En mars 1966

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Arbeitsdokument
En mars 1966

Sekretariat für die Förderung der Einheit der Christen
unseres Heiligen Vaters
Paul VI.
Erwägungen und Hinweise zum Ökumenischen Dialog mit erläuternder Vorbemerkung

15. August 1970

(Quelle: Arbeitsdokument über den ökumenischen Dialog, Nachkonziliare Dokumentation Band 30, S. 46-95, Paulinus Verlag Trier 1971; Imprimatur N. 32/71 Treveris, die 5.8.1971 d.m. Vicarii Generalis Schaefer; ISBN 3-7902-4130-X; auch in: Kirchliche Dokumente nach dem Konzil, Nr. 13)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


ERLÄUTERNDE VORBEMERKUNG

Einführung in das Dokument über den ökumenischen Dialog

Im März 1966 hat Se. Eminenz Kardinal Augustin Bea, der Präsident des Sekretariates für die Einheit der Christen, die Bischofskonferenzen in einem Brief davon unterrichtet, dass das vom II. Vatikanischen Konzil geforderte Ökumenische Direktorium vom Sekretariat vorbereitet werde. Unter den Themen, die dazu möglicherweise behandelt werden sollten, wurde in diesem Brief auch der "Ökumenische Dialog" erwähnt. In ihren Antworten brachten die Bischöfe zu diesem sehr bedeutsamen Aspekt der gesamten Bewegung für die christliche Einheit eine Reihe von recht nützlichen Anregungen in Vorschlag.

Auf Grund dieser ersten Hinweise wurde im Februar 1967 vom Sekretariat eine Arbeitssitzung einberufen, zu der im ökumenischen Dialog erfahrene Fachleute aus verschiedenen Ländern eingeladen waren. Im April 1967 wurde das Ergebnis ihrer Beratungen der Vollversammlung der bischöflichen Mitglieder des Sekretariates vorgelegt, zum Zweck weiterer Bearbeitung, Vervollständigung und Revision des Textes.

Inzwischen war von der Gemischten Arbeitsgruppe der römisch-katholischen Kirche und des Ökumenischen Rates der Kirchen eine kleine überkonfessionelle Gruppe zum Studium der Frage des ökumenischen Dialogs und zur Vorbereitung eines Arbeitsdokumentes, über diesen Gegenstand gebildet worden. Bei diesem Dokument, das 1967 veröffentlicht wurde, ging es offensichtlich nicht um die Festlegung von Regeln für den Dialog. Sein Verdienst besteht jedoch darin, das Ergebnis eines gemeinsamen Bemühens zu sein, verfasst in einer nichtkonfessionellen, für alle Christen verständlichen Sprache. Es war seiner Intention nach eine Anregung zum persönlichen Nachdenken und eine Einladung zur Analyse, Diskussion und Kritik.

Bei ihrer Sitzung vom November 1968 kam die Vollversammlung des Sekretariates zu einer vollständigen Revision ihres ersten Entwurfs des Direktoriums über den ökumenischen Dialog. Für diese Diskussion fielen die Bemerkungen besonders ins Gewicht, die eine Reihe von Sachverständigen auf Befragen zu dem Entwurf gemacht hatten, wie auch die Reaktionen, die das unter der Verantwortlichkeit der Gemischten Arbeitsgruppe veröffentlichte Dokument ausgelöst hatte.

