Quae nobis (Wortlaut)

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Auszug aus dem Schreiben
Quae nobis

von Papst
Pius XI.
an Kardinal Bertram, Fürstbischof von Breslau
über Wesen und Grundlagen der Katholischen Aktion
13. November 1928

(Offizieller lateinischer Text: AAS 20 (1928) 384-387.)

(Quelle: Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser, Paulus Verlag Freiburg Schweiz 1953, S. 1004-1007; Imprimatur Friburgi Helv., die 22. maii 1953 L. Weber V. G.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Die Katholische Aktion in Frühchristentum und Gegenwart

1561 ... Die Katholische Aktion war selbst im Zeitalter der Apostel nicht unbekannt. Paulus erwähnt ja in seinem Brief an die Philipper seine Mitarbeiter und spricht den Wunsch aus, man möge jenen Frauen hilfreiche Hand bieten, die sich mit ihm für das Evangelium abgemüht haben (Phil 4, 3). Nun aber ist besonders in unsern Zeiten die Reinheit des Glaubens und der Sitten täglich ernsthafter gefährdet, und infolge des bedauerlichen Priestermangels ist der Klerus den Bedürfnissen der Seelsorge bei weitem nicht mehr gewachsen. Daher müssen wir umso mehr auf die Katholische Aktion zählen, die durch Heranziehung zahlreicher Mitarbeiter aus dem Laienstande der geringen Zahl von Priestern helfend und ergänzend zur Seite stehen soll. Schon Unsere Vorgänger haben diesen Weg zur Förderung der katholischen Sache ausdrücklich empfohlen und eingeschlagen. Je schlimmer die Zeiten für die Kirche und das menschliche Gemeinwesen wurden, desto eindringlicher richteten sie an alle Gläubigen den aufrüttelnden Mahnruf, in der Gefolgschaft der Bischöfe den heiligen Kampf zu kämpfen und das ewige Heil der Mitmenschen nach Kräften zu fördern.

Ihr Wesen: Teilnahme der Laien am hierarchischen Apostolat

1562 Ebenso haben Wir gleich zu Beginn Unseres Pontifikates der Entfaltung der Katholischen Aktion Unsere ganze Aufmerksamkeit zugewandt. Haben Wir doch im Rundschreiben Ubi arcano (PlUS XI., Rundschreiben Ubi arcano vom 23. Dezember 1922. AAS XIV (1922) 695-696.) öffentlich erklärt, die Katholische Aktion sei mit dem Hirtenamt und mit dem christlichen Leben untrennbar verbunden; sodann haben Wir ihre Natur und ihr Ziel dargelegt. Versteht man diese Kundgebungen richtig, so geht klar daraus hervor, dass die Katholische Aktion kein anderes Ziel verfolgt, als die Laien am hierarchischen Apostolat in einem bestimmten Maße teilnehmen zu lassen.

Denn die Katholische Aktion begnügt sich nicht allein mit dem Streben jedes einzelnen nach persönlicher Vollkommenheit, obwohl dies das allererste und wichtigste Ziel bleibt. Sie besteht überdies noch in jenem wahrhaft christlichen Apostolat, an dem sich alle Katholiken jedweden Standes beteiligen, indem sie in enger Gesinnungs- und Arbeitsgemeinschaft stehen mit bestimmten Zentralstellen, die eine gesunde Doktrin gewährleisten und die vielseitigen Tätigkeitszweige koordinieren. Diese rechtmäßig errichteten Zentralen unterstehen der Autorität der Bischöfe, die ihnen ihren Beistand und ihre Wachsamkeit angedeihen lassen. Dank diesem einheitlichen Zusammcnschluss unter Leitung der kirchlichen Hierarchie empfängt die katholische Elite von höchster Stelle bestimmten Auftrag sowie kräftige Anregung und Ermutigung.

