Zweite Pastoralreise von Papst Johannes Paul II. nach Bern in die Schweiz im Juni 2004

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Worte bei der
Zweiten Pastoralreise nach Bern in die Schweiz

von Papst
Johannes Paul II.
5. - 6. Juni 2004

(Quelle: Die deutschen Fassungen auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


5. Juni 2004

Begrüßungansprache - Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten auf dem Militärflughafen von Payerne

Sehr geehrter Herr Präsident,
Verehrte Mitbrüder,
sehr geehrte Damen und Herren!

1. Zum dritten Mal führt mich die Göttliche Vorsehung in die Schweiz, in dieses schöne Land, in dem sich verschiedene Sprachen und Kulturen begegnen. Erneut darf ich hier einem Volk nahe sein, das zugleich alten Traditionen verpflichtet und für Neues offen ist.

Meinen ganz herzlichen Gruß richte ich an den verehrten Herrn Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem ich für die guten Willkommensworte danke. Ebenso grüße ich die anwesenden Autoritäten. Ich bin Ihnen für den freundlichen Empfang sowie für alles dankbar, was auch dieses Mal unternommen wurde, um meinen Aufenthalt in der Schweiz zu erleichtern.

Brüderlich grüße ich den Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz und die übrigen anwesenden Bischöfe. Über sie richte ich meinen Gruß auch an alle Gemeinden in jedem Kanton eures Landes. Mit Respekt gehen meine Gedanken auch zu den Christen der anderen Konfessionen und zu allen Menschen guten Willens, die in diesem Land tätig sind.

2. Ziel dieser apostolischen Pilgerfahrt ist es, den katholischen Jugendlichen der Schweiz anläßlich ihres nationalen Jugendtreffens zu begegnen. Ich werde mit ihnen heute Abend in der Bern Arena zusammenkommen. Für sie wie auch für mich wird es ein Fest sein.

Es ist die Pflicht, das Evangelium zu verkündigen, die mich drängt, mich auf die Pfade der Welt zu begeben, um es den Männern und Frauen des dritten Jahrtausends, besonders den jungen Generationen, erneut vorzustellen. Christus ist der Erlöser des Menschen! Wer an ihn glaubt und ihm folgt, baut mit an der Gesellschaft der Liebe und des Friedens.

3. Liebe Einwohner der Schweiz, wenn ich in eure Häuser eintrete und die verschiedenen Orte besuche, an denen ihr lebt und eure täglichen Aktivitäten verrichtet, erlaube ich mir geistigerweise an das Herz jedes einzelnen von euch zu klopfen. Allen möchte ich die frohe Botschaft des Evangeliums von Christus dem Erlöser bringen und jedem den guten Wunsch seines Friedens entbieten. In dieser Gesinnung erflehe ich vom Herrn die überfließende Fülle seiner Gnade über das ganze Land. Gott segne die Schweiz!

Grußworte beim Treffen mit den katholischen Jugendlichen der Schweiz im Eispalast der Bea Bern Expo

1. Steh auf! Lève-toi! Alzati! Sto se! (Lk 7, 14).

Voll Kraft ertönt dieses Wort Christi an den jungen Mann von Nain heute bei unserem Treffen. An euch, liebe Jugendliche und Freunde, an euch junge Schweizer Katholiken richtet sich dieses Wort!

Der Papst ist aus Rom zu euch gekommen, um gemeinsam mit euch diesen Ruf Christi neu zu hören und als Echo widerhallen zu lassen. Mit Freude grüße ich euch und danke euch für den herzlichen Empfang. Ich grüße auch eure Bischöfe sowie die Priester, Ordensleute und Jugendleiter, die euch auf eurem Lebensweg begleiten und nahe sind.

Besonders begrüße ich den Herrn Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft Joseph Deiss. Gerne heiße ich Pastor Samuel Lutz, Präsident des Synodalrates der Reformierten Kirchen von Bern-Jura-Solothurn, willkommen und alle eure Freunde anderer Bekenntnisse, die an diesem Treffen teilnehmen.

