Meister Eckhart

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Meister Eckhart (* um 1260 bei Gotha; † 1328 in Avignon oder Köln) war ein mittelalterlicher Philosoph, Exeget und Mystiker, der dem Dominikanerorden angehörte.

Leben

Meister Eckhart wird um 1260 als Sohn des Ritters Eckhart von Hohenheim geboren. Sein Leben ist geprägt von Gott und der Welt, denn die Aufgaben des früh, vermutlich um 1275 in den Dominikanerorden eingetretenen Eckhart, bestanden nicht nur in der Kontemplation, sondern auch in Forschung, Lehre und Organisation.

Von 1277 bis 1289 Studium in den Studiengängen artium, naturalium, solemne und generale – also eine sehr lange und breite Ausbildung, was damals aber nicht unüblich war. Eckhart studierte in Köln, höchstwahrscheinlich auch bei Albertus Magnus. Anschließend Priesterweihe. Um 1290 geht Eckhart als Magister nach Paris – von daher der Name „Meister Eckhart“ – und wirkt einige Jahre als Lektor der Sentenzen des Petrus Lombardus. 1294 wird er Prior des Erfurter Dominikanerklosters; von da an wird die Quellenlage besser und die Erkenntnis über sein Leben gesicherter. In dieser Zeit entstehen die Reden der Unterweisung. 1302 lehrt er wieder in Paris. 1303-1310 übernimmt Meister Eckhart die Leitung der neugebildeten Ordensprovinz Saxonia. 1311-1313 folgt ein zweites Magisterium in Paris, eine Auszeichnung, die zuvor nur Thomas von Aquin erfahren hat. 1314 wird er Generalvikar des Dominikanerklosters in Straßburg, aus dieser Zeit stammt ein Großteil seiner bekanntesten Schriften, der „Deutschen Predigten“. 1322 übernimmt Meister Eckhart die Leitung seiner alten Ausbildungsstätte, des Studium generale in Köln.

Dort wird er 1325 durch Mitbrüder beim Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg wegen angeblich häretischer Glaubensaussagen denunziert. Eine Liste mit zunächst 49 inkriminierten Sätzen wird 1326 nach Überprüfung auf 28 reduziert. Um vor dem Scheiterhaufen bewahrt zu bleiben, widerruft Meister Eckhart 1327 vorsorglich öffentlich seine Thesen, was ihm nicht allzu schwer gefallen sein dürfte, waren doch gerade die kritischen Passagen vielfach falsch tradiert worden. Es handelte sich bei den Texten um Mitschriften von Ordensfrauen, in deren Klöster Meister Eckart gepredigt hatte. Entsprechend ungenau bzw. verkürzt wurde manche „häretische“ These wiedergegeben.

Meister Eckhart stirbt 1328, entweder auf einer Reise an den päpstlichen Hof zu Papst Johannes XXII. nach Avignon oder – kurz nach seiner Rückkehr – in Köln.

Denken

Das Ziel des eckhartschen Denkens ist in der Einheit des Menschen mit Gott zu sehen, eine Einheit, die man am treffendsten als unio mystica bezeichnet, auch wenn Eckhart diesen Begriff selbst nicht verwendet. Diese Einheit mit Gott geschieht durch die Gottesgeburt in der Seele. Ernst Soudek fasst zusammen: „Meister Eckharts Ideenwelt dreht sich im Grunde genommen um zwei Pole: Gott und Mensch, oder genauer: Gott und Seele. Zu zeigen, wie sich Gott und Seele in der unio mystica berühren, ist das Hauptanliegen seiner Schriften.“<ref>Ernst Soudek: Meister Eckhart. Stuttgart 1973, S. 35.</ref>

Seele und Seelengrund

Für die Seele kennt Meister Eckhart viele Metaphern. Er nennt sie „Licht“, „Funken“, „Tropfen“, „Strahl der Herrlichkeit Gottes“ oder „Burg“. Für Menschen ist die Seele eine unbezwingbare „Festung“, Gott aber kann in die Seele eindringen, als Lichtstrahl oder als Funke, so wie das Sonnenlicht durch jede kleinste Ritze einer Festungsmauer hindurchscheint. Und dies ist nicht nur notwendig so, sondern auch wünschenswert, denn nur der Anteil der Seele am göttlichen Glanz eröffnet dem Menschen den Zugang zu Gott.<ref>Josef Bordat: Zum Begriff „Seele“ in der Mystik Meister Eckharts. In: urbi@orbi. Zeitschrift der Katholischen Studierendengemeinde Berlin. Jg. 1 (2007), Nr. 1, S. 11-14, S. 11.</ref>

Ziel aller philosophischen oder mystischen Spiritualität ist die Einheit mit Gott, die unio mystica durch die Geburt Gottes in der Seele. Dass Gott in mir geboren wird, so Eckhart mit Augustinus, daran sei alles gelegen. Der „Ort“ dieser Geburt ist die Seele des Menschen, genauer: der „Seelengrund“. Meister Eckhart hebt die Sonderheit dieses Seelengrundes an verschiedenen Stellen hervor. Der namenlose Seelengrund, kann, so wie Gott, nicht benannt werden, denn er ist wie Gott. Da es aber gewissermaßen methodisches Anliegen Eckharts ist, das Unsagbare bildhaft auszudrücken, hat er auch für den Seelengrund paradoxerweise eine Reihe von Bezeichnungen: „Seelenfunke“, „Wesen der Seele“, „Versteck des Geistes“, „kleine Seelenfestung“, „Scintella“, „Bewacher der Seele“, „Licht in der Seele“.

Dieser Seelengrund ist ungeschaffen und unerschaffbar. Damit Etwas in der Seele Gott, der ungeschaffen und unerschaffbar ist, gleicht, muss, da Gleiches nur durch Gleiches erkannt werden kann, dieses Etwas selbst ungeschaffen und unerschaffbar sein. Gäbe es dieses ungeschaffene und unerschaffbare Etwas in der Seele nicht, bliebe es dem göttlichen Menschen verwehrt, sich im Bereich des Göttlichen zu bewegen.

Zur Erhellung dessen, was mit diesem Seelengrund gemeint ist, bedient sich Eckhart wieder einer philosophischen Terminologie und vernünftiger Argumentation: Der Seelengrund ist keine Potenz, keine Kraft, kein Vermögen, also etwas an der Seele, sondern der wesentliche Grund (causa essentialis) in der Seele, also das, was in der Seele über die Seele hinausragt.

Eckharts Vorstellung vom ungeschaffenen und unerschaffbaren Seelengrund, der von Gott, sofern er Gott der Kreaturen ist, nichts weiß, der für einen solchen Gott sogar Ursache ist, der hingegen die Gottheit selbst ist, soweit damit die Teilhabe an der absoluten Vernunft gemeint ist, vom Seelengrund, der als Bewusstsein seinen Zweck einzig in sich selbst besitzt, einzig sich seiner bewusst ist und damit Selbstbewusstsein ist – diese Vorstellung mit all ihren Implikationen war für die Theologen in Köln und dann in Avignon Anlass, gegen Eckhart das erwähnte Inquisitionsverfahren anzustrengen. So überrascht es nicht, dass man weder bei Johannes Tauler noch bei Heinrich Seuse, noch bei Nikolaus Cusanus Eckharts Theorie vom Seelengrund in der ihr eigentümlichen Form wiederfindet, obwohl sie bestens mit Eckharts Denken vertraut waren.

Häretisch an der Seelengrund-Theorie ist, dass Eckhart das Ich, das bei ihm als ungeschaffen gilt, da es sich als causa sui selbst erschafft, mit dem Seelengrund in Verbindung bringt und ontologisch gleichsetzt. Wenn nun der Seelengrund aber ein Teil der Seele ist, dann hätten wir damit etwas Ungeschaffenes im Geschaffenen und das geht nach der christlichen Schöpfungslehre nicht, bei der ja die Schöpfung vollständig Emanation Gottes ist, also von Gott aus Gott heraus in die Existenz gesetzt wird, als Akzidenz der Ur-Substanz Gottes. Auch die Seele ist Teil dieser Schöpfung. Somit kann es darin nicht etwas Ungeschaffenes geben, keinen Seelengrund, kein „ewiges“, „ungeschaffenes“ Ich.

Auch die beiden Gottesbegriffe Eckharts, „Gott“/Gott bzw. Gott der Kreaturen/Gottheit, sorgen immer wieder für Irritation.

Gott und Gottheit

Im Zusamenhang mit den beiden Gottesbegriffen Eckharts darf nicht an zwei verschiedene Götter gedacht werden. Es handelt sich auch nicht um den „frühen Gott“ und den „späten Gott“ bzw. den Gott vor und den Gott nach der Schöpfung, sondern es ist ein Gott, der, insoweit er als Schöpfer der Kreatur zugewandt ist, ein Gott ist, der seinen Ursprung aufgibt, die Gottheit, die in ihm ist, sein nicht-zeugender Wesenskern. Der eingangs dieses Kapitels zitierte Ernst Soudek fasst das wieder sehr schön zusammen: „Auf den Begriff ,Gott’ beziehen sich alle Gedanken Meister Eckharts über die göttlichen Personen; unter ,Gottheit’ scheint er das letzte überhöhte ,Sein’ Gottes zu verstehen.“<ref>Ernst Soudek: Meister Eckhart. Stuttgart 1973, S. 36.</ref> In der unio mystica schicke sich der Mensch an, sich „über den dreieinigen Gott hinauszubewegen [..] in ,die Wüste’, den ,Grund, Boden, und Quell’ Gottes, in die ,Gottheit’“<ref>Ernst Soudek: Meister Eckhart. Stuttgart 1973, S. 36.</ref>.

Die Gottheit ist das, was mit dem Seelengrund eins werden kann. Dadurch geht der Mensch hinter die Schöpfung zurück, durch die Gott in seiner Eigenschaft als Schöpfer seine Ursprünglichkeit als Gottheit aufgegeben hat, nicht zeitlich unterschieden, sondern qualitativ. Das Wesenhafte, Unveränderte, man könnte fast sagen, nicht durch die Schöpfung Korrumpierte an Gott wird Zielgröße desjenigen Menschen, der zum Ursprung seiner Selbst zurückkehren will. Das Ich wird dort, als eins mit dieser Gottheit begriffen, zur Ursache seiner Selbst und sogar Gottes, insoweit er Schöpfer-Gott bzw. Gott der Kreaturen ist.

Am Ende kehrt also der „göttliche Mensch“, so nennt Eckhart den Menschen in Einheit mit Gott, durch die Gottesgeburt im Seelengrund zu seiner eigenen Ursächlichkeit zurück und erreicht eben nicht „nur“ eine Einheit mit Gott, sondern auch mit sich, mit dem „Ich“ als diese ursächliche Gottheit, die causa sui ist und zugleich Selbstbewusstsein und Selbstzweck – unvermittelt, voraussetzungslos, ewig. Das ist mit Gottesgeburt in der Seele gemeint – ein schöpferischer Akt, aus dem der Gott, der in bezug auf die Kreaturen Gott ist, hervorgeht. Darin besteht zugleich die unio mystica der Seele (genauer: des Seelengrundes)mit Gott (genauer: der Gottheit), weiterhin des zeitlichen Ich mit dem ursprünglichen Ich. Und das ist zugleich Grundanliegen und Quintessenz der eckhartschen Philosophie bzw. Mystik.

Unio mystica: Gottesgeburt in der Seele

Die Gottesgeburt vollzieht sich durch mystische Erfahrung, was bei Meister Eckhart ein Erkennen Gottes meint. Diese Erkenntnis Gottes, die Erfahrungskenntnis von Gott (cognitio Dei experimentalis, Bonaventura) ist bei Eckhart nicht, wie bei anderen Mystikern, im Sinne spektakulärer seelischer Ereignisse und senkrecht einfallender Theophanien gedacht. Nein: Seine Einheitserfahrung mit Gott ist kein isoliertes seelisches Ereignis im Sinne der älteren Kontemplationsmystik – bloß rara hora et parva mora (zu seltener Stunde und kurze Zeit, Bernhard von Clairveaux) geschehend – sondern die „währende Seinsgegenwart Gottes am Grund der menschlichen Existenz“<ref>Alois M. Haas: Meister Eckhart, in: Gerhard Ruhbach, Josef Sudbrack (Hg.): Große Mystiker. Leben und Wirken. München 1984, S. 161</ref>, also im Seelengrund.

Um erkennen zu können, müssen die Sinne des Erkennens ledig sein von allem, „leer werden“, auch vom Gegenstand des Erkennens. Die Seele, in der die Erkenntnis Gottes stattfinden soll, muss also „leer werden“ von Gott und gleichsam für Gott. Der Mensch, so Eckhart, muss „um Gottes Willen“ von Gott selbst lassen. Neben dem philosophischen Motiv der Negativität des Intellekts, dessen „Entblößung“ (denudatum), kommt in den Predigten immer wieder das Motiv des Bloß-Seins, Arm-Seins und Leer-Seins der Seele als Ergebnis der Bibelexegese vor. Sehr deutlich wird das in der „Armutspredigt“ (Predigt 52). Eckhart versucht darin, die wahre Armut zu bestimmen: Nichts wollen, nichts wissen, nichts haben. Ledig werden, um ledig zu sein, lassen, um gelassen zu werden und gelassen zu sein. Gelassenheit ist ein Schlüsselbegriff in Eckharts Denken.

Gelassenheit

Vom biblischen Lassen zum mystischen Lassen

Als wichtigste Voraussetzung für die Gottesgeburt in der Seele bzw. im Seelengrund und die Einheit mit Gott, die unio mystica, muss der Mensch gelassen haben, um schließlich gelassen zu sein. Er muss dazu verdinglichte Denk- und Handlungsstrukturen überwindet und alle Weltbindung aufgeben. Er muss sich selbst und die ganze Welt lassen. Insoweit ist Gelassenheit bei Meister Eckhart als Haltung oder Befindlichkeit das Ergebnis eines Lebensvollzugs.

Meister Eckharts Ausgangspunkt ist das neutestamentliche Lassen, das omnia relinquere, von dem im Matthäus-Evangelium bei der Berufung der ersten Jünger die Rede ist: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.“ (Mt 4, 18-22). Hier zeigt sich deutlich die Breite des Lassen-Begriffs. So erscheint er teils negativ (im Stich lassen), teils positiv besetzt (den Neuanfang wagen), teils materiell (Haus und Hof, Dinge lassen), teils personell (den Vater, die Mutter, die Frau, den Mann lassen).

Entscheidend ist jedoch die soteriologische Überhöhung des Lassens in der Wendung zur heilswirksamen Verlassenheit. So ist Jesu Erlösungswerk begleitet von Verlassenheitserlebnissen: der Verrat durch Judas; beim Gebet am Ölberg schlafen die Jünger ein; Petrus, der Fels, auf den er seine Kirche errichten will, verleugnet ihn; seine Anhänger, die zuvor „Hosianna!“ gerufen haben, rufen jetzt „Kreuziget ihn!“; und dann, in besonderer Weise, am Kreuz. Dort erlebt Christus das tiefste und schmerzhafteste Verlassenheitsgefühl, die Gottferne, die zum Ausdruck kommt in dem verzweifelten Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15, 34).

Bei Meister Eckhart wird schließlich dieses neutestamentliche Lassen zu einem mystisch-spirituelles Lassen überformt (die Welt lassen, sich selbst lassen, Gott lassen). So gelangt der Mensch nach Eckhart über das Lassen zur Gelassenheit, denn „lassen“ meint bei ihm ein „Frei-Sein von“, was zugleich ein „Frei-Sein für“ ermöglicht. Der Mensch kommt durch das Lassen zur Gelassenheit, wenn er hinter sich lässt, aufgibt, vergisst. Der Mensch soll lassen, d. h., er soll das vergessen, dessen er sich stets erinnert, um sich dessen zu erinnern, was er stets vergisst. Er soll sich seiner selbst erinnern, seines Ichs bewusst werden, seines ursprünglichen, unzeitliche Ichs, das so unendlich erhaben ist über das historische Naturwesen der Kreatur Mensch. Man könnte im Rückgriff auf das eckhartsche Verhältnis von Mensch und Gott sagen: Lassen führt zur Überwindung des göttlichen Menschen, insoweit dieser noch Mensch ist, damit er zum göttlichen Menschen wird, insoweit dieser schon göttlich ist.

Meister Eckharts Gelassenheitsbegriff Dass Meister Eckhart den Begriff Gelassenheit entwickelt hat, legt der Umstand nahe, dass dieser vor ihm nicht belegt ist.<ref>Erik A. Panzig: Gelâzenheit und abegescheidenheit. Eine Einführung in das theologische Denken des Meister Eckhart. Leipzig 2005, S. 54</ref> Mit seiner Wortschöpfung stellte Meister Eckhart der deutschen Sprache ein Konzept zur Verfügung, dass die Vielschichtigkeit eines Sachverhalts anzeigt, in dem Ruhe, Versenkung, Anbetung, Demut, Hingabe und Weisheit mitschwingen und welcher schließlich in der Erfahrung der Einheit mit Gott kulminiert. Es wird deutlich, dass er mit diesem Begriff den semantischen Wert der lateinischen Ausdrücke resignatio und tranquilitas ebenso sprengt wie den der griechischen Begriffe euthymia und henosis. Diese Begriffe kreisen den viel komplexeren Begriff der Gelassenheit nur ein, ohne seinen Kern zu treffen und ohne seine semantische Dichte und Fülle vollständig zu erschließen. Das gelingt erst mit der eingedeutschten Form der Konzepte, die all diese Nuancen vereint, denn Gelassenheit beinhaltet sowohl das Aufgeben und Loslassen (resignatio), die Ruhe (tranquilitas, Seneca) als auch das gute Gemüt (euthymia, Demokrit) sowie schließlich die Einheit mit Gott (henosis, Plotin), die Meister Eckhart zur unio mystica weiterdenkt. <ref>Josef Bordat: Gelassenheit. Ein Grundbegriff der Mystik Meister Eckharts</ref>

Bei Meister Eckhart führt die Fokussierung auf den Begriff der Gelassenheit allerdings am Ende zur Übersteigerung des Konzepts, wenn er fordert, nicht nur von den weltlichen Dingen und Geschöpfen sowie von sich selbst zu lassen, um die mystische Einheit mit Gott zu erreichen, sondern schließlich, wie ich bereits erwähnte, sogar „um Gottes Willen“ von Gott selbst zu lassen. Radikaler kann man die Gelassenheit, die zur Einheit mit Gott führen soll, nicht auffassen. Die Mystiker-Generation nach Eckhart, zu der etwa Johannes Tauler und Heinrich Seuse gehörten, sollte diese Radikalität nicht mehr fortführen und insoweit mit Eckharts Ideal brechen.

Quellen

<references />

Zitate

  • "Drei Dinge sind es, die uns hindern, so daß wir das ewige Wort nicht hören. Das erste ist die Körperlichkeit, das zweite Vielheit, das dritte ist die Zeitlichkeit. Wäre der Mensch über diese drei Dinge hinausgeschritten, so wohnte er in der Ewigkeit und wohnte im Geiste und wohnte in der Einheit und in der Wüste, und dort würde er das ewige Wort hören." - Predigt 13.
  • "Soll mein Auge die Farbe sehen, so muss es ledig sein aller Farbe. Sehe ich blaue oder weiße Farbe, so ist das Sehen meines Auges, das die Farbe sieht - ist eben das, was da sieht, dasselbe wie das, was da gesehen wird mit dem Auge. Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben." - Predigt 13.
  • "Wenn einer mich nun fragte, was denn aber das sei: ein armer Mensch, der nichts will, so antworte ich darauf und sage so: Solange der Mensch dies noch an sich hat, daß es sein Wille ist, den allerliebsten Willen Gottes erfüllen zu wollen, so hat ein solcher Mensch nicht die Armut, von der wir sprechen wollen; denn dieser Mensch hat (noch) einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes genügen will, und das ist nicht rechte Armut. Denn, soll der Mensch wahrhaft Armut haben, so muß er seines geschaffenen Willens so ledig sein, wie er's war, als er (noch) nicht war. Denn ich sage euch bei der ewigen Wahrheit: Solange ihr den Willen habt, den Willen Gottes zu erfüllen, und Verlangen habt nach der Ewigkeit und nach Gott, solange seid ihr nicht richtig arm. Denn nur das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts begehrt." - Predigt 52.

Werk

  • Meister Eckhart: Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Kohlhammer, Stuttgart 1958ff.

Literatur

  • Norbert Winkler: Meister Eckhart zur Einführung, Hamburg 1997.
  • Kurt Ruh: Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1989.
  • Gerhard Wehr: Meister Eckhart, Reinbek 2004.
  • Josef Koch: Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts, in: Josef Koch: Kleine Schriften, Band 1, Rom 1973, S. 247–347.
  • Karl Albert: Meister Eckhart und die Philosophie des Mittelalters, Dettelbach 1999.
  • Kurt Flasch: Meister Eckhart. Die Geburt der „Deutschen Mystik“ aus dem Geist der arabischen Philosophie,München 2006.
  • Udo Kern: „Gottes Sein ist mein Leben.“ Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, Berlin 2003.
  • Burkhard Mojsisch: Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983.
  • Erwin Waldschütz: Denken und Erfahren des Grundes. Zur philosophischen Deutung Meister Eckharts, Wien 1989.

Weblinks