Catechesi tradendae (Wortlaut)

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Version vom 13. April 2015, 09:00 Uhr von Oswald (Diskussion | Beiträge) ([Fortsetzung folgt])
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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Catechesi tradendae

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
über die Katechese in unserer Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Kinder- und Jugendkatechese
16. Oktober 1979
Die IV. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode in Rom fand am 30. September - 29. Oktober 1977 statt
(Offizieller lateinischer Text: AAS 71 [1979] 1277-1340)

(Quelle: Das Mahnschreiben in deutscher Sprache auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitung

Der letzte Auftrag Christi

1 Die Katechese wurde von der Kirche immer als eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachtet; denn bevor der auferstandene Christus zu seinem Vater zurückkehrte, gab er den Aposteln einen letzten Auftrag: alle Völker zu Jüngern zu machen und sie alles befolgen zu lehren, was er ihnen geboten hatte [Vgl. Mt 28; 19—20.]. Er übertrug ihnen damit die Sendung und Vollmacht, den Menschen das zu verkünden, was sie selber vom Wort des Lebens gehört und mit den Augen gesehen, was sie geschaut und mit ihren Händen berührt hatten [Vgl. 1 Joh 1,1.]. Zugleich vertraute er ihnen die Sendung und Vollmacht an, alles verbindlich zu erklären, was er selber ihnen erschlossen hatte, seine Worte und Taten, seine Zeichen und Gebote. Damit sie diese Sendung erfüllen könnten, verlieh er ihnen den Heiligen Geist.

Sehr bald bezeichnete man mit Katechese die Gesamtheit der Bemühungen der Kirche, Jünger zu gewinnen und den Menschen Hilfen zu bieten für den Glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, damit sie so durch den Glauben das Leben in seinem Namen haben [Vgl. Joh 20,31.], ferner sie in diesem Leben zu unterweisen und zu formen und so den Leib Christi aufzubauen. Die Kirche hat hierfür unablässig ihre Kräfte eingesetzt.

Ein Anliegen Pauls VI.

2 Die letzten Päpste haben der Katechese einen hervorragenden Platz in ihrer Hirtensorge eingeräumt. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat durch seine Taten, seine Predigt und seine maßgebliche Interpretation des II. Vatikanischen Konzils — das er als den großen Katechismus für die moderne Zeit ansah —, durch sein ganzes Leben der Katechese der Kirche in sehr beispielhafter Weise gedient. Am 18. März 1971 hat er das "Allgemeine Katechetische Direktorium" gebilligt, das die Kleruskongregation vorbereitet hatte. Dieses Direktorium bleibt das Grunddokument für die Anregung und Ausrichtung der katechetischen Erneuerung in der ganzen Kirche. Er gründete ferner im Jahre 1975 den Internationalen Rat für die Katechese. In meisterhafter Weise hat er die Rolle und Bedeutung der Katechese in Leben und Sendung der Kirche bestimmt, als er sich am 25. September an die Teilnehmer des I. Internationalen Kongresses für Katechese wandte[Vgl. AAS 63 (1971) 758—764.], und hat dieses Thema in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi [Vgl. Nr. 44 ; vgl. auch Nr. 45—48 und 54:AAS 68(1976) 34—35; 35—38; 43.] ausdrücklich wieder aufgegriffen. Es war sein Wunsch dass die Katechese, insbesondere die Kinder- und Jugendkatechese, das Thema der 4. Generalversammlung der Bischofssynode war [Bekanntlich kann nach dem Motu prorio Apostolica Sollicitudo vom 15. September 1965 (AAS 57[1965] 775—780) die Bischofssynode in der Form einer Generalversammlung, als außerordentliche oder als Sonderversammlung zusammentreten, Im vorliegenden Apostolischen, Schreiben beziehen sich die Ausdrücke "Synode" oder "Väter der Synode" oder "Synodenaula" immer, wenn nicht anders angegeben, auf die 4. Generalversammlung der Bisschofssynode, die im Oktober 1977 in Rom über das Thema der Katechese stattfand.], die im Oktober 1977 stattfand und an der ich selbst zu meiner Freude teilnehmen konnte.

