Orgel: Unterschied zwischen den Versionen
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Unsere Musikauffassung ist durch eine Besonderheit gekennzeichnet. Das, was bei Felix Mendelssohns Bachrenaissance 1829 noch eine Novität darstellte, ist zum Regelfall geworden. Während in allen zurückliegenden Epochen nur die jeweils aktuelle Musik gepflegt wurde, wird heute die Musik aller Epochen rezipiert.<ref>Ludger Stühlmeyer, ''Kleine Geschichte der Orgelkunst.'' In: ''Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg'', Heft 39, Bamberg Dezember 2005, S. 9-12.</ref> | Unsere Musikauffassung ist durch eine Besonderheit gekennzeichnet. Das, was bei Felix Mendelssohns Bachrenaissance 1829 noch eine Novität darstellte, ist zum Regelfall geworden. Während in allen zurückliegenden Epochen nur die jeweils aktuelle Musik gepflegt wurde, wird heute die Musik aller Epochen rezipiert.<ref>Ludger Stühlmeyer, ''Kleine Geschichte der Orgelkunst.'' In: ''Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg'', Heft 39, Bamberg Dezember 2005, S. 9-12.</ref> | ||
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Version vom 6. Juni 2012, 19:47 Uhr
Die Orgel, altgriechisch: ὄργανον (órganon) = „Werkzeug, Instrument, Organ“ ist ein über Tasten (Claves) spielbares Musikinstrument. Der Klang wird durch Pfeifen, den Labial- (= Lippen) und Lingual- (= Zungen) Pfeifen erzeugt, die durch einen in einem Blasebalg erzeugten Orgelwind genannten Luftstrom angeblasen werden. Charakteristisch ist der Gebrauch nicht nur des Manuals (Spiel mit den Händen), sondern auch des Pedals (Spiel mit den Füßen).
Seit der Gotik ist die Orgel das wichtigste Instrument im katholischen Gottesdienst (Sacrosanctum Concilium). Im Laufe der Geschichte haben sich unterschiedliche Bauformen und Größen, zumeist in Kirchen, entwickelt. Aber auch in Konzertsälen und Privatwohnungen (Hausorgel) sind sie zu finden. Eine kleine, einmanualige Orgel ohne das Pedal wird Positiv oder bei kompakter truhenförmiger Bauweise Truhenorgel genannt. Tragbare Kleinstorgeln heißen Portativ. Eine Spezialform hiervon ist das Regal, das aus Zungenpfeifen besteht. Darüber hinaus werden Orgeln auch nach ihrer Aufstellung im Kirchenraum genannt: Chororgel - die Aufstellung im Bereich des Altarraums; Lettnerorgel - eine Aufstellung auf dem Lettner zwischen Altar und Kirchenschiff; Schwalbennestorgel - die Aufhängung der Orgel im Kirchenschiff unterhalb des Gewölbes; Brüstungsorgel auf der Westempore.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Entstehung in der Antike
Die Erfindung der Orgel geht auf das Jahr 246 v. Chr. zurück.Ihr Erfinder war vermutlich der Ingenieur Ktesibios. Er lebte zunächst in Alexandrien, später in Aspendus. Beide Städte nehmen für sich in Anspruch, der Ort zu sein, an dem die Orgel erfunden worden ist. Die Orgel, die Ktesibios erfand hieß hydraulos, ein Wort, das aus hydor (Wasser) und aulos (oboenartiges Instrument) zusammengesetzt ist. Sie enthielt eine mit Wasser gefüllte Kolbenpumpe, einen Windkanal, eine einzige Pfeifenreihe und eine Tastatur. Das Verhältnis der Tasten, von denen es zu dieser Zeit ungefähr 13 gab, war der Breite der Pfeifenabstände gleich, jede Taste war etwa handbreit. Das Niederdrücken der Tasten erforderte so viel Kraft, dass schnelles Spiel nicht möglich war.
