Dilectissima nobis (Wortlaut)

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Enzyklika
Dilectissima nobis

unseres Heiligen Vaters
Pius XI.
an die Kardinäle Francisco Vidal y Barraquer, Erzbischof von Tarragona,
und Eustachio Esteban, Erzbischof von Toledo, an die übrigen Erzbischöfe und Bischöfe
sowie den Klerus und das Volk Spaniens,
über die ungerechte Lage der Katholischen Kirche in Spanien
3. Juni 1933

(Offizieller französischer Text (AAS XXV [1933] 261-274)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, Band 3; XXV 96-138; S. 2630-2645; Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Einleitung

1 Besonders teuer war Uns seit jeher das edle spanische Volk wegen seiner großen Verdienste um den katholischen Glauben und die christliche Kultur, wegen seiner ererbten innigen Verbundenheit mit diesem Apostolischen Stuhl und namentlich wegen seiner beachtlichen apostolischen Institutionen und Untemehmungen, durch die es zur Heim- und Bildungsstätte heiliger Männer, von Missionaren und berühmten Ordensstiftern wurde, die der Ruhm und die Stärke der Kirche Gottes sind. Da nun die Ruhmestaten Spaniens so eng mit der katholischen Religion verbunden sind, so sind Wir doppelt mit Betrübnis erfüllt angesichts der zahlreichen bedauerlichen Bestrebungen, die nur dahin führen können, dass zusammen mit dem Glauben der Väter auch die Wirkursache seines öffentlichen Ansehens zerrüttet wird. Unsere väterliche Zuneigung forderte daher von Uns, die Lenker dieses Staates immer wieder zu ermahnen, ernsthaft zu erwägen, dass sie falschen Methoden und falschen Grundsätzen folgen; sie können nämlich nicht die jeder Nation zum Gedeihen unabdingbar nötige Eintracht unter den Bürgern dadurch herbeiführen, dass sie der Seele des Volkes schaden und sie verwunden. Wir taten dies durch Unseren Nuntius jedes Mal dann, wenn Wir die Gefahr hereinbrechen sahen, dass eine neue Verordnung erlassen werden sollte, durch die geheiligte Rechte Gottes und der Seelen verletzt werden würden. Auch haben Wir keine Gelegenheit versäumt, Unseren geliebten Söhnen in Spanien, Klerikern wie Laien, in ihrer Bedrängnis Unser aufrichtiges Mitgefühl zu bezeugen oder in aller Öffentlichkeit ein väterliches Wort an sie zu richten.

2 Nunmehr aber, da ein neues Gesetz "über die religiösen Konfessionen und Kongregationen" erlassen worden ist, betrachten Wir Uns für verpflichte, erneut missbilligend und anklagend Unsere Stimme zu erheben, da nicht nur der Kirche und der Religion, sondern auch den Gesetzen und Institutionen der bürgerlichen Freiheit, auf denen das neue Regime Spaniens zu beruhen vorgibt, ein neues und noch schwerwiegenderes Unrecht zu gefügt wird.

Die Haltung der Kirche gegenüber den verschiedenen Staatsformen

3 Wir wünschen, dass alle aufmerksam zur Kenntnis nehmen, dass diese Unsere Worte nicht, wie manche fälschlich immer wieder behaupten, von einer Abneigung gegenüber der neuen Regierungsform des spanischen Staates noch von einer ablehnenden Haltung gegenüber den kürzlich dort erfolgten politischen Veränderungen diktiert sind. Allen ist ja bekannt, dass die katholische Kirche keine Staatsordnung gegenüber einer anderen besonders bevorzugt, sofern nur die Rechte Gottes und des christlichen Gewissens gewahrt und geschützt werden, und dass sie sich daher ohne Schwierigkeit mit jeder Staatsform ins Einvernehmen setzen kann, sei es ein Königreich oder eine Republik, eine Aristokratie oder eine Demokratie. Das beweisen, um nur Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zu erwähnen, die zahlreichen Verträge und die so genannten "Konkordate", die erst vor kurzem abgeschlossen wurden, ebenso die freundschaftlichen Beziehungen, die der Apostolische Stuhl mit verschiedenen Staaten unterhält, selbst mit jenen, die nach dem letzten großen Krieg die Monarchie abgeschafft und die Republik eingeführt haben.

