Der ideale Film

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Ansprache
Der ideale Film

unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an den Internationalen Kongress der Filmproduktionsgesellschaft "Titanus" in Rom
21. Oktober und 29. Oktober 1955

(Offizieller lateinischer Text AAS 47 [1955] 501-516+775-780; 816-828)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Zehnter Jahrgang 1955/56;
I. Teil: Erstes Heft Oktober 1955, am 21. Juni 1955, S. 25-29 - Zusammenfassung und Wortlaut;
II. Teil: Drittes Heft Dezember 1955, am 29. Oktober 1955, S. 130-136 - Wortlaut)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Der Heilige Vater empfing am 21. Juni (I. Teil) 1955 die Vertreter der italienischen Filmindustrie in einer großen Audienz in St. Peter und richtete an sie eine grundlegende Ansprache über die Bedeutung des Films in der modernen Welt und die Forderungen, die man an einen idealen Film stellen müsste. Er setzte am 29. Oktober (II. Teil) 1955 vor Vertretern der italienischen Filmindustrie seine am 21. Juni begonnenen Darlegungen über den Film fort.

I. Teil:

In Rom fand im Juni der Internationale Kongress der Filmproduktionsgesellschaft "Titanus" statt. Der Heilige Vater empfing am 21. Juni die Vertreter der italienischen Filmindustrie in einer großen Audienz in St. Peter und richtete an sie eine grundlegende Ansprache über die Bedeutung des Films in der modernen Welt und die Forderungen, die man an einen idealen Film stellen müsste.

Wie immer bei derartigen Themen gab der Papst zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte und die gegenwärtige Situation des Gegenstandes. Er wies auf die "ausgedehnte und dynamische Tätigkeit" hin, die zur Herstellung eines Films in Bewegung gesetzt werden muss: Schriftsteller, Spielleiter, Schauspieler, Musiker, Produzenten, Facharbeiter, Techniker usw., Industrieanlagen, Kapitalien und dergleichen mehr.

"Es kann nun nicht ausbleiben", so sagte der Heilige Vater, "dass diese Filmwelt um sich herum einen ungewöhnlich umfassenden und tiefgehenden Einfluss auf das Denken, die Sitten und das Leben der Länder ausübt, in denen sie ihre Macht entfaltet, vor allem beim einfachen Volk, für das das Kino häufig die einzige Zerstreuung nach der Arbeit bildet, und auf die Jugend, die im Kino ein rasches und unterhaltsames Mittel sieht, um den natürlichen Durst nach dem Wissen und den Erfahrungen zu stillen, die ihnen ihr Alter verheißt."

"Die außerordentliche Macht des Kinos in der modernen Gesellschaft" - so heißt es weiter - "wird durch das wachsende Bedürfnis, das diese nach ihm hat und das, in Zahlen ausgedrückt, tatsächlich ein neues und erstaunliches Phänomen darstellt, bewiesen. In der umfangreichen Dokumentation, die Uns liebenswürdigerweise zugänglich gemacht worden ist, wird unter anderem berichtet, dass die Zahl der Kinobesucher im Jahre 1954 in allen Ländern der Welt zusammengenommen 12 Milliarden betrug, wovon 2,5 Milliarden allein auf die Vereinigten Staaten von Amerika, 1 Milliarde 300 Millionen auf England kommen, während Italien mit 800 Milionen an dritter Stelle steht."

Was den Gegenstand des Films betrifft, so sagte der Papst: "Von der anfänglichen naiven visuellen Erzählung eines gewöhnlichen Ereignisses ist man heute so weit gekommen"dass man den Ablauf des menschlichen Lebens in seinen vielfältigen Verwicklungen auf die Leinwand bringt und dabei Ideale, Verfehlungen, Hoffnungen, Mittelmäßigkeiten oder Hochherzigkeiten einer oder mehrerer Personen sorgfältig analysiert."

Die große Wirkung des Films hängt aber mit den Gesetzen der Psychologie zusammen, die an sich schon die Einprägsamkeit des Films erklären, zudem aber auch noch von den Schöpfern des Films bewusst eingesetzt werden, um die Wirkung zu steigern. Dadurch hat der Film die Macht, den Zuschauer "ebenso ins Reich des Lichts, des Edlen und Schönen wie in die Sphäre der Finsternis und Erniedrigung" zu versetzen.

