Cum proximus (Wortlaut)
Cum proximus |
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von Papst
Paul VI.
an die Bischöfe und Gläubigen der Welt
um Gebet und zu Bußwerken für einen glücklichen Ausgang des Zweiten Vatikanischen Konzils
14. September 1963
(Offizieller lateinnischer Text: AAS 55 [1963] 729-733)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Hintergrund
Am 14. September 1963 richtete Papst Paul VI. die Adhortatio Apostolica Cum proximus an die Bischöfe der Welt, in der er Bischöfe, Priester und Gläubige zum Gebet und zu Bußwerken für einen glücklichen Ausgang des Zweiten Vatikanischen Konzils auffordert. Der lateinische Text wurde vom "Osservatore Romano" (15.9.63) veröffentlicht. Die Herder-Korrespondenz gibt den Wortlaut des Dokumentes in eigener Übersetzung wieder.
Wortlaut des Schreibens
Nunmehr nähern sich schon die Tage der Eröffnung der Zweiten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils. Wir sind zutiefst bewegt von der Größe des heiligen Erbes, das Uns Unser Vorgänger, Johannes XXIII., hinterlassen hat. Ein Erbe, das Wir, wie Ihr wisst, zitternd und ehrfurchtsvoll übernommen haben, bereit, keine Mühe und keine Hindernisse zu scheuen, damit der kostbare Schatz an Beispielen, Werken und Richtlinien, mit denen der große Papst die Kirche bereichert hat, unversehrt erhalten bleibt.
Zu diesem Erbe gehört ohne Zweifel das bereits begonnene Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil. Dieses Werk ist von solcher Größe, dass man es zu den größten Wohltaten zählen kann, die die Katholische Kirche und die menschliche Gesellschaft von Johannes XXIII. empfangen haben.
Wir erinnern Uns noch lebhaft an jenes wunderbar bewegende Bild, das Wir mit Unseren eigenen Augen erlebt haben, als wir aus allen Teilen der Welt zur Feier des Ökumenischen Konzils zusammenkamen. Wem wurde es damals nicht deutlich, dass jene Versammlung von Bischöfen rings um das Grab des Apostelfürsten ein neues wirkungsvolles Zeugnis der immerwährenden Jugend der Braut Christi war, von der zu allen Zeiten lebendiges Licht und heilende Kraft für alle Völker ausgeht? Und seht, es ist dieselbe gemeinsame Hoffnung, dieselbe große Erwartung, mit der vor Beginn der Zweiten Sitzungsperiode des Konzils alle ihre Augen in Verehrung auf die Stadt auf dem Berge, auf die Katholische Kirche, richten, die im Konzil sich anschickt, ihre Lehre, ihre Kirchenordnung, ihre Tätigkeit mit neuer, größerer Wirkkraft darzubieten, indem sie sie den geistigen Bedürfnissen unserer Zeit anpasst.
Es war wohl ein unerforschlicher Plan der göttlichen Vorsehung, dass jener Papst, der den Samen für dieses große Werk ausgestreut hat, dessen Früchte nicht mehr hatte ernten können und Uns die Aufgabe auferlegt wurde, dieses Werk, das er mit viel Klugheit, Seelengröße und fester Hoffnung begonnen hatte, fortzusetzen.
Denken Wir an die Größe der Uns übertragenen Aufgabe, so überkommt Uns ein gewisses Zaudern, dieses großartige Werk auf Uns zu nehmen, sähen Wir darin nicht ganz offensichtlich Gottes Willen. Es schien Uns deshalb notwendig, das Werk auf Uns zu nehmen und dem Willen Gottes zu gehorchen. Wir setzen dabei Unser ganzes Vertrauen auf den Herrn und hoffen fest, dass er Unsere schwachen Kräfte stützen werde, da er Uns eine so große Aufgabe anvertraut hat.
