suppl., q.49, a.3.</ref>

7 Durch die Ehe werden also die Gatten der Seele nach verbunden und verschmolzen, und zwar eher und inniger als dem Leibe nach, und nicht durch vorübergehende Sinneserregung oder bloße Gemütsbewegung, sondern durch überlegten und festen Willensentschluss: und aus dieser Verschmelzung der Seelen erwächst, so hat es Gott bestimmt, das heilige und unverletzliche Eheband.

8 Das ist die unvergleichliche Eigenart des Ehevertrages. Sie unterscheidet ihn himmelweit von den Verbindungen der vernunftlosen Lebewesen, die nur aus blindem Naturtrieb erfolgen und in denen sich nichts von Verstand oder überlegtem Wollen findet, wie auch von den haltlosen Verbindungen unter Menschen, die nichts an sich haben von einer wahren und sittengemäßen Vereinigung der Willen und denen jedes Recht auf Familiengemeinschaft abgesprochen werden muss.

9 Damit ist schon gegeben, dass die rechtmäßige Autorität zwar das Recht hat, ja dass ihr sogar die Pflicht obliegt, die unehrbaren, vernunft- und naturwidrigen Verhältnisse zu hemmen, zu hindern und zu bestrafen. Da es sich aber um etwas handelt, was unmittelbar aus der Natur folgt, so gilt ebenso sicher die Mahnung, die Unser Vorgänger Leo XIII. seligen Angedenkens offen ausgesprochen hat:<ref>Rundschreiben Rerum novarum, 15. Mai 1891.</ref> „Bei der Wahl des Lebensstandes ist es zweifellos dem freien Belieben der einzelnen anheimgestellt, welchem von beiden sie den Vorzug geben wollen: dem Rat Christi folgend jungfräulich zu leben oder sich durch Eingehen der Ehe zu binden. Kein menschliches Gesetz vermag das naturhafte und ursprüngliche Recht zur Ehe dem Menschen zu nehmen oder den von Gott im Anfang bestimmten Hauptzweck der Ehe zu beschränken: ‚Wachset und mehret euch’<ref>{{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 1{{#if:28|,28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>.“

10 So wird also die heilige Gemeinschaft der wahren Ehe gleichzeitig durch Gottes und des Menschen Willen begründet: Aus Gott ist die Einsetzung der Ehe, aus ihm sind ihre Zwecke, ihre Gesetze, ihre Segensgüter. Von den Menschen aber stammt mit Gottes Hilfe und Gnade durch edelmütige Hingabe des eigenen Ich an den andern für die ganze Lebensdauer die einzelne Ehe mit den von Gott gesetzten Pflichten und dem von ihm verheißenen Segen.  

I. Die wesentlichen Güter der Ehe

 

1. Die drei Güter der Ehe nach Augustinus

  11 Wenn Wir nun, Ehrwürdige Brüder, Uns anschicken, die Segensgüter, die Gott in die wahre Ehe hineingelegt hat, darzulegen, so kommen Uns die Worte des gefeierten Kirchenlehrers in den Sinn, dessen fünfzehnhundertjährigen Todestag Wir noch vor kurzem durch Unser Rundschreiben „Ad salutem“<ref>Rundschreiben Ad salutem, 20. April 1930.</ref> festlich begangen haben: „Das alles“, so sagt Augustinus, „sind Güter, um derentwillen die Ehe selbst gut ist: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament“.<ref>S. Augustin., De bono coniugali XXIV 32.</ref> Inwiefern diese drei Worte eine klare und erschöpfende Zusammenfassung der gesamten Lehre über die christliche Ehe bieten, setzt der heilige Kirchenlehrer auseinander, wenn er schreibt: „Die Treue will besagen, dass nicht außerhalb des Ehebundes mit einem anderen oder einer anderen Verkehr gepflegt werde. Die Nachkommenschaft, dass das Kind mit Liebe entgegengenommen, mit herzlicher Güte gepflegt und gottesfürchtig erzogen werde. Das Sakrament endlich, dass die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene nicht einmal, um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem anderen eine Verbindung eingehe. Das hat als Grundsatz der Ehe zu gelten, durch das die naturgewollte Fruchtbarkeit geadelt und zugleich das verkehrte Begehren in den rechten Schranken gehalten werde.“<ref>S. Augustin., De gen. ad litteram IX 7, n.12.</ref>  

2. Das erste Gut der Ehe: die Kinder

a) Die Fortpflanzung als natürlicher und übernatürlicher Auftrag der Ehe

  12 Die erste Stelle unter den Gütern der Ehe nimmt also das Kind ein. In der Tat, so hat es der Schöpfer des Menschengeschlechtes, der sich in seiner Güte zur Weitergabe des Lebens der Menschen als seiner Gehilfen bedienen wollte, selbst gelehrt, indem er im Paradies bei der Einsetzung der Ehe zu den Stammeltern, und in ihnen zu allen künftigen Gatten, sprach: „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde.“<ref>{{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 1{{#if:28|,28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> In diesem Sinne erklärt der hl. Augustinus die Worte des hl. Apostels Paulus an Timotheus<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 15{{#if:14|,14}} Tim%2015{{#if:14|,14}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%2015{{#if:14|,14}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>, wenn er schreibt: „Dass die Ehe geschlossen wird, um neues Leben zu wecken, dafür ist das Wort des Apostels Zeuge: Ich will, dass die jüngeren [Witwen] heiraten.. Und als ob ihm jemand entgegenhielte, warum denn?, fügte er sogleich bei: Um Kindern das Leben zu geben, um Familienmütter zu sein.“<ref>S. Augustin., De bono coniugali XXIV 32.</ref>

13 Welch eine Wohltat Gottes und welch ein Ehesegen das Kind ist, erhellt aus der Würde und dem hohen Ziel des Menschen. Der Mensch überragt ja schon durch seine bloße Vernunft die ganze übrige sichtbare Schöpfung. Hierzu kommt noch, dass Gott die Menschen werden lässt, nicht nur damit sie da sind und die Erde erfüllen, sondern noch viel mehr, damit sie Verehrer des wahren Gottes seien, ihn erkennen und lieben und sich dereinst im Himmel seines beseligenden Besitzes ewig erfreuen. Dieses Endziel überragt infolge der wunderbaren Erhebung des Menschen durch Gott in die Ordnung der Übernatur alles, was ein Auge gesehen, ein Ohr gehört hat und in eines Menschen Herz gedrungen ist.<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Paulus an die Korinther | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: 1 Kor|1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 1 Kor |1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 2{{#if:9|,9}} Kor%202{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%202{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Daraus erhellt also ohne weiteres, welch ein Geschenk der Güte Gottes, welch ausgezeichnete Frucht der Ehe das Kind ist, das sein Dasein der Allmacht Gottes und der Mitwirkung der Ehegatten verdankt.