Im Anschluss an die gründliche Diskussion über das in Vorschlag gebrachte Dokument über den ökumenischen Dialog erhob sich die Frage, ob ein solches Dokument im eigentlichen Sinne ein Bestandteil des vom Sekretariat veröffentlichten Ökumenischen Direktoriums sein solle. Das Direktorium ist ein normativer Text, approbiert von höchster Stelle. Für manche Aufgaben, wie zum Beispiel die Ordnung und Organisation der ökumenischen Arbeit, das gemeinsame Gebet und die ökumenische Bildung, ist ein Dokument von diesem besonderen Rang durchaus entsprechend. In Anbetracht der großen Mannigfaltigkeit von Bedeutungen, die der Ausdruck "Ökumenischer Dialog" annehmen kann, je nach der verschiedenen Art der Teilnehmer an einem solchen Dialog, der Bedingungen für seine Durchführung und der Gegenstände, die dort behandelt werden können usw., ist es jedoch fraglich, ob der beste Weg zur Ermutigung, Entwicklung und Leitung dieser Art des Dialogs darin bestünde, dafür Normen festzulegen, wie sie in den beiden ersten Teilen des Direktoriums aufgestellt waren. Hier schien eher ein Arbeitsdokument angebracht zu sein, das ein qualifizierter und sicherer Führer sein und sein eigenes Gewicht haben könnte, ohne mit irgendeiner Autorität im juridischen Sinne des Wortes aufzutreten. Ein solches Dokument könnte im besonderen für die kirchlichen Behörden eine Hilfe sein, das Dekret über den Ökumenismus in einer Weise zur Anwendung zu bringen, die den konkreten Umständen und Möglichkeiten entspricht.

Deshalb haben die Kardinäle und Bischöfe, aus denen sich das Sekretariat zusammensetzt, auf der Vollversammlung vom November 1969 den Beschluss gefasst, dass das von dieser Versammlung approbierte Dokument nicht als Bestandteil des Ökumenischen Direktoriums veröffentlicht werden solle, sondern zugleich mit einer erläuternden Einführung von der Hand des den Vorsitz führenden Kardinals den Bischofskonferenzen übersandt werden solle. Diese Entschließung der Vollversammlung des Sekretariates ist vom Heiligen Vater nach gründlicher Überlegung approbiert worden.

Das hier vorliegende Dokument hat also keine Autorität im strengen juridischen Sinn. Seine Autorität beruht, wie es der Überschrift "Erwägungen und Hinweise zum ökumenischen Dialog" entspricht, einzig auf der Tatsache, dass es sich hier um das Ergebnis einer längeren Reflexion handelt, die auf verschiedenen Ebenen von im ökumenischen Dialog erfahrenen Persönlichkeiten angestellt wurde.

Das Dokument, das im Namen des Sekretariats für die Einheit zusammengestellt ist und sich an die Hirten der Römisch-Katholischen Kirche wendet, verdankt vieles eingehenden Gesprächen und einem weitgehenden Erfahrungsaustausch mit Gliedern anderer christlicher Kirchen und Kirchengemeinschaften. Es wurde von den Kardinälen und Bischöfen des Sekretariats sorgfältig durchgesehen und hat die Approbierung der Vollversammlung vom November 1969 erhalten.

Dieses Dokument wird hiermit den Bischofskonferenzen der Römisch-Katholischen Kirche vorgelegt. Im Licht verschiedener Konzilsdokumente und Stellungnahmen des Heiligen Vaters und gestützt auf die Erfahrung, die im Lauf der letzten Jahre sowohl innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche wie im Bereich der ständig wachsenden Beziehungen, die gegenwärtig alle Christen untereinander haben, gewonnen wurde, möchte es zu einem bedeutsamen modernen Phänomen (der Entwicklung des Dialogs in der modernen Welt, insbesondere unter Christen) einige Orientierungspunkte angeben. Es versucht pastorale Richtlinien zu geben, die in der Lehre fundiert sind. Dabei werden die Schwierigkeiten nicht übersehen, die bei den verschiedenen Arten des ökumenischen Dialogs und bei den für einen aufrichtigen Dialog, der in Liebe nach der Wahrheit sucht, erforderlichen Eigenschaften gegeben sind. Das Dokument stellt Empfehlungen zur Verfügung, die auf theoretischer Reflexion und auf praktischer Erfahrung beruhen. Es hofft damit allen Katholiken zu helfen, die ja entsprechend dem Konzil zur Arbeit an der Wiederherstellung der Einheit der Christen berufen sind (vgl. Dekret über den Ökumenismus, Nr. 5); nicht zuletzt hofft es damit den Bischöfen einen besonderen Dienst zu leisten, denen das H. Vatikanische Konzil empfohlen hat, diese Arbeit eifrig zu fördern und mit Klugheit zu leiten (vgl. ebda., Nr. 4).

