Sein Bestes geben

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Dokument
Sein Bestes geben

Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben
im Pontifikat von Papst
Franziskus
über die christliche Perspektive des Sports und der menschlichen Person
1. Juni 2018

(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 217, Herausgeber Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Motive und Zweck

Sein Bestes geben

Sein Bestes zu geben ist ein grundlegender Aspekt des Sports, denn Sportler streben sowohl einzeln als auch im Team danach, ihre sportlichen Ziele zu erreichen. Wenn ein Mensch sein Bestes gibt, erfährt er Zufriedenheit und Freude an der persönlichen Leistung. Dies gilt sowohl für das Leben im Allgemeinen als auch für das Leben im christlichen Glauben. Wir alle wollen eines Tages mit dem heiligen Paulus sagen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt“ (2 Tim 4,7). Dieses Dokument soll helfen, die Beziehung zwischen dem Streben, sein Bestes im Sport zu geben, und dem im Alltag gelebten christlichen Glauben zu verstehen.

1.1 Motiv für dieses Dokument

Die Kirche als Volk Gottes verfügt über einen reichen und tiefgreifenden Erfahrungsschatz des Menschseins. Mit großer Demut will sie diese Erfahrungen teilen und in den Dienst des Sports stellen. Die Kirche nähert sich der Welt des Sports an, da sie zur Entwicklung eines immer authentischeren und humaneren Sports beitragen möchte. In der Tat gibt es „nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in den Herzen der Jünger Christi seinen Widerhall fände“.<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 1.</ref> Der Sport ist ein universales Phänomen, das in unserer Zeit eine neue Bedeutung erlangt hat und so auch im Herzen des Volkes Gottes seinen Widerhall findet.

Die Kirche versteht den Menschen als eine Einheit von Körper, Seele und Geist und versucht, jede Art von Reduktionismus im Sport zu vermeiden, der die Menschenwürde beeinträchtigt. „Die Kirche interessiert sich für den Sport, da ihr der Mensch, d. h. der Mensch in seiner Gesamtheit am Herzen liegt, und sie erkennt an, dass sportliche Betätigung Einfluss auf die Bildung des Menschen, seine Beziehungen und seine Spiritualität hat.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an den Italienischen Tennisbund (8. Mai 2015).</ref>

Dieses Dokument möchte die Ansichten des Heiligen Stuhls und der katholischen Kirche zum Thema Sport in der gebotenen Kürze darstellen. Mit Blick auf die Beschreibungen der Geschichte des Sports könnte man denken, dass die katholische Kirche den Sport und seinen Einfluss nur negativ betrachtete, besonders im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, und zwar aufgrund ihrer negativen Haltung zur Körperlichkeit. Dies basiert jedoch auf einem Missverständnis der katholischen Haltung gegenüber dem Körper in diesen Zeiten und lässt den positiven Einfluss katholischer Traditionen im theologischen, spirituellen und pädagogischen Bereich bezüglich des Sports als ein Teilaspekt der Kultur außer Acht.<ref> Vgl. DRIES VANYSACKER, The Catholic Church and Sport. A Burgeoning Territory within Historical Research! Revue d’histoire ecclésiastique, Louvain, Journal of Church History 108 (2013), S. 344–356.</ref>

„Die christliche Einstellung zum Sport ist wie auch zu anderen Ausdrucksformen der natürlichen Fähigkeiten des Menschen wie der Wissenschaft, dem Lernen, der Arbeit, der Kunst und der Liebe sowie seinem sozialen und politischen Engagement keine Haltung der Ablehnung oder Flucht, sondern des Respekts und der Wertschätzung, allenfalls der Lossprechung und der Erhöhung: kurz gesagt eine Haltung der Erlösung.“<ref> Papst Johannes Paul II., Messe zum internationalen Jubiläum der Sportler (12. April 1984).</ref> Diesen Erlösungsaspekt findet man im Sport, wenn die Würde des Menschen Vorrang hat und der Sport dem Menschen in seiner ganzheitlichen Entwicklung dient. So sagt Papst Franziskus: „Das Band, das die Kirche und den Sport vereint, ist eine schöne Tatsache, die sich im Lauf der Zeit gefestigt hat, weil die kirchliche Gemeinschaft im Sport ein gutes Instrument für das ganzheitliche Wachstum der Menschen sieht. Die Teilnahme am Sport regt in der Tat dazu an, auf gesunde Weise sich selbst und die eigenen Egoismen zu überwinden, sich in Opferbereitschaft zu üben und fördert, bei einer guten Ausrichtung, die Loyalität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, die Freundschaft und die Beachtung der Regeln.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Europäischen Olympischen Komitees (12. November 2013).</ref>

Die katholische Kirche richtet dieses Dokument an alle Menschen guten Willens. Die Kirche ist vor allem daran interessiert, mit allen Menschen und Organisationen in Dialog zu treten, die sich dafür einsetzen, die eng mit dem Sport verbundenen Werte zu schützen.

Die Kirche möchte dieses Dokument auch an alle katholischen Gläubigen richten, angefangen bei den Bischöfen und Priestern, aber vor allem an die Laien, die am meisten mit dem Sport als Lebenswirklichkeit zu tun haben. Es soll alle ansprechen, die den Sport lieben und schätzen, seien es aktive Sportler, Lehrer, Trainer, Eltern oder all diejenigen, für die der Sport sowohl ein Beruf als auch eine Berufung darstellt. In unsere Überlegungen möchten wir auch unsere Glaubensgeschwister einschließen, die seit mehr als 50 Jahren christliche Werte im Sport verkündigen und fördern.<ref> Nach J. Stuart Weir setzte die christliche Seelsorge in den USA im Profisport mit der seelsorgerischen Betreuung der NFL-Spieler Mitte der 1960er-Jahre ein. Außerdem wird erwähnt, dass im März 1962 John Jackson offiziell zum ersten Seelsorger für einen amerikanischen Profiverein im Football ernannt wurde. J. STUART WEIR, Sports Chaplaincy: A Global Overview, in: Sports Chaplaincy: Trends, Issues and Debates, hg. von A. PARKER, N. J. WATSON UND J. B. WHITE (London 2016).</ref>

Wie könnte die Kirche nicht daran interessiert sein?

Die Kirche hat im Laufe ihrer Geschichte stets das Schöne in der Kunst, der Musik und in anderen Bereichen menschlichen Schaffens gefördert. Letztlich liegt das daran, dass die Schönheit von Gott kommt, und deshalb die Wahrnehmung derselben jedem Menschen als sein geliebtes Geschöpf innewohnt. Der Sport bietet uns die Möglichkeit, an schönen Momenten teilzunehmen oder diesen beizuwohnen. Auf diese Weise vermag der Sport uns daran zu erinnern, dass die Schönheit einer der Wege ist, Gott zu begegnen.

Die Universalität der Sporterfahrung, ihre kommunikative und symbolische Stärke sowie ihr großes pädagogisches und charakterbildendes Potenzial sind heutzutage deutlich erkennbar. Sport ist heute ein Zivilisationsphänomen, das derart Teil der zeitgenössischen Kultur geworden ist und den Lebensstil so vieler Menschen und deren Entscheidungen beeinflusst, dass wir uns mit Papst Pius XII. die Frage stellen könnten: „Wie kann die Kirche daher kein Interesse am Sport haben?“<ref> Papst Pius XII., Ansprache an eine Delegation italienischer Sportler (20. Mai 1945).</ref>

Pius XII. und Paul VI. haben dann im 20. Jahrhundert nachdrücklich den Dialog zwischen der Kirche und der Welt des Sports eröffnet, indem sie die Aspekte förderten, die dem Sport und dem christlichen Leben gemein waren, und die Ideale der Olympischen Bewegung mit den katholischen Anschauungen in Verbindung setzten: „Körperliche Anstrengung, moralische Qualitäten, Liebe zum Frieden: In diesen drei Punkten hoffen wir, Ihnen gezeigt zu haben, dass der Dialog, den die Kirche mit der Welt des Sports führt, aufrichtig und herzlich ist. Unser Wunsch ist es, dass dieser Dialog immer breiter und fruchtbarer wird.“<ref> Papst Paul VI., Ansprache an das Internationale Olympische Komitee (28. April 1966).</ref>

Die Notwendigkeit der seelsorgerischen Betreuung im Sport: eine im Wesentlichen erzieherische Aufgabe

Der Dialog zwischen Kirche und Sport hat zahl- und facettenreiche Vorschläge für die Seelsorge insbesondere in Schulen, Pfarreien und katholischen Vereinen hervorgebracht. Johannes Paul II. unterstützte diesen Prozess sowohl im Lehramt als auch durch die erstmalige Einrichtung einer Arbeitsstelle beim Heiligen Stuhl für das Verhältnis zwischen Kirche und Sport.

„Die Kirche muss in diesem Bereich in der ersten Reihe stehen, um eine an die Bedürfnisse der Athleten angepasste Pastoral zu erarbeiten und vor allem um Sportarten zu fördern, die die Voraussetzungen für ein hoffnungsvolles Leben schaffen können.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der nationalen Tagung der Italienischen Bischofskonferenz (25. November 1989).</ref> Die Kirche unterstützt nicht nur die sportliche Betätigung, sondern sie möchte auch „mittendrin im Sport“ sein, der als ein moderner „Vorhof und Areopag“ gilt, in dem das Evangelium verkündet wird.

Das kirchliche Lehramt verweist immer wieder auf die Notwendigkeit, „einen Sport für den Menschen“ zu fördern, der dem Leben einen Sinn verleihen kann und zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen in moralischer, sozialer, ethischer und spiritueller Hinsicht beiträgt. Das Engagement der Kirche für den Sport zeigt sich in einer vielfältigen und weitreichenden pastoralen Präsenz, deren Ausgangspunkt das Interesse der Kirche am Menschen ist.

1.2 Die Kirche und der Sport bis heute

Bereits seit den ersten Jahren ihrer Existenz steht die Kirche im Dialog mit dem Sport. Es ist bekannt, dass der heilige Paulus den Heiden mithilfe von Sportmetaphern das christliche Leben erklärte. Im Mittelalter nahmen katholische Laien an Spielen und sportlichen Aktivitäten an kirchlichen Feiertagen – und es gab einige im Jahr – sowie an Sonntagen teil. Diese Spiele fanden in den Schriften des hl. Thomas von Aquin theologische Unterstützung, der argumentierte, dass „dem Spiel eine Tugend“ innewohnt, da Tugend mit Mäßigung zu tun hat. Eine tugendhafte Person sollte demnach nicht ununterbrochen arbeiten, sondern auch Zeit zum Spielen und Entspannen haben. Die Humanisten der Renaissance und die ersten Jesuiten nutzten Thomas von Aquins Auffassung von Tugend, indem sie beschlossen, dass die Schüler im Laufe des Schultages Zeit zum Spielen und Erholen bräuchten. Hierauf geht die Einbeziehung von Spiel und Sport in die Bildungseinrichtungen der westlichen Welt zurück.<ref> Vgl. P. KELLY SJ, Catholic Perspectives on Sports. From Mediaval to Modern Times, Nahwah (NJ 2012).</ref>

Darüber hinaus hat die Kirche seit Beginn der Neuzeit Interesse an diesem Phänomen bekundet, da sie sein Bildungspotenzial schätzt und zugleich viele Werte mit dem Sport teilt. Die Kirche hat die Entwicklung des Sports in organisatorischer und struktureller Hinsicht aktiv gefördert.

Der Sport in der modernen Welt entstand im Kontext der industriellen Revolution, deren sozial, politisch und wirtschaftlich fruchtbare Entwicklungen dem Sport die Mittel an die Hand gaben, sich weltweit auszubreiten. Sport ist ein Produkt der Moderne und wurde gleichzeitig zu einem „Träger“ der Moderne. Darüber hinaus verändert sich der Sport in der heutigen Zeit grundlegend und steht unter starkem Veränderungsdruck. Es ist zu hoffen, dass die Sportexperten den Wandel nicht nur „managen“, sondern dabei auch versuchen, die von dem alten und modernen Sport hochgeschätzten Prinzipien zu verstehen und an ihnen festzuhalten: Bildung und Förderung des Menschen.

Im Jahre 1904 öffnete Pius X. für eine Turnvorführung italienischer Jugendlicher erstmals die Türen des Vatikans für den Sport. Die Chroniken dieser Zeit zeigen offen ihre Verwunderung über diese Geste. Es wird berichtet, dass Papst Pius X. auf die Frage eines verwirrten Priesters der Kurie: „Wo soll das alles enden?“ mit den Worten antwortete: „Im Paradies, mein Lieber!“<ref>Vgl. A. STELITANO, A. M. DIEGUEZ, Q. BORTOLATO, I Papi e lo sport, Libr. Editrice Vaticana (Rom 2014), S. 4–5.</ref>

Zweifelsohne hat Johannes Paul II. dem Engagement und dem Dialog mit dem Sport mit Blick auf die Hierarchie der katholischen Kirche die höchste Bedeutung zugemessen. Nach dem Jubiläumsjahr 2000, in dem er vor 80.000 jungen Sportlern im Olympiastadion in Rom predigte, beschloss er, eine Arbeitsstelle für Kirche und Sport im Vatikan einzurichten, die seit ihrer Einrichtung 2004 eine christliche Vision des Sports erforscht und fördert, die dessen Bedeutung für den Aufbau einer humaneren, friedlicheren und gerechteren Gesellschaft sowie für die Evangelisierung unterstreicht.

Es gibt keinen christlichen Sport, wohl aber eine christliche Vision des Sports

Auch wenn internationale oder nationale Sportverbände und Vereine mit eindeutig katholischem Charakter entstanden sind, wollte man damit nicht einen anderen „christlichen“ Sport schaffen, der sich von der Entwicklung des übrigen Sports unterscheidet, sondern die Möglichkeit bieten, Sport auf der Grundlage des christlichen Verständnisses von Mensch und Gesellschaft zu erleben.

Dieser Ansatz führte recht schnell zu einer Vision des Sports. In einem ihrer Dokumente über den Sport schrieb die Italienische Bischofskonferenz: „Auch wenn es so etwas wie einen christlichen Sport nicht gibt, ist eine christliche Vision vom Sport völlig legitim, die dem Sport nicht nur von allen geteilte ethische Werte verleiht, sondern eine eigene innovative und kohärente Perspektive aufzeigt, in der Überzeugung, dass sie sowohl dem Sport als auch dem Einzelnen und der Gesellschaft dient.“<ref>ITALIENISCHE BISCHOFSKONFERENZ, Sport e Vita cristiana, Nr. 32.</ref>

„Ohne die Besonderheit des Sports in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen oder bestreiten zu wollen, befreit das Erbe des christlichen Glaubens diese Aktivität von Doppeldeutigkeiten und Abweichungen und fördert ihre volle Entfaltung.“<ref> Ebd., Nr. 11.</ref> Das Christentum ist daher kein „ethisches Qualitätsmerkmal“ des Sports oder ein von außen angebrachtes Etikett. Das Christentum wird als Mehrwert angeboten, der dazu beiträgt, der sportlichen Erfahrung Fülle zu verleihen.

1.3 Der Zweck des Dokuments

Die Kirche schätzt den Sport an sich als eine Schule des Lebens, in der man die Tugenden der Mäßigung, der Demut, des Mutes und der Geduld verinnerlichen und sich zu eigen machen kann, in der man dem Schönen, Guten und Wahren begegnen kann und in der man die Freude am Leben bezeugen kann. Diese Erfahrung kann von Menschen aus Ländern und Gemeinschaften auf der ganzen Welt unabhängig von der Leistungsebene und der Sportart gemacht werden. Genau dies macht den Sport zu einem modernen Phänomen von globaler Tragweite und aus diesem Grund ist die Kirche auch sehr daran interessiert.

Daher möchte die Kirche ihre Stimme im Dienste des Sports erheben. Sie fühlt sich mitverantwortlich, den Sport vor alltäglichen Bedrohungen wie Korruption und Unehrlichkeit, Manipulation und kommerzieller Ausbeutung zu schützen.

„Sport bedeutet Freude am Leben, am Spiel und am Feiern, und in diesem Sinne sollte er geschätzt und vielleicht sogar [...] von den Auswüchsen der Technik und des Profitums befreit werden, und zwar durch die Rückbesinnung auf seinen unentgeltlichen Charakter und seine Fähigkeit, Bande der Freundschaft zu knüpfen sowie den Dialog und die Offenheit füreinander zu fördern – als Ausdruck des Reichtums des Seins, das viel wertvoller und schätzenswerter als das Haben ist und somit weit über die strengen Gesetze von Produktion und Konsum und jede andere rein zweckmäßige und hedonistische Betrachtung des Lebens hinausgeht“.<ref> Papst Johannes Paul II., Messe zum internationalen Jubiläum der Sportler (12. April 1984).</ref> In dieser Hinsicht wird die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Sport reiche Früchte tragen.

Die Kirche möchte im Dienst all derer stehen, die in der Welt des Sports aktiv sind, angefangen von den bezahlten Sportlern und Bediensteten bis hin zur großen Mehrheit derjenigen, die sich als freiwillige Helfer‚ Offizielle, Trainer, Lehrer, Sportorganisatoren und Eltern engagieren – sowie den Sportlern selbst.

Nach der Beschreibung der Beweggründe und des Zwecks eines Dialogs zwischen der Kirche und der Welt des Sports im ersten Kapitel wird im zweiten Kapital das Phänomen des Sports von seinen Ursprüngen bis zur heutigen Zeit veranschaulicht, wobei eine Definition des Sports erarbeitet und über seine Bedeutung im weltweiten Kontext nachgedacht wird. Das dritte Kapitel des Dokuments befasst sich eingehend mit der anthropologischen Dimension des Sports, insbesondere mit der Bedeutung des Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist. Hier geht es darum, welche Antworten der Sport bei der Suche nach dem Sinn des Lebens geben und wie er die Freiheit und Kreativität des Menschen fördern kann. Bei dieser Sinnsuche bietet die sportliche Praxis die Möglichkeit, Gerechtigkeit, Opferbereitschaft, Freude, Harmonie, Mut, Gleichheit, Respekt und Solidarität zu erfahren. Im christlichen Verständnis ist dieser tiefere Sinn des Lebens das höchste Glück, das in der Erfahrung der allumfassenden Liebe und Barmherzigkeit Gottes erlebt wird, gemeinsam mit Jesus Christus im Heiligen Geist und in der Gemeinschaft der Gläubigen.

Im vierten Kapitel wird auf einige Herausforderungen vor allem im Hinblick auf die Förderung eines gerechten und uneingeschränkt menschlichen Sports eingegangen, unter anderem die Entwürdigung des Körpers, Doping, Korruption und mögliche negative Einflüsse von Zuschauern. Die Kirche trägt gemeinsam mit den Protagonisten des Sports die Verantwortung, Fehlentwicklungen und negative Verhaltensweisen aufzuzeigen und den Sport auf den rechten Weg hin zur Förderung des Menschen zu führen. Das fünfte Kapitel schließlich beschäftigt sich mit dem aktuellen Engagement der Kirche für eine Humanisierung des Sports in der heutigen Welt. Der Sport stellt in seinen verschiedenen Bereichen ein wirksames Instrument der Werteerziehung und -bildung dar.

In dem vorliegenden Dokument werden zwar viele Fragen zu den Möglichkeiten und Herausforderungen des Sports nicht behandelt, aber es sollte auch keine ausführliche Zusammenfassung der Theorie und Praxis des Sports darstellen, sondern das Verhältnis zwischen dem Phänomen Sport in seiner Beziehung zum Glauben näher beschrieben werden.

2. Das Phänomen des Sports

Der Sport ist ein universelles Phänomen: Überall und zu jeder Zeit haben Menschen, die in Gemeinschaft lebten, gespielt, sich bewegt, ihre körperlichen Fähigkeiten perfektioniert und miteinander gewetteifert. Wahrscheinlich hat der Mensch schon immer Formen der körperlichen Betätigung praktiziert, die wir heute als Sport bezeichnen würden. Vor diesem Hintergrund kann man den Sport durchaus als eine anthropologische Konstante betrachten. Das Wort „Sport“ ist sicherlich viel moderner: Es stammt von dem altfranzösischen Verb desporter oder se desporter, das wiederum eine Ableitung des lateinischen Verbs de(s)portare ist – was so viel wie sich vergnügen bedeutet. Erst in der Neuzeit wurde die Kurzform „Sport“ geprägt und seitdem wird mit diesem Begriff die Vielzahl von Aktivitäten bezeichnet, die so viele Menschen – seien es Sportler oder Zuschauer – begeistern.<ref> P. GUMMERT, „Sport“. In: Brill’s New Pauly, hg. von H. CANCIK und H. SCHNEIDER, engl. Ausgabe von C. F. Salazar, Classic Tradition volumes edited.</ref>

Wie bereits erwähnt, möchte die Kirche mit diesem Dokument ihre Vorstellung vom Sport im Dienste desselbigen explizit darstellen. Daher sollen die anthropologische Bedeutung des Sports, die Herausforderungen, vor denen er steht, und die pastoralen Möglichkeiten, die er bietet, aufgezeigt werden. Zunächst einmal ist es jedoch sinnvoll, über das Phänomen des Sports an sich eingehender zu reflektieren, indem man beispielsweise seine Entstehungsgeschichte und seine wichtigsten Merkmale näher betrachtet. Es ist auch wichtig, die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Sport und dem jeweiligen sozialen Kontext, in dem er sich entwickelt, zu verstehen.