14 Die christlichen Eltern mögen außerdem bedenken, dass es nicht nur ihre Aufgabe ist, für die Erhaltung und Ausbreitung des Menschengeschlechtes auf Erden zu sorgen, ja nicht einmal nur, irgendwelche Verehrer des wahren Gottes heranzuziehen, sondern der Kirche Christi Nachkommenschaft zuzuführen, die Mitbürger der Heiligen und die Hausgenossen Gottes<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:19|,19}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> zu mehren, damit das dem Dienste Gottes und unseres Erlöser geweihte Volk von Tag zu Tag zunehme. Denn wenn nun auch die christlichen Eltern, so sehr sie selbst im Gnadenstande sein mögen, die heiligmachende Gnade nicht an ihr Kind weitergeben können, die naturhafte Weckung neuen Lebens im Gegenteil zum Todespfand geworden ist, auf dem die Erbschuld auf die Kinder übergeht, so haben sie doch etwas von der Ehe, wie sie ursprünglich im Paradiese war; denn ihre Aufgabe ist es, ihr eigenes Kind der Kirche darzubringen, damit es von dieser überaus fruchtbaren Mutter der Kinder Gottes durch das Bad der Taufe zur übernatürlichen Gerechtigkeit wiedergeboren und ein lebendiges Glied Christi, des unsterblichen Lebens teilhaft und endlich ein Erbe der ewigen Herrlichkeit werde, nach der wir alle aus tiefster Seele verlangen.

15 Wenn das eine wahrhaft christliche Mutter beherzigt, so wird ihr klar werden, dass von ihr in einem höheren und überaus trostreichen Sinne jenes Wort unseres Erlösers gilt: „Sobald die Mutter ... das Kind geboren hat, gedenkt sie nicht mehr ihrer Schmerzen vor Freude, dass ein Mensch zur Welt geboren ist.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 16{{#if:21|,21}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Sie wird sich über alles Leid des Mutterberufes, über alle seine Sorgen und Lasten emporheben und mit viel mehr Recht und in weit erhabenerem Sinne als jene edle Römerin, die Mutter der Gracchen, sich im Herrn einer blühenden Kinderschar rühmen. Und beide Gatten werden die Kinder, die sie bereitwillig und dankbaren Herzens aus der Hand Gottes entgegengenommen haben, als ein ihnen von Gott anvertrautes Talent betrachten, nicht um es zu ihrem eigenen Nutzen, noch auch nur dem des irdischen Vaterlandes zu verwenden, sondern um es am Tage des Gerichtes dem Herrn mit Gewinn zurückzustellen.

b) Der Auftrag der Erziehung

  16 Mit der Schenkung neuen Lebens ist aber das Gut der Nachkommenschaft noch keineswegs erschöpft. Ein anderes muss noch hinzukommen, nämlich die erforderliche Erziehung des Kindes. Völlig unzureichend hätte ja der allweise Gott für das neugeborene Kind und damit für das ganze Menschengeschlecht gesorgt, wenn er nicht auch das Recht und die Pflicht der Erziehung denen zugewiesen hätte, denen er die Fähigkeit und das Recht der Weckung des Lebens gegeben hat. Es wird wohl niemand übersehen, dass das Kind weder im Bereich des natürlichen und noch viel weniger in dem des übernatürlichen Lebens für sich selber genügend sorgen kann. Es ist im Gegenteil für viele Jahre auf die Hilfe, Unterweisung und Erziehung anderer angewiesen. Es ist aber klar, dass auf Geheiß der Natur und damit Gottes das Recht und die Pflicht der Kindererziehung in erster Linie denen zukommt, die das Werk der Natur durch die Weckung des Lebens begonnen haben, denen es aber durchaus untersagt sein muss, das Angefangene unvollendet liegen zu lassen und es so dem sicheren Verderben preiszugeben. In der Ehe ist nun aber für die so notwendige Erziehung des Kindes aufs allerbeste gesorgt. Denn in ihr stehen die Mühewaltung beider Eltern und ihre gegenseitige Hilfeleistung stets bereit, da die Gatten durch ein unauflösliches Band miteinander verbunden sind.

17 Da Wir aber über die christliche Erziehung der Jugend schon an anderer Stelle ausführlich gehandelt haben<ref>Rundschreiben Divini illius magistri, 31. Dezember 1929.</ref>, wollen Wir alles nochmals mit den Worten des hl. Augustinus zusammenfassen: „Die Nachkommenschaft (will besagen), dass das Kind mit Liebe entgegengenommen ... und gottesfürchtig erzogen werde.“<ref>S. Augustin., De Genesi ad litteram IX 7, n.12.</ref> Genau das gleiche drückt auch das kirchliche Gesetzbuch mit den entscheidenden Worten aus: „Der Hauptzweck der Ehe ist die Zeugung und Erziehung des Kindes.“<ref>CIC, c. 1013 § 1.</ref>

c) Die Zeugung des Lebens als ausschließliches Recht der Ehe

  18 Wegen der hohen Würde und Bedeutung des zweifachen Amtes, das den Eltern zum Besten des Kindes übertragen ist, darf schließlich nicht mit Stillschweigen übergangen werden, dass nach dem Willen des Schöpfers und dem Gesetz der Natur jeder Gebrauch der Fähigkeit, die Gott zur Weckung neuen Lebens gegeben hat, seine Sittengemäßheit vorausgesetzt, das ausschließliche Recht, und zwar ein Vorrecht der Ehe ist und sich unbedingt innerhalb ihrer geheiligten Schranken halten muss.

3. Das Gut der Treue

a) Die eheliche Treue als in Gott begründetes Band der Zusammengehörigkeit

  19 Das zweite Gut der Ehe, das der hl. Augustinus, wie Wir sagten, anführt, ist die Treue. Sie besteht in der gewissenhaften Einhaltung des Ehevertrages durch beide Gatten, so dass, was durch den vom göttlichen Gesetz besiegelten Vertrag nur dem Partner zusteht, weder diesem verweigert noch einem Dritten zugestanden und dass ferner nicht dem eigenen Gatten gestattet wird, was dem göttlichen Recht und Gesetz zuwiderläuft, mit der ehelichen Treue unvereinbar ist und deshalb niemals erlaubt sein kann.

b) Die aus dem Gut der Treue sich ergebenden Forderungen

Die vollkommene Einehe

  20 Daher verlangt die eheliche Treue an erster Stelle unbedingt die Einehe, wie sie der Schöpfer in dem Urbild aller Ehen, der Ehe der Stammeltern, vorgebildet hat. Sie war ja nach seinem Willen eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau. Allerdings hat Gott später als oberster Gesetzgeber das Grundgesetz zeitweilig in etwa gemildert.  Indes besteht kein Zweifel, dass das Gesetz Christi die ursprüngliche vollkommene Einehe in ihrer Unversehrtheit wiederhergestellt und jegliche Dispens aufgehoben hat, wie dies die Lehre Christi und die ständige Lehre und Praxis der Kirche mit voller Deutlichkeit zeigen. Das Hl. Konzil von Trient<ref>Conc. Trid., Sess. XXIV.</ref> hat also vollkommen recht, wenn es bekennt: „dass durch dieses Band nur zwei vereinigt und verbunden werden, hat Christus der Herr nur zu deutlich in den Worten gelehrt: ‚Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 19{{#if:6|,6}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>“

Die Einheit im Denken und Wollen

  21 Aber Christus der Herr wollte nicht nur jede Form der sogenannten Polygenie und Polyandrie, der aufeinanderfolgenden wie der gleichzeitigen, verworfen wissen und ebenso jedes andere unehrbare Tun, sondern er hat sogar, um das umhegte Heiligtum der Ehe vor jeder Schändung zu schützen, auch alle dahingehenden freiwilligen Gedanken und Begierden verboten: „Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, hat schon in seinem Herzen die Ehe mit ihr gebrochen.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 5{{#if:28|,28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Diese Worte Christi des Herrn kann nicht einmal die Zustimmung des anderen Gatten entkräften. Denn sie enthalten ein Gesetz Gottes und der Natur, das kein Menschenwille jemals zu biegen oder zu brechen vermag.<ref>Vgl. Dekret des Hl. Offiziums, 2. März 1679, prop. 50.</ref>

Die eheliche Keuschheit

  22 Damit aber die Treue im vollen Glanz erstrahle, muss auch der vertraute Verkehr der Gatten untereinander das Gepräge der Keuschheit an sich tragen. Die Eheleute müssen sich also in allem nach den Normen des göttlichen Gesetzes und des Naturgesetzes richten und sich bemühen, den Willen des allweisen und allheiligen Schöpfers immer mit großer Ehrfurcht vor Gottes Werk zu befolgen.  

