Laetitiae sanctae (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 20. März 2018, 21:11 Uhr

Enzyklika
Laetitiae sanctae

unseres Heiligen Vaters
Leo XIII.
durch göttliche Vorsehung Papst
an die Ehrwürdigen Brüder. die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
der katholischen Welt, die in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
Der Rosenkranz ist das Heilmittel für das soziale Leben der Gesellschaft
8. September 1893

(Offizieller lateinischer Text: ASS XXVI [1893-1994] 194-198)

(Quelle: Rundschreiben Leo XIII., Vierte Sammlung, Lateinischer und deutscher Text, Herder´sche Verlagsbuchhandlung, übersetzt durch den päpstlichen Hausprälaten Professor Hettinger, Freiburg im Breisgau 1904.Die Nummerangabe ist der englischen Fassung [1] angeglichen. Die Überschriften wurden aus: Rudolf Graber Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, Echter-Verlag Würzburg 19542 (Mit kirchlicher Druckerlaubnis) entnommen; Das deutsche Schreiben bei Kathtube zum Download; Die englische Fassung auf der Vatikanseite)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Rosenkranz als Herz.jpg
Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen

Dankbarkeit des Papstes gegenüber der Gottesmutter

1 Die heilige Freude, welche Uns die glückliche Feier Unseres fünfzigjährigen Bischofsjubiläums verursachte, wurde in überaus angenehmer Weise dadurch erhöht, dass Wir sie, wie ein Vater mit seinen Kindern, unter allgemeiner Teilnahme der Völker der ganzen katholischen Welt begingen, wobei die schönste Kundgebung des Glaubens und der Liebe erfolgte. Hierbei erkennen und preisen Wir mit stets neuem Dankgefühle den Ratschluß der göttlichen Vorsehung, der das höchste Wohlwollen gegen Uns selbst bekundet und nicht geringen Nutzen für die Kirche Gottes stiften wird.

2 Nicht weniger sehnt sich das Herz darnach, die erhabene Mutter Gottes als beste Vermittlerin dieser Wohltat mit Lobsprüchen zu begrüßen und zu erheben. Denn ihre ausgezeichnete Liebe, die Wir selbst in einer langen und wechselvollen Lebenszeit auf vielerlei Weise augenscheinlich erfahren haben, strahlt von Tag zu Tag in hellerem Lichte vor Unseren Augen, erfüllt die Seele mit Entzücken und stärkt sie mit übermenschlichen Vertrauen. Wir vermeinen die Stimme der Himmelskönigin selbst zu vernehmen, wie sie Uns in den bedrückendsten Zeitverhältnissen der Kirche gütig aufrichtet, wie sie Uns durch die Fülle ihres Rates zu den beabsichtigten Unternehmungen für das gemeinsame Heil beisteht, aber auch auffordert, dass Wir die Frömmigkeit und die Pflege jeglicher Tugend im christlichen Volke erwecken. Solchen Wünschen zu entsprechen, galt Uns schon früher als angenehme und heilige Pflicht. Unter den Früchten aber, welche Unsere Mahnungen unter ihre Schutze erzielten, verdient der außerordentliche Zuwachs der hochheiligen Rosenkranzandacht besondere Erwähnung. Zu diesem Zwecke wurden fromme Bruderschaften teils gefördert, teils neu errichtet, gelehrte und zeitgemäße Schriften unter dem Volke verbreitet, ja sogar herrliche Werke der schönen Künste geschaffen. – Jetzt aber, wo Wir gleichsam dieselbe Stimme der höchst besorgten Mutter vernehmen, indem sie dazu drängt: „Rufe und lasse nicht ab“, wollen Wir abermals über den Marianischen Rosenkranz zu Euch, Ehrwürdige Brüder, sprechen, da der Monat Oktober herannaht, den Wir unter der Gewährung von hl. Ablässen durch die so angenehme Andacht eben dieses Rosenkranzes geweiht haben.

Der Rosenkranz und die Zeitübel

Doch soll Unsere Rede zunächst nicht darauf abzielen, dass Wir dem an sich ganz vortrefflichen Gebet weiteres Lob spenden oder die Gläubigen zu seiner gewissenhafteren Übung anspornen, sondern Wir wollen über einige vortreffliche Güter handeln, die daraus geschöpft werden können und die zugleich der Lage der Zeit und der Menschen höchst angemessen sind. Denn Wir hegen die feste Überzeugung, dass die Rosenkranzandacht, wenn sie in solcher Weise die rechte Pflege findet, dass sie die ihr innewohnende Kraft und Macht zu entfalten vermag, nicht bloß für einzelne Personen, sondern auch für das ganze Staatswesen den größten Nutzen stiften wird.

