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Version vom 20. März 2009, 08:19 Uhr
Marcel Lefèbvre CSSp (* 29. November 1905 in Tourcoing, Frankreich; † 25. März 1991 in Martigny, Schweiz) war ein Bischof der katholischen Kirche (Ebf. em. von Dakar, Tit. Ebf. em., Tit. Ebf. em., Ebf. bzw. Bf. em. von Tulle, Tit. Bf. em.), und em. Generaloberer, der 1976 suspendiert und 1988 von Papst Johannes Paul II. als exkommunziert erklärt wurde (vgl. DH 4820-23).
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Marcel Lefebvre wurde am 29. November 1905 in Tourcoing, Frankreich geboren. Er studierte u.a. in Rom, trat 1931 dem Orden der Spiritaner bei nachdem er 1929 in Lille zum Priester geweiht worden war (1947 zum Bischof). Er wandte sich nach der Afrikamission zu, weshalb er in innerfranzösische Konflikte nicht verwickelt war. Als erfolgreicher Leiter des Priesterseminars in Gabun rückte er in der Nachkriegszeit in den Episkopat auf und versah diverse Dienste, bis zur Errichtung des Erzbistums Dakar (Senegal). Am 14. September 1955 wurde Marcel Lefebvre durch Papst Pius XII. zum ersten Erzbischof von Dakar ernannt. Nach verdienstreichen Jahren in Afrika ernannte ihn Papst Johannes XXIII. Anfang 1962 zum Erzbischof-Bischof von Tulle in Frankreich. Dieses Amt übte er nur bis Juli 1962 aus, da er zum Generaloberen der Spiritaner gewählt wurde. Als solcher nahm er am II. Vatikanum teil. Der sechsfach emeritierte Lefebvre vereinigte im Laufe seines unruhigen Lebens, wenn auch nicht kumulativ, insgesamt 3 Bischofstitel (zuletzt "Emeritus" von Tulle separat mitgezählt) und 3 Erzbischofstitel auf seine Person.
Auf dem Weg in den Integralismus
Er verfasste mehrere kritische Stellungnahmen, befürwortete jedoch die Liturgiekonstitution des Konzils und stimmte auch fast allen, vielleicht sogar allen übrigen Dokumenten zu. Wegen nachkonziliarer (!) Konflikte in seinem Orden trat er am 29. Oktober 1968 vom Amt des Generaloberen zurück. In der konfliktreichen Stimmung der 1968-er Jahre fand er alsbald Zuspruch für seine reformfeindliche Haltung. Bald danach wurde er Gründer und Generaloberer der 1970 gegründeten „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ (siehe: Piusbruderschaft), die zunächst vor allem als Trägerin eines Priesterseminars tridentinischer Prägung in Ecône (Schweiz) wirkte.
Bekannt wurde Lefebvre jetzt durch seine massive Ablehnung der Liturgiereform. In seiner Grundsatzerklärung vom 21. November 1974 stellte er die These auf, dass kein Katholik, wenn ihm an seinem Seelenheil liege, diese Reform billigen könne. Diese militante Position zwang den Hl. Stuhl zu einer forcierten Durchsetzung des Missale Romanum von 1970. Papst Paul VI. sah sich 1976 wegen unerlaubter Priesterweihen dazu gezwungen, Lefebvre von seinen Ämtern zu suspendieren. Dieser leistete keinen Gehorsam, obwohl ihn der Papst abermals im September 1976 in Privataudienz empfing.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 1976 (lat., in: Insegnamenti di Paolo VI, Bd. XIV (1976), 810-823; siehe Weblinks unten) stellte der Papst definitiv fest, dass sich Lefebvre angesichts des von ihm neu eingeführten, absolut falschen Traditionsbegriffs im Irrtum befinde. Durch vier gegen den ausdrücklichen Willen des Papstes vollzogene und damit unerlaubte Bischofsweihen im Jahr 1988 hatte sich Lefebvre als Tatstrafe die Exkommunikation zugezogen, wie Papst Johannes Paul II. am 2. Juli im Apostolischen Schreiben Ecclesia Dei feststellte und die Bischofsweihen als schismatischen Akt verurteilte. Die Wurzeln dieses Skandals reichen aber tiefer.
Erzbischof Lefebvre schrieb u.a.: „Da Israel den wahren Messias zurückgewiesen hat, erfand es für sich einen anderen, diesseitigen und irdischen Messianismus: die Beherrschung der Welt durch das Geld, durch die Freimaurerei, durch die Revolution, durch die sozialistische Demokratie. Indes dürfen wir nicht vergessen, daß es Juden waren, Jünger des wahren Messias, die das wahre Israel gründeten, ein geistliches Königreich, das das himmlische Königreich vorbereitet. Die Weltherrschaftspläne der Juden werden in unserer Zeit Wirklichkeit seit der Gründung der Freimaurerei und der Revolution, die die Kirche enthauptet und die sozialistische Weltdemokratie eingeführt hat“. (Zitiert nach: Marcel Lefebvre: Die Biographie von Bernard Tissier de Mallerais, Stuttgart (Sarto) 2008, Seite 639.)
Zur liturgischen Frage
Da die Feier der tridentinischen Liturgie bereits seit 1984 im Falle eines pastoralen Bedürfnisses gestattet wird, also ihre Zelebration nur von 1974 bis 1984 auf persönlich begründete Ausnahmen beschränkt war, ist längst nicht mehr die "alte Messe" der zentrale Streitpunkt zwischen dem Heiligen Stuhl und den fast 500 Priestern der Lefebvre-Bruderschaft. Diese verlangt vielmehr die "Rückkehr" Roms zu einer vom Integralismus geprägten Identität. Da Rom aber nie im vollen Sinn des Begriffs integralistisch orientiert war, kann der Vatikan auf diese Forderung nicht eingehen, zumal sie die Erfüllung des kirchlichen Auftrags weltweit unmöglich machen würde. Aus römischer Sicht verbreitete Lefebvre eine Lesart der katholischen Tradition, die nicht dem kirchlichen Selbstverständnis entspricht (und diesem auch in früheren Zeiten nicht entsprochen hätte).
Zitat: "Je terminerai par mon testament. Je voudrais que ce soit l'écho du testament de Notre-Seigneur: Novi et Aeterni Testamenti... L'héritage que Jésus-Christ nous a donné, c'est son Sacrifice, c'est son Sang, c'est sa Croix. Aussi je vous le dis : Pour la gloire de la Très Sainte Trinité, pour l'amour de l'Eglise, pour le salut du monde : gardez le Sacrifice de Notre Seigneur Jésus-Christ! Gardez la Messe de toujours !" (Marcel Lefebvre, 1979). ["Ich werde schließen mit meinem Testament. Ich wünsche, es sei das Echo des Testaments Unseres Herrn: Novi et Aeterni Testamenti... (des Neuen und Ewigen Bundes). Das Erbe, das Jesus Christ uns gegeben hat, das ist sein Opfer, das ist sein Blut, das ist sein Kreuz. Auch sage ich Euch: Für den Ruhm der Allerheiligsten Trinität, für die Liebe der Kirche, für das Heil der Welt: Bewahret das Opfer Unseres Herrn Jesus Christ! Bewahret die Messe aller Tage!"]
In seinem Buch "Zur Lage des Glaubens" sagte Kardinal Ratzinger ( Benedikt XVI.) über Lefebvre: "Wenn man bei der grundsätzlichen Absage gegenüber dem II. Vatikanum bleibt, so sehe ich keinerlei Zukunft für eine dann in sich unlogische Position. Ausgangspunkt für diese Richtung ist ja die strengste Treue zur Lehrverkündigung, besonders Pius IX. und Pius X. wie - noch grundlegender - des I. Vatikanums und seiner Definition des päpstlichen Primats. Aber warum nur die Päpste bis zu Pius XII. und nicht weiter? Ist etwa der Gehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl teilbar nach Jahren oder nach der Nähe einer Lehre zur vorgegeben eigenen Überzeugung?"
Immerhin ist sogar der Papstkritiker Hans Küng so konsequent gewesen, dass er Milde auch für Marcel Lefebvre und die Piusbruderschaft fordert. Auch für diese gelte: Toleranz! (Vgl.: Umstrittene Wahrheit, S. 427-31.) Demgegenüber ist es wichtig festzuhalten, dass die geistigen Vorbilder der Piusbruderschaft schon in den 1920-er und 1930-er Jahren nicht auf dem Boden der Kirche standen, wie auch die Vorbilder des Lefebvre-Verteidigers Küng.
Stimmen zu Marcel Lefebvre
- Es ist klar, dass man alles tun muss, damit diese Bewegung nicht in ein eigentliches Schisma hineingerät, das dann gegeben wäre, wenn Msgr. Lefebvre sich zu einer Bischofsweihe entschließen würde, was er gottlob in der Hoffnung auf Versöhnung bisher noch nicht getan hat. - (Kardinal Joseph Ratzinger in "Zur Lage des Glaubens", Neue Stadt 1985, S. 30)
- Die Kirche verzichte auf den Kampf gegen den Irrtum? Wahrscheinlich hat Lefebvre nicht bemerkt, dass der Titel der Konzilserklärung von 'gesellschaftlicher und bürgerlicher Freheit in religiösen Dingen' spricht. Hier steht mehr der Staat als die Kirche auf dem Spiel. - (Kardinal Albino Luciani, Il Gazzetino vom 8. Juni 1977, zit. nach Lazzarini, Johannes Paul I., Freiburg u.a. 1978, S. 79.)
Literatur
- Marcel Lefebvre, J'accuse le Concile, Paris 1976.
- Ders., Ils l'ont découronné, Escurolles 1987.
- Yves Congar, Der Fall Lefebvre, Freiburg u.a. 1977.
- Alois Schifferle, Das Ärgernis Lefebvre, Fribourg 1989.