Agendi ratio in doctrinarum examine

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Schreiben
Agendi ratio in doctrinarum examine

Kongregation für die Glaubenslehre
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
Ordnung für die Lehrüberprüfung
29. Juni 1997

(Offizieller lateinischer Text: AAS 77 (1985) 1169-1170; DOCUMENTA 59)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

Art. 1. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat die Aufgabe, die Glaubens- und Sittenlehre in der ganzen katholischen Kirche zu fördern und zu schützen.<ref> Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 48: AAS 80 (1988) 873. </ref> In der Erfüllung dieser Aufgabe leistet sie einen Dienst an der Wahrheit und schützt sie das Recht des Volkes Gottes auf die getreue und vollständige Verkündigung des Evangeliums. Damit Glaube und Sitten durch verbreitete Irrtümer keinen Schaden leiden, hat sie auch die Pflicht, Schriften und Meinungen zu überprüfen, die dem rechten Glauben entgegengesetzt oder gefährlich scheinen.<ref> Vgl. ebd., Art. 51, Nr. 2 und Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 4b. </ref>

Art. 2. Dieser pastorale Grundauftrag kommt ferner allen Hirten der Kirche zu. Sie haben die Pflicht und das Recht, sowohl als einzelne, wie auch in Partikularkonzilien oder Bischofskonferenzen versammelt, darüber zu wachen, daß Glaube und Sitten bei den ihnen anvertrauten Gläubigen keinen Schaden nehmen.<ref> Vgl. CIC, can. 823 §§ 1,2; CCEO, can. 652 § 2. </ref> Zu diesem Zweck können sie sich auch der Glaubenskommissionen bedienen, die institutionalisierte Beratungsorgane für die Bischofskonferenzen und die einzelnen Bischöfe in ihrer Sorge um die Glaubenslehre darstellen.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über die Glaubenskommissionen, 23. November 1990, Nr. 3. </ref> Dabei bleibt aber das Prinzip unangetastet, daß der Heilige Stuhl zu jeder Zeit intervenieren kann; dies tut er normalerweise dann, wenn der Einfluß einer Veröffentlichung über die Grenzen einer Bischofskonferenz hinausgeht oder der Glaube einer besonders schweren Gefahr ausgesetzt ist.<ref> Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 48: AAS 80 (1988) 873. </ref> In diesem Fall hält sich die Glaubenskongregation an die im folgenden beschriebene Verfahrensweise.

I. Vorprüfung

Art. 3. Die angezeigten, wie auch immer verbreiteten Schriften und Lehrmeinungen werden vom zuständigen Ufficio einer aufmerksamen Lektüre unterzogen, deren Ergebnis dem Congresso zur Prüfung vorgelegt wird. Nach einer ersten Bewertung der Gewichtigkeit der Frage entscheidet der Congresso, ob ein Studium durch das Ufficio vorzunehmen ist oder nicht.

II. Studium durch das Ufficio

Art. 4. Nach Feststellung seiner Authentizität wird die Schrift unter Mitarbeit eines oder mehrerer Konsultoren oder anderer Fachleute einer sorgfältigen Prüfung unterzogen.<ref> Vgl. Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 74. </ref>

Art. 5. Das Ergebnis dieser Prüfung wird dem Congresso vorgetragen, der darüber entscheidet, ob es ausreichend ist, um bei den örtlichen Autoritäten zu intervenieren, oder ob eine ausführlichere Prüfung gemäß den beiden vorgesehenen Verfahrensweisen, dem ordentlichen oder dringlichen Lehrprüfungsverfahren,<ref> Vgl. ebd., Art. 66 § 2. </ref> erforderlich ist.

Art. 6. Die Kriterien für diese Entscheidung ergeben sich von den möglichen vorhandenen Irrtümern, wobei deren Offensichtlichkeit, Schwere, Verbreitung, Einfluß und Gefahr für die Gläubigen zu berücksichtigen sind.

Art. 7. Hält der Congresso die durchgeführte Prüfung für ausreichend, kann er den Fall direkt dem Ordinarius übergeben und durch dessen Vermittlung dem Autor die in der Schrift enthaltenen lehrmäßigen Probleme zur Kenntnis bringen. In diesem Fall wird der Ordinarius<ref> Vgl. CIC, cann. 134 §§ 1,2; 295 § 1; CCEO, can. 984 §§ 1-3. </ref> aufgefordert, die Frage zu vertiefen und den Autor zu ersuchen, daß er die notwendigen Klarstellungen vornehme, die anschließend dem Urteil der Kongregation zu unterbreiten sind.

