Exeunte coetu secundo (Wortlaut)

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Schlussdokument
Exeunte coetu secundo

unter unserem Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
mit dem Thema „ Die Kirche unter dem Wort Gottes feiert die Geheimnisse Christi zum Heil der Welt“
(anlässlich) des "20. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils"
Die II. Außerordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand in Rom am 24. November bis 8. Dezember 1985 statt
7. Dezember 1985

(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 68)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


I. Zentralthemen dieser Synode: Feier - Prüfung - Förderung des Zweiten Vatikanischen Konzils

1. Die geistliche Erfahrung dieser Synode

Am Ende dieser zweiten Außerordentlichen Synode schulden wir besonderen Dank dem Wohlwollen Gottes, das den Papst leitete, diese Synode zusammenzurufen. Wir sind Papst Johannes Paul II. dankbar, weil er uns zur Feier des 20. Jahrestages des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeladen hat. Die Synode selbst war eine Gelegenheit, bei der wir immer wieder die Gemeinschaft in dem einen Geist, dem einen Glauben, der einen Hoffnung, der einen Katholischen Kirche und schließlich im gemeinsamen Willen, das Konzil in gelebte Praxis der Kirche umzusetzen, erfahren haben. Wir hatten miteinander an Freude und Hoffnung, aber auch an Trauer und Ängsten teil, die die Kirche in der Welt sehr oft erleidet.

2. Die Zielsetzung der Synode

Die Zielsetzung für die Einberufung dieser Synode war Feier, Prüfung und Förderung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dankbar nehmen wir wahr, dass wir mit Gottes Hilfe diese Früchte wirklich erreicht haben. Einmütig haben wir das Zweite Vatikanische Konzil als Gnade Gottes und Geschenk des Heiligen Geistes gefeiert, aus dem sehr viele geistliche Früchte in Universalkirche, Teilkirchen und an unsere Zeitgenossen flossen. Einmütig und freudig haben wir das Zweite Vatikanische Konzil als rechtmäßigen und gültigen Ausdruck und Interpretation des Glaubensschatzes (depositum fidei) auch geprüft und bestätigt, der in der Heiligen Schrift und in der lebendigen Tradition der Kirche enthalten ist. Deshalb haben wir beschlossen, den uns vom Konzil gewiesenen Weg fortzusetzen. Volle Übereinstimmung herrscht unter uns über die Notwendigkeit, Kenntnis und Umsetzung des Konzils weiter fortzuführen. Dies gilt für Buchstabe wie für Geist des Konzils. So werden wir in der Rezeption des Konzils weiter fortschreiten, das heißt in seiner geistlichen Verinnerlichung und praktischen Anwendung.

3. Licht und Schatten bei der Rezeption des Konzils

Die breite Mehrheit der Gläubigen hat das Zweite Vatikanische Konzil mit Eifer angenommen, wenn auch wenige hier und da Widerstand leisteten. So wurde das Konzil zweifellos mit großer Zustimmung aufgenommen, denn der Heilige Geist hat seine Kirche ja dazu angeregt. Schließlich schenkten auch viele außerhalb der Katholischen Kirche dem Zweiten Vatikanischen Konzil große Beachtung. Obwohl das Konzil sehr große Früchte zeitigte, haben wir bei der Rezeption des Konzils gleichzeitig Schwächen und Schwierigkeiten festgestellt. In nachkonziliarer Zeit gab es sicher auch Schatten, die teilweise aus mangelhaftem Verständnis und Anwendung des Konzils, teilweise aus anderen Gründen herrühren. Dennoch kann man keinesfalls behaupten, dass alles, was sich nach dem Konzil ereignete, auch wegen des Konzils geschah. Besonders in der sogenannten ersten Welt muss man sich fragen, warum nach der so breit und tief ausgefalteten Lehre über die Kirche so häufig eine Abneigung gegenüber der Kirche sichtbar wurde, obwohl auch dort die Früchte des Konzils überreich sind. Wo jedoch die Kirche etwa von einer totalitären Ideologie unterdrückt wird oder sie ihre Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit erhebt, scheint sie besser anerkannt zu werden. Aber man kann auch dort nicht leugnen, dass sich nicht alle Gläubigen voll und ganz mit der Kirche und ihrer vordringlichen Sendung identifizieren.

