Sedisvakantismus

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Als Sedisvakantismus (lateinisch: "Lehre vom leeren Stuhl Petri") oder Sedisvakanzthese bezeichnet man die theologische Position, dass der päpstliche Stuhl derzeit vakant bzw. der aktuelle Bischof von Rom nicht rechtmäßiger Papst sei. Es regiere demnach nur ein Scheinpapst bzw. Putativpapst. Der Sedisvakantismus ist Teil des Traditionalismus.

Geschichte

Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Papstes gab es in der Geschichte der Katholische Kirche immer wieder. So zeigt z. B. Dante Alighieri in seiner Göttlichen Komödie starke Zweifel an der Rechtmmäßigkeit von Papst Bonifatius VIII. Ähnlich verhielt es sich bei politisch-religiösen Situationen, die dazu führten, dass mehrere Päpste bzw. Gegenpäpste existierten. Der Sedisvakantismus ist hingegen eine anderes und sehr neues Phänomen, das bisher nicht existierte. Die sedisvakantistische Position beinhaltet nämlich nicht nur Zweifel, sondern die (feste) Überzeugung, dass der Stuhl Petri vakant bzw. illegitimerweise besetzt sei.

Klarzustellen ist, dass man hierbei von einer außerordentlichen Sedisvakanz ausgeht und nicht von einer ordentlichen. Letztere liegt immer in der Zeit vor, wenn ein Papst gestorben und sein Nachfolger noch nicht gewählt ist.

Nach dem II. Vatikanischen Konzil entstanden vermehrt Gruppierungen, die nur die Päpste bis Pius XII. (zum Teil sogar nur bis Pius XI.) als solche anerkennen und alle folgenden als illegitim. Der wahrscheinlich erste Sedisvakantist war der ehemalige Jesuit Joaquín Sáenz y Arriaga <ref> Vgl. die englische Wikipedia: Joaquín Sáenz y Arriaga (Stand: 12. Februar 2015). </ref> .

Ein Teil der Sedisvakantisten bemüht sich um die "Restitution der Kirche als Heilsinstitution" und versucht daher, die möglichst baldige Wahl eines Papstes vorzubreiten. Diese Richtung nennt man auch Konklavisten. Ein anderer Teil der sedisvakantistischen Bewegung hat sich mit dem gegenwärtigen Zustand abgefunden.

Die in Spanien verbreitete "Palmarianisch-katholische Kirche" hat, entgegen häufig zu lesender Behauptungen, nichts mit dem Sedisvakantismus zu tun, denn sie ging nie von einer Vakanz des Apostolischen Stuhls in Rom aus, sondern glaubte aufgrund einer pseudomystischen Privatoffenbarung, dass ihr Gründer als neuer Papst von Gott eingesetzt worden sei. Der Palmarianismus ist nur eine Folgeerscheinung obskurer Privatoffenbarungen, gegen die die Kirche nicht rechtzeitig und konsequent genug vorging.

Argumentation

Eine aktuelle Vakanz des Apostolischen Stuhls wird mit den durch das Konzil vorgenommen Änderungen, die aus Sicht der Sedisvakantisten unvereinbar mit der Lehre der Päpste vor dem Konzil und daher als Häresien anzusehen seien. Infolgedessen seien Päpste, die die Lehren des 2. Vatikanischen Konzils verteidigten, somit Häretiker. Da der Papst laut katholischer Lehre in Glaubens- und Sittenfragen unfehlbar ist, könne ein Häretiker auf keinen Fall (gültiger) Papst sein. Hierbei berufen sie sich auf die Theorie des papa hareticus von Robert Bellarmin oder die Theologie von Alfons Maria von Liguori sowie Lehren der Neuscholastik, denen zufolge der Papst aufgrund absoluter Temerität des Lehramts sein Amt infolge einer Häresie ipso facto verliere. Scheeben vertrat diese Position ausdrücklich. Die Begründung der aktuellen Sedisvakanz wird zwar unterschiedlich formuliert, <ref> Vgl. Muss man gegenwärtig auf den Zustand der Sedisvakanz schließen? (Stand: 12. Februar 2015). </ref> aber alle Sedisvakantisten befassen sich mit diesem Problem.