2. Das Lukasevangelium erzählt von einer Begegnung: Auf der einen Seite zieht der Trauerzug mit dem toten Sohn einer Witwe zum Friedhof, auf der anderen Seite kommt die freudige Schar der Jünger, die Jesus nachfolgen, um ihn zu hören. Auch heute, liebe Jugendliche, mag sich mancher im Trauerzug wiederfinden, der auf den Straßen Nains dahinzieht. Dies ist der Fall, wenn euch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung überkommen, wenn ihr euch von den Illusionen der Konsumgesellschaft blenden laßt, die euch von der wahren Freude wegführen, um euch mit vergänglichen Vergnügungen in Bann zu ziehen und zu verschlingen. Ebenso trifft dies zu, wenn sich Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit in euch breit machen, wenn ihr vor dem Bösen und dem Leid in der Welt an der Gegenwart Gottes und seiner Liebe zu allen Menschen zweifelt, wenn ihr auf der Suche, den inneren Durst nach wahrer und reiner Liebe zu stillen, in ein ungeordnetes Gefühlsleben abdriftet.

Genau in solchen Augenblicken kommt Christus zu einem jeden von euch wie zum jungen Mann aus Nain, um euch durch sein Wort wachzurütteln und aufzuwecken: „Steh auf!“ „Nimm diese Einladung an, die dich wieder aufrichtet!“

Dies sind nicht bloß Worte. Jesus selbst steht euch gegenüber, das menschgewordene Wort Gottes. Er ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1, 9), die Wahrheit, die uns frei macht (vgl. Joh 14, 6), das Leben, das uns der Vater in Fülle gibt (vgl. Joh 10, 10). Das Christentum ist nicht einfach eine Art Kultur oder eine Ideologie, selbst nicht ein System von noch so erhabenen Grundsätzen und Werten. Das Christentum ist eine Person, eine Gegenwart, ein Gesicht: Jesus Christus, der dem Leben der Menschen Sinn und Inhalt gibt.

3. Liebe Jugendliche, ich sage euch: Habt keine Angst, Jesus zu begegnen: Im Gegenteil, sucht ihn vielmehr im aufmerksamen und bereitwilligen Lesen der Heiligen Schrift als auch im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet; sucht ihn in der tätigen Teilnahme an der heiligen Eucharistie; sucht ihn im Empfang des Sakraments der Versöhnung durch einen Priester; sucht ihn in der Kirche, die sich euch in den Pfarrgruppen, geistlichen Bewegungen und in den Verbänden zeigt; sucht ihn im Angesicht der Notleidenden, Bedürftigen und Fremden.

Diese Suche ist für das Leben vieler Jugendliche eures Alters typisch, die sich auf den Weltjugendtag in Köln im Sommer nächsten Jahres vorbereiten. Schon jetzt lade ich euch herzlich zu diesem großen Treffen ein, das im Zeichen des Glaubens und des Zeugnisgebens stehen wird.

Auch ich war einmal zwanzig Jahre alt wie ihr heute. Ich machte gern Sport, liebte das Skifahren und das Theaterspielen. Ich hatte Wünsche und Sorgen. In diesen Jahren, die nun schon in Ferne liegen und in denen meine Heimat unter dem Krieg und dann unter dem Totalitarismus litt, suchte ich nach dem Sinn meines Lebens. Ich habe ihn gefunden in der Nachfolge Christi, des Herrn.

4. Die Jugend ist die Zeit, in der auch du, lieber Jugendlicher, liebe Jugendliche, dich fragst, was du in deinem Leben machen sollst, wie du helfen kannst, die Welt ein wenig besser zu machen, wie du zum Aufbau von Gerechtigkeit und Frieden beitragen kannst.

So richte ich eine zweite Einladung an euch: „Höre!“ Werde nicht müde beim Training in der schwierigen Disziplin des Hörens. Höre auf die Stimme des Herrn, der auch durch die alltäglichen Geschehnisse zu dir spricht, in Freud und Leid, die dich begleiten, durch die Menschen um dich herum und durch die Stimme des Gewissens, das nach Wahrheit und Glück, nach dem Guten und Schönen verlangt.

Wenn du dein Herz und deinen Geist bereitwillig zu öffnen weißt, wirst du „deine Berufung“ entdecken, jenen Plan, den Gott immer schon in seiner Liebe für dich vorgesehen hat.

