Il populo (Wortlaut)

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Weihnachtsrundfunkbotschaft
Il populo

von Papst
Pius XII.
an die Gläubigen der ganzen Welt
über die Technik
24. Dezember 1953

(Offizieller italienischer Text: AAS 46 [1954] 5-16)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, 8. Jahrgang 1953/54; Viertes Heft, Januar 1954, S. 168-172;
auch in: Soziale Summe Pius' XII., Band I, S. 301-316, Nrn. 654-678)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


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Das Licht in der Finsternis

"Das Volk, das im Finstern wohnte, sah ein großes Licht". Mit diesem lebendigen Bild sagte Isaias (Jes 9,1) in prophetischem Geist die Ankunft des himmlischen Kindes, des Vaters der kommenden Weltzeit, des Fürsten des Friedens voraus. Mit eben diesem Bild, das in der Fülle der Zeit tröstliche Wirklichkeit für die Geschlechter der Menschen geworden ist, die sich in dieser Welt voll Dunkel abmühen, möchten Wir, geliebte Söhne und Töchter des katholischen Erdkreises, unsre Weihnachtsbotschaft einleiten und Uns seiner bedienen, um euch wiederum an die Wiege des neugeborenen Erlösers, den strahlenden Lichtquell zu führen.

Licht, das die Finsternis zerreißt und besiegt, ist in der Tat die Geburt des Herrn in ihrer wesentlichen Bedeutung, wie sie der Apostel Johannes in der großartigen Einleitung seines Evangeliums darlegte und zusammenfasste, die der Feierlichkeit der ersten Seite der Genesis mit dem Erscheinen des ersten Lichtes antwortet. "Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt; und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, als Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit" (Joh 1, 14). Er, der Leben und Licht in sich selber ist, leuchtet in der Finsternis und gibt allen denen, die ihm ihre Augen und Herzen öffnen, denen, die ihn aufnehmen und an ihn glauben, Macht, Kinder Gottes zu werden (vgl. Joh 1, 12).

Aber trotz dieses verschwenderischen Glanzes göttlichen Lichts, der von der demütigen Krippe ausgeht, ist dem Menschen die furchtbare Fähigkeit belassen worden, in die alte Finsternis zurück zu tauchen, die die erste Sünde verursacht hatte, wo der Geist in Werken des Staubs und des Todes erstarrt. Für diese freiwillig Blinden, die durch Verlust oder Schwächung des Glaubens so geworden sind, hat selbst Weihnachten keinen anderen Zauber mehr als den eines rein menschlichen Festes, das sich in armselige, rein irdische Gefühle und Erinnerungen aufgelöst hat und oft doch noch zärtlich gepflegt wird, aber wie eine Hülle ohne Inhalt, eine Schale ohne Kern. Um die strahlende Wiege des Erlösers herum dauern also Zonen der Finsternis fort, und Menschen mit für den himmlischen Glanz erloschenen Augen leben darin, nicht weil der fleischgewordene Gott nicht selbst im Mysterium Licht genug hätte, um jeden zu erleuchten, der in diese Welt kommt; sondern weil viele, vom vergänglichen Glanz menschlicher Ideale und Werke geblendet, ihren Blick innerhalb der Grenzen der Schöpfung beschränken und nicht fähig sind, ihn zum Schöpfer zu erheben, dem Ursprung, der Harmonie und dem Ziel aller existierenden Dinge.

Verblendung durch die Technik

Diese Menschen der Finsternis möchten wir auf das "große Licht" hinweisen, das von der Krippe ausgeht, und sie vor allem auffordern, die gegenwärtige Ursache zu erkennen, die sie für das Göttliche blind und unempfindlich macht. Es ist die übermäßige, manchmal ausschließliche Hochschätzung des so genannten" technischen Fortschritts". Dieser, der zuerst als allmächtiger Mythus und Glückbringer geträumt war und dann mit allem Eifer bis zu den kühnsten Eroberungen vorgetrieben wurde, hat sich des Durchschnittsbewusstseins als letztes Ziel des Menschen und des Lebens bemächtigt und sich damit an die Stelle jedes religiösen und spirituellen Ideals gedrängt. Heute erkennt man immer deutlicher, dass seine ungebührliche Verhimmelung die Augen der modernen Menschen geblendet, ihre Ohren taub gemacht hat, so dass sich an ihnen bewahrheitet, was das Buch der Weisheit bei den Götzendienern seiner Zeit geißelte (Weish 13,1): sie sind unfähig, aus der sichtbaren Welt den zu erkennen, der IST, den Meister aus seinem Werk zu entdecken; mehr noch bleiben heute für die, die im Finstern wandeln, die übernatürliche Welt und das Werk der Erlösung, das alle Natur übersteigt und von Jesus Christus vollbracht worden ist, in vollständige Dunkelheit gehüllt.

