Benutzer:Otterbeck/Virginitas in partu

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Virginitas in partu bezeichnet die Jungfräulichkeit der Gottesmutter auch in der Geburt.

Neue Aktualität bekam das alte Thema im Sommer 2012: Seitens der Piusbruderschaft wurde eine viel beachtete Personalentscheidung des Heiligen Vaters wüst kritisiert, weil Gerhard Ludwig Müller, inzwischen Präfekt der Congregatio pro doctrina fidei (CDF), in seiner Katholischen Dogmatik die Virginitas in partu leugne , mit der, de fide, die Gottesmutter ausgestattet ist. Selbstverständlich gehört alles zum Glauben, was auf der tatsächlichen Seite erforderlich ist, um diesen wahren Glauben zu bekennen. Das gilt auch für den Ostertag. Aber während das Sindone von Turin durchaus geeignet ist, um Spekulationen über die Auferstehung nach ihrer „physiologischen Seite“ (respektive ihrer Physik) zu nähren, manche reden von Lichtblitz und die „Belichtung“ des Tuchs legt nahe, dass eine „Lichtung des Seins“ Jesu stattfand, gehören alle diese Einzelheiten nicht zum Glauben; das leere Grab schon. Wäre Jesus verwest, so wäre unser Glaube sinnlos (vgl. 1 Kor 15, 17). Wäre die immerwährende Jungfrau Maria anlässlich der von ihr vollbrachten Geburt des Herrn versehrt worden, so wäre unser Glaube vielleicht noch nicht sinnlos, aber doch stark in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt vom Tag der Geburt des Herrn, laut Michael Hesemann vielleicht der 9. März im Jahre 5 v.Chr. , keine Bilder, auch keine Röntgenaufnahmen; und hier gilt wohl: Du sollst Dir kein Bild davon machen.

Das gläubige Volk bekennt seit unvordenklicher Zeit das Wesentliche des Dogmas von der Virginitas in partu, indem alle Weihnachtslieder das konkrete Geschehen scheu aussparen: reine Freude, nobis natus, nobis datus; und niemand stellt sich einen „normalen“ Geburtsvorgang mit all seiner Qual bildhaft vor Augen. Es muss irgendwie anders zugegangen sein, wenn die Unbefleckte Empfängnis das Ewige Wort zur Welt bringt. „Irgendwie“ wissen das alle Christen. Sogar manche, die es für dogmatisch „wahrscheinlich“ halten, dass der Heilige Josef der leibliche Vater Jesu war, oder zumindest Brüder und Schwestern Jesu von ihm mit Maria gezeugt wurden , bleiben intuitiv vorsichtig, wenn Sie bei der Gottesmutter an „Blut, Schweiß und Tränen“ in partu denken sollen. Spekulationen darüber, auf welche Weise und in welchem Grade wunderbar die Geburt Jesu von Maria vollbracht wurde, stehen in naher Gefahr, selbst für fromme Ohren lästerlich zu klingen. Es ist verdienstvoll, dass Klaus Obenauer sich die Mühe machte, modernste Auffassungen der Physik, die Ortssimultanität zweier Körper nicht mehr a priori ausschließe, zur Bewältigung der Problematik heranzuziehen. Wohltuend an seinem Beitrag war aber vor allem, dass auch dieser hochbegabte Laientheologe „mit angezogener Handbremse“ fuhr, als er Piusbrüder und Erzbischof Müller zugleich „herauszupauken“ unternahm.

Die Aufregung des Matthias Gaudron, Chefdogmatiker der deutschen Lefebvristen, scheint tatsächlich eher auf einer Unachtsamkeit oder „Dummheit“ (so G.L. Müller) bei der Lektüre der ausgezeichneten Dogmatik zu beruhen. Müller führt etliche Kirchenväter und Zeugnisse der Kirche an, ohne jede Distanzierung davon. Müller „leugnet“ nirgendwo, dass es „somatische“ Besonderheiten in der Geburt Jesu gegeben haben mag. Hierzu liegen aber keinerlei Glaubens-Aussagen vor, wie auch nicht zur physis der Auferstehung Jesu. Alles das, was wirklich notwendig ist, damit die Jungfrau Maria unversehrt den Erlöser gebären konnte, das muss auch notwendig stattgefunden haben. Aber wir wissen nicht, was dazu nötig war. Virginitas in partu meint die wirkliche Unversehrheit der Seligen Jungfrau, das ist klar. Aber solange niemand weiß, ob das Mädchen Maria mit Jungfernhaut ausgestattet war oder eben ausnahmsweise nicht, braucht man auch nicht über Ruptur derselben zu spekulieren. Wir wissen nichts von körperlichen Besonderheiten der Immacaluta. Hier ist freche Neugier fehl am Platz, hier setzt die Offenbarung aus. Pause. Aber Christen sind Historiker. Zum Glaubensbekenntnis gehört das Leiden Jesu unter Pontius Pilatus, also die Auslieferung an einen individuellen Vertreter der römischen Macht, nach Ort und Zeit fixierbar. Zum Credo gehört auch die Auferstehung am dritten Tag, was aber nicht 3 x 24 Stunden seit Karfreitag 15.00 Uhr meint, sondern vielleicht 38 oder 40 Stunden. Wieder wird das Ereignis genau in der Geschichte fixiert. Die Auferstehung Jesu hätte per Video-Überwachung festgehalten werden können, jedenfalls exakt bis zum Augenblick derselben (so wohl auch bei G.L. Müller, Dogmatik, S. 300, zu deuten), ebenso das Geschehen im „Stall“ zu Betlehem. Aber inmitten der heutigen Bilderflut fehlen uns dieser Bilder. Und das ist gut so. Mit Vorbedacht hat die Christenheit sogar das Grab Jesu ummauert und mit Bauten überhöht. Man soll da gar nicht so genau hingucken. Die Zurückhaltung in der Beschreibung stützt die Historizität des Evangeliums, eine Teilverdunkelung, die „unsere“ Botschaft vom Heil wohltuend von Mythen und Märchen absetzt.

Kommentar von F.N. Otterbeck

"Abzulehnen ist freilich der „Jargon der Eigentlichkeit“, wie Adorno gegen Heidegger und Bultmann zugleich ins Feld führte: Wo uns Fakten fehlen, da tut deren Abwesenheit nicht den „eigentlichen“ Sinn der Botschaft auf. Maria ward nicht erst „eigentlich“ Jungfrau, indem sie das nicht war. The virgin birth of Christ steht fest im Glauben, in den ältesten Zeugnissen. Es trifft zu, dass die schlichte Wiederbelebung des Körpers Jesu, wie bei anderen Toten-Erweckungen, „mir“ eigentlich egal sein kann. Es hat keine Bedeutung für mich, wenn irgendjemand „aufersteht“ und noch etwas länger lebt, um dann zu verschwinden. Nur weil dort Gott selber zu uns kam, und uns leiblich zu ihm mit hinnimmt, deshalb hat Ostern einen Sinn. Nicht die Gemeinde hat nachösterlich Christus als Projekt erschaffen, sondern der aus der virgo intacta uns Geschenkte hat Seine Kirche gegründet; und zwar im Wesentlichen genau so wie sie auch das II. Vatikanum beschreibt: einig, heilig, katholisch, apostolisch. So wurde die Selige Jungfrau nicht Mutter einiger „Brüder“ Jesu, sondern aller, um nicht zu sagen: Mater Ecclesiae.

Die Piusbruderschaft lehnt vermutlich auch diese Konzilsaussage ab. Der Lesefehler des Gaudron beleuchtet, warum das II. Vatikanum völlig unerlässlich war: Zu einem Zeitpunkt, als die Krise, die es überwinden wird, erst von Wenigen erahnt wurde. Das Dogma muss, um verstanden zu werden, im Dialog riskieren, dass die Darstellung sprachliche Unschärfen erleiden mag, zumal volle "Schärfe" nach dem Standard der modernen Digitalfotografie sowieso nicht zu erzielen ist, nicht einmal wünschenswert sein sollte, auf dem Weg durch die Zeit; das allermeiste lässt die Kirche ohnehin undefiniert, sogar noch Pius XII. 1950 bei der Definition der Assumpta, vgl. seine Predigt Comossi per la proclamazione. Entscheidungspunkte müssen beleuchtet werden. Die Kirche wird nie ohne kanonisches Recht leben können, Strafbefugnisse eingeschlossen, aber auch nicht ohne Urteile über Lehraussagen. Je mehr Christen es aber gibt, die Zeugnis geben, umso zurückhaltender darf das Amt sein, denn ihr Leben zieht zu Christus, nicht ihre Sentenzen. Wer nur korrekte Formeln aufsagt, der verfehlt Wesentliches. Die katholische „Reinkultur“, welche die Piusbrüder inszenieren, gab es im wirklichen Leben der Kirche nie, sie ist ein Projekt für Grenzgänger, keine Mission. Berechtigt ist, neben Spielräumen zeitweiliger Undeutlichkeit, die mehr ist als nur das Offenhalten von Streitfragen im Stil des Papstes Paul V. zum Gnadenstreit, dann aber auch, auf klar abgrenzende Sätze zurückzukommen*, wo dialogische Mühsal nicht zum Ziel führte, im Horizont der Gegenwart, etwa: Si quis dixerit novus ordo missae haereticus esse, anathema sit. (*Sinnvoll wäre, zugunsten der Neuen Evangelisierung alter Christentümer, aber auch eine Bekräftigung des Kanons, den das V. Laterankonzil 1513 zur Unsterblichkeit der Seele fasste.) Um es nochmals mit dem Brief Humani generis des Papstes Pelagius von 557 hervorzuheben; wir bekennen, dass Christus Jesus so geboren ist: servata integritate maternae virginitatis; quia sic eum Virgo permanens genuit, quemadmodum Virgo concepit (=DH 442). Nach fairer Lesart bekennt das freimütig auch Gerhard Ludwig Müller. Im übrigen setzte er „nur“ ein Pausenzeichen, ohne definitiv ein Bilderverbot zu verhängen. Das wäre auch gar nicht die Art dieses beweglichen Geistes, der in der „Süddeutschen“ vom 21. Juli 2012 humorvoll konterte. Auf die Permanenz kommt es an, also auch: Geduld."