5. Du kannst eine Familie gründen, die auf der Ehe beruht, welche einen Liebesbund zwischen Mann und Frau darstellt, die sich um eine feste und treue Lebensgemeinschaft bemühen. Du kannst persönlich bezeugen, daß es trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse möglich ist, voll und ganz eine christliche Ehe zu führen als sinnerfüllte Erfahrung und „gute Nachricht“ für alle Familien.

Du kannst, wenn dies deine Berufung sein sollte, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau werden und mit ungeteiltem Herzen dein Leben Christus und der Kirche schenken. So wirst du zu einem Zeichen der liebevollen Gegenwart Gottes in der Welt von heute. Wie viele andere vor dir kannst du ein unerschrockener und unermüdlicher Apostel sein, der im Gebet wachsam ist und freudig und froh der Gemeinschaft dient

Ja, wenn auch du einer von ihnen sein könntest! Ich weiß sehr wohl, daß du vor einem solchen Vorschlag zögerst. Ich sage dir aber: Hab keine Angst! Gott läßt sich in seiner Freigebigkeit nicht übertreffen! Nach fast sechzig Priesterjahren freue ich mich, hier vor euch allen dafür Zeugnis zu geben: Schön ist es, sich bis zum Ende der Sache des Reiches Gottes hingeben zu können!

6. Da ist aber noch eine dritte Einladung: Junger Schweizer, junge Schweizerin, „mach dich auf den Weg!“. Gib dich nicht mit Worten zufrieden; warte nicht auf Gelegenheiten, das Gute zu tun, die vielleicht doch niemals kommen. Die Zeit des Handelns ist angebrochen!

Zu Beginn des dritten Jahrtausends seid auch ihr Jugendlichen aufgerufen, die Botschaft des Evangeliums mit dem Zeugnis eures Lebens zu verkündigen. Die Kirche braucht eure Energien, eure Begeisterung, eure jugendlichen Ideale, um dafür zu sorgen, daß das Evangelium das gesellschaftliche Gefüge durchdringt und eine Zivilisation wahrer Gerechtigkeit und Liebe ohne Unterschied hervorruft. Heute mehr denn je, in einer oft dunklen und mutlosen Welt ohne höhere Ideale, ist nicht die Zeit, sich des Evangeliums zu schämen (vgl. Röm 1, 16). Es ist vielmehr die Zeit, das Evangelium von den Dächern zu verkünden (vgl. Mt 10, 27).

Der Papst, eure Bischöfe, ja die ganze Christenheit zählen auf euren Einsatz, eure Freigebigkeit und sie begleiten euch mit Vertrauen und Hoffnung: Schweizer Jugendliche, macht euch auf den Weg! Der Herr geht mit euch.

Haltet das Kreuz Christi in den Händen. Aus eurem Mund mögen Worte des Lebens kommen. Tragt die heilbringende Gnade des auferstandenen Herrn im Herzen.

Steh auf! Lève-toi!Alzati! Sto se! Christus ist es, der zu euch spricht. Hört auf ihn!

6. Juni 2004

Predigt bei der Hl. Messe in Bern

"Gepriesen sei der Dreieinige Gott: der Vater und sein eingeborener Sohn und der Heilige Geist; denn er hat uns sein Erbarmen geschenkt. (Eröffnungsvers)

1. An diesem ersten Sonntag nach Pfingsten lädt uns die Kirche ein, das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit zu feiern. Das tun wir, liebe Schwestern und Brüder, vor der herrlichen Kulisse der schneebedeckten Gipfel, der sattgrünen, an Blumen und Früchten reichen Täler sowie der zahlreichen Seen und Bäche, welche euer Land so schön machen. Zu dieser Betrachtung führt uns die erste Lesung, die uns Gottes Weisheit schauen läßt, als „er den Himmel baute ... als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer, als er dem Meer seine Satzung gab ... als er die Fundamente der Erde abmaß" (Spr 8, 27-29).

Unser Blick richtet sich jedoch nicht nur auf die Schöpfung, „das Werk der Finger Gottes" (Antwortpsalm), sondern gibt auch acht auf die Menschen um uns herum. Mit Zuneigung grüße ich jeden von euch, liebe Brüder und Schwestern, in dieser prachtvollen Landschaft im Herzen Europas. Ich wünschte, ich könnte jedem von euch die Hand geben, um ihn persönlich zu begrüßen und ihm zu sagen: „Der Herr ist mit dir und liebt dich!".

