Iusti iudicis

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Motu proprio
Iusti iudicis

von Papst
Johannes Paul II.
über die gänzliche Neuordnung der Tätigkeit der Prozeßbevollmächtigten und Anwälte bei den Dikasterien der Römischen Kurie und der Vertretung der Rechtssachen des Hl. Stuhles selbst
28. Juni 1988
(Offizieller lateinischer Text: AAS [1988] 1285-1261; Die lateinische Fassung auf der Vatikanseite)

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1988, S. 1185-1189)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Nach dem Beispiel und den Worten Jesu Christi, des gerechten Richters (2 Tim 4,8), nahm sich die Kirche vom Beginn ihres Bestehens besonders der Probleme der Rechtspflege an und zwar sowohl in ihrem eigenen Bereich, wie im Verkehr mit den staatlichen Rechtsordnungen, in denen sie selbst und ihre Gläubigen zu leben und ihre Heilssendung durchzuführen berufen sind. Deshalb wurde auch in der kirchlichen Gemeinschaft, die eine eigene Rechtsordnung besitzt, von frühester Zeit an darauf geachtet, dass physische und juristische Personen bei der Verteidigung ihrer geistlichen oder mit diesen verbundenen Güter, die ihnen kraft göttlichen und menschlichen Rechtes zustanden, in kirchlichen Prozessen durch Anwälte vertreten werden. Darüber hinaus sah sich die Kirche selbst in ihrem eigenen Verband geradezu genötigt, die Anerkennung und Einhaltung ihrer Rechte auch auf gerichtlichem Weg einzuklagen.

In der eifrigen Nachfolge dessen, der "reich war, aber arm wurde" (2 Kor 8,9) hat sich die Kirche das Bedürfnis der Armen und Schwachen zu eigen gemacht, ihre Rechte auch vor Gericht durch einen Rechtsbeistand zu verteidigen. Die Ausübung dieses Amtes, das eine kirchliche Verantwortung beinhaltet, haben die Parteienbeistände oder Anwälte übernommen. Beim Hl. Stuhl wurde dieses Amt von zwei wohlverdienten Institutionen ausgeübt.

Bereits der Hl. Gregor der Große hat sieben Verteidiger der Kirche eingesetzt, von denen sich wahrscheinlich die Konsistorialanwälte herleiten.

Im Jahre 1130 übertrug Papst Innozenz II. den Prokuratoren der Apostolischen Paläste das Amt, Rechtsfalle vor dem Hl. Vater zu verteidigen und Arme unentgeltlich zu vertreten. Papst Benedikt XII. errichtete dann mit der Apostolischen Konstitution Decens et Necessarium vom 26. Oktober 1340 zwei verschiedene Kollegien, nämlich das der Konsistorialanwälte und das der Prokuratoren der Apostolischen Paläste.

Im Verlauf der Geschichte haben die bei den erwähnten Kollegien ihr hohes und bedeutendes Amt hervorragend erfüllt, so dass sie von den Päpsten viele Anerkennungen und Privilegien erhielten.

Anläßlich der Überprüfung der Apostolischen Konstitution über die Römische Kurie und gleichsam in Ausführung jener zeitlichen Anpassung ("aggiornamento"), deren Grundsätze und Richtlinien das II. Vatikanische Konzil aufgestellt hat und die der Codex iuris canonici auf juridischer Ebene zum Ausdruck gebracht hat, schien es jedoch zweckmäßig, unter Berücksichtigung der Fortschritte und Forschungsergebnisse, die die Kirche auch im Bereich der Rechtspflege, dem Willen ihres Gründers gehorchend, bei der Ausübung des Amtes der Verteidigung und der Förderung der Menschenrechte machte, diese Materie von Grund auf neu zu ordnen.

Die Anwälte bei der Römischen Kurie

Art. 1

Neben den Rotaadvokaten und den bei den Heiligsprechungsprozessen tätigen Anwälten, die wie früher ihre Tätigkeit nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts und der jedem Dikasterium eigenen Gesetze fortsetzen, wurde bei der Römischen Kurie eine allgemeine Liste der Anwälte aufgestellt, die auf Verlangen der Parteien den Rechtsschutz der Fälle beim Höchsten Gericht der Apostolischen Signatur übernehmen sowie in den Dikasterien der Römischen Kurie bei hierarchischen Beschwerden ihren Beistand leisten.

Art. 2

Der Kardinalstaatssekretär verfügt, nach Anhören der dafür ständig errichteten Kommission, dass die Namen jener Anwälte in die allgemeine Liste eingetragen werden, die alle im folgenden Artikel erwähnten Voraussetzungen besitzen.

