Kreuzweg am Kolosseum 2016

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Der Kreuzweg am Kolosseum unter Vorsitz des Papstes Franziskus, wurde am Karfreitag dem 25. März 2016 meditiert bzw. gebetet. Der Kreuzweg ist überschrieben mit dem Titel: „Gott ist Barmherzigkeit“ und wurde von Kardinal Gualtiero Bassetti Erzbischof von Perugia, verfasst.

(Quelle: Der Text bei Kath.net am 23. März 2016; Video bei Kathtube)

EINFÜHRUNG

Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes! (2 Kor 1, 3).

In diesem außerordentlichen Heiligen Jahr zieht uns auch der Kreuzweg am Karfreitag mit einer besonderen Kraft an, nämlich mit der Kraft der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, der über uns alle seinen Geist der Gnade und des Trostes ausgießen will.

Die Barmherzigkeit ist der Kanal der Gnade, der von Gott zu allen Männern und Frauen von heute kommt. Männer und Frauen, die allzu oft verirrt und verwirrt, materialistisch und götzendienerisch, arm und einsam sind. Glieder einer Gesellschaft, die sich der Sünde und der Wahrheit offenbar entledigt hat.

»Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben« (vgl. Sach 12, 10): Die prophetischen Worte Sacharjas mögen sich heute Abend auch in uns erfüllen! Der Blick erhebe sich von unseren unendlichen Nöten, um fest auf ihn gerichtet zu sein, auf Christus den Herrn, die barmherzige Liebe. So werden auch wir seinem Antlitz begegnen und seine Worte hören: »Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt« (Jer 31, 3). Er tilgt durch seine Vergebung unsere Sünden und öffnet uns den Weg der Heiligkeit, auf dem wir gemeinsam mit ihm aus Liebe zu den Brüdern und Schwestern unser Kreuz umarmen werden. Die Quelle, die unsere Sünde abgewaschen hat, wird in uns »zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt« (Joh 4, 14).

Kurze Stille

Lasset uns beten.

Ewiger Vater, durch das Leiden deines geliebten Sohnes hast du uns dein Herz geoffenbart und uns dein Erbarmen geschenkt. Gib, dass wir an der Seite Marias, seiner und unserer Mutter, die Gabe der Liebe anzunehmen und zu bewahren wissen. Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, bringe dir die Gebete dar, die wir für uns und für die ganze Menschheit zu dir erheben, damit die Gnade dieses Kreuzwegs jedes menschliche Herz erreiche und ihm neue Hoffnung einflöße, jene unvergängliche Hoffnung, die vom Kreuz Jesu ausstrahlt, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

ERSTE STATION: Jesus wird zum Tode verurteilt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 14-15

Pilatus entgegnete: Was hat er denn für ein Verbrechen begangen? Sie schrien noch lauter: Kreuzige ihn! Darauf ließ Pilatus, um die Menge zufriedenzustellen, Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Jesus ist allein vor der Macht dieser Welt. Und er unterzieht sich bis ins Letzte der Gerechtigkeit der Menschen. Pilatus steht vor einem Geheimnis, das er nicht verstehen kann. Er fragt sich und verlangt Erklärungen. Er sucht nach einer Lösung und gelangt vielleicht bis zur Schwelle der Wahrheit. Doch er beschließt, sie nicht zu überschreiten. Zwischen Leben und Wahrheit wählt er das eigene Leben. Zwischen dem Heute und der Ewigkeit wählt er das Heute.

Die Menge wählt Barabbas und gibt Jesus preis. Die Menge will die Gerechtigkeit auf Erden und wählt den Rächer, den, der sie von der Unterdrückung und vom Joch der Sklaverei befreien könnte. Doch die Gerechtigkeit Jesu vollzieht sich nicht in einem Aufstand, sie geht über das Ärgernis des Kreuzes. Jesus stößt jeden Befreiungsplan um, denn er nimmt das Übel der Welt auf sich und antwortet auf das Böse nicht mit Bösem. Und das verstehen die Menschen nicht. Sie verstehen nicht, dass aus der Niederlage eines Menschen die Gerechtigkeit Gottes entstehen kann.

Jeder von uns heute gehört zu jener Menge, die schreit: »Kreuzige ihn!« Niemand kann sich hier ausgenommen fühlen. Die Menge und Pilatus werden nämlich von einem inneren Gefühl beherrscht, das alle Menschen verbindet: die Angst. Die Angst, seine Sicherheiten zu verlieren, seine Güter, sein Leben. Jesus aber zeigt einen anderen Weg.

Herr Jesus, wie fühlen wir uns diesen Personen ähnlich. Wie viel Angst gibt es in unserem Leben! Wir haben Angst vor dem Anderen, dem Fremden, dem Migranten. Wir fürchten die Zukunft, das Unvorhergesehene, die Not. Wie viel Angst herrscht in unseren Familien, am Arbeitsplatz, in unseren Städten … Und vielleicht haben wir Angst auch vor Gott: Angst vor dem göttlichen Gericht, die vom Kleinglauben herrührt, von der Unkenntnis seines Herzens, vom Zweifel an seiner Barmherzigkeit. Herr Jesus, von der Angst der Menschen verurteilt, befreie uns von der Furcht vor deinem Gericht. Gibt, dass der Schrei unserer Ängste uns nicht daran hindert, die sanfte Kraft deiner Einladung zu vernehmen: »Fürchtet euch nicht!«

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Stabat Mater dolorosa iuxta crucem lacrimosa, dum pendebat Filius.

ZWEITE STATION: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 20

Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an. Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.