Brüderlich begrüße ich die Schweizer Bischöfe mit ihrem Präsidenten, Bischof Amédée Grab aus Chur. Bischof Kurt Koch aus Basel danke ich in euer aller Namen für seine freundlichen Worte. Ein Zeichen meiner Hochachtung ergeht an den Herrn Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft und an alle zivilen und militärischen Autoritäten, die uns mit ihrer Anwesenheit beehren.

Einen besonders herzlichen Gruß möchte ich den jungen Schweizer Katholiken vorbehalten, denen ich gestern Abend in der Bern-Arena begegnen durfte, wo wir miteinander erneut den fordernden und enthusiastischen Ruf Jesu hören durften: „Steh auf!". Liebe junge Freunde, ihr sollt wissen, daß euch der Papst gern hat, euch mit seinem täglichen Gebet begleitet, auf eure Mitarbeit in der Sache des Evangeliums zählt und euch ermutigt, mit Zuversicht auf dem Weg des christlichen Lebens voranzuschreiten.

2. „Was wir auf deine Offenbarung hin von deiner Herrlichkeit glauben, das bekennen wir", werden wir gleich in der Präfation beten. Unsere eucharistische Versammlung ist Zeugnis und Verkündigung der Herrlichkeit des Allmächtigen Gottes und seiner wirkmächtigen Gegenwart in der Geschichte. Gestützt auf den Geist, den der Vater uns durch den Sohn gesandt hat, „rühmen wir uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung" (Röm 5, 3-4).

Liebe Freunde, ich bitte den Herrn, mitten unter euch ein Zeuge der Hoffnung sein zu dürfen, jener Hoffnung, die „nicht zugrunde geht", weil sie auf der Liebe Gottes aufbaut, „die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist" (Röm 5, 5). Das hat die Welt heute besonders nötig: eine Zulage an Hoffnung!

3. „Du bist der eine Gott und der eine Herr" (Präfation). Die drei Personen, gleich und verschieden, sind ein einziger Gott. Ihre tatsächliche Verschiedenheit teilt die Einheit ihres göttlichen Wesens nicht.

Solch eine unzertrennliche Gemeinschaft hat Christus uns, seinen Schülern, als Vorbild empfohlen: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast" (Joh 17, 21). Jedes Jahr erhalten die Christen bei der Feier des Dreifaltigkeitsgeheimnisses sozusagen einen dringenden Ruf zum Einsatz für die Einheit. Dieser Ruf ist an alle gerichtet. Die Seelsorger und die Laien, alle werden angestoßen, sich ihrer Verantwortung für die Kirche bewußt zu werden. Die Kirche ist die Braut Christi. Muß man da nicht auch das ökumenische Anliegen als drängend empfinden? Machen wir jetzt bei dieser Gelegenheit unseren Willen deutlich, auf dem schwierigen Weg voranzuschreiten, der uns jedoch mit Freude erfüllt und der vollkommenen Gemeinschaft dient.

Es ist jedoch klar, daß ein starker Beitrag zur ökumenischen Sache vom Einsatz abhängt, den die Katholiken für ihre Einheit untereinander leisten. Im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte habe ich die Notwendigkeit hervorgehoben, „die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft zu machen" (Nr. 43). Dabei halten wir den Blick des Herzens fest auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit gerichtet, das in uns wohnt und dessen Licht auch auf dem Angesicht der Brüder und Schwestern wahrgenommen wird (vgl. ebd.). Wir stärken so die „Spiritualität der Gemeinschaft", die von den Orten ausgeht, wo der Mensch und der Christ geformt werden, und die Pfarreien, die Verbände und die Bewegungen erreicht. Eine Ortskirche, in der die Spiritualität der Gemeinschaft blüht, weiß sich beständig von den „Rauschgiften" des Egoismus zu reinigen, die Eifersucht, Mißtrauen, Sucht nach Selbstbestätigung und schädliche Gegensätze hervorrufen.

4. Die Aufzählung dieser Gefahren möge in uns ein spontanes Gebet an den Heiligen Geist erwecken, den Jesus uns zu senden versprochen hat: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen" (Joh 16, 13).