Eine fruchtbare Synode

3 Am Ende dieser Synode haben die Väter dem Papst eine sehr reichhaltige Dokumentation übergeben. Sie enthält die verschiedenen Beiträge, die im Verlauf der Sitzungen gemacht worden sind, ferner die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, die Botschaft, welche die Väter der Synode mit einer Zustimmung an das Volk Gottes gerichtet haben [Bischofssynode De catechesi hoc nostro tempore tradenda praesertim pueris atque iuvenibus, Ad Populum Dei Nuntius, Vatikan, 28. 10. 1977; vgl. L'Osservatore Romano, 30. Oktober 1977, S. 3 — 4.], und vor allem die eindrucksvolle Reihe von "Vorschlägen", in denen sie ihre Ansicht zu sehr vielen Aspekten der Katechese in der heutigen Zeit zum Ausdruck gebracht haben.

Diese Synode hat in einer intensiven Atmosphäre der Dankbarkeit und der Hoffnung gearbeitet. Sie sah in der katechetischen Erneuerung ein kostbares Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche von heute, ein Geschenk, auf das die, christlichen Gemeinschaften überall in der Welt und auf allen Ebenen mit bewundernswerter Hochherzigkeit und erfinderischer Hingabe antworten. Die hierbei notwendige Unterscheidung konnte daher von einer sehr lebendigen Wirklichkeit ausgehen und beim Volk Gottes mit einer großen Aufgeschlossenheit für die Gnade des Herrn und für die Weisungen des Lehramtes rechnen.

Der Sinn dieses Schreibens

4 Im gleichen Geiste des Glaubens und der Hoffnung richte ich heute an euch, ehrwürdige Brüder und liebe Söhne und Töchter, dieses Apostolische Schreiben. Aus dem äußerst weitgespannten Themenbereich wird es nur einige besonders aktuelle und entscheidende Aspekte bieten, um die beglückenden Früchte der Synode zu sichern. Es greift im wesentlichen die Überlegungen auf, die Papst Paul VI. schon vorbereitet hatte, indem er die von der Synode hinterlassenen Dokumente ausgiebig verwertete. Papst Johannes Paul I., dessen Eifer und Begabung als Katechet uns alle mit Bewunderung erfüllt haben, hatte diese Vorlagen übernommen und war im Begriff, sie zu veröffentlichen, als Gott ihn plötzlich zu sich rief. Uns allen hat er das Beispiel einer Katechese geboten, die im Grundsätzlichen wurzelte und zugleich volkstümlich war, geformt aus Gesten und einfachen Worten, die in allen Herzen ein Echo finden konnten. Ich greife also das Erbe dieser beiden Päpste auf, um dem Wunsch der Bischöfe zu entsprechen, wie er ausdrücklich am Ende der 4. Generalversammlung der Synode ausgesprochen und von Papst Paul VI. in seiner Schlußansprache angenommen worden ist [Vgl. AAS 69 (1977) 633.].

Ich tue das auch, um einer der Hauptpflichten meines apostolischen Amtes zu entsprechen. Die Katechese ist mir während meines Dienstes als Priester und Bischof schon immer ein zentrales Anliegen gewesen.

Es ist mein brennender Wunsch, dass dieses Apostolische Schreiben, das sich an die ganze Kirche richtet, die Kraft des Glaubens und des christlichen Lebens mehre, den bereits laufenden Initiativen neuen Schwung verleihe, die Kreativität freilich mit der nötigen Wachsamkeit anrege und dazu beitrage, in den Gemeinden die Freude darüber zu verbreiten, der Welt das Geheimnis Christi nahebringen zu dürfen.

Unser einziger Lehrer ist Jesus Christus

Mit der Person Christi verbinden

5 Die 4. Generalversammlung der Bischofssynode hat oft betont, dass Christus im Zentrum jeder echten Katechese stehen muss. Wir können diese Aussage in zwei Bedeutungen gelten lassen, die sich weder widersprechen noch einander ausschließen, sondern sich gegenseitig bedingen und ergänzen.

Man will hiermit zuerst unterstreichen, dass wir im Kern der Katechese wesentlich eine Person vorfinden, nämlich Jesus von Nazareth, einziger Sohn vom Vater, voll Gnade und Wahrheit [9 Vgl. Joh 1, 14.], der für uns gelitten hat und gestorben ist und der jetzt als Auferstandener für immer mit uns lebt. Jesus ist "der Weg, die Wahrheit und das Leben"[Joh 14,6.]; somit besteht das christliche Leben darin, Christus nachzufolgen, es ist eine "Nachfolge Christi".