4. Äußere und innere Gründe für die Schwierigkeiten

In ziemlich vielen Teilen der Welt fehlen der Kirche materielle und personale Mittel, um ihre Sendung zu erfüllen. Außerdem wird sie nicht selten gewaltsam daran gehindert, ihre eigene Freiheit zu gebrauchen. In den reichen Ländern wächst durch eine wegen ihrer technischen Möglichkeiten gerühmte Ideologie immer mehr ein Immanentismus, der zum Götzendienst des materiellen Nutzens, des sogenannten Konsumismus führt. Daraus kann eine gewisse Blindheit gegenüber geistigen Wirklichkeiten und Werten folgen. Ja, wir können Kräfte nicht leugnen, die in der Gesellschaft mit großem Einfluss wirken und dabei gegenüber der Kirche feindselig handeln. All das zeigt, dass der "Fürst dieser Welt" und das "Geheimnis der Ungerechtigkeit" auch heute am Werk sind. Unter den inneren Gründen für die Schwierigkeiten sind das unvollständige und selektive Lesen des Konzils und eine oberflächliche Interpretation seiner Lehre in verschiedener Hinsicht anzuführen. Einerseits sind Irrtümer daraus entstanden, weil wir zu schüchtern waren, die wahre Konzilslehre umzusetzen. Andererseits entstand aus einem verkürzten Lesen des Konzils eine einseitige Darstellung der Kirche als eine nur institutionelle Größe und ist daher ihres Geheimnisses beraubt. Wahrscheinlich sind wir nicht ganz unschuldig daran, dass besonders die Jugendlichen die Kirche als reine Institution kritisch einschätzen. Haben wir ihnen nicht sogar die Gelegenheit dazu gegeben, wenn wir zu wenig über Gott und Christus gesprochen haben? Denn es fehlte auch die Unterscheidung der Geister, die nicht richtig zwischen der rechten Öffnung des Konzils zur Welt hin und der Übernahme von Geisteshaltung und Wertordnung einer säkularisierten Welt trennen konnte.

5. Eine vertiefte Rezeption des Konzils

Diese und andere Mängel zeigen, dass eine tiefere Rezeption des Konzils nottut. Folgende vier Schritte sind gefordert: tiefere und eingehendere Kenntnis - innere Aneignung - eine von Liebe getragene Bekräftigung - Verlebendigung des Konzils. Nur innere Aneignung und Übersetzung ins Leben können bewirken, dass die Konzilsdokumente daraus lebendig und verlebendigend hervorgehen.

Die theologische Auslegung der Konzilslehre muss alle Dokumente für sich genommen und in ihrer Verbindung zueinander vor Augen haben, damit man so den Gesamtsinn der oft untereinander verflochtenen Konzilsaussagen genau darstellen kann. Man möge besonders die vier großen Konzils-Konstitutionen beachten, die der Verständnisschlüssel für die anderen Dekrete und Erklärungen sind. Man darf den pastoralen Charakter genauso wenig von der lehrmäßigen Kraft der Dokumente trennen, wie man Geist und Buchstabe des Konzils nicht gegeneinander ausspielen darf. Schließlich muss man das Konzil in Kontinuität mit der langen Tradition der Kirche verstehen. Gleichzeitig müssen wir aus der Konzilslehre das Licht für die heutige Kirche und die Menschen unserer Zeit annehmen. Die Kirche ist auf allen Konzilen ein und dieselbe.

6. Empfehlungen

In den Teilkirchen soll für die nächste Zukunft ein Pastoralplan erstellt werden, der einer neuen, erweiterten und tieferen Kenntnis und Annahme des Konzils dient. Das wird besonders durch eine erneuerte Verbreitung seiner Dokumente und edierte Studienausgaben geschehen, die die Dokumente erläutern und dem Verständnis der Gläubigen zugänglicher machen.

Bei der Priesterausbildung und Formung der Priesteramtskandidaten und Ordensleute sowie in der Erwachsenenbildung soll die Konzilslehre ständig und angemessen durch Vorträge und Kurse angeboten werden. Die Diözesansynode und andere kirchliche Versammlungen können für die Anwendung des Konzils sehr nützlich sein. Die Einbeziehung der sozialen Kommunikationsmittel in geeigneter Weise wird empfohlen. Zum rechten Verständnis und Anwendung der Konzilslehre wird sehr nützlich sein und in die Praxis umzusetzen, was in den verschiedenen Apostolischen Exhortationen steht. Denn diese sind gleichsam die Frucht der ordentlichen Bischofssynoden, die seit 1969 stattgefunden haben.