Dem Prototyp des Ktesibios folgten schon bald weiterentwickelte Instrumente mit mehreren Pfeifenreihen, die sowohl einzeln als auch gemeinsam spielbar waren. Vitruv und Heron beschrieben die technischen Aspekte des Hydraulos. Er soll aus Zungenpfeifen sowie offenen und gedeckten Labialpfeifen bestanden haben. Das in der Antike kleine und transportable Instrument (Portativ) verbreitete sich schnell im gesamten hellenistischen und römischen Reich. Es wurde zu Zwecken der Hausmusik, im Theater und als Propagandainstrument eingesetzt. Im 1. Jh. n. Chr. war das Orgelspiel dergestalt verbreitet, dass in Griechenland öffentlich ausgetragene Orgelwettbewerbe durchgeführt wurden. Auch von mehreren Kaisern des römischen Reiches ist überliefert, dass sie selbst Orgel spielten und Orgelmusik in ihren Palästen erklingen ließen. Wegen der Beleibtheit der Hydraulos stellte man in Karthago kleine Öllampen im Orgeldesign her und verkaufte sie massenhaft.
Erste Hinweise auf eine mit Luft betriebene Balgorgel gibt es aus dem 2. Jh. n. Chr. Mit dem Niedergang des weströmischen Reiches verchwindet auch die Orgel. In Konstantinopel dagegen bleibt sie weiterhin präsent. Die Kirchenväter zitierten die orgel zwar als Symbol eines wunderbaren Zusammenwirkens verschiedener Elemente und somit als Allegorie für eine gut funktionieren Gemeinde, den Gebrauch des Instrumentes in der Liturgie lehnten sie jedoch ab.
Verbreitung im Mittelalter
Die Tradition, dass in der westlichen Welt die Pfeifenorgel wieder benutzt wurde, geht auf eine Orgel zurück, die König Pippin der Kleine von Kaiser Konstantin von Byzanz geschenkt wurde. Jedoch war erst der kulturbewusste Kaiser Karl d. Gr. mit seinen wissenschaftlich interessierten Klerikern der geeignete Nährboden für die erneute Verbreitung des Instrumentes. Wurden die Orgeln Pippins Karls und Ludwigs des Frommen im Sinne der oströmischen Tradition als Palastorgel zu Repräsentationszwecken genutzt, finden sich ab dem 10. Jh. Belege für Orgelbauten in Kirchen. Zugleich entstanden die ersten Pfeifenmensuren Traktate, in denen sich die Orgelbauer über die Berechnung der Pfeifengrößen informieren konnten. Die ersten Orgelpedale bestanden zunächst aus wenigen Tasten, mit denen Grundbass oder Borduntöne gespielt wurden. Sie waren an das Manual gekoppelt und mit ihnen wurden, wie auch mit den Manualtasten, alle Register auf einmal gespielt (Blockwerksorgeln). Da die ersten Orgelbauer Mönche waren, standen Orgeln zunächst in den Klosterkirchen. Von da aus breiteten sie sich über Kathadral- und Domkirchen weiter aus. Besonders innovativ waren die Franziskaner, die mit ihren Neugründungen in Deutschland, England und Frankreich, also im sogenannten Sacrum Imperium auch die Orgel verbreiteten.<ref>Ludger Stühlmeyer, Kleine Geschichte der Orgelkunst. In: Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg, Heft 38, Bamberg Juli 2005, S. 7-10.</ref>
Durch das geflügelte Wort „...die Orgel schlagen...“ entstand der Eindruck, die alten Instrumente seien schwergängig gewesen und die Tasten hätten mit viel Kraftaufwand bedient werden müssen. Die aus der Zeit der Gotik erhaltene Orgelmusik lässt jedoch den Schluss zu, dass leichtgängige Orgeln existiert haben, die ein schnelles Spiel erlaubten. Abbildungen von Orgeltasten dieser Zeit, die vermutlich tatsächlich mit der ganzen Hand bedient wurden, deuten jedoch nicht auf ein kräftiges Schlagen mit den Fäusten hin.<ref>Michael Praetorius, Syntagma musicum, die Klaviaturen der Orgel des Domes zu Halberstadt von 1361</ref>
Orgelbau in der Renaissance
Die Zeit der Renaissance (14./15. Jh.) brachte dem Orgelbau bedeutende Neuerungen. Register, die bisher nur im Gesamt erklangen (Blockwerk), konnten nun seperat gesteuert und gespielt werden. Das brachte eine größere Differenzierung des Klanges mit sich.