Echter Wert der Technik

Und doch müsste diese Verirrung nicht sein, und Unsere gegenwärtigen Darlegungen dürfen auch keineswegs als Verwerfung des technischen Fortschritts an sich aufgefasst werden. Die Kirche liebt und fördert die menschlichen Fortschritte. Es ist unleugbar, dass der technische Fortschritt von Gott kommt und also auch zu Gott führen kann und muss. Und in der Tat kommt es sehr oft vor, dass der Gläubige, wenn er die technischen Eroberungen bewundert, wenn er sich ihrer bedient, um tiefer in die Kenntnis der Schöpfung und der Naturkräfte einzudringen und sie mittels der Maschinen und Apparate besser zu beherrschen, um sie zum Dienst des Menschen und zur Bereicherung des irdischen Lebens zu lenken, sich hingerissen fühlt, den Geber dieser Gaben, die er bewundert und nutzt, anzubeten, wohl wissend, dass der ewige Sohn Gottes der "Erstgeborene aller Geschöpfe ist, weil in ihm alle Dinge im Himmel und auf Erden, die sichtbaren und die unsichtbaren, gemacht worden sind" (Kol 1, 15-16). Weit also davon entfernt, sich bewogen zu fühlen, die Wunder der Technik und ihren richtigen Gebrauch abzulehnen, ist der Gläubige vielleicht nur um so bereiter, das Knie vor dem himmlischen Kind in der Krippe zu beugen, seiner Dankesschuld dem gegenüber bewusster, der Verstand und Dinge gab, bereiter, auch die Werke der Technik einzuordnen, damit sie in den Chor der Engel bei Bethlehem einstimmen: "Ehre sei Gott in der Höhe" (Lk 2, 14). Er wird es sogar ganz natürlich finden, neben das Gold, den Weihrauch und die Myrrhe, die die Weisen dem göttlichen Kinde darbrachten, ebenso die modernen Eroberungen der Technik zu stellen: Maschinen und Zahlen, Laboratorien und Entdeckungen, Macht und Hilfsquellen. Ja eine solche Darbringung ist wie die Darbringung des einst von ihm selber befohlenen Werkes, das jetzt glücklich ausgeführt, wenn auch noch nicht beendet ist: "Bevölkert die Erde und unterwerft sie euch" (Gen 1,28), sprach Gott zum Menschen, als er ihm die Schöpfung als vorläufiges Erbteil übergab. Was für ein langer und bitterer Weg von damals bis zur gegenwärtigen Zeit, in der die Menschen in gewisser Weise sagen können, sie hätten das göttliche Gebot ausgeführt!

Die Technik führt den heutigen Menschen in der Tat zu einer bisher nie gekannten Beherrschung der materiellen Welt. Die moderne Maschine erlaubt eine Produktionsweise, die die menschliche Arbeitskraft ersetzt und ins Riesenhafte steigert, die sich vollständig vom Beitrag organischer Kräfte freimacht und ein Maximum extensiven und intensiven Potentials und zugleich ein Maximum an Präzision sichert. Wenn man mit einem Blick die Ergebnisse dieser Entwicklung umfasst, ist es, als entdecke man in der Natur selber die Zustimmung der Befriedigung über das, was der Mensch in ihr verwirklicht hat, und die Aufforderung, weiter fortzuschreiten in der Erforschung und Nutzbarmachung ihrer außerordentlichen Möglichkeiten. Es ist aber klar, dass jede Erforschung und Entdeckung der Kräfte der Natur, die die Technik vollbringt, letzten Endes zu einer Erforschung und Entdeckung der Größe, Weisheit und Harmonie Gottes führt. Wenn man die Technik so betrachtet, wer könnte sie missbilligen oder verurteilen?

