Spesse volte (Wortlaut)

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Enzyklika
Spesse volte

Seiner Heiligkeit des Papstes
Leo XIII.
an die Bischöfe, die Geistlichkeit und das Volk Italiens
über die Zustände in Italien
5. August 1898

(Quelle: Offizielle deutsche Übersetzung. Herder´sche Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1898 [in Fraktur abgedruckt]; Die Abschnittseinteilung und Nummerierung folgt der englischen Fassung)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder, vielgeliebte Söhne,
Gruß und Apostolischen Segen !

1. Oftmals im Laufe Unseres Pontifikates haben Wir in Erfüllung der heiligen Pflicht, welche Uns das apostolische Amt auf'rlegt, Klage und Protest erheben müssen gegen Erlasse, welche zum Schaden von Kirche und Religion von jenen gegeben worden sind, die infolge der wohlbekannten Umwälzungen in Italien die Staatsgeschäfte leiten.

2. Es schmerzt Uns, dieses neuerdings in einer sehr wichtigen Sache tun zu müssen, die Unser Herz in tiefe Traurigkeit versenkt. Wir wollen nämlich von der Unterdrückung sprechen, welch in vrschiedenen Teilen der Halbinsel über so viele katholische Einrichtungen kürzlich verfügt worden ist. In dieser unverdienten und ungerechten Maßregel, welche von jedem rechtlich denkenden Menschen verurteilt wird, sehen Wir zu Unserer tiefsten Betrübnis all das, was an Beleidigungen Uns in den verflossenen Jahren zugefügt worden ist, gleichsam in eins zusammengefasst und noch bitterer macht.

3. Obgleich es sich um eine Sache handelt, die Euch, ehrwürdige Brüder, wohl bekannt ist so halten Wir es doch für angemessen, auf die Entstehung und die Notwendigkeit dieser Einrichtungen, welche Unserer Fürsorge und Euren liebevollen Mühen das Dasein verdankten, zurückzukommen, auf dass alle erkennen mögen, aus welcher Gesinnung sie hervorgegangen und auf welche religiösen, moralischen und karitativen Ziele sie gerichtet waren.

4. Nach der Vernichtung der weltlichen Herrschaft der Päpste wurden der Katholischen Kirche in Italien nach und nach die Bedingungen ihres Lebens und Wirkens entzogen und der ihr zustehende und seit Jahrhunderten geübte Einfluss auf die staatliche und gesellschaftliche Ordnung gehemmt. Durch eine systematisch fortschreitende Reihenfolge von Staatserlassen hat man die Köter aufgehoben, hat man Kirchengüter eingezogen und so das Erbgut der Kirche größtenteils verschleudert, hat man dem Klerus die Militärpflicht auferlegt, hat man die Freiheit der kirchlichen Amtsverwaltung durch ungerechte Ausnahmebestimmungen gefesselt, hat man sich beständig bemüht, allen öffentlichen Einrichtungen das christlich-religiöse Gepräge zu nehmen, hat man die Kulthandlungen der Andersgläubigen begünstigt und während man den Freimaurersekten die weitgehendste Freiheit einräumte, hat man allein für jene Religion, welche stets der Ruhm, die Stütze und Stärke des italienischen Volkes gewesen, nur Unduldsamkeit und gehässige Quälereien gehabt.

5. Wir haben nie unterlassen, solche häufige und schwere Angriffe tief zu beklagen. Wir beklagten sie im Interesse unserer heiligen Religion, welche so den größten Gefahren ausgesetzt ist; Wir beklagten sie aber auch - und wir sagen das mit der ganzen Aufrichtigkeit Unseres Herzens - im Interesse Unseres Vaterlandes; denn die Religion ist die Quelle des Wohlseins und der Größe für eine Nation und das Hauptfundament für jede wohlgeordnete Gesellschaft. Und in der Tat, wenn einmal das religiöse Gefühl, welches die Seele erhebt und veredelt und ihr die Begriffe von Recht und Sitte tief einprägt, in einem Menschen geschwächt ist, so geht es mit ihm abwärts; er überlässt sich seinen wilden Trieben und seinem materiellen Eigennutz und daraus entstehen in notwendiger Folge Groll, Zwietracht, Entartung, Kampf und Aufruhr, Übel, gegen welche weder die Strenge der Gesetze und der Gerichte noch das Eingreifen der bewaffneten Macht sicher und wirksam helfen können.