==Die Vorteile, die die Demokratien aufgrund ihrer guten Beziehungen zur Kirche genießen==

Tatsächlich sind diesen Republiken niemals - weder bezüglich ihrer Institutionen noch in ihrem berechtigten Streben nach Ansehen, noch hinsichtlich der Wohlfahrt ihrer Völker -, niemals sind ihnen, sagen Wir, weder aus ihren freundschaftlichen Beziehungen zu diesem Apostolischen Stuhl noch aus dem Entschluss, den Zeitumständen angepasste Verträge über all jene Angelegenheiten, die die staatliche und die kirchliche Gesellschaft gemeinsam betreffen, in gegenseitigem Vertrauen abzuschließen, irgendwelche Nachteile entstanden. Im Gegenteil, da es sich um eine Sache handelt, die allgemein bekannt und erwiesen ist, können Wir ernstlich behaupten, dass aus dieser vertrauensvollen Eintracht zwischen der Kirche und den Staaten nicht geringer Nutzen und Vorteil für die Staatsgemeinschaft entsprungen ist. Denn alle wissen, dass der Flut sozialer Unruhen, in die fast alle hineingerissen sind, kein festerer und wirksamerer Damm entgegengesetzt werden kann als die Katholische Kirche, die als Mutter der Völker stets die Achtung vor der legitimen Autorität und die Rechte der menschlichen Freiheit, die Forderungen der Gerechtigkeit und das hohe Gut des ersehnten Friedens klug und erfolgreich miteinander zu versöhnen verstand.

4 All dies kann den Lenkern der Republik Spanien nicht unbekannt sein; auch müssen sie darüber informiert sein, dass Wir und Ihr, Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, bereit sind, zur Wahrung von Ruhe und Ordnung im Staat beizutragen. Mit Uns und dem spanischen Episkopat stimmen fast alle hierin überein, nicht nur der Klerus, Weltgeistliche wie Ordensgeistliche, sondern auch die Laien, d. i. fast das ganze spanische Volk; denn obgleich sie von den Feinden der Kirche herausgefordert und verfolgt werden, so gehorchen sie doch in Ruhe der bestehenden Regierung der Republik und vermeiden es, Gewalt mit Gewalt abzuwehren, die Menge aufzuhetzen und Verwirrung zu stiften, und vor allem halten sie sich vom Bürgerkrieg fern.

5 Es ist daher nur recht und billig, es vor allem der Disziplin und Mäßigung, zu der die Gebote der katholischen Religion verpflichten, zuzuschreiben, wenn bis jetzt noch ein Minimum an Frieden im Staat besteht, den der Widerstand der Parteien und die Machenschaften der Neuerer zu vernichten suchen, indem sie alle staatlichen Rechte und Pflichten verletzen. Daher sind Wir sehr verwundert und von lebhaftem Schmerz erfüllt, weil nicht wenige die ruchlose Verfolgung, der die Kirche ausgesetzt ist, gewissermaßen zu billigen scheinen und öffentlich erklären, dass es zum Schutz der neuen Republik nötig gewesen sei, diese Maßnahmen zu ergreifen. Da es aber völlig klar ist, dass dieses Argument erlogen und ganz und gar falsch ist, können Wir mit Recht folgern, dass die Bedrängnis der spanischen Kirche nicht aus Unkenntnis bezüglich des katholischen Glaubens und seiner Verdienste stammt, sondern aus dem Hass und Groll, den die Zerstörer aller religiösen und staatlichen Ordnung in den Geheimbünden, wie in der mexikanischen und wie in der russischen Republik, "gegen Gott und gegen seinen Gesalbten" unablässig schüren.