Der "technische Geist" und seine Gefahren

Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass eben die Technik, die in unserer Zeit den Gipfel ihres Glanzes und ihrer Erträgnisse erreicht hat, sich durch faktische Umstände in eine schwere geistige Gefahr verwandelt. Sie scheint dem modernen Menschen, der sich vor ihrem Altar beugt, ein unbegrenztes Gefühl zu geben, dass er sich selbst genügt und dass seine Bedürfnisse an Kenntnis und Macht befriedigt werden. Mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit, mit dem absoluten Vertrauen, das sie auslöst, mit den unerschöpflichen Möglichkeiten, die sie verspricht, breitet die moderne Technik vor dem heutigen Menschen eine so umfassende Vision aus, dass viele sie mit dem Unendlichen selber verwechseln. Demzufolge schreibt man ihr eine unmögliche Autonomie zu, die sich ihrerseits wieder im Geiste einiger in eine falsche Lebens- und Weltauffassung verwandelt, die man den "technischen Geist" nennt. Doch worin besteht dieser eigentlich? Darin, dass man es für den höchsten menschlichen Wert, den höchsten Wert des Lebens hält, möglichst großen Nutzen aus den Kräften und Elementen der Natur zu ziehen; dass man sich, mit Vorrang vor allen anderen menschlichen Betätigungen, die technisch möglichen Methoden der mechanischen Produktion zum Ziel setzt und dass man in ihnen die Vollendung der irdischen Kultur und Glückseligkeit sieht.

In dieser verkehrten Weltanschauung, wie sie der "technische Geist" bietet, liegt vor allem eine fundamentale Täuschung. Das auf den ersten Blick unbegrenzte Panorama, das die Technik vor den Augen des modernen Menschen ausbreitet, bleibt, so ausgedehnt es auch ist, dennoch nur eine partielle Projektion des Lebens auf die Wirklichkeit und drückt nur dessen Beziehungen zur Materie aus. Es ist wohl ein bezauberndes Panorama, das schließlich den Menschen, der zu leichtfertig an die Unermesslichkeit und Allmacht der Technik glaubt, in ein zwar weites, aber doch begrenztes und darum auf die Dauer für seinen ursprünglichen Geist unerträgliches Gefängnis einschließt. Sein Blick, weit davon entfernt, die unendliche Wirklichkeit zu durchdringen, die nicht nur Materie ist, muss sich von den Schranken, die diese ihm notwendigerweise entgegenstellt, bedrückt fühlen. Daher die verborgene Angst des heutigen Menschen, der blind geworden ist, weil er sich freiwillig mit Finsternis umgeben hat.

Sehr viel ernster sind die Schäden, die der "technische Geist" dem Menschen zufügt, der sich von ihm berauschen lässt, auf dem Gebiet der eigentlich religiösen Wahrheiten und für seine Beziehungen zum übernatürlichen. Auch das sind die Finsternisse, auf die der Evangelist Johannes anspielt, die zu zerstreuen das fleischgewordene Wort Gottes gekommen ist und die das geistige Verständnis der Geheimnisse Gottes verhindern.