Der wesentliche und wichtigste Inhalt der Katechese ist, um einen Ausdruck zu verwenden, der dem heiligen Paulus lieb war, aber auch von der zeitgenössischen Theologie geschätzt wird, "das Geheimnis Christi". Katechisieren heißt in gewisser Weise, jemanden anleiten, dieses Geheimnis in all seinen Dimensionen zu erforschen: "enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, ... mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alles Erkennen übersteigt. ... mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt"[Eph 3, 9. 18—19.] werden. Es geht also darum, in der Person Christi den gesamten ewigen Plan Gottes aufzuzeigen, der sich in ihr erfüllt. Es ist das Bemühen, die Bedeutung der Taten und Worte Christi und der von ihm gewirkten Zeichen zu verstehen; denn sie verhüllen und offenbaren zugleich sein Geheimnis. In diesem Sinn ist es das Endziel der Katechese, jemanden nicht nur in Kontakt, sondern in Gemeinschaft, in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen: er allein kann zur Liebe des Vaters im Heiligen Geiste hinführen und uns Anteil am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit geben.

Die Lehre Christi vermitteln

6 Christus im Zentrum der Katechese bedeutet aber auch, dass in ihr nicht jeder seine eigene Lehre oder die eines anderen Meisters vermitteln will, sondern die Lehre Jesu Christi, die Wahrheit, die er mitteilt, oder genauer: die Wahrheit, die er ist [Vgl. Joh 14, 6.]. Man muss also sagen, dass in der Katechese nur Christus, das fleischgewordene Wort und der Sohn Gottes, gelehrt wird — und alles andere im Hinblick auf ihn. Und Christus allein ist Lehrer, jeder andere nur in dem Maße, wie er Christi Wort weitergibt und es so Christus ermöglicht, durch seinen Mund zu lehren. Jeder Katechet — welchen Verantwortungsgrad er auch immer in der Kirche haben mag— muss daher ständig darum besorgt sein, durch seinen Unterricht und sein Verhalten die Lehre und das Leben Jesu selber hervortreten zu lassen. Er sucht die Aufmerksamkeit und Zustimmung von Herz und Verstand des Glaubensschülers keineswegs auf sich selber und die eigenen Meinungen festzulegen. Vor allem darf er seine persönlichen Meinungen und Wertungen nicht so auf- drängen, als wären diese die Lehre und die Lektionen aus dem Leben Christi. Jeder Katechet müßte auf sich selber die geheimnisvollen Worte Jesu anwenden können: "Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat [Joh 7,16. Dies ist ein bevorzugtes Thema des vierten Evangeliums: vgl. Joh 3, 34; 8, 28; 12, 49 — 50; 14, 24; 17, 8. 14.]." Dies tat auch der heilige Paulus, als er eine Frage von größter Wichtigkeit behandelte: "Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe[1 Kor 11,23: das Wort "überliefern", hier vom heiligen Paulus verwendet, wird öfter im Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi benutzt, um die Verkündigung der Kirche zu beschreiben, z.B. Nr. 4, 15, 78, 79.]." Welch ständigen Umgang mit dem Wort Gottes, wie es vom Lehramt der Kirche überliefert wird, welch inniges Verhältnis zu Christus und zum Vater, welchen Gebetsgeist und wieviel Selbstlosigkeit muss der Katechet haben, um sagen zu können: "Meine Lehre stammt nicht von mir! "

Christus als Lehrer

7 Diese Lehre ist nicht ein Gebäude von abstrakten Wahrheiten, sondern vielmehr die Vermittlung des lebendigen Geheimnisses Gottes. Die Würde dessen der im Evangelium lehrt, sowie die Art seiner Lehre übersteigen in jeder Hinsicht die anderen "Lehrer" in Israel; denn es besteht ein einzigartiges Band zwischen dem, was er sagt, was er tut und was er ist. Dennoch bleibt bestehen, dass die Evangelien ganz klar von Augenblicken berichten, wo Jesus "lehrt". "Was Jesus getan und gelehrt hat [Apg 1,1.]": in diesen Worten am Beginn der Apostelgeschichte faßt der heilige Lukas zwei Pole innerhalb der Sendung Christi zusammen und unterscheidet sie zugleich.