Die Angst hat das Urteil gefällt, aber sie darf sich nicht zeigen und verbirgt sich hinter den Haltungen der Welt: Hohn, Demütigung, Gewalt und Spott. Jesus ist nun wieder mit seinen Gewändern bekleidet, nur mit seiner schmerzenden und blutenden Menschheit, kein »Purpur« mehr, noch irgendein Zeichen seiner Gottheit. Und als solchen stellt ihn Pilatus vor: »Seht, da ist der Mensch!« (Joh 19, 5).

Das ist die Lage eines jeden, der sich in die Nachfolge Christi stellt. Der Christ sucht nicht den Beifall der Welt oder die Zustimmung der Straße. Der Christ schmeichelt nicht und lügt nicht, um die Macht zu gewinnen. Der Christ nimmt den Hohn und die Demütigungen in Kauf, die ihm wegen der Liebe zur Wahrheit erstehen.

»Was ist Wahrheit?« (Joh 18, 38), hatte Pilatus Jesus gefragt. Das ist die Frage zu allen Zeiten. Es ist die Frage von heute. Da ist die Wahrheit: die Wahrheit des Menschensohns, der von den Propheten vorhergesagt wurde (vgl. Jes 52, 13 - 53, 12), ein entstelltes menschliches Gesicht, das die Treue Gottes enthüllt.

Allzu oft hingegen suchen wir eine billige Wahrheit, die unserem Leben gelegen kommt, die unseren Unsicherheiten entspricht oder sogar unsere niedrigsten Interessen befriedigt. Auf diese Weise begnügen wir uns am Ende mit Teil- und Scheinwahrheiten und lassen uns von »Unheilspropheten« täuschen, »die immer das Schlimmste verkünden« (Hl. Johannes XXIII.), oder von geschickten Rattenfängern, die unser Herz betäuben mit schmeichelnden Klängen, die uns von der Liebe Christi entfernen.

Das Wort Gottes ist Mensch geworden, es ist gekommen, um uns die ganze Wahrheit über Gott und über den Menschen mitzuteilen. Gott ist es, der das Kreuz auf seine Schultern nimmt (vgl. Joh 19, 17) und sich auf den Weg seiner barmherzigen Selbsthingabe macht. Und der Mensch, der sich in der Wahrheit verwirklicht, ist der, der ihm auf demselben Weg folgt. Herr Jesus, gib, dass wir dich im Aufstrahlen Gottes am Kreuz, dem höchsten Punkt deiner Offenbarung, betrachten und im geheimnisvollen Glanz deines Gesichts auch die Züge unseres Gesichts erkennen.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Cuius animam gementem, contristatam et dolentem pertransivit gladius.

DRITTE STATION: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Buch Jesaja. 53, 4.7

Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Er wurde misshandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf.

Jesus ist das vom Propheten geweissagte Lamm, das die Sünde der ganzen Menschheit auf seine Schultern geladen hat. Er trug die Schwachheit des Geliebten, seine Schmerzen und Vergehen, seine Ungerechtigkeit und seinen Fluch. Wir sind an den äußersten Punkt der Menschwerdung des Wortes angelangt. Aber es gibt einen noch tieferen Punkt: Jesus fällt unter der Last dieses Kreuzes. Ein Gott, der fällt!

In diesem Fall verleiht Jesus dem Leid der Menschen Sinn. Das Leid ist für den Menschen zuweilen etwas Widersinniges, unbegreiflich für den Verstand, Anzeichen für den Tod. Es gibt Situationen des Leids, die Gottes Liebe zu verneinen scheinen. Wo ist Gott in den Vernichtungslagern? Wo ist Gott in den Bergwerken und Fabriken, in denen Kinder als Sklaven arbeiten? Wo ist Gott auf den abgetakelten Kähnen, die im Mittelmeer untergehen?

Jesus fällt unter der Last des Kreuzes, aber er bleibt nicht erdrückt. Seht, Christus ist da. Verworfener unter den Verworfenen. Letzter mit den Letzten. Schiffbrüchiger unter den Schiffbrüchigen.

Gott bürdet sich das alles auf. Ein Gott, der aus Liebe darauf verzichtet, seine Allmacht zu zeigen. Aber auch so – genau so, wie ein auf die Erde gefallenes Weizenkorn – ist Gott sich selbst treu: treu in der Liebe.

Wir bitten dich, Herr, für alle Situationen des Leids, die sinnlos scheinen, für die in den Vernichtungslagern umgebrachten Juden, für die aus Hass gegen den Glauben getöteten Christen, für die Opfer jeglicher Verfolgung, für die Kinder, die in der Arbeit versklavt werden, für die Unschuldigen, die in den Kriegen sterben. Lass uns verstehen, Herr, wie viel innere Freiheit und Kraft in dieser unerhörten Offenbarung deiner Gottheit steckt, die so menschlich ist, um unter dem Kreuz der Sünden des Menschen zu fallen, und so göttlich barmherzig, um das Böse, das uns unterdrückt, zu bezwingen.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

O quam tristis et afflicta fuit illa benedicta Mater Unigeniti!

VIERTE STATION: Jesus begegnet seiner Mutter

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Lukasevangelium. 2, 34-35.51

Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: »Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.« … Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.

Gott wollte, dass das Leben unter Geburtswehen auf die Welt kommt: unter den Leiden einer Mutter, die das Leben zur Welt bringt. Alle brauchen eine Mutter, auch Gott. »Das Wort ist Fleisch geworden« (Joh 1, 14) im Schoß einer Jungfrau. Maria hat ihn aufgenommen, in Betlehem zur Welt gebracht, in Windeln gewickelt, in der Wärme ihrer Liebe behütet und aufgezogen, und sie ist mit ihm zu seiner „Stunde“ gelangt.