3 Jedermann ist bekannt, wieviel Wir gemäß Unseres höchsten apostolischen Amtes zum staatsbürgerlichen Wohle beizutragen bemüht waren und fürderhin mit Gottes Hilfe beizutragen bereit sind. Denn die Träger der Gewalt haben Wir oftmals ermahnt, dass sie nur solche Gesetze geben und zur Ausführung bringen sollten, welche der gerechten Richtschnur des göttlichen Geistes entsprechen. Die Staatsbürger aber, welche die übrigen durch Talent, Verdienste oder vornehme Geburt und Glücksgüter überragen, haben Wir häufig aufgefordert, in gemeinsamer Beratung und mit vereinten Kräften die höchsten und wichtigsten Interessen des Staates zu schützen und zu fördern. – Leider aber gibt es zu viele Anlässe, durch welche beidem jetzigen Stande der bürgerlichen Gesellschaft die Bande der öffentlichen Zucht gelockert und die Völker von der rechten Bahn der Ehrbarkeit und Sittlichkeit abgezogen werden. Drei Hauptübel sind es nach Unserem dafürhalten vornehmlich, welche zum Verderben der gemeinsamen Wohlfahrt ausschlagen, nämlich: Widerwille gegen ein bescheidenes und arbeitssames Leben, Scheu vor Leiden, Vergessenheit auf die von uns erhofften künftigen Güter.

Die Abneigung vor einer einfachen schlichten Lebensführung

4 Wir beklagen es – und das geben gerne und mit Bedauern sogar jene Leute zu, welche dem Rationalismus und dem Utilitätsprinzip huldigen – als eine Hauptkrankheit der menschlichen Gesellschaft, dass die Pflichten und Tugenden vernachlässigt werden, welche die Perlen des schlichten und gewöhnlichen Standes sind.

5 Denn daher kommt im häuslichen Verkehr die trotzige Verweigerung des von Natur schuldigen Gehorsams seitens der Kinder, die sich gegen alle Zucht sträuben, wenn sie nicht mit Genuß und Weichlichkeit verbunden ist. Daher entziehen sich die Arbeiter ihren Gewerben, scheuen die Anstrengung, schauen, unzufrieden mit ihrem Lose, nach Höherem empor und verlangen in ihrer Kurzsichtigkeit Gütergleichheit. Ähnliches gilt von der Sucht vieler, den heimatlichen Boden zu verlassen und das Geräusch der Städte und ihre verlockenden und verschwenderischen Genüsse aufzusuchen. Daher herrscht sein Gleichgewicht unter den Ständen des Staates; alles wankt, die Gemüter werden von Eifersucht und Neid gequält, das Recht wird öffentlich mit Füßen getreten. Endlich stören Leute, die sich in ihrer Hoffnung getäuscht sehen, durch Aufruhr und Rotten die öffentliche Ruhe und widersetzen sich jenen, deren Pflicht es ist, den Frieden zu schützen.

