Properante ad exitum saeculo

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Enzyklika
Properante ad exitum saeculo

von Papst
Leo XIII.
über das allgemeine Jubiläum im Jahr 1900
11. Mai 1899

(Offizieller lateinischer Text: ASS XXXI [1899] 641-646)

(Quelle: Rundschreiben Leo XIII., Fünfte Sammlung, Lateinischer und deutscher Text, Herder´sche Verlagsbuchhandlung, übersetzt durch den päpstlichen Hausprälaten Professor Franz Hettinger, Freiburg im Breisgau 1904, S. 141-155; in Fraktur abgedruckt)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Leo

Bischof, Diener der Diener Gottes,
allen Christgläubigen, welche das Sendschreiben lesen,

Gruß und apostolischen Segen !

Das Jahrhundert, welches Wir mit Gottes Willen fast ganz durchlebt haben, neigt sich seinem Ende zu. Das gibt Uns erwünschte Gelegenheit, im Anschluss an die Einrichtungen der Vorfahren eine Anordnung zu beschließen, welche sowohl dem christlichen Volke zum Heile dienen, als auch gleichsam das hervorragendste Wahrzeichen Unserer Hirtensorgen, so viele Wir ihrer in Unserem langen Pontifikat getragen haben, sein soll. Es ist das große Jubiläum, von dem Wir sprechen, wie es schon in alter Zeit in der Christenheit zur Übung geworden sit und wie es Unsere Vorfahren klug bestätigt haben. Die Überlieferung der Vorzeit bezeichnet es als eiliges Jahr, sowohl weil es gewöhnlich mit einem größeren Reichtum heiliger Feierlichkeiten verbunden ist, als auch deshalb, weil es die Hilfsmittel zur Besserung des sittlichen Lebens und zur Erneuerung der Heiligkeit der Seelen on größerer Fülle darbietet. Wir selbst sind Zeugen, wie heilsam das letzte, unter Papst Leo XII. feierlich begangene Jubiläum gewirkt hat, das Wir als Jüngling miterlebt haben. Damals bot Rom für die öffentliche Übung der Religion einen großen und ganz sicheren Schauplatz. Noch erinnern Wir uns und sehen es beinahe noch, wie die Pilger herbeiströmten, wie sie in Menge die hochheiligen Gotteshäuser in wohlgeordneten Zuge der Reihe nach besuchten, wie apostolische Männer öffentlich das Wort der Predigt erschallen ließen, wie die gefeierten Stätten Roms vom Lobe Gottes wiederhallten und wie der Papst selbst mit dem reichen Gefolge der Kardinäle vor aller Augen das Beispiel der Frömmigkeit und Liebe gab. Mit erhöhtem Schmerz wendet sich das Auge von der Erinnerung der damaligen Zeit der Betrachtung der gegenwärtigen Verhältnisse zu. Denn wenn die Veranstaltungen, welche Wir erwähnt haben, in der Öffentlichkeit ungehindert stattfinden, dann pflegen sie die Frömmigkeit des Volkes außerordentlich zu nähren und zu wecken. Nun aber ist bei der Veränderung der Verhältnisse in der Stadt entweder keine Möglichkeit dafür vorhanden oder sie ist doch ganz von fremder Willkür abhängig.