Am Fuß des Kalvarienberges erfüllt sich jetzt die Verheißung des Simeon: ein Schwert dringt ihr durch die Seele. Maria sieht wieder ihren Sohn, entstellt und erschöpft unter der Last des Kreuzes. Schmerzerfüllte Augen, jene Augen der Mutter, die bis zur Neige am Schmerz des Sohnes teilnimmt, aber auch Augen voller Hoffnung, die seit dem Tag ihres „Ja“ bei der Verkündigung des Engels nie aufgehört haben, jenes göttliche Licht widerzuspiegeln, das auch an diesem Tag des Leides aufstrahlt.

Maria ist die Braut Josefs und die Mutter Jesu. Gestern wie heute ist die Familie das lebendige Herz der Gesellschaft; unveräußerliche Keimzelle des gemeinsamen Lebens; unersetzbarer Tragbalken der menschlichen Beziehungen; Liebe für immer, welche die Welt retten wird.

Maria ist Frau und Mutter. Weiblicher Genius und Zärtlichkeit. Weisheit und Liebe. Maria ist als Mutter von allen »Zeichen der Hoffnung für die Völker, die Geburtswehen leiden«, sie ist »die Missionarin, die uns nahe kommt, um uns im Leben zu begleiten«, und »als wahre Mutter geht sie mit uns, streitet für uns und verbreitet unermüdlich die Nähe der Liebe Gottes« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 286).

O Maria, Mutter des Herrn, du warst für deinen göttlichen Sohn der erste Widerschein der Barmherzigkeit seines Vaters, jener Barmherzigkeit, um deren Offenbarung du ihn in Kana gebeten hattest. Da nun dein Sohn uns das Antlitz des Vaters bis zur äußersten Konsequenz der Liebe offenbart, begibst du dich in Stille in seine Spuren, du erste Jüngerin des Kreuzes. O Maria, treue Jungfrau, nimm dich all der Waisen der Welt an, beschütze alle Frauen, die Opfer von Ausbeutung und Gewalt sind. Erwecke mutige Frauen zum Wohl der Kirche. Gebe es jeder Mutter ein, ihre Kinder in der Zärtlichkeit der Liebe Gottes zu erziehen und in der Stunde der Prüfung deren Weg in der stillen Kraft ihres Glauben zu begleiten.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quæ mærebat et dolebat pia Mater, cum videbat Nati pœnas incliti.

FÜNFTE STATION: Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 21-22

Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. Und sie brachten Jesus an einen Ort namens Golgota, das heißt übersetzt: Schädelhöhe.

In der Heilsgeschichte erscheint ein unbekannter Mann. Simon von Zyrene, ein Arbeiter, der gerade vom Feld kam, wird gezwungen, das Kreuz zu tragen. Aber gerade in ihm als Erstem wirkt die Gnade der Liebe Christi, die über das Kreuz geht. Und Simon, dazu gezwungen, wider Willen eine Last zu tragen, wird zu einem Jünger des Herrn werden.

Das Leid wird nie erwartet, wenn es an unsere Tür klopft. Es erscheint immer als eine Nötigung, manchmal sogar als ein Unrecht. Und es kann uns dramatisch unvorbereitet antreffen. Eine Krankheit könnte unsere Lebenspläne zerstören. Ein Kind mit Behinderung könnte unsere Träume einer so sehr ersehnten Mutterschaft trüben. Jene unerwünschte Sorge klopft jedoch heftig an das Herz des Menschen. Wie verhalten wir uns angesichts des Leids eines geliebten Menschen? Wie aufmerksam sind wir gegenüber dem Schrei dessen, der leidet, aber fern von uns lebt?

Simon von Zyrene hilft uns, in die Zerbrechlichkeit der menschlichen Seele einzutreten und einen weiteren Aspekt der Menschheit Jesu zu beleuchten. Sogar der Sohn Gottes brauchte jemanden, der ihm half, das Kreuz zu tragen. Wer also ist Simon von Zyrene? Er ist die Barmherzigkeit Gottes, die in der Geschichte der Menschen gegenwärtig wird. Gott macht sich die Hände schmutzig mit uns, mit unseren Sünden und unseren Schwächen. Er schämt sich nicht dafür. Und er verlässt uns nicht.

Herr Jesus, wir danken dir für diese Gabe, die jede Erwartung übertrifft und uns deine Barmherzigkeit enthüllt. Du hast uns nicht nur geliebt, um uns das Heil zu geben, sondern auch um uns zu einem Instrument des Heils zu machen. Während dein Kreuz allen unseren Kreuzen Sinn verleiht, ist uns die höchste Gnade des Lebens gegeben: aktiv am Geheimnis der Erlösung teilzunehmen, Instrument des Heils für unsere Brüder und Schwestern zu sein.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quis est homo qui non fleret, Matrem Christi si videret in tanto supplicio?

SECHSTE STATION: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Buch Jesaja. 53, 2-3

Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht.

Im Trubel der Menge, die beim Aufstieg Jesu auf den Kalvarienberg zugegen ist, taucht Veronika auf, eine Frau ohne Gesicht, ohne Geschichte. Aber doch eine mutige Frau, die bereit ist, auf den Geist zu hören und seinen Eingebungen zu folgen, die fähig ist, im entstellten Gesicht Jesu die Herrlichkeit des Gottessohns zu erkennen und die Einladung zu vernehmen: »Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz« (Klgl 1, 12).