Die Lehre des freudenreichen Rosenkranzes

6 Gegen diese Übel möge Heilung beim Marianischen Rosenkranz gesucht werden, der zugleich in einer bestimmten Gebetsordnung und in frommer Erwägung der Geheimnisse Christi des Erlösers und seiner Mutter besteht. Die „freudenreichen Geheimnisse“ sollen nämlich gehörig und volkstümlich erklärt und wie Tugendgemälde und Musterbilder den Augen der Menschen vorgestellt werden. Jedermann wird daraus klar ersehen, welch reichliche und leichtfassliche Fülle von Lehren sie enthalten, welche die Herzen mit wunderbarer Lieblichkeit anziehen und zur sittlichen Gestaltung des Lebens dienen. – Da gewahrt man das Haus von Nazareth, eine irdische und göttliche Wohnung der Heiligkeit. Welch großes Musterbild täglichen Wandels findet sich hier! Welch durchaus vollkommenes Ideal häuslicher Lebensgemeinschaft! Einfachheit und Reinheit der Sitten herrscht hier, beständige Eintracht der Gemüter, keine Störung der Ordnung, gegenseitige Hochachtung, kurz die Liebe, nicht jene übertünchte und trügerische, sondern eine solche, welche bei unablässiger Pflichterfüllung unversehrt und lebensfrisch bleibt, ja sogar die Augen der Beobachter entzückt. Dort besteht zwar das Streben, das zur Nahrung und Kleidung Nötige zu erwerben, aber das geschieht im Schweiße des Angesichtes und in einer Gemütsverfassung von solchen, die mit Wenigem zufrieden sind und eher auf weniger Bedürfnisse als auf größerem Besitz ausgehen. Zu alldem kommt noch die größte Seelenruhe und die gleiche Herzensfreude, welche die zwei beständigen Begleiterinnen eines guten Gewissens sind. – Sobald die Beispiele dieser Tugenden, nämlich der Bescheidenheit und Demut, der Arbeitsfreudigkeit und des Wohlwollens gegen den Nächsten, der Sorgfalt in Verrichtung unscheinbarer Pflichten des täglichen Lebens und andere Beispiele der Art, allmählich von den Gemütern erfasst werden und sich tief einprägen, wird in ihnen sicher allmählich auch die erwünschte Sinnesänderung und sittliche Besserung eintreten. Dann werden die Berufsarbeiten niemals jemand verächtlich und lästig werden, sondern vielmehr jedem angenehm und erfreulich sein; ja das Pflichtgefühl wird, mit einer gewissen Wonne versüßt, einen stärkern Sporn zur Rechtschaffenheit erhalten. Infolge dessen wird eine allseitige Milderung der Sitten eintreten, das häusliche Zusammenleben wird mit Liebe und Wonne verbunden sein, der Umgang mit den Nebenmenschen wird an aufrichtiger Hochachtung und Liebe noch mehr gewinnen. Wenn all diese Segnungen von dem einzelnen Menschen weithin in den Familien, in die Städte, unter ein gesamtes Volk übertragen werden, so dass sich hiernach die Lebensführung einrichtet, so springt in die Augen, welche bedeutenden Vorteile für den Staat hieraus erwachsen werden.

Die Opferscheu

7 Der zweite, höchst unheilvolle Übelstand, den Wir niemals genug beklagen können, weil er die Herzen von Tag zu Tag in weitern Kreisen verschlechtert und vergiftet, besteht in der Scheu vor dem Schmerz, in der energischen Abwehr von Widerwärtigkeiten und Trübsal. Denn der größte Teil der Menschen betrachtet die Ruhe und Geistesfreiheit nicht mehr, wie es sich gebührt, als die für jene bestimmte Belohnung, welche sich der Übung der Tugend unterziehen, ohne sich von Gefahren und Anstrengungen besiegen zu lassen, sondern sie sinnen auf eine eingebildete Vervollkommnung des Staates, in welchem jede Unannehmlichkeit beseitigt und der Genuß der Ergötzlichkeiten dieses Lebens in Masse aufgehäuft werden soll. Eine weitere Folge dieser heftigen und ungezügelten Lust nach Glückseligkeit ist die Gefahr, dass die natürlichen Fähigkeiten erschüttert werden. Wenn diese auch nicht gänzlich verfallen, so werden sie doch so geschwächt, so dass sie den Leiden des Lebens entmutigt ausweichen und auf elende Weise unterliegen.

Die Lehre des schmerzhaften Rosenkranzes

8 Auch in dieser gefahrvollen Lage ist bedeutende Hilfe zur Kräftigung der Geister (so gewaltig ist die Macht des Beispiels) von dem Marianischen Rosenkranz zu erwarten, wenn die sogenn. schmerzhaften Geheimnisse schon vom frühesten Kindesalter an und hernach ununterbrochen in stiller und süßer Betrachtung erwogen werden. Wir sehen an ihnen, wie Christus, „der Urheber und Vollender unseres Glaubens, anfing zu wirken und zu lehren“, damit wir die Beispiele für das, was er unserem Geschlechte über die Erduldung von Mühsalen und Schmerzen gelehrt hat, von seiner Person selbst hernehmen könnten, und zwar so, dass er die Ertragung all dessen, was am schwersten auszuhalten ist, mit großer Bereitwilligkeit für sich selbst übernommen hat. Von Traurigkeit sehen wir ihn erschöpft bis zu dem Grade, dass er an allen Gliedern von Blut, wie von Schweiß, triefte. Wir sehen ihn gleich einem Räuber mit Stricken gebunden, dem Gerichte der Verworfensten sich unterziehen, mit Verwünschungen, Schmähungen und falschen Anklagen überhäuft. Wir sehen ihn mit Geißeln geschlagen, mit Dornen gekrönt, ans Kreuz geheftet, des längern Lebens für unwürdig erachtet, schuldig, unter dem Zuruf der Volksschar zu sterben. Dazu erwägen wir noch den Kummer seiner heiligsten Mutter, deren Seele „ein Schwert des Schmerzes“ nicht bloß berührte, sondern durchbohrte, auf dass sie die Mutter der Schmerzen hieße und wäre. – In der Tat, wer solche Tugendmuster häufig im Geiste erwägt und nicht bloß mit dem Liebesauge betrachtet, wie sehr wird dessen Seele zur Nachahmung erglühen!