6. Auf diesen natürlichen und innigen Zusammenhang zwischen dem religiösen Verfalle einerseits und dem zunehmenden Geiste der Zerrüttung und Unordnung anderseits haben Wir wiederholt in öffentlichen Schreiben an die Italiener die Machthaber, auf welchen eine furchtbare Verantwortung liegt, aufmerksam gemacht. Wir wiesen dabei auch hin auf die unausbleiblichen Fortschritte des Sozialismus und der Anarchie und auf die endlosen Übel, welche die Nation ausgesetzt wird.

7. Aber man hörte nicht auf Uns. Das kleinliche Vorurteil des Parteigeistes trübte ihnen den Verstand und der Krieg gegen die Religion ward mit der gleichen Heftigkeit fortgesetzt. Nicht bloß, dass man keine Maßnahmen für die Zukunft traf, hat man vielmehr in Büchern und Zeitungen, in den untern und höheren Schulen, in Vereinslokalen fortgefahren, den Samen der Gottlosigkeit und Sittenlosigkeit reichlich auszustreuen, die Grundsätze, durch welche ein Volk in guten Sitten befestigt wird, zu untergraben und dafür Lehren zu verbreiten, welche unfehlbar den menschlichen Verstand verfinstern und des Menschen Herz verderben müssen.

8. Da, Ehrwürdige Brüder - im Hinblick auf eine süstere, gefahrvolle Zukunft für Unser Vaterland - da glauben Wir die Zeit gekommen, in welcher Wir Unsere Stimme erheben und den katholischen Italienern zurufen mussten: "Die Religion und die Gesellschaft sind in Gefahr; es ist Zeit, dass ihr eure ganze Tätigkeit entfaltet, um dem hereinbrechenden Übel einen Damm entgegenzusetzen in Wort und Werk, in Vereinen und Komitees, in der Presse und in Kongressen, in Gebets- und Wohltätigkeitsvereinen, kurz, mit allen friedfertigen und gesetzmäßigen Mitteln, welche geeignet sind, den religiösen Sinn im Volke zu erhalten und dem Elende zu steuern, welches - so tief und so ausgebreitet infolge der gedrückten wirtschaftlichen Lage Italiens- zu bösen Dingen raten möchte." Solche Mahnungen haben Wir mehr als einmal und ganz besonders in Unsern beiden Schreiben vom 15. Oktober 1890 und vom 8. Dezember 1892 an das italienische Volk gerichtet.

9. Sehr gerne erklären Wir hier, dass diese Unsere Mahnungen auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Dank Euren edelmütigen Anstrengungen, Ehrwürdige Brüder, und dank jenen des Klerus und der Gläubigen, die unter Eurer Obhut stehen, sind erfreuliche und heilsame Erfolge erzielt worden und noch größere standen, wie leicht zu sehen war, für die nächste Zukunft in Aussicht. Hunderte von Vereinen und Komitees haben sich in den verschiedenen Teilen Italiens gebildet und dem unermüdlichen Eifer derselben entsprossen Darlehenskassen für Landwirte, Volksküchen, Asyle für Obdachlose, Veranstaltungen zur Erholung an Feiertagen, solche zur Haltung von Christenlehren, zur Pflege der Kranken, zur Unterstützung der Witwen und Waisen und so viele andere Wohltätigkeitseinrichtungen, welche vom Volke mit Dank und Segenswünschen begrüßt und oft auch von Männern anderer Parteizeitungen mit wohlverdientem Lobe ausgezeichnet worden sind. Und die Katholiken, wie sie es eben gewohnt sind, entfalteten sie ja nichts zu verheimlichen - und hielten sich stets innerhalb der Schranken des Gesetzes.

10. Nun kamen aber die unseligen Ereignisse, welche Aufruhr und Blutvergießen der Bürger brachten und einige Gegenden Italiens in Trauer versetzten. Bei diesem Jammervollen Schauspiel hat niemand mehr gelitten im Herzen und sich tiefer betrübt als Wir.