Die Liebe, die diese Frau verkörpert, lässt uns sprachlos zurück. Die Liebe macht sie stark, um den Soldaten zu trotzen, um die Menge zu überwinden, um sich dem Herrn zu nähern und ein Zeichen des Mitleids und der Liebe zu setzen: das Blut der Wunden stillen, die Tränen des Schmerzes abwischen, jenes entstellte Gesicht betrachten, hinter dem sich das Gesicht Gottes verbirgt.

Wir neigen instinktiv dazu, dem Leid aus dem Weg zu gehen, denn das Leid erregt Abscheu. Wie viele von den Sorgen des Lebens entstellte Gesichter kommen uns entgegen und allzu oft wenden wir den Blick zur andere Seite. Wie können wir nicht das Gesicht des Herrn sehen in den Gesichtern von Millionen von Vertriebenen, Flüchtlingen und Evakuierten, die verzweifelt vor dem Schrecken der Kriege, der Verfolgungen und der Diktaturen fliehen? Für einen jeden von ihnen, mit seinem unwiederholbaren Gesicht, erweist sich Gott immer als mutiger Helfer. Als Veronika, die Frau ohne Gesicht, die liebevoll das Gesicht Jesu abwischte.

»Dein Angesicht, Herr, will ich suchen« (Ps 27, 8). Hilf mir, es in den Brüdern und Schwestern zu finden, die den Weg des Schmerzes und der Demütigung gehen. Gib, dass ich die Tränen und das Blut der Besiegten aller Zeiten abzuwischen weiß, all derer, welche die reiche und unbekümmerte Gesellschaft ohne Skrupel ausschließt. Gib, dass ich hinter einem jeden Gesicht, auch des am meisten verlassenen Menschen, dein Gesicht von unendlicher Schönheit entdecken kann.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quis non posset contristari, piam Matrem contemplari dolentem cum Filio?

SIEBTE STATION: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Buch Jesaja. 53, 5

Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.

Jesus fällt noch einmal. Erdrückt, jedoch nicht umgebracht von der Last des Kreuzes. Ein weiteres Mal legt er seine Menschheit bloß. Es ist eine Grenzerfahrung der Ohnmacht, der Schande vor denen, die ihn verhöhnen, der Demütigung vor denen, die auf ihn gehofft hatten. Kein Mensch möchte je zu Boden fallen und die Erfahrung des Scheiterns machen. Insbesondere nicht vor anderen Menschen.

Oft widersetzen sich die Menschen der Vorstellung, keine Macht zu haben, nicht die Fähigkeit zu haben, das eigene Leben voranzubringen. Jesus hingegen verkörpert die „Macht der Machtlosen“. Er erfährt die Qual des Kreuzes und die rettende Kraft des Glaubens. Nur Gott kann uns retten. Nur er kann ein Zeichen des Todes in ein ruhmreiches Kreuz umwandeln.

Wenn Jesus wegen der Last unserer Sünde ein zweites Mal zu Boden gefallen ist, dann nehmen auch wir es an zu fallen, gefallen zu sein, wegen unserer Sünden noch einmal fallen zu können. Gestehen wir uns ein, aus eigener Kraft uns nicht allein retten zu können.

Herr Jesus, du hast die Demütigung angenommen, noch einmal vor aller Augen zu fallen. Wir möchten dich nicht nur betrachten, während du im Staub liegst, sondern fest unseren Blick auf dich richten, von der gleichen Lage aus, am Boden liegend, gefallen wegen unserer Schwächen. Gib, dass wir uns unserer Sünde bewusst sind, und verleihe uns den Willen, uns zu erheben, der aus dem Schmerz entsteht. Gib deiner ganzen Kirche das Bewusstsein für das Leid. Schenke vor allem den Beichtvätern die Gabe der Tränen über ihre Sünde. Wie könnten sie den auf sich und auf die anderen deine Barmherzigkeit herabrufen, wenn sie nicht zuerst über ihre Schulden zu weinen vermögen?

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Pro peccatis suæ gentis vidit Iesum in tormentis et flagellis subditum.

ACHTE STATION: Jesus begegnet den weinenden Frauen von Jerusalem

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Lukasevangelium. 23, 27-28

Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: »Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!«

Auch wenn Jesus vom Schmerz gepeinigt wird und beim Vater Zuflucht sucht, empfindet er Mitleid für das Volk, das ihm folgt. Er wendet sich direkt an die Frauen, die ihn auf dem Weg zum Kalvarienberg begleiten. Und sein Aufruf ist eine eindringliche Mahnung zur Umkehr.

Weint nicht über mich, sagt der Nazoräer, denn ich erfülle den Willen des Vaters, sondern weint über euch angesichts jedes Versagens, wenn ihr den Willen Gottes nicht tut.

Es ist das Lamm Gottes, das hier spricht und dadurch, dass es die Sünde der Welt auf seinen Schultern trägt, den Blick dieser Töchter reinigt, der zwar schon auf ihn gerichtet ist, aber noch auf unvollkommene Weise. »Was sollen wir tun?«, scheint das Weinen dieser Frauen vor dem Unschuldigen zu schreien. Es ist die gleiche Frage, welche die Menge an den Täufer gerichtet hatte (vgl. Lk 3, 10) und welche die Zuhörer des Petrus dann zu Pfingsten wiederholen werden, da es sie mitten ins Herz trifft: »Was sollen wir tun?« (Apg 2, 37).

Die Antwort ist klar und deutlich: »Kehrt um!« Eine persönliche und gemeinsame Umkehr: »Betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet« (Jak 5, 16). Es gibt keine Umkehr ohne Liebe. Und die Liebe ist die Art und Weise, Kirche zu sein.