III. Ordentliches Lehrprüfungsverfahren

Art. 8. Das ordentliche Prüfungsverfahren wird angewandt, wenn eine Schrift schwere lehrmäßige Irrtümer zu enthalten scheint, deren Aufdeckung ein sorgfältiges Unterscheidungsvermögen erfordert und deren möglicher negativer Einfluß auf die Gläubigen nicht zu besonderer Eile anzutreiben scheint. Dieses Verfahren hat zwei Phasen: die interne Phase, die aus der am Sitz der Kongregation vorgenommenen Voruntersuchung besteht,<ref> Vgl. Nr. 8-15. </ref> und die externe Phase, welche die Beanstandung und den Dialog mit dem Autor vorsieht.<ref> Vgl. Nr. 16-22. </ref>

Art. 9. Der Congresso bestimmt zwei oder mehrere Fachleute, welche die entsprechenden Schriften einer Prüfung unterziehen, in einem eigenen Gutachen dazu Stellung nehmen und beurteilen, ob der Text mit der kirchlichen Lehre übereinstimmt.

Art. 10. Der Congresso bestimmt auch den «relator pro auctore», dessen Aufgabe es ist, die positiven Aspekte der Lehre und die Vorzüge des Autors wahrheitsgemäß aufzuzeigen, zur richtigen Interpretation seines Denkens im allgemeinen theologischen Kontext beizutragen und ein Urteil über den Einfluß der Ansichten des Autors abzugeben. Zu diesem Zweck hat er das Recht auf Einsicht in alle den Fall betreffenden Akten.

Art. 11. Der Bericht des Ufficio, der alle zur Prüfung des Falles nützlichen Unterlagen, die Gutachten der Fachleute und die Darstellung des «relator pro auctore» enthält, wird der Consulta zugeleitet.

Art. 12. Zur Consulta können neben den Konsultoren, dem «relator pro auctore», dem Ordinarius des Autors, der sich nicht vertreten lassen kann und an die Schweigepflicht gebunden ist, auch die Fachleute eingeladen werden, welche die Gutachten vorbereitet haben.<ref> Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 12: AAS 80 (1988) 855. </ref> Der «relator pro auctore» stellt zu Beginn der Diskussion den Sachverhalt in einer umfassenden Stellungnahme dar. Danach geben der Ordinarius des Autors, die Fachleute und alle Konsultoren mündlich und schriftlich ihr Gutachten zum Inhalt der untersuchten Veröffentlichung ab. Der «relator pro auctore» und die Fachleute können auf mögliche Einwände antworten und Klarstellungen vorschlagen.

Art. 13. Nach Abschluß der Diskussion bleiben zur allgemeinen Abstimmung über den Ausgang der Prüfung allein die Konsultoren im Sitzungszimmer, um festzustellen, ob die Schrift lehrmäßige Irrtümer oder gefährliche Auffassungen enthält. Diese sind im Licht der in der Professio fidei<ref> Vgl. AAS 81 (1989) 104f. </ref> enthaltenen unterschiedlichen Kategorien der Wahrheitsverkündigung konkret anzugeben.

Art. 14. Das gesamte Dossier mit dem Protokoll über die Diskussion, dem Abstimmungsergebnis und den Gutachten der Konsultoren wird der Prüfung der Sessione ordinaria [Ordentlichen Versammlung] der Kongregation vorgelegt; diese entscheidet, ob eine Beanstandung des Autors erfolgen soll, und wenn ja, welche Punkte zu beanstanden sind.

Art. 15. Die Entscheidungen der Sessione ordinaria werden dem Papst vorgelegt.<ref> Vgl. Regolamento proprio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Art. 16 § 2 und Art. 77. </ref>

Art. 16. Falls in der vorausgehenden Phase entschieden worden ist, eine Beanstandung vorzunehmen, sind der Ordinarius des Autors oder die betreffenden Ordinarien zu informieren, ebenso die zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls.

Art. 17. Die Zusammenstellung der zu beanstandenden irrigen oder gefährlichen Ansichten wird, versehen mit einer entsprechenden Begründung und der zur Verteidigung erforderlichen Dokumentation «reticito nomine», durch den Ordinarius dem Autor und seinem Ratgeber zugestellt. Der Autor hatdas Recht, diesen zu seiner Unterstützung zu benennen; dazu ist das Einverständnis des Ordinarius erforderlich. Der Autor muß innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich seine Antwort vorlegen. Es ist angebracht, daß der Ordinarius zusammen mit der schriftlichen Antwort des Autors der Kongregation ein eigenes Gutachten zukommen läßt.

Art. 18. Vorgesehen ist auch die Möglichkeit einer persönlichen Begegnung des Autors mit Vertretern der Kongregation. Dabei ist auch dessen Ratgeber anwesend, der an dem Gespräch aktiv teilnimmt. In diesem Fall haben die Vertreter der Kongregation, die vom Congresso bestimmt werden, ein Gesprächsprotokoll abzufassen und dieses zusammen mit dem Autor und seinem Ratgeber zu unterschreiben.