11. Wir dachten indes, dass die Lenker der öffentlichen Angelegenheiten in den ersten Anfängen dieser Aufstände und Kämpfe, wo Brüder gegen Brüder standen, die unselige, aber ganz natürliche Frucht aus jenem bösen Samen erkennen möchten, der so reichlich und so lange Zeit und so ungestraft auf der ganzen Halbinsel gesät worden ist. Wir dachten, dass sie aus der Wirkung auf die Ursache zurückschließen und aus der bittern Lehre Nutzen ziehen würde, dass sie aus den christlichen Grundregeln der gesellschaftlichen Ordnung, nach welchen sich die Nationen zu ihrer Erneuerung richten müssen, wenn sie nicht völlig zu Grunde gehen wollen, wieder greifen und dass sie so die Grundsätze der Gerechtigkeit, der Rechtschaffenheit und der Religion, von welchen hauptsächlich auch der materielle Wohlstand eines Volkes abhängt, wieder zu Ehren bringen möchten. Wir dachten, dass sie, wenn sie einmal die Urheber und Mitschuldigen jener Empörungen finden wollen, doch darauf kommen würden, dieselben unter den Gegnern der katholischen Lehre zu suchen, unter jenen, welche mit ihrem Naturalismus und Materialismus in Wissenschaft und Politik die Gemüter zu jeder ungeordneten Begierde entflammen, unter jenen, welche im Dunkel der geheimen Gesellschaften ihre sträflichen Pläne bergen und ihre Waffen wetzen gegen die Ordnung und Sicherheit der Gesellschaft. Und in der Tat fehlte es im gegnerischen Lager nicht an unparteiischen Männern hellen Blickes, welche die wahren Ursachen der beklagenswerten Wirren wohl erkannten und mit anerkennenswertem Mute auch öffentlich bezeichneten.

12. Groß aber war Unsere Überraschung und Unser Schmerz, als Wir erfahren mussten, dass man zu dem Zwecke, die öffentliche Meinung irre zu leiten und einen vorgefassten Plan auszuführen, unter einem albernen Vorwände, den die Arglist nur schlecht zu verkleiden wusste, es wagen konnte, auf die Katholiken die unsinnige Anklage zu wälzen, die Ordnung gestört zuhaben und ihnen den Vorwurf aufzubürden, dass sie den Aufruhr un Umsturz, deren Schauplatz einige Gegenden Italiens gewesen und den daraus erwachsenen Schaden verursacht hatten.

13. Und noch größer wurde Unser Schmerz, als sich alsbald zeigte, dass diesen Verleumdungen Willkür und Gewalttat auf dem Fuße folgten, dass viele der besten und wackersten katholischen Zeitungen teils zeitweise teils für immer unterdrückt wurden, dass Pfarr- und Diözesankomitees verboten, dass Kongresse unmöglich gemacht und dass Vereine und darunter selbst solche, welche nur die Förderung der Frömmigkeit unter den Gläubigen oder die öffentliche oder private Wohltätigkeit zum Zwecke hatten, teils in ihrem Wirken brach gelegt, teils in ihrer Existenz bedroht wurden; als sich zeigte, dass die Aufhebung von harmlosen zum verdienstlichen Vereinen in großer Zahl wie ein Sturm in wenigen Stunden die geduldige, liebevolle und selbstlose Arbeit vieler Jahre, vieler edler Geister, vieler großmütiger Herzen hinwegfegte.

14. Indem die Regierung zu diesen übertriebenen und gehässigen Maßregeln griff, hat sie sich zunächst in Widerspruch gesetzt mit ihren eigenen früheren Behauptungen. Lange Zeit hindurch hatte sie tatsächlich die Bevölkerung der Halbinsel so hingestellt, als wäre dieselbe mit ihr einverstanden und ganz und gar solidarisch in dem revolutionären und feindlichen Vorgaben gegen das Papsttum und jetzt im Gegenteil strafte sie sich auf einmal selber Lügen, indem sie zu Ausnahmeregeln ihre Zuflucht nahm, um unzählige, über ganz Italien zerstreute Vereinigungen zu unterdrücken und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie sich der Kirche und der Sache des Heiligen Stuhles treu ergeben zeigten.

15. Aber solche Maßnahmen verletzten vor allem die Grundsätze der Gerechtigkeit und selbst die Bestimmungen der bestehenden Gesetze. Kraft dieser Grundsätze und Bestimmungen ist es Katholiken ebenso gut wie jedem anderen Bürger gestattet, ihre Kräfte frei zu vereinigen, um das sittliche und allgemeine Wohl ihres Nächsten zu fördern und den religiösen und frommen Übungen obzuliegen. Es war also ein Akt der Willkür, so viele katholische Wohltätigkeitsvereine aufzulösen, die in andern Ländern sich eines ungestörten und geachteten Daseins erfreuen. Und dies ohne jeden Beweis ihrer Straffälligkeit, ohne jede vorausgegangene Untersuchung, ohne irgendwelches Aktenstück, das ihre Teilnahme an den vorgefallenen Unruhen hätte darlegen können.

[Forsetzung folgt]