Lingen

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Lingen (Ems) ist eine große selbständige Stadt im südlichen Teil des Landkreises Emsland und im Westen von Niedersachsen gelegen

Geschichte

Im Südlichen Emsland, an der Ems, wohten laut dem römischen Historiker Tacitus der germanische Stamm der Ampsivarier (alt-germanisch für „Ems-Männer“). Die ursprüngliche Siedlung lag im heutigen Altenlingen, nördliche der heutigen Stadt. Die günstige Lage von Altenlingen folgt aus der Kreuzung hier der Friesischen mit der Flämischen Straße. Die Friesische Straße folgte die Ems von Ostfriesland südwärts, bis in Westfalen. Die Flämische Straße verband die Noordholländische Kuste mit dem Osten. (Damals konnte man noch trockenenfußes über Drenthe und Friesland nach Noord-Holland laufen; der Meeresspiegel war um einige Meter niedriger, zudem lag zwischen Harlingen und Wieringen eine Moorlandschaft.) Erstmals im Jahre 975 wird Lingen in den Heberegistern der Abtei Werden erwähnt, als zum Venkigau gehöriger Ort.

Bis zur Protestantischen Revolte

Kaiser Otto II. übertrug Bischof Rudolf von Osnabrück Güter in Linga als Lehen. Später wird der Ort auch Lyongo und Linge genannt. Das noch später angehängte n ist eine Pluralendung. Hiermit deutet man eine Ansiedlung mehrer Wohnstätten an. Schon im Jahre 1227 hatte Lingen einen stadtähnlichen Charakter. In diesem Jahr wurde die Stadt von den Bischöfen von Osnabrück und Münster erobert. Sie vereinbarten die Lingener Einkünfte aus Zoll, Münze und Gericht unter sich aufzuteilen. Anderthalb Jahrhunder später, im Jahre 1372, wurden die Kivelinge gegründet. Dieser Bürgerwehr aus Jünglingen verteidigte die Stadt. Das Wort ist zusammengesetzt aus kive (vgl. keifen) und dem Suffix -ling. Seit 1372 feiern die Kivelinge jede 3 Jahr ihr Kivelingsfest. (2011, 2014, 2017 usw.)

Graf Nikolaus II. von Tecklenburg bestätigte 1401 das um die Mitte des 14. Jahrhunderts verliehene und 1366 erstmals erwähnte Lingener Stadtrecht. 1493 entstand die Grafschaft Lingen entstand.

Protestantische Revolte

Graf Nikolaus IV. residierte bis 1541 auf der Lingener Burg. Unter diesem Grafen blieb Lingen katholisch. 1541 erbte Konrad von Tecklenburg-Schwerin die Grafschaft Lingen. Er führte 1543 den Lutheranismus ein. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Jahr 1548 verlor Konrad von Tecklenburg-Schwerin Lingen an Kaiser Karl V. und Lingen wurde wieder katholisch. Als Lehnsherren wurde der Graf Maximilian van Egmond eingesetzt. Die spanische kaiserliche Heit endete 1578. Durch die Heirat der Anna van Egmond mit dem Prinzen Wilhelm I. van Oranje-Nassau, gehörte Lingen ab 1578 zum Haus Oranien und somit zur Utrechter Union. Lingen war calvinistisch geworden. Im September 1593, während des Achtzigjährigen Krieges, eroberte die spanische Linie der Habsburger Lingen. Lingen war wieder katholisch.

Während des Feldzuges von 1597 eroberte Prinz Moritz von Oranien Lingen für die Utrechter Union zurück, so dass Lingen wieder calvinistisch wurde. 1605 wurde die Festung Lingen vom spanischen Feldherrn Ambrosio Spinola erobert und rekatholisiert[7]. Lingen war während der spanischen Regentschaft eine bedeutsame Festungsstadt an der Ems. Die Garnison in Lingen besaß eine Truppenstärke von 2000 Soldaten. Lingen hatte Aufgrund seiner Lage an der Flämischen Straße und an der Friesischen Straße hohe militärische Bedeutung im Achtzigjährigen Krieg. Am 11. Februar 1624 rückte die Lingener Garnison über die gefroren Moorflächen in Hesepe und Haren unter dem Kommandeur Lucas Kairo gegen Ter Apel in der Provinz Groningen vor. Nach heftigen Kämpfen wurden die Spanier bis nach Groß Fullen bei Meppen zurückgedrängt. Durch den Verlust der Festung Oldenzaal und Wesel zogen sich 1630 die Spanier aus Lingen sowie aus allen deutschen Stellungen nördlich des Rheins endgültig zurück. Die Festung Lingen wurde von 1632 bis 1633 geschleift. Lingen ging Anfang 1633 in den Besitz des Lehnsgrafen Morizens, Sohn von Friedrich, über.