Art. 3

Damit jemand in die allgemeine Liste eingetragen werden kann, muss er:

l. - sich durch eine beispielhafte christliche Lebensführung und durch aktive Beteiligung am Leben der Gemeinschaft der Kirche, entsprechend seiner eigenen besonderen Berufung auszeichnen;

2. - eine entsprechende theologische Vorbildung besitzen;

3. - sich in der Rechtslehre auszeichnen, die durch akademische Titel belegt und mit einer entsprechenden beruflichen Erfahrung verbunden ist.

Art. 4

Die in die Liste eingetragenen Anwälte sind verpflichtet, neben den diesbezüglichen Vorschriften des allgemeinen Rechts, die Normen der beruflichen Pflichtenlehre (Deontologie) einzuhalten.

Art. 5

§ 1. - Wenn jemand die ethischen Normen seines Amtes schwer verletzt, soll der Fall vor das Höchste Gericht der Apostolischen Signatur gebracht werden, das von Amts wegen vorgeht und auf Grund des Rechts, je nach der Schwere der Rechtsverletzung, Strafen verhängt, wobei die Streichung aus der Liste nicht ausgeschlossen ist.

§ 2. - Wenn gegen einen Anwalt ein kirchlicher oder weltlicher Strafprozess eingeleitet wurde, wird er für die Dauer des Prozesses zur Vorsicht von der Ausübung des Amtes enthoben.

Art. 6

Aus der Liste werden ferner jene gestrichen,

1. - die offenkundig vom katholischen Glauben abgefallen sind;

2. - die im Konkubinat leben oder nur zivil verheiratet sind oder in anderer Weise in einer offenkundigen schweren Sünde verharren;

3. - die Vereinigungen, jedweder Art, beigetreten sind, die gegen die Kirche Machenschaften betreiben;

4. - die Vereinigungen oder Bewegungen beigetreten sind oder mit solchen zusammenarbeiten, die mit der Lehre des christlichen Glaubens und der christlichen Moral unvereinbaren Ideologien folgen oder politische Programme oder Gesetzesentwürfe verfechten, die den Vorschriften des Naturrechts und des christlichen Gesetzes entgegenstehen;

5. - die sich öffentlich den lehrmäßigen und pastoralen Weisungen der rechtmäßigen kirchlichen Autorität widersetzen.

§ 2. - In diesen Fällen muss die Angelegenheit vor das Höchste Gericht der Apostolischen Signatur gebracht werden, die von Amts wegen vorgeht und nach den Normen des Rechts die Streichung aus der Liste verfügt.

Die Anwälte des Heiligen Stuhles

Art. 7

Aus den vornehmlich in der allgemeinen Liste eingetragenen Anwälten wurde ein Gremium der Anwälte des Hl. Stuhles errichtet, die befähigt sind, Rechtssachen im Namen des Hl. Stuhles oder der Dikasterien der Römischen Kurie vor den kirchlichen oder staatlichen Gerichten zu verteidigen.

Art. 8

Die Anwälte des Hl. Stuhles werden vom Kardinalstaatssekretär nach Anhören der in Art. 2 erwähnten Kommission für fünf Jahre ernannt: aus schwerwiegenden Gründen können sie jedoch entfernt werden.

Mit Vollendung des 75. Lebensjahres scheiden sie aus dem Amt aus.

Art. 9

Die Anwälte des Hl. Stuhles sind verpflichtet, ein vorbildliches Leben gemäß den Geboten Gottes und der Kirche zu führen und die ihnen übertragenen Aufgaben mit größtem Pflichtbewusstsein zu erfüllen.

Sie sind überdies an die Wahrung der Geheimhaltung in den Fällen und Angelegenheiten gehalten, die unter Geheimhaltung behandelt werden müssen.

Art. 10

Die Anwälte des Hl. Stuhles treten bei der Ausübung ihrer Ämter, vor den Gerichten der Römischen Kurie und des Staates der Vatikanstadt, an die Stelle der Mitglieder des Kollegiums der Konsistorialadvokaten und des Kollegiums der Prokuratoren der Apostolischen Paläste. - Diese Kollegien hören daher zu bestehen auf.

§ 2. - Die gegenwärtigen Konsistorialadvokaten und Prokuratoren der Apostolischen Paläste behalten neben dem Titel, die Rechte und persönlichen Privilegien, die ihnen auf Grund besonderer Gesetze zustanden, in vollem Umfang bei.

Alles, was in diesem Schreiben in Form eines Motu proprio festgelegt wurde, ordnen wir an, dass es Gesetzeskraft habe ohne die geringste Einschränkung durch wie immer geartete entgegenstehende Bestimmungen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter am 28. Juni 1988,

dem zehnten Jahr unseres Pontifikates.

Joannes Paulus PP II.