Herr Jesus, deine Gnade stütze unseren Weg der Umkehr, um zu dir zurückzukehren in Gemeinschaft mit unseren Brüdern und Schwestern. Wir bitten dich: Schenke uns ihnen gegenüber dein erbarmungsvolles Inneres selbst, diese Mütterlichkeit, die uns fähig macht, füreinander Zärtlichkeit und Mitleid zu empfinden und auch uns selbst zum Heil des Nächsten hinzugeben.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Eia, Mater, fons amoris, me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam.

NEUNTE STATION: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Brief an die Philipper. 2, 6-7

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.

Jesus fällt zum dritten Mal. Der Sohn Gottes durchlebt die menschliche Natur bis zum Äußersten. Mit diesem Fall tritt er noch fester in die Geschichte der Menschheit ein. Und er begleitet zu jeder Zeit die leidende Menschheit. »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 20).

Wie oft fallen Männer und Frauen zu Boden! Wie oft leiden Männer, Frauen und Kinder wegen einer zerbrochenen Familie! Wie oft meinen Männer und Frauen keine Würde mehr zu haben, weil sie keine Arbeit haben! Wie oft sind junge Menschen gezwungen, ein Leben im Prekariat zu führen, und verlieren die Hoffnung auf die Zukunft!

Der Mensch, der fällt und der den Gott betrachtet, der fällt, ist der Mensch, der endlich ohne Furcht und Verzweiflung seine eigene Schwachheit und Ohnmacht annehmen kann, eben weil auch Gott sie in seinem Sohn erfahren hat. Aus Barmherzigkeit hat sich Gott bis zu diesem Punkt erniedrigt, bis dass er im Staub der Straße liegt. Im Staub, der vom Schweiß Adams und vom Blut Jesu und aller Märtyrer der Geschichte getränkt ist; im Staub, der von den Tränen so vieler Brüder und Schwestern gesegnet ist, die wegen der Gewalt und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gefallen sind. Diesem gesegneten Staub, der vom menschlichen Egoismus beleidigt, misshandelt und beraubt wurde, galt die letzte Umarmung des Herrn.

Herr Jesus, niedergeworfen auf dieser ausgedorrten Erde bist du allen leidenden Menschen nah und flößt ihren Herzen die Kraft ein, um wieder aufzustehen. Ich bitte dich, Gott der Barmherzigkeit, für alle, die aus vielen Gründen am Boden liegen: persönliche Sünden, gescheiterte Ehen, Einsamkeit, Verlust der Arbeit, familiäre Dramen, Angst um die Zukunft. Lass sie spüren, dass du keinem von ihnen fern bist, weil dir, der menschgewordenen Barmherzigkeit, der Mensch am nächsten ist, der am meisten spürt, der Vergebung zu bedürfen, und der gegen alle Hoffnung weiter hofft!

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Fac ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut sibi complaceam.

ZEHNTE STATION: Jesus wird seiner Kleider beraubt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 24

Dann kreuzigten sie ihn. Sie warfen das Los und verteilten seine Kleider unter sich und gaben jedem, was ihm zufiel.

Zu Füßen des Kreuzes, unter dem leidenden Gekreuzigten und den leidenden Räubern, sind die Soldaten, die sich um die Kleider Jesu streiten. Es ist die Banalität des Bösen.

Der Blick der Soldaten ist weit weg von jenem Leid und fern der Geschichte, die sie umgibt. Es scheint, als würde das, was gerade geschieht, sie nicht angehen. Während der Sohn Gottes die Tortur des Kreuzes erleidet, führen sie unbeirrt ein Leben weiter, in dem die Leidenschaften die Oberhand über allem gewinnen. Das ist das große Paradox der Freiheit, die Gott seinen Kindern gewährt hat. Angesichts des Todes Jesu kann jeder Mensch wählen: Christus betrachten oder „das Los werfen“.

Enorm ist der Abstand, der den Gekreuzigten von seinen Henkern trennt. Das kleinliche Interesse an den Kleidern erlaubt es ihnen nicht, den Sinn jenes wehrlosen und missachteten, verspotteten und geschundenen Leibes zu begreifen, an dem sich der göttliche Heilswille für die ganze Menschheit erfüllt.

Dieser Leib, den der Vater seinem Sohn geschaffen hat (vgl. Ps 40, 7; Hebr 10, 5) drückt nun die Liebe des Sohnes zum Vater und die Ganzhingabe Jesu an die Menschen aus. Jener Leib, der allem beraubt ist außer der Liebe, birgt in sich den unermesslichen Schmerz der Menschheit und erzählt von all ihren Wunden. Vor allem von den schmerzlichsten: die Wunden der in ihrer Intimität geschändeten Kinder.

Dieser stumme und blutende, gegeißelte und erniedrigte Leib weist den Weg der Gerechtigkeit – der Gerechtigkeit Gottes, die das grausamste Leid in das Licht der Auferstehung verwandelt.

Herr Jesus, ich möchte dir die ganze leidende Menschheit darbringen. Die Leiber von Männern und Frauen, von Kindern und Alten, von Kranken und Menschen mit Behinderung, die in ihrer Würde nicht geachtet werden. Wie viel Gewalt im Lauf der Geschichte dieser Menschheit hat das getroffen, was dem Menschen ganz persönlich gehört und etwas Heiliges und Gesegnetes ist, weil es von Gott kommt. Wir bitten dich, Herr, für diejenigen, die in ihrem tiefsten Inneren verletzt wurden. Für diejenigen, die das Geheimnis ihres eigenen Leibes nicht erfassen, für diejenigen, die ihn nicht annehmen oder seine Schönheit entstellen, für diejenigen, die vor der Schwachheit und Heiligkeit des alternden und sterbenden Leibes keine Achtung haben. Und der eines Tages auferstehen wird!