1648, gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, eroberte der Graf van Styrum Lingen erneut für die Oranier. Lingen wurde wieder calvinistisch. Der Fürstbischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, hatte in Verbindung mit dem Kurfürsten von Köln und König Ludwig XIV. von Frankreich den Vereinigten Niederlanden im Januar 1672 den Krieg erklärt. Im Laufe des Niederländischen Krieges konnte im Juni 1672 der Fürstbischof von Münster Lingen erobern, worauf Lingen erneut katholisch wurde.

Durch den Friedensschluss des Fürstbischofs mit den Vereinigten Niederlanden vom 4. Mai 1674 übernahm erneut das Haus Oranien die Herrschaft über Lingen. 1697 wurde die Universität als Gymnasium academicum in Lingen gegründet von Willem III. van Oranje. Willem verstarb kinderlos im Jahre 1702. Hieraufhin erhob Friedrich I., König von Preußen, Anspruch auf den Titel als naher Verwandter der Oranier. Friedrichs Mutter, Luise Henriette van Oranje, ebenso wie Friedrichs Großmutter väterlicherseits, Elisabeth Charlotte, waren Enkelinnen von Willem I. 1713 wurde Lingen und die Grafschaft Lingen, als Folge des Spanischen Erbfolgekrieges und des Friedens von Utrecht, Teil Preußens. Damit endete die Zeit des Calvinismus in Lingen.

18. Jahrhundert

Die preußische Regierung gestattete den Lingener Katholiken in der Nähe des Burgtores eine Behelfskirche einzurichten. Ab 1717 diente ein umgebauter Stall als Gotteshaus. Auf Anordnung der Obrigkeit durften weder Glocken noch ein Turm hinzugefügt werden. 1733 wurde mit dem Bau der Kreuzkirche begonnen. Der Bau wurde 1737 vollendet. Der ehemalige Stall, der Platz bot an 700 Personen, diente bis 1836 als Gotteshaus.

Die Allgemeine Schulpflicht wurde durch das Preußische Landrecht vom 1. Juli 1794 geregelt. Die Leibeigenschaft der Bauern in Lingen und der Grafschaft im Rahmen der Preußischen Agrarverfassung von 1799 bis 1807 per Dekret aufgehoben. Einen entscheidenden Schub gab es 1807. Das Dekret, die Stein-Hardenbergsche Reformen, war eine unmittelbare Folge der Napoleonischen Kriege und der militärischen Niederlage Preußens gegen die französische Revolutionsarmee.

19. Jahrhundert

Im Jahre 1833 wurde mit dem Bau der Bonifatiuskirche begonnen; 1838 wurde eine Sparkasse in Lingen gegründet. Von der heutigen Bonifatiuskirche wurde zunächst in den Jahren 1833–1836 das Langhaus mit Chor errichtet. Architekt war der Haselünner Architekten Josef Nienhaus. Er hatte eine klassizistische Kirche entworfen. Das meiste für den Kirchenbau benötigte Material wurde über die Ems nach Lingen geschifft. 1855 gründete Dechant Johann Bernhard Diepenbrock das St.-Bonifatius-Hospital.

Durch die Annexion nordwestdeutscher Gebiete ab dem 1. Januar 1811 durch das napoleonische Kaiserreich wurde Lingen Teil Frankreichs. Im November 1813 endete mit den Befreiungskriegen die französische Herrschaft über Lingen. Durch den Verzicht Preußens auf die Grafschaft Lingen wurde 1814 Lingen Teil des auf den Wiener Kongress neugegründeten Königreiches Hannover. Am 25. Juni 1822 erfolgte die rechtliche Weisung zur Simultannutzung der protestantischen Kirchen sowie der protestantischen Schulen in Lingen sowie in der Grafschaft. Diese Verordnung wurde aber schon 1827/1830 aufgrund des nicht endenden Streites um die Kirchennutzung wieder aufgehoben. Zudem wurde 1824 die Niedergrafschaft Lingen durch Papst Leo XII. dem Bistum Osnabrück zugeordnet.

1856 erhielt Lingen durch die Eröffnung der Bahnstrecke Emden–Rheine Anschluss an das Schienennetz und das Eisenbahnausbesserungswerk, das zum größten Arbeitgeber der Stadt wurde. Lingen nahm in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen vielversprechenden wirtschaftlichen Aufschwung, der allerdings dadurch gebremst wurde, dass Bürgermeister Heinrich Horkel es nicht verhindern konnte, dass Rheine und nicht Lingen der Knotenpunkt des preußischen mit dem hannoverschen Bahnnetz im Westen wurde. Dadurch konnte Rheine Lingen wirtschaftlich deutlich überflügeln.

Nach dem verlorenen Österreichisch-Preußischen Krieg von 1866 annektierte Preußen das Königreich Hannover, das zur preußischen Provinz Hannover wurde. Im Jahre 1869 wurde die Synagogengemeinde Lingen gegründet; bis dahin hatten die Lingener Juden den Gottesdienst in Freren besucht. 1878 baute die Gemeinde am damaligen Gertrudenweg eine Synagoge und ein Schulhaus. Dort wurde allerdings zumeist nur Religionsunterricht erteilt.