2.1 Die Entstehung des modernen Sports

Wahrscheinlich haben alle Kulturen, – historisch betrachtet –, Freizeit-, Körper- und Wettkampfaktivitäten entwickelt, die wir heute als Sport bezeichnen könnten. Der Sport existiert also seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte. Dennoch beschrieb der heilige Johannes Paul II. den Sport „als ein typisches Phänomen der Moderne [...] gewissermaßen als ein ‚Zeichen der Zeit‘, das die neuen Bedürfnisse und Erwartungen der Menschheit zu deuten vermag.“ „Der Sport“, so fuhr er fort, „hat sich in allen Teilen der Erde verbreitet und hierbei Unterschiede zwischen Kulturen und Nationen überwunden“.<ref> Papst Johannes Paul II., Predigt bei der Heiligjahrfeier der Sportler (29. Oktober 2000).</ref> Hiermit wollte der Papst betonen, dass der Sport, auch wenn er sich über viele historische Epochen hinweg entwickelt hatte, gerade in den letzten zwei Jahrhunderten einen radikalen Wandel erfahren hat. In der Vergangenheit wurde der Sport ausschließlich von der jeweiligen Kultur, zu der er gehörte, geprägt. Der moderne Sport hingegen hat in fast alle Kulturen Eingang gefunden und überwindet nationale Grenzen und kulturelle Unterschiede. Sicherlich gibt es noch immer lokale Sportarten, die sich derzeit wachsender Beliebtheit erfreuen, aber neben ihnen hat sich eine Art globaler Sport entwickelt, der – wie eine Universalsprache – von fast allen Menschen verstanden werden kann. Hier stellt sich die Frage, wie der Sport zu einem Phänomen von solch globaler Tragweite wurde.

Schon im 16. und 17. Jahrhundert vollzog sich ein Ablösungsprozess vieler – wenngleich nicht aller<ref> Vgl. P. KELLY SJ, Catholic Perspectives on Sports. From Mediaval to Modern Times, Nahwah (NJ 2012).</ref> – sportlicher Aktivitäten der westlichen Welt von dem kulturellen und religiösen Kontext, dem sie zuvor angehört hatten. Das bedeutet keineswegs, dass der Sport zu einem losgelösten und eigenständigen Phänomen wurde. In diesem Zeitraum können wir jedoch den Beginn einer Institutionalisierung, Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports beobachten.<ref> Vgl. W. BEHRINGER, Kulturgeschichte des Sports: Vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert, Beck (München 2012), S. 198–238.</ref> Die wachsende Eigenständigkeit des Sports, verbunden mit der Wiederentdeckung der pädagogischen Ideale des antiken Griechenlands, begründete eine Entwicklung, in deren Verlauf körperliche Aktivitäten als immer wichtiger für die ganzheitliche Bildung und Erziehung des Menschen erachtet wurden. Dies einte eine Reihe von Pädagogen – angefangen von Johannes Amos Comenius (1592–1670), über den Gründer der philanthropischen Bewegung Johann Bernhard Basedow (1724–1790) bis hin zum Headmaster von Rugby Thomas Arnold (1795–1842), die sich diese Idee einer ganzheitlichen Erziehung zu eigen machten und sie auf die Lehrpläne übertrugen, worin nun besonderer Wert auch auf Leibeserziehung gelegt wurde.

Im Allgemeinen lässt sich der moderne Sport auf zwei Ursprungsquellen zurückführen: einerseits auf die in den Eliteschulen in England, sog. Public Schools, ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Spiele und Wettkämpfe und andererseits auf die Gymnastik‚ gefolgt vom Turnen, wie sie im Zuge der reformpädagogischen Bewegung der Philanthropen (übersetzt: Menschenfreunde) entstanden und in Schweden weiterentwickelt wurden. Bezüglich des ersten Ursprungsbereichs sei erwähnt, dass die Public Schools in England antike Spielformen, sowohl Wettkämpfe als auch Freizeitaktivitäten, in ihre Lehrpläne aufnahmen. So wurde der Sport zu einem zentralen Bestandteil der schulischen Bildung und Freizeit, breitete sich aber auch allmählich in allen Schichten der britischen Gesellschaft aus. Mit Großbritannien als Weltmacht wurde dieses Bildungssystem auf alle Gebiete des Britischen Empire übertragen. Festzustellen ist jedoch auch, dass es auch Widerstand gegen diese Entwicklung gab, wie zum Beispiel von der Gaelic Athletic Association in Irland.

Die philanthropische Bewegung mit ihrem Einfluss auf die Reform des öffentlichen Bildungssystems war schon seit 1770 in Deutschland entstanden und hatte auf dem europäischen Kontinent, besonders in England und Skandinavien‚ eine eigene Dynamik entfaltet. Ursprünglich war der Philanthropismus ein pädagogisches Ideal, das für eine ganzheitliche Erziehung und Bildung plädierte. Dieser pädagogische Ansatz umfasste eine ganzheitliche Ausbildung, darunter tägliche körperliche Aktivitäten sowohl im Freien wie auch an turnähnlichen Übungsgeräten. Die Philanthropen zielten auch darauf ab, die Anerkennung der Gleichberechtigung der Menschen zu fördern und demokratische Werte zu vermitteln. Diese Idee setzte sich sehr bald in Schweden durch, wo die sog. „Schwedische Gymnastik“ zum festen Bestandteil des Schulunterrichts wurde. Diese Gymnastikform war Teil der militärischen Ausbildung, aber auch der ästhetischen Bewegungserziehung und des Gesundheitswesens. Die Bedeutung des schwedischen Systems wird dadurch deutlich, dass es einen frühen Einfluss auf die Leibeserziehung von Mädchen und Frauen hatte.<ref> Vgl. ebd., S. 257.</ref>

Ende des 19. Jahrhunderts vereinte Pierre de Coubertin die bestehenden Sporttraditionen, indem er sie auf seine olympische Idee hin orientierte. Coubertin hatte ein globales pädagogisches Programm für die Erziehung und Bildung der jungen Generationen zunächst in Frankreich, dann aber auf der ganzen Welt im Sinn. Seine Hauptziele waren die Erziehung zu Frieden, Demokratie, zu einer Begegnungskultur und zum Streben nach menschlicher Vervollkommnung. Um seine olympische Idee zu verbreiten, hat Coubertin die Olympischen Spiele ins Leben gerufen bzw. wiederbelebt. Die Olympischen Spiele sollten ursprünglich nicht nur ein sportlicher Wettbewerb sein, sondern auch dazu dienen, Adel und Auslese und damit die Schönheit des Menschengeschlechts zu feiern. Das olympische Motto citius, altius, fortius (schneller, höher, stärker) – das Coubertin von dem Dominikaner Henri Didon<ref> Vgl. N. MÜLLER, Die olympische Devise ‚citius, altius, fortius‘ und ihr Urheber Henri Didon, in: Wissenschaftliche Kommission des Arbeitskreises Kirche und Sport (Hg.), Forum Kirche und Sport, Bd. 2 (Düsseldorf 1996), S. 7–27.
Schon 30 Jahre vor Pater Didon in Frankreich war seit 1847 der katholische Priester und spätere Gründer des Salesianerordens, Don Giovanni Bosco (der heilige Don Bosco), selbst ein hervorragender Sportsmann, ein großer Sport- und Leibeserzieher in seiner kirchlichen Jugendarbeit. Vgl. hierzu: B. MAIER, Dictionarium der Sportethik, Horn (Wien 2018), S. 34–38 und S. 122–134.
Seit 1852 haben die von Adolf Kolping in Deutschland, Österreich, einige auch in der Schweiz und in Luxemburg ins Leben gerufenen „katholischen Gesellenvereine“ für die Freizeit der „Wandergesellen“ zunächst Schützen- und Turnabteilungen, später auch Fußballmannschaften gebildet. Die älteste belegbare Schützenabteilung entstand 1854 in Innsbruck. Bis 1899 gab es 54 solcher „Sportgruppen“ in den damals bestehenden 264 Gesellenvereinen aller deutschsprachigen Bistümer. Vgl. W. SCHWANK, Die Turn- und Sportbewegung innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands im 19. und 20. Jh. unter besonderer Berücksichtigung der Gesellen- und Jugendvereine (Diss. Fribourg 1977), S. 235–246.</ref> übernommen hatte – bezog sich nicht nur auf physische Qualitäten, sondern auf allgemeine menschliche Qualitäten. Aus diesem Grund wurden auch Kunst, Musik und Poesie als integraler Bestandteil der olympischen Idee gesehen; letztlich eine Art von Zivilreligion, die Coubertin als „religio athletae“, als Religion der Muskelkraft, definierte. Wie vor allem der rituelle Charakter der Eröffnungsfeier sowie der Medaillenvergabe und Abschlusszeremonie zeigen, unterstreicht bis heute der Ablauf der Spiele diesen quasireligiösen Anspruch.

Die modernen Olympischen Spiele wurden erstmals 1896 in Athen ausgetragen, obwohl bereits lokale Veranstaltungen mit gleichem Namen in Griechenland, England, Schweden, Frankreich, Kanada und Deutschland stattgefunden hatten. Doch nur die Initiative von Coubertin erlangte internationale Anerkennung und hatte Erfolg: Seitdem erlebte der olympische Sport eine beispiellose Entwicklung. Im Jahr 1900 öffneten sich die Tore der Spiele auch Frauen. Eine weitere Erklärung für den großen Erfolg des Sports ist sicherlich das Aufkommen der Massenmedien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Durch, Radio, Film und Fernsehen konnten große Sportereignisse leicht in vielen Ländern und später weltweit übertragen werden. Dank der Massenmedien und des Internets ist der Sport heute ein globales Phänomen, zu dem ein Großteil der Länder und Menschen weltweit Zugang hat.

Obwohl der Sport in den meisten Fällen nicht mehr den Anspruch erhebt, eine Religion zu sein oder eine ihm innewohnende Verbindung zur Kunst, Musik oder Poesie zu haben, läuft er nach wie vor Gefahr, für ideologische Zwecke missbraucht zu werden. Dies liegt daran, dass der Körper im Sport nach Perfektion strebt. Insbesondere bei sportlichen Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder bei Weltmeisterschaften werden einem breiten Publikum sportliche Höchstleistungen gezeigt. Ein menschlicher Körper, der Spitzenleistungen vollbringt, ist jedoch ein vielfach interpretierbares Zeichen, dem ganz unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden können. Daher wird der Sport – insbesondere der Spitzensport – oft für politische, wirtschaftliche oder ideologische Zwecke instrumentalisiert.<ref> Vgl. DRIES VANYSACKER, The Attitude of the Holy See Toward Sport during the Interwar Period (1919–39), in: Catholic Historical Review 101 (2015) 4, S. 794–808; vgl. auch DERS., La position du Saint Siège sur la gymnastique féminine dans l’Allemagne de L’entre-deux-guerres (1927–1928) à partir de quelques témoignages tirés des archives des nonciatures de Munich et Berlin, erscheint in Miscellanea Pagano.</ref> Diese Möglichkeit der unterschiedlichen Auslegung kommt zwar der allgemeinen Anziehungskraft des Sports zugute, offenbart aber auch die mit ihm verbundenen Gefahren. Sport ist also ein extrem ausdrucksstarkes, zugleich aber auch höchst unbestimmtes Zeichen, das seine eigene Interpretation nicht steuern kann. Daher muss er durch andere gedeutet werden, und diese Deutungen können dann ideologisch oder sogar unmoralisch und inhuman sein.<ref>Vgl. C. HÜBENTHAL, Morality and Beauty: Sport at the Service of the Human Person, in: K. Lixey, C. Hübenthal, D. Mieth, N. Müller, Sport and Christianity: A Sign of the Times in the Light of Faith, Catholic University Press (Washington DC 2012), S. 61–78.</ref>

So betonen einige Wissenschaftler, dass der Sport zu ideologischen Zwecken eingesetzt werden kann, wenn das Spielfeld zur Propaganda westlicher und reicher Länder dient und der Sport ganz allgemein dazu, bestehende Machtstrukturen zu stärken oder die kulturellen Vorstellungen einer Elite zu fördern.<ref> Vgl. H. REID, Introduction to the Philosophy of Sport, Lanham (MA 2010), S. 180–185.</ref> Die Überlegungen von Papst Franziskus zum Thema Globalisierung sind für unsere Betrachtung der Probleme, die der globale Sport aufwirft, hilfreich. So schreibt der Heilige Vater in Bezug auf das Spannungsverhältnis zwischen Globalisierung und Ortsgebundenheit in Evangelii gaudium, „dass man auf die globale Dimension achten muss, um nicht in die alltägliche Kleinlichkeit zu fallen. Zugleich ist es nicht angebracht, das, was ortsgebunden ist und uns mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität bleiben lässt, aus dem Auge zu verlieren. [...] Das Modell ist nicht die Kugel [...], wo jeder Punkt gleich weit vom Zentrum entfernt ist und es keine Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen Punkt gibt. Das Modell ist das Polyeder, welches das Zusammentreffen aller Teile wiedergibt, die in ihm ihre Eigenart bewahren. Sowohl das pastorale als auch das politische Handeln sucht in diesem Polyeder das Beste jedes Einzelnen zu sammeln“.<ref> Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), Nr. 234, 236: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 194 (Bonn 2013), S. 160, 161.</ref> Was globale Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele betrifft, so würden diese ihrer Mission, wirklich global zu sein und die Besten aus jedem Land aufeinandertreffen zu lassen, eher gerecht werden, wenn mehr junge‚ in Entwicklung befindliche Nationen bei der Wahl der Austragungsorte für die Spiele oder bei der Anerkennung neuer olympischer Sportarten einbezogen würden und mehr Gewicht innerhalb des IOC hätten.

2.2 Was ist Sport?

Sportphilosophen und -wissenschaftler versuchen seit Langem, eine geeignete Definition für den Sport zu finden, da es zuvor keine allgemein gültige Definition gab. Dies ist keine leichte Aufgabe. Darüber hinaus muss man sagen, dass der Sport ein Phänomen ist, das dem historischen Wandel unterliegt. Was heute als Sport gilt, ist morgen vielleicht kein Sport mehr und umgekehrt. Das erschwert die Suche nach einer Definition des Sports. Dennoch ist es möglich, einige allgemeine Elemente, die dem Sport generell zugeschrieben werden können, zu benennen.

In erster Linie ist die Idee des Sports mit dem sich bewegenden menschlichen Körper verbunden. Zwar gibt es Aktivitäten, die als Sport bezeichnet werden, aber keine Körperbewegung beinhalten, doch im Allgemeinen wird der Sport als eine Aktivität von Menschen identifiziert, die einzeln oder in Gruppen körperliche Übungen und Bewegungen durchführen.

Zweitens dürfen wir nicht vergessen, dass Sport ein Spiel ist. Das bedeutet, dass Sport nicht nur dazu dient, ein externes Ziel zu erreichen, sondern sein Zweck liegt in ihm selbst. Zu den internen Zielen zählen beispielsweise die Perfektionierung einer sportlichen Leistung, die Verbesserung der eigenen Leistung oder das Übertreffen der Leistung eines Gegners sowie das gute Zusammenspiel in einer Mannschaft, um einen Wettkampf zu gewinnen. Es kann nicht geleugnet werden, dass der moderne Sport, insbesondere der Profisport, auch externe Zwecke verfolgt. Dazu gehört, das Ansehen der Nation zu steigern, die Überlegenheit eines politischen Systems zu demonstrieren oder einfach nur Geld zu verdienen. Wenn jedoch diese externen Ziele des Sports gegenüber den internen Zielen überwiegen, könnte man nicht mehr von einem Spiel reden, sondern man müsste eher von Arbeit sprechen. Schließlich könnten die Leistungen der Profisportler nie ein Spitzenniveau erreichen, wenn es neben der professionellen nicht auch eine spielerische Dimension gäbe.

Drittens ist der Sport an bestimmte Regeln gebunden. Die Ziele einer sportlichen Betätigung können daher nicht in irgendeiner Weise erreicht werden, sondern es ist notwendig, die Spielregeln zu befolgen. Im Allgemeinen sollen die Regeln das Erreichen des Ziels erschweren. Beim Schwimmen zum Beispiel kann ein Athlet die Strecke von hundert Metern nicht mit einem Motorboot zurücklegen oder am Beckenrand entlang laufen, sondern ist verpflichtet, ohne Hilfsmittel im Wasser in einem bestimmten Stil, z. B. Kraulen oder Delphin, zu schwimmen. Natürlich können die Regeln dem jeweiligen Wettbewerbsniveau angepasst werden. Ein Hobbysportler, der dreimal pro Woche eine bestimmte Distanz läuft, wird sich wahrscheinlich nur an seine Regel halten, nicht langsamer zu laufen als vorher, während ein hochrangiger Profiwettkampf durch komplexe Vorschriften geregelt wird, deren Einhaltung von qualifizierten Schiedsrichtern sowie von Expertenteams überwacht wird. Ein Sport ohne Regeln ist praktisch undenkbar.

Ein viertes Element des Sports ist sein Wettbewerbscharakter. Man könnte den Einwand vorbringen, dass ein Amateursportler, der nur sporadisch und zu seinem Vergnügen trainiert, nicht an einem Wettbewerb beteiligt ist. Das stimmt nicht wirklich, insofern dieser Sportler mit sich selbst wetteifert, indem er versucht, seine eigene Leistung ständig zu verbessern, eine bestimmte Distanz innerhalb einer bestimmten Zeit zu überwinden, zu laufen, zu schwimmen oder zu klettern, und so weiter. In den meisten Fällen ist der Wettbewerbscharakter des Sports jedoch viel stärker ausgeprägt, sodass wir zu dem Schluss kommen können, dass der Wettbewerb ein wesentliches Merkmal des Sports ist.

Die letztgenannte Komponente des Sports steht im Zusammenhang mit den vorherigen: Der Sport als ein durch feste Regeln strukturierter Wettbewerb garantiert den Teilnehmern Chancengleichheit. Es wäre nicht sinnvoll, einen Wettbewerb, ob Einzel- oder Mannschaftswettbewerb, zu veranstalten, bei dem die Gegner offensichtlich ungleiche Startbedingungen hätten. Aus diesem Grund werden bei sportlichen Wettbewerben im Allgemeinen Unterschiede nach Geschlecht, Leistungsniveau, Alter, Gewicht, Grad der Behinderung usw. berücksichtigt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sport eine einzeln oder in der Gruppe ausgeführte körperliche Aktivität ist, die einen spielerischen und kompetitiven Charakter hat, durch ein Regelwerk strukturiert wird und bei der eine mit anderen vergleichbare Leistung unter gleichen Bedingungen erbracht wird. Wie bereits erwähnt, erfasst diese Definition des Sports nicht alle seiner zahlreichen Nuancen.<ref> In ähnlicher Weise hat der Sporthistoriker Allen Guttmann die Methode der binären Unterscheidung angewandt, um Sport zu definieren. Er geht von der allgemeinen Kategorie Spiel aus und bestimmt dann den Sport als organisiertes Spiel (= Spiele), Wettkampfspiele (= Wettbewerbe), körperliche Wettbewerbe (= Sport). Siehe A. GUTTMANN, A Whole New Ball Game: An Interpretation of American Sports (Chapel Hill – London 1988).</ref> Trotzdem ist sie für die Zwecke dieses Dokuments ausreichend.

