Paenitentiam agere (Wortlaut)

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Enzyklika
Paenitentiam agere

von Papst
Johannes XXIII.
an die Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die anderen Oberhirten, welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle leben
sowie an den gesamten Klerus und die Christgläubigen des katholischen Erdkreises
Aufruf zu intensiver geistlicher Vorbereitung auf das Konzil durch Buße und Gebet
1. Juli 1962

(Offizieller lateinischer Text AAS LIV [1962] 481-491)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, Sechszehnter Jahrgang 1961/62; Zwölftes Heft, September 1962, S. 545-548; eigene Übersetzung nach dem lateinischen Text des "Osservatore Romano" vom 6. Juli 1962. Die Zwischenüberschriften wurden in Anlehnung an die italienische Übersetzung des "Osservatore Romano" eingefügt)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Einleitend

Die Buße ist nach der ausdrücklichen Lehre Christi für den sündigen Menschen nicht nur der Anfang der Sündenvergebung, sondern auch der Erlangung des ewigen Heiles. So leuchtet ohne weiteres ein, wie richtig und zweckmäßig sich die Katholische Kirche verhält, wenn sie als Sachwalterin der göttlichen Erlösung immerfort gelehrt hat, dass ohne diese Voraussetzung niemand bessere Wege beschreiten noch das christliche Leben zu größerer Blüte gelangen kann.

In der Apostolischen Konstitution zur Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils haben Wir die Christgläubigen nicht nur ermahnt, sich auf das große Ereignis geistlich vorzubereiten, sondern sie auch aufgefordert, neben dem Gebet zu Gott und der Übung der christlichen Tugenden die freiwillige körperliche Buße nicht zu vernachlässigen (vgl. Constitutio Apostolica Humanae salutis).

Da wir uns nun dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils nähern, halten Wir es angesichts jenes wichtigen und hochbedeutsamen Ereignisses durchaus für nützlich und angebracht, jene Unsere Einladung in diesem Schreiben etwas breiter und ausführlicher zu behandeln.

Denn man darf sehr wohl annehmen, dass Jesus Christus, der zwar immer in seiner Kirche gegenwärtig ist "alle Tage bis ans Ende der Welt" (Matth. 28, 20), zur Zeit des Konzils dem Denken und Wollen der Menschen ganz besonders durch seine Gesandten nahe sein wird. Hat er doch öffentlich verkündet: "Wer euch hört, der hört mich" (Luk. 10, 16).

Das ökumenische Konzil ist die Versammlung der Nachfolger der Apostel, denen der Erneuerer des menschlichen Heils den Auftrag gegeben hat, alle Völker zu lehren und von ihnen zu verlangen, alles, was er sie gelehrt hat, zu halten. So wird das Konzil vor dem Angesichte und den Augen aller einerseits die Rechte Gottes gegenüber der durch das Blut Christi erlösten Menschheit, anderseits die Pflichten der erlösten Menschheit gegenüber ihrem Gott und Erlöser neu bestärken.

Die Bußrufe im Alten Testament

Schlägt man die Bücher des Alten und Neuen Testamentes auf, so sieht man, dass Gott den Sterblichen, um ein menschliches Bild zu gebrauchen, sich niemals in feierlicher Weise geoffenbart hat, ohne diese vorher zum Gebet und zur Verrichtung von Bußwerken aufzufordern. So weigerte sich Moses, dem jüdischen Volke die göttlichen Gesetzestafeln zu übergeben, bevor dieses nicht für seinen Götzendienst und seine Undankbarkeit Buße getan hatte (vgl. Ex. 32, 6-35 und 1 Kor. 10, 7). Und die Propheten ermahnten das israelitische Volk ständig, Gott unter Buße und Zerknirschung unablässig Gebete darzubringen, um nicht dem Ratschluss der Vorsehung untreu zu werden, durch den Gott selbst sie führen wollte. Unter diesen Prophetenstimmen ist jene Ermahnung des Propheten Joel von ganz besonderem Ernst, die in der heiligen Fastenzeit immer wieder an unser Ohr klingt: "Von ganzem Herzen bekehret euch zu mir mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider ... Zwischen Halle und Altar sollen weinen die Priester, die Diener des Herrn, und beten: Erbarme dich, Herr, deines Volkes! Gib nicht der Schande dein Erbteil preis, dass die Heiden darüber spotten" (Joel 2, 12-13 17).