II. Besondere Themen der Synode

A. Das Geheimnis der Kirche

1. Säkularismus und Anzeichen für eine Rückbesinnung auf das Heilige

Der kurze Zeitraum von 20 Jahren, der uns vom Abschluss des Konzils trennt, hat in der Geschichte beschleunigte Veränderungen mit sich gebracht. Deshalb fallen die Zeichen unserer Zeit in manchen Punkten ganz und gar nicht mit denen zusammen, die die Umstände des Konzils ausmachten. Dabei muss man besonders das Phänomen des Säkularismus beachten. Zweifellos hat das Konzil die berechtigte Autonomie der zeitlichen Dinge (vgl. GS 36 und alibi) bekräftigt. Deshalb muss man eine in gutem Sinne verstandene Säkularisierung annehmen. Aber etwas ganz anderes ist der Säkularismus, der in einer autonomistischen Sicht von Mensch und Welt besteht, die von der Dimension des Geheimnisses absieht, sie vernachlässigt oder gar leugnet. Dieser Immanentismus ist eine Verkürzung der ganzheitlichen Sicht vom Menschen, die nicht zu seiner wahren Befreiung, sondern zu einem neuen Götzendienst führt bzw. zur Versklavung an Ideologien, zu einem Leben in Gestalt von Angst und oftmals auch der Unterdrückung, wie sie dieses Jahrhundert kennzeichnet.

Trotz des Säkularismus gibt es auch Zeichen für eine Rückbesinnung auf das Heilige. Denn es gibt heute Anzeichen für einen neuen Hunger und Durst nach dem, was transzendent und göttlich ist. Um dieser Rückkehr zum Heiligen Vorschub zu leisten und den Säkularismus zu überwinden, müssen wir die Tür zur Dimension des "Göttlichen" oder Geheimnisses öffnen und die "Praeambula Fidei" (Glaubensvoraussetzungen) den Menschen heutiger Zeit anbieten. Denn der Mensch ist sich nach Worten des Konzils selbst eine Frage, auf die allein Gott die volle und letzte Antwort gibt (vgl. GS 21). Stellt uns die Ausbreitung der Sekten nicht vor die Frage, ob wir jeweils die Bedeutung des Heiligen genügend hervorheben?

2. Das Geheimnis Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist

Die vordringlichste Sendung der Kirche, angetrieben vom göttlichen Geist, ist Verkündigung und Bezeugung der Frohbotschaft von der Erwählung, Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die sich in der Heilsgeschichte zeigt, in der Fülle der Zeiten durch Jesus Christus gipfelt, und die die Kirche als Heil in der Kraft des Heiligen Geistes den Menschen anbieten und verkündigen soll. Das Licht der Völker ist Christus! Wenn die Kirche das Evangelium verkündet, muss sie dafür sorgen, dass dieses Licht auf ihrem Antlitz klar widerscheint (vgl. LG 1).

Die Kirche wird glaubwürdiger, wenn sie weniger von sich selbst spricht, immer mehr Christus als den Gekreuzigten predigt (vgl. 1 Kor. 2,2) und ihn als ihr Leben bezeugt. So ist die Kirche gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und auch der Gemeinschaft und Versöhnung der Menschen untereinander. Die Botschaft von der Kirche, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschrieben wird, ist trinitarisch und christozentrisch.

Weil Jesus Christus der Sohn Gottes und der neue Adam ist, hat er gleichzeitig das Geheimnis Gottes und das des Menschen und seiner höchsten Berufung enthüllt (vgl. GS 22). Der Sohn Gottes wurde Mensch, um die Menschen zu Söhnen Gottes zu machen. Durch diesen persönlichen Umgang mit Gott wird der Mensch zu seiner höchsten Würde geführt. Deshalb kündigt die Kirche, wenn sie Christus predigt, den Menschen das Heil an.