Art. 19. Falls der Autor die geforderte schriftliche Antwort nicht übermittelt, trifft die Sessione ordinaria die entsprechenden Entscheidungen.

Art. 20. Der Congresso prüft die schriftliche Antwort des Autors sowie das Protokoll des eventuell erfolgten Gesprächs. Falls diese wirklich neue lehrmäßige Elemente enthalten, die eine eingehendere Bewertung erfordern, entscheidet er, ob die Frage erneut der Consulta vorzulegen ist, die durch andere Fachleute erweitert werden könnte, auch durch den gemäß Art. 17 bestimmten Ratgeber des Autors. Im gegenteiligen Fall werden die schriftliche Antwort und das Gesprächsprotokoll direkt der Sessione ordinaria zur Beurteilung unterbreitet.

Art. 21. Sollte die Sessione ordinaria die Frage als gelöst und die Antwort für ausreichend erachten, wird die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Im gegenteiligen Fall sind, auch zum Wohl der Gläubigen, die angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus entscheidet die Sessione ordinaria, ob und wie das Ergebnis der Lehrprüfung zu veröffentlichen ist.

Art. 22. Die Entscheidungen der Sessione ordinaria werden dem Papst zur Approbation vorgelegt und danach dem Ordinarius des Autors, der Bischofskonferenz und den zuständigen Dikasterien mitgeteilt.

IV. Dringliches Lehrprüfungsverfahren

Art. 23. Das dringliche Lehrprüfungsverfahren wird angewandt, wenn eine Schrift offensichtlich und sicher Irrtümer enthält und wenn durch deren Verbreitung ein schwerer Schaden für die Gläubigen entstehen könnte oder bereits entstanden ist. In diesem Fall werden sofort der Ordinarius oder die betreffenden Ordinarien sowie die zuständigen römischen Dikasterien benachrichtigt.

Art. 24. Der Congresso bestimmt eine Kommission mit dem besonderen Auftrag, die irrigen und gefährlichen Ansichten so schnell wie möglich näher zu bezeichnen.

Art. 25. Die von dieser Kommission ausfindig gemachten Ansichten werden zusammen mit der entsprechenden Dokumentation der Sessione ordinaria unterbreitet, die der Prüfung der Frage Vorrang einräumt.

Art. 26. Falls die Sessione ordinaria die genannten Ansichten tatsächlich als irrig oder gefährlich beurteilt, werden sie nach der Approbation des Papstes durch den Ordinarius dem Autor übermittelt mit der Aufforderung, diese innerhalb einer Frist von zwei Monaten richtigzustellen.

Art. 27. Hält es der Ordinarius nach Anhörung des Autors für notwendig, diesen auch um eine schriftliche Erklärung zu bitten, muß diese zusammen mit der Stellungnahme des Ordinarius der Kongregation zugesandt werden. Diese Erklärung wird daraufhin der Sessione ordinaria zur Entscheidung vorgelegt.

V. Maßnahmen

Art. 28. Sollte der Autor die angezeigten Irrtümer nicht in befriedigender Weise und in angemessener öffentlicher Form richtigstellen und die Ordentliche Versammlung zur Schlußfolgerung kommen, daß er sich die Straftat der Häresie, der Apostasie oder des Schismas zugezogen hat,<ref> Vgl. CIC, can. 751. </ref> schreitet die Kongregation zur Erklärung der latae sententiae zugezogenen Strafen;<ref> Vgl. CIC, can. 1364 § 1; CCEO, cann. 1436 § 1 und 1437. </ref> gegen diese Erklärung ist eine Beschwerde nicht zugelassen.

Art. 29. Wenn die Sessione ordinaria das Vorhandensein von lehrmäßigen Irrtümern feststellt, die keine Strafen latae sententiae vorsehen,<ref> Vgl. CIC, can. 752; CCEO, can. 599. </ref> handelt die Kongregation nach Maßgabe des universalen<ref> Vgl. CIC, can. 1371, n. 1; CCEO, can. 1436 § 2. </ref> bzw. Eigenrechts.<ref> Vgl. Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 52: AAS 80 (1988) 874. </ref>

Papst Johannes Paul II. hat in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten am 30. Mai 1997 gewährten Audienz die vorliegende Ordnung, die in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gebilligt und die Art. 28-29 in forma specifica approbiert und deren Veröffentlichung angeordnet contrariis quibuslibet non obstantibus.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, dem 29. Juni 1997, am Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus.

Joseph Kardinal Ratzinger
Präfekt
Tarcisio Bertone, S.D.B.
Erzbischof em. von Vercelli

Sekretär

Anmerkungen

<references />

Weblinks