Jesus hat gelehrt. Das bezeugt er von sich selbst: "Tag für Tag saß ich im Tempel und lehrte [Mt 26, 55; vgl. Joh 18, 20.]." Die Evangelisten beobachten es voll Staunen und sind überrascht, ihn immer und überall lehren zu sehen, und zwar auf eine Weise und mit einer Autorität, wie sie bis dahin unbekannt waren: "Wieder kam das Volk zu ihm, und er lehrte es, wie er gewohnt war [Mk 10,1.]"; "und sie waren bestürzt über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat [Mk 1, 22 ;vgl. auch Mt 5,2; 11,1; 13,54; 22,16; Mk 2,13; 4, 1; 6, 2.6; Lk 5,3.17; Joh 7, 14; 8, 2 u. a.]." Auch seine Feinde stellen dies fest, um ihn deswegen anklagen und verurteilen zu können: "Er wiegelt das Volk auf und verbreitet seine Lehre in ganz Judäa, von Galiläa bis hierher [Lk 23,5.]."

Er allein "Meister"

8 Wer so lehrt, verdient in einzigartiger Weise den Titel "Meister". Wie oft wird er nicht im ganzen Neuen Testament und zumal in den Evangelien als "Meister" bezeichnet [An fast 50 Stellen der vier Evangelien wird dieser Titel Jesus zugeschrieben. Er ist der gesamten jüdischen Überlieferung entnommen, hat aber hier eine neue Bedeutung, die Christus selber oft ins Licht zu rücken sucht.]! Vor allem die Zwölf, die übrigen Jünger und die Scharen der Zuhörer nennen ihn "Meister", mitunter voller Bewunderung, Vertrauen und Zärtlichkeit [Vgl. u. a; Mt 8, 19; Mk 4,38; 9,38; 10, 35; 13, 1; Joh 11,28.]. Sogar die Pharisäer und Sadduzäer, die Gesetzeslehrer und die Juden im allgemeinen verweigern ihm diesen Titel nicht: "Meister, wir möchten von dir ein Zeichen sehen [Mt 12, 38.]"; "Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen? [Lk 10, 25; vgl. Mt 22, 16.] " Vor allem aber nennt Jesus sich selber, und zwar in besonders feierlichen und sehr bedeutsamen Augenblicken "Meister": "Ihr nennt mich Meister und Herr, und ihr habt recht; denn ich bin es [Joh 13, 13 —14; vgl. auch Mt 10, 25; 26, 18 u. par.]"; er stellt ferner die Einzigartigkeit, das Einmalige seines Meisterseins heraus: "Nur einer ist euer Meister [Mt 23, 8. Ignatius von Antiochien greift diese Feststellung auf und kommentiert sie wie folgt: "Wir haben den Glauben empfangen, und deswegen wollen wir auch als Jünger Jesu Christi, unseres einzigen Meisters, anerkannt werden" (Brief an die Magnesier, IX, 1, Funk 1, 239).]": Christus. Man versteht, dass im Verlauf von zwei Jahrtausenden Menschen jeder Herkunft, Rasse und Nation ihm in allen Sprachen der Erde diesen Titel voll Verehrung beigelegt und damit auf ihre Weise das Wort des Nikodemus aufgegriffen haben: "Wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist [26 Joh 3,2.]."

Diese Gestalt des lehrenden Christus, zugleich erhaben und vertraut, beeindruckend und ermutigend und deshalb so anziehend, dass schon die Evangelisten sie mit ihrer Feder gezeichnet haben und danach die darstellende Kunst seit den Anfängen des Christentums [Die Darstellung Christi, des Lehrers, wie er seine Lehre verkündet, taucht schon in den römischen Katakomben auf. Sehr oft wird sie in den Mosaiken der römisch-byzantinischen Kunst des dritten und vierten Jahrhunderts verwandt. Sie bildet ebenfalls ein vorherrschendes künstlerisches Motiv bei den großen romanischen und gotischen Kathedralen des Mittelalters.] sie immer wieder zu ihrem Gegenstand erwählt hat, möchte auch ich am Beginn dieser Überlegungen zur Katechese in der Welt von heute besonders herausstellen.

Sein ganzes Leben eine Lehre

9 Dabei bin ich mir bewußt, dass die überragende Stellung Christi als Meister, die einzigartige Kohärenz und überzeugende Kraft seiner Lehre sich nur dadurch erklären lassen, dass seine Worte, seine Gleichnisse und Beweise sich niemals von seinem Leben und Sein trennen lassen. In diesem Sinn war das ganze Leben Christi ein beständiges Lehren: die Momente seines Schweigens, seine Wunder, seine Taten, sein Beten, seine Liebe zum Menschen, seine Vorliebe für die Kleinen und Armen, die Annahme des letzten Opfers für die Erlösung der Welt am Kreuz und seine Auferstehung: dies alles macht sein Wort wirklich und wahr und vollendet seine Offenbarung. So ist für die Christen das Kruzifix eines der erhabensten und volkstümlichsten Bilder des lehrenden Christus.

Alle diese Überlegungen, die sich an die großen Überlieferungen der Kirche anschließen, sollen in uns die Begeisterung für Christus kräftigen, für den Meister, der den Menschen offenbart, wer Gott ist, und auch, wer der Mensch ist; für den Meister, der rettet, heiligt und führt, der lebt, spricht, aufrüttelt und erschüttert, zurechtweist, richtet und verzeiht, der täglich den Weg durch die Geschichte mit uns geht; für den Meister, der kommt und kommen wird in Herrlichkeit.

Nur in tiefer Gemeinschaft mit ihm können die Katecheten Licht und Kraft finden für eine echte und wünschenswerte Erneuerung der Katechese.


Eine Erfahrung so alt wie die Kirche

Die Sendung der Apostel

10 Das Bild des lehrenden Christus hatte sich dem Geist der Zwölf und der ersten Jünger eingeprägt, und der Auftrag: "Geht hin ... macht alle Menschen zu meinen Jüngern [Mt 28, 19.] " hat ihr ganzes Leben bestimmt. Der heilige Johannes bezeugt dies in seinem Evangelium, wenn er die Worte Jesu anführt: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; ich habe euch Freunde genannt, weil ich euch alles geoffenbart habe, was ich von meinem Vater gehört habe [Joh 15, 15.]." Nicht sie haben sich entschlossen, Jesus zu folgen, Jesus selbst hat sie vielmehr erwählt, sie bei sich behalten und schon vor seinem Pascha unterwiesen, damit sie hingehen und Frucht bringen und ihre Frucht bleibe [Vgl. Joh 15, 16.]. Deswegen vertraut er ihnen nach der Auferstehung auch in offizieller Weise die Sendung an, ihm aus allen Völkern Jünger zu gewinnen.

Das ganze Buch der Apostelgeschichte bezeugt, dass die Jünger ihrer Berufung und dem empfangenen Auftrag treu geblieben sind. Die Mitglieder der ersten christlichen Gemeinde zeigen sich dort beharrlich "in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten [Apg 2,42.] " Man hat hier zweifellos das bleibende Bild einer Kirche vor sich, die sich durch die Lehre der Apostel bildet und ständig vom Wort des Herrn lebt, dieses im eucharistischen Opfer feiert und der Welt davon Zeugnis gibt, indem sie Liebe übt.

Als die Gegner am Tun der Apostel Anstoß nahmen, zeigten sie sich "aufgebracht, weil sie das Volk lehrten [Apg 4,2.] "; die Weisung, die sie ihnen gaben, lautete daher, nicht mehr im Namen Jesu zu lehren [Vgl. Apg 4, 18; 5, 28.]. Wir wissen jedoch, dass die Apostel es gerade in diesem Punkt für richtig hielten, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen [Vgl. Apg 4, 19.].