9 Mag ihm auch „die Erde verflucht sein, Dornen und Disteln tragen“, mag sein Geist von Trübsal niedergedrückt, der Leib von Krankheit gequält sein, kein Übel wird es geben, sei es durch die Missgunst der Menschen oder den Groll der Dämonen herbeigeführt, keinen öffentlichen oder privaten Schicksalsschlag, den er nicht in geduldiger Ertragung überwindet. Daher ist das Wort richtig,: „Wacker handeln und leiden ist christlich“; denn der Christ, der mit Recht als solcher gelten will, muß notwendig dem Dulder Christus nachfolgen. Unter Geduld aber verstehen wir nicht eitle Prunksucht eines gegen Schmerz unempfindsamen Gemütes, wie sie manchen Philosophen des Altertums eigen war, sondern eine Eigenschaft, die sich an jenem ein Beispiel nimmt, der um die ihm vorliegende Freude das Kreuz erduldete, ohne die Schmach zu achten“ (Hebr. 12,2), und von ihm geeignete Gnadenhilfe begehrt, sich gegen Widerwärtigkeiten durchaus nicht sträubt, ja sogar darüber frohlockt und Leiden, so groß sie auch seien, für Gewinn erachtet. Unter den Katholiken fanden sich, ja finden sich noch, die ausgezeichnetsten Jünger dieser Lehre, zahlreiche Männer und Frauen aus jenem Lande und Stande, die in den Fußstapfen Christi des Herrn wandelnd alle Unbilden und Kränkungen für die Tugend der Religion übernahmen, indem sie das bekannte Wort des Didymus mehr in der Tat als dem Klange nach auf sich anwandten: „Auch wir wollen hingehen und mit ihm sterben“ (Joh. 11,16).

10 Diese Tatsachen hervorragender Standhaftigkeit mögen sich in glänzender Art und großer Zahl noch mehr entfalten und aus ihnen Schutz für den Staat, Kraft und Ruhm für die Kirche erwachsen!

Die reine Diesseitseinstellung

11 Das dritte Hauptübel, für das ein Heilmittel zu suchen ist, tritt am meisten bei unseren Zeitgenossen hervor. Denn in der früheren Zeit liebten die Menschen die irdischen Güter wohl auch, sogar allzu verkehrt, in der Regel jedoch verschmähten sie die himmlischen nicht gänzlich. Selbst einsichtsvolle Heiden lehrten, dass uns dieses Leben als Herberge, nicht als Heimat gegeben ist, als zeitweiliger Aufenthaltsort, nicht als Wohnstätte. Die jetzt lebenden Menschen aber jagen, obwohl sie im christlichen Gesetz unterrichtet sind, meistenteils den flüchtigen Gütern der gegenwärtigen Zeit in der Art nach, dass sie das bessere Heimatland in der Seligkeit des ewigen Lebens nicht bloß auf ihrem Gedächtnis schwinden lassen, sondern zur größten Schande gänzlich ausgelöscht und vertilgt wissen wollen, während der Apostel Paulus vergeblich mahnt: „Wir haben hier keine bleibende Wohnstätte, sondern trachten nach der zukünftigen.“ (Hebr. 13,14)