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Sancta Mater, istud agas, Crucifixi fige plagas cordi meo valide.

ELFTE STATION: Jesus wird ans Kreuz genagelt

XI. Kreuzwegstation.jpg

V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Lukasevangelium. 23, 39-43

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Jesus hängt am Kreuz, „dem fruchtbaren und ruhmreichen Baum“, „Ruhestatt, Thron und Altar“ (vgl. italienische Übertragung des Hymnus Vexilla regis prodeunt). Und von der Höhe dieses Throns, Anziehungspunkt für das ganze Weltall (vgl. Joh 12, 32), vergibt er seinen Henkern, »denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lk 23, 34). Am Kreuz Christi, der „Waage des großen Loskaufs“ (vgl. italienische Übertragung des Hymnus Vexilla regis prodeunt), erstrahlt eine Allmacht, die sich entäußert, eine Weisheit, die sich bis zur Verrücktheit erniedrigt, eine Liebe, die sich als Opfer hingibt.

Rechts und links von Jesus hängen zwei Verbrecher, wahrscheinlich zwei Mörder. Diese beiden Verbrecher sprechen zum Herzen eines jeden Menschen, denn sie zeigen die beiden verschiedenen Arten an, wie man am Kreuz hängt: der erste verflucht Gott; der zweite erkennt Gott an diesem Kreuz. Der erste Verbrecher schlägt die bequemste Lösung für alle vor. Er schlägt ein Heil nach Menschenart vor und hat den Blick nach unten gerichtet. Heil heißt für ihn, vom Kreuz wegzulaufen und das Leid zu beseitigen. Es ist die Logik der Wegwerfkultur. Er bittet Gott, alles zu beseitigen, was nicht nützlich ist und was nicht wert ist, dass es gelebt wird.

Der zweite Verbrecher hingegen feilscht nicht um eine Lösung. Er schlägt ein Heil nach Gottesart vor und hat einen ganz zum Himmel gerichtet Blick. Heil heißt für ihn, den Willen Gottes anzunehmen, auch in den schlimmsten Situationen. Es ist der Sieg der Kultur der Liebe und der Vergebung.

Es ist die Torheit des Kreuzes, der gegenüber jede menschliche Weisheit nur stillschweigend verschwinden und verstummen kann.

Schenke mir, o aus Liebe gekreuzigter Herr, deine Vergebung, die vergisst, und deine Barmherzigkeit, die neu schafft. Lass mich bei jeder Beichte deine Gnade erfahren, die mich nach deinem Abbild und dir ähnlich erschaffen hat und die mich jedes Mal neu schafft, wenn ich mein Leben mit all seinen Nöten in die mitleidsvollen Hände des Vaters lege. Möge mir deine Vergebung als Sicherheit für die Liebe erschallen, die mich rettet, mich neu macht und für immer bei dir sein lässt. Dann werde ich wirklich ein begnadigter Verbrecher sein und jede Vergebung von dir wird für mich schon heute ein Vorgeschmack des Paradieses sein.

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Tui Nati vulnerati, tam dignati pro me pati pœnas mecum divide.

ZWÖLFTE STATION: Jesus stirbt am Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 33-394

Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde. Und in der neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: »Eloï, Eloï, lema sabachtani?«, das heißt übersetzt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Einige von denen, die dabeistanden und es hörten, sagten: »Hört, er ruft nach Elija!« Einer lief hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken. Dabei sagte er: »Lasst uns doch sehen, ob Elija kommt und ihn herabnimmt.« Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus. Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: »Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.«

Finsternis zu Mittag: Es geschieht etwas völlig Unerhörtes und Unvorhersehbares auf Erden, das jedoch nicht nur der Erde gehört. Der Mensch tötet Gott! Der Sohn Gottes wurde wie ein Verbrecher gekreuzigt.

Jesus wendet sich an den Vater und ruft dabei die ersten Worte des Psalms 22. Es ist der Schrei des Leidens und der Trostlosigkeit, aber auch der Schrei des völligen »Vertrauen[s] auf den göttlichen Sieg« und der »Gewissheit der Herrlichkeit« (Benedikt XVI., Katechese, 14. September 2011).

Der Schrei Jesu ist der Schrei eines jeden Gekreuzigten in der Geschichte, des Verlassenen und Erniedrigten, des Märtyrers und Propheten, des Verleumdeten und ungerecht Verurteilten, des Verbannten oder Gefangenen. Es ist der Schrei der menschlichen Verzweiflung, die jedoch in den Sieg des Glaubens einmündet, der den Tod ins ewige Leben verwandelt. »Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen« (Ps 22, 23).

Jesus stirbt am Kreuz. Ist es der Tod Gottes? Nein, es ist die höchste Feier des Zeugnisses des Glaubens.

Das 20. Jahrhundert wurde als das Jahrhundert der Märtyrer bezeichnet. Beispiele wie das eines Maximilian Kolbe und einer Edith Stein bringen ein unermessliches Licht zum Ausdruck. Aber auch heute noch wird der Leib Christi in vielen Regionen der Welt gekreuzigt. Die Märtyrer des 21. Jahrhunderts sind die wahren Apostel der gegenwärtigen Welt.

In der großen Finsternis leuchtet der Glaube auf: »Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!« Denn wer so stirbt, indem er die Verzweiflung des Todes in Hoffnung auf Leben umwandelt, kann nicht einfach ein Mensch sein.

