Perfectae caritatis (Wortlaut)

Aus kathPedia
Version vom 7. Juni 2013, 09:27 Uhr von Oswald (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „<center>Dekret <br> {|align="center" cellpadding=5px; !bgcolor="silver"|'''Pefectae caritatis''' |} des [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikan…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen
Dekret
Pefectae caritatis

des Zweiten Vatikanisches Konzils
unter unserem Heiligen Vater
Paul VI.
28. Oktober 1965
über die zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens
(Offizieller lateinischer Text AAS 58 [1966] 702-712)

(Quelle: Vatikanseite).
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

1. Die Heilige Synode hat bereits in der Konstitution, die mit den Worten "Das Licht der Völker" beginnt, dargelegt, dass das Streben nach vollkommener Liebe auf dem Weg der evangelischen Räte in Lehre und Leben des göttlichen Meisters seinen Ursprung hat und wie ein leuchtendes Zeichen des Himmelreiches erscheint. Sie möchte nun von der Lebensordnung der Institute handeln, in denen Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobt werden, und für deren zeitbedingte Erfordernisse Vorsorge treffen.

Von Anfang an gab es in der Kirche Männer und Frauen, die durch die Befolgung der evangelischen Räte Christus in größerer Freiheit nachzufolgen und ihn ausdrücklicher nachzuahmen verlangten und die - jeder auf seine Weise - ein Leben führten, das Gott geweiht war. Viele wählten unter dem Antrieb des Heiligen Geistes ein Einsiedlerleben, andere gaben den Anstoß zu religiösen Gemeinschaften, die von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden. So erwuchs nach göttlichem Ratschluß eine wunderbare Vielfalt von Ordensgemeinschaften, die sehr dazu beitrug, dass die Kirche nicht nur zu jedem guten Werk gerüstet (vgl. 2 Tim 3,17) und für den Dienst am Aufbau des Leibes Christi (vgl. Eph 4,12) bereit ist, sondern auch mit den mannigfachen Gnadengaben ihrer Kinder wie eine Braut für ihren Mann geschmückt dasteht (vgl. Offb 21,2) und die vielgestaltige Weisheit Gottes kundtut (vgl. Eph 3,10).

Inmitten der Vielfalt von Gnadengaben weihen sich alle, die von Gott zum Leben der evangelischen Räte berufen werden und dieses aufrichtig geloben, in besonderer Weise dem Herrn, indem sie Christus nachfolgen, der selbst jungfräulich und arm gelebt (vgl. Mt 8,20; Lk 9,58) und durch seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8) die Menschen erlöst und geheiligt hat. Von der Liebe gedrängt, die der Heilige Geist in ihre Herzen ausgegossen hat (vgl. Röm 5,5), leben sie mehr und mehr für Christus und seinen Leib, die Kirche (vgl. Kol 1,24). Je inniger sie also durch solche Selbsthingabe, die das ganze Leben umfaßt, mit Christus vereinigt werden, desto reicher wird das Leben der Kirche und desto fruchtbarer deren Apostolat.

Damit aber der besondere Wert eines durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte geweihten Lebens und dessen notwendige Aufgabe der Kirche in der gegenwärtigen Zeit zu größerem Nutzen gereiche, erläßt diese Heilige Synode die folgenden Bestimmungen. Sie berücksichtigen aber nur die allgemeinen Grundsätze einer zeitgemäßen Erneuerung der Ordensgemeinschaften sowie - unter Wahrung ihrer jeweiligen Eigenart - der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde und der Weltinstitute. Die besonderen Richtlinien für ihre rechte Auslegung und Anwendung sind nach dem Konzil von der zuständigen Autorität zu erlassen.