3. Das Geheimnis der Kirche

Jedes Moment der Kirche wird aus ihrer Verbindung mit Christus hergeleitet. Das Konzil beschrieb Kirche auf verschiedene Weise als Volk Gottes, Leib Christi, Braut Christi, Tempel des Heiligen Geistes und Familie Gottes. Diese Beschreibungen von Kirche ergänzen einander und müssen im Licht des Geheimnisses Christi oder der Kirche in Christus verstanden werden. Wir können die falsche, einseitig nur hierarchische Sicht der Kirche nicht durch eine neue, ebenfalls einseitige soziologische Konzeption ersetzen. Jesus Christus ist immer bei seiner Kirche und lebt als Auferstandener in ihr. Aus der Verbindung der Kirche mit Christus geht der eschatologische Charakter dieser Kirche deutlich hervor (vgl. LG Kap. VII). So ist die auf Erden pilgernde Kirche das messianische Volk (vgl. LG 9), das die neue Schöpfung bereits in sich vorwegnimmt. Gleichwohl bleibt die Kirche heilig, auch wenn sie stets, da sie Sünder in ihrem Schoß trägt, der Reinigung bedarf: zugleich geht sie unter Verfolgungen von seiten der Welt und Tröstungen Gottes dem kommenden Reich entgegen (vgl. LG 8). So sind in der Kirche immer das Geheimnis des Kreuzes und das der Auferstehung zugleich gegenwärtig.

4. Allgemeine Berufung zur Heiligkeit

Da die Kirche in Christus Geheimnis ist, muss man sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit betrachten. Deshalb lehrte das Konzil die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit (vgl. LG Kap. V). Die Berufung zur Heiligkeit ist die Einladung zur inneren Umkehr des Herzens und zur Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes, was die Erfüllung aller Wünsche des Menschen bedeutet und sie übersteigt. Gerade heute, wo sehr viele Menschen eine innere Leere und geistliche Krise spüren, muss die Kirche den Sinn für Buße, Gebet, Anbetung, Opfer, Selbsthingabe, Liebe und Gerechtigkeit nach Kräften erhalten und fördern.

In für die ganze Kirchengeschichte überaus schwierigen Situationen waren heilige Männer und Frauen stets Quelle und Ursprung für eine Erneuerung. Heute brauchen wir dringend Heilige, um die wir Gott bitten müssen. Die Ordensgemeinschaften sind sich aufgrund des Versprechens der evangelischen Räte ihrer besonderen Sendung bewusst, und wir müssen sie zu dieser Sendung ermutigen. Apostolisch gesinnte Bewegungen und neue "geistliche Aufbrüche" stimmen sehr hoffnungsvoll, wenn sie rechtmäßig in der kirchlichen Gemeinschaft bleiben. Alle Laien sollen ihr Amt in der Kirche und im täglichen Leben, so in Familie, Arbeitsplatz, weltlicher Tätigkeit und Freizeit erfüllen, damit sie so die Welt vom Licht und Leben Christi durchdringen und umgestalten. Eine recht verstandene und gut in die Praxis umgesetzte Volksfrömmigkeit ist sehr nützlich, um die Heiligkeit des Volkes zu nähren. Deshalb verdient sie größere Aufmerksamkeit von seiten der Seelsorger.

Für alle Christen ist die selige Jungfrau Maria, die uns als Mutter in der Gnadenordnung vorstand (vgl. LG 61), das Beispiel der Heiligkeit und der vollkommenen Antwort auf den Ruf Gottes (vgl. LG Kap. VIII).

5. Empfehlungen

Heute ist es sehr notwendig, dass sich die Hirten der Kirche durch ihr Zeugnis der Heiligkeit auszeichnen. Schon in den Seminaren und Ordenshäusern soll man die Ausbildung so gestalten, dass die Kandidaten nicht nur intellektuell, sondern auch geistlich erzogen werden; sie müssen ernsthaft ins tägliche geistliche Leben eingeführt werden (Gebet, Meditation, Stundengebet, Bußsakrament und Eucharistie).

Nach dem Dekret "Presbyterorum ordinis" soll man sie so auf den priesterlichen Dienst vorbereiten, dass sie in ihrer seelsorglichen Liebe selbst Nahrung für ihr geistiges Leben finden (vgl. PO 16). So werden sie auch fähig sein, in ihrem Dienst den Gläubigen rechte Ratschläge für das geistliche Leben zu geben. Man muss eine wahre Erneuerung der Ordensgemeinschaften im ganzen unterstützen. Aber auch die Spiritualität der Laien, die in der Taufe gründet, ist zu fördern. Besonders förderungswürdig ist eine Spiritualität der Eheleute, die sich auf das Ehesakrament stützt und deren Hauptakzent in der Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation liegt.

[Fortsetzung folgt]