Johann Sebastian Bach: Unterschied zwischen den Versionen

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*Wilhelm Otto Deutsch: ''Gesten der Annahme, der Verwandlung, der Verwandtschft: Ein Beitrag zur musikalischen Hermeneutik J. S. Bachs in der h-moll-Messe''. MKirche lxii/6 (1992), 321-327.
 
*Wilhelm Otto Deutsch: ''Gesten der Annahme, der Verwandlung, der Verwandtschft: Ein Beitrag zur musikalischen Hermeneutik J. S. Bachs in der h-moll-Messe''. MKirche lxii/6 (1992), 321-327.
  
 
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Version vom 8. Mai 2012, 14:24 Uhr

Johann Sebastian Bach (31. März 1685 - 28. Juli 1750) ist einer der größten Kantoren und Tonsetzer der Musikgeschichte.

Biografie

Bach wurde 1685 in Eisenach geboren und entstammt einer mitteldeutschen lutherischen Musikerfamilie, die seit Generationen Organisten und Kantoren an lutherischen Kirchen gestellt hatte. Er selbst war, mit Ausnahme der Kapellmeistertätigkeit beim calvinistischen Herzog von Anhalt-Köthen, durchgehend mit lutherischer Kirchenmusik als Schwerpunktaufgabe betraut. In Leipzig (1723-1750) war sein Dienstherr der Rat der Stadt, sein Aufgabenfeld jedoch die schulische und städtische Kirchenmusik, die er schwerpunktmäßig an der Thomaskirche ausübte. Bach starb 1750 im Kreise der Familie nach kurzer Krankheit an den Auswirkungen eines Schlaganfalls.

Wirken

Bachs überlieferte Briefe und Äußerungen, seine hinterlassenen Bücher, vor allem aber sein Werk bezeugen seine tiefe Verwurzelung in Bibel und lutherischem Katechismus und seinen kirchlich und liturgisch akzentuierten Glauben. Im Vorwort seiner Unterweisung im Generalbassspiel schreibt er: Und soll ... aller Musik ... Finis und Endursache anders nicht als nur zu Gottes Ehre und Rekreation des Gemüts sein. Wo dieses nicht in Acht genommen wird, da ist‘s keine eigentliche Musik, sondern ein teuflisches Geplärr und Geleier.

Seit Martin Luther alles Gewicht auf die Verkündigung des Gottesworts gelegt hatte, verstanden sich lutherische Kirchenmusiker als Prediger, und Wortausdeutung war das letzte Ziel ihrer Musik. Das gilt auch und in überragender Weise von Bach. Zu den Gipfelpunkten dieses Bemühens gehören die Evangelientexte im Weihnachtsoratorium und in den Passionen.

Neben der von Gott zum Menschen absteigenden Perspektive (Verkündigung) stand sein Musizieren zugleich unter dem vom Menschen zu Gott aufsteigenden Symbol des Lobopfers. In der innerlutherischen Auseinandersetzung seiner Zeit zwischen der lehr- und sakramentbetonten Orthodoxie einerseits und dem aufkommenden Pietismus mit seinem Streben nach Innerlichkeit und frommer Gemeinschaft andererseits stand er, wie seine Freundschaftsbeziehungen und die Auseinandersetzungen an seinen Dienstorten zeigen, klar auf Seiten der Orthodoxie. Nur deren Gottesdienstverständnis bot Raum für groß angelegte und anspruchsvolle Musik. Von hier speiste sich sein Selbstverständnis als Schöpfer einer regulierten, d.h. in den Rhythmus des kirchlichen Jahres eingebundenen gottesdienstlichen Musik und seine Selbstlegitimation durch biblische Vorbilder wie David und die Liturgie der Engel vor Gottes Thron. Doch sind die von ihm vertonten Texte und seine dadurch inspirierte Musik zugleich durchdrungen von "pietistischer" Gefühlstiefe und einer damals modernen, subjektbetonten Sprache. Innigste Töne fand er regelmäßig für den Ausdruck von Todes- und Himmelssehnsucht.

Mit der katholischen Kirche und Liturgie kam Bach äußerlich vor allem durch den Dresdner Hof in Berührung. Aber der Horizont seines Glaubens hatte schon in sich katholische Weite. Die Kommunion war ihm Höhepunkt der Christusbegegnung. Sein Name erscheint regelmäßig im Leipziger Kommunikantenregister, und Werke wie BWV 180 oder 244, 11-13 bezeugen eine fast mystische Abendmahlsfrömmigkeit. Der Festkalender, einschließlich der marianischen Daten 2. Februar, 25. März und 2. Juli sowie des Michaelstags, war an seinen Wirkungsstätten weitgehend erhalten. Die grundlegenden Texte der Messe und des Stundengebets waren in Leipzig nicht nur deutsch, sondern auch lateinisch in Gebrauch. Die altkirchlichen Bekenntnisse wurden im Lateinunterricht der Thomasschule (den abzuhalten zu Bachs ungeliebten Verpflichtungen gehörte) auf Latein durchgenommen. Und die wesentliche Einheit und Kontinuität der Kirche seit den Tagen der Apostel war für Bach selbstverständliches Erbe. Das Gedächtnis der Reformation feierte er mit der lutherischen Kirche seiner Zeit dankbar als Geltendmachung des einen, ursprünglichen Christusglaubens, nicht jedoch als Destruktion der tradierten Formen.

Neben dem lateinischen Magnificat, den vier Missae breves und mehreren Einzelsätzen aus der lateinischen Liturgie, die für den lutherischen Gottesdienst entstanden, gibt vor allem die H-Moll-Messe Aufschluss über Bachs Verhältnis zur Una Sancta. Kyrie und Gloria dieses Werks waren für den Dresdner Hof bestimmt und bezweckten die Erlangung der Würde eines Hofkompositeurs. Weit über diesen Zweck hinaus aber wurde das Spätwerk zu einer Sammlung der von Bach selbst am meisten geschätzten Arien und Chorsätze. Diese arbeitete er zum Teil tiefgreifend um und fügte sie dem neuen Opus magnum ein – um sie aufzuheben im vordergründigen und im religiösen Sinn. Neu schuf er u.a. das Sanctus, das die singenden Serafim aus Jesaja 6 fast sichtbar abbildet, sowie Credo, Et in Spiritum Sanctum und Confiteor unum baptisma des Großen Glaubensbekenntnisses: die beiden Eckchöre zitieren die jeweilige gregorianische Melodie mit dem Gestus von Ewigkeit und Unverrückbarkeit; die Bass-Arie schwingt sich bei dem Wort catholicam (ecclesiam) zu einem nicht enden wollenden, immer weitere Bögen beschreibenden Melisma auf.

So wenig Bach römisch war und sein wollte, so sehr war er katholisch darin, dass Intensität der persönlichen Christusbeziehung und Eingebundensein in die communio sanctorum über Zeiten und Völker hinweg für ihn eine unauflösbare Einheit bildeten.

Literatur

  • Günther Stiller, Johann Sebastian Bach und das Leipziger gottesdienstliche Leben seiner Zeit, Kassel (Bärenreiter) 1970
  • Wilhelm Otto Deutsch: Gesten der Annahme, der Verwandlung, der Verwandtschft: Ein Beitrag zur musikalischen Hermeneutik J. S. Bachs in der h-moll-Messe. MKirche lxii/6 (1992), 321-327.