Kardinal Johannes Willebrands

Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen

Am 15. August 1970


SEKRETARIAT FÜR DIE FÖRDERUNG DER EINHEIT DER CHRISTEN
ERWÄGUNGEN UND HINWEISE ZUM ÖKUMENISCHEN DIALOG

Arbeitspapier für die konkrete praktische Durchführung des Dekrets über den Ökumenismus, als Handreichung für die kirchlichen Behörden

I. Einleitung

In diesem Dokument wird nur der ökumenische Dialog behandelt, das heißt der Dialog zwischen den "Christen verschiedener Kirchen oder Gemeinschaften"<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, Nr. 4. </ref>. Die hier maßgebenden Prinzipien und die dabei behandelten Themen sind zum Teil verschieden von den Besonderheiten des Dialogs, den die Katholische Kirche führen will oder schon jetzt führt mit dem Judentum, mit den großen Religionen, mit den Nichtglaubenden und mit der Welt. Tatsächlich "ist vom Dialog, geführt einzig in der Liebe zur Wahrheit und unter Wahrung angemessener Diskretion, niemand ausgeschlossen".<ref>Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 92. </ref> Man kann diese verschiedenen Arten des Dialogs nicht voneinander trennen; so ist der hier behandelte Dialog nicht ohne Beziehung zu jenen Formen, die zu den Aufgaben des Sekretariats für die nichtchristlichen Religionen und des Sekretariats für die Nichtglaubenden gehören.

Der moderne Mensch ist, wenngleich bisweilen auch die gegenteilige Haltung zutage tritt, auf der Suche nach dem Dialog, der für ihn ein vorzügliches Mittel zur Herstellung oder zum Wachstum des Verstehens, der Wertschätzung, der Achtung und Liebe zwischen den Gruppen und den einzelnen bedeutet; darum ist er bestrebt, in allen Bereichen seines Lebens, in der Politik, im Sozialleben, in der Wirtschaft, bei der Erziehung und in der Religion, in immer weiterem Umfang zu einem Dialog zu kommen.

Dasselbe gilt für den Zeitpunkt, da sich Christen und Kirchen oder Kirchengemeinschaften dem ökumenischen Anliegen öffnen: Der Dialog ist für die Begegnung untereinander und für das Zeugnis sowohl auf der Ebene der Theorie wie der Tat ein unersetzliches Werkzeug. So ist es zur Bildung von interkonfessionellen Gruppen verschiedenster Zusammensetzung und verschiedenster Zielsetzung gekommen, und es erwies sich die Notwendigkeit, Strukturen des Dialogs auszubilden, wie ökumenische Kommissionen auf lokaler und regionaler Ebene, den Ökumenischen Rat der Kirchen und das Sekretariat für die Einheit der Christen.

Im Bewusstsein dieser Zusammenhänge hat das Zweite Vatikanische Konzil die Wichtigkeit des Dialogs zwischen der Katholischen Kirche und den anderen Kirchen und Kirchengemeinschaften betont.<ref>Vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4, 9, 11, 18-23; Gaudium et spes, Nr. 92; Dekret über die missionarische Tätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 15. </ref> Von dem Willen, der Wegweisung und den Anregungen des Konzils inspiriert, stellt sich das Sekretariat für die Einheit hier die Aufgabe, Wesen und Ziel des ökumenischen Dialogs darzulegen, seine Grundlagen und Bedingungen, seine Methode, seine Formen und Themen, um damit in der gegenwärtigen Situation einen Beitrag zu seiner Förderung und Fortentwicklung zu liefern.