Aber es lässt sich noch mehr hinzufügen. Wie wir bereits deutlich gemacht haben, ist der Sport nicht nur eine eigenständige Tätigkeit, sondern hat auch eine externe Dimension. Schließlich können auch Außenstehende, die nicht direkt eine sportliche Aktivität ausüben, daran interessiert sein, sie kritisieren, leidenschaftlich verfolgen, sich unterhalten fühlen oder verärgert sein und diese Aktivität auf vielfältige Weise kommentieren. Wie schon gesagt, ist der sich bewegende menschliche Körper ein Symbol, das sich unterschiedlich deuten lässt. Nachdem die spielerische Dimension sowie die Bedeutung von Regeln und des Wettbewerbs erklärt wurden, ist es notwendig, die vielfachen Interpretationsmöglichkeiten des Sports genauer zu betrachten. In gewissem Sinne kann ein Sportwettbewerb als die Erzählung einer Geschichte von zwei oder mehreren Parteien betrachtet werden, die gegeneinander antreten, um einen fiktiven oder potenziellen Preis zu erlangen, und zwar aus Motiven heraus, die weder lebenswichtig, noch wirklich konkret oder zweckdienlich sind. Unter Beachtung der spezifischen Regeln des Wettkampfes bemühen sich die Teilnehmer, ihr Bestes zu geben. Unabhängig von ihren persönlichen Beweggründen inszenieren die Teilnehmer eine ästhetische und künstlerische Darstellung, die für alle, auch für externe Zuschauer, verständlich ist und bei der jeder in der Lage ist, das Geschehen gemäß seiner individuellen Kenntnisse zu deuten. Wie viele künstlerische Werke hat auch diese Erzählung keinen klaren, differenzierten und eindeutigen Inhalt und ist daher offen für unterschiedliche und sogar gegensätzliche Bedeutungszuweisungen oder Interpretationen.

Zum Abschluss dieser Überlegungen zum Begriff des Sports lässt sich sagen, dass der Sport einerseits eine Art eigenständige Welt mit einer spielerischen Dimension ist, in der keine externen Zwecke verfolgt werden. Andererseits hat das „System Sport“ auch eine externe Komponente, die sich Außenstehenden als eine höchst ausdrucksstarke Erzählung ohne klaren bzw. eindeutigen Inhalt darstellt, und deshalb für verschiedene Formen der Interpretation und Beurteilung offen ist. Es ist diese Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten, die den Sport für Menschen auf der ganzen Welt so faszinierend macht, ihn aber gleichzeitig der Gefahr aussetzt, funktionell und ideologisch instrumentalisiert zu werden, was aber nicht zum Sport gehören sollte.

2.3 Kontexte des Sports

Über den Sport gibt es noch viel zu sagen, da er stets in einem bestimmten Kontext ausgeübt wird. Zunächst einmal müssen wir den Sport als eine Form der sozialen Organisation betrachten, angefangen von einer Gruppe von Kindern, die sich am Nachmittag zum Fußballoder Basketballspielen im Hof verabreden. Die Verabredung zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort stellt bereits eine Form von Organisation dar. Bei weiterentwickelten Formen sportlicher Betätigung müssen das Training vorbereitet, Wettbewerbe geplant, Gelände als Sportplätze ausgewiesen und gepflegt, der Transport von Athleten und Ausrüstung organisiert, Schiedsrichter berufen, Ergebnisse von Wettbewerben anerkannt werden und so weiter. Bei einem großen Sportereignis ist es notwendig, Schiedsgerichte einzusetzen, Anti-Doping-Kontrollen durchzuführen sowie Veranstaltungen zu organisieren. Dies ist die Aufgabe von Sportorganisationen wie Sportvereinen und nationalen und internationalen Verbänden, die im Allgemeinen als das System Sport bezeichnet werden.

Es versteht sich von selbst, dass das System Sport nicht in der Lage ist, alle für seine Finanzierung notwendigen Mittel selbst zu generieren. Um die oben genannten Aktivitäten zu ermöglichen, benötigt das System Sport externe Förderer, zum Beispiel Freiwillige, die Unterstützung durch öffentliche Einrichtungen, private Mittel (Spenden oder Sponsoring) und insbesondere Zuschauer, die Tickets, Fanartikel oder Abonnements von Sportsendungen im Fernsehen kaufen. Nur so kann das System Sport die notwendigen Mittel aufbringen, um seine Existenz zu sichern. Diese strukturelle Abhängigkeit erklärt, warum das System Sport gegenüber externen Geldgebern ständig ein attraktives Image des Sports vermitteln muss. Mit anderen Worten, das System Sport muss sicherstellen, dass das Bild, das der Sport vermittelt, für potenzielle Förderer attraktiv bleibt, um mit deren Beiträgen das System Sport erhalten oder ausbauen zu können. Dies führt in der Folge dazu, dass der Sport als ein Konzept „verkauft“ wird, das sich gegebenenfalls an die unterschiedlichen Interessen potenzieller Geldgeber anpassen kann. Auf diese Weise wird der Sport zu einem Produkt, das die Interessen verschiedener Personen, Gruppen oder Institutionen befriedigt. Deshalb ist das System Sport so leicht und schnell dazu bereit, sich ideologischen, politischen oder wirtschaftlichen Zwecken zu beugen, die den eigentlichen Werten des Sports nicht entsprechen, weil es sonst nicht in der Lage wäre, die für sein Überleben notwendigen Mittel zu beschaffen.

Gerade weil der Sport, wie wir gesehen haben, eine ausdrucksstarke Erzählung mit Inhalten ist, denen man mehrere Bedeutungen zuweisen kann, ist es dem System Sport im Allgemeinen erfolgreich gelungen, diesen Aspekt des Sports zu nutzen, um externe Mittel aufzubringen und potenzielle Geldgeber zu finden, die den Sport nutzen, um ihre eigenen Botschaften zu vermitteln. Dies zeigt sich zum Beispiel in den Partnerschaften mit Industrie- und Werbeunternehmen, von denen sowohl Sportler als auch Sportorganisationen profitieren. In diesem Fall wird der Sport zu einer Art Übermittler von Botschaften aus der Wirtschaftswelt.

Die oben beschriebene strukturelle Abhängigkeit des Systems Sport ist nicht unbedingt ein negativer Aspekt, da der Sport Ziele verfolgen kann, die ethisch vertretbar oder sogar wahrhaft menschlich sind. Wenn beispielsweise staatliche Institutionen in das System Sport investieren, um damit die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern oder eine ganzheitliche Erziehung der jüngeren Generationen zu fördern, dann kann der Sport durchaus auch als eine Tätigkeit dargestellt werden, der diese Ziele verfolgt. Andererseits ist aber auch klar, dass diese strukturelle Abhängigkeit des Sportsystems mit erheblichen Risiken verbunden ist. Wenn sich der Sport von Wirtschaftssystemen oder Ideologien abhängig macht, um enorme Summen zu beschaffen, dann ist die Gefahr groß, dass er in dieser Abhängigkeit bleibt, auch wenn die verfolgten Ziele ethisch zweifelhaft oder unmenschlich sind. Dies wird im vierten Kapitel näher erläutert.

3. Der Sinn des Sports für den Menschen

3.1 Körper, Seele und Geist

In historischen Studien wird die katholische Einstellung zur Körperlichkeit gemeinhin stigmatisiert und als zutiefst negativ dargestellt, aber in Wirklichkeit hat die theologische und spirituelle Tradition des Katholizismus immer wieder betont, dass die materielle Welt (und alles, was existiert) gut ist, da sie von Gott erschaffen wurde, und dass Körper, Seele und Geist des Menschen eine Einheit bilden. So haben die Theologen der frühen Jahrhunderte und des Mittelalters viel Zeit darauf verwendet, die Gnostiker und Manichäer zu kritisieren, vor allem da diese Gruppierungen die materielle Welt und den menschlichen Körper mit dem Bösen verbanden. Einer der Einwände der christlichen Autoren war, dass die Gnostiker und die Manichäer die jüdischen Schriften nicht als Teil der christlichen Schriften sahen und daher auch die Schöpfungsgeschichte nicht akzeptierten, nach der Gott die Welt und die Menschen erschaffen und alles als „sehr gut“ bezeichnet hat. Im Gegenteil, diese Gruppen verfassten komplexe mythologische Darlegungen über den Ursprung der materiellen Welt, den sie mit Begriffen wie „Irrtum“ oder „bösartigem Prinzip“ verknüpften.

Daher betrachteten sie die materielle Welt und den menschlichen Körper als Gegensatz des wahrhaft Spirituellen. 1979 sprach Johannes Paul II. zu den Fußball-Nationalmannschaften von Italien und Argentinien über diese Streitfrage: „In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass bereits die christlichen Denker der ersten Jahrhunderte entschieden bestimmte Ideologien ablehnten, die damals in Mode waren und im Namen einer falsch verstandenen Verherrlichung des Geistes alles Körperliche offen abwerteten. Auf der Grundlage biblischer Daten verteidigten sie stattdessen eine Vision vom Menschen als Einheit.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Fußballnationalmannschaften von Italien und Argentinien (25. Mai 1979).</ref>

Diese Vision vom Menschen als Einheit wurde bereits in der Heiligen Schrift und von verschiedenen Theologen als Einheit von „Körper, Seele und Geist“ oder auch als Einheit von „Körper und Seele“ zum Ausdruck gebracht. Dieses Verständnis vom Menschen als Einheit hat die christliche Einstellung zum Sport konsequent geprägt. In Übereinstimmung mit Johannes Paul II. betrachtet die Kirche den Sport mit Wertschätzung, da sie „alles schätzt, was konstruktiv zur harmonischen und ganzheitlichen Entwicklung von Mensch, Seele und Körper beiträgt. Deshalb ermutigt sie alles, was dazu dienen soll, den menschlichen Körper zu formen, zu entwickeln und zu stärken, damit dieser besser dazu beitragen kann, persönliche Reife zu erlangen“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an das Nationale Olympische Komitee Italiens (21. Dezember 1979).</ref>

Dieses Verständnis vom Menschen als Einheit ist auch die Grundlage, auf die sich die Kirche stützt, um in ihren Lehren die spirituelle Dimension des Sports hervorzuheben. So beschreibt Johannes Paul II. den Sport als „eine Form der Gymnastik von Körper und Geist“.<ref> Papst Johannes Paul II., An die Vorsitzenden und die Sportler der Fußballmannschaft AC Mailand (12. Mai 1979).</ref> Er selbst sagte einmal: „In der Tat stellt der Sport nicht nur die reichen physischen Möglichkeiten des Menschen heraus, sondern auch seine intellektuellen und spirituellen Fähigkeiten. Es geht beim Sport nicht nur um rein körperliche Kraft und die Leistungsfähigkeit der Muskeln, sondern es muss auch seine Seele und sein ganzes Wesen zum Ausdruck kommen.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des „Internationalen Sporttreffens“ anlässlich der Heiligjahrfeier der Sportler (28. Oktober 2000).</ref>

3.2 Freiheit,Regeln,Kreativitätund Zusammenarbeit

Die Freiheit ist ein Geschenk Gottes an den Menschen, das die Größe der menschlichen Natur offenbart. Geschaffen nach dem Abbild Gottes und Ihm ähnlich, sind Mann und Frau zur Teilhabe an der göttlichen Schöpfung berufen. Die Freiheit ist jedoch mit Verantwortung verbunden, denn die freie Wahl jedes Einzelnen hat Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Gemeinschaft und in einigen Fällen auf die gesamte Schöpfung.

Heute glauben viele, dass Freiheit bedeutet, das zu tun, was man will, ohne irgendeine Grenze. Eine solche Denkweise trennt Freiheit von Verantwortung und kann sogar dazu führen, sich der Folgen menschlichen Handelns nicht mehr bewusst zu sein. Der Sport erinnert uns jedoch daran, dass wahre Freiheit auch bedeutet, Verantwortung zu tragen.

Die heutige Technologie ermöglicht es Menschen in vielen Teilen der Welt extrem schnell Zugang zu vielen Möglichkeiten zu haben. In diesem Zusammenhang verliert der Mensch leicht die Notwendigkeit aus den Augen, für die Erreichung eines Ziels Einsatz zu zeigen und Opfer zu bringen. Im Sport jedoch wird derjenige, der diese Tugenden nicht entwickelt, auch nicht in der Lage sein, den Sport kontinuierlich auszuüben, und daher keines der Ziele erreichen, die er sich gesetzt hat. Hier ist das christliche Verständnis von Freiheit auf den Sport übertragbar, denn die Freiheit erlaubt den Menschen, Entscheidungen zu treffen und angemessene Opfer zu bringen, auch wenn dies von ihnen verlangt, durch das „enge Tor“ zu gehen.<ref> Vgl. Mt 7,13–14.</ref>

Darüber hinaus haben in der „Wegwerfkultur“, auf die Papst Franziskus häufig hinweist, langfristige Verpflichtungen auf uns eine eher abschreckende Wirkung. Der Sport lehrt uns jedoch, dass es sich lohnt, sich langfristigen Herausforderungen zu stellen. Es lohnt sich, zu trainieren und sich ständig zu bemühen, besser zu werden, denn höchste Güter können nur erreicht werden, wenn die Menschen nach ihnen streben, ohne allen Ungewissheiten und Herausforderungen aus dem Weg zu gehen. Darüber hinaus trägt es dazu bei, wenn man Schwierigkeiten wie Verletzungen überwindet und der Versuchung widersteht, zu betrügen, den eigenen Charakter durch Ausdauer und Selbstbeherrschung zu stärken.

Das Motto des Internationalen Olympischen Komitees, „citius, altius, fortius“ (schneller, höher, stärker)<ref> Bekannt durch Pierre de Coubertin, Gründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, seit Ende des 19. Jahrhunderts. Siehe Anmerkung 20. Vgl. auch A. KOCH, Pierre de Coubertin und seine Beziehung zur katholischen Kirche, in: A. KOCH, W. SCHWANK (Hg.): Begegnung, Bd. 5, Meyer & Meyer (Aachen 2005), S. 33–75.</ref> erinnert an dieses Ideal der Ausdauer. In gewisser Hinsicht ähnelt das christliche Leben eher einem Marathon als einem Kurzstreckenlauf, bei dem es viele, zum Teil nur sehr schwer zu schaffende Etappen gibt.

Warum laufen so viele Menschen Marathon? In gewisser Weise findet der Sportler wohl Gefallen an der Überwindung dieser Herausforderung. Sich Schritt für Schritt, von Kilometer zu Kilometer zu verbessern weckt ein Gefühl der Zufriedenheit und steigert die Freude am Wettbewerb. Gregor von Nazianz und andere Kirchenväter verglichen das christliche Leben mit einem Spiel und auch Papst Franziskus äußerte sich in gleicher Weise dazu, wobei er die Kategorie des Spiels mit der christlichen Freude verband.<ref> Vgl. Papst Franziskus, Ansprache zum Abschluss des IV. Weltkongresses der Scholas Occurrentes (5. Februar 2015).</ref>

Jeder Mensch macht von den Talenten, die er erhalten hat, in seinem Alltagsleben und gegebenenfalls auch im Sport Gebrauch. Unter Berücksichtigung der Regeln und Normen der jeweiligen Sportart und der von den Trainern vorgegebenen Strategien und Taktiken setzt jeder Athlet seine eigene Freiheit und Kreativität ein, um die gesetzten Ziele innerhalb der festgelegten Parameter zu erreichen. Auf diese Weise legt der Sport Zeugnis von der Tugend der Gerechtigkeit – verstanden als Gehorsam gegenüber den Regeln – ab. Schiedsrichter, Richter und Kontrolleure sowie in den letzten Jahren technische Hilfsmittel sollen diese Gerechtigkeit gewährleisten. Ohne Regeln würde die Bedeutung des Spiels und des Wettbewerbs verloren gehen. Im Fußball zum Beispiel ist es kein Tor, wenn der Ball die Torlinie nicht vollständig überschritten hat. Ein kleiner Millimeter macht einen großen Unterschied. So hilft uns diese Regel zu verstehen, dass Gerechtigkeit nicht nur etwas Subjektives ist, sondern dass sie eine objektive Dimension hat, auch wenn diese in Form eines Spiels erlebt wird.

Im Gegensatz zu dem, was man vielleicht denken mag, schränken die Regeln im Sport die menschliche Kreativität nicht ein, sondern fördern sie. Um seine Ziele innerhalb der festgelegten Normen zu erreichen, muss der Athlet sehr kreativ sein. Er muss versuchen, seinen Gegner mit einer neuen Technik oder Strategie zu überraschen. Deshalb werden kreative Athleten auch äußerst geschätzt.

Ähnlich verhält es sich mit der Freiheit. Die aufgestellten Regeln, die wiederum das Ergebnis der Kreativität derjenigen sind, die den jeweiligen Sport erfunden haben, werden dann objektiv, wenn sie befolgt werden. Diese Objektivität hebt nicht die Subjektivität des einzelnen Athleten auf, sondern hilft ihm, sich bei der Ausübung seines Sports frei zu entfalten. Die Regeln sind klar definiert; ihre Befolgung macht den Athleten jedoch freier und kreativer.

Die Menschen schaffen Regeln und verständigen sich später darauf, diese Regeln, die die Basis der verschiedenen Sportarten bilden, zu befolgen. Diese Regeln unterscheiden den Sport von anderen Aktivitäten des Alltags. Wissenschaftler haben festgestellt, dass eines der Merkmale, die die Regeln des Sports ausmachen, darin besteht, dass ihnen eine unentgeltliche Logik innewohnt. Wie bereits im letzten Kapitel erwähnt wurde, hat jeder Sport seine eigenen Ziele. Beim Golf geht es zum Beispiel darum, den Ball mit möglichst wenigen Schlägen in ein Loch zu bringen, wobei es insgesamt achtzehn Löcher gibt. Die Regeln des Golfs verbieten jedoch, dies auf die effektivste Art und Weise zu tun, nämlich zu den einzelnen Löchern zu gehen und den Ball einfach hineinfallen zu lassen. Es werden sozusagen unentgeltlich Herausforderungen und Hindernisse eingeführt, wodurch es schwieriger wird, das Ziel zu erreichen. Jeder Spieler muss zu einem Golfplatz gehen, einen Golfschläger benutzen und in einem vorgegebenen Abstand von jedem Loch beginnen, wobei er Wasser- und Sandbecken ausweichen muss. Die Teilnehmer akzeptieren die Grundregeln des Golfsports, da sie gerne spielen und versuchen, sich den Herausforderungen dieses Spiels zu stellen. Im Mittelpunkt dieser Reflexion steht, dass Sport für unser Dasein nicht notwendig ist; wir erfinden ihn und nehmen aus freiem Willen daran teil, da wir ihn gerne ausüben. In gewisser Weise ist der Sport Teil der Dimension der Unentgeltlichkeit.

Der Sport basiert daher auf folgenden Voraussetzungen: der Zusammenarbeit und der Akzeptanz der Regeln, auf die er gründet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit unter den Teilnehmern, um eine Sportveranstaltung zu realisieren. So geht dem Wettbewerb eine Zusammenarbeit voraus, die gleichzeitig auch seine Grundlage bildet. In diesem Sinne ist Sport das Gegenteil von Krieg, der ausgelöst wird, wenn die Menschen glauben, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist, und man sich über grundlegende Regeln nicht einig ist. Im Sport ist der Gegner ein Teilnehmer an einem von Regeln bestimmten Wettbewerb und kein Feind, der vernichtet werden soll. So ist es die Präsenz eines Gegners, die das Beste aus einem Athleten herausholt, und daher kann dieses Erlebnis sehr ansprechend und reizvoll sein. Der Begriff Kompetition bezieht sich genau darauf, da er sich von den beiden lateinischen Wörtern cum – mit und petere – sich bemühen bzw. suchen ableitet. Die Teilnehmer eines Wettstreits, die Mitstreiter „streben gemeinsam danach“, ihr Bestes zu geben. Die vielen Beispiele von Athleten, die sich die Hände schütteln und sich umarmen oder nach einem harten Wettkampf sogar Kontakte knüpfen und gemeinsam Essen gehen, haben uns viel darüber gelehrt.

So sehen wir, wie der Sport den Menschen hilft, sich zu entfalten, denn es wird ein Umfeld geschaffen, in dem Freiheit und Verantwortung, Kreativität und die Beachtung von Regeln, Spaß und Ernsthaftigkeit miteinander verbunden sind. Dieses Umfeld entsteht durch den Geist der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Begleitung bei der Entfaltung individueller Talente und der Entwicklung des menschlichen Charakters.

Fairplay

Die Goldene Regel in Matthäus 7,12 ist als Ur-Regel eines wechselseitigen, gerechten und respektvollen Verhaltens in allen Religionen, bei allen Völkern und Gesellschaften zu finden. Somit ist sie die Grundregel für alle zwischenmenschlichen Regelwerke, auch und gerade für das Fairplay im Sport.