Der organisierte Hass gegen die Kirche, das neue spanische Gesetz betreffend die Trennung von Kirche und Staat

6 Um nun auf das bedauerliche Gesetz "über die religiösen Konfessionen und Kongregationen" zurückzukommen, so haben Wir zu Unserem nicht geringen Schmerz erfahren, dass die Gesetzgeber sogleich offen verkündet haben, es gebe keine dem Staat ausschließlich eigentümliche Religion, und dass sie gerade jene Trennung von Staat und Kirche bestätigen und bekräftigen, die bereits in der "Verfassung" Spaniens ungerechterweise angeordnet worden war.

Die Unmöglichkeit, die Trennung von Kirche und Staat zu rechtfertigen

Um Uns nicht allzu lang dabei aufzuhalten, wollen Wir nicht ausführlicher darstellen, wie sehr jene von der Wahrheit abirren, die diese Trennung für erlaubt und an sich richtig halten; vor allem, da es sich um eine Nation handelt, deren Bürger sich fast alle rühmen, katholisch zu sein. Wenn Wir die Sache aufmerksam betrachten, folgt diese verhängnisvolle Trennung -wie Wir es verschiedentlich aus gegebenem Anlass, namentlich in der Enzyklika "Quas primas" angedeutet haben - notwendigerweise aus den Ideen der Laizisten, die darauf hinarbeiten, sich und die menschliche Gemeinschaft von Gott und ebenfalls von der Kirche zu trennen.

7 Und wenn es jedem an dem Volk absurd und gotteslästerlich erscheinen würde, Gott, den Schöpfer und vorsorgenden Lenker auch des Staates, aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, so ist dies in besonderer Weise dem spanischen Volk unangemessen, bei dem die Kirche in den Gesetzen wie in den Schulen und den anderen privaten und öffentlichen Institutionen zu jeder Zeit und verdientermaßen einen so wichtigen und einflussreichen Platz eingenommen hat. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass dieses gotteslästerliche Beginnen nicht nur dem Gewissen des christlichen Volkes - vor allem der Jugend, die unter Ausschaltung der Religion erzogen werden soll, und der häuslichen Gemeinschaft, deren geheiligte Gesetze verletzt werden - nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, sondern auch für die Autorität der Staatsgewalt nicht geringen Nachteil und Verlust mit sich bringt; denn dadurch, dass sie auf jene Unterstützung, durch die sie dem Volk in die Seele geschrieben wurde, verzichtet, indem sie nämlich die Lehre von ihrem göttlichen Ursprung, ihrer in Gott begründeten Straf- und Befehlsgewalt ganz ablehnt, muß sie notwendigerweise ihre höchste verpflichtende Kraft und ihren gesicherten Anspruch auf Gehorsam und Ergebenheit verlieren. Dass derartige Schäden durch diese Trennung verursacht werden, beweisen nicht wenige Völker, die sie in ihre Staatsverfassung aufgenommen haben und die schon bald, nachdem die Sache nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, erklärt haben, sie würden entweder die kirchenfeindlichen Gesetze - wenigstens bezüglich der Interpretation und Anwendung - abändern oder mildern oder so vorgehen, dass trotz der Beibehaltung der Trennung Staat und Kirche friedlich miteinander verkehren und sich gegenseitig unterstützen.

Die Ungerechtigkeit des spanischen Gesetzes und die entsprechenden Maßnahmen

8 Nichtsdestoweniger haben sich die Gesetzgeber in Spanien unter Missachtung dieser Lehren der Geschichte für eine Art der Trennung entschieden, die in Wahrheit mit dem Glauben, den fast alle Bürger bekennen, unvereinbar ist; diese Trennung ist umso beklagenswerter und ungerechter, als sie gerade im Namen der Freiheit eingeführt wird und zur Leugnung des allgemeinen Rechts und eben dieser Freiheit führt, deren Sicherung und Schutz doch allen unterschiedslos zugesagt worden war. Sie haben die Kirche und die Geistlichen so ungerechten Sonderbeschränkungen unterworfen, dass sie sie der Willkür der Beamten vollständig ausgeliefert haben. Denn wenngleich kraft der "Verfassung" und der übrigen Gesetze jede Meinung, auch wenn sie ganz und gar falsch ist, öffentlich geäußert und ungehemmt verbreitet werden darf, so werden einzig bei der katholischen Religion, deren treue Anhänger die Spanier zu sein behaupten, der Unterricht, den sie erteilt, eifersüchtig überwacht und kritisiert und die Elementarschulen und alle übrigen um den Fortschritt der spanischen Wissenschaft und Kunst so verdienten Einrichtungen durch mancherlei Schikanen behindert.