Wenn die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit der Christen alle Glieder der Kirche angeht, die Gläubigen und die Hirten, einen jeden nach seiner besonderen Fähigkeit, ist es Sache der Bischöfe, den ökumenischen Dialog zu fördern und zu leiten.<ref>Vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4, 5, 9; Ad gentes, Nr. 15. </ref> Deshalb werden sie ihre Hirtensorge auch der Durchführung der deutlichen Wegweisung zuwenden, die das II. Vatikanische Konzil in seinem Dekret über den Ökumenismus für diesen Dialog vorgezeichnet hat.

Diese seelsorgliche Wachsamkeit sollte dem doppelten Aspekt der ökumenischen Aufgabe Rechnung tragen, wie sie der Sicht des Konzils entspricht. Denn wenn es gilt, dass ihre Verwirklichung geschehen muss "in Treue zur Wahrheit, die wir von den Aposteln und den Vätern empfangen haben, und in Übereinstimmung mit dem Glauben, den die Katholische Kirche immer bekannt hat, zugleich auch im Streben nach jener Fülle, die sein Leib nach dem Willen des Herrn im Ablauf der Zeit gewinnen soll",<ref>Unitatis redintegratio, Nr. 24. </ref> so wünscht das Konzil nichtsdestoweniger, dass "alles, was die Söhne der Katholischen Kirche ins Werk setzen, in Verbindung mit den Unternehmungen der getrennten Brüder fortschreitet, ohne dass den Wegen der Vorsehung ein Hindernis bereitet und ohne dass den künftigen Anregungen des Heiligen Geistes hemmend vorgegriffen würde".<ref>Ebda. </ref>

II. Wesen und Ziel des ökumenischen Dialogs

1. Allgemein genommen gibt es einen Dialog zwischen einzelnen oder Gruppen überall da, wo jeder Teilnehmer zugleich zuhört und Antwort gibt, zu verstehen und sich verständlich zu machen sucht, fragt und sich fragen lässt, sich selbst dem anderen ausliefert und den andern annimmt, um angesichts einer bestimmten Situation, einer Fragestellung oder einer Aufgabe gemeinsam zu einer engeren Gemeinschaft des Lebens, der Sicht und der Verwirklichung fortzuschreiten. Dabei ist jeder Gesprächsteilnehmer dazu bereit, seine Gedanken, sein Verhalten und seine Handlungsweise immer mehr zu klären und zu berichtigen, wenn es zutage tritt, dass die Wahrheit dies von ihm fordert. So sind Gegenseitigkeit (Reziprozität) und gemeinsames Engagement Wesensbestandteile des Dialogs.<ref>Vgl. Der Dialog mit den Nichtglaubenden, I, 1: AAS LX (1968), 695 f. </ref>

2. Alle diese Elemente sind auch für den ökumenischen Dialog gefordert; sie erhalten hier ihre spezifische Ausprägung durch das von ihm erstrebte Ziel. Dieses Ziel bringt vielerlei Aspekte mit sich:

a) Durch den Dialog sollen die Christen lernen, gemeinsam in der Teilnahme an der Wirklichkeit des Geheimnisses Christi und seiner Kirche Fortschritte zu machen; so wird es ihnen möglich, die Tendenzen der Annäherung (Konvergenz) zu erkennen, die in den verschiedenen Arten der Auffassung des offenbarten Geheimnisses und seiner Verwirklichung im Denken, Leben und Zeugnis vorhanden sind.

b) Durch den Dialog sollen die Christen lernen, gemeinsam für die Sendung Zeugnis zu geben, die Jesus Christus seiner Kirche anvertraut hat, und zwar so, dass alle "vor der ganzen Welt ihren Glauben bekennen an Gott, den Einen und Dreieinigen, und an den Mensch gewordenen Gottessohn, unsern Erlöser und Herrn",<ref>Unitatis redintegratio, Nr. 12. </ref> und dass so die Welt zum Glauben komme.