Gegenseitige Stützung in Liebe im Sinne des christlichen Vollkommenheitsideals

  23 Aber es gibt noch ein anderes, das in seiner Erhabenheit die Treue der Keuschheit, wie sie vom hl. Augustinus so treffend genannt wird, leichter, lieblicher und anziehender macht und ihr einen neuen Adel verleiht: die Gattenliebe, die alle Pflichten des Ehelebens durchdringt und in der christlichen Ehe sozusagen eine besondere Würde und Vorrangstellung einnimmt. „Die eheliche Treue verlangt außerdem, dass Gatte und Gattin durch eine besondere, reine, heilige Liebe miteinander verbunden sind; dass sie sich nicht lieben wie solche, die keine Ehetreue kennen, sondern wie Christus seine Kirche geliebt hat. Denn diese Norm hat der Apostel aufgestellt, da er sagte: ‚Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie auch Christus seine Kirche geliebt hat.’<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:25|,25}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 3{{#if:19|,19}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Er hat sie sicher mit einer unendlichen Liebe umfasst, nicht um des eigenen Nutzens und Vorteils willen, sondern weil er nur das Wohl seiner Braut im Auge hatte.“<ref>Catech. Rom., II, cap. VIII, q.24.</ref> Wir meinen also eine Liebe, die nicht nur auf körperlich bedingter, rasch schwindender Sympathie, noch auf bloßen Schmeichelworten, sondern in der tiefen Zuneigung der Seelen gegründet ist und sich auch im Werke erprobt, denn die Erprobung der Liebe ist die Tat.<ref>Vgl. Gregor der Große, Homil XXX in Evang. Joh. XIV (23-31) n.1.</ref> Diese Tat bedeutet aber in der Familiengemeinschaft nicht nur die gegenseitige Hilfeleistung. Sie muss auch, und zwar in erster Linie, darauf abzielen, dass die Gatten einander behilflich seien, den inneren Menschen immer mehr zu gestalten und zu vollenden. So sollen sie durch ihre Lebensgemeinschaft in den Tugenden immer größere Fortschritte machen, vor allem in der wahren Gottes- und Nächstenliebe wachsen, in der schließlich doch „das ganze Gesetz und die Propheten bestehen.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 22{{#if:40|,40}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Nun ist das allein gültige Vorbild aller Heiligkeit, das Gott für alle Menschen hingestellt hat, Christus der Herr. Ihn können und müssen alle, gleichgültig, wessen Standes und Berufes sie sind, nachahmen und mit Gottes Hilfe nach dem Beispiel seiner Heiligen zum Gipfel der christlichen Vollkommenheit gelangen.

24 Die gegenseitige innere Formung der Gatten, das beharrliche Bemühen, einander zur Vollendung zu führen, kann man, wie der Römische Katechismus<ref>Vgl. Catech. Rom., II, cap. VIII, q.13.</ref> lehrt, sogar sehr wahr und richtig als Hauptgrund und eigentlichen Sinn der Ehe bezeichnen. Nur muss man dann die Ehe nicht im engeren Sinne als die Einrichtung zur Zeugung und Erziehung des Kindes, sondern im weiteren als volle Lebensgemeinschaft fassen.

25 Die Liebe muss ebenfalls alle anderen Rechte und Pflichten des Ehelebens beherrschen, so dass es nicht allein eine Rechtssatzung ist, sondern auch als Norm der Liebe gelten möge, was der Apostel sagt: „Der Gattin leiste der Gatte die Pflicht; in gleicher Weise aber auch die Gattin dem Gatten.“<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an die Korinther | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: 1 Kor|1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 1 Kor |1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 7{{#if:3|,3}} Kor%207{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%207{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Die Hierarchie der Liebe, die notwendige Über- und Unterordnung

  26 In der Familiengemeinschaft, deren festes Gefüge so die Liebe ist, muss dann auch die Ordnung der Liebe, wie es der hl. Augustinus nennt, zur Geltung kommen. Sie besagt die Überordnung des Mannes über Frau und Kinder und die willfährige Unterordnung, den bereitwilligen Gehorsam von seiten der Frau, wie ihn der Apostel mit den Worten empfiehlt: „Die Frauen sollen ihren Männern untertan sein wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist.“<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:22-23|,22-23}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

27 Die Unterordnung der Gattin unter den Gatten leugnet und beseitigt nun aber nicht die Freiheit, die ihr auf Grund ihrer Menschenwürde und der hehren Aufgabe, die sie als Gattin, Mutter und Lebensgefährtin hat, mit vollem Recht zusteht. Sie verlangt auch nicht von ihr, allen möglichen Wünschen des Mannes zu willfahren, die vielleicht unvernünftig sind oder der Frauenwürde weniger entsprechen. Sie ist endlich nicht so zu verstehen, als ob die Frau auf einer Stufe stehen sollte mit denen, die das Recht als Minderjährige bezeichnet und denen es wegen mangelnder Reife und Lebenserfahrung die freie Ausübung ihrer Rechte nicht zugesteht. Was sie aber verbietet, ist Ungebundenheit und übersteigerte Freiheit ohne Rücksicht auf das Wohl der Familie. Was sie verbietet, das ist, im Familienkörper das Herz vom Haupt zu trennen zu größtem Schaden, ja mit unmittelbarer Gefahr seines völligen Untergangs. Denn wenn der Mann das Haupt ist, dann ist die Frau das Herz, und wie er das Vorrecht der Leitung, so kann und soll sie den Vorrang der Liebe als ihr Eigen- und Sonderrecht in Anspruch nehmen.

28 Grad und Art der Unterordnung der Gattin unter den Gatten können sodann verschieden sein je nach den verschiedenen persönlichen, örtlichen und zeitlichen Verhältnissen. Wenn der Mann seine Pflicht nicht tut, ist es sogar die Aufgabe der Frau, seinen Platz in der Familienleitung einzunehmen. Aber den Aufbau der Familie und ihr von Gott selbst erlassenes und bekräftigtes Grundgesetz einfachhin umzukehren oder anzutasten, ist nie und nirgends erlaubt.

29 Das Verhältnis zwischen Mann und Frau drückt Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Leo XIII., mit folgenden Worten tiefer Weisheit aus: „Der Mann ist der Herr in der Familie und das Haupt der Frau. Sie aber, da sie Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein ist, soll dem Mann untertan sein und gehorchen, nicht nach Art einer Dienerin, sondern einer Gefährtin. Dann wird die Leistung des Gehorsams weder ihrer Ehre noch ihrer Würde zu nahe treten. In dem aber, der befiehlt, wie in der, die gehorcht, in ihm als dem Abbild Christi, in ihr als dem der Kirche, soll die Gottesliebe Maß und Art von Amt und Pflicht beider bestimmen.“<ref>Rundschreiben Arcanum divinae sapientiae, 10. Februar 1880.</ref>

Zusammenfassung

  30 Das ist es, was in der Ehetreue enthalten ist: Einheit und Keuschheit, Liebe und Gehorsam, der ehrt und adelt. Soviel Namen, soviel Segensquellen für die Eheleute und den Ehestand, aus denen dauernder Friede, Würde und Glück der Ehe in reichstem Maße zuströmen. Kein Wunder daher, dass die Treue immer unter die vortrefflichsten und der Ehe eigentümlichsten Güter gerechnet worden ist.