Der Gekreuzigte ist die volle Hingabe. Er hat nichts behalten, weder ein Stück Gewand, noch einen Tropfen Blut, noch die Mutter. Er hat alles gegeben: «Consummatum est.» Wenn man nichts mehr zu geben hat, weil man alles gegeben hat, dann wird man zu echten Gaben fähig. Entblößt, nackt, von den Wunden, vom Durst der Verlassenheit, von den Schmähungen aufgezehrt: Da gibt es nicht mehr die Gestalt eines Menschen. Alles geben: das ist Liebe. Wo das Meine endet, da beginnt das Paradies. (Don Primo Mazzolari)

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Vidit suum dulcem Natum morientem desolatum, cum emisit spiritum.

DREIZEHNTE STATION: Jesus wird vom Kreuz abgenommen

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Markusevangelium. 15, 42-43.46a

Da es Rüsttag war, der Tag vor dem Sabbat, und es schon Abend wurde, ging Josef von Arimathäa, ein vornehmer Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete, zu Pilatus und wagte es, um den Leichnam Jesu zu bitten. … Josef kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz.

Josef von Arimathäa empfängt Jesus, noch bevor er seine Herrlichkeit gesehen hat. Er empfängt ihn als Besiegten, als Verbrecher, als Abgelehnten. Er bittet Pilatus um den Leichnam, um nicht zuzulassen, dass er in das Massengrab geworfen wird. Josef riskiert seinen guten Ruf und wie Tobit vielleicht auch sein Leben (vgl. Tob 1, 15-20). Doch der Mut Josefs ist nicht die Kühnheit der Helden in der Schlacht. Der Mut Josefs ist die Kraft des Glaubens. Eines Glaubens, der zur Aufnahme, Unentgeltlichkeit und Liebe wird. Mit einem Wort: Nächstenliebe.

Die Stille, die Einfachheit und Nüchternheit, mit der sich Josef dem Leichnam Jesu nähert, steht im Widerspruch zu der Zurschaustellung, Banalisierung und zum Prunk der Begräbnisse der Mächtigen dieser Welt. Das Zeugnis Josefs erinnert dagegen an all die Christen, die auch heute wegen eines Begräbnisses ihr Leben riskieren.

Wer konnte den leblosen Körper Jesu empfangen, wenn nicht sie, die ihm das Leben gab? Wir können uns die Empfindungen Marias verstellen, die ihn in ihren Armen aufnimmt – sie, die den Worten des Engels geglaubt hat und alles in ihrem Herzen bewahrte.

Während sie ihren toten Sohn umarmt, spricht Maria noch einmal ihr »Fiat«. Es ist das Drama und die Prüfung des Glaubens. Kein Geschöpf hat dies erlitten wie Maria, die Mutter, die unter dem Kreuz uns zum Glauben geboren hat.

Er wiederholte das Gebet der Welt: »Abba, Vater, wenn es möglich ist …« Nur ein Ölzweig schwang in einem leisen Wind über seinem Haupt hin und her … Aber nicht einen Dorn hast du ihm aus der Krone herausgezogen. Das Denken, ebenso durchstochen, kann nur, da oben kann das Denken nur bluten! Und nicht eine Hand hast du ihm vom Nagel im Holz gelöst: dass er sich von den Augen das Blut abgewischt hätte und es ihm möglich gewesen wäre, zumindest seine Mutter dort zu sehen, sie allein … Sogar Mächtige und Meister der Grausamkeit und Menschen verhüllten ihr Gesicht bei seinem Anblick, und er trieb in einer Wolke: in der Wolke der Gottverlassenheit. Und nachher, nur nachher. Du und wir sind es, ihm das Leben wiederzugeben. (Pater David Maria Turoldo OSM)

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Fac me tecum pie flere, Crucifixo condolere, donec ego vixero.

VIERZEHNTE STATION: Jesus wird ins Grab gelegt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Matthäusevangelium. 27, 59-60

Josef nahm den Leichnam Jesu und hüllte ihn in ein reines Leinentuch. Dann legte er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen. Er wälzte einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und ging weg.

Während Josef das Grab Jesu verschließt, steigt der Herr in das Reich des Todes hinab und reißt seine Pforten auf. Was die Kirche des Westens den „Abstieg in die Unterwelt“ nennt, feiert die Kirche des Ostens schon als Anastasis, d.h. „Auferstehung“. Die Schwesterkirchen teilen so die volle Wahrheit dieses einen Mysteriums mit: »Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. … Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig« (Ez 37, 12.14).

Deine Kirche, Herr, singt jeden Morgen: »Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes« (Lk 1, 78-79).

Der Mensch – geblendet von dem Licht, das die Farbe der Finsternis hat, und getrieben von den Kräften des Bösen – hat einen großen Stein vor das Grab gerollt und dich darin eingeschlossen. Aber wir wissen, dass du, demütiger Gott, in der Stille, in die dich unsere Freiheit gelegt hat, mehr denn je am Werk bist, um im Menschen, den du liebst, neue Gnade hervorzubringen. Tritt also in unsere Gräber ein: Entfache den Funken deiner Liebe im Herzen eines jeden Menschen, im Schoß jeder Familie, auf dem Weg eines jeden Volkes.

O Jesus Christus! Wir alle gehen auf unseren Tod und unser Grab zu. Erlaube uns, im Geiste neben deinem Grab zu verweilen. Möge die Macht des Lebens, die sich in ihm gezeigt hat, unsere Herzen durchdringen. Möge dieses Leben zum Licht auf unserem Pilgerweg auf Erden werden. Amen. (Hl. Johannes Paul II.)

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Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quando corpus morietur, fac, ut animæ donetur paradisi gloria. Amen.

Das Gebet des Papstes

O Kreuz Christi!