Die Enge des Blickfeldes

Nicht dass die Technik an sich die Leugnung der religiösen Werte kraft ihrer Logik forderte - sie führt sogar, wie Wir gesagt haben, zu deren Entdeckung -: es ist vielmehr dieser" technische Geist", der für den Menschen ungünstige Voraussetzungen schafft, um die übernatürlichen Wahrheiten und Güter zu suchen, zu sehen und anzunehmen. Der Geist, der sich von der vom "technischen Geist" geprägten Lebensauffassung verführen lässt, bleibt gegenüber jenen Werken Gottes, die ganz anderer Natur sind als die Technik, nämlich gegenüber den Geheimnissen des christlichen Glaubens, unempfindlich, unansprechbar und daher blind. Das Heilmittel selber, das in einer verdoppelten Anstrengung bestehen würde, den Blick über die Schranke der Finsternisse hinaus zu erheben und in der Seele das Interesse für die übernatürlichen Wirklichkeiten anzufeuern, wird schon von Anfang an von eben diesem "technischen Geist" unwirksam gemacht, weil er die Menschen des kritischen Sinnes gegenüber der seltsamen Ruhelosigkeit und Oberflächlichkeit unserer Zeit beraubt. Ein Mangel, den auch diejenigen, die wirklich und aufrichtig den technischen Fortschritt billigen, leider als eine seiner Folgen zugeben müssen. Die vom "technischen Geist" geprägten Menschen finden selten die Ruhe, Heiterkeit und Einkehr, die notwendig sind, den Weg zu erkennen, der zu dem menschgewordenen Sohn Gottes führt. Sie gehen sogar so weit, den Schöpfer und sein Werk herabzusetzen, indem sie behaupten, die menschliche Natur sei eine fehlerhafte Konstruktion, wenn die Aktionsfähigkeit des Gehirns und der anderen menschlichen Organe, die notwendig begrenzt ist, die Ausführung von technologischen Berechnungen und Projekten behindert. Noch weniger sind sie imstande, die höchsten Geheimnisse des göttlichen Lebens und der göttlichen Heilsökonomie zu verstehen und zu schätzen, wie z. B. das Geheimnis von Weihnachten, in dem die Verbindung des Ewigen Wortes mit der menschlichen Natur ganz andere Wirklichkeiten und Größen ins Spiel setzt als diejenigen, mit denen es die Technik zu tun hat. Ihr Denken folgt anderen Wegen und Methoden unter der einseitigen Inspiration jenes "technischen Geistes", der nur das als Wirklichkeit anerkennt und schätzt, was in zahlenmäßigen Verhältnissen und Nützlichkeitsberechnungen ausgedrückt werden kann. Auf diese Weise glauben sie, die Wirklichkeit in ihre Elemente zu zerlegen, aber ihre Erkenntnis bleibt an, der Oberfläche und bewegt sich nur in einer einzigen Richtung. Es ist offenkundig, dass, wer die technische Methode als einziges Instrument der Wahrheitssuche anwendet, darauf verzichten muss, z. B. in die tiefen Wirklichkeiten des organischen Lebens einzudringen und noch mehr in die des geistigen Lebens, die lebendigen Wirklichkeiten des Einzelnen und der menschlichen Gesellschaft, da sie nicht in quantitative Verhältnisse auseinandergelegt werden können. Wie könnte man von einem so geformten Geist Zustimmung und Bewunderung angesichts der eindrucksvollen Wirklichkeit erwarten, zu der wir durch Jesus Christus durch seine Menschwerdung und Erlösung, seine Offenbarung und seine Gnade erhoben worden sind? Auch abgesehen von der religiösen Blindheit, die die Folge des "technischen Geistes" ist, ist der Mensch, der von ihm besessen ist, in seinem Denken vermindert, gerade insofern er durch dieses das Ebenbild Gottes ist. Gott ist der unendlich umfassende Verstand, während der »technische Geist" alles tut, um die freie Entfaltung des Verstandes im Menschen zu unterbinden. Dem Techniker, Meister oder Schüler, der sich vor dieser Minderung retten will, muss man nicht nur eine ganz gründlich durchgebildete Erziehung des Geistes, sondern vor allem eine religiöse Bildung wünschen; denn diese ist, im Gegensatz zu dem, was manchmal behauptet wird, die geeignetste, um sein Denken vor einseitigen Einflüssen zu bewahren.

Dann wird die Enge des Wissens gesprengt; die Schöpfung erscheint ihm in all ihren Dimensionen erleuchtet, insbesondere wenn er sich vor der Krippe bemüht, zu verstehen, "was die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe und die Erkenntnis der Liebe Christi ist" (vgl. Eph. 3, 18-19). Im entgegengesetzten Fall wird das technische Zeitalter sein monstruöses Meisterwerk vollenden und den Menschen in einen Riesen der physischen Welt verwandeln, auf Kosten seines Geistes, den es zu einem Zwerg in der übernatürlichen und ewigen Welt macht.

"Technischer Geist" und Arbeit

Aber hiermit ist der Einfluss, den der technische Fortschritt ausübt, noch nicht zu Ende, wenn er im Bewusstsein als etwas Autonomes und als Selbstzweck aufgefasst wird. Niemand kann die Gefahr einer "technischen Lebensauffassung" verkennen, d. h. einer Betrachtung des Lebens ausschließlich im Hinblick auf seine technischen Werte, als technisches Element oder als technischer Faktor. Ihr Einfluss wirkt sich auf die Lebensart der modernen Menschen ebenso wie auf ihre wechselseitigen Beziehungen aus.

Betrachtet sie einen Augenblick am Werk im Volk,- in dem sie sich schon ausbreitet, und überlegt insbesondere, wie sie die menschliche und christliche Auffassung von der Arbeit verändert hat und welchen Einfluss sie auf Gesetzgebung und Verwaltung ausübt. Das Volk hat mit gutem Recht den technischen Fortschritt begrüßt, weil er die Last der Arbeit erleichtert und die Produktion steigert. Aber man muss doch zugeben, dass, wenn dieses Gefühl nicht in den richtigen Grenzen bleibt, die menschliche und christliche Auffassung von der Arbeit notwendig Schaden leidet. Ebenso ist es eine Folge der unrichtigen technischen Lebensauffassung und daher auch Arbeitsauffassung, dass die Freizeit als Selbstzweck aufgefasst wird, anstatt dass sie als rechte Entspannung und Wiederherstellung betrachtet und benutzt wird, die wesentlich an den Rhythmus eines geordneten Lebens gebunden ist, in dem Ruhe und Mühe sich abwechseln in einem einzigen Gewebe und sich zu einer einzigen Harmonie ergänzen. Noch sichtbarer ist der Einfluss des "technischen Geistes" in der Arbeit, wenn man dem Sonntag seine einzigartige Würde als Tag der Gottesverehrung und der leiblichen und geistigen Ruhe für die Einzelnen und die Familie nimmt und er statt dessen nur noch einer jener freien Tage im Laufe der Woche ist, die auch wohl für jedes Mitglied der Familie anders liegen können, je nach dem größeren Ertrag, den man sich von einer, solchen technischen Verteilung der materiellen und menschlichen Energie verspricht; oder wenn die Berufsarbeit derartig von dem Funktionieren der Maschine und der Apparate abhängig gemacht wird, dass sie den Arbeiter rasch verbraucht, so dass ein Jahr der Berufsausübung seine Kraft erschöpft wie zwei oder mehr Jahre normalen Lebens.

Wir verzichten darauf, ausführlicher darzulegen, wie dieses ausschließlich von technischen Gesichtspunkten inspirierte System entgegen den Erwartungen eine Vergeudung ebenso der materiellen Hilfsquellen wie der hauptsächlichen Energiequellen verursacht - zu letzteren muss man . sicher auch den Menschen selber rechnen - und wie es sich folglich auf die Dauer als kostspielige Belastung der Ökonomie der ganzen Erde erweisen muss. Wir können jedoch nicht versäumen, die Aufmerksamkeit auf die neue Form von Materialismus hinzulenken, die der» technische Geist" in das Leben einführt. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass er seinen Inhalt entleert, denn die Technik ist auf den Menschen und auf den Komplex von spirituellen und materiellen Werten hingeordnet, die seine Natur und seine persönliche Würde ausmachen. Wo die Technik autonom herrschen würde, würde sich die menschliche Gesellschaft in eine farblose Masse verwandeln, in etwas Unpersönliches und Schematisches und eben dadurch in Widerspruch zu dem Stehendes, was die Natur und ihr Schöpfer offensichtlich gewollt haben.

"Technischer Geist" und Familie

Zweifellos sind große Teile der Menschheit noch nicht von einer solchen "technischen Lebensauffassung" berührt; aber es ist zu befürchten, dass sich, wo immer der technische Fortschritt ohne Vorsichtsmaßnahmen eindringt, die Gefahr der angedeuteten Entartungen bald genug zeigen wird. Mit besonderer Sorge denken wir an die Gefahr, die der Familie droht, die im gesellschaftlichen Leben das zuverlässigste Ordnungsprinzip darstellt, insofern sie zwischen ihren Gliedern unzählige persönliche Dienste zu schaffen vermag, die sie, täglich erneuert, mit Banden der Liebe an Haus und Herd binden und in jedem von ihnen die Liebe zur Familientradition in Produktion und Erhaltung der Gebrauchsgüter wecken. Wo dagegen die technische Lebensauffassung eindringt, verliert die Familie das persönliche Band ihrer Einheit, verliert sie ihre Wärme und Festigkeit. Sie bleibt nur in dem Maße vereint, wie es die Erfordernisse der Massenproduktion mit sich bringen, auf die alles immer unaufhaltsamer hindrängt. Nicht mehr Werk der Liebe und Zuflucht der Seelen ist dann die Familie, sondern nur noch, je nach Umständen, trostloses Depot entweder für Arbeitskräfte oder für Verbraucher der erzeugten materiellen Güter.