4. Das Gut des Sakramentes

  31 Die Fülle dieser Wohltaten erhält aber ihre Vollendung und Krönung durch jenes Segensgut der christlichen Ehe, das Wir mit dem hl. Augustinus „Sakrament“ genannt haben. Es bezeichnet die Unauflöslichkeit des Ehebandes und die Erhebung und Weihe des Ehevertrages durch Christus zu einem wirksamen Zeichen der Gnade.

a) Die Unauflöslichkeit der Ehe

  32 Was zunächst die Unauflöslichkeit des Ehebundes betrifft, so betont sie Christus selbst mit den eindringlichen Worten: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 19{{#if:6|,6}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Und weiter: „Ein jeder, der seine Gattin entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und wer die vom Gatten Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 16{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

33 In die Unauflöslichkeit der Ehe verlegt der hl. Augustinus mit klaren Worten das, was er das Gut des Sakramentes nennt: „Das Sakrament (besagt), dass die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene, nicht einmal um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem andern eine Verbindung eingehe.“<ref>S. Augustin., De Genesi ad litteram IX 7, n.12.</ref>

34 Die unantastbare Festigkeit eignet jeder wahren Ehe, wenngleich nicht allen im gleichen und höchsten Grade der Vollkommenheit. Denn das Wort des Herrn: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 19{{#if:6|,6}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>, ist von der Ehe der Stammeltern, dem Ur- und Vorbild jeder zukünftigen Ehe gesagt und muss folgerichtig von allen wahren Ehen ohne Ausnahme gelten. Mag also auch vor Christus die unnahbare Strenge des paradiesischen Gesetzes so sehr gemildert worden sein, dass Moses sogar dem auserwählten Volk Gottes wegen seiner Herzenshärte erlauben durfte, aus bestimmten Gründen einen Scheidungsbrief auszustellen, so hat jedenfalls Christus kraft seiner höchsten Gesetzgebungsgewalt die zugestandene größere Freiheit widerrufen und das paradiesische Grundgesetz in seiner vollen Unversehrtheit wiederhergestellt durch jene nie zu vergessenden Worte: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Darum sagt Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Pius VI., in seinem Schreiben an den Bischof von Erlau sehr weise: „Daraus erhellt ganz klar, dass die Ehe schon im Naturzustand, also lange bevor sie zur Würde eines eigentlichen Sakramentes erhoben wurde, von Gott so gestaltet war, dass sie ein unauflösliches Band auf Lebensdauer in sich begreift, ein Band, das infolgedessen durch kein weltliches Gesetz gelöst werden kann. Mag sich daher auch die sakramentale Natur von der Ehe trennen lassen, wie z.B. bei den Ehen zwischen Ungetauften, so muss doch auch bei einer solchen Ehe, die eine wahre Ehe ist, bestehen bleiben und besteht tatsächlich die Verbindung auf Lebenszeit. Denn sie ist von Urbeginn nach göttlichem Recht derart mit der Ehe verwachsen, dass sie keiner weltlichen Gewalt unterliegt. Das ist so wahr, dass immer, wenn von Eheabschluss die Rede ist, entweder so abgeschlossen wird, dass tatsächlich eine wahre Ehe besteht: dann begreift sie aber auch jene nach göttlichem Recht mit jeder wahren Ehe verknüpfte Bindung auf Lebenszeit in sich; oder man muss annehmen, dass ohne jene Bindung auf Lebenszeit abgeschlossen wird: dann liegt auch keine Ehe vor, sondern eine unerlaubte, dem göttlichen Gesetz innerlich widerstreitende Verbindung. Eine solche darf man natürlich nicht eingehen und erst recht nicht beibehalten.“<ref>Pius VI., Rescript. Ad Episc. Agriens., 11. Juli 1789.</ref>

35 Die Festigkeit des Ehebandes scheint nun freilich Ausnahmen zuzulassen, wenn auch nur in ganz seltenen Fällen, wie z.B. in gewissen Ehen, die nur Naturchen zwischen Nichtgetauften sind, oder in Ehen unter Christen, die geschlossen, aber noch nicht vollzogen sind. Diese Ausnahmen leiten jedoch ihre Gültigkeit nicht von Menschenwillen oder von irgend einem rein menschlichen, sondern vom göttlichen Recht her, dessen ausschließliche Hüterin und Deuterin die Kirche ist. Aber keine derartige Vollmacht wäre je aus irgend einem Grund anwendbar auf die christlich geschlossene und vollzogene Ehe. Denn wie in ihr das eheliche Verhältnis voll und ganz zur Auswirkung kommt, so spiegelt sie auch die von Gott gewollte und durch keines Menschen Autorität zu lockernde unbedingte Festigkeit und Unauflöslichkeit wider.

36 Wenn Wir, ehrwürdige Brüder, den inneren Grund des sich hier offenbarenden göttlichen Willens in Ehrfurcht erforschen wollen, so finden Wir ihn unschwer in der übernatürlich geheimnisvollen Bedeutung, die der christlichen Ehe zukommt und sich in ihr, der christlichen und auch vollzogenen Ehe, ganz und vollkommen bewahrheitet. Denn nach dem Zeugnis des Apostels in seinem schon am Anfang angedeuteten Brief an die Epheser<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:32|,32}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> ist die christliche Ehe ein Sinnbild der vollkommenen Einheit zwischen Christus und der Kirche: „Dieses Sakrament ist groß, ich sage aber in Christus und seiner Kirche.“ Diese Einheit kann, solange Christus lebt und durch ihn seine Kirche, niemals durch irgendeine Trennung gelöst werden. Das sagen auch ausdrücklich die folgenden Worte des hl. Augustinus: „Das ist in Christus und der Kirche sichergestellt, dass sie, lebend mit dem, der in Ewigkeit lebt, durch keine Scheidung von ihm getrennt werden kann. Die Ehrfurcht vor diesem Geheimnis ist im Reiche unseres Gottes, d.h. in der Kirche Christi ..., so groß, dass auch in den Fällen, wo die Frauen nur der Nachkommenschaft wegen heiraten oder geheiratet werden, es nicht erlaubt ist, die unfruchtbare Gattin zu verlassen, um eine andere, fruchtbare, zu heiraten. Wenn das aber doch jemand tut, dann ist er des Ehebruchs schuldig, nicht zwar nach irdischem Gesetz (das erlaubt ja nach vollzogener Scheidung straflos eine neue Ehe; und der Herr sagt, dass es auch Moses den Israeliten wegen ihrer Herzenshärte erlaubt habe), wohl aber nach dem Gesetz Christi, wie auch sie des Ehebruchs schuldig ist, wenn sie eines anderen Gattin wird.“<ref>S. Augustin., De nupt. et concup. I 10.</ref>