Eine kirchlich-religiöse, nicht weltlich-politische Bewegung

1563 Ferner, genau wie die Kirche und ihr hierarchisches Apo- stolat ihre Sendung von Gott empfangen haben, ist die Katholische Aktion nicht eine rein äußerliche, sondern eine geistige Bewegung, sie gehört nicht der irdischen, sondern der übernatürlichen Ordnung an, sie ist nicht politischer, sondern reli

Eine soziale, aber überparteiliche Bewegung

1564 giöser Natur. Und dennoch muss sie mit vollem Recht als soziale, gesellschaftliche Bewegung bezeichnet werden. Denn ihr Ziel besteht eben darin, das Reich unseres Herrn Jesus Christus zu fördern und somit der menschlichen Gesellschaft das höchste aller Güter zu vermitteln. Dieses ist Quellgrund aller anderen, die dem rein bürgerlichen Bereich angehören und daher politische Güter genannt werden, weil sie nicht privates Vorrecht des Einzelmenschen, sondern gemeinsames Anrecht der Gesamtheit aller Staatsbürger sind. Dieses edle Ziel kann und muss die Katholische Aktion erreichen, wenn sie sich den Gesetzen Gottes und der Kirche gelehrig fügt und sich vollständig fernhält von den weltlichen Bestrebungen der politischen Parteien. Wenn die Katholiken in ihrer Teilnahme am hierarchischen Apostolat von diesem Geiste zutiefst durchdrungen sind, wird es unfehlbar ihr nächstes Ziel sein, die Einheit der Christgläubigen aller Nationen anzustreben in allen Belangen der Sittlichkeit und der Religion; ferner werden sie - was vor allem wichtig ist - imstande sein, die Grundsätze des christlichen Glaubens und der christlichen Lehre allenthalben zu verbreiten, tatkräftig zu verteidigen und im privaten wie im öffentlichen Leben zur Geltung zu bringen.

Tätigkeitsfeld und Methode:

Grundsätzlich umfaßt sie alle Lebensbereiche

1565 Deshalb muss die Katholische Aktion eine allgemeine und einmütige Bewegung aller Katholiken sein, ohne Unterschied des Alters oder des Geschlechtes, des sozialen Standes oder des Bildungsgrades, der nationalen Herkunft oder der politischen Tendenz, sofern allerdings ihre Parteigrundsätze nicht im Widerspruch stehen zur Lehre des Evangeliums und zum Sittengesetz des Christentums, und sofern sie von ihren Anhängern nicht eine Absage an diese Lehre und dieses Gesetz fordern. Kurz, es handelt sich um eine Aktion, die den ganzen Menschen erfaßt, im privaten wie im öffentlichen Leben, indem sie ihm eine bessere religiöse und gesellschaftliche Bildung vermittelt, d. h. gediegene Frömmigkeit, gründliche Kenntnis der religiösen Wahrheiten und unbescholtenen Lebenswandel. Wem diese Eigenschaften abgehen, der erweist sich als ungeeignet zur erfolgreichen Ausübung des hierarchischen Apostolates.

Praktisch verlangt sie Anpassung an die Umstände

1566 Im übrigen ist es selbstverständlich, dass die Katholische Aktion in der praktischen Durchführung verschiedene Formen annehmen wird je nach Alter und Geschlecht ihrer Mitglieder, je nach zeitlichen und örtlichen Verhältnissen. Die Mitglieder der Jugendverbände werden sich besonders mit Bildungs- und Schulungsaufgaben befassen, während den Erwachsenen ein weiteres Betätigungsfeld offen steht. Wo immer sich ihnen die Möglichkeit bietet zu irgendeiner Form segenbringender Tätigkeit, sofern sie nur mit der göttlichen Sendung der Kirche in Beziehung steht, sollen sie ja nichts vernachlässigen oder ausschließen.

Ziel und Verhältnis zu den anderen Organisationen:

Zusammenschluss und Wegleitung aller Katholiken

1567 Jedoch verfolgt die Katholische Aktion dieses Ziel keineswegs auf besondere Weise noch mit eigenen Methoden. Ihr obliegt es vielmehr, die bereits bestehenden Werke und Vereine jeder Art, namentlich die religiösen, auf das soziale Apostolat hinzulenken, ob sie nun der Jugendführung oder der religiösen Bildung obliegen, ob sie im bürgerlichen oder wirtschaftlichen Bereich tätig sind. Zudem untersteht die Katholische Aktion einer einheitlichen Führung, die sämtliche Gliederungen und Verzweigungen innerhalb des Gesamtorganismus zielbewußt leitet. Daher kommen ihr einerseits die. Erfolge der Vereine religiöser oder wirtschaftlicher Natur selbst zugute, und anderseits leiht sie diesen ihren Beistand und fördert deren Wirken. Denn sie erhält zwischen ihnen eine wohlwollende Eintracht und begünstigt ihr gutes Einvernehmen in den gegenseitigen Beziehungen. Ferner fördert sie die Zusammenarbeit, was sich zweifellos nur zum Vorteil der Kirche und des menschlichen Gemeinwesens auswirken kann.

Heranbildung ganzer Christen und Bürger

1568 Indem die Katholische Aktion dieses Ziel anstrebt, das vor allem religiöser und sittlicher Natur ist, verwehrt sie je- doch keineswegs ihren Mitgliedern eine möglichst weitgehende Beteiligung am öffentlichen Leben. Sie befähigt sie vielmehr zur Ausübung öffentlicher Ämter, indem sie ihnen eine strenge Schulung angedeihen läßt und sie zu einem lauteren Lebenswandel und zur Erfüllung ihrer Christenpflichten anhält. Ist sie somit nicht offensichtlich berufen, um dem Gemeinwesen die besten Bürger und dem Staate die gewissenhaftesten und tauglichsten Beamten zu geben? Wer wollte demnach behaupten, sie kümmere sich nicht um das wahre Wohl des Staates? Dieses ist übrigens gar nicht denkbar außerhalb des Bereiches der christlichen Liebe, der die Förderung des Gemeinwohles in jeder Beziehung als ureigenste Aufgabe zukommt. Dieses Wohlergehen, das nächste Ziel des Staates, wird doch gerade durch die Katholische Aktion begünstigt, indem sie es ihren Mitgliedern zur Pflicht macht, die rechtmäßige Obrigkeit zu achten, den Gesetzen zu gehorchen und die Grundlagen des nationalen Wohlstandes und des V olksglückes zu erhalten und in Schutz zu nehmen, nämlich Sittenreinheit und Unversehrtheit des Familienlebens, Eintracht und Frieden zwischen den sozialen Ständen, kurz alles, was zur Erhaltung und zur Sicherung der menschlichen Gemeinschaft beitragen kann.

Unpolitische und kirchentreue Haltung

1569 Und zwar wird die Katholische Aktion all diese Dienste umso besser zu leisten imstande sein, je treuer sie eine doppelte Bedingung erfüllt: einerseits wird sie es, wie bereits gesagt, unbedingt vermeiden, sich in irgendeiner Weise in die Angelegenheiten der politischen Parteien einzumischen, selbst jener der Katholiken, die ja in umstrittenen Fragen, soweit sie der freien Erörterung überlassen sind, durchaus verschiedener Meinung sein dürfen; anderseits wird die Katholische Aktion den Weisungen und Richtlinien der Bischöfe bereitwillig nachkommen, mögen diese auch tatsächlich oder scheinbar den Methoden und Interessen der Parteien nicht entsprechen.

Rettung und Rückführung der Gefährdeten

1570 Aus den obigen Darlegungen geht klar hervor, dass die Katholische Aktion mit Fug und Recht anzusprechen ist als ein Vorgehen und ein Arbeitsprinzip, deren die Kirche sich bedient, um den Völkern mannigfaltigen Segen zu vermitteln; ein Vorgehen und Arbeitsprinzip also, das Uns geradezu als eine gütige Fügung der göttlichen Weisheit erscheint, damit die Kirche für die Lehre und das Lebensgesetz des Evangeliums auch jene erreiche und gewinne, die sonst abseits von jeder priesterlichen Begegnung und Beeinflussung allzu leicht den irreführenden und verhängnisvollen Lockungen revolutionärer Schwarmgeister zum Opfer fallen würden ...