Die "technische Lebensauffassung" ist also nichts anderes als eine besondere Form von Materialismus, insofern sie als letzte Antwort auf die Existenzfrage eine mathematische Formel, eine Formel der Nützlichkeitsberechnung bietet. Das ist der Grund dafür, dass die heutige technische Entwicklung, als sei sie sich bewusst, von Finsternissen umgeben zu sein, Ruhelosigkeit und Angst erzeugt, wie besonders diejenigen sie spüren, die sich in fieberhafter Suche nach immer umfassenderen, immer kühneren Systemen abmühen. Eine so geführte Welt kann von sich nicht sagen, sie sei von jenem Licht erleuchtet, von jenem Leben erfüllt, die das Wort, der Glanz der Herrlichkeit Gottes (Hebr 1,3), indem es Mensch wurde, den Menschen mitzuteilen kam.

Der Ernst der Stunde

Und nun bietet sich Unserem Blick, der ständig voll Sorge am Horizont nach Zeichen einer dauerhaften Aufklärung sucht (wenn schon nicht jenes vollen Lichts, von dem der Prophet gesprochen hat), stattdessen der graue Anblick eines unruhigen Europa, dessen grundlegende Probleme, die mit dem Frieden und der Ordnung der gesamten Welt aufs engste verbunden sind, jener Materialismus, von dem Wir gesprochen haben, nicht nur nicht löst, sondern geradezu auf die Spitze treibt.

Tatsächlich bedroht er diesen Kontinent nicht ernstlicher als die anderen Teile der Erde; Wir glauben vielmehr, dass gerade jene Völker, die spät und unvorbereitet vom schnellen Fortschritt der Technik erfasst werden, den angedeuteten Gefahren und zumal der Erschütterung ihres moralischen und psychischen Gleichgewichts besonders ausgesetzt sind, da die importierte Entwicklung, die nicht gleichmäßig abgelaufen ist, sondern sich sprunghaft in zusammenhanglosen Schüben abspielt, keine kräftigen Dämme des Widerstands, der Korrektur, der Anpassung weder in der Reife des Einzelnen noch in der kulturellen Tradition vorfindet.

Materialismus und Friedensfrage

Unsere schweren Besorgnisse angesichts Europas jedoch sind durch die unaufhörlichen Enttäuschungen begründet, in denen nun schon seit Jahren das aufrichtige Verlangen dieser Völker nach Frieden und Entspannung endet, und zwar eben auch wegen der materialistischen Fassung des Friedensproblems. Wir denken insbesondere an jene, die die Friedensfrage für eine Frage technischer Natur halten und das Leben der Einzelnen und der Nationen unter technisch-wirtschaftlichem Aspekt betrachten. Diese materialistische Lebensauffassung droht die Leitschnur der eifrigsten Friedensagenten und das Rezept ihrer pazifistischen Politik zu werden. Sie glauben, dass das Geheimnis der Lösung des Problems darin bestehe, allen Völkern materielle Wohlfahrt durch ständige Steigerung der Produktivität der Arbeit und des Lebensstandards zu sichern, so wie vor hundert Jahren eine andere ähnliche Formel das absolute Vertrauen der Staatsmänner genoss: Durch freien Handel ewiger Friede.

Aber kein Materialismus ist je ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Friedens gewesen, denn dieser ist vor allem eine geistige Haltung und erst in zweiter Linie ein harmonisches Gleichgewicht äußerer Kräfte. Es ist also ein prinzipieller Irrtum, den Frieden dem modernen Materialismus anzuvertrauen, der den Menschen an der Wurzel verdirbt und sein persönliches und geistiges Leben erstickt. Zu dem gleichen Misstrauen führt übrigens auch die Erfahrung, die auch heute noch beweist, dass das kostspielige Potential an technischen und wirtschaftlichen Kräften, wenn es mehr oder weniger gleichmäßig auf die beiden Parteien verteilt ist, gegenseitige Einschüchterung erzeugt. Daraus geht also nur ein Friede der Furcht hervor, nicht der Friede, der Sicherheit für die Zukunft bietet. Man muss es unermüdlich wiederholen und die im Volk, die sich nur zu leicht vom Trugbild eines Friedens betören lassen, der in einem Überfluss an materiellen Gütern besteht, davon überzeugen, dass der sichere und dauerhafte Friede vor allem ein Problem geistiger Einigkeit und sittlicher Haltung ist. Er verlangt, wenn keine neue Katastrophe die Menschheit treffen soll, dass man auf die trügerische Autonomie der materiellen Kräfte verzichtet, die sich in unserer Zeit kaum von den eigentlichen Kriegswaffen unterscheiden. Die gegenwärtige Lage der Dinge wird sich nicht bessern, wenn nicht alle Völker die gemeinsamen geistigen und sittlichen Ziele der Menschheit anerkennen, wenn sie sich nicht helfen, sie zu verwirklichen, und wenn sie sich folglich nicht miteinander verständigen, um sich der auflösenden Diskrepanz entgegenzustellen, die zwischen ihnen hinsichtlich des Lebensstandards und der Produktivität der Arbeit besteht.

Das vereinigte Europa

Alles das kann in Europa geschehen, ja es muss dringend geschehen durch das Zustandekommen jener kontinentalen Union seiner Völker, die sich zwar voneinander unterscheiden, aber geographisch und historisch miteinander verbunden sind. Eine gültige Ermutigung zu dieser Union besteht in dem offenkundigen Versagen der entgegengesetzten Politik und in der Tatsache, dass die Völker selber in ihren breitesten Schichten ihre Verwirklichung erhoffen, weil sie sie für notwendig und für praktisch möglich halten. Die Zeit scheint also reif dafür, dass die Idee Wirklichkeit wird. Darum ermahnen Wir vor allem die christlichen Politiker zur Tat, denen Wir nur in Erinnerung zu rufen brauchen, dass jede Art friedlicher Einigung der Völker immer ein Anliegen des Christentums gewesen ist. Warum noch zaudern? Das Ziel ist klar; die Bedürfnisse der Völker liegen offen vor aller Augen. Dem, der im voraus eine absolute Garantie für den glücklichen Ausgang haben wollte, müsste man antworten, dass es sich wohl um ein Wagnis, aber um ein notwendiges handle; um ein Wagnis, das jedoch den gegenwärtigen Möglichkeiten entspreche; um ein vernünftiges Wagnis. Gewiss muss man vorsichtig vorgehen, mit wohlberechneten Schritten voranschreiten; aber warum soll man gerade hier nun misstrauisch sein gegenüber der hohen Stufe, die die politische Wissenschaft und Praxis erreicht hat, die doch die Hindernisse genügend im Voraus zu erkennen und die Abhilfe bereitzuhalten vermag? Zum Handeln drängt vor allem die ernste Lage, in der Europa sich befindet: es gibt für es keine Sicherheit ohne Wagnis. Wer absolute Gewissheit verlangt, beweist keinen guten Willen gegenüber Europa.

Innerer Friede und Völkerfriede

Immer im Hinblick auf dieses Ziel ermahnen Wir die christlichen Politiker ebenso zum Handeln im Innern ihrer eigenen Länder. Wenn im inneren Leben der Völker keine Ordnung herrscht, ist es vergeblich, die Einigung Europas und die Sicherheit des Friedens für die Welt zu erwarten. In einer Zeit wie der unsern, in der die Irrtümer sich leicht in Katastrophen verwandeln, kann ein christlicher Politiker nicht - und heute weniger denn je - die inneren sozialen Spannungen steigern, indem er sie dramatisiert, indem er übersieht, was positiv ist, und die richtige Erkenntnis dessen, was vernünftigerweise möglich ist, verloren gehen lässt. Von ihm wird Zähigkeit in der Verwirklichung der christlichen Soziallehre verlangt, Zähigkeit und Vertrauen, mehr als sie die Gegner gegenüber ihren Irrtümern beweisen. Wenn sich die christliche Soziallehre seit mehr als hundert Jahren in der politischen Praxis vieler Völker - leider nicht aller - entfaltet und fruchtbar erwiesen hat, dürfen die, die zu spät gekommen sind, heute nicht klagen, dass das Christentum auf sozialem Gebiet eine Lücke lasse, die ihrer Meinung nach durch eine so genannte Revolution des christlichen Gewissens ausgefüllt werden müsse. Die Lücke besteht nicht im Christentum, sondern im Geist seiner Ankläger.