Eine Richtung der Sedisvakantisten vertritt den sog. Sedisprivationismus, d. h. die Auffassung, der Heilige Stuhl sei lediglich de jure, also formaliter unbesetzt, aber de facto, also materialiter von einem Scheinpapst besetzt, so dass kein Papst gewählt werden könne. Begründet wurde diese auch "Cassiciacum-These" genannte Theorie durch den französischen Theologieprofessor und späteren Bischof Michel Guérard des Lauriers.

Verbreitung

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. zählt nicht zu den Sedisvakantisten, da sie die Päpste seit dem 2. Vatikanum als gültig anerkennt, auch wenn sie dem Papst den Gehorsam verweigert. Ebensowenig ist Bischof Williamson zu den Sedisvkantisten zu zählen. In den letzten Jahren haben sich aber immer wieder von der Priesterbruderschaft getrennt, weil sie die These von der Sedisvakanz vertreten, und manche verfechten diese Position auch offen. <ref> Vgl. P. Zaby und seine Gruppe, die eine Internetseite betreiben und eine Zeitschrift herausgeben: www.antimodernist.org. </ref> In tradionsorientierten Kreisen findet heute eine kritische Auseinandersetzung mit dem Sedisvakantismus statt, weil er immer mehr Zulauf bekommt. <ref> Vgl. die Aktivitäten von P. O. Schenker: https://poschenker.wordpress.com/category/sedisvakantisten/ (Stand: 12. Februar 2015). </ref> Schon zu Beginn der 1980er Jahre hat sich der Großteil der Kleriker des amerikanischen Distrikts der Priesterbruderschaft St. Pius X. abgespalten <ref> Vgl. Erzbischof Lefebvre und die Sedisvakantismus-Krise von 1983 (Stand: 12. Februar 2015). </ref> und die sedisvakantistische Priesterbruderschaft St. Pius V. gegründet. <ref> Vgl. deren Internetpräsenz (Stand: 12. Februar 2015). </ref> Sedisvakantistische Neupriester aus Deutschland werden meist im Ausland geweiht und oft wirken sie dann in anderen Ländern. <ref> Vgl. Kein Gottesdienst in Auer Kirche für "Papst-Ablehner", Augsburger Allgemeine, 31. Januar 2008, 20:35 Uhr (Stand: 12. Februar 2015). </ref>

Das am weitesten verbreitete Periodikum, in dem die sedisvakantistische Position vertreten wird, ist die von Eberhard Heller redigierte Zeitschrift Einsicht, die vom Freundeskreis der Una Voce – Gruppe Maria e.V. herausgegeben wird. <ref> Vgl. Werner Olles: Die göttliche Wahrheit erkennen. Katholische Kirche: Der Freundeskreis der Una Voce kämpft gegen den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Junge Freiheit Nr. 34/02 vom 16. August 2002 (Stand: 13. Dezember 2015). </ref> Daneben existieren die Zweimonatsschrift Beiträge zur geistlichen Erneuerung aus dem katholischen Glauben sowie die unregelmäßig erscheinende Zeitschrift Pro Fide Catholica des Verlags Anton A. Schmid.

Seit der Wahl von Papst Franziskus fanden in der Piusbruderschaft große Auseinandersetzungen um den "Kurs gegenüber Rom" statt. Ein Teil der Priester und auch Laien, die einen "härteren" Kurs favorisierten, haben sich im Rahmen der Auseinandersetzungen im Jahr 2014 dem Sedisvakantismus angeschlossen. Darunter war auch eine Gruppe von Laien, die den Besuch von Bischof Williamson in Deutschland organisiert hatte, als er die Anhänger des "Widerstandes" in der Piusbrudeschaft gegen der Kurs des Generaloberen besuchte. <ref> Vgl. Bischof Williamson besucht den "Widerstand" in Deutschland, katholisches.info vom 22. April 2013, 15:40 (Stand: 15. Februar 2015). </ref>

In der ersten Hälfte der 2010er Jahre, etwa seit der Wahl von Franziskus 2013, hat sich die sedisvakantistische Bewegung in Deutschland wieder verstärkt. So kehrte Markus Ramolla, inzwischen zum Bischof geweiht, <ref> Vgl. seine Stellungnahme zur Weihe (Stand: 14. Juli 2015). </ref> nach Deutschland zurück und wirkt seither im Raum Trier. <ref> Vgl. Fritz-Peter Linden: Der Bischof, vor dem das Bistum warnt, in: Volksfreund (Prümer Zeitung), 7.7.2013 (Stand: 14. Juli 2015). </ref>