37 Welch ein reicher Segen aus der Unauflöslichkeit der Ehe erfließt, kann niemandem entgehen, der auch nur flüchtig an das Glück der Ehegatten und Kinder sowie an das allgemeine Wohl der menschlichen Gesellschaft denkt. Zunächst besitzen die Gatten in der Festigkeit des Ehebandes ein sicheres Unterpfand dauerhafter und bleibender Lebensgemeinschaft, und ein solches verlangt naturhaft und dringend die edelmütige Hingabe der eigenen Persönlichkeit und die innige Verschmelzung der Herzen. Denn die Liebe kennt keine Grenzen und kein Ende.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an die Korinther | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: 1 Kor|1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 1 Kor |1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 13{{#if:8|,8}} Kor%2013{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%2013{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Dann wird durch die Treue in der Keuschheit gegen innere und äußere Verlockungen zur Untreue eine starke Schutzwehr errichtet. Der ängstlichen Besorgnis, dass der Gatte vielleicht doch beim Hereinbrechen von Unglück oder im Alter weggehen werde, ist damit Tür und Tor geschlossen und an ihre Stelle tritt die Ruhe des sicheren Besitzes. Ferner ist für die Menschenwürde der Gatten und für die Aufgabe gegenseitiger Hilfeleistung aufs beste Vorsorge getroffen; denn das unauflösliche und lebenslängliche Eheband erinnert sie ununterbrochen daran, dass sie sich nicht vergänglicher Dinge wegen oder um den Sinnen zu dienen, sondern um sich gegenseitig zu höheren und unvergänglichen Gütern zu helfen, die Hand zum Ehebund gereicht haben, zum Ehebund, den nur der Tod auflösen kann. Auch der Schutz und die Erziehung der Kinder, die ja viele Jahre beanspruchen, sind so aufs beste gewährleistet; denn mit vereinten Kräften können die Eltern die drückende und langwierige Last ihres Elternamtes leichter tragen. Nicht minder wertvoll sind die Segensgüter, die der ganzen menschlichen Gesellschaft aus der unerschütterlichen Festigkeit der Ehe erwachsen. Sie ist, das weiß man aus Erfahrung, eine überreiche Quelle ehrbaren Wandels und reiner Sitte. Wo ihr Bestand gesichert ist, da steht es auch gut um das öffentliche Wohl des Gemeinwesens. Denn der Staat ist so, wie die Familien und Einzelmenschen sind, aus denen er wie der Körper aus den Gliedern zusammengesetzt ist. Wer also die unantastbare Festigkeit der Ehe mit Entschiedenheit verteidigt, erwirbt sich um das Glück der Ehegatten und Kinder im einzelnen wie um das allgemeine Wohl der menschlichen Gesellschaft die größten Verdienste.

b) Die Ehe als Quelle der Gnade

  38 Außer der unlösbaren Festigkeit enthält jedoch das Gut des Sakramentes noch viel erhabenere, durch das Wort „Sakrament“ sehr treffend bezeichnete Werte. Den Christen ist das Wort ja kein leerer Name: Christus der Herr, der Stifter und "Vollender“ der verehrungswürdigen Sakramente, hat die Ehe seiner Gläubigen zu einem wahren und eigentlichen Sakrament des Neuen Bundes erhoben und sie in Wirklichkeit zum Zeichen und zur Quelle der besonderen inneren Gnade gemacht, durch die er die ihr innewohnende natürliche Liebe vervollkommnen, die untrennbare Einheit festigen und die Gatten heiligen wollte.<ref>Conc. Trid., Sess. XXIV.</ref>

39 Und weil Christus gerade den gültigen Ehevertrag zwischen Gläubigen zum sakramentalen Gnadenzeichen bestimmt hat, ist das Wesen des Sakramentes mit der christlichen Ehe so innig verbunden, dass es zwischen Getauften keine wahre Ehe geben kann, „die nicht zugleich Sakrament wäre.“<ref>CIC, c.1012.</ref>

40 Die Gläubigen öffnen sich deshalb von selbst dadurch, dass sie sich aufrichtigen Sinnes das Jawort geben, die Schatzkammer der sakramentalen Gnade, um daraus die übernatürlichen Kräfte zu schöpfen, die sie befähigen, ihre Pflichten und Aufgaben treu, heilig und beharrlich bis zum Tode zu erfüllen.

41 In denen, die dem Sakrament der Ehe kein sogenanntes Hindernis entgegenstellen, vermehrt es nicht nur das bleibende Prinzip des übernatürlichen Lebens, die heiligmachende Gnade, es verleiht überdies besondere Gaben, Antriebe zum Guten und Gnadenkeime, es erhebt und vervollkommnet die natürlichen Kräfte, so dass die Ehegatten die Aufgaben, Zwecke und Pflichten des Ehestandes nicht nur verstandesmäßig, sondern ebenso innerlich in seelischer Erfahrung erfassen, beharrlich festhalten, ernstlich wollen und im Werk vollbringen können. Das Sakrament verleiht ihnen endlich das Recht auf wirksame Gnadenhilfe, so oft sie deren zur Erfüllung ihrer Standespflichten bedürfen.

42 Nun gilt aber in der übernatürlichen Ordnung das Gesetz der göttlichen Vorsehung, dass die Menschen aus den Sakramenten, die sie nach erlangtem Gebrauch der Vernunft empfangen, die volle Frucht nur bei persönlichem Mitwirken mit der Gnade schöpfen können. Die Ehegnade wird deshalb zu einem großen Teil ein ungenütztes, im Acker vergrabenes Talent bleiben, wenn die Ehegatten nicht die übernatürlichen Kräfte in die Tat umsetzen und die in sie gelegten Gnadenkeime pflegen und zur Entfaltung bringen. Wenn sie aber tun, was an ihnen ist, und mit der Gnade eifrig mitwirken, dann werden sie die ehelichen Lasten tragen, ihre Ehepflichten erfüllen können und durch das erhabene Sakrament innerlich stark, geheiligt und in gewissem Sinne übernatürlicher Weihe teilhaftig sein. Wie nämlich nach der Lehre des hl. Augustinus der Mensch durch die Taufe und Priesterweihe zu einem christlichen Leben und zu den priesterlichen Amtshandlungen bestimmt und befähigt wird und ihm die sakramentale Hilfe nie fehlt – in beinahe derselben Weise (wenn auch nicht auf Grund eines sakramentalen Charakters) können die durch das Eheband vereinigten Gläubigen der sakramentalen Hilfe und Bindung nie mehr verlustig gehen. Ja sogar nach dem Ehebruch, so fügt der genannte heilige Kirchenlehrer bei, tragen sie noch jenes heilige Band, jetzt freilich nicht mehr als Ehrenmal der Gnade, sondern als Schandmal der schweren Verfehlung, „geradeso wie die abtrünnige Seele, die von der bräutlichen Vereinigung mit Christus zurücktritt, auch nach dem Verlust des Glaubens das sakramentale Merkmal nicht verliert, das sie im Bade der Wiedergeburt empfangen hat.“<ref>S. Augustin., De nupt. et concup. I 10.</ref>

43 Die Ehegatten aber mögen, durch das goldene sakramentale Band nicht gefesselt, sondern geschmückt, nicht gehemmt, sondern gestärkt, mit allen Kräften danach streben, dass ihre Ehe nicht nur durch die Kraft und den geheimnisvollen Sinn des Sakramentes, sondern ebenso durch ihre Gesinnung und ihr tugendhaftes Leben immer ein lebendiges Bild der überaus fruchtbaren Verbindung Christi mit der Kirche sei und bleibe, jener Verbindung, die in Wahrheit das verehrungswürdige Geheimnis der Vollendung der Liebe ist.

5. Abschließende Würdigung der Güter der Ehe

  44 Wenn man dies alles, Ehrwürdige Brüder, aufmerksam und mit lebendigem Glauben erwägt, wenn die hehren und erhabenen Güter der Ehe: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament, lichtvoll dargetan werden, dann muss jeder Gottes Weisheit, Heiligkeit und Güte bewundern, des Gottes, der für die Würde und das Glück der Ehegatten wie für die Erhaltung und Fortpflanzung des Menschengeschlechtes einzig und allein mittels der reinen und heiligen Gemeinschaft des Ehebundes überreichlich Sorge getragen hat.