"Da man sich der eindringlichen Macht des Films bewusst wurde, und in Anbetracht seines großen Einflusses auf die breiten Volksschichten und selbst auf Sitte und Moral hat das Filmschaffen die Aufmerksamkeit sowohl der zuständigen bürgerlichen und kirchlichen Autoritäten wie die der Allgemeinheit und derer, die über ein unbefangenes Urteil rund einen angeborenen Sinn für Verantwortlichkeit verfügen, auf sich gezogen. Und in der Tat, wie sollte man auch ein an sich edles Mittel, das jedoch die Macht hat, die Herzen ebenso zu erheben wie herabzuziehen, einfach sich selbst überlassen oder nur vom wirtschaftlichen Vorteil abhängig machen, ein Mittel, das so geeignet ist, Gutes zu vermitteln, aber auch Böses zu verbreiten?

Die Wachsamkeit und das Eingreifen der öffentlichen Stellen, die durch das Recht, das gemeinsame bürgerliche und sittliche Erbe zu schützen, durchaus gerechtfertigt sind, manifestieren sich in verschiedenen Formen: durch die bürgerliche und kirchliche Filmzensur und, wenn nötig, ein Filmverbot; durch die Listen der Filme, die von geeigneten Prüfungskommissionen veröffentlicht werden, die sie nach Verdienst qualifizieren und die dem Publikum zur Kenntnisnahme und Richtschnur vorgelegt werden. Es ist wohl wahr, dass der Geist unserer Zeit, der unduldsamer als gerechtfertigt gegenüber dem Eingriff öffentlicher Stellen ist, einen Selbstschutz vorziehen würde, der unmittelbar von der Kollektivität ausginge. Gewiss wäre es wünschenswert, dass ein einstimmiger Zusammenschluss der Guten gegen den korrumpierenden Film zustande käme, wo immer er sich zeigt, um ihn mit den Rechten und sittlichen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, zu bekämpfen; doch eine solche Aktion allein würde noch nicht genügen ...

Wenn also das bürgerliche und sittliche Erbe des Volkes und der Familien mit sicherer Wirkung geschützt werden soll, so ist es nur recht und billig, dass die öffentliche Autorität pflichtgemäß eingreift, um die schädlichsten Einflüsse zu verhindern oder einzudämmen.

Und nun erlauben Sie, dass Wir an Sie, die Sie so voller guten Willens sind, ein, Wir möchten sagen, vertrauliches und väterliches Wort richten. Wäre es nicht gut, wenn die ehrliche Bewertung und die Zurückweisung dessen, was unwürdig oder dekadent ist, schon am Anfang und ganz besonders in Ihren Händen läge? ... Kein vernünftiger Geist könnte Ihren gewissenhaften und wohl überlegten Urteilsspruch in einer Materie, die Ihren eigensten Beruf betrifft, einfach übergehen oder belächeln. Machen Sie also weit gehenden Gebrauch von jener Kompetenz und Autorität, die Ihnen Ihr Wissen, Ihre Erfahrung, die Würde Ihrer Arbeit verschaffen. Ersetzen Sie unbedeutende oder schädliche Schauspiele durch gute, edle, schöne Visionen, die zweifellos reizvoll sein können, auch ohne schwül zu werden, ja die selbst den Gipfel der Kunst erreichen können. Sie werden die Zustimmung und den Applaus all derer auf Ihrer Seite haben, die einen gesunden Geist und rechtes Wollen besitzen, und vor allem werden Sie die Zustimmung Ihres eigenen persönlichen Gewissens haben." Der Heilige Vater ging dann dazu über, im zweiten Teil seiner Ansprache das Bild des idealen Films zu umreißen.

Der ideale Film

(Wortlaut)

Wir haben bisher diesen ersten Teil Unserer Darlegung dem Film gewidmet, so wie er tatsächlich heute ist; nun möchten Wir in einem zweiten Teil Unsere Gedanken über den Film aussprechen, wie er sein sollte, das heißt, Wir möchten zu Ihnen über den idealen Film sprechen.