Erneuerung und Anpassung

2. Zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens heißt: ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs der einzelnen Institute, zugleich aber deren Anpassung an die veränderten Zeitverhältnisse. Diese Erneuerung ist unter dem Antrieb des Heiligen Geistes und unter der Führung der Kirche nach folgenden Grundsätzen zu verwirklichen:

a) Letzte Norm des Ordenslebens ist die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi. Sie hat allen Instituten als oberste Regel zu gelten.

b) Es ist der Kirche zum Nutzen, dass die Institute ihre Eigenart und ihre besondere Aufgabe haben. Darum sind der Geist und die eigentlichen Absichten der Gründer wie auch die gesunden Überlieferungen, die zusammen das Erbe jedes Institutes ausmachen, treu zu erforschen und zu bewahren.

c) Alle Institute sollen am Leben der Kirche teilnehmen und sich entsprechend ihrem besonderen Charakter deren Erneuerungsbestrebungen - auf biblischem, liturgischem, dogmatischem, pastoralem, ökumenischem, missionarischem und sozialem Gebiet - zu eigen machen und sie nach Kräften fördern.

d) Die Institute sollen dafür sorgen, dass ihre Mitglieder die Lebensverhältnisse der Menschen, die Zeitlage sowie die Erfordernisse der Kirche wirklich kennen, damit sie die heutige Welt im Licht des Glaubens richtig beurteilen und den Menschen mit lebendigem apostolischem Eifer wirksamer helfen können.

e) Da das Ordensleben durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte vor allem anderen auf die Nachfolge Christi und die Vereinigung mit Gott abzielt, ist ernst zu bedenken, dass auch die besten Anpassungen an die Erfordernisse unserer Zeit ohne geistliche Erneuerung unwirksam bleiben; diese hat darum auch bei aller Förderung äußerer Werke immer das Wesentliche zu sein.

3. Lebensweise, Gebet und Arbeit müssen den körperlichen und seelischen Voraussetzungen der Menschen von heute, aber auch - soweit die Eigenart des Instituts es verlangt - den Erfordernissen des Apostolats, den Ansprüchen der Kultur, der sozialen und wirtschaftlichen Umwelt entsprechen. Das gilt überall, vor allem in den Missionsgebieten. Nach denselben Kriterien ist auch die Art und Weise der Leitung in den Instituten zu überprüfen. Darum sind die Konstitutionen, die "Direktorien", die Gebräuchebücher, Gebetbücher, Zeremonienbücher und dergleichen entsprechend durchzusehen und nach Ausscheiden veralteter Bestimmungen mit den Dokumenten dieser Heiligen Synode in Einklang zu bringen.

4. Zur wirksamen Erneuerung und echten Anpassung ist die Zusammenarbeit aller Mitglieder eines Instituts unerläßlich. Richtlinien für die zeitgemäße Erneuerung festzusetzen, Vorschriften zu erlassen und hinreichende, kluge Erprobung zu gestatten ist jedoch einzig Sache der rechtmäßigen Autoritäten, vor allem der Generalkapitel, unbeschadet der Gutheißung durch den Heiligen Stuhl oder die Ortsordinarien, wo es die Rechtsnormen erfordern. Die Obern jedoch sollen in dem, was die Belange des ganzen Instituts betrifft, ihre Untergebenen in geeigneter Weise befragen und hören. Um Wünsche und Vorschläge für die zeitgemäße Erneuerung der Nonnenklöster zu erlangen, können auch Sitzungen der Föderationen oder andere rechtmäßige Zusammenkünfte einberufen werden. Alle sollen sich indes bewußt bleiben, dass die Erneuerung mehr von einer gewissenhaften Beobachtung der Regel und der Konstitutionen als von einer Vermehrung der Vorschriften zu erhoffen ist.

Gemeinsame Merkmale aller Formen religiösen Lebens

5. Die Mitglieder aller Institute sollen sich bewußt bleiben, dass sie durch ihr Gelöbnis der evangelischen Räte vor allem einem göttlichen Ruf geantwortet haben und dadurch nicht nur der Sünde gestorben sind (vgl. Röm 6,1), sondern auch der Welt entsagt haben, um Gott allein zu leben; denn sie haben ihr ganzes Leben seinem Dienst überantwortet. Das begründet gleichsam eine besondere Weihe, die zutiefst in der Taufweihe wurzelt und diese voller zum Ausdruck bringt. Da aber diese Selbsthingabe von der Kirche angenommen wurde, sollen sie sich auch zu deren Dienst verpflichtet wissen. Solches Übereignetsein an Gott muss sie immer mehr zu praktischer Tugend drängen, besonders zu Demut und Gehorsam, Tapferkeit und Keuschheit, die ihnen Anteil geben an Christi Erniedrigung (vgl. Phil 2,7) und zugleich an dessen Leben im Geist (vgl. Röm 8,1-13). Die Ordensleute sollen also, treu ihren Gelübden, alles um Christi willen aufgeben (vgl. Mk 10,28) und ihm nachfolgen (vgl. Mt 19,21): Er muss für sie das "Eine Notwendige" sein (vgl. Lk 10,42). Aufsein Wort hörend (vgl. Lk 10,39), sollen sie um seine Sache besorgt sein (vgl. 1 Kor 7,32). Darum müssen die Mitglieder aller Institute, da sie zuerst und einzig Gott suchen, die Kontemplation, durch die sie ihm im Geist und im Herzen anhangen, mit apostolischer Liebe verbinden, die sie dem Erlösungswerk zugesellt und zur Ausbreitung des Reiches Gottes drängt.

Primat des geistlichen Lebens

6. Wer sich auf die evangelischen Räte verpflichtet, muss vor allem Gott, der uns zuvor geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10), suchen und lieben und sich in allen Lebensumständen bemühen, ein mit Christus verborgenes Leben (vgl. Kol 3,3) zu führen. Daraus fließt die Nächstenliebe zum Heil der Welt und zum Aufbau der Kirche und erhält neuen Antrieb. Diese Liebe beseelt und leitet auch selbst wieder die Verwirklichung der evangelischen Räte. Darum müssen die Mitglieder der Institute den Geist des Gebetes und das Gebet selbst aus den echten Quellen der christlichen Frömmigkeit schöpfen und mit beharrlichem Eifer pflegen. Täglich sollen sie die Heilige Schrift zur Hand nehmen, um durch Lesung und Betrachtung des Gotteswortes "die überragende Erkenntnis Jesu Christi" (Phil 3,8) zu gewinnen. Im Geist der Kirche sollen sie die heilige Liturgie, zumal das heilige Mysterium der Eucharistie, mit innerer und äußerer Anteilnahme feiern und aus diesem überreichen Quell ihr geistliches Leben nähren. So werden sie, am Tisch des göttlichen Wortes und des heiligen Altares gespeist, Christi Glieder brüderlich lieben, den Hirten in Hochachtung und Liebe begegnen, mehr und mehr mit der Kirche leben und fühlen und sich deren Sendung ganz überantworten.

Das kontemplative Leben

7. Die gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Institute, deren Mitglieder in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind, nehmen - mag die Notwendigkeit zum tätigen Apostolat noch so sehr drängen - im mystischen Leib Christi, dessen "Glieder nicht alle den gleichen Dienst verrichten" (Röm 12,4), immer eine hervorragende Stelle ein. Sie bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar und schenken dem Volk Gottes durch überreiche Früchte der Heiligkeit Licht, eifern es durch ihr Beispiel an und lassen es in geheimnisvoller apostolischer Fruchtbarkeit wachsen. So sind sie eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden. Allerdings muss ihre Lebensweise nach den genannten Grundsätzen und Richtlinien zeitgemäßer Erneuerung überprüft werden, jedoch unter ehrfürchtiger Wahrung ihrer Trennung von der Welt und der dem kontemplativen Leben eigenen Übungen.

Das aktive Leben

8. Zahlreich sind in der Kirche die Kleriker- und Laieninstitute, die sich mannigfachen apostolischen Aufgaben widmen. Ihre Gaben sind verschieden gemäß der ihnen verliehenen Gnade. Wer die Gabe hat zu dienen, der diene; zu lehren, der lehre; zu mahnen, der ermahne; wer spendet, tue es schlichten Sinnes; wer Barmherzigkeit übt, tue es in Freudigkeit (vgl. Röm 12,5-8). "Vielfältig sind die Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist" (1 Kor 12,4). In diesen Instituten gehören die apostolische und die caritative Tätigkeit zum eigentlichen Wesen des Ordenslebens. Sie ist ihnen als ihr heiliger Dienst und als ihr Liebeswerk von der Kirche anvertraut und in deren Namen auszuüben. Das ganze Ordensleben der Mitglieder muss darum von apostolischem Geist durchdrungen und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist geprägt sein. Damit also die Mitglieder in erster Linie ihrer Berufung zur Christusnachfolge entsprechen und Christus selbst in seinen Gliedern dienen, muss ihre apostolische Arbeit aus einer tiefen Verbundenheit mit ihm hervorgehen. So wird die Gottes- und Nächstenliebe selbst gefördert. Deshalb müssen diese Institute ihre Lebensart und ihr Brauchtum auf das von ihnen geübte Apostolat einstellen. Das Ordensleben mit apostolischer Zielsetzung ist jedoch vielgestaltig. Seine zeitgemäße Erneuerung hat darum diese Unterschiede zu berücksichtigen, und das Leben der Mitglieder im Dienst Christi muss in den einzelnen Instituten von den ihnen eigenen und entsprechenden Mitteln getragen sein.

Das monastische und klösterliche Leben

9. Die ehrwürdige Einrichtung des monastischen Lebens, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte um Kirche und menschliche Gesellschaft hervorragende Verdienste erworben hat, soll im Osten und Westen in ihrem echten Geist treu bewahrt werden und von Tag zu Tag heller erstrahlen. Vornehmste Aufgabe der Mönche ist der demütig-hohe Dienst vor der göttlichen Majestät innerhalb des klösterlichen Bereichs, ob sie sich nun in Verborgenheit ganz der Gottesverehrung weihen oder nach ihrer Satzung eine apostolische oder caritative Arbeit übernommen haben. Unter Wahrung ihrer jeweiligen Eigenart sollen sie die alten, dem Wohl des Nächsten dienenden Überlieferungen erneuern und sie den gegenwärtigen Bedürfnissen der Menschen so anpassen, dass ihre Klöster gleichsam Pflanzstätten zur Auferbauung des christlichen Volkes werden. Ebenso sollen jene Orden, die aufgrund ihrer Regel oder ihrer Satzungen die apostolische Tätigkeit eng mit Chordienst und monastischem Brauchtum verbinden, ihre Lebensweise so auf die Erfordernisse ihres Apostolats abstimmen, dass sie ihre Lebensform, die dem besonderen Wohl der Kirche dienen soll, treu bewahren.

Das religiöse Laienleben

10. Das Ordensleben der Laien, der Männer wie der Frauen, verwirklicht in vollwertiger Weise den Stand der Verpflichtung auf die evangelischen Räte. Es dient dem Seelsorgsauftrag der Kirche in Jugenderziehung, Krankenpflege und anderen Diensten. Darum schätzt die Heilige Synode es hoch ein, bestärkt die Mitglieder in ihrer Berufung und fordert sie zur Anpassung ihrer Lebensweise an die heutigen Verhältnisse auf. Die Heilige Synode erklärt, es stehe nichts im Wege, dass in Brüdergemeinschaften nach Ermessen des Generalkapitels einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in den eigenen Häusern die heiligen Weihen empfangen. Der Laiencharakter des Institutes bleibt dabei unangetastet.

11. Obwohl die Weltinstitute keine Ordensgemeinschaften sind, erfordern sie dennoch eine wahre und vollkommene, von der Kirche gutgeheißene Verpflichtung zu einem Leben nach den evangelischen Räten in der Welt. Diese Verpflichtung verleiht den in der Welt lebenden Männern und Frauen, Laien und Klerikern, eine Weihe. Darum müssen auch sie das Streben nach Ganzhingabe an Gott in vollkommener Liebe als ihre wichtigste Aufgabe betrachten; die Institute ihrerseits müssen den ihnen eigenen und besonderen Weltcharakter bewahren, damit sie dem Apostolat in der Welt und gleichsam von der Welt her, das der Grund für ihre Entstehung war, überall wirksam gerecht zu werden vermögen. Doch sollen sie wohl wissen, dass sie sich einer so schweren Aufgabe nur unterziehen können, wenn ihre Mitglieder im religiösen und im profanen Bereich sorgfältig geschult werden; nur so werden sie im wahren Sinn zum Sauerteig der Welt, zur Stärkung und zum Wachstum des Leibes Christi. Ihre Vorgesetzten sollen also ernstlich für die Unterweisung, zumal für die geistliche, und ebenso für die Weiterbildung Sorge tragen.

[Forsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />