Neujahrspredigt vom 1. Januar 1987

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Neujahrspredigt

von Papst
Johannes Paul II.
mit Ankündigung eines Marianischen Jahres
1. Januar 1987

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1987, S. 1179-1182)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn ... " (Gal 4,4).

Wir grüßen dich, Fülle der Zeit, die der ewige Sohn Gottes brachte und durch seine Menschwerdung in der Geschichte der Schöpfung verwirklichte.

Wir grüßen dich, Fülle der Zeit, aus der heute, nach dem Maß menschlicher Zeitabläufe, das neue Jahr entspringt.

Wir grüßen dich, Jahr des Herrn 1987, an der Schwelle deiner Tage, Wochen und Monate.

Dich grüßt die Kirche des menschgewordenen Gottes inmitten aller Nationen und Völker.

Dich grüßt die Kirche mit dem Segen des Bundesgottes:

"Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht di r zu und schenke dir Frieden" (Num 6,24-26).

2. "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn ... "

Wir grüßen dich, neues Jahr, im Herzen des Geheimnisses der Menschwerdung, in dem wir den Sohn Gottes anbeten, der für uns Mensch geworden ist. Wir grüßen dich, Sohn, gleichen Wesens mit dem ewigen Vater. Du bist in der Fülle der Zeit gekommen, "damit wir die Fülle der Sohnschaft erlangen" (Gal 4,5).

Wir grüßen dich in deiner Menschlichkeit, Sohn Gottes, geboren von einer Frau, wie jeder von uns Menschensöhnen von einer Frau geboren ist.

Wir grüßen dich in der Menschlichkeit aller Menschen, im Reichtum und der Vielfalt der Stämme, Nationen und Rassen, Sprachen, Kulturen und Religionen.

In dir, Sohn Mariens, in dir, Menschensohn, sind wir Kinder Gottes. Diesen ersten Tag des neuen Jahres möchten wir, zusammen mit dem Oktavtag von Weihnachten, als universales Fest der Menschen in der Fülle ihrer menschlichen Würde feiern.

Wir möchten diesen Tag, dank deines Wirkens, als "Söhne im Sohn" feiern, "um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln" (loh 11,52).

Der Heilige Geist eröffnet neue Lebensmöglichkeiten in Christus

3. "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft, Abba Vater" (Gal4,6).

Du hast so gerufen, Du, der Sohn. Du hast so in den Augenblicken der Inbrunst und der Erniedrigung gesprochen.

Und du, Sohn, gleichen Wesens mit dem Vater, hast uns gelehrt, so zu sprechen: Du hast uns Mut gemacht, mit dir zu sprechen: "Vater unser."

Und auch, wenn unsere Menschlichkeit uns kein Recht darauf gibt, hast du uns, in Einheit mit dem Vater, deinen Geist geschenkt, den "Herrn und Lebensspender", damit wir von ganzem Herzen mit innerer Wahrheit sprechen können "Abba Vater". Denn der Geist des Sohnes ist in unsere Herzen gesandt. Der Geist des Sohnes hat uns neu geformt aus der Wurzel unserer menschlichen Natur und zu "Söhnen im Sohn" gemacht.

4. Wir sind also Söhne, nicht Sklaven. Wir sind Erben durch den Willen Gottes.

Heute, zu Beginn des neuen Jahres möchten wir dieses universale Erbe aller Söhne und Töchter dieser Erde bestätigen.

Alle sind zur Freiheit berufen. In unseren Zeiten hat die Kirche noch einmal die Wahrheit von der "Christlichen Freiheit und der Befreiung" als Grundlage von Gerechtigkeit und Frieden bestätigt (vgl. Instruktion der Glaubenskongregation, 22. März 1986).

Der Geist des Sohnes, den der Vater unaufhörlich in unsere Herzen sendet, ruft ständig: "Du bist nicht mehr Sklave, sondern Sohn, bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott" (Gal4,7).

5. "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau." In der Weihnachtsoktav und vor allem heute schlägt das Herz der Kirche in besonderer Weise für die Mutter des Gottessohnes, die Muttergottes. Heute feiern wir ihr Hochfest. Sie, die Frau, gibt das erste mütterliche Zeugnis für die menschliche Würde des Gottessohnes.

Von ihr ist er geboren, sie ist seine Mutter.

Heute sehen wir sie in Betlehem, während sie die Hirten um sich sammelt. Am achten Tag nach der Geburt wird der alttestamentliche Ritus der Beschneidung vollzogen. Sie gibt dem Kind einen Namen. Und sein Name ist Jesus, ein Name, der von Gottes Heil spricht. Dieses Heil wurde von seinem Sohn gebracht. Jesus heißt Erlöser. So wurde der Sohn Mariens bei der Verkündigung genannt, am Tage, an dem er in ihrem Schoß empfangen wurde. Und so wurde er von ihr vor den Menschen gerufen.

Die menschliche Würde des Gottessohnes drückt sich in diesem Namen aus. Er ist als Mensch Erlöser der Welt. Seine Mutter ist Mutter des Erlösers.

Die Mutter Jesu Christi hat uns ein Beispiel gegeben, was "glauben" bedeutet

6. "Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir" (Lk 1,28).

Du bist selig, weil du geglaubt hast ... (vgl. Lk 1,45). Du hast bei der Verkündigung geglaubt. Du hast in der Nacht von Betlehem geglaubt. Du hast auf Golgota geglaubt. Du bist auf dem Pilgerweg des Glaubens vorangegangen und bewahrtest die Vereinigung mit dem Sohn in Treue bis zum Kreuz (vgl. Lumen gentium, Nr. 48). So sahen dich die Generationen des Volkes Gottes auf der ganzen Erde. So hat dich, seligste Jungfrau, das Konzil unseres Jahrhunderts gesehen.

Die Kirche heftet ihre Augen auf dich als ihr Vorbild. Besonders in dieser Zeit, wo sie sich anschickt, die Ankunft des 3. Jahrtausends christlicher Zeitrechnung zu feiern. Um sich besser auf dieses Datum vorzubereiten, wendet die Kirche ihre Augen zu dir, dem Werkzeug der Vorsehung, dessen sich der Sohn Gottes bedient, um Mensch zu werden und der neuen Zeit einen Anfang zu geben. In dieser Meinung will sie ein dir besonders geweihtes Jahr begehen, ein Marianisches Jahr, das an Pfingsten beginnen wird und im folgenden Jahr am Fest deiner Aufnahme in den Himmel schließt; ein Jahr, das jede Diözese mit besonderen Initiativen feiern wird, um sich in dein Geheimnis zu vertiefen und deine Verehrung in neuem Eifer der Zustimmung zum Willen Gottes zu fordern nach dem Beispiel, das du, Magd des Herrn, gegeben hast.

Solche Initiativen können sich fruchtbringend in den Rahmen des liturgischen Jahres einfügen und in die "Geographie" der Heiligtümer, die die Frömmigkeit der Gläubigen dir, Jungfrau Maria, in allen Teilen der Erde gewidmet hat. Wir möchten, Maria, daß du am Horizont der Ankunft der neuen Zeit leuchtest, wenn wir uns dem 3. Jahrtausend nach Christus nähern. Wir möchten das Wissen um deine Gegenwart im Geheimnis Christi und der Kirche vertiefen, wie uns das Konzil gelehrt hat. Deshalb will sich der gegenwärtige Nachfolger des Petrus, der dir seinen Dienst weiht, sich demnächst mit einer Enzyklika, die dir, Jungfrau Maria, unschätzbares Geschenk Gottes an die Menschheit, gewidmet ist, an seine Brüder im Glauben wenden.

Maria - Urbild und Patronin der Kirche durch die Jahrtausende

7. Selig bist du, weil du geglaubt hast!

Der Evangelist sagt von dir: "Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach" (Lk 2,19).

Du bist das Gedächtnis der Kirche!

Die Kirche lernt von dir, Maria, daß Mutter sein ein lebendiges Gedächtnis haben bedeutet, d. h. die Geschicke der Menschen und der Völker "im Herzen bewahren und darüber nachdenken"; die freudigen und die schmerzhaften. Unter soviel Ereignissen möchten wir im Jahr 1987 der Kirche die 600-JahrFeier der Taufe Litauens in Erinnerung rufen und die Gebete für unsere Brüder und Schwestern, die seit soviel Jahrhunderten mit Christus vereint bleiben im Glauben der Kirche.

Und soviel andere Ereignisse, soviel Hoffnungen, aber auch Bedrohungen, soviel Freuden, aber auch Leiden ... manchmal so große Leiden! Wir alle als Kirche müssen diese Ereignisse in unserem Herzen bewahren und darüber nachdenken wie die Mutter. Wir müssen immer mehr von dir, Maria, lernen, wie wir in diesem Übergang vom 2. ins 3. Jahrtausend Kirche sein müssen.

8. An der Schwelle des neuen Jahres umarmt der Bischof von Rom bei diesem eucharistischen Opfer alle Kirchen der Welt, die in der universalen katholischen Gemeinschaft vereinigt sind

- alle geliebten christlichen Brüder, die miteinander den Weg zur Einheit suchen

- alle Anhänger nichtchristlicher Religionen

- und, ohne Ausnahme, alle Menschen guten Willens auf dieser Erde

und ruft am Grab des hl. Petrus mit den Worten der Liturgie aus:

"Der Herr segne uns und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig ... und schenke uns Frieden!" (vgl. Num 6,24-26)