Während des Kulturkampfs versuchte der preußische Staat bis 1878 eine Trennung von Kirche und Staat zu erreichen. Dies rief auch in Lingen den Widerstand von Lingenern hervor, die überwiegend der katholischen Kirche angehörten. Einer Ihrer Vertreter im Reichstag war Ludwig Windthorst. Durch die Eröffnung des Ems-Vechte-Kanal im Juli 1879, der es erlaubte, Waren von Nordhorn über Lingen nach Emden zu transportieren, blühte der Handel in Lingen auf, ebenso durch den Ausbau des Ems-Hase-Kanal zum Dortmund-Ems-Kanal, der am 11. August 1899 eröffnet wurde. Durch den Bau der Kleinbahn Lingen–Berge–Quakenbrück und deren Eröffnung am 31. Mai 1904 konnte des Weiteren der ländliche Raum westlich von Lingen für den Fernhandel erschlossen werden. Durch zunehmenden Wohlstand hörte die sog. Hollandgängerei auf. Bis zur Jahrhundertwechsel arbeiteten im Sommer und Herbst viele Männer als Mäher und Erntehelfer (sog. Hannekemaaiers) in den nördlichen Niederlanden.

20. Jahrhundert

Erst in den Jahren 1904–1906, fast 70 Jahre nach Baubeginn der Kirche, wurde ein 64 m hoher, neuromanischer Turm vor den klassizistischen Fassadengiebel der Bonifatiuskirche gesetzt, der von zwei kleinen Türmen flankiert wird. Der Entwurf stammte von Prof. Ludwig Becker aus Mainz.

1927 wurde Lingen von einem schweren Wirbelsturm heimgesucht, viele Häuser der historischen Innenstadt wurden schwer beschädigt. 1934 entstanden im Lingener Stadtteil Reuschberge ausgedehnte Kasernenanlagen, die 1935 bezogen wurden und bis Ende 2007 von der Bundeswehr genutzt wurden.

Während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten Nationalsozialisten die Lingener Synagoge in Brand. 1944 zerstörten zwei Luftangriffe der Alliierten das Eisenbahnausbesserungswerk und Teile Lingens. Lingen war Standort eines bedeutenden Reservelazaretts der Wehrmacht, zu dem auch Lazarette für die Kriegsgefangenen in den Kriegsgefangenen-Lagern im Emsland mit den vielen zugehörigen Arbeitskommandos gehörten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gehörte Lingen zur Britischen Besatzungszone. Die britische Militärverwaltung richtete ein DP-Lager ein zur Unterbringung so genannter Displaced Persons (DP). Viele von ihnen stammten aus Polen, Estland, Lettland und dem früheren Jugoslawien. Sie waren zum einen befreite Zwangsarbeiter aus den Emslandlagern, zum anderen handelte es sich um politische Flüchtlinge. Im Februar 1946 überschwemmte ein Hochwasser der Ems das Stadtzentrum und richtete große Zerstörungen an. Mit Mitteln des Marshallplanes begann 1950 der Bau der Erdölraffinerie Emsland zur Verarbeitung von 550.000 t/a deutschen Rohöls aus den Erdölfeldern des Emslandes und angrenzender Gebiete; die Inbetriebnahme folgte 1953. 1956 wurde Lingen Bundeswehr-Garnisonsstadt.

1975 begann die Umgestaltung der Innenstadt: Heute umfasst ein Fußgängerbereich die historische Looken-, Marien-, Burg-, und Große Straße, den Marktplatz, den Universitätsplatz und die angrenzenden Innenstadtstraßen. 1977 verlor Lingen im Zuge der niedersächsischen Kreisreform, durch die der Landkreis Lingen seine Eigenständigkeit verlor, den Kreissitz, wurde aber große selbständige Stadt; seither gehört Lingen zum Landkreis Emsland, dessen Kreisstadt – seiner zentralen Lage wegen – Meppen wurde. Mit Gründung der Institute für Management und Technik, Kommunikations-Management sowie Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück wurde Lingen im Jahr 2000 wieder Hochschulstandort.

1994 wurde die Bonifatiuskirche zuletzt umfassend renoviert.

21. Jahrhundert

In den Jahren 2006 und 2007 wurde das ehemalige Postgelände zwischen Looken- und Poststraße zu einem innerstädtischen Einkaufszentrum („Lookentor-Passage“) umgebaut. Am 31. Dezember 2007 wurde der Bundeswehrstandort in Lingen geschlossen.

Sehenswürdigkeiten

Lookentor-Passage; in 2006-2007 wurde das Postgelände umgebaut zu einem innerstädtischen Einkaufszentrum.

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