Im übrigen wird Uns in Unseren Mühen nicht Eure Unterstützung fehlen. Wir wissen, ehrwürdige Brüder, dass sie für Uns eine große Hilfe sein wird. Da Wir dieses Werk wieder aufnehmen, wird es Uns auch nicht an der Mitsorge und am Gebet der Gläubigen fehlen, die in dieser großen Stunde der Kirche mit Uns durch enge Bande der Liebe verbunden sind. Dieser Umstand ist für Uns ein großer Trost, und Wir sehen in ihm ein Vorzeichen für einen erfolgreichen Ausgang des Ökumenischen Konzils.
Da die nächste Sitzungsperiode des Konzils eine große Arbeitslast mit sich bringen wird und da es sich bei dem Konzil um ein Ereignis handelt, das die Kirche in ihrem Lebenskern berührt, bitten Wir Euch herzlich, ehrwürdige Brüder, Ihr möchtet Eure Herde, die einem jeden von Euch anvertraut ist, geistlich darauf vorbereiten. Wir möchten den Spuren Unseres Vorgängers Johannes XXIII. folgen, der nicht müde wurde, das christliche Volk zu ermahnen, es möge von Gott reiche Früchte für das Konzil durch Gebet und Bußwerke erbitten, und legen Euch deswegen diese so wichtigen Frömmigkeitsübungen besonders ans Herz. Dazu bieten u. a. die Herbst-Quatembertage, die unmittelbar bevorstehen, eine gute Gelegenheit.
Wir wissen sehr wohl, ehrwürdige Brüder, dass Wir vor allem auf diesen Gebetssturm und auf die christliche Buße Unsere Hoffnung für eine reiche Ernte setzen müssen, die das Konzil bringen soll. Denn das Konzil ist vor allem das Werk des Heiligen Geistes. Alles, was menschlich getan werden kann für die Feier eines so großen Konzils, muss sicherlich auch getan werden. Trotzdem werden für die vollkommene und dauerhafte Erlangung des vorgesetzten Zieles weder die geordnete Abwicklung der Konzilssitzungen noch scharfsinnige Diskussionen, noch die von den Konzilsvätern sorgfältig vorbereiteten Arbeitsunterlagen die Hauptsache sein, sondern das bewusste und verstärkte Gebet, die Gott angebotenen körperlichen und geistigen Bußwerke, die Heiligkeit der Sitten und die Werke der Barmherzigkeit, kurzum alle jene Mittel und Hilfen, die der übernatürlichen Ordnung angehören, zu denen die Kirche immer und auch heute noch ihre Zuflucht nimmt, wenn es sich um ein Ereignis handelt, bei dem es um die Ehre Gottes, das Heil der Seelen und um das geistliche Wohl der Menschheit geht.
Deswegen muss man vor allem Wert legen auf aufmerksames und ständiges, privates und öffentliches Gebet und muss Gott bitten, dass er die mit übernatürlichem Lichte erleuchte, die durch ihren Rat und ihr Sachwissen die Konzilsdekrete vorbereiten. Diese Art von Hilfe können alle Gläubigen leicht und wirksam leisten. Deshalb erbitten Wir sie von allen.