In den letzten Jahrzehnten ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Fairplay im Sport, z. B. dass ein Spiel „sauber“ sei, gewachsen. Athleten halten sich an das Fairplay nicht nur, wenn sie die formellen Regeln befolgen, sondern auch, wenn sie Gerechtigkeit gegenüber ihren Gegnern wahren, damit alle Wettbewerbsteilnehmer ungehindert am Spiel teilnehmen können. Es ist eine Sache, die Spielregeln einzuhalten, um nicht von einem Schiedsrichter bestraft oder wegen eines Regelverstoßes disqualifiziert zu werden, und eine andere, vorsichtig und respektvoll gegenüber dem Gegner und dessen Freiheit zu sein, unabhängig von irgendeiner reglementarischen Auswirkung. Dieses Vorgehen bedeutet auch, keine heimlichen Strategien wie Doping zu verwenden, um sich gegenüber dem Gegner unlautere Vorteile zu verschaffen. Sportliche Aktivität „muss eine tatsächliche Möglichkeit sein, die menschlichen und christlichen Tugenden der Solidarität, Loyalität, des korrekten Verhaltens und der Achtung seiner Mitmenschen zu praktizieren, derjenigen, die als Mitstreiter und nicht bloß als Gegner oder Rivalen gesehen werden sollen.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Fußball-Nationalmannschaft von Mexiko (3. Februar 1984).</ref> Auf diese Weise kann der Sport höhere Ziele setzen, die über den Sieg hinausgehen und zur persönlichen Entfaltung des Menschen innerhalb einer Gemeinschaft von Teamkollegen und Mitstreitern beitragen.

Fairplay ermöglicht es dem Sport, zu einem Mittel der Erziehung und Bildung für die gesamte Gesellschaft zu werden, da er Werte und Tugenden wie Ausdauer, Gerechtigkeit und gute Manieren vermittelt, um nur einige zu nennen, auf die Papst Benedikt XVI. hinwies: „Ihnen, meine lieben Sportlerinnen und Sportlern, kommt eine nicht unbedeutende Rolle in der Gesellschaft zu, wenn Sie diesen Haltungen und Überzeugungen ein Gesicht verleihen und sie über Ihre sportlichen Aktivitäten hinaus im familiären, sozialen, kulturellen und religiösen Engagement authentisch verkörpern. Dies kann besonders für die jungen Menschen ein wertvoller Beitrag sein angesichts der gesellschaftlichen V eränderungen, des zunehmenden V erlusts an Werten und einer wachsenden Orientierungslosigkeit.“<ref> Papst Benedikt XVI., Ansprache an die Österreichische Alpine SkiNationalmannschaft (6. Oktober 2007).</ref>

In diesem Sinne haben die Sportler die Aufgabe, „auch Erzieher zu sein, denn Sport kann viele Werte wie Loyalität, Freundschaft und Teamgeist wirkungsvoll vermitteln“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Versammlung des Exekutivausschusses der FIFA (11. Dezember 2000).</ref>

3.3 Individualismus und Teamgeist

Sehr typisch für die Welt des Sports sind die aufeinander eingespielten Beziehungen, die zwischen dem einzelnen Sportler und dem Team entstehen. Vor allem bei Mannschaftssportarten wie Fußball, Rugby, Volleyball und Basketball wird dies besonders deutlich. Aber auch bei Einzelsportarten wie Tennis oder Schwimmen gibt es immer Formen der Teamarbeit.

Heute ist eine individualistische Mentalität weit verbreitet. Einzelinteressen scheinen manchmal Vorrang vor dem Gemeinwohl zu haben. Sport schult den Teamgeist, der hilft, den Egoismus zu überwinden. Hier ist die Individualität des Athleten eng mit einem Team verbunden, das zusammenarbeitet, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.

So sagte Papst Franziskus in seiner Ansprache anlässlich des 70. Gründungsjahres des Katholischen Sportverbands Italiens zu den Jugendlichen: „Ich wünsche euch auch, dass ihr das Vergnügen, die Schönheit spürt, die mit dem Spiel als Teil einer Mannschaft verbunden sind. Das ist sehr wichtig für das Leben. Nein zum Individualismus! Nein dazu, nur für sich selbst zu spielen. In meiner Heimat sagen wir zu einem Spieler, wenn er das macht: ‚Aber der da will den Ball ganz alleine essen!‘ Nein, das ist Individualismus: behaltet den Ball nicht für euch, spielt mit der Mannschaft, als Team! Die Mitgliedschaft in einem Sportverein bedeutet, dass man jede Form des Egoismus und der Selbstisolierung ablehnt. Sie ist eine Gelegenheit, anderen Menschen zu begegnen und mit ihnen zusammen zu sein, sich gegenseitig zu helfen, den Wettkampf in gegenseitiger Achtung auszutragen und in der Brüderlichkeit zu wachsen.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Centro Sportivo Italiano (CSI), Katholischer Sportverband Italiens, anlässlich des 70. Gründungsjahres (7. Juni 2014).</ref>

Jedes Teammitglied ist einzigartig und trägt auf seine Weise zur Mannschaft bei. Das Individuum geht in der Gemeinschaft nicht unter, da seine individuelle Besonderheit wertgeschätzt wird.

Jeder Einzelne ist von einzigartiger und spezifischer Bedeutung, die das gesamte Team stärker macht. Eine großartige Mannschaft besteht aus großartigen individuellen Persönlichkeiten, die nicht allein, sondern gemeinsam spielen.

Eine Fußballmannschaft kann zum Beispiel aus den besten Mittelfeldspielern der Welt bestehen, aber sie wird keine großartige Mannschaft sein, wenn sie keinen Torhüter, keine Verteidiger und Stürmer hat oder wenn sie nicht über einen Trainer, einen Fitnesstrainer, einen Physiotherapeuten usw. verfügt. Im Sport werden die Gaben und Talente jedes Einzelnen in den Dienst der Mannschaft gestellt.

3.4 Opfer

Menschen, die Sport treiben, wissen, was es heißt, Opfer zu bringen. Unabhängig von dem Leistungsniveau oder der Sportart, ob im Team oder als Einzelkämpfer, der Sportler muss sich einer hohen Disziplin unterwerfen und sich auf seine auszuführenden Übungen konzentrieren, wenn er lernen und die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben möchte. Um dies zu erreichen, bedarf es oft eines kontinuierlichen und strukturierten Trainingsprogramms. Dies geschieht am besten, wenn der Sportler akzeptiert, Teil eines Projekts zu sein, das ein gewisses Maß an Härte, Opferbereitschaft und Demut verlangt. Lernen und Leistungssteigerung im Sport bringen auch stets die Erfahrung von Niederlage und Frustration und Herausforderungen mit sich.

Profisportler erleben diese psychologischen, physischen und spirituellen Herausforderungen oft als festen Bestandteil ihrer Sportkarriere; noch beeindruckender ist, wenn Amateur- oder sogar reine Freizeitsportler bereit sind, diese Anforderungen zu akzeptieren, wenn auch in geringerem Maße, um sich darin, was sie lieben, zu verbessern.<ref> Vgl. J. PARRY, S. ROBINSON, N. WATSON UND N. NESTI, Sport and Spirituality: An Introduction (London 2007).</ref> Hobbysportler, die für einen Halbmarathon zu Wohltätigkeitszwecken trainieren, der Golfspieler mit hohem Handicap, der an einem besseren Abschlag arbeitet, der „Walking Football“-Spieler, der versucht, für seine Mannschaft mehr Tore zu schießen, sie alle wissen aufgrund ihrer auf dem Platz gesammelten Erfahrungen, dass diese kleinen Opfer Sinn machen, wenn sie aus Leidenschaft zum Sport gebracht werden. Auch wenn seine Worte an die Olympiateilnehmer gerichtet sind, wies Papst Johannes Paul II. darauf hin, dass der Wert des Opfers im Sport für alle Athleten gilt, unabhängig von ihrem Leistungsniveau: „Bei den jüngst in Sydney ausgetragenen Olympischen Spielen haben wir die Taten großer Sportler bewundert, die sich jahrelang Tag für Tag aufgeopfert haben, um diese Ergebnisse zu erreichen. Dies ist die Logik des Sports, insbesondere des olympischen Sports. Es ist jedoch auch die Logik des Lebens: Ohne Opfer kann man weder hervorragende Resultate noch echte Genugtuung erlangen.“<ref> Papst Johannes Paul II., Predigt bei der Heiligjahrfeier der Sportler (29. Oktober 2000).</ref>

Die Erfahrung, im Sport Opfer zu bringen, kann den Athleten helfen, ihren Charakter auf besondere Weise zu formen. So entwickeln sie die Tugenden von Mut und Demut, Ausdauer und Stärke. Die gemeinschaftliche Erfahrung, im Sport Opfer zu bringen, kann auch den Gläubigen helfen, ihre Berufung als Kinder Gottes tiefer zu verstehen. Ein Leben im Gebet zu führen, regelmäßig die Sakramente zu empfangen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen ist häufig von Hindernissen und Schwierigkeiten begleitet. Wir können diesen Herausforderungen mit Beharrlichkeit und Selbstdisziplin als eine von Gott gegebene Gnade begegnen. Nach Papst Johannes Paul II. stehen „eine strenge Disziplin und Selbstbeherrschung, Umsicht, Opferbereitschaft und Hingabe“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Delegierten des Italienischen Alpinen Clubs (26. April 1986).</ref> für spirituelle, körperliche und psychologische Eigenschaften vieler Sportler. Die sowohl mentalen als auch körperlichen Belastungen und Herausforderungen des Sports können dazu beitragen, den Geist und das Selbstwertgefühl zu stärken. Ein Aspekt des anthropologischen Wertes des Sports und des Opfers ist für die katholische Kirche im Alltag der Sportler verwurzelt: Sie sind sich bewusst, dass Opfer und Leiden eine verwandelnde Kraft haben.

Der Begriff Opfer ist ein bekanntes und häufig verwendetes Wort in der Welt des Sports. Die Kirche verwendet diesen Begriff auch und oft auf eine sehr direkte und besondere Weise. Sie weiß, dass die Liebe zu Gott und zum Nächsten oft „einen hohen Preis“ fordert. Als Christen müssen wir die großen und kleinen Opfer und Leiden, die uns auferlegt werden, annehmen und ertragen und mit Unterstützung der Gnade Gottes für das Reich Gottes auf der Erde und in der kommenden Welt „kämpfen“. Aus dieser Perspektive heraus ist es leichter zu verstehen, was der heilige Paulus meinte, als er verlangte, sich auf den „guten Kampf“ (Tim 6,12) vorzubereiten. Alle edlen Opfer, die wir bringen, sind im christlichen Leben wichtig, auch wenn sie einen scheinbar unbedeutenden Bereich menschlicher Tätigkeit wie den Sport betreffen.

3.5 Freude

Seit Verabschiedung der Internationalen Charta für Leibeserziehung und Sport der UNESCO von 1978 (überarbeitet 2015) ist die Ausübung des Sports zu einem Recht für alle geworden, nicht nur für junge, gesunde oder nicht behinderte Menschen.

Unabhängig davon, ob der Sport von Kindern, älteren Menschen oder Menschen mit Handicaps ausgeübt wird, bereitet er allen, die ihn aus freien Stücken und ungehindert ausüben, auf jedem sportlichen Niveau Freude.

Als Anfänger erlebt der Sportler Frustration und empfindet bisweilen sogar Scham, wenn er wiederholt in seinem Bemühen scheitert, in seiner sportlichen Disziplin weiterzukommen und sich zu verbessern. Wenn er sich dagegen auf einem hohen Leistungsniveau befindet, muss er harte und strenge Trainingsprogramme absolvieren. Die Freude, die man an der Ausübung des Sports hat, geht oft mit Schwierigkeiten und großen Herausforderungen einher. Wir sehen, dass es auf der ganzen Welt viele Menschen gibt, die Sport einfach aus Freude an der körperlichen Bewegung, aufgrund der Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen oder neue Fähigkeiten zu erlernen, oder wegen des Gefühls der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ausüben. Hier entsteht die Freude dadurch, dass man etwas macht, was man mag oder liebt. Letztendlich ist die Freude ein Geschenk, das auf der Liebe basiert, und das gilt für alle Sportarten.<ref> Vgl. J. PIEPER, About Love (Chicago 1974).</ref> Diese Verbindung zwischen Freude und Liebe zum Sport lehrt uns viel über die Beziehung zwischen Gott, Liebe und Freude in unserem spirituellen Alltag.

Die Tatsache, dass die meisten Menschen Sport nicht aus Gewinn- oder Erfolgsstreben ausüben, macht ihn zu einem noch interessanteren Phänomen. Für Leistungssportler sind Momente der Freude am Sport jedoch meist mit Leiden und Opfern aller Art verbunden und das Ergebnis großer körperlicher und geistiger Anstrengungen. Dies lehrt uns, dass wahre, tiefe und dauerhafte Freude oft dann entsteht, wenn wir uns vorbehaltlos für etwas engagieren, was wir leidenschaftlich gerne tun. Diese Leidenschaft kann dem Sport selbst gelten oder Teamkollegen, und zwar in dem Maße, wie man zusammen versucht, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Wenn die Freude verbunden mit der Leidenschaft und Liebe zum Sport oder zu den Teamkollegen eine Realität ist, die Sportpsychologen als Antrieb zur Leistungssteigerung und Grund dafür betrachten, dass der Sportler immer wieder teilnehmen möchte, dann kann dies für Trainer und Sportmanager eine gute Möglichkeit sein, Parallelen zwischen der Ausübung eines Sports und einem Leben im Glauben aufzuzeigen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, an das Gleichnis von Jesus über den im Acker vergrabenen Schatz zur Erklärung des Reichs Gottes zu erinnern. Jesus betont, dass der Mensch, der den Schatz gefunden hat, „voller Freude“ alles verkauft, was er besaß, um den Acker zu kaufen (Mt 13,44). So entspringt auch unsere Nachfolge Jesu und die Verkündigung, dass das Reich Gottes nahe ist, der Freude, die Fülle der Liebe und Gnade Gottes, von der Sein Reich geprägt ist, erlebt zu haben. Wenn wir Jesus nachfolgen und an der Errichtung des Reichs Gottes mitwirken, stoßen wir auf Schwierigkeiten und Widrigkeiten und werden sogar aufgefordert, unser Kreuz zu tragen. Doch Prüfungen und Leiden können unsere Freude nicht auslöschen. Nicht einmal der Tod vermag dies. Nachdem er seinen Jüngern gesagt hat, dass der Vater ihn so geliebt hat, wie Er sie geliebt hat, und sie in seiner Liebe bleiben sollen, sagt Jesus zu ihnen: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“ (Joh 15,11) Und angesichts seines Leidens und seines eigenen Todes sagte er zu ihnen: „So habt auch ihr jetzt Trauer, aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen und niemand nimmt euch eure Freude“ (Joh 16,22).

„Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen.“<ref> Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), Nr. 1: a. a. O., S. 7.</ref> Papst Franziskus betont die zentrale Bedeutung der Freude im Leben eines Gläubigen als ein Geschenk, das es gilt, mit allen zu teilen. Ebenso macht Sport nur Sinn, solange er Raum für gemeinsam erlebte Freude bietet. Es geht nicht darum, die Opfer und Leiden zu leugnen, die das Training und die Ausübung des Sports mit sich bringen, sondern letztendlich sollte der Sport bei allen, die ihn praktizieren, und bei allen begeisterten Zuschauern auf der ganzen Welt Freude auslösen.

3.6 Harmonie

Die harmonische Entwicklung des Menschen muss immer zu den Prioritäten all derer zählen, die im Sport Verantwortung tragen, seien es Trainer, Ausbilder oder Manager. Das Wort Harmonie bezieht sich auf Begriffe wie Gleichgewicht und Wohlbefinden und ist von wesentlicher Bedeutung, um wahres Glück zu erleben. In der heutigen Welt gibt es jedoch viele Kräfte, die uns dazu verleiten, diese wichtige Tugend der Harmonie zugunsten eindimensionaler und unausgewogener Lebensentwürfe aufzugeben. Man denke nur an die Kommerzialisierung bestimmter Sportarten oder die übermäßige Abhängigkeit von wissenschaftlichen Lösungen, bei denen ethische Bedenken völlig außer Acht gelassen werden, um nur einige beunruhigende Beispiele zu nennen. Wenn ein Sport gefördert wird, bei dem der menschliche Körper auf ein reines Objekt reduziert oder der Mensch als Ware gesehen wird, läuft man Gefahr, dem Menschen und der gesamten Gemeinschaft großen Schaden zuzufügen.

Andererseits ist seit Langem bekannt, dass eine harmonische Entwicklung des Menschen in physischer, sozialer und spiritueller Hinsicht zur psychischen Gesundheit und zum Wohlbefinden des Menschen beiträgt. Dahingehend gibt es bereits positive Beispiele, und zwar dort, wo „viele Menschen das Bedürfnis verspüren, geeignete Formen der körperlichen Bewegung zu finden, die dabei helfen, ein gesundes Gleichgewicht von Geist und Körper wiederherzustellen“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Leichtathletik-Weltmeisterschaften (2. September 1987).</ref> Diesbezüglich sind in den letzten Jahren viele neue Sportarten und verschiedene Wettbewerbsformen entstanden, um dem existentiellen Bedürfnis nach mehr Harmonie zwischen Geist und Körper gerecht zu werden. Auch das Zweite Vatikanische Konzil wies darauf hin, dass der Sport mit Blick auf den Aufbau einer harmonischen Gemeinschaft „zur Anknüpfung brüderlicher Beziehungen zwischen Menschen aller Lebensverhältnisse, Nationen oder Hautfarbe beiträgt“.<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 61.</ref>

Häufig wird in einem Umfeld, in dem der Mensch nicht mehr als ein von Gott geliebtes Geschöpf gesehen wird, die Bedeutung der geistigen Bildung des Menschen vernachlässigt. Harmonie bedeutet Gleichgewicht und dieses bezieht sich wiederum auf das gesamte Leben der Person mit all seinen moralischen, physischen, sozialen und psychologischen Facetten. Der Sport ist ein konkreter Kontext, in dem der Mensch sich ganzheitlich entwickeln kann.

Paradoxerweise können wir durch die Ausübung von Tätigkeiten, die oberflächlich betrachtet rein physischer Natur sind wie der Sport, in unserem spirituellen Wissen wachsen und erkennen, dass wir, wenn wir diese Dimension unseres Seins vernachlässigen, unser eigenes Wachstum, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden untergraben. Die Tendenz, das Spirituelle zu ignorieren oder allein auf den psychologischen Bereich zu reduzieren (wie es in weiten Teilen der heutigen Welt der Fall ist), ist heute normal und kann besonders jungen Menschen und denjenigen, denen es an spiritueller und religiöser Bildung mangelt, schaden. In ihrer Weisheit vertritt die Kirche diesbezüglich für uns eine sehr notwendige und überzeugende Auffassung. Wir sind aufgerufen, unseren Sport im und mit dem Hl. Geist zu leben, denn wie der heilige Johannes Paul II. sagte: „Ihr seid wahre Athleten, wenn ihr in eurer Vorbereitung die spirituellen Dimensionen des Menschen für eine harmonische Entwicklung aller menschlichen Talente einbindet.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Leichtathletik-Weltmeisterschaften (2. September 1987).</ref>

3.7 Mut

Die Kirche hat mit Thomas von Aquin gelehrt, dass Mut der Mittelweg zwischen Feigheit und Leichtsinn ist. Und die Kirche hat bekräftigt, dass ein mutiger Akt auch immer etwas mit Moral zu tun hat. Das liegt daran, dass man, um mutig zu sein, das Richtige tun muss, das Gute, anstatt zu einer Notlösung zu greifen oder einen leichteren Weg zu gehen. Im Sport hat dies viel mit Fairplay und dem Geist des Spiels zu tun. Dies bedeutet, mit Respekt vor dem Gegner und unter Wahrung der Tradition des Sports, seiner Spielregeln und Vorschriften zu spielen, auch wenn wir gerade nicht kontrolliert oder beobachtet werden. Ein Spieler zeichnet sich dann durch Sportlichkeit aus, wenn er über die spezifischen Spielregeln hinaus handelt und seinen Gegner stets achtet.