Doch zunächst einmal: Kann man von einem idealen Film überhaupt reden? Man nennt gewöhnlich das ideal, dem nichts fehlt an dem, was ihm eigen ist, das dies vielmehr in vollkommenem Maße besitzt. Gibt es in diesem Sinn einen schlechthin idealen Film? Einige pflegen die Möglichkeit der Existenzdes absolut Idealen zu bestreiten; mit anderen Worten, sie behaupten die Relativität eines Ideals, sie behaupten also, dass das Ideale immer nur etwas Gewisses für irgend jemanden oder für eine ganz bestimmte Sache anzeigt. Das Auseinandergehen der Ansichten beruht zum großen Teil auf den verschiedenen Kriterien, die bei der Unterscheidung der wesentlichen von den nebensächlichen Elementen angewandt werden. In der Tat entbehrt das Ideale trotz der behaupteten ReIativität niemals eines absoluten Kerns, der in jedem einzelnen Fall zur Wirkung kommt, trotz der Vielfalt und Mannigfaltigkeit der sekundären Elemente, die sich aus deren Beziehung zu einem bestimmten Fall ergeben. Wenn Wir dies voraussetzen, glauben Wir den idealen Film unter drei Gesichtspunkten betrachten zu müssen:

1. in bezug auf das Subjekt, das heißt, auf die Zuschauer, für die der Film bestimmt ist;

2. in bezug auf das Objekt, das heißt, auf den Gehalt des Films selber;

3. in bezug auf die Gemeinschaft, auf die, wie Wir schon sagten, der Film einen ganz besonderen Einfluss ausübt. Da Wir uns über dieses wichtige Argument ausführlicher verbreiten möchten, wenden Wir Uns heute darauf beschränken, den ersten dieser Gesichtspunkte zu behandeln, und den Zweiten und dritten für eine andere Audienz aufsparen, wenn Uns die Gelegenheit dazu geschenkt wird.

Der ideale Film in seiner Beziehung zum Zuschauer

a) Das erste Merkmal, das in dieser Hinsicht den idealen Film auszeichnen muss, ist die Hochachtung vor dem Menschen. Es existiert in der Tat kein Motiv, das ihn der allgemeinen Norm entziehen könnte, nach der jeder, der mit Menschen umgeht, Hochachtung vor dem Menschen haben muss.

So sehr auch die Unterschiede nach Alter, Verhältnissen und Geschlecht eine verschiedene Haltung und Anpassung nahelegen, so handelt es sich doch immer um den Menschen mit der Würde und Hoheit, die der Schöpfer ihm geschenkt hat, aIs er ihn nach seinem Ebenbild und Gleichnis bildete (Gen. 1,26). Der Mensch ist geistige und unsterbliche Seele; er ist der Mikrokosmos mit seiner Vielfalt und Vielgestaltigkeit, mit der wunderbaren Zusammenordnung aller seiner Teile. Er ist Denken und Wollen mit der Fülle und Weite seines Tätigkeitsbereiches; er ist Gefühlsleben mit seinen Aufschwüngen und seinen Tiefen; er ist die Welt der Sinne mit ihrem vielfältigen Vermögen, Auffassen und Fühlen; er ist der bis in seine letzten Fibern nach einer noch nicht vollständig erforschten Zweckmäßigkeit gebildete Leib. Der Mensch ist als Herr in diesem Mikrokosmos eingesetzt; er muss sich frei nach den Gesetzen des Wahren, des Guten und des Schönen selber führen, wie es ihm die Natur, das Zusammenleben mit anderen seinesgleichen und die göttliche Offenbarung kundtun.

Da das Filmschauspiel, wie Wir bereits bemerkt haben, die Macht hat, das Herz des Zuschauers zum Guten oder zum Bösen zu leiten, werden Wir nur den Film ideal nennen, der nicht nur das, was Wir oben beschrieben haben, nicht beleidigt, sondern es mit Ehrfurcht behandelt. Ja nicht einmal das genügt! Wir müssen sagen: der den Menschen zum Bewusstsein seiner Würde stärkt und erhebt; der ihn den hohen Rang, in den er vom Schöpfer durch seine Natur eingesetzt worden ist, besser kennen lehrt; der ihm die Möglichkeit aufzeigt, in sich die Gaben der Energie und Tugend, über die er verfügt, zur Entfaltung zu bringen; der in ihm die Überzeugung stärkt, dass er die Hindernisse überwinden und falsche Entschlüsse vermeiden kann, dass er sich immer vom Fall wieder aufrichten und auf den rechten Weg zurückkehren kann; kurz: dass er vom Guten zum Besseren durch den Gebrauch seiner Freiheit und seiner Fähigkeiten fortschreiten kann.