Auf die Frage „Was ist Wahrheit?" hat Jesus mit Nachdruck geantwortet: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14, 6). Im Licht dieser Aussage versteht man auch die richtige Formulierung der Frage: nicht „Was ist Wahrheit?", sondern „Wer ist Wahrheit?" muß es heißen.

Das ist gerade die Frage, die der heutige Mensch an die Christen des Dritten Jahrtausends richtet. Wir dürfen die Antwort nicht verschweigen, weil wir sie ja wissen! Die Wahrheit ist Jesus Christus, der in die Welt gekommen ist, um uns die Liebe des Vaters zu offenbaren und zu schenken. Wir sind aufgerufen, mit unserem Wort und vor allem mit unserem Leben diese Wahrheit zu bezeugen!

5. Liebe Brüder und Schwestern, Kirche heißt Sendung! Sie braucht „Propheten", die fähig sind, in den Gemeinden den Glauben an das Wort, das uns Gott offenbart, der voll an Erbarmen ist (vgl. Eph 2, 4), wiederzuerwecken. Die Zeit ist gekommen, junge Generationen von Aposteln heranzubilden, die keine Angst haben, das Evangelium zu verkünden. Für jeden Getauften ist es notwendig, von einem Gewohnheitsglauben zu einem reifen Glauben zu gelangen, der in klaren, überzeugten und mutigen Entscheidungen zum Ausdruck kommt.

Nur ein solcher Glaube, der in der Liturgie und in brüderlicher Liebe gefeiert und geteilt wird, kann die Gemeinschaft der Jünger nähren und stärken und sie zu einer missionarischen Kirche auferbauen, die frei ist von falschen Ängsten, weil sie sich der Liebe des Vaters sicher ist.

6. „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist" (Röm 5, 5). Dies ist nicht unser Verdienst; es ist ein unentgeltliches Geschenk. Trotz der Last unserer Sünden hat uns Gott geliebt und durch das Blut seines Sohnes erlöst. Seine Gnade hat uns im Innern geheilt.

Daher können wir mit dem Psalmisten ausrufen: „Wie gewaltig, Herr, ist deine Liebe auf der ganzen Erde!" Wie gewaltig ist sie in mir, in den anderen, in jedem Menschen!

Dies ist die wahre Quelle der Größe des Menschen, dies ist der Grund seiner unzerstörbaren Würde. In jedem Menschen spiegelt sich das Bild Gottes wieder. Darin besteht die tiefere „Wahrheit" des Menschen, die auf keinem Fall verleugnet oder verletzt werden kann. Jede Beleidigung, die dem Menschen zugefügt wird, richtet sich letztlich gegen seinen Schöpfer, der ihn wie ein Vater liebt.

In diesem Bewußtsein erheben wir unseren Lobpreis zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist. Ehre sei dem einen Gott, der war und der ist und der kommen wird" (Ruf vor dem Evangelium). Amen!

Angelus Domini

1. Am Ende dieser Meßfeier möchte ich mich im Geiste auf eine Pilgerreise zu den Wallfahrtsorten und Kirchen begeben, die in eurem Land der Jungfrau Maria geweiht sind. Dabei denke ich besonders an die Abtei Einsiedeln, ferner an die Heiligtümer Madonna del Sasso, Notre Dame de Bouguillon und Notre Dame de Vorbourg. Von diesen heiligen Stätten aus beschütze die Mutter Gottes die Schweizer Täler und Landschaften. Sie helfe allen Christen, die kostbaren Güter des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu bewahren und zu mehren.

2. Der seligen Jungfrau Maria vertraue ich nun heute erneut das Schweizer Volk an. Maria wache über die Familien, schütze die Liebe der Eheleute und untersütze die Aufgabe der Eltern. Sie stärke die Alten und helfe ihnen, es der Gesellschaft nicht an ihrem wertvollen Beitrag fehlen zu lassen. In den Jugendlichen nähre sie den Sinn für die Werte und fördere ihren Einsatz, nach diesen zu leben. Der ganzen Nation erhalte sie den beständigen und einhelligen Willen, gemeinsam ein blühendes und friedliches Land aufzubauen, das gleichzeitig sensibel und solidarisch den Notleidenden gegenüber ist.