Der Begriff des Mutes kann auch als eine sehr persönliche Entscheidung interpretiert werden. Man kann nicht jemanden mutig machen, auch wenn Trainer und Erzieher und andere dazu beitragen können, diese Tugend bei ihren Schützlingen zu fördern. So könnte man sagen, dass man Mut häufiger vor, während und nach der einen oder anderen Niederlage beobachten kann. Weiterzuspielen, auch wenn es keine Chance mehr auf einen Sieg für das Team gibt, zu versuchen, aus ethischer oder physischer Sicht das Richtige zu tun, wenn man eine herbe Niederlage erlebt, die Mannschaft zusammenzuhalten, wenn sich alle als Verlierer fühlen, alle diese Situationen zeigen, wie sehr der Sport von Momenten großen Mutes geprägt ist.

3.8 Gleichberechtigung und Respekt

Jeder Mensch ist nach dem Bild und Abbild Gottes geschaffen und hat das Recht, sein Leben in Würde zu leben und mit Respekt behandelt zu werden. Alle haben das gleiche Recht, die vielfältigen Dimensionen der Kultur und des Sports zu erleben und zu genießen. Jeder Mensch hat das Recht, seine individuellen Fähigkeiten unter Berücksichtigung der eigenen Grenzen zu fördern.

Diese Gleichberechtigung jedes Einzelnen bedeutet jedoch nicht Gleichförmigkeit und Konformität. Im Gegenteil, sie bedeutet, die Unterschiede und die Vielfalt menschlichen Lebens in Bezug auf Geschlecht, Alter, kulturellen Hintergrund und Traditionen zu achten. Dies gilt auch für den Sport. Es ist verständlich, dass es altersbedingt Unterschiede in der sportlichen Leistung gibt oder dass in den meisten Disziplinen Männer und Frauen nicht gegeneinander antreten. Menschen, deren grundlegende körperliche Fähigkeiten deutlich vom Durchschnitt abweichen, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung, müssen anders beurteilt und bewertet werden.

Bei aller Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedingungen, Talente und Fähigkeiten dürfen die verschiedenen Leistungskategorien nicht zu versteckten Rankings oder Bewertungshierarchien oder gar zur hermetischen Abgrenzung bezüglich einer Teilnahme führen. Dies würde die Auffassung von der Menschheitsfamilie als ursprüngliche Einheit zerstören. Was der Apostel Paulus von der christlichen Gemeinschaft als Spiegelbild des Leibes Christi verlangt, sollte auch im Sport erfahrbar sein: „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. [...] Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.“<ref> 1 Kor 12,21–22; 26–27.</ref>

Sport ist eine Aktivität, die die Gleichheit aller Menschen fördern kann und muss. „Die Kirche [....] betrachtet den Sport als ein Bildungsinstrument, wenn er hohe menschliche und geistige Ideale fördert und zur ganzheitlichen Schulung junger Menschen in Werten wie Loyalität, Ausdauer, Freundschaft, Solidarität und Frieden beiträgt“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an eine Delegation des Fußball- Clubs Real Madrid (16. September 2002).</ref> Der Sport ist ein Bereich unserer Gesellschaft, der die Begegnung zwischen allen Menschen fördert und sozioökonomische, rassistische, kulturelle und religiöse Diskriminierung überwinden kann.

Alle Menschen sind in ihrer Würde gleich, so wie sie nach dem Bild und Abbild Gottes geschaffen sind. Wir sind alle Brüder und Schwestern, die vom gleichen Schöpfer stammen. Unsere Welt sieht sich jedoch nach wie vor mit großen Ungleichheiten konfrontiert, und es ist Aufgabe der Christen, darauf hinzuweisen. Der Sport kann versuchen, die Gleichheit zu fördern, denn „ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht“.<ref> Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), Nr. 59: a. a. O., S. 49.</ref>

Es gibt viele Beispiele dafür, wie der Sport den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und Gleichheit zwischen den Menschen schaffen kann. Viele Breitensportarten führen Kampagnen gegen den Rassismus und setzen sich für Frieden, Solidarität und Inklusion ein. „Sport kann uns im Geist der Gemeinschaft unter Völkern und Kulturen zusammenführen. Der Sport ist in der Tat ein Zeichen dafür, dass der Friede möglich ist.“<ref> Papst Benedikt XVI., Angelus (8. Juli 2007).</ref>

3.9 Solidarität

Die Botschaft der Kirche zeigt uns, dass es eine enge Verbindung zwischen Solidarität und dem Gemeinwohl, zwischen Solidarität und der universellen Bestimmung der Güter, zwischen Solidarität und der Gleichheit der Völker, zwischen Solidarität und dem Frieden auf der Welt gibt.<ref> Vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 194.</ref>

Unter Solidarität in einer Sportmannschaft versteht man die Einheit, die zwischen den Mannschaftskollegen entsteht, die gemeinsam für das gleiche Ziel kämpfen. Ein solches Erlebnis vermittelt allen Teilnehmern das Gefühl, beachtet und persönlich wertgeschätzt zu werden. Solidarität im christlichen Sinne geht jedoch über die Mitglieder des eigenen Teams hinaus. Sie kann auch den Gegner auf dem Feld mit einschließen, der nicht mehr ohne fremde Hilfe aufstehen kann. Hier sind Unterstützung und Solidarität erforderlich; man fragt sich nicht mehr, ob die Niederlage des anderen seine eigene Schuld oder das Ergebnis einer Verkettung unglücklicher Umstände ist.

Sportler, vor allem berühmte Athleten, haben unweigerlich eine soziale Verantwortung. Es ist wichtig, dass diese Sportler sich ihrer Vorbildrolle im Hinblick auf praktizierte Solidarität zunehmend bewusst werden, und dies auch in der Gesellschaft spürbar ist. „Ihr Spieler seid die Vertreter einer sportlichen Aktivität, die jedes Wochenende viele Menschen in den Stadien zusammenbringt und der die Medien viel Raum einräumen. Deshalb tragt Ihr eine besondere Verantwortung.“<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an eine Delegation des FC Barcelona (14. Mai 1999).</ref>

Papst Franziskus rief die Athleten klar auf, mit den anderen und mit Gott ins Spiel zu gehen, ihr Bestes zu geben, ihr Leben für das zu geben, was wirklich wertvoll und für die Ewigkeit ist. „Stellt eure Talente in den Dienst der Begegnung zwischen Menschen, der Freundschaft und der Inklusion.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an den Italienischen Tennis-Verband (8. Mai 2015).</ref>

Der heilige Johannes Paul II. forderte die Sportler auf, „am Aufbau einer brüderlicheren und solidarischeren Welt mitzuwirken und zur Überwindung von Missverständnissen zwischen den Menschen und den Völkern beizutragen“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an eine Delegation der Fußballmannschaft AS Rom (30. November 2000).</ref>

Sport muss immer mit Solidarität einhergehen, denn der Sport ist aufgerufen, die höchsten Werte einer Gesellschaft, insbesondere die Förderung der Einheit der Völker aller Hautfarben, Religionen und Kulturen deutlich zu machen und so dazu beizutragen, die vielen Spaltungen, unter denen unsere Welt heute noch leidet, zu überwinden.<ref>Vgl. Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Europäischen Olympischen Komitees (23. November 2013).</ref>

3.10 Sport und die Suche nach dem Sinn des Lebens

Der Sport bringt die Spannung zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit, zwei Erfahrungen, die unabdingbar zur menschlichen Existenz gehören, zum Ausdruck. Der Sport ist ein Bereich, in dem der Mensch seine Talente und seine Kreativität authentisch entfalten kann, aber gleichzeitig seine Grenzen und Endlichkeit erfährt und erleben muss, dass es keine Garantie auf den Erfolg gibt.

Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt, ist der Sport ein Bereich, der die Wahrheit und die Bedeutung der menschlichen Freiheit aufzeigen kann. „Die Freiheit“, so sagt Papst Franziskus, „ist etwas Großartiges, doch wir können beginnen, sie zu verlieren“.<ref> Papst Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris laetitia über die Liebe in der Familie (19. März 2016), 267: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): V erlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 204 (Bonn 2016), S. 188.</ref>

Der Sport respektiert die Freiheit des Menschen, denn innerhalb der Grenzen eines spezifischen Regelwerkes behindert er nicht die Kreativität, sondern fördert sie. Auf diese Weise geht die Erfahrung von persönlicher Freiheit nicht verloren.

Die enge Beziehung zwischen individueller Freiheit und der Akzeptanz von Regeln zeigt auch, dass der Mensch darauf ausgerichtet ist, in Gemeinschaft mit anderen zu leben. So ist der Mensch nie ein isoliertes Wesen, sondern „ein gesellschaftliches Wesen; ohne Beziehung zu den anderen kann er weder leben noch seine Anlagen zur Entfaltung bringen“.<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 12.</ref> Mannschaftssportarten und die Präsenz von Zuschauern zeigen deutlich die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft auf. Auch Einzelsportarten können nicht ohne Zutun vieler anderer Menschen ausgeübt werden. Daher kann der Sport als Beispiel dafür dienen, wie sich der Mensch durch die Erfahrung von Gemeinschaft selbstverwirklichen kann.

Schließlich ist der Sport in unserer Zeit vielleicht das anschaulichste Beispiel für die Einheit von Körper und Seele. Hervorzuheben ist, dass eine einseitige Interpretation der oben genannten Erfahrungen zu einer falschen Vorstellung vom Menschen führt. Wenn man sich zum Beispiel nur auf die Stärke konzentriert, könnte man den Eindruck erwecken, dass die Menschen autarke Wesen seien. Eine einseitige Auffassung von Freiheit impliziert die Idee eines unverantwortlichen Ichs, das nur seinen eigenen Regeln folgt. Ebenso würde eine Überbetonung der Gemeinschaft dazu führen, dass die Würde des Einzelnen zu wenig geschätzt werden würde. Und schließlich führt die Außerachtlassung der Einheit von Körper und Seele entweder zur kompletten Missachtung des Körpers oder zur Förderung eines globalen Materialismus. Um die menschliche Natur vollständig zu verstehen, müssen daher alle Dimensionen berücksichtigt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mensch im Sport in besonderer Weise das Spannungsverhältnis zwischen Kraft und Zerbrechlichkeit, die Freiheit, sich allgemeinen Regeln zur gemeinsamen Ausübung eines Sports zu unterwerfen, die gemeinschaftsorientierte Individualität und die Einheit von Körper und Seele erfährt. Außerdem lässt sich durch den Sport Schönheit erleben. Wie Hans Urs von Balthasar betonte, ist auch die ästhetische Leistung des Menschen ein entscheidendes Merkmal, das zur Suche nach dem Sinn des Lebens anregt.<ref> Vgl. H. U. GUMBRECHT, In Praise of Athletic Beauty (Cambridge 2006).</ref> Aus dieser ganzheitlichen anthropologischen Sicht könnte der Sport daher als ein außerordentlicher Bereich betrachtet werden, in dem der Mensch einige grundlegende Wahrheiten über sich selbst und die Suche nach dem Sinn des Lebens erfährt.

Der Sinn des Lebens aus christlicher Sicht

Der Mensch findet seine tiefste Wahrheit darin, nach dem Bild und Abbild Gottes erschaffen worden zu sein, ihm ähnlich (Gen 1,27). Es stimmt zwar, dass der Sport die Suche nach einer bestimmten Art von Glück verkörpert, die das Zweite Vatikanische Konzil als „ein erfülltes und freies Leben, das des Menschen würdig ist, indem sie sich selber alles, was die heutige Welt ihnen so reich darzubieten vermag, dienstbar machen“, beschrieben hat,<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 9.</ref> aber es ist auch wahr, dass der Mensch für ein noch höheres Glück erschaffen wurde. Dieses Glück wird durch das unentgeltliche Geschenk der Gnade Gottes ermöglicht. Es ist wichtig zu betonen, dass die Gnade Gottes das Menschliche nicht zerstört, sondern „die Natur vervollkommnet“<ref> THOMAS VON AQUIN, Summa Theologiae, I. Buch, Frage 1, 8. Artikel, ad 2.</ref> oder uns in Gemeinschaft mit anderen zur Gemeinschaft mit Gott erhebt, der Vater, Sohn und Heiliger Geist in einer Person ist.

Eine der wichtigsten Art und Weise, wie wir die Gnade Gottes erfahren, ist Seine Barmherzigkeit. Wie Papst Franziskus in seinem Pontifikat und insbesondere im Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit immer wieder in Erinnerung gerufen hat, wird Gott nie müde, uns zu vergeben. Gott liebt uns bedingungslos. Auch wenn wir Fehler oder Sünden begehen, ist Gott geduldig mit uns, bietet uns immer Seine Vergebung an und gibt uns eine zweite Chance. Gottes Vergebung – wie unsere gegenseitige Vergebung – heilt uns und stellt das Bild und die Ähnlichkeit Gottes in uns wieder her. Wie der heilige Paulus in seinem Brief an die Kolosser schreibt: „Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und habt den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen“ (Kol 3,9). Und ein anderes Mal an die Korinther: „Wir alle aber schauen mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn“ (2 Kor 3,18). Wenn der Weg der Erlösung bedeutet, dass wir nach dem Bild und Abbild Gottes, der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, erneuert und verändert werden, so heißt dies zu verstehen, dass wir von unserer Natur her Beziehungswesen und für die Gemeinschaft mit Gott und unserem Nächsten geschaffen sind.

4. Herausforderungen im Lichte des Evangeliums

4.1 Ein menschlicher und fairer Sport

Wir haben bereits über die Bedeutung des Sports sowie seine Rolle bei der Suche nach Güte und Wahrheit gesprochen. Wie in allen Bereichen menschlichen Lebens kann der Sport aber auch gegen die Würde des Menschen und gegen die Rechte der Person eingesetzt werden. Aus diesem Grund will die Kirche ihre Stimme erheben, wenn sie sieht, dass die Würde und das Glück der Menschen mit Füßen getreten werden.

Die Förderung der menschlichen Werte im Sport

Die aktuellen Entwicklungen im Sport müssen danach beurteilt werden, inwieweit die Würde des Menschen anerkannt, der Andere geachtet und alle Geschöpfe und die Umwelt respektiert werden. Darüber hinaus erkennt die Kirche wie wichtig es ist, mit Freude an sportlichen Aktivitäten teilzunehmen und ein faires Miteinander der Menschen zu ermöglichen. Wenn die Regeln des Sports auf internationaler Ebene festgelegt werden, müssen Athleten aus verschiedenen Kulturen, Nationen und Religionen in den Genuss der gemeinsamen Erfahrung eines fairen und fröhlichen Wettbewerbs kommen können, der zur Förderung der Einheit der Menschheitsfamilie beitragen kann.

Durch den Sport können Menschen ihre Körperlichkeit auf einfache und positive Weise erleben. Beim Spielen in der Mannschaft spüren die Sportler, wie gut es tut, wenn sich während des Spiels eine starke Bindung zwischen den Teilnehmern entwickelt und man erfolgreich zusammenspielt.

Kritik an Abweichungen

Ausgehend von dieser Perspektive sind eine Reihe von Phänomenen und Entwicklungen kritisch zu bewerten. Dies gilt sowohl für den Sport als auch für andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Die Soziallehre der Kirche ruft die in Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft Tätigen auf, sich zu fragen, ob ihr Handeln im Dienste des Menschen und einer gerechten Gesellschaftsordnung steht. Auch die im Sport Tätigen sollten sich diese Frage stellen.

Die Intensität der beim Sport gewonnenen Erfahrungen macht ihn so reizvoll. Gerade deshalb kann der Sport jedoch auch in Richtung politischer Praktiken gelenkt werden, die nicht im Dienste des Menschen stehen. Dies bezieht sich sowohl auf praktizierende Sportler als auch auf Zuschauer und Fans. Die große Bedeutung des Sports für viele Menschen kann ihn zu einem Werkzeug für die Übermittlung von Interessen sowie einer bestimmten Politik und für Demonstrationen der Macht, für eine unüberlegte Suche nach finanziellem Gewinn oder für die Unterstützung nationalistischer Bestrebungen degradieren. Auf diese Weise werden die Autonomie des Sports und seine inneren Werte bedroht. Sportliche Interessen werden zu politischen, wirtschaftlichen und medialen Interessen, an denen sich die Dynamik des Sports und auch die Erfahrungen der Sportler selbst orientieren. Der Sport ist Teil einer komplexen und vielfältigen Gesellschaft und nimmt an ihrer Entwicklung teil: Deshalb muss er noch mehr darauf achten, seine Autonomie nicht aufzugeben. Vor einer Delegation italienischer Profifußballer erinnerte Papst Franziskus mit Freude an die Fahrten, die er in seiner Jugend mit seiner Familie zum Fußballstadion unternommen hatte und an die festliche Atmosphäre jener Tage. Dabei sagte er zu den Spielern und Managern: „Ich wünsche mir, dass der Fußball und jede andere populäre Sportart wieder die Bedeutung eines Festes annimmt. Heute ist auch der Fußball in einem hohen Maß vom Umsatz abhängig, z. B. im Bereich Werbung, Fernsehen etc. Aber der wirtschaftliche Faktor darf den sportlichen Faktor nicht verdrängen, denn er birgt die Gefahr, alles zu beeinträchtigen, sowohl auf internationaler und nationaler als auch auf lokaler Ebene.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Fußballmannschaften von Florenz und Neapel und an eine Delegation des Italienischen Fußballverbands und der Liga Serie A (2. Mai 2014).</ref>

Wenn Sport betrieben wird, um „um jeden Preis zu gewinnen“, ist der Sport selbst ernsthaft bedroht. Die alleinige Konzentration auf den sportlichen Erfolg, sei es aus persönlichen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen, reduziert die Rechte und das Wohlbefinden der Teilnehmer auf eine untergeordnete Rolle. Bezüglich der eigenen Körperlichkeit beeinflusst der Wunsch, die eigene Leistung immer mehr und um jeden Preis zu verbessern, das Verhalten und führt zu schwerwiegenden Folgen. Die Tatsache, dass jede Entscheidung nicht mehr nach dem Grad der Menschenwürde, sondern nach dem Grad der Effizienz beurteilt wird, kann Gesundheitsrisiken mit sich bringen, sowohl für den Einzelnen als auch für die Mitspieler. Die Würde und die Rechte der Person können niemals willkürlich anderen Interessen unterworfen werden. Es ist nicht akzeptabel, dass Athleten als Ware betrachtet werden. So sagte Papst Franziskus den Mitgliedern des Europäischen Olympischen Komitees: „Wenn der Sport einzig und allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten oder als Siegesstreben um jeden Preis gesehen wird, dann läuft man Gefahr, die Athleten zu einer bloßen Ware zu reduzieren, aus der sich Profit schlagen lässt. Die Athleten selbst werden Teil eines Mechanismus, der sie erfasst, der eigentliche Sinn ihrer Aktivitäten kommt ihnen abhanden, jene Freude am Spiel, die sie einst als Kinder in ihren Bann zog und sie zu vielen großen Opfern trieb und sie dazu brachte, Sieger zu werden.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Europäischen Olympischen Komitees (23. November 2013).</ref>

Die allgemeinen Rechte auf ein Leben in Würde und Freiheit sollten im Sport geschützt werden. Sie müssen vor allem den Armen und Schwachen, insbesondere den Kindern, die das Recht auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit haben, garantiert werden. Der Missbrauch von Kindern, ob körperlich, sexuell oder emotional, durch Trainer, Betreuer oder andere Erwachsene, ist ein Affront gegen junge Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden, und daher ein direkter Affront gegen Gott. Einrichtungen, die Sportprogramme für junge Menschen finanzieren, auch solche auf hohem Niveau, sollten mithilfe von Experten Leitlinien entwickeln, um die Sicherheit von Kindern zu gewährleisten.

Die Athleten haben auch das Recht, sich zusammenzuschließen und ihre Interessen zu vertreten. Sie dürfen nicht daran gehindert werden, sich als Bürger und nach ihrem Gewissen frei zu äußern. Sie müssen als Menschen mit allen Rechten behandelt werden. Jede Form der Diskriminierung aufgrund der sozialen oder nationalen Herkunft, des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Rasse, der körperlichen Verfassung oder der Religion kann im Sport nicht akzeptiert werden. Doch auch über das unmittelbare Sportereignis hinaus sollte sich der Sport für das, was in seinem Kontext geschieht, verantwortlich fühlen. Viele Menschen sind an der Vorbereitung und Durchführung von großen Sportveranstaltungen beteiligt, und ihre legitimen Interessen und Lebensbedingungen müssen respektiert werden.