12 Wenn man nach den Ursachen dieser Erscheinung fragt, ergibt sich vor allem, dass viele die Meinung hegen, durch den Gedanken an die Zukunft werde die Liebe zum irdischen Vaterlande geschädigt und das Gedeihen des Staates beeinträchtigt. Aber nichts ist in der Tat gehässiger als dies, nichts einfältiger. Denn die Güter unserer künftigen Hoffnung sind nicht von solcher Beschaffenheit, dass sie den Geist der Menschen in der Art an sich ziehen, dass sie denselben von der Sorge um die gegenwärtigen Güter vollständig abwendig machen; hat ja auch Christus, als er das Reich Gottes zu suchen gebot, allerdings in erster Linie dieses verlangt, aber nicht so, dass wir das Übrige verabsäumen sollten. Denn wenn der Genuß der irdischen Dinge und die daraus sich ergebenden ehrbaren Vergnügungen zur Mehrung oder Belohnung der Tugenden dienlich sind; ferner wenn der Glanze und die Pflege des irdischen Staates, wodurch die menschliche Gesellschaft eine großartige Verherrlichung gewinnt, den Glanz und die Pflege des himmlischen Staates nachahmt: so liegt für vernunftbegabte Wesen nichts Ungeziemendes oder den göttlichen Ratschlüssen Widerstreitendes vor. Denn Gott ist in gleicher Weise der Urheber der Natur und der Gnade. Er will nicht, dass die eine der andern hinderlich sei und dass sie sich wechselseitig befehden, sondern dass sie in einem freundschaftlichen Bündnisse zusammengehen zu dem Zweck, dass wir unter der Führung beider jene unsterbliche Glückseligkeit, zu der wir Sterbliche geboren sind, gewissermaßen auf einem bequemen Wege dereinst erlangen.

13 Doch die vergnügungssüchtigen, nur in der Selbstliebe befangenen Menschen, die all ihr Sinnen und Trachten in niedriger Gesinnung auf das Vergängliche richten und die Erhebung zum Höheren nicht fähig sind, sind weit entfernt, sich vom Genuß der sichtbaren Güter zum Verlangen der ewigen zu erschwingen, vielmehr verlieren sie den Aufblick zur Seligkeit gänzlich und sinken zu einer schmachvoll tiefen Stufe herab. Denn Gottes Walten könnte den Menschen mit keiner härtern Strafe treffen,, als wenn er ihn sein ganzes Leben über nach den Lockungen der Lustbarkeiten und die ewig dauernden Güter vergessen lässt.

Die Lehre des glorreichen Rosenkranzes

14 Dieser Gefahr wird jedoch in der Tat jener entrückt sein, der beim frommen Gebrauche des Rosenkranzes die in ihm vorkommenden „glorreichen Geheimnisse“ in aufmerksame und wiederholte Erwägung zieht. Das sind nämlich diejenigen Geheimnisse, in welchen dem christlichen Geiste hellleuchtendes Licht vorangetragen wird, um jene Güter zu schauen, die sich zwar dem Anblicke der Augen entziehen, die aber Gott nach unserem festen Glauben denen bereitet hat, die ihn lieben. Aus ihnen lernen wir, dass der Tod kein Untergang sei, der alles beseitigt und zerstört, sondern nur eine Wanderschaft und ein Umtausch des Lebens. Wir lernen, dass allen die Bahn zum Himmel offen steht, und wenn wir Christus dorthin zurückkehren sehen, denken wir an seine selige Verheißung: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten.“ Wir lernen, dass es dereinst eine Zeit gibt, wo „Gott jede Träne von unseren Augen abwischt, und keine Trauer, keine Klage, kein Schmerz mehr sein wird.“ Sondern „wir werden immer mit dem Herrn sein, Gott ähnlich, weil wir ihn schauen werden, so wie er ist, trunken von dem Strome seiner Seligkeit, Mitbürger der Heiligen“ in der hochheiligen Gemeinschaft unserer erhabenen Königin und Mutter Maria. – Indem die Seele dies erwägt, muß sie erglühen und das Wort des heiligen Mannes wiederholen: „Wir widerlich ist die Erde, wenn ich den Himmel betrachte!“ sie muß den Trost genießen, „dass die augenblickliche und leichte Last unserer Trübsal eine schwerwiegende ewige Herrlichkeit in uns wirke.“

15 Denn das ist die einzige Methode, die Gegenwart mit der Ewigkeit, den irdischen Staat mit dem himmlischen geeignet zu verbinden; auf diesem Wege allein werden starke und erhabene Charaktere großgezogen. Wenn sich diese auf eine große Zahl belaufen, bleibt die Würde und Hoheit des Staates bestehen, in Blüte steht das Wahre, Gute und Schöne, nach jenem Ideal ausgeprägt, welches das höchste Prinzip und die unversiegliche Quelle aller Wahrheit, Güte und Schönheit ist.