Um diesen Gebetssturm besonders fruchtbar zu machen, möchten Wir, auch wenn jeder seine Art und Weise zu beten frei wählen kann, einige Formen besonders empfehlen. Wir fordern alle auf, die von Papst Johannes XXIII. verfasste Gebetsformel für einen glücklichen Ausgang des Konzils wiederum wie üblich zu verwenden. Wir schreiben auch vor, dass in jeder Messe des lateinischen Ritus die oratio imperata zum Heiligen Geist gebetet wird. Im Gebet sollen die Priester, die Seminaristen und die Ordensangehörigen mit gutem Beispiel vorangehen. Ihnen sollen sich die gläubigen Laien anschließen. Es ist Unser lebhafter Wunsch, die große Schar der Beter auf der ganzen Welt möge nicht nur der Zahl nach wachsen, sondern auch in der Gnade und in der Kraft. Das wird der Fall sein, wenn zum Gebet die Sittenstrenge dazukommt und die Gebete von einer liebenden Seele verrichtet werden. "Etwas Schönes ist das Gebet, verbunden mit Fasten und Almosen und Mildtätigkeit" (Tob. 12, 8). Zum einmütigen Gebet müssen deshalb die Werke der Buße kommen. Das Gebet stärkt die Seele und erhebt den Geist zu Gott. Die Buße verhilft uns zur Selbstbeherrschung, vor allem zur Beherrschung des Leibes, der infolge der Erbschuld sich sehr oft dem Gesetz des Evangeliums widersetzt. Desgleichen ermahnen Wir alle väterlich, während der kommenden Quatembertage freiwillig, ein jeder nach seinen Kräften, das Fasten einzuhalten, auch wenn dieses nicht von der Kirche vorgeschrieben ist. Man soll auch ständig Werke freiwilliger Buße verrichten, vor allem auf den Besuch gewisser Schaudarbietungen verzichten. Wir benützen die Gelegenheit, um ihre häufig allzu sittenwidrigen und abstoßenden Formen zu beklagen. Man soll die einander zugefügten Beleidigungen verzeihen. Ein spontanes Verzeihen lösche die unheilvollen Flammen der Zwietracht aus, bringe Hass und Streit zum Schweigen, die heute leider so verbreitet sind. Diese tödlichen Keime schaffen immer neues Unheil und stürzen nicht selten in Irrtum geratene Menschen ins Blutvergießen. Man unterstütze die öffentlichen Initiativen christlicher Liebestätigkeit zugunsten der Armen, um dadurch jenen die Barmherzigkeit Gottes zu erbitten, die Barmherzigkeit üben. An diesem guten Werk sollen die Armen selbst ihren Anteil haben. Sie sollen ihren Nächsten wenigstens helfen durch ihr Gebet, durch ein tröstendes Wort. Diejenigen, die ihren Brüdern nicht mit Geld helfen können, sollen ihnen helfen durch die Hingabe ihrer selbst. Wer innerlich voll ist von Liebe, hat immer etwas, was er geben kann. Der von der Liebe genährte und mit der Liebe verbundene Glaube möge jetzt reiner und heller die Herzen erleuchten und die menschlichen Unternehmungen leiten. "Denn wie im Glauben der Grund zum Handeln liegt, so liegt im Handeln die Stärke des Glaubens" (Leo der Große, Sermo X, Migne PL 54, 166). Schließlich, und das liegt Uns ganz besonders am Herzen, möge Unser Aufruf alle jene Menschen erreichen, die von körperlichen oder seelischen Leiden heimgesucht werden. Diese Unsere liebsten Kinder sollten in der Tat mit dem Apostel Paulus sprechen können: "Ich will an meinem Fleisch ergänzen, was an dem Leiden Christi noch fehlt für seinen Leib, die Kirche" (Kol. 1,24). Sie mögen also die Gelegenheit, die sich ihnen bietet, benutzen, Gott ihr Leiden und ihre Schmerzen anzubieten. Solche Leiden, mit christlicher Großmut ertragen, sind nicht nur Stufen auf dem Wege zur himmlischen Heimat, sondern können auch viel zur Sühnung der Sünden der anderen und zur "Auferbauung des Leibes Christi" (Eph. 4, 12) beitragen und die so sehr gewünschte Erneuerung christlichen Lebens beschleunigen helfen, die als Frucht des Ökumenischen Konzils dringend erwartet wird.
Wir zweifeln nicht, ehrwürdige Brüder, dass Ihr mit dem gewohnten pastoralen Eifer Unsere Ermahnungen an den Klerus, an die Ordensleute und Ordensfrauen und an Euer christliches Volk in der Form, die Ihr für die geeignete haltet, weitergeben werdet. Wir sind Uns außerdem dessen gewiß, dass Unsere geliebten Kinder in Christus Unserer Einladung gerne Folge leisten werden.
Als Zeichen himmlischer Gaben erteilen Wir einem jeden einzelnen von Euch und allen Euren Gläubigen und vor allem jenen, die sich nach Unserem Wunsche im Gebet und in der Buße üben, um von Gott den glücklichen Ausgang des Ökumenischen Konzils zu erbitten, von Herzen im Herrn den Apostolischen Segen.
im ersten Jahre Unseres Pontifikates.
PAULUS PP. VI