Die Lehre Christi und der Apostel

Diese Bußrufe verstummen nicht mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes, sie werden vielmehr noch eindringlicher. Johannes der Täufer, der Vorläufer Christi, beginnt seine Predigt mit den Worten: "Tuet Buße, denn das Reich Gottes ist nahe" (Matth. 3, 1).

Und Jesus selbst beginnt, bevor er die Grundwahrheiten des Glaubens verkündet, sein Erlösungswerk mit dem Aufruf an die Menschen, sich von allem Sündhaftem zu reinigen, das den Weg zum ewigen Heil versperrt: "Von dieser Zeit an begann Jesus zu predigen und zu verkünden, tuet Buße, denn das Himmelreich hat sich genaht" (Matth. 4, 17). Und er verlangt von seinen Zuhörern noch eindringlicher als die Propheten innere Bekehrung und die Anerkennung der Rechte Gottes durch wahrhaften Glauben. Dann aber verkündet er laut: "Seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch" (Luk. 17, 21). Die Buße hemmt und unterdrückt die zum Bösen geneigten Kräfte der Seele. Christus selbst lehrt uns: "Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt brauchen, reißen es an sich" (Matth. 11, 12).

Die Apostel haben den Auftrag des göttlichen Meisters ernst genommen. Petrus verkündet nach der Herabkunft des Heiligen Geistes unter der Gestalt von feurigen Zungen seinen Zuhörern, indem er sie auffordert, sich in Christus zu erneuern und die Gaben des Heiligen Geistes zu empfangen: "Tuet Buße, und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden; und ihr werdet empfangen die Gabe des Heiligen Geistes" (Apg. 2, 38). Der Völkerapostel Paulus führt den Römern vor Augen, dass das Reich Gottes nicht in Hochmut und in den Lockungen des Lasters bestehe, sondern im beherrschten Lebenswandel und in der Ruhe des Geistes: "Denn das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist" (Röm. 14, 17-18).

Ganz und gar täuscht sich, wer meint, die Buße hätten nur jene nötig, die sich zum ersten Mal dem Reich Gottes anschließen und an ihm teilhaben wollen. Alle, die sich Christen nennen, müssen sich selbst Bußwerke auferlegen, um den Widersacher der Seele zu bekämpfen, die ihnen im Wasser der Taufe geschenkte Unschuld zu bewahren oder die durch die Sünde verlorene Gnade wiederzuerlangen. Wenn es sich nämlich so verhält, dass der, der durch die heilige Taufe der Kirche eingegliedert wird, zugleich mit jener Schönheit ausgestattet wird, die nach den Worten: "Christus liebte die Kirche und hat sich selbst für sie hingegeben, um sie zu reinigen und zu heiligen in der Wassertaufe durch das Wort des Lebens, um selbst herrlich die Kirche sich darzustellen ohne Makel und ohne Runzel oder etwas dergleichen, sondern dass sie heilig und unbefleckt sei" (Eph. 5, 25-27), seiner vielgeliebten Braut verliehen wurde, so sind auch jene, die das in der Taufe empfangene weiße Kleid befleckt haben, nicht würdig, von Gott Nachlass der Strafen zu erlangen, wenn sie nicht, im Bußsakrament durch das Blut des Lammes gereinigt, die ursprüngliche Unschuld wiedererlangt und sich in den christlichen Tugenden geübt haben. Deswegen gilt für sie auch die strenge Ermahnung des Apostels Paulus: "Hat jemand das Gesetz des Moses übertreten, so muss er ohne Erbarmen auf zweier oder dreier Zeugnis sterben; um wie viel, meinet ihr, verdient jener härtere Strafen, welcher den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, wodurch er geheiligt worden, für unrein gehalten und dem Geiste der Gnade Schmach angetan hat ... Denn schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen" (Hebr. 10, 28-29.31).

Die Praxis der Kirche

Niemand zweifelt in der Tat, Ehrwürdige Brüder, dass die Kirche als geliebte Braut des göttlichen Erlösers immer rein und unbefleckt geblieben ist in ihrem Glauben, der sie erleuchtet, in den Sakramenten, durch die sie genährt und geheiligt wird, in den Vorschriften und Gesetzen, durch die die ganze Kirche regiert wird, und schließlich in der großen Zahl ihrer Mitglieder, die durch ihr heroisches und sittenstrenges Leben der Kirche zum ewigen Ruhm gereichen.

Aber es fehlen in der Kirche nicht jene Kinder, die vergessen, wozu sie berufen und auserwählt sind, und die die ihnen von Gott verliehene Würde zerstören und deshalb Christi Abbild nicht in sich tragen. Wir wollen aber weder tadeln noch drohen, sondern in väterlichem Geiste auf die Mahnungen des Konzils von Trient verweisen, durch das die katholische Kirchenzucht so großartig wieder erneuert worden ist: ",Da wir in der Taufe Christus angezogen haben' (Gal. 3,27), sind wir durch ihn zu einer ganz neuen Kreatur geworden, denn wir haben die volle Vergebung aller Sünden erlangt. Zu dieser vollkommenen Wiederherstellung können wir aber keineswegs gelangen ohne besondere Reue und Buße. Denn das erfordert die göttliche Gerechtigkeit. So wurde die Buße von den heiligen Vätern mit Recht als eine Art ,mühevolle Taufe' (laboriosus baptismus) bezeichnet" (Conc. Trid., Sess. XIV, doctrina de Sacramento Paenitentiae, cap. 2; vgl. Greg. Naz., Orat. 39,17: PG 36, 356; S. Joan.Dam., De fide orthod. 4, 9: PG 94,. 11, 24).

Die Christen sollen also überzeugt sein, dass die ihnen immer wieder eingeschärfte Mahnung zur Buße als Mittel der Versöhnung und Heiligung auf den göttlichen Meister selbst zurückgeht und uns von der Kirche in den Gebeten der heiligen Liturgie, in den Weisungen der heiligen Väter und schließlich in den Konzilserlassen überliefert und verkündet worden ist. So betet die katholische Kirche in der Fastenzeit: "Möge unser Geist durch die Abtötung des Fleisches von der Sehnsucht nach dir erfüllt werden" (Oration vom Dienstag nach dem ersten Fastensonntag) und: "Mögen wir durch die Abtötung der irdischen Gelüste besser das Himmlische erfassen" (Oration vom Mittwoch nach dem vierten Fastensonntag).

Das Beispiel der früheren Konzilien

Es nimmt deshalb nicht wunder, dass Unsere Vorgänger bei der Vorbereitung der Konzilien es sich angelegen sein ließen, die Gläubigen zu heilsamer Buße zu ermahnen. Wir möchten unter anderem erinnern an Innozenz III., der vor Beginn des IV. Laterankonzils folgende Worte an die Gläubigen richtete: "Das Gebet soll mit Fasten und Almosen verbunden werden, damit es auf diesen beiden Flügeln um so leichter und schneller vor das huldvolle Antlitz Gottes gelange und er uns zur rechten Zeit gütig erhöre" (Epist. ad Concil. Later. IV spectantes, Epist. 28 ad fideles per Moguntinas provincias constitutos, in Mansi, Amplissimi Coll. Concil. 22, Paris/Leipzig 1903, col. 959). Gregor X. bestimmte in einem Schreiben an "seine Prälaten und seine Kleriker", dass vor Beginn des Zweiten Konzils von Lyon dreitägige Fasten gehalten werden sollten (vgl. Mansi, op. cit. 24, col. 62). Schließlich forderte Pius IX. alle Gläubigen auf, sich von jedem Makel und aller Schuld zu reinigen und sich so mit Würde und in Freude auf das bevorstehende Vatikanische Konzil vorzubereiten, "weil offenbar das Gebet der Menschen Gott wohlgefälliger ist, wenn es aus reinem Herzen, d. h. aus von aller Schuld gereinigten Seelen zu ihm emporsteigt" (vgl. Act. et Decr. Sacr. Concil. Recent., Coll. Lac. tom. VII, Freiburg i. Br. 1890, col. 10).

Praktische Vorschläge

Wir wünschen deshalb, Ehrwürdige Brüder, den Spuren Unserer Vorgänger folgend, dringend, dass die Katholiken, sowohl der Klerus wie die Laien, durch Gebet, gute Werke und christliche Übung der Buße sich für das große Ereignis des kommenden Konzils rüsten. Da aber die öffentlich und in Gemeinschaft verrichteten Gebete zur Erlangung der von Gott erbetenen Hilfe wirksamer sind nach den Worten des Erlösers, "wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen" (Matth. 28, 20), müssen die Gläubigen auch in der Gegenwart wie in der ersten Zeit der Kirche "ein Herz und eine Seele sein" (Apg. 4, 32).

Sie sollen deshalb durch Gebet und Buße von Gott die Früchte dieses außergewöhnlichen Ereignisses [des Konzils] erbitten, die dem Wunsche aller entsprechen: die Wiederbelebung des Glaubens, der Liebe und der Sittenreinheit. Mögen der Glaube, die Liebe und die Kraft der Sitten in der Weise wiederbelebt werden und zur Blüte gelangen, dass sie für die vom Apostolischen Stuhl getrennten Christen einen Anreiz bilden, die Einheit ehrlich und eifrig zu suchen und in den einen Schafstall unter dem einen Hirten einzutreten (vgl. Joh. 10, 16).

Um das wirksamer von Gott zu erlangen, bitten Wir euch, Ehrwürdige Brüder, vor Beginn des kommenden Konzils in den einzelnen Pfarreien eurer Diözesen feierliche Novenen zum Heiligen Geist abhalten zu lassen, in denen für die Konzilsväter himmlisches Licht und übernatürliche Hilfe erfleht werden soll. Zu diesem Zweck gewähren Wir allen Teilnehmern, gleichsam um etwas aus dem Kirchenschatz herzugeben, einen vollkommenen Ablass unter den gewöhnlichen Bedingungen.

In allen Diözesen sollen zudem öffentliche Sühneandachten gehalten werden. In ihnen soll das christliche Volk durch besondere Predigten angehalten werden, die Werke der Barmherzigkeit und der Buße zu vermehren und vom gnädigen und allmächtigen Gott jene Erneuerung des christlichen Lebens zu erbitten, die als eine der wichtigsten Gründe für die Einberufung des Konzils angesehen wird. Sehr treffend bemerkt Unser Vorgänger Pius XI.: "Gebet und Buße sind zwei wirksame Geistesgaben, damit die erbarmungswürdige Menschheit, die bald da, bald dort abirrt, zu sich selbst zurückfinden kann. Gebet und Buße beseitigen und sühnen die erste Ursache aller Unordnung, nämlich die Auflehnung des Menschen gegen Gott" (Enzyklika Caritate Christi compulsi, AAS 24 [1932] S.191).

Innere und äußere Buße

Es bedarf vor allem der inneren Buße, d. h. der Verabscheuung und Sühnung der begangenen Sünden. Diese Buße wird von jenen geübt, die in rechter und frommer Weise die Seele in der heiligen Beichte reinigen, dem eucharistischen Opfer beiwohnen und das Altarssakrament empfangen. Zu dieser Buße sollen die Gläubigen vor allem zur Zeit der Gebetsnovenen zum Heiligen Geist angeleitet werden. Denn unsere Bußwerke sind nutzlos ohne seelische Reinigung und ehrlichen Abscheu vor der Sünde. In diesem Sinne ist der strenge Hinweis Christi zu verstehen: "Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugleich zugrunde gehen" (Luk. 13, 5). Wir bitten inständig, Gott möge diese Gefahr von allen Unseren Söhnen abwenden.

Die Gläubigen müssen aber auch zur äußeren Buße angehalten werden, zur Unterwerfung des Leibes unter die Herrschaft der Vernunft und des Glaubens und zur Sühneleistung für die eigenen und die fremden Sünden. Denn selbst der heilige Paulus, der bis in den dritten Himmel erhoben worden ist und den Gipfel der Heiligkeit erreicht hat, hat nicht gezögert, von, sich zu sagen: "Ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit" (1 Kor. 9, 27). Und der heilige Augustinus mahnt: "Es genügt nicht, einen besseren Lebenswandel zu führen und von den bösen Taten abzulassen, wenn man nicht zugleich Genugtuung leistet für das, was man getan hat, durch Reueschmerz, Selbstentäußerung, durch Zerknirschung des Herzens und durch Almosen" (Serm. 351, 5, 12; PL 39, 1549).

Zu diesen äußeren Bußübungen gehören vor allem die geduldige und vertrauensvolle Hinnahme der Leiden und Schmerzen, von denen wir im Leben heimgesucht werden, ebenso die Hinnahme alles Lästigen und Unangenehmen in der täglichen Erfüllung unserer Aufgaben oder in der täglichen Arbeit, und schließlich die Übung der christlichen Tugenden. Diese Art von Buße tilgt nicht nur die Sünde, versöhnt uns mit Gott und sichert uns seine Hilfe bei der Feier des ökumenischen Konzils, sondern mildert und erleichtert auch die Leiden des irdischen Lebens und macht sie erträglich, indem sie uns auf die ewige Herrlichkeit hoffen lässt. Denn: "Die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der himmlischen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird" (Röm. 8, 18).

Aber außer den unabwendbaren, aber mit christlicher Geduld ertragenen Leiden müssen die Gläubigen Gott auch Opfer anbieten, die sie darüber hinaus freiwillig auf sich nehmen nach dem Beispiel unseres Erlösers, der nach den Worten des Apostelfürsten "für unsere Sünden gestorben ist als Gerechter für Ungerechte, damit er uns vor Gott brächte. Er war zwar getötet dem Fleische nach, aber lebendig gemacht dem Geiste nach" (1 Petr. 3, 18). Es muss nämlich geschehen, dass, "nachdem Christus im Fleische gelitten hat, auch wir uns waffnen mit dem Gedanken an ebendasselbe" (1 Petr. 4, 1). Hierin sollen den Gläubigen auch die Heiligen der Kirche Beispiel und Vorbild sein, deren freiwillige Kasteiungen uns manchmal staunen machen und geradezu erschüttern. Warum sollten angesichts dieser Heiligen nicht auch sie mit der Gnade Gottes manche freiwillige Bußübung auf sich nehmen, besonders da sie oft von schweren Gewissensbissen geplagt werden. Wer könnte leugnen, dass jene Buße, die ihren Grund nicht in den angeborenen Schwächen des Leibes oder der Seele hat, sondern in einem freiwilligen und großmütigen Willensentschluss, Gott wohlgefälliger ist.

Mitwirken am Erlösungswerk

Alle wissen, dass das ökumenische Konzil die Ausbreitung des göttlichen Erlösungswerkes zum Ziele hat, das Christus der Herr, "hingeopfert ... , weil er selbst wollte" (Is. 53, 7), durch die Verkündigung seiner Lehre und vor allem durch die Hingabe seines kostbaren Blutes für das Heil der Menschen vollbracht hat. Wenn also jeder von uns mit dem heiligen Paulus sprechen will: "Ich freue mich um der Leiden für euch und will mit meinem Fleische ergänzen, was an seinem Leiden noch fehlt für seinen Leib, die Kirche" (Kol. 1, 24), so müssen wir auch bereit sein, Gott unsere Leiden anzubieten für die "Auferbauung des Leibes Christi" (Eph. 4, 12), die Kirche. Nichts ist erwünschter, nichts kann uns mehr zur Ehre gereichen, als wenn wir mitwirken an der Rettung der Menschen, die allzu oft vom rechten Wege der Wahrheit und der Tugend abirren.

Christus hat uns eingeschärft: "Wenn jemand mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Luk. 9, 23). Viele aber geben sich leider, anstatt Enthaltsamkeit und Selbstverleugnung zu üben, den irdischen Gelüsten hin und erniedrigen und schwächen so die höheren Kräfte der Seele. Die Christen müssen also unbedingt eine solche unwürdige Lebensweise, durch die oft die Leidenschaften aufgepeitscht werden und das ewige Heil gefährdet wird, mit jener Entschiedenheit von sich weisen, durch die die Märtyrer und die anderen Heiligen zu jeder Zeit der Katholischen Kirche ihren Glanz verliehen. Wenn so jeder das für ihn mögliche tut, so können die Christen viel zu einem glücklichen und erfolgreichen Ausgang des Zweiten ökumenischen Vatikanischen Konzils beitragen, das dem christlichen Leben neuen Glanz verleihen soll.

Schlussbemerkungen

Nach dem bisher Gesagten haben wir volles Vertrauen darauf, dass nicht nur ihr selbst, Ehrwürdige Brüder, Unsere Väterliche Einladung bereitwillig aufnehmen werdet, sondern mit eurer Hilfe auch alle Unsere Söhne aus dem Klerus- und Laienstande auf der ganzen Welt.

Das zu erreichen, was alle wünschen, nämlich die Erneuerung des christlichen Lebens durch das kommende Konzil, die wirksame Verkündigung des "Wortes vom Reich", von dem im Gleichnis vom Sämann die Rede ist, und die größtmögliche Ausbreitung des Reiches Gottes, das alles wird zu einem großen Teil von der Bereitschaft derer abhängen, die das Konzil anfeuern will zur Wahrheit und Tugend, zur privaten und öffentlichen Gottesverehrung, zu christlicher Lebensführung und schließlich zur Ausbreitung des Reiches Gottes.

Bemüht euch, Ehrwürdige Brüder, deshalb eifrig mit allen euch zu Gebote stehenden Mitteln, dass die euch anvertrauten Gläubigen sich durch Bußwerke reinigen und von frommem Eifer entflammt werden, damit der gute Samen, der in jenen Tagen weithin ausgesät werden wird, nicht zertreten, sondern mit bereitem und festem Willen aufgenommen werde und jene Versammlung viel zur Rettung der Menschen beitragen könne.

Wir glauben schließlich, auf die Zeit unmittelbar vor dem Konzil die Worte anwenden zu können: "Jetzt ist die rechte Gnadenzeit, jetzt ist der Tag des Heiles" (2 Kor. 6, 2). Aber die göttliche Vorsehung verleiht nur jenes Maß an Gnade, das die Menschen wollen und erstreben. Deshalb mögen alle Wohlgesinnten, die Wir seit langem auf jenes Ereignis hinlenken, auch dieser Unserer letzten Einladung Folge leisten. Alle Christgläubigen, vor allem aber die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Kinder, die Kranken und Leidenden, sollen sich Unserem und eurem Beispiel, Ehrwürdige Brüder, betend und büßend anschließen. Sie sollen von Gott das Licht und die Hilfe erbitten, die die Kirche in jenen Tagen besonders brauchen wird. Wie sollte Gott nicht zu reichen Gnadengeschenken bereit sein, wenn ihm von seinen Kindern im Geiste der Frömmigkeit und der Hingabe so viele Gaben dargebracht werden? .

Das christliche Volk, das dieser Unserer Einladung auf der ganzen Welt durch Gebet und freiwillige Buße Folge leistet, wird der Welt ein großes und erhabenes Schauspiel religiöser Erneuerung und religiöser Bereitschaft bieten, von der die Kinder der Kirche ganz durchdrungen sein müssen. Dass doch durch ihr Beispiel auch die Seelen jener getroffen würden, die allzu sehr in irdischen Geschäften aufgehen und die Pflichten gegenüber Gott vernachlässigen.

Wenn das alles nach Unseren Wünschen geschieht und ihr, ausgestattet mit übernatürlichen Reichtümern, aus euren Diözesen zum Konzil nach Rom kommen werdet, so wird man auf ein neues und schöneres Zeitalter für die Katholische Kirche hoffen können.

Bestärkt durch diese Hoffnung, erteilen Wir als Unterpfand himmlischer Gnadengaben und als Zeichen Unseres Wohlwollens, euch, Ehrwürdige Brüder, und dem ganzen Klerus und Volk, das eurer Obhut anvertraut ist, Unseren Apostolischen Segen im Herrn.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am Feste des Kostbaren Blutes, dem 1. Juli 1962,

im vierten Jahre Unseres Pontifikates

Johannes XXIII. PP.