Die Rosenkranzbruderschaften

16 Nun können alle sehen, was wir als Satz obenan gestellt haben, wie reich an Nutzen die Kraft des Marianischen Rosenkranzes sei, welch wunderbaren Einfluß er übe, um die Übel der Zeit zu heilen, um die schwersten Schäden des Staates fernzuhalten. – Diese Kraft aber werden, wie leicht ersichtlich ist, in reichlichem Ma0e vornehmlich jene empfinden, die aufgenommen in die heilige Rosenkranzbruderschaft durch besondere wechselseitige brüderliche Liebe und Hingebung an die hochheilige Jungfrau sich vor allen andern empfehlen. Denn diese Genossenschaften sind durch das Ansehen der Päpste gutgeheißen, von ihnen mit Privilegien und Ablässen beschenkt, werden in gebührender Ordnung durch das Vorsteheramt geleitet, haben zu bestimmten Zeiten ihre Versammlungen und sind mit den besten Hilfsmitteln ausgerüstet, durch die sie religiös gedeihen und zum Vorteil der menschlichen Gesellschaft beitragen. Das sind gleichsam die Kriegsscharen, welche die Kämpfe Christi durch seine hochheiligen Geheimnisse bestehen, unter dem Schutze und der Leitung der Himmelkönigin. Wie gnädig sie auf ihre Bittgebete, Andachten, Festzüge Hilfe leistet, das trat allezeit klar zu Tage, in großartiger Weise bei den Eginadischen Inseln.

17 Daher ist es angemessen, mit großem Eifer und Anstrengung die Gründung, Erweiterung und Leitung solcher Bruderschaften zu betreiben, und das sollen, sagen Wir, nicht allein die Zöglinge des Vaters Dominikus tun, obwohl sie das nach ihrer Schule in ausgezeichneter Weise schuldig sind, sondern auch alle übrigen Seelsorger, besonders in den heiligen Tempeln, wo jene bereits rechtmäßig errichtet sind. Unser besonderer Wunsch ist es, dass auch jene für diesen Zweck arbeiten, welche sich heiligen Unternehmungen widmen, um die Lehre Christi unter wilden Völkerstämmen einzuführen, oder auch bei gebildeten Nationen zu befestigen. – Wenn Ihr selbst alle hierzu ermuntert, so zweifeln Wir durchaus nicht, dass es viele eifrig gesinnte Christgläubige gibt, welche der genannten Bruderschaft beitreten und besonders auch darnach streben, die auseinandergesetzten innern Güter zu erreichen, nämlich jene, in welchen die Einrichtung und gewissermaßen das Wesen des Rosenkranzes besteht. Von dem Beispiele der Mitglieder aber wird eine größere Verehrung und Liebe gegen die Rosenkranzandacht selbst auf die übrigen Gläubigen ausströmen. So erweckt und angeregt werden sie weitere Sorgfalt anwenden, dass sie nach Unserem sehnlichsten Wunsche der reichen Fülle eben dieser Heilsgüter teilhaftig werden.

18 Das ist also die Hoffnung, welche Uns voranleuchtet, durch sie lassen wir uns leiten, und sie ist bei den gewaltigen Schäden des Staatswesens Unser großer Trost. Damit sich diese glücklich erfülle, das möge die Erfinderin und Lehrerin des Rosenkranzes selbst, nämlich Maria, die Mutter Gottes und der Menschen, durch ihre Fürbitte erreichen. Wir hegen das feste Vertrauen, dass durch Eure gemeinsame Bemühung, Ehrwürdige Brüder, Unsere Belehrungen und Wünsche zum Wohlergehen der Familien, zum Frieden der Völker und zum allgemeinen Wohle gereichen.

19 Inzwischen erteilen Wir jedem von Euch, der Geistlichkeit und Eurem Volke als Unterpfand der göttlichen Gabe und als Zeugnis Unseres Wohlwollens von ganzem Herzen im Herrn den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, den 8. September des Jahres 1893,
dem sechzehnten Unseres Pontifikates
Leo XIII. PP.