Die Orgeln der Frührenaissance umfassen noch einen recht geringen Umfang. Registernamen dieser Epoche sind: Praestant, Oktave, Hintersatz, Zimbel, Flöte, Trompete und Regal. Die Instrumente verfügen oftmals nur über ein einziges Manual und ein angehängtes Pedal. In der Hochrenaissance entwickeln sich instrumental voll ausgebaute Orgeln. Das Klangideal orientiert sich an der damals üblichen Ensemblemusik. Jetzt stehn Prinzipale, Mixturen und Zimbeln für den „originären Orgelklang“. Dazu gesellen sich weitere Register, die den Klang der damals üblichen Instrumente nachahmen und die Orgel zur Königin der Instrumente die das gesamte Instrumentarium in sich vereint, werden ließ. Folgende Register kommen im Orgelbau neu hinzu:
- Labialpfeifen: Blockflöte, Querflöte und Gemshorn.
- Lingualpfeifen: Trompete, Posaune, Zink, Schalmei, Dulzian, Ranckett, Krummhorn und Sordun.
- Schlagwerk: Trommeln, Glocken und Schellen.
Der Manualklaviaturumfang wird bis zu drei Manuale erweitert, von denen jedes ein eigenes in sich geschlossenes Werk erhält. Das Pedalwerk ist nicht mehr angehängt sondern wird eigenständig. In der Spätrenaissance bildeten sich erste regionale Unterschiede im Orgelbau heraus und es entstanden um einzelne Orgelbaumeister Schulen oder Dynastien.
Wie auf das gesamte kirchliche Leben nahm die Reformation auch Einfluss auf den Orgelbau. Martin Luther erlebte die Musik als integralen Bestandteil des Gottesdienstes wie auch der Katechese und förderte sie. Calvin und Zwingli unterbanden jegliches Instrumentalspiel im Gottesdienst und erlaubten nur den unbegleiteten Gesang. In England wurden nach der Trennung von der katholischen Kirche zahlreiche Orgeln abgerissen, weil sie die Verbindung zur katholischen Konfession symbolisierten.
Die Barockorgel
In der Barockzeit erlangt die Orgel eine zentrale Stellung in der Liturgie. Technisch ist das Instrument zu dieser Zeit auf einem Höchststand angekommen, der heute noch als Maßstab gilt. Regionale und nationale Orgellandschaften werden durch profilierte Orgelbauwerkstätten geprägt und gestaltet. Der barocke Orgeltypus ist durch seinen hellen, obertonreichen Klang gekennzeichnet. Es entsteht ein breites Spektrum unterschiedlicher, einerseits solistisch, andererseits im Zusammenklang einsetzbarer Stimmen. Ein zentrales technisches Bauelement sind die Windladen, die als Schleifladen (Tonkanzellen) konzipiert sind. Priorität hat die Verschmelzung der Register im jeweils gespielten Ton. In der romantischen Auffassung wird dies umgekehrt sein. Jedes Orgelregister wird als Instrument aufgefasst. Es soll seinen eigenständigen Klangcharakter behalten und sich zugleich mit den anderen Instrumenten (Registern) der Orgel mischen. Im Vordergrund stand auch die Durchsichtigkeit des Klanges. Daher waren hohe Register und Aliquotregister als Soloregister weit verbreitet.
Das Werkprinzip ist ein wesentliches Merkmal barocker Orgeln. Jedes Einzelwerk: Hauptwerk, Rückpositiv, Oberwerk, Brustwerk, Pedalwerk, ist als selbstständige und gegenüber den anderen Teilwerken gleichwertige Orgeleinheit konzipiert. Sie unterscheiden sich jedoch durch die Klangcharakteristik. Aufgrund der mechanischen Spieltraktur ergeben sich technisch folgende Konsequenzen:
- Koppeln: Bei einer dreimanualigen Orgel beschränkten sich die Manualkoppeln (Schiebekoppeln) vom dritten auf das zweite Manual sowie vom ersten auf das zweite Manual.