II. Die Verkennung der göttlichen Institution der Ehe

 

1. Die zahlreichen Methoden der Herabwürdigung der Ehe

  45 Wenn Wir so, Ehrwürdige Brüder, die ganze Erhabenheit der reinen Ehe erwägen, dann muss sich Unser Schmerz um so mehr steigern, als Wir sehen, wie diese göttliche Einrichtung gegenwärtig der Verachtung und Erniedrigung preisgegeben ist.

46 Nicht mehr bloß im Geheimen und Dunkeln, sondern vor aller Öffentlichkeit, ohne jedes Schamgefühl, in Wort und Schrift, in Schauspielen jeder Art, in Romanen, Liebesgeschichten und Satiren, in Kinodarstellungen, in Rundfunkvorträgen, kurz, mit allen Erfindungen der Neuzeit wird die Heiligkeit der Ehe in den Staub gezogen oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Ehescheidungen, Ehebruch und die schimpflichsten Laster werden verherrlicht oder wenigstens in schillernden Farben dargestellt, als ob sie von jeglicher Schuld und Schande frei wären. Es fehlt auch nicht an Büchern, die in Wirklichkeit nicht selten nur den äußeren Schein der Wissenschaft haben, die man aber ungescheut als wissenschaftlich anpreist, damit sie um so leichter Eingang finden. Die darin vertretenen Lehren werden als die höchsten Errungenschaften des modernen Geistes angepriesen, jenes Geistes, der, einzig auf die Wahrheit bedacht, sich von allen angeblichen Vorurteilen der Alten frei gemacht habe und der dann unter diese veralteten Anschauungen auch die ererbte christliche Lehre von der Ehe rechnet und sie dahin verweist.

47 Diese Lehren träufeln sie allen Menschenklassen ein, Reichen und Armen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Gebildeten und Ungebildeten, Ledigen und Verheirateten, Gottesfürchtigen und Gotteshassern, Erwachsenen und Jugendlichen, ja den Jugendlichen an erster Stelle; denn da sie sich in ihrer Unerfahrenheit am leichtesten umgarnen lassen, werden gerade ihnen die verfänglichsten Schlingen gelegt.

48 Zwar lassen sich nicht alle Vertreter der neuen Lehren zu den letzten Folgerungen einer ungezügelten Leidenschaft fortreißen. Einige suchen gleichsam auf halbem Weg stehen zu bleiben und meinen, nur in gewissen Punkten des Gesetzes Gottes und der Natur müsse man der heutigen Zeit einige Zugeständnisse machen. Aber auch sie sind, mehr oder weniger bewusst, Sendlinge jenes unerbittlichen Feindes, der Unkraut unter den Weizen zu säen sucht.<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 13{{#if:25|,25}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Wir, die der Hausvater zu Wächtern seines Ackers bestellt hat mit dem heiligen und dringenden Auftrag, zu verhüten, dass der gute Same von giftigem Unkraut erstickt werde, Wir glauben jene ernsten Worte vom Heiligen Geist an Uns gerichtet, mit denen der Apostel Paulus seinen geliebten Jünger Timotheus ermahnte: „Du aber sei wachsam ... Tue, was deines Amtes ist! ... Predige das Wort, dringe darauf, es komme gelegen oder ungelegen, halte die Wahrheit vor, beschwöre, strafe in aller Geduld und Unterweisung.“<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an Timotheus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: 2 Tim|2 Tim|2. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 2 Tim |2 Tim|2. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 4{{#if:2-5|,2-5}} Tim%204{{#if:2-5|,2-5}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%204{{#if:2-5|,2-5}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

49 Um aber die Fallstricke des bösen Feindes meiden zu können, ist es zunächst nötig und nützlich, sie den Harmlosen aufzudecken und aufzuweisen. Obwohl Wir diese Dinge nicht einmal nennen möchten, wie es sich für die Heiligen geziemt<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:3|,3}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>, so können Wir sie doch um des Heiles und Nutzens der Seele willen nicht völlig mit Schweigen übergehen.

2. Die Quelle des Irrtums: die Auffassung der Ehe als rein menschlicher Institution

  50 Beginnen Wir mit dem Ursprung dieser Übel. Ihre Hauptwurzel liegt darin, dass man behauptet, die Ehe sei weder von dem Schöpfer der Natur eingesetzt noch von Christus dem Herrn zur Würde eines wahren Sakramentes erhoben worden, sie sei vielmehr eine Erfindung der Menschen. Nach der Aussage einiger findet sich in der Natur und in ihren Gesetzen nichts von einer Ehe, sondern nur die Fähigkeit, Leben zu geben, und der heftige Trieb, sie mit Befriedigung zu betätigen. Andere geben zu, dass sich in der menschlichen Natur Ansätze und Keime zu einer wahren Ehegemeinschaft finden, insofern als für die Würde der Gatten und den natürlichen Zweck der Erzeugung und Erziehung der Nachkommenschaft nicht genügend gesorgt wäre, wenn die Menschen nicht durch ein dauerndes Band zusammengehalten würden. Aber auch sie lehren, dass die Ehe selbst, weil über diese keimhafte Anlage hinausgehend, nur vom Menschengeist erdacht, nur durch den Willen der Menschen eingeführt worden sei, wenn dabei auch mancherlei Ursachen mitgewirkt haben mögen.

51 Wie sehr sie alle jedoch irren und wie schmachvoll sie von dem, was ehrbar ist, abweichen, erhellt schon zur Genüge aus allem, was Wir über den Ursprung und die Natur der Ehe, über deren Zweck und die ihr innewohnenden Güter in diesem Schreiben auseinandergesetzt haben. Aber die ganze Verderblichkeit dieser Truggebilde erhellt erst recht aus den Folgerungen, welche ihre eigenen Vertreter daraus ziehen. Da die Gesetze, Einrichtungen und Vorschriften zur Regelung des Ehelebens ausschließlich durch den Willen des Menschen geschaffen sind, sollen sie auch ihm allein unterstehen und können und müssen deshalb, nach menschlichem Belieben und je nach den Zeitverhältnissen gegeben, geändert oder ganz abgeschafft werden. Der Geschlechtstrieb aber, weil auf der Natur selbst beruhend, sei etwas Unantastbares und erstrecke sich über die Ehe hinaus. Er könne darum innerhalb und außerhalb der Ehegemeinschaft, auch ohne Rücksicht auf die Ehezwecke, ausgeübt werden, gerade als ob die schimpfliche Ausschweifung der Dirne fast gleichberechtigt wäre mit der keuschen Mutterschaft der rechtmäßigen Gattin.

52 Aus diesen Gedanken heraus sind einige darauf verfallen, neue Verbindungen auszudenken, die ihrer Meinung nach den heutigen Zeitverhältnissen besser entsprechen und die sie als ebenso viele neue Ehearten betrachtet wissen wollen; einige wollen eine „Zeitehe“, andere eine „Versuchsehe“, andere die „Kameradschaftsehe“, der sie alle Rechte und Freiheiten der Ehe zuerkennen, jedoch ohne unauflösliche Verbindung und mit Ausschluss von Nachkommenschaft, es sei denn, dass beide Teile ihre Lebensgemeinschaft in eine vollberechtigte Ehe umwandeln.