Wie aber auch die Verhältnisse liegen, Wir hegen das Vertrauen, dass Gott, der Förderer jedes guten Beginnens, dem Unternehmen, zu welchem Wir Uns ihm zu Lieb und Ehre entschlossen haben, einen glücklichen und ungestörten Fortgang bescheiden werde. Denn was haben Wir im Auge oder was wollen Wir erreichen? Das allein doch nur, möglichst viele menschen mit Unsern Bemühungen des ewigen Lebens teilhaftig zu machen und zu diesem Zwecke gegen die Krankheiten der Seele eben die Heilmittel anzuwenden, welche der Wille Jesu Christi in Unsere Hand gelegt hat. Das zu tun fordert aber nicht nur das Apostolische Amt von Uns, sondern auch ganz augenscheinlich die Zeitlage selbst. Nicht als ob das Jahrhundert unfruchtbar wäre an guten Werken und ruhmvoller Betätigung christlichen Geistes. Nein, im Gegenteil, mit Gottes Hilfe sind die Beispiele der besten Art in Fülle vorhanden und es gibt kein Gebiet des Tugendlebens, mag es noch so erhaben und mühereich sein, auf welchem Wir nicht zahlreiche Christen sich auszeichnen sähen. Denn der christlichen Religion ist von Gott eine unerschöpfliche und fortdauernde Kraft eingegossen Tugenden hervorbringen und zu nähren. Wenn man hingegen Umschau hält und einen Blick in das andere Lager wirft, welche Finsternis, welch schwere Verirrung, welch ungeheure Anzahl solcher, die in das ewige Verderben stürzen! Heftiger Schmerz presst Uns das Herz zusammen, so oft Wir daran denken, welch ein großer Teil der Christen, bezaubert durch die Freiheit der Meinungen und des Denkens, gierig das Gift verderblicher Lehre einschlürfen und selbst das große Gnadengeschenk des göttlichen Glaubens tagtäglich in sich zerstören. Daher kommt der Überdruss am christlichen Leben und die so weit verbreitete Entartung der Sitten. Daher kommt jene glühende und unersättliche Gier nach dem Sinnlichen, daher die Abwendung alles Sorgens und Denkens von Gott und seine Verkettung an das Irdische. Es lässt sich kaum in Worten ausdrücken, wieviel Verderben aus dieser so trüben Quelle schon in den Grundfesten der bürgerlichen Ordnung eingedrungen ist. Denn die alltäglichen Erscheinungen der Unbotmäßigkeit, die ungestümen Erregungen der Leidenschaften im Volk. die finstern Gefahren, die grauenhaften Verbrechen sind, wenn man auf den Grund gehen will, nichts anderes als die Äußerungen des ungebundenen und zügellosen Kampfes um den Erwerb und Genuss der vergänglichen Güter.

Da tut es wohl im privaten und öffentlichen Leben Not, die Menschen an ihre Pflicht zu erinnern, die Gemüter aus dem Schlafe der Gleichgültigkeit aufzurütteln und mit neuem Eifer für ihr Seelenheil zu erfüllen alle jene, welche fast Stunde für Stunde sich leichtfertig der Gefahr aussetzen, zu Grunde zu gehen und durch Fahrlässigkeit und Hochmut die himmlischen und unvergänglichen Güter zu verlieren, für welche allein wir geboren sind. Das aber ist gerade die Aufgabe des Heiligen Jahres. Denn während dieser ganzen Zeit ist die Kirche, nur der Milde und Barmherzigkeit eingedenk, mütterlich bestrebt, mit aller Kraft und Eifer die Gesinnung der Menschen zur Besserung zu leiten und einen jeden zur Sühnung seiner Sünden auf den Weg der Buße u führen, welche die Besserung des Lebens bewirkt. Von dieser Absicht erfüllt, vervielfältigt sie ihre Gebete und sucht mit inbrünstigerem Flehen Gottes beleidigte Majestät zu versöhnen und den Reichtum der göttlichen Gaben vom Himmel herabzurufen. Weit öffnet sie die Schätze der Gnade, die ihr zur Verwaltung anvertraut sind. Sie ruft die ganze Christenheit zur Hoffnung auf Verzeihung, ganz vom Wunsch erfüllt, auch die widerspenstigen Herzen durch das Übermaß der Liebe und Nachsicht zu gewinnen. Wie sollten Wir von dieser Veranstaltung mit Gottes Willen nicht reichliche und für unsere Zeit segensreiche Früchte erwarten?

Die gegenwärtige Zeit eignet sich um so trefflicher für diese Veranstaltung, weil eine außerordentliche Feier, deren Kenntnis wohl hinlänglich verbreitet ist, dieselbe hierfür günstig ausstattet, eine Feier, welche dem Ausgang des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gewissermaßen seine Weihe verleihen soll. Wir meinen die Ehrenbezeichnungen, welche Jesu Christo dem Erlöser an der Grenzscheide dieser Zeitabschnitte auf der ganzen Erde dargebracht werden sollen. Wir haben zu diesem Plane, der frommen Privatpersonen sein Entstehen verdankt, mit Freuden Unser Lob und Unsere Billigung ausgesprochen. Denn was könnte Heiligeres und Heilsameres getan werden? Wonach das Menschengeschlecht verlangt, was es liebt, was es erhofft, was es erstrebt, da alles findet es im eingeborenen Sohn Gottes. Er ist unser Heil, unser Leben, unsere Auferstehung. Ihn verlassen zu wollen, das hieße den völligen Untergang suchen. Das ist der Grund, weshalb die Akte der Anbetung, Lobpreisung, Ehrenbezeigung und Danksagung, welche ja niemals aufhören, sondern vielmehr immerdar und allerorten Jesu Christo nach Gebühr geweiht werden, niemals jene Vollkommenheit der Danksagung und Ehrung erreichen können, dass ihm nicht viel reichere und höhere geschuldet würden. Sind es übrigens deren so wenige gewesen, welche in diesem Jahrhundert gefühllos und undankbar dem göttlichen Erlöser für die mit Verachtung, für die Wohltaten mit Beleidigungen zu lohnen pflegten? Gerade der Lebenswandel so vieler mit seinem Widerspruch gegen die Gesetze und Vorschriften des Erlösers ist sicherlich ein Beweis ganz verkehrter und undankbarer Gesinnung. Was sollen Wir erst dazu sagen, dass in unserer Zeit mehr als einmal die Freveltat des Arius wieder begangen wurde, die Leugnung der Gottheit Christi? Wohl euch also, die ihr durch diesen neuen und herrlichen Plan den frommen Sinn des Volkes begeistert habt! Möge er nur so ausgeführt werden, dass der Verlauf des Jubiläums und die angeordneten Festlichkeiten nicht beeinträchtigt werden. Die bvorstehende Kundgebung des religiösen Sinnes und Glaubens in der katholischen Welt soll auch von der Absicht geleitet werden, den Abscheu gegen alles Gottlose, was unsere Zeit in Wort und Tat zu beklagen hat, auszudrücken und Jesu Christo für alle Unbilden öffentlich Genugtuung leisten, welche seiner hehren Majestät besonders öffentlich zugefügt worden sind. Nun besteht aber, wenn wir das Wahre suchen wollen, die wünschenswerteste, ernsteste, gründlichste und wahre Buße darin, dass man bereut, was man begangen hat, dass man Frieden und Vergebung von Gott erfleht und den Werken der Tugend entweder mit größerem Eifer sich ingibt oder ihre Übung, wenn man sie verlassen hat, wieder aufnimmt. Da nun hierzu, wie Wir eingangs angedeutet haben, das Heilige Jahr so viele und günstige Gelegenheit bietet, so erhellt abermals, dass es für das christliche Volk billig und geboten ist, sich für dasselbe voll Verlangen und Hoffnung bereit zu halten.

So erheben Wir die Augen zum Himmel, bitten Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, inständig, er möge Unser Verlangen ud Beginnen gnädig segnen, mit der Kraft seiner Gnade den Geist der Menschen erleuchten, nach seiner Güte die Herzen bewegen und im Namen des allmächtigen Gottes, der seligen Apostel Petrus und Paulus und in Unserm Namen, im Anschluss an das Beispiel Unserer Vorgänger, der römischen Päpste, in Übereinstimmung mit Unsern ehrwürdigen Brüdern, den Kardinälen der heiligen, römischen Kirche, verordnen Wir durch dieses Sendschreiben, verkünden und wollen als verordnet und verkündigt betrachtet wissen Gott zur Ehre, den Seelen zum Heile, der Kirche zur Förderung: ein allgemeines, großes Jubiläum in dieser heiligen Stadt, welches mit der ersten Vesper des Weihnachtsfestes des Jahres 1899 seinen Anfang nimmt und mit der ersten Vesper des Weihnachtsfestes im Jahre 1900 schließen ließ.

Für die Dauer dieses Jubeljahres bewilligen und veleihen Wir erbarmungsvoll im Herrn einen vollkommenen Ablass, Begnadigung und Vergebung von allen Sündenstrafen allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts, welche mit wahrer Bußgesinnung beichten, die heilige Kommunion empfangen und sofern sie Bürger oder Einwohner von Rom sind, an zwanzig aufeinander folgenden Tagen oder mit Unterbrechung, gleichviel ob natürlichen oder kirchlichen Tagen, jedenfalls also in der Zeit von der ersten Vesper des einen Tages bis zur vollen Abenddämmerung des andern Tages oder sofern sie als Pilger nach Rom kommen, wenigstens während zehn in obiger Weise bezeichneten Tagen die Basiliken der heiligen Apostel Petrus und Paulus, des heiligen Johannes im Lateran und die von Maria Maggiore andächtig besuchen und für die Erhöhung der heiligen Kirche, um die Ausrottung der Irrlehren, die Eintracht der katholischen Fürsten und das Heil des christlichen Volkes zu Gott in Frömmigkeit beten.

Da es aber vorkommen kann, dass manche die oben vorgeschriebenen Leistungen auch beim besten Willen entweder gar nicht oder nur zum Teil erfüllen können, indem sie durch Krankheit oder eine andere rechtmäßige Ursache in der Stadt selbst oder auf der Reise abgehalten werden, so wollen Wir, soviel Wir im herrn vermögen, ihrem guten Willen entgegenkommen und gestatten, dass sie oben genannten Ablass und Begnadigung ebenso gewinnen, wie wenn sie die erwähnten Basiliken an den von Uns bestimmten Tagen besucht hätten, sofern sie wahrhft bußfertig durch eine gültige Beichte sich von den Sünden gereinigt und durch Empfang der heiligen Kommunion gestärkt haben.

So ladet Euch denn allüberall, geliebte Söhne, wenn es Euch möglich ist, zu kommen, Rom voll Liebe an sein Herz. Jedoch darf ein Katholik, wenn er seinem Namen entsprechen will, im heiligen Jahr nicht anders in Rom weilen, als begleitet vom christlichen Glauben. Es soll daher namentlich die unzeitige Schaulust noch gleichgültigen und profanen Dingen hintan gehalten werden und man soll mehr denjenigen Dingen die Aufmerksamkeit zuwenden, welche zur Gottesfurcht und Frömmigkeit stimmen. Das tut aber vorzüglich die tiefe Betrachtung der eigentümlichen Natur der Stadt und des ihr von Gott aufgeprägten Charakters, den nicht Menschenlist und Gewalt zu ändern vermag. Denn Jesus Christus, der Erlöser des Menschengeschlechts, hat die römische Stadt allein vor allen zu erhabenen und übermenschlichen Aufgaben auserwählt und sich geweiht. Hier hat er nach langer und geheimnisvoller Vorbereitung den Sitz seines Reiches errichtet. Hier soll nah seiner Anordnung der Stuhl seines Stellvertreters stehen für ewige Zeiten. Hier soll nach seinem Willen sichere Hut das Licht der himmlischen Lehre heilig und unverletzlich beschützen und von hier soll dasselbe als wie von seinem Ausgang und erhabenen Borne weithin über alle Länder ausstrahlen, so zwar, dass die Verbindung mit Christus selbst auflöst, wer vom Glauben der römischen Kirche abweicht. Uralte Denkmäler der Religion, die einzigartige Würde der Gotteshäuser, die Gräber der Apostel, die Katakombengräber der heiligen Märtyrer erhöhen noch die heilige Weihe der Stadt. Wer die Sprache recht versteht, welche diese Schätze reden, der wird sich nicht als Femdling in fremder Stadt betrachten, sondern in ihr seine Heimat erkennen und mit Gottes Hilfe besser scheiden, als er gekommen ist.

Damit nun dieses Sendschreiben leichter allen Gläubigen zur Kenntnis gelange, verfügen Wir, dass den Ausfertigungen desselben, auch den gedruckten, sofern sie die Unterschrift eines öffentlichen Notars aufweisen und mit dem Siegel eines kirchlichen Würdenträgers versehen sind, derselbe Glaube beigemessen werde, welchen diese Urschrift fände, wenn sie überreicht oder vorgezeigt würde. Keinem Menschen also sei es erlaubt, diese Urkunde mit Unserer Ankündigung, Veröffentlichung, Vergünstigung und Willenserklärung abzuändern oder sich ihr freventlich zu widersetzen. Wenn sich aber jemand dies zu erkühnen sollte, der wisse, dass er dadurch den Unwillen des Allmächtigen Gottes und der seligen Apostel Petrus und Paulus sich zuziehen werde.

Gegeben zu Rom bei St. Peter im Jahre der Menschwerdung 1899 am 11. Mai,

im zweiundzwanzigsten Jahre Unseres Pontifikates
Gaetano Kardinal Aloisi Masella, Prodatar
Arturo Kardinal Marchi
Gesehen Kurie, I. de Aquila Visconti
L † S.

Reg. in Sekr. der Breven J. Cugnoni

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