4.2 Gemeinsame Verantwortung für einen guten Sport

Die Realität des Sports zeigt viele Facetten. Kritiker des Sports sollten diesem Phänomen weder ganz misstrauisch gegenüberstehen, noch sollten seine positiven Aspekte naiv gelobt werden. Darüber hinaus sollte man wissen, welche Verantwortung die einzelnen Sportorganisationen und Einrichtungen in bestimmten Situationen tatsächlich tragen. In der Tat sind nicht nur die Praktizierenden oder Athleten für das Geschehen verantwortlich, sondern auch viele andere Akteure wie Familien, Trainer und Assistenten, Ärzte, Manager, Zuschauer und Personen, die in anderen Bereichen des Sports tätig sind, darunter Sportwissenschaftler, politische und wirtschaftliche Führungskräfte sowie Vertreter der Medien.

Zuschauer und Fans, die direkt oder über die Medien an Sportveranstaltungen teilnehmen, tragen auch eine gewisse Verantwortung für den Ablauf der Veranstaltungen. Sie können ihren Respekt vor den Spielern beider Mannschaften zeigen und ihre Ablehnung unsportlichen Verhaltens zum Ausdruck bringen. Fairplay ist auch unerlässlich, wenn Zuschauer die gegnerische Mannschaft unterstützen. Jede Form der Verunglimpfung oder Gewalt im sportlichen Kontext ist zu verurteilen, und die Sportverantwortlichen müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Verantwortlichen zu ermitteln. So gibt es beispielsweise bewährte Praktiken, wie Gewalt im sportlichen Umfeld behandelt werden kann. Einige Profivereine in Europa und anderswo bilden Betreuer aus, die mit den Fans zusammenarbeiten, um unsportliches Verhalten oder Gewaltbereitschaft der Fangruppen aufzudecken, was in den letzten Jahren bei Fußballspielen immer häufiger zu beobachten ist. Hier kann die dem Sport oblieggende Verantwortung nicht auf andere Institutionen übertragen werden.

Viele Menschen betreiben Sport in der Natur. Leider lässt die sportliche Betätigung diese Umgebung nicht unberührt. Sie hat oft langfristige Auswirkungen auf die Umwelt. Aus diesem Grund haben Athleten und Sponsoren von Sportveranstaltungen die zusätzliche Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung. Diese Verantwortung liegt auf vielen Schultern: nicht nur auf jedem Sportler, der darüber nachdenken muss, welche Umweltschäden mit seiner sportlichen Tätigkeit verbunden sind, sondern auch auf denen, die große Sportveranstaltungen finanzieren und deren Nachhaltigkeit unter ökologischen Gesichtspunkten berücksichtigen müssen.

Darüber hinaus muss bei Sportarten, bei denen Tiere involviert sind, darauf geachtet werden, dass sie in moralisch angemessener Form behandelt und nicht als bloße Gegenstände betrachtet werden. Die Kirche betont die Verantwortung jedes Menschen in der Welt des Sports und appelliert an das Gewissen eines jeden, einen menschlichen und gerechten Sport so weit wie möglich zu fördern. Es wäre jedoch nicht richtig, die Last der Verantwortung für einen guten und fairen Sport nur auf die Schultern der einzelnen Sportler zu legen. Wir müssen auch auf die gesellschaftlichen Strukturen achten, die unser Denken und Handeln beeinflussen. „Dabei handelt es sich um das Gesamte an Institutionen und Praktiken, welche die Menschen auf nationaler und internationaler Ebene bereits vorfinden oder sich schaffen und die das wirtschaftliche, soziale und politische Leben bestimmen und gestalten.“<ref>KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Instruktion Libertatis Conscientia über die christliche Freiheit und die Befreiung „Die Wahrheit macht uns frei“ (22. März 1986).</ref> Diese Strukturen haben eine so starke Überzeugungskraft, dass es sehr schwierig ist, den inneren Werten des Sports treu zu bleiben. Im Übrigen sind diese Strukturen kein unvermeidliches Schicksal. „Sie hängen jedoch stets von der Verantwortung des Menschen ab, der sie verändern kann, und nicht von einem angeblichen historischen Determinismus.“<ref>Ebd.</ref> Sie liegen daher im Rahmen unserer Verantwortung. Die soziale Bedeutung der verschiedenen Sportorganisationen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene ist enorm, ebenso wie ihre moralische Verantwortung. Sie müssen den inneren Werten des Sports und dem Wohl des Menschen dienen.

4.3 Vier spezifische Herausforderungen für die Entwicklung

Für den Sport unserer Zeit gibt es vier Herausforderungen, die die Kirche besonders ernst nimmt und die dieses Dokument zu ergründen sucht. Sie sind zu verstehen als das Ergebnis der unkontrollierten Erfolgsorientierung und der immensen wirtschaftlichen und politischen Interessen, die sich rund um den Wettkampf entwickelt haben. Die vielen an Sportveranstaltungen beteiligten Akteure – Sportler, Zuschauer, Medien, Unternehmer, Politiker – drängen auf immer bessere sportliche Leistungen und Siege um jeden Preis, sodass der ohnehin schon übermäßige Druck auf die Sportler noch größer wird und sie jegliche Möglichkeit suchen, ihre Leistung auch auf moralisch zweifelhafte Weise zu verbessern.

Die Schädigung des Körpers

Während Sport eine positive Erfahrung sein kann, um die eigene Körperlichkeit zu leben, können jedoch auch Umstände auftreten, in denen der menschliche Körper auf den Zustand eines Objekts reduziert oder der Sport nur unter materiellen Gesichtspunkten ausgeübt wird. So kommentierte ein American Football-Spieler, nachdem er seine Karriere beendet hatte: „Ich erkannte paradoxerweise, wie sehr ich mich von meinem Körper abgekoppelt und entfernt hatte. Ich kannte meinen Körper gründlicher, als die meisten Menschen es je vermögen werden, aber ich hatte ihn benutzt und ihn gewissermaßen als Maschine betrachtet, eine Sache, die gut geölt, gut genährt und gepflegt werden musste, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.“<ref> D. MEGGYSEY, Out of Their League (Berkeley, CA 1970), 231.</ref> Wenn junge Menschen auf diese Weise körperlich geformt werden, laufen sie Gefahr, von ihren eigenen Gefühlen entfremdet zu werden, was ihre Fähigkeit zur Vertrautheit beeinträchtigt, ein wichtiges Element bei der Entwicklung junger Erwachsener.<ref> Vgl. E. ERIKSON, Identity and the Life Cycle (New York, NY 1980).</ref> All dies hat einen negativen Einfluss auf ihre Fähigkeit, sowohl in einer physischen als auch emotionalen Gefühlsbeziehung zu sein, die Gabe und Gnade des Ehelebens ist.

Eltern, Trainer und Sportvereine sind oft in diesen Prozess der „Automatisierung“ der Athleten eingebunden, weil sie daran interessiert sind, den Erfolg zu sichern und die Hoffnungen auf Medaillen, Rekorde, Stipendien, Sponsorverträge und Vermögen zu erfüllen. Derartige Auswüchse sind bei hochrangigen Jugendsportwettbewerben zu finden. Immer häufiger stehen junge Sportler in der Verantwortung von Eltern, Trainern und Managern, die nur an der einseitigen Spezialisierung ihres Talents interessiert sind. Da der Körper eines jungen Menschen jedoch nicht dazu geschaffen wurde, ein ganzes Jahr lang eine Sportart zu trainieren, führt diese frühe Spezialisierung zu oft zu Verletzungen durch Überlastung. Bei Kunstturnerinnen auf Hochleistungsniveau hat sich der Prototyp des idealen Körpers im Laufe der Jahre verändert. Heute hat die Turnerin einen schlanken vorpubertären Körper. Dies hat in manchen Fällen dazu geführt, dass sehr junge Mädchen täglich übermäßig lange trainieren. Diese Mädchen wollen ihr Gewicht ständig niedrig halten, sodass sie Essstörungen in einem Ausmaß entwickeln, das weit über dem Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung liegt. Dieses Beispiel verdeutlicht die Bedeutung der Rolle der Eltern junger Sportler. Eltern haben die Verantwortung, ihren Kindern zu zeigen, dass sie so geliebt werden, wie sie sind, und nicht nur aufgrund ihrer Leistungen, ihres Aussehens oder ihrer körperlichen Fähigkeiten. Sportarten, die unweigerlich den menschlichen Körper schädigen, können ethisch nicht gebilligt werden. Erst in jüngster Zeit sind wir auf einige Sportarten aufmerksam geworden, deren Ausübung schädliche Auswirkungen auf Körper und Gehirn haben, und es ist unerlässlich, dass alle gesellschaftlichen Akteure zu diesem Thema Stellung beziehen und die Würde des Menschen und sein Wohlergehen wieder an die erste Stelle setzen.

Doping

Doping schadet dem grundlegenden Verständnis vom Sport. Leider wird es heute sowohl von einzelnen Athleten, Teams als auch von Staaten praktiziert. Doping führt zu einer Reihe komplizierter moralischer Probleme, weil es nicht den Werten von Gesundheit und Fairplay entspricht. Es ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie die Mentalität des „Sieges um jeden Preis“ den Sport verdorben und damit gegen seine Grundregeln verstoßen hat. Dabei wurde die „Struktur des Spiels“ zerstört und die inneren Werte des Sports, die von der Akzeptanz der Regeln abhängen, gehen verloren. In diesen Fällen zählt die Macht derjenigen, die versuchen, ihre Leistung mit allen möglichen und vorstellbaren Mitteln zu verbessern, mehr als die Fähigkeiten oder das Training des Athleten. Der Körper von Sportlern wird zu einem Objekt degradiert, das der Wirksamkeit der Medizin unterworfen ist. In einigen Sportarten, die mithilfe mechanischer Mittel (Radsport, Motorradfahren, Formel 1) betrieben werden, wird das Fairplay durch Betrug und mechanisches Doping in eine Schieflage gebracht. Diese Betrügereien können vom einzelnen Athleten, aber auch von einer größeren Gruppe mithilfe von Mechanikern in die Praxis umgesetzt und von Finanziers eingefordert oder sogar in großem Umfang verübt werden.

Zur Bekämpfung von Doping, sei es körperlicher oder mechanischer Natur, und zur Unterstützung des Fairplays im Sport reicht es nicht aus, an die Moral der Sportler zu appellieren. Das Problem des Dopings kann nicht allein dem einzelnen Sportler zugeschrieben werden, auch wenn er dafür verantwortlich ist, denn es ist komplexerer Natur. Sportorganisationen müssen klare Regeln und Rahmenbedingungen schaffen, um die Sportler in ihrer Verantwortung zu unterstützen und zu motivieren, nicht der Versuchung des Dopings zu erliegen. In der globalisierten Welt des Sports sind konkrete und koordinierte internationale Anstrengungen erforderlich. Andere Akteure mit maßgeblichem Einfluss auf den Sport wie Medien, Finanzen und Politik, sollten einbezogen werden.

Auch die Zuschauer müssen bedenken, dass ihre kontinuierlichen Erwartungen an die Leistungssteigerung und der Wunsch nach spektakulären Sportereignissen die Sportler dazu veranlassen, auf physisches oder mechanisches Doping zurückzugreifen.

Korruption'

Ebenso wie Doping kann auch Korruption den Sport ruinieren. Sie nutzt das Wettkampfbedürfnis der Spieler und Zuschauer, die bewusst betrogen und getäuscht werden. Bei der Korruption geht es nicht nur um ein einzelnes Sportereignis, sondern sie ist eine Plage, die sich auch auf die Sportpolitik ausbreiten kann. Die Entscheidungen bezüglich der Welt des Sports werden nun aus finanziellen oder politischen Gründen von externen Akteuren getroffen. Ebenso verwerflich ist jede Art von Korruption im Zusammenhang mit Sportwetten. Wenn unzählige Sportler oder Fans getäuscht werden, nur damit einige wenige einen überproportionalen Gewinn erzielen können, gefährdet dies auch die Integrität des Sports. Wie beim Doping müssen sich alle am Sport Beteiligten dessen bewusst sein, ebenso die Sportorganisationen, die konkrete und transparente Regeln aufstellen müssen, um zu verhindern, dass die Werte des Sports mit Füßen getreten werden.

Fans und Zuschauer

Bei sportlichen Aktivitäten und Wettkämpfen jubeln die Fans aus einem Munde. Dieses gemeinsame Gefühl, das alle Generationen, Geschlechter, Menschen verschiedener Hautfarbe und Religionen teilen, ist eine wunderbare Quelle der Freude und Schönheit. Fans sind eine eingeschworene Gemeinschaft, egal ob ihre Mannschaft gewinnt oder verliert. Sie unterstützen ihre Mannschaft und respektieren sowohl die gegnerischen Spieler und Fans als auch die Schiedsrichter im gegenseitigen Fairplay. Es gibt Momente, Veranstaltungen und Verhaltensweisen, die uns die Freude, Kraft und Bedeutung eines harmonischen und ausgewogenen Sports bewusst machen. Die Rolle der Öffentlichkeit im Sport kann jedoch auch eine andere sein. In einigen Fällen beleidigen die Zuschauer gegnerische Spieler, ihre Fans und die Schiedsrichter. Dieses Verhalten kann in Gewalt ausarten, sowohl in verbale (mit hasserfüllten Sprechgesängen) als auch in körperliche. Die Zusammenstöße zwischen den Fans verletzen das Fairplay, das bei jeder Sportveranstaltung herrschen sollte. Eine übermäßige Identifikation mit einem Athleten oder einer Mannschaft kann die Spannung zwischen Gruppen verschiedener Kulturen, Nationalitäten oder Religionen weiter erhöhen. Manchmal wird der Sport auch dazu benutzt, um zum Rassismus oder zu extremistischen Ideologien aufzuhetzen.

Zuschauer, die keinen Respekt vor Athleten haben, greifen sie manchmal körperlich an oder beleidigen und verunglimpfen sie immer wieder. In manchen Fällen zeigen selbst eigene Fans Respektlosigkeit gegenüber den eigenen Athleten.

Mannschaften, Vereine und Ligaverbände, sowohl in der Schule als auch im Profi- und Spitzensport, müssen dafür sorgen, dass der Zuschauer die Würde aller Personen respektiert, die an einer Sportveranstaltung als Aktive oder als Zuschauer teilnehmen.

5. Die Schlüsselrolle der Kirche

In diesem Dokument wurde bisher versucht, den Sport, seine Bedeutung und seine verschiedenen Dimensionen im Rahmen der christlichen Vision von Mensch und Gesellschaft zu analysieren und zu bewerten. Die großen Chancen und Möglichkeiten, die der Sport bietet, wurden berücksichtigt, ebenso wie die Risiken, Gefahren und Herausforderungen, die er mit sich bringt.

Die Kirche als Volk Gottes fühlt sich dem Sport verbunden und ist aufrichtig an ihm als eine der menschlichen Realitäten unserer Zeit interessiert. Natürlich fühlt sich die Kirche verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass der Sport mit Menschlichkeit und Vernunft betrieben wird.

„Die Sportpastoral ist ein notwendiger Aspekt und integraler Bestandteil der herkömmlichen Seelsorge für die Gemeinschaft. Aus diesem Grund ergibt sich, dass der primäre und spezifische Zweck der Kirche nicht die Schaffung oder Bereitstellung von Strukturen für sportliche Aktivitäten sein kann, sondern die Verpflichtung, der Ausübung des Sports als menschliche, persönliche und soziale Realität einen Sinn, Wert und eine Perspektive zu geben.“<ref> ITALIENISCHE BISCHOFSKONFERENZ, „Der Sport und das christliche Leben“, Nr. 43.</ref>

5.1 Die Kirche ist im Sport zu Hause

Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, hat sich die Kirche auf den modernen Sport eingestellt und sich seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts dafür entschieden, in diesem Kontext zu leben und sich aktiv für den Sport zu engagieren.

Eine verantwortungsbewusste Präsenz

Die Kirche flieht nicht vor der Mitverantwortung bei der Förderung des Sports und der Sorge um sein Schicksal. Gerade aus diesem Grund möchte die Kirche den Dialog mit den verschiedenen Sportorganisationen und -institutionen suchen, um einen Prozess der Humanisierung des heutigen Sports zu unterstützen. Durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit diesen Interessengruppen versucht sie aktiv, den Sport, das System und seine Prozesse zu verbessern. Die Kirche will auch eine Vision von Werten und Moralvorstellungen vermitteln, die dazu beitragen können, die mit der Welt des Sports verbundenen Probleme wie Doping, Korruption, Gewalt von Fans und die ungehemmte Kommerzialisierung, die die Seele des Sports schwächen, anzugehen.

Die Kirche zeigt eine organisierte und institutionelle Präsenz im Bereich des Sports, die es ihr ermöglicht, eine christliche Vision des Sports auf verschiedene Weise und auf mehreren Ebenen zu fördern. Der Heilige Stuhl hat innerhalb seiner eigenen Strukturen verschiedene Abteilungen, die sich dem Phänomen des Sports widmen und die Aufgabe haben, ihn zu verfolgen und aus institutioneller, pastoraler und kultureller Sicht zu fördern.

In verschiedenen Ländern arbeiten die nationalen Bischofskonferenzen eng mit nationalen und internationalen Sportverbänden zusammen, um deren Aktivitäten zu unterstützen. In einigen Ländern gibt es seit mehr als einem Jahrhundert kirchliche Sportverbände und -gesellschaften, die sich umfassend an lokalen und nationalen Sportveranstaltungen beteiligen. Diese Organisationen sind in der Lage, Sportgruppen auf nationaler und internationaler Ebene zu verbinden, zu vernetzen und zu koordinieren. Neben dem Apostolat vieler Laien gibt es zahlreiche Priester, die sich in Sportgruppen und -vereinen innerhalb ihrer Pfarrei und in Amateursportverbänden engagieren oder als Seelsorger in Profisportvereinen oder bei den Olympischen Spielen tätig sind.

Eine Kirche auf dem Weg nach draußen

Der Sport ist ein Bereich, in dem die Einladung, eine offene Kirche zu sein, und zwar ohne Mauern und Grenzen, aber mit Plätzen und Sportanlagen, konkret gelebt werden kann.

Viel mehr als andere Kontexte kann der Sport unterdrückte und am Rande stehende Menschen, Immigranten, Einheimische, Reiche, Mächtige und Arme einbeziehen, die alle das gleiche Interesse und manchmal sogar den gleichen Sportplatz teilen. Für die Kirche bietet sich eine solche Realität als eine Möglichkeit, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen zusammenzubringen. Wenn die Kirche jeden Einzelnen persönlich willkommen heißen will, so öffnet sie sich damit der ganzen Welt. So sagt Papst Franziskus: „Der Weg der Kirche ist genau der, aus der eigenen Umzäunung herauszugehen, um in den grundlegenden Randgebieten der Existenz die Fernen aufzusuchen. [...] Nicht nur jene, die an unsere Tür klopfen, mit dem Mut, der dem Evangelium entspricht, aufnehmen und eingliedern, sondern hinausgehen, sich aufmachen und ohne Vorurteile und Angst die Fernstehenden suchen und ihnen gegenleistungsfrei das offenbaren, was wir selber gegenleistungsfrei empfangen haben.“<ref> Papst Franziskus, Predigt bei der Eucharistiefeier mit den neuen Kardinälen (15. Februar 2015).</ref>

Orte des Austauschs

In vielen Teilen der Welt gibt es bereits die Tradition, junge Menschen, die sich oft zu Spielen und Sport treffen, in kirchlichen Räumlichkeiten zu begrüßen. Im heutigen multikulturellen Kontext werden solche Räume zu Orten, die den friedlichen Austausch zwischen Gemeinschaften, Kulturen und Religionen ermöglichen. Wie bereits gesagt, erachtet die Kirche diese dynamischen Prozesse, die das Gefühl der Einheit der Menschheitsfamilie fördern können, als äußerst wertvoll. Diese Orte können nach den Worten von Papst Benedikt XVI. auch einen Dialog mit denen ermöglichen, „denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten“.<ref> Papst Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium und die Mitglieder der römischen Kurie (21. Dezember 2009).</ref> Er spricht von der Sendung der Kirche gegenüber diesen Menschen: „Ich denke, so eine Art ‚Vorhof der Heiden‘ müsse die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient.“<ref> Ebd.</ref>

Die Kirche hat viele Möglichkeiten, sich an der sportlichen Realität von heute zu beteiligen, die umso relevanter sind, als sie im Einklang mit der umfassenderen Sendung der Kirche selbst stehen.

5.2 Der Sport ist in der Kirche zu Hause

Die vom kirchlichen Lehramt vertretene Vision des Sports nahm in einem aktiven pastoralen Projekt Gestalt an, das im Wesentlichen in dem Engagement für die Erziehung des Menschen zum Ausdruck kommt, die wiederum zu einem sozialen Engagement für die Gemeinschaft führt.