Bekannte Sedisvakantisten

Beurteilung

Der Gehorsam dem Papst gegenüber, nicht nur in Glaubens- und Sittenfragen, sondern auch in disziplinären Angelegenheiten, ist für den Katholiken eine schwere Verpflichtung, eng verknüpft mit dem 1. Gebot. Dies wurde nicht zuletzt beim 1. und beim 2. Vatikanischen Konzil bekräftigt. Ein Sedisvakantist macht sich daher objektiv gesehen der Sünde des Schismas schuldig. Subjektiv liegt hingegen eine Art Putativnotstand vor, wenn ein Sedisvakantist zu einem überlegten Gewissensentscheid gelangt.

Auch wenn die oben aufgezeigte Schlussfolgerung, die zum Sedisvakantismus führt, in sich logisch ist, ist bei manchen derzeitigen Sedisvakantisten die Frage nicht gelöst, wie ein formal gültig gewählter Papst und ein formal korrekt einberufenes Konzil trotz der zugesagten Unfehlbarkeit Häresien lehren könnten und damit ungültig werden könnten. Überwiegend wird diese Frage jedoch von denjenigen Sedisvakantisten, die die Position vertreten, dass die Sedisvakanz ab dem Zweiten Vatikanum beginne, dahingehend beantwortet, dass Papst Paul VI. mit der (versuchten) Promulgation der Erklärung Dignitatis humanae konkludent sein Papstamt aufgegeben habe. Dasselbe gelte demzufolge für alle Bischöfe und Kleriker, die ihm folgten.

Literatur

  • José Franklin Urbina Aznar: Grundsatzerklärung zur Wahl eines Papstes aufgrund der aktuellen Vakanz des Apostolischen Stuhles. Aus dem Spanischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Johannes Rothkranz, Anton Schmid, Durach 2000, ISBN 3-932352-49-1.
  • Andreas Pitsch: Die ekklesiologischen Irrlehren von Marcel Lefebvre. Entstehungsgeschichte, Rechtfertigung und Auswirkungen, Müstair 2008, ISBN 978-3-909065-29-5.
  • Andreas Pitsch: Weshalb "Pius XII." kein Papst war, Verax-Verlag, Müstair 2008.
  • Johannes Rothkranz: Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Ein Dokument des Zweiten Vatikanums und seine Folgen, Anton Schmid, Durach 1995, Gesamt-ISBN 3-88096-898-5.
  • Johannes Rothkranz: Papsttreue – Heilige Pflicht jedes Katholiken, Anton Schmid, Durach 1997, ISBN 3-932352-24-6.
  • Johannes Rothkranz: Die Sedisvakanzthese widerlegt? Antwort auf eine untaugliche Kritik von P. Gérard Mura, Anton Schmid, Durach 1999, ISBN 3-932352-38-6.

Kritik:

  • Manfred Adler: Das allgemeine Recht auf Religionsfreiheit. Anmerkungen zu einem Buch von Johannes Rothkranz, Eos, St. Ottilien 1999, ISBN 3-88096-898-5.
  • Gérard Mura: Die theologische Position des Sedisvakantismus - Untersuchungen zum Werk von Johannes Rothkranz, in: Dives in omnes 7 (1998) H. 3/4, S. 4-19.
  • Paul Natterer: Wie müssen wir zum Papst stehen? (Schluß), in: Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X., Nr. 161 (Juni 1992), S. 30-37.
  • Franz Schmidberger: Die Sedisvakanz-Theorie, in: St.-Athanasius-Bote (hg. v. Initiative katholischer Christen - Verein St. Petrus Canisius e.V.), Nr. 27 (Dezember 2015), S. 8-9.
  • Richard Williamson: Eleison Kommentare
    • CCCXLI (341) vom 25. Januar 2014.
    • CCCLVII (357) vom 17. Mai 2014.
    • CDV (405) vom 18. April 2015.
    • CDVII (407) vom 02. Mai 2015.
    • CDXVII (417) vom 11. Juli 2015.

Siehe auch

Weblinks

Anmerkungen

<references />