Der ideale Film - besser verstandene Wirklichkeit, Hilfe und Trost

b) Ein solcher Film hätte bereits in Wahrheit die Grundfunktion des idealen Films; doch man kann ihm noch mehr zubilligen, wenn er nämlich mit der Hochachtung vor dem Menschen noch ein liebevolles Verständnis verbindet. Erinnern Sie sich an das ergreifende Wort des Herrn: ,Es erbarmt mich dieses Volkes' (Mark. 8, 2).

Das menschliche Leben hienieden hat seine Höhen und seine Abgründe, seine Aufstiege und seine Niedergänge, es bewegt sich zwischen Tugenden und Lastern, zwischen Konflikten, Verwicklungen und Waffenstillständen, es kennt Siege und Niederlagen. All das erfährt jeder auf seine Weise, entsprechend seinen äußeren und inneren Verhältnissen und gemäß .den verschiedenen Altersstufen, die ihn wie ein Strom von Gebirgslandschaften zu waldigen Hügeln und zu von der Sonne verbrannten Ebenen führen.

So sind die Bedingungen der Bewegung und des Kampfes anders beim Kind, dessen Geist soeben erwacht; anders beim Knaben um ersten vollen Besitz und Gebrauch der Vernunft; anders beim Jüngling in den Jahren der Entwicklung, wenn große Stürme mit wunderbaren Aufklärungen abwechseln; anders beim reifen Mann, der oft völlig vom Kampf um das Leben mit seinen unvermeidlichen Stößen absorbiert ist; anders heim Greis, der sich rückwärts wendet, um auf die Vergangenheit mit Wehmut, Sehnsucht und Reue zurückzublicken, und der sich Fragen stellt und Ereignisse betrachtet, wie es nur der kann, der weit gefahren ist.

Der ideale Film muss dem Zuschauer zeigen, dass er alle diese Dinge weiß, versteht und richtig wertet; aber er muss es dem Kinde zeigen, wie es für das Kind passt, dem jungen Menschen in einer diesem verständlichen Sprache, dem reifen Mann, wie es ihm zukommt, das heißt, er muss jeweils die eigentümliche Art, zu erkennen und die Dinge zu betrachten, übernehmen.

Aber das Verständnis für die Menschen im allgemeinen genügt nicht, wenn der Film sich an einen bestimmten Beruf oder bestimmte Verhältnisse wendet; dann braucht er außerdem noch das besondere Verständnis der eigentümlichen Charaktere der verschiedenen sozialen Zustände. Der Film muss dem, der ihn sieht und hört, das Gefühl der Wirklichkeit vermitteln, doch einer Wirklichkeit, die mit den Augen dessen gesehen wird, der sie besser versteht, und mit dem Willen dessen behandelt wird, der sich gleichsam brüderlich neben den Zuschauer stellt, um ihm gegebenenfalls zu helfen und ihn zu trösten.

Bei einer solchen Haltung wird die Wirklichkeit durch den Film aus künstlerischer Schau wiedergegeben, denn es ist die Eigenschaft des Künstlers, das Wirkliche nicht mechanisch wiederzugeben und sich nicht einfach den technischen Möglichkeiten der Werkzeuge zu unterwerfen, sondern sich ihrer zu bedienen, um das Material zu veredeln und zu beherrschen, ohne es doch zu verändern oder der Wirklichkeit zu entziehen. Ein erhabenes Beispiel davon sehen Wir in den wunderbaren Gleichnissen der Heiligen Schrift, deren Gegenstand aus dem täglichen Leben und den Berufen ihrer Zuhörer genommen ist, mit einer Wir möchten fast sagen, fotografischen Treue, die aber doch derart beherrscht und gesteigert ist, dass Wirklichkeit und Ideal in einer vollkommenen Kunstform verschmolzen erscheinen.

[Fortsetzung folgt]