53 Es fehlt sogar nicht an solchen, die mit aller Macht auf gesetzliche Anerkennung ihrer Wahngebilde oder wenigstens auf Berücksichtigung in den staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen drängen. Dabei kommt ihnen nicht einmal der Gedanke, dass all dies nichts gemein hat mit moderner Kultur, deren sie sich so gerne rühmen, sondern nichts als verwerflichste Sittenverderbnis ist, die auch ein Kulturvolk zu den barbarischen Sitten und Gebräuchen gewisser wilder Völker zurückführen würde.

3. Die Verkennung der Ehe im Hinblick auf die Güter der Ehe im einzelnen

a) Die Misskennung des ersten Gutes, des Kindes

Der Ehemissbrauch

  54 Aber treten Wir nunmehr, Ehrwürdige Brüder, an die Einzelheiten heran, mit denen man gegen die Güter der Ehe angeht. Das erste dieser Güter ist das Kind. Viele gehen so weit, die Nachkommenschaft eine beschwerliche Ehelast zu nennen und den Rat zu geben, die Eheleute sollten das Kind nicht durch ehrbare Enthaltsamkeit (die mit beiderseitigem Einverständnis auch in der Ehe erlaubt ist), sondern durch Verkehrung des natürlichen Aktes fernhalten. Solche verbrecherische Freiheit nehmen einige für sich in Anspruch, weil sie aus Widerwillen gegen den Kindersegen die Last vermeiden, aber trotzdem die Lust genießen wollen; andere, weil sie angeblich keine Enthaltsamkeit beobachten, aber auch nicht den Kindersegen zulassen können, da es ihre persönlichen Verhältnisse oder die der Mutter oder die schwierige Vermögenslage nicht gestatten.

55 Aber es gibt keinen auch noch so schwerwiegenden Grund, der etwas innerlich Naturwidriges zu etwas Naturgemäßem und sittlich Gutem machen könnte. Da nun aber der eheliche Akt seiner Natur nach zur Weckung neuen Lebens bestimmt ist, so handeln jene, die ihn bei seinem Vollzug absichtlich seiner natürlichen Kraft berauben, naturwidrig und tun etwas Schimpfliches und innerlich Unsittliches.

56 Es ist darum auch nicht zu verwundern, dass die Hl. Schrift bezeugt, die göttliche Majestät hasse und verabscheue solch verwerfliches Tun, ja habe es sogar schon mit dem Tode bestraft. Darauf macht auch der hl. Augustinus aufmerksam, wenn er schreibt: „Unerlaubt und unsittlich ist der eheliche Verkehr selbst mit der rechtmäßigen Gattin, wenn dabei die Weckung neuen Lebens verhütet wird. Das hat Onan, des Judas Sohn, getan, und darum hat ihn Gott getötet.“<ref>S. Augustin., De conugiis adult. II 12; vgl. {{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 38{{#if:8-10|,8-10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; S. Poenitent., 3. April, 3. Juni 1916.</ref>

57 Da nun noch vor kurzem einige in offenkundiger Abweichung von der in ununterbrochener Folge von Anfang an überlieferten christlichen Lehre geglaubt haben, amtlich und feierlich über solches Tun anders lehren zu sollen, erhebt die katholische Kirche, von Gott selbst zur Lehrerin und Wächterin der Unversehrtheit und Ehrbarkeit der Sitten bestellt, inmitten dieses Sittenverfalls, zum Zeichen ihrer göttlichen Sendung, um die Reinheit des Ehebundes von solch schimpflicher Makel unversehrt zu bewahren, durch Unseren Mund laut ihre Stimme und verkündet von neuem: Jeder Gebrauch der Ehe, bei dessen Vollzug der Akt durch die Willkür der Menschen seiner natürlichen Kraft zur Weckung neuen Lebens beraubt wird, verstößt gegen das Gesetz Gottes und der Natur, und die solches tun, beflecken ihr Gewissen mit schwerer Schuld.

58 Kraft Unserer höchsten Autorität und wegen der Uns obliegenden Sorge um das Heil aller Menschen ermahnen wir daher die Beichtväter und die übrigen Seelsorger, die ihnen anvertrauten Gläubigen über dieses schwer verpflichtende göttliche Gesetz nicht im Irrtum zu lassen, noch mehr aber, sich selber von derartigen falschen Meinungen freizuhalten und ihnen nicht aus Schwäche nachzugeben. Sollte aber ein Beichtvater oder Seelenhirte, was Gott verhüte, selber die ihm anvertrauten Gläubigen in solche Irrtümer führen oder durch seine Zustimmung oder durch böswilliges Schweigen sie darin bestärken, so möge er wissen, dass er dereinst Gott, dem höchsten Richter, ernste Rechenschaft über den Missbrauch seines Amtes wird ablegen müssen. Er möge sich das Wort Christi gesagt sein lassen: „Blinde sind sie und Führer von Blinden. Wenn aber ein Blinder einen Blinden führt, fallen beide in die Grube.“<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 15{{#if:14|,14}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; S. theol., 22. November 1922.</ref>

59 Was nun die Gründe betrifft, mit denen man den Ehemissbrauch verteidigt, so werden – um von den unsittlichen ganz zu schweigen – nicht selten erdichtete oder doch übertriebene vorgebracht. Nichtsdestoweniger kennt die heilige Mutter, die Kirche, nur zu gut die wirklichen Gefahren für Gesundheit und Leben der Mutter und fühlt sie tief mit. Wer könnte sie ohne inniges Mitleid überdenken? Wer wird nicht von der höchsten Bewunderung ergriffen, wenn er sieht, wie eine Mutter in wahrem Heldenmut sich dem fast sicheren Tode aussetzt, um dem Kind, das sie unter dem Herzen trägt, das Leben zu erhalten? Was sie alles auf sich nimmt, um allen ihren Mutterpflichten gerecht zu werden, das kann ihr allein der reiche und erbarmungsvolle Gott vergelten und er wird ihr ihren Lohn sicherlich nicht nur in vollem, sondern in überfließendem Maße zukommen lassen.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 6{{#if:38|,38}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

60 Die heilige Kirche weiß ferner sehr gut, dass nicht selten der eine Eheteil das sündige Tun nur leidet, nicht vollbringt, indem er aus gewichtigen Gründen die Verkehrung der rechten Ordnung geschehen lässt, ohne sie selber zu wollen, und dass er darum keine Schuld auf sich lädt, wofern er nur des Gebotes der Liebe eingedenk bleibt und es nicht unterlässt, dem Ehegefährten von der Sünde abzuraten und ihn davon zurückzuhalten. Auch jene Eheleute handeln nicht wider die Natur, die in ganz natürlicher Weise von ihrem Recht Gebrauch machen, obwohl aus ihrem Tun infolge natürlicher Umstände, seien es bestimmte Zeiten oder gewisse Mängel der Anlage, neues Leben nicht entstehen kann. Denn es gibt in der Ehe selbst wie in dem Gebrauch des Eherechts auch Zwecke zweiter Ordnung: die wechselseitige Hilfe, die Betätigung der ehelichen Liebe und die Regelung des natürlichen Verlangens, Zwecke, die anzustreben den Ehegatten keineswegs untersagt ist, vorausgesetzt, dass die Natur des Aktes und damit seine Unterordnung unter das Hauptziel nicht angetastet wird.