Sport als Bildungserlebnis

Wichtiger als der Sport ist der Mensch, der nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Der Mensch existiert nicht in Abhängigkeit vom Sport, sondern im Gegenteil, der Sport muss im Dienste des Menschen für dessen ganzheitliche Entwicklung stehen.

Wie bereits erwähnt, ist der Mensch eine Einheit von Körper, Seele und Geist: Das bedeutet, dass die körperliche Erfahrung des Spiels und des Sports die anderen Ebenen des Menschen, nämlich die Seele und den Geist, mit einbezieht und auch beeinflusst. Aus diesem Grund ist der Sport an der ganzheitlichen Erziehung des Menschen beteiligt: Papst Franziskus hat uns ermutigt, Spiel und Sport als Möglichkeiten für einen Weg der ganzheitlichen Erziehung des Menschen zu betrachten, einen Weg, der den Verstand, das Herz und die Hände umfasst, beziehungsweise das, was wir denken, was wir fühlen und was wir tun.

Nach Ansicht des Heiligen Vaters ist die formale Bildung heute zu sehr dem „intellektuellen Technizismus“ und der „Sprache des Verstandes“ verschrieben.<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer am Weltkongress zum Thema Erziehung, den die Kongregation für das Katholische Bildungswesen organisiert hat (21. November 2015).</ref> Er ermutigt zur Offenheit und Akzeptanz von nicht-formalen Bildungswegen, wie zum Beispiel dem Sport. Wie er sagte, „gibt es keinen Humanismus“, wenn man nur auf strengen Wegen der Erziehung und der formalen Bildung unterwegs ist, und „wo es keinen Humanismus gibt, kann Christus nicht eintreten!“<ref> Ebd.</ref>

Sport und das katholisches Bildungswesen

Wie kann die Kirche damit beginnen, körperliche Aktivität und Sport in ihr organisatorisches Gefüge zu integrieren? Wie kann die Vision der Kirche vom Sport die Bischofskonferenzen, Diözesen und Pfarreien erreichen? Dies könnte vielleicht mit der Schaffung eines klaren Sportapostolats beginnen. Dieses Apostolat würde das Engagement der Kirche für den Menschen durch den Sport konkret sichtbar machen und dazu beitragen, die verschiedenen Organe der Kirche für ein aktives Engagement im Sport zu vernetzen.

Von Anfang des Christentums an entwickelte sich der Sport zu einer wirkungsvollen Metapher für das christliche Leben: Der Apostel Paulus zögerte nicht, den Sport zu den menschlichen Werten zu zählen und nutzte ihn als Chance und Gelegenheit zum Dialog mit den Menschen seiner Zeit. Daher können wir sagen, dass Sport, Spiel und andere spielerische Aktivitäten dazu beitragen, dass junge Menschen ein tieferes Verständnis der Schriften, der Lehren der Kirche oder der Sakramente erlangen.

Wenn Sport unter Wahrung der Würde des Menschen gelebt wird und frei von wirtschaftlichen, medialen oder politischen Interessen ist, dann kann er zu einem Lebensmodell werden. „Wenn das der Fall ist“, sagte Papst Franziskus, „geht der Sport über die Ebene der reinen Körperlichkeit hinaus und führt uns in die Arena des Geistes und sogar des Geheimnisses“.<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Weltkonferenz über Sport und Glauben, die der Päpstliche Rat für die Kultur organisiert hat (5. Oktober 2016).</ref> Um Menschen auf christliche Weise zu erziehen, müssen wir sie zu menschlichen Werten in allen Dimensionen der Realität führen, einschließlich der Transzendenz. Das ist die tiefe Bedeutung des Sports: die Fähigkeit, zur Fülle des Lebens erziehen zu können und sich der Transzendenz zu öffnen.

Sport ist auch der Weg, um jungen Menschen die Kardinaltugenden der Stärke, der Mäßigung, der Umsicht und der Gerechtigkeit näher zu bringen, und sie bei ihren Bemühungen zu begleiten. In der Welt der Leibeserziehung war der Heilige Johannes Bosco, damals nur ein junger Priester aus Turin, wahrscheinlich der erste katholische Erzieher, der 1847 die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für die ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit des jungen Menschen erkannte. Für Don Bosco bedeutet Sporterziehung, die persönliche Begleitung der jungen Menschen und den gegenseitigen Respekt, auch im sportlichen Wettkampf, zu fördern.

Sport als Impulsgeber für eine Kultur der Begegnung und des Friedens

In einer von Migration, Nationalismus und Individualität geprägten Welt bemühen sich immer mehr Menschen, mit Kulturen und Traditionen, die sich von ihren eigenen unterscheiden, zusammenzuleben. Begrenzungen und Grenzen werden kontinuierlich gezogen und dann wieder verändert. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Sport eine der wenigen Realitäten ist, die in der Lage sind, die Grenzen zwischen Religionen und Kulturen zu überwinden. Der Aufruf der Weltkirche, für die Einheit der gesamten Menschheit zu arbeiten, erhält eine besondere Bedeutung, wenn man ihn im Zusammenhang mit dem Sport betrachtet. In diesem Sinne geht die Katholizität Hand in Hand mit dem Geist des Sports. In der Welt des Sports kann die Kirche eine bedeutende Rolle spielen, indem sie dazu beiträgt, Brücken zu bauen, Türen zu öffnen und gemeinsame Aktionen zu fördern, die die Gesellschaft gleichsam als „Sauerteig“ durchdringen.

Sport als Werk der Barmherzigkeit

Sport kann auch eine großartige Gelegenheit sein, Menschen nahezukommen, die ausgegrenzt werden oder ein schweres Leben führen. Es gibt viele internationale Institutionen, private und gemeinnützige Organisationen, die den Sport als Möglichkeit fördern, junge Menschen, die in gefährdeten Umgebungen leben, die von Gewalt, Mobbing, Drogenkonsum und -handel geprägt sind, zu integrieren. Viele christliche Gemeinschaften auf der ganzen Welt sind bereits in Projekten und Initiativen engagiert, die die sportliche Praxis, Training und Veranstaltungen als Werkzeug benutzen, um junge Menschen vor Drogen und Gewalt zu schützen.

Sport schafft eine Kultur der Inklusion

Da der Sport kostbare Werte für den Menschen mit sich bringt, sollte jeder, der den Wunsch hat, ihn auszuüben, auch die Möglichkeit dazu haben. Dies gilt insbesondere für arme Menschen oder benachteiligte Kinder, Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, für Menschen ohne Heimat oder Flüchtlinge. In vielen Teilen der Welt sind Mädchen und Frauen vom Recht auf Ausübung sportlicher Aktivitäten ausgeschlossen. Jeder kann durch die Möglichkeit zur Teilnahme am Sport eine Bereicherung erfahren. Wenn Spitzensportler zum Beispiel Menschen mit Behinderungen beim Sport zusehen, dann sollten sie sich daran erinnern, dass es wirklich eine Freude ist, am Sport und an Wettkämpfen gegen einen Gegner und sich selbst teilzunehmen. Einige Beispiele helfen, alle wieder auf das humanisierende Potenzial des Sports hin auszurichten.<ref> Vgl. N. WATSON & A. PARKER (Hg.), Sports, Religion and Disability (New York 2015).</ref>

Die Entwicklung der Paralympischen Spiele und der Special Olympics ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass der Sport eine große Möglichkeit zur Inklusion bieten, dem Leben einen Sinn geben und ein Zeichen der Hoffnung sein kann. Auch die Bildung des ersten Olympischen Flüchtlingsteams bei den Olympischen Spielen 2016 sowie die Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen sind wichtige Initiativen, die deutlich machen, dass das Gute, das der Sport hervorbringt, auch für Menschen gelten kann, die ihr Land verlassen mussten oder unter Entbehrungen und in Armut leben, indem ihnen die Möglichkeit zur Beteiligung geboten wird.

5.3 Das Umfeld der Sportpastoral

Die Verpflichtung der Kirche besteht darin, dafür zu sorgen, dass der Sport eine Erfahrung bleibt, die dem Leben der Menschen Sinn und Bedeutung verleiht, egal auf welcher Ebene er gefördert oder ausgeübt wird und in welchem Umfeld oder Ort er organisiert wird. Der Sport muss immer auf die ganzheitliche Ausbildung der Person, die Verbesserung der gesellschaftlichen Bedingungen und den Aufbau sinnvoller zwischenmenschlicher Beziehungen ausgerichtet sein. Deshalb ist die Sportpastoral für viele Gebiete geeignet und kann in vielen Bereichen gefördert werden.

Eltern als erste Ausbilder

Eltern sind oft die ersten Lehrer ihrer Kinder in den Bereichen Glaube und Sport. Wenn es nicht die Eltern selbst sind, die dem Kind beibringen, wie man einen Ball wirft, dann sind sie es zumindest, die ihre Kinder in einem Sportverein anmelden, sie ermutigen, sich in einer Leistungsgruppe zu versuchen, oder sie zum Training und zu Spielen bringen. Oft schauen sie bei einem Wettkampf zu, um ihren Nachwuchs anzufeuern. Alle diese Beispiele zeigen uns, wie Sport in vielen Fällen eine Quelle der Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern sein kann. Diese Verbindung ermöglicht es Eltern, ihre Kinder über die Tugenden und Werte des Sports zu informieren. Wenn der Sport einerseits Gefahr läuft, eine Familie zu spalten oder die Heiligkeit des Sonntags als Tag des Herrn nicht mehr zu achten, kann er andererseits einer Familie auch dabei helfen, den Sonntag mit anderen Familien zu feiern, nicht nur in der Liturgie, sondern auch im Gemeinschaftsleben. Das bedeutet nicht, dass es sonntags keine Sportveranstaltungen geben soll, sondern dass diese Veranstaltungen die Familie nicht daran hindern sollen, am Gottesdienst teilzunehmen und das Familienleben in der Gemeinschaft fördern sollen.

Pfarreien (und Jugendfreizeiten oder Jugendzentren)

Papst Franziskus sagte: „Es ist schön, wenn es in der Gemeinde einen Sportverein gibt, und wenn es in der Gemeinde keine Sportgruppe gibt, dann fehlt etwas.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Centro Sportivo Italiano (CSI) anlässlich des 70. Gründungsjahres (7. Juni 2014).</ref> Diese Sportgruppe muss jedoch im Einklang mit den Zielen der Gemeinde aufgebaut und in einem Bildungs- und Pastoralprojekt fest verankert sein. Die Sportgruppe in der Pfarrei ist auch eine Gelegenheit für junge Menschen, sich mit Gleichaltrigen bei diözesanen oder nationalen Veranstaltungen zu treffen. Darüber hinaus könnten und sollten die Pfarreien nicht nur den Sport für Jugendliche, sondern auch für ältere Menschen fördern.

Jede gesunde und echte menschliche Realität ist letztendlich dazu bestimmt, sich in der Kirche widerzuspiegeln. Die Kirche sollte mit der Welt des Sports Schritt halten und die Zeichen der Zeit auch in diesem Bereich beobachten. Die Priester sollten mit der Welt des zeitgenössischen Sports und seiner Entwicklungen vertraut gemacht werden, insbesondere da diese das Leben der jungen Menschen beeinflussen und gegebenenfalls Glaube und Sport während der Predigt miteinander verbinden können.

Schulen und Universitäten Schulen und Universitäten sind die idealen Orte, um die Idee eines Sports zu fördern, der auf Bildung, Inklusion und menschliche Förderung ausgerichtet ist. Eltern und Familien spielen im Dialog mit Lehrern und Schulleitung eine wichtige Rolle, um den Schulsport so zu gestalten, dass er der ganzheitlichen Entwicklung der Schüler dient. Universitäten in vielen Ländern haben bereits die Aufgabe übernommen, Sport zu erforschen. Bildungsorientierte Kurse und Forschungsprogramme bilden zukünftige Trainer, Sportmanager, Sportwissenschaftler und Geschäftsführer aus und qualifizieren sie. Dieses Umfeld stellt für die Kirche eine großartige Gelegenheit dar, mit denjenigen in einen Dialog zu treten, die eine besondere erzieherische Verantwortung gegenüber den Sportlern von heute und morgen haben und die die Entwicklung eines Sports im Dienste des Menschen und den Aufbau einer besseren Gesellschaft beeinflussen können.

Amateursportvereine und -verbände

Trainer und Sportmanager haben einen großen Einfluss auf ihre Athleten, sodass pastorale und erzieherische Aktivitäten eine Zusammenarbeit mit ihnen erfordern. So muss die Besonderheit der Arbeit von Sportvereinen und -verbänden nicht nur anerkannt werden, sondern es ist auch unerlässlich, den Dialog mit ihnen zu suchen, insbesondere in Fragen der pädagogischen und kulturellen Planung.

Profisport

Hochleistungs- und Profisport ist eine internationale Realität, die Spieler, Zuschauer und Fans, Sportorganisationen, Medien, Marketingunternehmen und sogar Regierungsinstitutionen umfasst. Es ist ein Phänomen mit großer kommunikativer Wirkung, das nicht nur junge Menschen und Sportbegeisterte, sondern auch den Lebensstil der Gesellschaft insgesamt beeinflussen kann.

Aus diesen Gründen muss die Kirche die Entwicklung besonderer Fähigkeiten weiter vertiefen und Sportseelsorger oder Berater ausbilden, die bei der pastoralen und geistlichen Betreuung von Trainern und Athleten helfen, die an internationalen Sportveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder einer Weltmeisterschaft teilnehmen.

Die Kirche sollte spezifische pastorale Projekte entwickeln, um Spieler und Sportler zu begleiten, von denen viele großen Einfluss auf die Welt des Sports und darüber hinaus haben. Ein Teil dieser Begleitung ist es, diesen Athleten zu helfen, die tiefere Bedeutung der Ausübung des Sports nicht aus den Augen zu verlieren. „Diese professionelle Dimension darf nie die ursprüngliche Berufung eines Sportlers oder einer Mannschaft außer Acht lassen: ‚Amateur‘<ref> In diesem Dokument bezieht sich der Begriff Amateur auf einen Athleten, der einen Sport aus Liebe zum Sport und nicht allein aus wirtschaftlichen Interessen ausübt.</ref> zu sein. Ein Sportler tut der Gesellschaft auch als Profi gut, wenn er diese Dimension des Amateurs pflegt, er baut das Gemeinwohl auf – ausgehend von den Werten der Selbstlosigkeit, der Kameradschaft, der Schönheit.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Fußball-Nationalmannschaften von Argentinien und Italien (13. August 2013).</ref> Die Kirche sollte diese Athleten auf ihrem persönlichen Weg begleiten und sie dabei unterstützen, ihre Verantwortung als Botschafter der Menschheit zu erkennen und zu entwickeln.

Die pastorale Begleitung und geistliche Betreuung muss auch nach der sportlichen Karriere eines Athleten fortgesetzt werden.

Wir haben viel zu oft Spitzensportler und Athleten gesehen, die am Ende der Ausübung ihres Sports in Depressionen und Leere versunken und manchmal in die Spirale von Alkoholismus und Drogen geraten sind. Ein strukturiertes Begleitprojekt kann diesen Menschen helfen, ihre Identität, vielleicht zum ersten Mal außerhalb des Sports, wiederzufinden. Im tiefsten Sinne rühren ihre Identität und ihr Wert daher, dass sie nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden, der sie weiterhin, wenn auch auf neue Weise, beruft. Die Seelsorge der Sportler nach Beendigung ihrer Karriere soll ihnen daher helfen, ihre Talente und Gaben auch im weiteren Verlauf des Lebens wieder ins Spiel zu bringen.

Heute machen die Zuschauer einen wesentlichen Teil der Welt des Profisports aus. Überall auf der Welt dreht es sich in den Fanclubs, auf Online-Plattformen und beim Merchandising um die Zuschauer. Fans leben ihre Leidenschaft für den Sport oft in vollen Zügen aus, was zu Exzessen und Ausartungen führen kann. Gemeinsam mit führenden Vertretern anderer Religionen kann die Kirche dabei helfen, den Sport aus der richtigen Perspektive zu betrachten. Zwar sind Spiel und Sport einerseits positive Dinge, denen man mit Leidenschaft und Freude folgen kann, aber sie sind nicht das Wichtigste im Leben.

Medien als Brücke

Die Medien gehören zu den wichtigsten Gesprächspartnern der Kirche, wenn es um den Sport geht. Es sind die Medien – und insbesondere die sozialen Medien –, die in den Augen der Öffentlichkeit das Bild des Sports prägen. Die Kirche mit ihrer weitreichenden aktiven Social-Media-Plattform kann daher eine bedeutende Rolle spielen, indem sie mit der Öffentlichkeit und den Sportbeobachtern in Kontakt tritt.

Auf jeden Fall sollte sich die Kirche deutlich über die Ereignisse und Probleme in der Welt des Sports äußern. Tatsächlich sind sich die Gläubigen selten bewusst, dass die Kirche den Sport akzeptiert und eine positive Meinung dazu hat. Diese Aussagen sollen langfristig dazu beitragen, der jüngeren Generation die Kirche näher zu bringen.

Fachwissenschaften

Die Kirche sollte auch offen sein für den Dialog mit denjenigen, die in den Bereichen Sportwissenschaft und Medizin arbeiten. Hierdurch kann die Kirche ein breites Wissen über die Realität des zeitgenössischen Sports gewinnen, um kompetente und genaue Überlegungen anzustellen. Vor allem soll dies ermöglichen, unser Verständnis dafür zu vertiefen, wie wir die Ausübung des Sports und dessen Kontext so ausrichten können, dass er einer Kultur des Körpers im Dienste des ganzen Menschen entspricht. Der Dialog der Kirche mit anderen Wissenschaften, wie den Human- und Sozialwissenschaften, kann wichtige Erkenntnisse über den Sport und die Möglichkeiten, wie er zu einer lebenslangen, gemeinnützigen Tätigkeit wird, vermitteln.

Neue Plätze für Sport

Fitnesscenter und Parks sind auch Orte, an denen man Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Menschen begegnen kann, die an einer Kultur des Wohlbefindens interessiert und offen für eine ganzheitliche Interpretation des Lebens, der Einheit von Körper, Geist und Seele sind.

Neben den traditionellen Sportstätten sollte auch auf informelle Orte geachtet werden, an denen Menschen, insbesondere junge Menschen, die vorgegebenen Strukturen ablehnend gegenüberstehen, neue Formen des Straßensports (Street sports) praktizieren.

Das Risiko dieser Form des Sports besteht darin, dass Sport im Alleingang betrieben wird, wobei der Individualismus gefördert wird, der keinen Raum für einen pädagogischen oder sozialen Ansatz bietet. Auch der Dialog mit den Sportmedien und dem elektronischen Sport ist dringend erforderlich.

5.4 Die Betreuung von Seelsorgekräften im Sport

Ohne eine Bildungsstrategie gibt es keine Sportpastoral. Dazu gehört die aktive Beteiligung all jener, die sich auf verschiedene Weise dafür entschieden haben, der Kirche über den Sport zu dienen. Die Kirche braucht Pädagogen und keine bloßen Arbeitnehmer. Die Sportpastoral kann nicht improvisiert werden, sondern man braucht Menschen, die bereit und motiviert sind, die erzieherische Bedeutung des Sports wieder zu entdecken und sich in den Dienst einer christlichen Sicht des Sports zu stellen.

Sportpädagogen

Im Sport spielen Trainer, Schiedsrichter, Lehrer und Manager eine grundlegende Rolle für die Einstellung von Spielern und Athleten. Eine auf sie zugeschnittene Pastoral trägt dazu bei, dass sie einen am Menschen orientierten Sport fördern. Tatsächlich sind viele von ihnen ständig auf der Suche nach dem besten, vollständigsten und umfassendsten Trainingsprogramm für ihre Spieler.