O Kreuz Christi, Symbol der göttlichen Liebe und der menschlichen Ungerechtigkeit, Ikone des höchsten Opfers aus Liebe und des größten Egoismus aus Stolz, Werkzeug des Todes und Weg der Auferstehung, Zeichen des Gehorsams und Sinnbild des Verrats, Galgen der Verfolgung und Banner des Sieges.

O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich aufgerichtet in unseren Schwestern und Brüdern, die getötet werden, lebendig verbrannt werden, denen die Kehlen durchgeschnitten werden und die geköpft werden mit barbarischen Schwertern und mit dem feigen Stillschweigen.

O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich in den Gesichtern der Kinder, der Frauen und der Menschen, die erschöpft und verängstigt vor den Kriegen und der Gewalt fliehen und oft nur den Tod finden oder viele wie Pilatus mit gewaschenen Händen antreffen.

O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich in denen, die Lehrer des Buchstabens und nicht des Geistes sind, des Todes und nicht des Lebens, die Strafe und Tod androhen und den Gerechten verurteilen, anstatt die Barmherzigkeit und das Leben zu lehren.

O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich in den untreuen Dienern, die sogar die Unschuldigen ihrer Würde berauben, anstatt die eigenen eitlen Ambitionen abzulegen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den versteinerten Herzen derer, die bequem über die anderen urteilen, Herzen, die bereit sind, sie sogar zur Steinigung zu verurteilen, ohne die eigenen Fehler und Sünden zu bemerken.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Fundamentalismen und im Terrorismus von Anhängern mancher Religionen, die den Namen Gottes schänden und ihn dazu benutzen, ihre unerhörte Gewalt zu rechtfertigen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in denen, die dich aus den öffentlichen Räumen entfernen und aus dem öffentlichen Leben ausschließen wollen im Namen eines gewissen laizistischen heidnischen Denkens oder sogar im Namen der Gleichheit, die du selbst uns gelehrt hast.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Mächtigen und in den Waffenhändlern, die den Glutofen der Kriege mit dem unschuldigen Blut der Brüder und Schwestern beschicken.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Verrätern, die für dreißig Silberstücke jedermann dem Tod ausliefern.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Räubern und in den Korrupten, die sich dem elenden Markt der Unmoral verkaufen, anstatt das Gemeinwohl und die Ethik zu bewahren.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Narren, die Lager für vergängliche Schätze bauen, während sie Lazarus vor ihren Türen den Hungertod sterben lassen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Zerstörern unseres „gemeinsamen Hauses“, die aus Egoismus die Zukunft der kommenden Generationen vernichten.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Alten, die von ihren Angehörigen verlassen wurden, in den Menschen mit Behinderung und in den Kindern, die unterernährt sind und von unserer egoistischen und heuchlerischen Gesellschaft ausgesondert werden.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch auf dem Mittelmeer und in der Ägäis, die zu einem unersättlichen Friedhof geworden sind, ein Bild unseres abgestumpften und betäubten Gewissens.

O Kreuz Christi, Bild der Liebe ohne Ende und Weg der Auferstehung, wir sehen dich auch heute noch in den guten und gerechten Menschen, die das Gute tun, ohne den Beifall oder die Bewunderung durch andere zu suchen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den treuen und demütigen Dienern, die das Dunkel unseres Lebens erleuchten, so wie Kerzen, die sich selbstlos verzehren, um den Geringsten Licht für ihr Dasein zu schenken.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Gesichtern der Ordensschwestern und der Personen geweihten Lebens – die guten Samariter – die alles aufgeben, um still im Geist des Evangeliums die Wunden der Armut und der Ungerechtigkeit zu verbinden.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Barmherzigen, die in der Barmherzigkeit den höchsten Ausdruck der Gerechtigkeit und des Glaubens finden.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den einfachen Menschen, die fröhlich ihren Glauben im Alltag und in der kindlichen Befolgung der Gebote leben.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Reumütigen, die aus dem tiefen Elend ihrer Sünden herausschreien: Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Seligen und Heiligen, welche durch die dunkle Nacht des Glaubens zu gehen vermögen, ohne das Vertrauen in Gott zu verlieren und ohne vorzugeben, sein geheimnisvolles Schweigen zu begreifen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Familien, in denen treu und fruchtbar die eheliche Berufung gelebt wird.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Ehrenamtlichen, die großzügig den Bedürftigen und Heimgesuchten zu Hilfe kommen.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den um ihres Glaubens willen Verfolgten, die in ihrem Leiden weiter ein authentisches Zeugnis für Christus und das Evangelium geben.

O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in denen, die Träume haben, die mit dem Herzen eines Kindes leben und jeden Tag dafür arbeiten, dass die Welt besser, menschlicher und gerechter wird.

In dir, du heiliges Kreuz, sehen wir Gott, der bis zur Vollendung liebt, und sehen wir den Hass, der sich als Herr aufspielt und Herz und Geist derer blind macht, die dem Licht die Finsternis vorziehen.

O Kreuz Christi, du Arche des Noach, welche die Menschheit vor der Sündflut der Sünde gerettet hat, rette uns vor dem Übel und vor dem Bösen! O Thron Davids und Siegel des göttlichen und ewigen Bundes, wecke uns auf angesichts der Verlockungen der Eitelkeit! O Liebesschrei, entfache in uns das Verlangen nach Gott, nach dem Guten und nach dem Licht.

O Kreuz Christi, lehre uns, dass der Aufgang der Sonne stärker ist als die Dunkelheit der Nacht. O Kreuz Christi, lehre uns, dass der scheinbare Sieg des Bösen sich vor dem leeren Grab verflüchtigt, vor der Gewissheit der Auferstehung und der Liebe Gottes, die nichts zu besiegen, zu verdunkeln oder abzuschwächen vermag. Amen!