3. Auf besondere Weise möchte ich Maria die Jugend in der Schweiz anvertrauen, auf die der Heilige Vater mit Zuneigung und Dankbarkeit blickt. Seit fünf Jahrhunderten sind es nämlich die Jugendlichen dieses Landes, die dem Nachfolger des heiligen Petrus und dem Heiligen Stuhl den wertvollen und hochgescätzten Dienst der Päpstlichen Schweizer Garde gewährleisten. In der

freigebigen Treue der Schweizer Gardisten können alle den Geist des Glaubens und der Liebe zur Kirche bewundern, der die schweizerischen Katholiken auszeichnet.

4. Die heilige Jungfrau helfe schließlich eurer Nation, die Eintracht und Einheit zwischen den verschiedenen Sprach- und Volksgruppen, die sie bilden, zu bewahren und dabei den Beitrag der einzelnen zur Geltung kommen zu lassen.

In diesem Geist wollen wir den Angelus beten, die wunderbare Kurzfassung des Evangeliums.

Nach dem Angelus:

Von Herzen grüße ich alle Polen, die in diesem schönen Land leben. Ich wünsche euch, daß die Schweiz weiterhin gastfreundlich ist mit euch wie mit anderen ethnischen Minderheiten. Versucht, zum Wohlergehen dieses Landes beizutragen. Seid Gott und den Traditionen eurer Väter treu. Gott segne euch.

Mit wahrer Freude rufe ich euch noch einmal zu: Danke, Schweiz! Dank dem Organisationskomitee dieses Jugendtreffens. Besonderen Dank dem Chor. Ich danke euch allen, die ihr aus den verschiedenen Kantonen hierher gekommen seid. Eure Gegenwart macht mir große Freude. Der Herr segne euch und bleibe immer bei Euch!

Grußworte beim Treffen mit der Vereinigung der Ehemaligen Schweizergardisten auf dem Vorplatz der Residenz Viktoriaheim

Liebe Freunde!

1. Am Ende dieses kurzen Apostolischen Besuchs in der Schweiz ist es mir eine besondere Freude, mit euch, den Mitgliedern der Vereinigung ehemaliger Päpstlicher Schweizergardisten, und euren Familienangehörigen zusammenzutreffen. Von Herzen grüße ich jeden einzelnen von euch. In den über fünfundzwanzig Jahren meines Pontifikats konnte ich viele von euch im Vatikan kennenlernen. So freue ich mich, euch heute gemeinsam mit euren Familien wiederzusehen. Danke für euer Hiersein, um das wir sehr froh sind. Ein besonderer Dank gilt dem Zentralpräsidenten eurer Vereinigung, Herrn Jacques Babey, für die guten Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat.

2. Der Nachfolger des heiligen Petrus steht in besonderer Dankesschuld bei den Katholiken dieses Landes. Schließlich stellen sie die Päpstlichen Schweizergardisten, die seit fünf Jahrhunderten ihre spezielle Aufgabe zum Schutz der Ordnung und Sicherheit im Vatikan verrichten, in Castelgandolfo und überall dort, wo sich der Papst in Ausübung seines Amtes hinbegibt. Im Evangelium heißt es, daß der gute Baum an seinen Früchten erkannt wird (vgl. Mt 7, 17-18). Die Jugendlichen nun, die von hier für diesen einzigartigen Dienst am Heiligen Vater nach Rom gehen, sind üblicherweise ausgezeichnete junge Männer, die ihren Familien und ihren Pfarreien zur Ehre gereichen.

3. Sie machen aber auch dieser verdienten Vereinigung Ehre, die dafür Sorge trägt, hier in der Heimat das Interesse für diesen Dienst an der Kirche stets wach zu halten, damit sich das Corps der Päpstlichen Schweizergarde eines beständigen und guten Personalaustauschs erfreuen kann. Ich danke euch aufrichtig für alles, was ihr getan habt und weiterhin tun werdet. Zugleich ermutige ich euch, in eurem Eifer im Zeugnis für Christus und in der Treue zur Kirche inmitten einer sich verändernden Welt nicht nachzulassen.

Die selige Jungfrau Maria wache immer über euch und eure Familien. Ich segne euch von Herzen.

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