Die Kirche muss offen sein für den Dialog mit den Ausbildungsstätten im Bereich Sport, für die Zusammenarbeit mit ihnen oder für die Förderung von Schulungen zu den pastoralen Aspekten des Sports. Die Sportpastoral erfordert Materialien, persönliche Begegnungen, hochspezialisierte Workshops für Ausbilder, die auch spirituelle und kirchliche Orientierung beinhalten und sie darauf vorbereiten, Zeugen zu sein und „den Herrn Jesus in Wort und Tat verkünden, also Werkzeug seiner Gegenwart und Wirksamkeit in der Welt werden“.<ref> KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung (3. Dezember 2007), 2: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 180 (Bonn 2007), S. 6.</ref>

Familie und Eltern

Der Dialog mit der Familie, insbesondere mit den Eltern, ist ein wesentlicher Aspekt bei der Förderung einer organischen und kontinuierlichen Seelsorge, die sich vor allem an Kinder und Jugendliche richtet. Es ist wichtig, dass die Familien die erzieherischen und pastoralen Ziele kennen und teilen. Das bedeutet nicht, dass diese Empfehlung bezüglich des Sports eine konfessionelle Angelegenheit sein sollte, aber sie kann sicherlich nicht wertneutral sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, Begegnungen und Diskussionen mit den Eltern zu ermöglichen, um ihnen die Ziele der angebotenen Pastoral zu vermitteln, sie zur Teilnahme zu bewegen und ihnen bewusst zu machen, dass die Rolle der Trainer und Sportmanager zu respektieren ist.

Ehrenamtliche

Die Welt des Sports ist dank des tatkräftigen Einsatzes von Ehrenamtlichen gewachsen und hat sich weiterentwickelt. Freiwilligenarbeit spielt eine grundlegende Rolle, die über technische und organisatorische Zuständigkeiten hinausgeht. Durch ihre Entscheidungen und ihr Zeugnis halten die Ehrenamtlichen die Kultur des Gebens und der Unentgeltlichkeit am Leben. Freiwillige Helfer unterstützen den Sport dabei, Dienst am anderen zu leisten und sich nicht nur auf die wirtschaftliche und organisatorische Dimension zu konzentrieren. Diese Menschen brauchen Unterstützung, um sich zu entfalten, ihre Motivation aufrechtzuerhalten und sich optimal in das Organisationsgefüge des Sports zu integrieren.

Priester und Personen des geweihten Lebens

Die pastorale Präsenz der Priester und Ordensleute in der Welt des Sports dient der Unterstützung des pädagogischen Projekts und der spirituellen Begleitung des Athleten. Dieses Engagement kann nicht abstrakt und in „intellektueller Ausdrucksweise“, losgelöst vom Alltag, erfolgen. Die Welt des Sports ist eine einladende Welt, aber sie verlangt nach aufmerksamen und respektvollen Seelsorgern, die sich der Dynamik des Sports, seiner Strukturen sowie der für den Sport notwendigen besonderen Fähigkeiten bewusst sind.

Es ist wichtig, dass die Sportpastoral in die Ausbildung derjenigen einbezogen wird, die sich auf den Priesterberuf vorbereiten, und es wäre nützlich, wenn sie die Möglichkeit hätten, während ihrer Studienzeit in den Seminaren Sport auszuüben. In vielen Seminaren auf der ganzen Welt werden bereits sportliche Aktivitäten ausgeübt, auch in strukturierter und gut organisierter Form.

5.5 Einige grundlegende Elemente für ein pastorales Engagement durch den Sport

Die Schönheit des Sports im Dienste der Erziehung

Sport ist ein pastorales Gut und muss daher in angemessener Form gefördert werden. Der Sport hat seine eigenen Regeln, seine eigene Besonderheit, seine eigene Schönheit und sollte unter Gewährleistung der besten technischen und organisatorischen Qualität gefördert werden. Die Schönheit der sportlichen Betätigung, die Qualität der fachlichen Ausbildung und die organisatorische Effizienz sind jedoch nicht die obersten Ziele.

Sport kann starke Leidenschaften und Emotionen hervorrufen, aber die Aufgabe der Pastoral ist nicht auf die emotionale Ebene beschränkt, sondern es gilt, langfristig den Alltag nachhaltig zu beeinflussen. Die pastorale Aufgabe des Sports ist es, zu empfangen, zu begleiten, zu leiten und Gründe für Hoffnung und Wahrheit aufzudecken. Es ist ein Weg, der nicht in einem Ereignis endet, sondern der kontinuierlich und jeden Tag weitergegangen werden muss.

Sport zum Wiederaufbau des Erziehungspaktes

„Wir werden die Welt nicht verändern, wenn wir die Erziehung nicht verändern.“<ref>Papst Franziskus, Ansprache zum Abschluss des 4. Weltkongresses der Scholas Ocurrentes (5. Februar 2015).</ref> Um effektiv zu sein, muss ein Sportpastoralprojekt ein Netzwerk zwischen Familien, Schulen und öffentlichen Einrichtungen schaffen. Wenn wir auf die Bildung und Erziehung Einfluss nehmen wollen, sollte man nicht in „voneinander getrennten Bereichen“ arbeiten. „Wir möchten auf irgendeine Weise die Anstrengungen aller für die Erziehung wieder integrieren, möchten den Erziehungspakt auf harmonische Weise wiederherstellen, denn nur so, wenn wir alle, die wir für die Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen verantwortlich sind, harmonisieren, wird die Erziehung sich ändern können.“<ref>Ebd.</ref> In diesem Netzwerk sollte die Kirche eng und in gegenseitigem Respekt mit den zuständigen Stellen zusammenarbeiten, um ihre eigene kulturelle Vision des Sports im Dienste des Menschen, eines Geschöpfes, das von Gott geliebt und nach seinem Ebenbild geschaffen wurde, zu fördern.

Sport im Dienste der Menschheit

Papst Johannes Paul II. erinnert an die „Relativität des Sports gegenüber dem Primat der Person, sodass der subsidiäre Wert des Sports im schöpferischen Prozess Gottes betont wird. So muss auch der Sport in der Dimension des Dienstes und nicht in der des Profits gesehen werden. Wenn wir die Ziele der Humanisierung im Auge behalten, kommen wir nicht umhin, die unverzichtbare Aufgabe wahrzunehmen, den Sport immer mehr in ein Instrument zur Erhebung des Menschen auf das übernatürliche Ziel hin zu verwandeln, zu dem er berufen ist“.<ref>Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der nationalen Tagung der Italienischen Bischofskonferenz (25. November 1989).</ref>

Das bedeutet, dass ein pastorales Projekt den Menschen, der eine bewundernswerte Einheit von Körper, Geist und Seele bildet, in den Mittelpunkt stellen muss. Der Sport sollte unter größtmöglicher Achtung vor dem Menschen gefördert und ausgeübt werden und auf sein ganzheitliches Wachstum ausgerichtet sein. Der Athlet darf nicht auf ein bloßes Instrument zur Erzielung sportlicher Ergebnisse reduziert werden, die heute allzu sehr mit wirtschaftlichen oder politischen Zwecken verbunden sind.

Das Spiel als Grundlage des Sports

Sport ist eine Untergruppe des Spiels und das Spielen ist die Grundlage des Sports auf allen Ebenen. Wie Papst Franziskus sagt, ist es wichtig, „dass der Sport ein Spiel bleibt! Nur dann, wenn er ein Spiel bleibt, tut er dem Körper und dem Geist gut“.<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Centro Sportivo Italiano (CSI) anlässlich des 70. Gründungsjahres (7. Juni 2014).</ref> Es ist besonders wichtig, dass der Sport für junge Menschen im Bildungs- und Erziehungsbereich ein Spiel bleibt. In seinen Überlegungen darüber, welchen Weg die Erziehung heute einschlagen sollte, sagte Papst Franziskus: „Darüber hinaus muss man das für die Person Konstitutive suchen, die grundlegende Gesundheit, die Spielfähigkeit, die kreative Fähigkeit des Spiels. Das Buch der Weisheit sagt, dass Gott spielte, die Weisheit Gottes spielte. Das Spiel wiederentdecken als erzieherischen Weg, als erzieherischen Ausdruck. Dann ist Erziehung nicht mehr nur Information, sie ist Kreativität im Spiel. Diese spielerische Dimension, die uns wachsen lässt in der Kreativität und in der Arbeit zugleich.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache zum Abschluss des 4. Weltkongresses der Scholas Ocurrentes (5. Februar 2015).</ref>

Teamarbeit gegen Individualismus

In diesem Dokument wurde bereits betont, dass derjenige, der Sport treibt, „das Vergnügen, die Schönheit spürt, die mit dem Spiel als Teil einer Mannschaft verbunden sind. Das ist sehr wichtig für das Leben“.<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Centro Sportivo Italiano (CSI) anlässlich des 70. Gründungsjahres (7. Juni 2014).</ref>

„Die Mitgliedschaft in einem Sportverein bedeutet, dass man jede Form des Egoismus und der Selbstisolierung ablehnt. Sie ist eine Gelegenheit, anderen Menschen zu begegnen und mit ihnen zusammen zu sein, sich gegenseitig zu helfen, den Wettkampf in gegenseitiger Achtung auszutragen und in der Brüderlichkeit zu wachsen.“<ref> Ebd.</ref> Die sportliche Erfahrung fördert unmittelbar die Dynamik von Freundschaft und Miteinander, die, wenn sie gepflegt und wertgeschätzt werden, über den Spielfeldrand hinausgehen und zu einer Gelegenheit werden können, enge und dauerhafte Beziehungen aufzubauen.

Sport für alle

Sport schafft Empathie, bringt Menschen aus allen Lebensbereichen zusammen und bringt eine Kultur der Begegnung hervor. Er muss der „Wegwerfkultur“ entgegenwirken und aufgeschlossen, einladend und integrativ sein. Der Sport muss auch die Integration von Menschen mit Behinderungen gewährleisten. „Alle sollen spielen, nicht nur die Besten, sondern alle, mit allen Vorzügen und Grenzen, die jeder einzelne hat, es sollen vielmehr jene bevorzugt werden, die am meisten benachteiligt sind, so wie es Jesus getan hat.“<ref> Ebd.</ref> Auf diese Weise wird „der Sport zu einem echten Dienst am Wachstum der Gemeinschaft“.<ref> Papst Johannes Paul II., Ansprache an den Turiner Fußballclub „Juventus“ (23. März 1991).</ref>

Eine ökologische Vision des Sports

Die Epoche, in der wir leben, ist nicht einfach eine Epoche des Wandels, sondern der Wandel einer Epoche, ein Wandel, der durch die technologische und digitale Revolution beschleunigt wird. Die heutigen jüngeren Generationen sind stark von diesen Veränderungen beeinflusst und selbst der Sport ist betroffen. Das Vorhandensein von e-Sports (elektronischer Sport) und neuen Formen des Dopings, die sich aus der technologischen Entwicklung und neuen Entdeckungen im medizinischen Bereich ergeben, sind nur die Spitze des Eisbergs eines Phänomens, das zunehmend tiefer in den Sport eindringt.

Während die technologische und digitale Revolution der Menschheit große Vorteile bringt, und dies auch anzuerkennen ist, hat das vorherrschende technokratische Paradigma heute beunruhigende Auswirkungen. Laut Papst Franziskus zeigen sich diese durch verschiedene Symptome, „wie zum Beispiel die Umweltverschmutzung, die Angst und der Verlust des Lebens- und Gemeinschaftssinns“.<ref> Papst Franziskus, Enzyklika Laudato siʼ über die Sorge für das gemeinsame Haus (24. Mai 2015), 110: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 202 (4., korrigierte Auflage – Bonn 2018), S. 82 (vgl. Nrn. 107, 108).</ref>

In diesem Zusammenhang kann der Sport gegen den Strom schwimmen, da er es jungen Menschen ermöglicht, sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, auch wenn sie manchmal aus unterschiedlichen Lebensverhältnissen kommen. Während sie in einer Mannschaft spielen, d. h. sich mit etwas beschäftigen, das für sie von großer Bedeutung ist, lernen sie, konkret mit der Dynamik der zwischen ihnen bestehenden Konflikte umzugehen. Sie haben auch die Möglichkeit, sportlich mit Menschen aus anderen Gruppen ihrer Gesellschaft, ihres Landes oder der Welt zusammenzutreffen und so ihren persönlichen Wissenshorizont zu erweitern. Solche Erfahrungen helfen jungen Menschen zu verstehen, dass sie Teil einer größeren Realität sind, als sie sich vorstellen können, und dass sie eine Erfahrung leben, die ihrem Dasein einen Sinn und ein Ziel geben kann.

Schlussfolgerungen

Sport ist ein Umfeld, in dem viele junge Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen – und nicht nur die – lernen, ihr Bestes zu geben. Diese Erfahrungen können ein „Zeichen der Transzendenz“ sein.<ref> Vgl. P. L. BERGER, A Rumour of Angels: Modern Society and the Rediscovery of the Supernatural (New York 1969).</ref> Dieses Dokument hat gezeigt, wie man durch die Ausübung eines Sports Freude erleben, verschiedenen Menschen begegnen, Gemeinschaft bilden sowie in der Tugend und der Selbstüberwindung wachsen kann; der Sport kann uns somit etwas über den Menschen und sein Schicksal lehren.

In seiner Rede 2014 vor den Mitgliedern des Katholischen Sportverbands Italiens (CSI) forderte Papst Franziskus seine Zuhörer und uns alle heute auf, unser Bestes zu geben, und zwar nicht nur im Sport, sondern in unserem ganzen Leben: „Und gerade weil ihr Sportler seid, fordere ich euch dazu auf, nicht nur zu spielen – wie ihr ja bereits tut –, sondern da ist noch etwas: Bringt euch ins Spiel im Leben wie im Sport. Bringt euch ins Spiel auf der Suche nach dem Guten, in der Kirche und in der Gesellschaft, furchtlos, mutig und voller Begeisterung. Bringt euch mit den anderen und bei Gott ins Spiel. Sich nicht mit einem mittelmäßigen ,Unentschiedenʻ zufrieden geben, das Beste geben, indem man sich im Leben für das einsetzt, was einen wahren Wert besitzt und das für immer ist.“<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Mitglieder des Centro Sportivo Italiano (CSI) anlässlich des 70. Gründungsjahres (7. Juni 2014).</ref>

Brief von Papst Franziskus an Kardinal Kevin Farrell, Präfekt des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben

'An meinen verehrten Bruder S. Em. Kevin Kardinal Farrell!

Mit Freude erhielt ich die Nachricht von der Veröffentlichung des Dokuments „Dare il meglio di sé“ („Sein Bestes geben“) zur christlichen Sicht auf den Sport und den Menschen, das vom Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben mit dem Ziel erarbeitet wurde, die kirchliche Rolle in der Welt des Sports zu beleuchten und darzulegen, inwiefern der Sport ein Werkzeug der Begegnung, der Bildung, der Sendung und Heiligung sein kann.

Der Sport ist ein Ort der Begegnung, an dem sich Menschen aller sozialen Schichten und aller Lebensumstände zusammenfinden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. In einer vom Individualismus und von der Kluft zwischen Jung und Alt geprägten Kultur bildet der Sport einen herausgehobenen Bereich, in dem Menschen einander ohne Unterschied der Ethnie, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung begegnen können und in dem erlebbar wird, welche Freude es bereitet, im Wettkampf ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen sowie Mitglied einer Mannschaft zu sein, die Siege teilt und Niederlagen bewältigt. Das hilft uns, uns von der Vorstellung zu verabschieden, wir könnten unsere Ziele nur durchsetzen, indem wir uns auf uns selbst konzentrieren. Der Anderen bedarf es nicht nur als Mannschaftskameraden, auch Funktionäre, Trainer, Fans und die Familie sind hier mit eingeschlossen; kurz gesagt, gemeint sind all jene, die es mit ihrem Einsatz und ihrer Hingabe möglich machen, dass man „sein Bestes gibt“. Dies alles macht den Sport zu einer Quelle von Gemeinschaftserfahrungen, die letztlich die gesamte Menschheitsfamilie umfassen. Wenn etwa Vater und Sohn miteinander spielen oder Kinder in einer Schule oder im Park, wenn Sportler ihren Sieg mit Anhängern feiern, so können wir dort überall den Wert des Sports als eines Ortes der Eintracht und der menschlichen Begegnung erkennen. Im Sport wie im Leben vermögen wir als gemeinschaftliches Team Großartiges zu vollbringen!

Der Sport ist auch ein Bildungsinstrument. Heute vielleicht mehr denn je, müssen wir unser Augenmerk auf die Jugend richten, denn je früher der Erziehungsprozess einsetzt, desto ungezwungener verläuft die ganzheitliche Entwicklung eines Menschen durch den Sport. Wir wissen, wie sehr die jüngere Generation auf Sportler schaut und sich für sie begeistert! Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Menschen jeden Alters und jedes Leistungsvermögens am Sport teilnehmen, denn wer zur Welt des Sports gehört, verkörpert Tugenden wie Hochherzigkeit, Demut, Opferbereitschaft, Beständigkeit und Freundlichkeit. In gleicher Weise soll damit ein Beitrag zur Förderung von Teamgeist, gegenseitigem Respekt, gesunder Konkurrenz und zur Solidarität mit anderen geleistet werden. Es ist für uns alle von größter Wichtigkeit, sich der Bedeutung sportlicher Vorbilder bewusst zu sein, denn ein guter Pflug auf fruchtbarem Boden begünstigt die Ernte, vorausgesetzt der Boden wurde gepflegt und die Arbeit ordentlich verrichtet.

Schließlich möchte ich die Rolle des Sports als eines Mittels zur Sendung und zur Heiligung hervorheben. Die Kirche ist dazu berufen, Zeichen Jesu Christi in der Welt zu sein – auch durch sportliche Aktivitäten in Klöstern, Pfarrgemeinden, Schulen und Vereinen. Jeder Anlass eignet sich also, die Botschaft Christi – „ob gelegen oder ungelegen“ (2 Tim 4,2) – zu verkünden. Daher ist es wichtig, die durch den Sport vermittelte Freude kundzutun und weiterzugeben, denn in ihr erschließen sich ja jene menschlichen Potenziale, die uns dazu anspornen, die Schönheit der Schöpfung und des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen unverhüllt sichtbar werden zu lassen. In Situationen und Lebensumständen, in denen es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist, ihn direkt zu verkünden, kann der Sport einen Weg zu Christus eröffnen; und Menschen, welche die aus dem gemeinschaftlichen Sporttreiben entspringende Freude glaubhaft bezeugen, können zu wahren Überbringern der Frohen Botschaft werden.

Im Sport sein Bestes zu geben bedeutet auch, der Berufung zur Heiligkeit zu folgen. Beim Jugendtreffen zur Vorbereitung der Bischofssynode, das kürzlich stattfand, äußerte ich meine Überzeugung, dass alle jungen Menschen, die – persönlich oder über soziale Netzwerke vermittelt – daran teilnahmen, von dem Wunsch und der Hoffnung beseelt waren, ihr Bestes zu geben. Dieselbe Wendung benutzte ich auch in einem jüngst veröffentlichten Apostolischen Schreiben, in dem ich noch einmal in Erinnerung rief, dass der Herr jeden von uns auf eine einzigartige und ganz besondere Weise zur Heiligkeit beruft. „Worauf es an kommt, ist, dass jeder Gläubige seinen eigenen Weg erkennt und sein Bestes zum Vorschein bringt, das, was Gott so persönlich in ihn hineingelegt hat“ (Gaudete et exsultate, 11).

Wir müssen die enge Verbindung vertiefen, die zwischen Sport und Leben besteht. Beide können sich gegenseitig erhellen, sodass das Bemühen, sich in einer sportlichen Disziplin selbst zu übertreffen, zugleich zum Ansporn werden kann, sich als Mensch in allen Lebensbereichen zu vervollkommnen. Dieses Streben weist uns den Weg, der uns mit Gottes gnädiger Hilfe zu jener Lebensfülle führen kann, die wir Heiligkeit nennen. Der Sport ist eine ungemein reiche Quelle von Werten und Tugenden, die uns zu bessere Menschen machen können. Wie alle trainierenden Athleten kann der Sport auch uns dazu bringen, unser Bestes zu geben, unsere Grenzen ohne Angst zu erkennen und uns täglich um unsere Vervollkommnung zu bemühen. „In dem Maß, in dem er sich heiligt, wird jeder Christ umso fruchtbarer für die Welt“ (ebd., 33). Für christliche Sportler heißt Heiligkeit demnach, den Sport als Möglichkeit zur Begegnung, zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Zeugenschaft und zur Verkündigung der Freude am Christsein inmitten anderer Menschen zu begreifen.

Ich bete zum Herrn, dass dieses Dokument durch die Fürsprache der Seligen Jungfrau sowohl im Rahmen der kirchlichen Sportpastoral als auch außerhalb der Kirche reiche Früchte hervorbringen möge. Alle Sporttreibenden und Seelsorger, die sich zum großen „Team“ des Herrn Jesus zählen, bitte ich, für mich zu beten. Ihnen gelten meine tiefempfundenen Segenswünsche.

Vatikan, am 1. Juni 2018, am Gedenktag des Heiligen Justin des Märtyrers
Franziskus

Anmerkungen

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Weblinks