9 Selbst die Ausübung des Gottesdienstes, auch nach den traditionellen Riten, ist Beschränkungen unterworfen; ebenso der Religionsunterricht und die religiöse Erziehung in den staatlichen Lehranstalten; ebenso die Prozessionen, die widerrechtlich von der Genehmigung durch die Verwaltungsbeamten abhängig gemacht wurden; ebenso schließlich die Spendung der Sterbesakramente und die Bestattungsfeierlichkeiten für die Verstorbenen. In den Angelegenheiten, die das Eigentumsrecht betreffen, wird die Diskrepanz noch deutlicher. Die "Verfassung" sichert jedem Bürger das legitime Recht auf Besitz zu und, wie in manchen Kulturstaaten, verbürgt und schützt sie die Ausübung dieses höchst wichtigen Rechts, das sich aus der Natur selbst ergibt. Aber auch in dieser Sache wurden zum Nachteil der Katholischen Kirche Ausnahmen verfügt; denn man hat sie, ganz unzweifelhaft widerrechtlich, all ihrer Besitzungen beraubt. So wird die Absicht der Stifter übergangen und der religiöse und hochheilige Zweck, zu dem diese Güter bestimmt waren, außer Acht gelassen; so werden seit langem erworbene und mit den sichersten Garantien ausgestattete Rechte aufgehoben. Alle Gebäude, die bischöflichen Residenzen, die Pfarrhäuser, die Seminarien und Klöster werden nicht als ausschließlicher und freier Besitz der katholischen Kirche anerkannt; sie werden vielmehr unter Anwendung eines gerichtlichen Urteils, das die Ungerechtigkeit der Enteignung zu verschleiern sucht, zu öffentlichem Besitz der Nation erklärt.

10 Darüber hinaus haben sie, obwohl die eng umgrenzte Nutzung dieser Gebäude, deren ausschließliches Eigentumsrecht doch bei der Kirche und ihren Dienern liegt, durch das Gesetz den kirchlichen Institutionen zugesprochen ist, sofern ein jedes dem ihm eigenen Zweck, nämlich dem Gottesdienst, dient, trotzdem entschieden, dass ebendiese Gebäude den für Immobilien üblichen Steuern unterliegen sollen, sodass die Kirche gezwungen ist, für diese ihr mit Gewalt entrissenen Güter Abgaben zu entrichten.

11 Durch diesen Verfahrensmodus hat sich die Regierung eine Methode und einen Grund verschafft, die Kirche zu veranlassen, auch auf die jederzeit widerrufliche Nutzung ihrer Güter zu verzichten; denn wie soll sie, all ihrer Besitztümer und Hilfsquellen beraubt und durch zahllose Beschränkungen gehemmt, in der Lage sein, die auferlegten Steuern zu zahlen? Auch kann man nicht behaupten, das Gesetz gestatte der Kirche in Zukunft ein gewisses, wenn auch nur privates, Eigentumsrecht; denn der Wortlaut des Gesetzes selbst - nur jene Güter "könne die Kirche behalten, die zur Erfüllung der religiösen Pflichten notwendig sind" -macht die Ausübung dieses Rechts nahezu illusorisch; auch zwingen sie die Kirche selbst dazu, die Entscheidung darüber, was für ihr heiliges Amt notwendig ist, dem Urteil der Staatsbeamten zu überlassen. Ebenso macht sich die Regierung bei der Definition jener Dinge, die die Kirche als zu ihrem geistlichen Amt gehörig fordern kann, zum obersten Richter. Und es ist sehr zu befürchten, dass das Urteil eines solchen Schiedsrichters den einseitigen Zwecken des Gesetzes und der Gesetzgeber Vorschub leistet.

[Fortsetzung folgt]