Autorität und Freiheit

Da dem so ist, dient der christliche Politiker nicht dem inneren und folglich auch nicht dem äußeren Frieden, wenn er die solide Grundlage der objektiven Erfahrung und der klaren Prinzipien verlässt und sich gleichsam zum charismatischen Verkünder einer neuen sozialen Erde macht, womit er nur die Verwirrung der schon unsicheren Geister noch verschlimmert. Dessen macht jeder sich schuldig, der glaubt, er könne Experimente mit der sozialen Ordnung anstellen, und zumal jeder, der nicht entschlossen ist, bei allen Gruppen der rechtmäßigen Autorität des Staates und der Beobachtung der gerechten Gesetze Geltung zu verchmaffen. Müssen Wir noch beweisen, dass die Schwäche der Autorität die Stärke eines Landes schwerer bedroht als alle anderen Schwierigkeiten und dass die Schwäche eines Landes eine Schwächung Europas nach sich zieht und den allgemeinen Frieden gefährdet?

Daher muss der irrigen Auffassung entgegengetreten werden, als ob die rechte Vormacht der Autorität und der Gesetze notwendigerweise der Tyrannei den Weg öffne. Wir selber haben vor einigen Jahren bei der gleichen Gelegenheit (24. Dez. 1944), als Wir von der Demokratie sprachen, festgestellt, dass in einem demokratischen Staat ebenso wie in jedem wohlgeordneten anderen Staat die Autorität eine echte und wirksame sein müsse. Zweifellos will die Demokratie das Ideal der Freiheit verwirklichen; aber ideal ist nur jene Freiheit, die sich von jeder Zügellosigkeit fern hält, jene Freiheit, die mit dem Bewusstsein des eigenen Rechts die Ehrfurcht vor der Freiheit, der Würde und dem Recht der andern verbindet und die sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl bewusst ist. Natürlich kann diese echte Demokratie nur in einer Atmosphäre der Ehrfurcht vor Gott und der Beobachtung seiner Gebote wie der christlichen Einigkeit und Brüderlichkeit leben und gedeihen.

Schluss

So wird, geliebte Söhne und Töchter, das Werk des Friedens, das den Menschen im Glanz der Nacht von Bethlehem verheißen worden ist, schließlich mit dem guten Willen jedes Einzelnen vollendet werden, aber es beginnt mit der Fülle der Wahrheit, die die Finsternisse der Geister in die Flucht schlägt. Wie bei der Schöpfung "am Anfang das Wort war" und nicht die Dinge, nicht ihre Gesetze, nicht ihre Macht und Fülle, so muss bei der Ausführung des geheimnisvollen Planes, den der Schöpfer der Menschheit anvertraut hat, am Anfang eben dieses Wort stehen, seine Wahrheit, seine Liebe und seine Gnade, und erst danach die Wissenschaft und die Technik. Diese Ordnung haben Wir euch darlegen wollen, und Wir ermahnen euch, sie wirksam zu schützen. Euch zur Seite steht die Geschichte, die, wie ihr wisst, eine gute Lehrmeisterin ist. Es scheint jedoch, dass gegenüber ihren Lehren die, die nicht auf sie hören und die darum dazu neigen, neue Abenteuer zu versuchen, zahlreicher sind als die anderen, die sie ihrem Wahnsinn opfern. Wir haben im Namen jener Opfer gesprochen, die noch um naher oder ferner Gräber willen weinen und schon wieder fürchten müssen, dass sich neue öffnen; die noch zwischen Trümmern hausen und schon wieder neue Zerstörungen nahen sehen; die noch auf Gefangene oder Verschleppte warten und schon um ihre eigene Freiheit bangen. Die Gefahr ist so groß, dass Wir an der Wiege des ewigen Friedensfürsten ernste Worte aussprechen mussten, selbst auf die Gefahr hin, die Angst noch zu vergrößern. Aber Wir dürfen doch darauf vertrauen, dass es mit Gottes Gnade eine heilsame und wirksame Angst sein wird, die zur Einigung der Völker führt und damit den Frieden stärkt.

Möge die Mutter Gottes und Mutter der Menschen, die Unbefleckte Jungfrau Maria, diese Unsere Sorgen und Wünsche hören, wenn sich vor ihren Altären in diesem Jahr in besonderer Weise die Völker der Erde niederwerfen, damit sie zwischen diese und den Thron Gottes ihre mütterliche Fürsprache einschalte.

Mit diesem Wunsch auf den Lippen und im Herzen erteilen Wir euch allen, geliebte Söhne und Töchter, euren Familien und vor allem den Niedrigen, Armen, Unterdrückten und um ihrer Treue zu Christus und seiner Kirche willen Verfolgten aus der überströmenden Fülle Unsres Herzens Unsern väterlichen Apostolischen Segen.