61 Tief erschüttern Uns auch die Klagen der Eheleute, die unter dem Druck bitterer Armut kaum wissen, wie sie ihre Kinder aufziehen sollen. Aber trotzdem muss man sich davor hüten, dass die verhängnisvolle Vermögenslage Anlass zu einem noch verhängnisvolleren Irrtum wird. Es kann keine Schwierigkeiten geben, die die Verpflichtung des göttlichen Gebotes, Handlungen zu unterlassen, die ihrer inneren Natur nach sündhaft sind, aufzuheben vermöchten. Es sind keine Verhältnisse denkbar, unter denen die Gatten nicht mit Hilfe der göttlichen Gnade ihrer Pflicht treu bleiben und die eheliche Keuschheit von jener entehrenden Makel rein bewahren könnten. Denn fest bleibt die Wahrheit des christlichen Glaubens, die das Trienter Konzil in seiner Lehrentscheidung also ausgedrückt hat: „Niemand darf sich des verwegenen und von den Vätern unter der Strafe des Bannes verbotenen Wortes bedienen: die Gebote Gottes zu beobachten, sei dem Gerechtfertigten unmöglich. Denn Gott befiehlt nichts Unmögliches; indem er befiehlt, mahnt er zu tun, was du tun kannst, und um das zu bitten, was du nicht kannst, und er hilft, dass du kannst.“<ref>Conc. Trid., Sess. VI., c.11.</ref> Die gleiche Lehre wurde von der Kirche wiederholt und feierlich bestätigt gelegentlich der Verurteilung der jansenistischen Irrlehre, die sich gegen Gottes Güte den blasphemischen Satz aufzustellen erdreistet hatte: „Einige Gebote Gottes sind den Gerechten, auch denen, die ernstlich wollen und versuchen, mit den Kräften, die sie gegenwärtig haben, unmöglich; es fehlt ihnen auch die Gnade, durch die sie ihnen möglich würden.“<ref> Innozenz X., Apostolische Konstitution Cum occasione, 31. Mai 1653, prop. 1.</ref>

Die Abtreibung

62 Aber noch ein anderes schweres Vergehen, Ehrwürdige Brüder, ist zu erwähnen, das das Leben des Kindes im Mutterschoße bedroht. Es anzutasten soll nach den einen erlaubt sein, wenn es Vater und Mutter so gefällt. Andere halten dies für unerlaubt, falls nicht schwerwiegende Gründe hinzukommen, die sie mit den Namen „medizinische“, „soziale“ und „eugenische Indikation“ bezeichnen. In bezug auf die staatlichen Strafgesetze, wodurch die Tötung des Ungeborenen verboten wird, verlangen alle diese Richtungen, dass die Strafgesetze die von ihnen vertretene Indikation (nicht alle vertreten die gleiche) anerkennen und für straflos erklären. Einige stellen sogar die Forderung, die öffentlichen Behörden sollten zu diesen tödlichen Operationen ihre hilfreiche Hand bieten, was verschiedenenorts, wie allgemein bekannt, nur zu oft geschieht.

63 Bezüglich der sogenannten „medizinischen und therapeutischen Indikation“ haben Wir schon erklärt, Ehrwürdige Brüder, wie sehr Wir es mitempfinden, dass mancher Mutter aus der Erfüllung ihrer Mutterpflichten große Gefahren für die Gesundheit oder gar das Leben entstehen. Aber was für ein Grund vermöchte jemals auszureichen, um die direkte Tötung eines Unschuldigen zu rechtfertigen? Denn darum handelt es sich hier. Mag man nun die Mutter oder das Kind töten, es ist gegen Gottes Gebot und die Stimme der Natur: „Du sollst nicht töten!“<ref>{{#ifeq: Exodus | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Ex|Ex|Exodus}}|{{#if: Ex |Ex|Exodus}}}} 20{{#if:13|,13}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; vgl. Dekr. des S. theol., 4. Mai 1898, 24. Juli 1895, 31. Mai 1884.</ref> Gleich heilig ist beider Leben, das zu vernichten selbst die Staatsgewalt keine Befugnis hat. Ganz zu Unrecht wird diese Befugnis gegen Unschuldige aus dem Recht der Gewalt über Leben und Tod gefolgert, die doch nur Schuldigen gegenüber Geltung hat. Auch das Recht der gewaltsamen Verteidigung gegen einen ungerechten Angreifer kommt hier nicht in Frage. (Wer wollte wohl ein unschuldiges Kind einen ungerechten Angreifer nennen?) Und ein „Notstandsrecht“, das bis zur direkten Tötung eines Schuldlosen reichte, gibt es nicht. Dass sich um beider Leben, das der Mutter wie das des Kindes, gewissenhafte und erfahrene Ärzte bemühen, verdient alles Lob und alle Anerkennung; dagegen würde sich des edlen Namens und Lobes eines Arztes unwürdig erweisen, wer unter dem Vorwand, Heilmaßnahmen zu treffen, oder aus falsch verstandenem Mitleid auf den Tod des einen von beiden abzielte.

64 Diese Ausführungen stehen in Übereinstimmung mit den ernsten Vorwürfen, die der Bischof von Hippo gegen entartete Gatten richtete, die die Empfängnis zu verhüten suchen und, wenn ihnen das misslingt, sich nicht scheuen, in sündhaftem Tun die Frucht zu töten: „Zuweilen“, so sagt er, „gehen Leidenschaft und Grausamkeit so weit, dass sie mit Gifttränken die Unfruchtbarkeit herbeizuführen suchen und, wenn sie keinen Erfolg haben, auf irgend eine Weise die Frucht im Mutterschoße vernichten und entfernen. Ihr Streben geht also dahin, die Frucht zu vernichten, bevor sie noch zu leben beginnt, oder, wenn sie im Mutterschoße schon lebte, sie zu töten, bevor sie geboren wird. Wenn beide Gatten so geartet sind, sind sie in Wirklichkeit keine Gatten; und wenn sie von Anfang so geartet waren, dann kamen sie nicht zur Ehe, sondern zur Unzucht zusammen. Sind aber nicht beide so, dann wage ich zu behaupten: entweder ist sie die Buhlerin des Gatten, oder er ist der Buhle der Gattin.“<ref>S. Augustin., De nupt. et concup., XV.</ref>

65 Der „sozialen und eugenischen Indikation“ sodann kann und soll mit erlaubten, sittlich einwandfreien Mitteln und innerhalb der rechten Grenzen Rechnung getragen werden; aber den Notständen, auf denen diese Indikationen aufbauen, durch Tötung Unschuldiger abhelfen zu wollen, ist töricht und dem Gebot Gottes zuwider, das der Apostel in die Worte kleidet: „Man darf nicht Böses tun, um damit Gutes zu stiften.“<ref>Vgl. {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 3{{#if:8|,8}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

66 Die Staatenlenker und Gesetzgeber endlich dürfen nicht vergessen, dass es Sache der staatlichen Autorität ist, durch zweckmäßige Gesetze und Strafen das Leben der Unschuldigen zu schützen, und zwar um so mehr, je weniger das gefährdete Leben sich selber schützen kann. Und hier stehen doch an erster Stelle die Kinder, die die Mutter noch unter dem Herzen trägt. Sollte jedoch die öffentliche Gewalt diesen Kleinen nicht allein den Schutz versagen, sie vielmehr durch ihre Gesetze und Verordnungen den Händen der Ärzte und anderer zur Tötung überlassen oder ausliefern, dann möge sie sich erinnern, dass Gott der Richter und Rächer unschuldigen Blutes ist, das von der Erde zum Himmel schreit. <ref>Vgl. {{#ifeq: Genesis | Casti connubii (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 4{{#if:10|,10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

[[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />