O Haupt voll Blut und Wunden

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Pauli Gerhardi geistliche Andachten, Stettin 1670

O Haupt voll Blut und Wunden ist ein Geistliches Lied zur Passionszeit von Paul Gerhardt und Johann Crüger.

Es steht im Gotteslob unter der Nummer 289.

Texter und Komponist

Der Liedtexter Paul Gerhardt wurde 1607 in Gräfenhainichen geboren und starb 1676 in Lübben im Spreewald. Er gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlied-Dichtern. Gerhardt wurde als zweites von vier Kindern geboren und besuchte die Stadtschule, in der er Grundkenntnisse der lateinischen Sprache und im Chorgesang erwarb. Von 1622 bis 1627 besuchte Gerhardt die Fürstenschule St. Augustin in Grimma, die als Schmiede des sächsischen Pfarrer- und Beamtennachwuchses galt. Gelehrt wurden dort die Septem Artes liberales. Anschließend studierte er Theologie an der Universität Wittenberg. Um 1643 beendete er sein Studium und kam als Seelsorger nach Berlin. Die Erlebnisse des Dreißigjährigen Krieges verarbeitete Gerhardt in Gedichten und Liedtexten, um seinen Zeitgenossen neuen Mut und Hoffnung zu geben. Als Johann Crüger 1647 sein Gesangbuch erneut auflegte, steuerte Gerhardt 18 Lieder bei, bis zur 5. Auflage 1653 erhöhte sich die Zahl auf 82.<ref>Volker Beyrich: Einer von uns: Paul Gerhardt und die Landesschule Grimma. S.33-34 in: Augustiner Blätter, Publikation des Gymnasium St. Augustin zu Grimma, Jahrgang 2006/2007, Heft 2.</ref>

Der Komponist des Liedes ist Johann Crüger. Er wurde 1598 in Groß Breesen bei Guben geboren und starb 1662 in Berlin. Bis 1613 besuchte er die Lateinschule in Guben. In Regensburg erhielt er seine erste musikalische Ausbildung bei Paulus Homberger. 1615 kam er nach Berlin, wo er sich am Gymnasium zum Grauen Kloster auf das Theologiestudium vorbereitete. Ab 1620 studierte er Theologie an der Universität in Wittenberg. Von 1622 bis zu seinem Tode war er für 40 Jahre Lehrer am Gymnasium zum Grauen Kloster und gleichzeitig Kantor der Berliner St.-Nicolai-Kirche. 1643 lernte er Paul Gerhardt kennen, für den er mehrere geistliche Lieder vertonte.<ref>Christian Bunners: Johann Crüger (1598-1662) - Berliner Musiker und Kantor, lutherischer Lied- und Gesangbuchschöpfer: Aufsätze, Bildnisse, Textdokumente. Frank & Timme, 2012, ISBN 978-3-86596-371-0.</ref>

Entstehung

Im Laufe der Kirchengeschichte sind verschiedene Formen der Vergegenwärtigung des Leidens Christi entstanden. Eine wichtige davon ist das Passionslied O Haupt voll Blut und Wunden. Der Text des Liedes geht auf eine, Mitte des 13. Jahrhunderts entstandene, lateinische Dichtung des Brabanter Zisterziensers Arnulf von Löwen zurück. Unter dem Titel Salve mundi salutare (Gegrüßet seist du, Heil der Welt) widmete sich Arnulf der Meditation über die Gliedmaßen des Gekreuzigten. Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) wurde zunächst als Erstautor dieses Hymnus angesehen. Bei ihm ist er der abschließende Teil eines unter dem Titel Oratio Rhythmica überlieferten Zyklus von sieben Meditationen Bernhards über die Gliedmaßen des Gekreuzigten. Paul Gerhardt übersetzte den lateinischen Hymnus im Jahre 1656, im letzten Jahr seiner Amtszeit als Propst in Mittenwalde, in die deutsche Sprache. Gerhardt verfügte über eine ausgeprägte Lebens- und Leidenserfahrung. Im Dreißigjährigen Krieg aufgewachsen, hatte er im Alter von 14 Jahren seine Eltern verloren und musste später den Tod seiner Frau und vier seiner fünf Kinder verarbeiten. 30 Jahre nach dem Tod des evangelischen Dichters, im Jahr 1676, erschien O Haupt voll Blut und Wunden erstmals in einem katholischen Gesangbuch.<ref>Ludger Stühlmeyer: Heinrichsblatt Nr. 13, Bamberg 28. März 2010, S. 13.</ref>

Die Melodie des Chorals stammt von Gerhardts Freund, dem Organisten Johann Crüger. Das Strophenschema ist 7/6/7/6/7/6/7/6, das Versmaß ist jambisch. Der Komponist Crüger griff bei seiner Vertonung auf ein bestehendes Sterbelied von Christoph Knoll mit dem Titel Herzlich tut mich verlangen nach einem sel´gen End zurück, das er dem Text Paul Gerhards in bearbeiteter Form unterlegte. Schon Knoll hatte sich bei der Schaffung seines Liedes eine bereits vorliegende Melodie zunutze gemacht. Das Verfahren, dessen er sich bediente, die Contrafactur, beruht darauf, einer bereits bestehenden Melodie einen neuen Text zu unterlegen. Knoll griff bei seinem Sterbelied auf ein Liebeslied des Texters und Komponisten Hans Leo Haßler mit dem Titel Mein G´müt ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart zurück. Die achtzeilige Strophe des Liedes mit zwei Kreuzreimquartetten folgt dem Schema ababcdcd, ein Rückgriff auf den alten Hildebrandston des Nibelungenliedes. Schon die Verbindung von Sterbe- und Liebeslied ist interessant, was durch die Doppeldeutigkeit von Haßlers Gedicht noch verstärkt wird. Denn das Liebeslied des Komponisten wurde sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Sinne gedeutet, ein Phänomen, das bereits in den Troubadourliedern des Mittelalters auftaucht, die sowohl als Huldigung einer Dame als auch als Verehrung der Gottesmutter Maria gedeutet werden konnten.<ref>Ludger Stühlmeyer: Heinrichsblatt Nr. 13, Bamberg 28. März 2010, S. 13.</ref>

Die Verbindung verschiedener Texte mit ein und derselben Melodie wurde von den Komponisten der Barockzeit bewusst eingesetzt, um theologische Aussagen miteinander zu verknüpfen. So verwendet Johann Sebastian Bach in seinem Weihnachtsoratorium die Melodie von O Haupt voll Blut und Wunden, um sie dem Text des Liedes Wie soll ich dich empfangen zu unterlegen, mit dem der Chor die Vorbereitung auf die Geburt Christi thematisiert. Bach verdeutlicht so, dass Geburt und Tod Jesu im Geheimnis des Glaubens untrennbar miteinander verbunden sind. Dabei greift er auf die Tradition des Gregorianischen Chorals zurück, der in den Hodie-Antiphonen ebenfalls den weihnachtlichen- und den österlichen Festkreis durch die Verwendung gleicher Melodien zueinander in Beziehung setzt. Auch in seiner Matthäuspassion trägt O Haupt voll Blut und Wunden zur Deutung des Karfreitags-Geschehens bei. Insgesamt fünf Mal tritt die Melodie in Erscheinung und jedes Mal wählt der Komponist eine tiefere Tonart, um das Herabsteigen in die Tiefen des Schmerzes zu symbolisieren. An der zentralen Stelle des Todes Jesu ist die Tonart dann erhöht und verdeutlicht so die untrennbare Verbindung der Erhöhung am Kreuz mit der Auferstehung von den Toten.<ref>Ludger Stühlmeyer: Heinrichsblatt Nr. 13, Bamberg 28. März 2010, S. 13.</ref>

Rezeption (Auswahl)

  • Dieterich Buxtehude (1637–1707): Menmbra Jesu Nostri Passionszyklus in 7 Kantaten (BuxWV 75), eine Kantate Herzlich tut mich verlangen (BuxWV 42), Choralkantate Walts Gott, mein Werk ich lasse (BuxWV 103) und ein Choralvorspiel Ach Herr, mich armen Sünder für Orgel-solo (BuxWV 179).
  • Johann Sebastian Bach (1685–1750): Matthäuspassion (BWV 244); Kantate Sehet! Wir gehn hinauf gen Jerusalem (BWV 159); Weihnachtsoratorium Teil I und VI.
  • Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847): Kantate (1830) für Soli, Chor und Orchester über O Haupt voll Blut und Wunden.
  • Franz Liszt (1811–1886): Via crucis Station VI: O Haupt voll Blut und Wunden.
  • Max Reger (1873–1916): O Haupt voll Blut unnd Wunden Choralkantate zum Karfreitag und ein Choralvorspiel O Haupt voll Blut und Wunden für Orgel-solo (1904).

Der Choral O Haupt voll Blut und Wunden diente weiteren Komponisten wie Johann Pachelbel, Johann Gottfried Walther, Georg Philipp Telemann, Friedrich Silcher, Rudolf Palme, Josef Gabriel Rheinberger, Johann Nepomuk David, Josef Friedrich Doppelbauer, Rupert Gottfried Frieberger und Ludger Stühlmeyer als Vorlage für Vokal- und Instrumental-Kompositionen.

Literatur

  • Marlies Lehnertz: Vom hochmittelalterlichen katholischen Hymnus zum barocken evangelischen Kirchenlied. Paul Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“ und seine lateinische Vorlage, das „Salve caput cruentatum“ Arnulfs von Löwen. In: Hansjakob Becker, Reiner Kaczynski (Hrsg.): Liturgie und Dichtung. Ein interdisziplinäres Kompendium. Band 1: Historische Präsentation. EOS, St. Ottilien 1983, ISBN 3-88096-281-2, S. 755–773.
  • Hansjakob Becker: Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48094-2, S. 275–290.
  • Elke Axmacher. Matthias Schneider: O Haupt voll Blut und Wunden. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Nr. 10, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50333-4, S. 40–52.
  • Klaus Schneider: Lexikon „Musik über Musik“. Bärenreiter, Kassel 2004, ISBN 3-7618-1675-8.
  • Ludger Stühlmeyer: Ad faciem – O Haupt voll Blut und Wunden. Dieterich Buxtehude, Paul Gerhardt, Hans Leo Hassler. In: Kirchenmusik im Erzbistum Bamberg Nr. 43, Bamberg März 2007, S. 4–5.
  • Ludger Stühlmeyer: Verbindung von Sterbe- und Liebeslied – O Haupt voll Blut und Wunden. Heinrichsblatt Nr. 13, Bamberg 28. März 2010, S. 13.

Weblinks

Anmerkungen

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