- Manualanordnung: Aufgrund des Problems möglicher Abstraktenkreuzungen ist bei einer dreimanualigen Orgel mit Rückpositiv, Hauptwerk und Brustwerk immer das mittlere Manual immer das Hauptwerk.
- Werkgröße: Jedes zusätzliche Register auf einer Windlade erhöht bei der barocken mechanischen Traktur das Spielgewicht einer Taste. Dadurch sind bei der Disposition Höchstgrenzen gesetzt, da eine Orgel mit mehr als 12 Registern pro Windlade nur noch schwer spielbar ist.
Im Barock liegt der Schwerpunkt des Orgelspiels auf der choralgebundenen Musik, die aus der Alternatimpraxis hervorgegangen ist. Darunter versteht man den abwechselnden Vortrag einer gesungenen Zeile oder Strophe durch den Chor oder die Gemeinde und die Orgel. Wenn auch bei der Darstellung durch die Orgel der Text nicht hörbar war, galt ihr Vortrag dennoch als gültiger liturgischer Vollzug. Eine colorative Entfaltung des Cantus firmus (der Melodie) stand hingegen im Vordergrund der Choralvorspiele zu den gesungenen Liedern. Dem kam die Konstruktion des Rückpositivs entgegen, einem kleinen, in die Emporenbrüstung, dem Hauptwerk der Orgel vorgelagerten, eingebauten selbstständigen und vorwiegend mit für die Choralvorspiele verwendeten Solostimmen bestückten Orgelwerk, das mit dem Spieltisch verbunden ist und über ein eigenes Manual gespielt wird.
Die Ornamentik der Orgelvorpsiele war durch die Coloraturpraxis der aufkommenden Opern beeinflusst, die sich einer breiten Beliebtheit erfreuten. Eine Dienstbeschreibung für die Einstellung eines Kantors aus dieser Zeit besagte:
- Es wird von ihm (dem Kantor) erwartet, den modernen stylum modulandi (den opernhaften Stil) zu adhibieren, daran die meisten Gefallen haben.
Gegen diese konzertantere Aufführungspraxis erhob sich Widerstand in den pietistisch orientierten Gemeinden, die eine strenge Auffassung über den Einsatz der Orgel im Gottesdienst vertraten, so dass Komponisten wie Dieterich Buxtehude am Dom zu Lübeck mit ihren konzertanten Werken in Abendmusiken auswichen. Während Buxtehude in seinen Orgelkompositionen das ariose Element in den Vordergrund stellte, ist die Musik Johann Sebastian Bachs bedeutungsorientiert. In der sogenannten Augenmusik werden Noten zu sowohl optisch, als auch akustisch wahrnehmbaren Symbolsystemen geformt.
Der romantische Orgeltypus
Wegweisende technische Neuerungen fanden im Orgelbau wieder im Zuge der Industrialisierung statt. Die Orgel wird, wie zur Zeit ihrer Erfindung, als technisches Wunderwerk gesehen. Neue Windladen werden konstruiert und mit elektrischen Motoren versehen. So konnten die Organisten unabhängig von den bis dahin nötigen Bälgetretern ihre Instrumente nutzen. Eine technische Neuentwicklung stellt die pneumatische Kegellade dar, die, verbunden mit zahlreichen Spielhilfen, die nun recht groß konzipierten Orgeln mit teilweise über 100 Registern leichter spielbar zu machten. Das pneumatische System erwies sich jedoch später als zu störanfällig, sodass sie vielfach schon bald restauriert oder ersetzt werden mussten. Dynamische oder funktionelle Unterteilungen in Hauptwerk, Schwellwerk, Nebenwerk, Echowerk oder eine Vermischung durch mehrere Werke in einem Gehäuse (geteilt in Ober- und Unterlade) entwickelt sich ebenfalls Charakteristika des romantischen Orgelbaues.
Die Orgelmusik der Romantik ist durch die Rückbesinnung auf alte Satztechniken gekennzeichnet. Felix Mendelssohn Bartholdy hob die Musik Johann Sebastian Bachs neu ins Bewusstsein. Mendelssohn verbindet in seinen Werken Parameter, die er in der Tradition vorfindet mit den kompositorischen Satzweisen seiner Zeit. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mendelssohn und Bach ist jedoch die Adressatengruppe. Während Bach als Kantor für die Liturgie komponierte und seine Werke im Gottesdienst aufführte, schreibt Mendelssohn zwar kirchliche, aber konzertant gedachte Musik.
Max Reger verbindet in seiner Auseinandersetzung mit den neuen technischen Möglichkeiten orchestraler romantischer Großorgeln romantische Harmonik mit barocker Kontrapunktik. Der Katholik Reger zeigte sich besonders fasziniert von der Klangschönheit geistlicher Lieder, die er im Rahmen von zahlreichen Choralfantasien und Choralvorspielen verarbeitete. Er hatte die Verbindnung von Musik in der Liturgie bei seinem kompositorischen Schaffen ebenso im Blick wie die Profilierung der Orgel als virtuoses Konzertinstrument.
In die Zeit des Höhepuntkes der romantischen Orchesterorgel fällt die Rückbesinnung auf die alte Barockorgel als Idealtypus. Der Theologe, Organist und Mediziner Albert Schweitzer ist einer der großen Wegbereiter der neu entstehenden Orgelbewegung. Zeitversetzt hierzu entsteht die Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis für Orgelmusik.
Orgelbewegung und Neuzeit
Die Orgelbewegung hat ihren Vorläufer in der elsässisch-neudeutschen Orgelreform des beginnenden 20. Jhs. Orgelneubauten der Gründerzeit wurden in ihrer Klanggestaltung, der Konzeption und fabrikmäßigen Herstellungsweise als unkünstlerisch und wenig qualitätvoll erlebt. Günstig bewertet wurden hingegen die Orgeln der französischen Spätromantik beispielsweise von Aristide Cavaillé-Coll, aber auch deutsche und englische Instrumente bis in die Zeit um 1880, der mechanischen Ära des Orgelbaus. Gallionsfiguren der elsässischen Orgelreform waren Albert Schweitzer, Émile Rupp und Franz Xaver Matthias. In den 1930er Jahren schlossen sich in Deutschland der Idee der Rückbesinnung auf die barocke Orgelbautradition unter anderem Hans Henny Jahnn und Karl Straube an. Instrumente romantischen Klangcharakters wurden zumeist als Fabrikorgeln bewertet. Geprägt von der Orgelbewegung war vor allem der deutschsprachige Raum. Demgegenüber hielt man im anglo-amerikanischen Bereich lange an der registerreichen, sinfonischen Orgel mit elektrischen Trakturen fest. In Frankreich bildete sich in den 1920er Jahren der neoklassizistische Orgeltypus heraus. Seit den 1970er Jahren traten auch hier verstärkt Orgelneubauten auf, die sich an der französischen Klassik oder am norddeutschen Barock orientierten.
In den 1950er bis 1970er Jahren wichen viele romantische Orgeln neuen neobarocken Instrumenten. Da im II. Weltkrieg viele Instrumente verloren gingen und beide großen Konfessionen vermehrt Kirchenneubauten auf den Weg brachten, setzte eine Welle von Orgelneubauten, häufig minderwertiger Qualität ein. In ihrer Disposition und Intonation zeichneten sich diese Orgeln oft durch einen schrillen Klang mit zu schwachem Bassfundament und fehlender Kraft in der Mittellage aus. In den 1980 Jahren weitete sich der Blick im Bezug auf den Terminus "historisch". Neben barocken Instrumenten, die die Zeiten überdauert hatten und wieder stilgetreu von Orgelbauern wie Edskes aus Holland oder Ahrend aus Norddeutschland restauriert wurden, gerieten nun stilrein erhaltene romantische Orgeln wieder in den Fokus. Orgelmanufakturen wie die deutsche Orgelbaufamilie Klais, die östereichische Firma Rieger oder der schweizer Orgelbaubetrieb Metzler pflegen heute Tradition und Innovation.
Unsere Musikauffassung ist durch eine Besonderheit gekennzeichnet. Das, was bei Felix Mendelssohns Bachrenaissance 1829 noch eine Novität darstellte, ist zum Regelfall geworden. Während in allen zurückliegenden Epochen nur die jeweils aktuelle Musik gepflegt wurde, wird heute die Musik aller Epochen rezipiert.<ref>Ludger Stühlmeyer, Kleine Geschichte der Orgelkunst. In: Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg, Heft 39, Bamberg Dezember 2005, S. 9-12.</ref>
Große Kirchenorgeln
Zur Bestimmung der Größe einer Orgel eignet sich sowohl die Zählung der Ranks (vorhandene Pfeifenreihen), als auch die Zählung der einzelnen Register. Einige der bekanntesten und größten Kirchenorgeln der Welt sind:
Ort | Kirche | Ranks | Register | Orgelbauer |
Philadelphia (Pennsylvania) | Macy's Wanamaker Store | 461 | 408 | Harris - Los Angeles Art Organ Company |
Atlantic City (New Jersey) | Convention Hall | 449 | 337 | Midmer-Losh - Merrick (New York) <ref>Mit 33114 Pfeifen ist eigentlich die Orgel der Convention Hall in Atlantic City die größte Orgel, da die sie an Registern überflügelnde Orgel in Philadelphia nur 28762 Orgelpfeifen zählt.</ref> |
West Point (New York) | Cadet Chapel Military Academy | 380 | 303 | |
Los Angeles (Californien) | First Congregational Church | 354 | 242 | |
Passau | Dom St. Stephan | 326 | 229 | Orgelbau Eisenbarth (Passau) |
Garden Grove (Californien) | Crystal Cathedral | 278 | 200 | |
Mailand | Dom Mariae Geburt | 255 | 186 | Tamburini |
Mexico City | Auditorio Nacional | 250 | 181 | |
Boston (Massachusetts) | First Church of Christ, Scientist | 240 | 153 | |
Hanover (Pennsylvania) | St. Matthew's Lutheran Church | 231 | 147 | |
Nürnberg | St. Lorenz | 227 | 153 | G. F. Steinmeyer (Oettingen) / Orgelbau Klais (Bonn) |
New York | St. Bartholomew's Episcopal Church | 225 | 158 | |
Lichen | Bazylika Matki Bozej Lichenskiej | 222 | 154 | |
Waldsassen | Basilika St. Maria und Johannes | 141 | 102 | Egedacher (Salzburg) / Jann (Alkofen) |
Köln | Dom St. Peter | 148 | 101 | Orgelbau Klais (Bonn) |
Rom | Petersdom | 105 | 80 | Tamburini |
Zeugnisse
- Die orgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller instrumenten. (Wolfgang Amadeus Mozart).
- Versäume keine Gelegenheit, dich auf der Orgel zu üben. Es gibt kein Instrument, das am Unreinen und Unsauberen im Tonsatz wie im Spiel alsogleich Rache nähme als die Orgel. (Robert Schumann).
- Orgelspielen heißt, einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren. (Charles Marie Widor).
- Die Pfeifenorgel soll in der lateinischen Kirche als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben. (Zweites Vatikanisches Konzil) In: Konstitution über die heilige Liturgie – Sacrosanctum Concilium, Kapitel VI: Die Kirchenmusik, 120.
Literatur
- Alfred Reichling, Orgel. 181. Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde (GDO). Bärenreiter 2001.
- Andrew Wilson Dickson, Geistliche Musik. Oxford 1992.
- Hans Klotz, Über die Orgelkunst. Bärenreiter 1986.
- Jean Guillou, Die Orgel. Schwarzach 1984.
- Hans Klotz, Das Buch von der Orgel. Bärenreiter 1979.
- Eberhard Kraus, Orgeln und Orgelmusik. Regensburg 1972.
- Wolfgang Adelung, Einführung in den Orgelbau. Breitkopf 1972.
Einzelnachweise
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Querverweise
Weblinks
- Die Orgelseite Webseite mit Abbildungen und Informationen zu Orgeln und Orgelbau.