Die Katechese zur Zeit der Apostel

11 Die Apostel zögerten nicht, den Dienst des Apostolates [Vgl. Apg 1,25.] mit anderen zu teilen. Sie übertrugen den Auftrag zu lehren auf ihre Nachfolger. Sie übertrugen ihn auch den Diakonen, und zwar vom Anfang ihrer Berufung an: Stephanus, "voll Gnade und Kraft", hört unter dem Antrieb des Geistes der Weisheit nicht auf zu lehren [Vgl. Apg 6, 8 ff.; vgl. auch Philippus, der den Beamten der Königin von Äthiopien unterweist: Apg 8, 26 ff.]. Die Apostel ziehen für ihren Auftrag zu lehren "viele andere" Jünger heran [Vgl. Apg 15,35.]; und selbst einfache Christen, durch eine Verfolgung zerstreut, "zogen umher und verkündeten das Wort" der Frohen Botschaft [Apg 8, 4.]. Der heilige Paulus ist der einzigartige Herold dieser Verkündigung, von Antiochien bis nach Rom, wo das letzte Bild, das uns die Apostelgeschichte von ihm überliefert, das Bild eines Menschen ist, der "mit allem Freimut über den Herrn Jesus Christus lehrte [Apg 28, 31.]". Seine zahlreichen Briefe ergänzen und vertiefen diese Verkündigung. Die Briefe der heiligen Petrus, Johannes, Jakobus und Judas sind ebenfalls Zeugnisse für die Katechese zur Zeit der Apostel.

Die Evangelien, die vor ihrer Niederschrift Ausdruck einer den christlichen Gemeinden mündlich überlieferten Lehre waren, weisen mehr oder weniger deutlich eine katechetische Struktur auf. Hat man nicht den Bericht des heiligen Matthäus das Evangelium des Katecheten und den des heiligen Markus das Evangelium des Katechumenen genannt?

Bei den Kirchenvätern

12 Die Kirche setzt diesen Lehrauftrag der Apostel und ihrer ersten Mitarbeiter fort. Da sie sich selber Tag für Tag zu Jüngern des Herrn macht, wird sie mit Recht "Mutter und Lehrerin" genannt [Vgl. die Enzyklika Mater et Magistra von Papst Johannes XXIII., AAS 53 (1961) 401: Die Kirche ist "Mutter", denn sie gebiert durch die Taufe ohne Unterlaß neue Kinder und läßt die Familie Gottes wachsen. Sie ist "Lehrerin", denn sie sorgt dafür, dass ihre Kinder in der Gnade der Taufe wachsen. Sie nährt ihren sensus fidei durch die Unterweisung in den Glaubenswahrheiten.]. Von Klemens von Rom bis zu Origenes [Vgl. z. B.: den Brief des Klemens von Rom an die Kirche von Korinth, die Didache, den "Brief der Apostel", die Schriften des Irenäus von Lyon (Demonstratio apostolicae praedicationis und Adversus haereses), von Tertullian (De baptisma), des Klemens von Alexandrien (Der Pädagoge), des Cyprian (Testimonia ad Quirinum), des Origenes (Contra Celsum) usw.] erlebt das nachapostolische Zeitalter das Entstehen bedeutender Werke. Danach beobachten wir folgende eindrucksvolle Tatsache: Bischöfe und Seelsorger und gerade die angesehensten unter ihnen, vor allem im dritten und vierten Jahrhundert, betrachten es als einen wichtigen Teil ihres bischöflichen Dienstes, katechetische Unterweisungen vorzutragen oder in Buchform niederzuschreiben. Es ist die Zeit des Cyrill von Jerusalem und Johannes Chrysostomus, des Ambrosius und Augustinus, in der wir aus der Feder so vieler Kirchenväter Werke entstehen sehen, die für uns bleibende Vorbilder sind.

Es ist nicht möglich, hier auch nur sehr kurz das katechetische Wirken zu schildern, das die Ausbreitung und den Weg der Kirche in den verschiedenen Epochen der Geschichte auf allen Kontinenten und unter den verschiedensten sozialen und kulturellen Verhältnissen getragen hat. Gewiß hat es nie an Schwierigkeiten gefehlt. Doch hat das Wort des Herrn durch die Jahrhunderte hin seinen Lauf genommen; es hat sich nach einem Wort des heiligen Paulus ausgebreitet und ist verherrlicht worden [Vgl. 2 Thess 3, 1.].

Konzile und Missionen

13 Der katechetische Dienst gewinnt auf den Konzilen immer neue Kraft. Das Konzil von Trient bietet hier ein bemerkenswertes Beispiel: es hat in seinen Konstitutionen und Dekreten der Katechese den Vorrang eingeräumt. Es hat den "Römischen Katechismus" angeregt, der auch seinen Namen trägt und ein Werk ersten Ranges darstellt als Zusammenfassung der christlichen Lehre und der überlieferten Theologie zum Gebrauch für die Priester. Es hat in der Kirche eine erstaunliche Organisation der Katechese eingeleitet, die Kleriker für ihre Verpflichtung zum katechetischen Unterricht aufgerüttelt und auch dank der Arbeit heiliger Theologen wie Karl Borromäus, Robert Bellarmin oder Petrus Canisius die Publikation von Katechismen zur Folge gehabt, die für die damalige Zeit wirklich vorbildlich waren. Möchte doch das II. Vatikanische Konzil in unseren Tagen einen ähnlichen Schwung und vergleichbare Ergebnisse bewirken!

Ein vorzügliches Wirkungsfeld für eine gute Katechese bilden auch die Missionen. So hat das Volk Gottes sich seit fast zweitausend Jahren unauthörlich im Glauben erzogen und dabei Formen verwandt, die den verschiedenen Bedingungen der Gläubigen und den vielfältigen kirchlichen Verhältnissen angepaßt waren.

Die Katechese ist mit dem ganzen Leben der Kirche eng verbunden. Nicht nur ihre geographische Ausdehnung und ihr zahlenmäßiges Wachstum, sondern auch und mehr noch das innere Wachstum der Kirche, ihre Übereinstimmung mit Gottes Heilsplan, hängen wesentlich von der Katechese ab. Aus den Erfahrungen, die wir hier aus der Geschichte der Kirche angeführt haben, verdienen einige Punkte allem unter vielen anderen — besonders herausgestellt zu werden.

Die Katechese als Recht und Pflicht der Kirche

14 Es ist vor allem deutlich, dass die Katechese für die Kirche immer eine heilige Verpflichtung und ein unverzichtbares Recht gewesen ist. Sie ist gewiß einerseits eine Pflicht, die sich aus dem Auftrag des Herrn herleitet und vor allem denen obliegt, die im Neuen Bund die Berufung zum Hirtendienst empfangen. Anderseits kann man ebenso von einem Recht sprechen: vom theologischen Standpunkt aus hat jeder Getaufte gerade auf Grund seiner Taufe das Recht, von der Kirche eine Unterweisung und Bildung zu empfangen, die ihm ein echt christliches Leben ermöglichen. Vom Gesichtspunkt der Menschenrechte her hat jede menschliche Person das Recht, die religiöse Wahrheit zu suchen und ihr in Freiheit anzuhangen, das heißt "frei ... von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, ... nach seinem Gewissen zu handeln [II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae, Nr. 2: AAS 58 (1966) 930.]".

Daher muss die katechetische Tätigkeit unter günstigen zeitlichen und räumlichen Bedingungen stattfinden können sowie zu den Massenmedien und geeigneten Arbeitshilfen Zugang haben, ohne dass Eltern, Schüler oder Katecheten diskriminiert werden. Gewiß ist heute dieses Recht mehr und mehr anerkannt, wenigstens was die obersten Grundsätze angeht. Das bezeugen die internationalen Erklärungen oder Abmachungen, in denen man bei all ihrer Begrenztheit doch den Gewissenswunsch eines Großteils der Menschen von heute erkennen kann [Vgl. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UNO) vom 10. Dezember 1948, Art. 18; Internationale Abmachung zu den bürgerlichen und politischen Rechten (UNO) vom 16. Dezember 1966, Art. 4; Schlußakte der Konferenz über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Paragraph VII.]. Zahlreiche Staaten verletzen freilich dieses Recht, so dass Religionsunterricht erteilen, erteilen lassen oder empfangen sogar zum Vergehen wird, das mit Sanktionen zu rechnen hat. Ich erhebe deshalb gemeinsam mit den Vätern der Synode mit allem Nachdruck meine Stimme gegen jede Diskriminierung im Bereich der Katechese. Zugleich richte ich erneut einen dringenden Aufruf an die Verantwortlichen, dass solche Behinderungen völlig aufhören, die die menschliche Freiheit im allgemeinen und die Religionsfreiheit im besonderen belasten.

[Fortsetzung folgt]