c) Weil alle Kirchen und Kirchengemeinschaften von der Welt vor die gleichen Fragen gestellt werden, sollten sie gemeinsam darauf hören und sie im Dialog verstehen lernen, und sie sollten gemeinsam, im wachen Vertrauen auf den Heiligen Geist, die Antwort suchen, die der Herr von ihnen erwartet, um der Welt zu dienen, besonders da, wo das Evangelium noch nicht verkündet ist.<ref>Vgl. Ad gentes, Nr. 15, § 3; Nr. 29 § 4. </ref>

d) Die christlichen Gemeinschaften sind großenteils im Bereich ihres inneren Lebens mit den gleichen Fragen konfrontiert, die sich jedoch bei ihnen auf je verschiedener Ebene stellen können, wie zum Beispiel die Frage nach der Stellung des Laien, nach dem Amt, der Liturgie, dem Religionsunterricht, der christlichen Familie usw. Ruft nicht der Heilige Geist die Christen dazu auf, diese Fragen nun auch gemeinsam zu lösen?

So wird es deutlich, dass der ökumenische Dialog nicht auf einen akademischen oder rein begrifflichen Bereich eingeschränkt ist. Indem er eine vollkommenere Einheit (communion) unter den christlichen Gemeinschaften, einen gemeinsamen Dienst am Evangelium, eine umfassendere Zusammenarbeit im Bereich des Gedankens und der Aktion verfolgt, wirkt er mit an der Umgestaltung der Mentalität, des Verhaltens und des täglichen Lebens dieser Gemeinschaften. Hierdurch dient er der Vorbereitung ihrer Einheit im Bekenntnis des Glaubens im Schoß einer einen, sichtbaren Kirche, und so könnten sich "nach einer allmählichen Überwindung der Hindernisse, die sich der völligen kirchlichen Gemeinschaft entgegenstellen, alle Christen zusammenfinden zur selben Eucharistiefeier, zur Einheit der einen und einzigen Kirche, die Christus seiner Kirche von Anfang an geschenkt hat, eine Einheit, die, wie wir glauben, unverlierbar in der Katholischen Kirche verwirklicht ist und die, wie wir hoffen, immer mehr wachsen wird bis zur Vollendung der Zeiten".<ref>Unitatis redintegratio, Nr. 4. </ref>

Gewiss genügt der Dialog, für sich allein genommen, noch nicht zur Verwirklichung der Fülle der Einheit, die Christus gewollt hat; jedenfalls aber bleibt sie das letzte Ziel der Gedanken und Bestrebungen der Gesprächspartner, die sich dazu bereiten, sie als das große Geschenk zu empfangen, das Gott allein gewähren wird, in der Weise und zu dem Zeitpunkt, wie und wann er will.<ref>Vgl. Arbeitsdokument über den ökumenischen Dialog, erstellt durch die Gemischte Arbeitsgruppe zwischen der Katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen, Nr. 1: englischer Text im Informationsdienst des Sekretariats für die Einheit der Christen, 1967, Nr. 3. </ref>

III. Grundlagen des Dialogs

Der ökumenische Dialog hat seine Wurzeln in einer Anzahl von lehrmäßigen und pastoralen Gegebenheiten.

1. Da "alle, die an Christus glauben, Jünger Christi (sind), die in der Taufe wieder geboren sind und an sehr vielen Gütern des Gottesvolkes teilhaben",<ref>Ad gentes, Nr. 15. </ref> und da alle Getauften zu diesen Gütern wie "das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe sowie auch andere innere Gaben des Heiligen Geistes und andere sichtbare Elemente"<ref> Unitatis redintegratio, Nr. 3. </ref> Zutritt haben, sind die Christen in der Lage, die Reichtümer, die der Heilige Geist in ihnen reifen lässt, einander mitzuteilen. Diese Gemeinschaft geistlicher Güter ist die erste Grundlage, auf der der ökumenische Dialog beruht.

2. Nun vollzieht sich aber das Leben der Christen aus diesen geistlichen Gütern innerhalb ihrer Kirchen und Kirchengemeinschaften; die von der Katholischen Kirche getrennten Kirchen und Gemeinschaften "sind nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles ... " "Zahlreiche liturgische Handlungen", die von ihnen vollzogen werden, müssen "als geeignete Mittel für den Zutritt zur Gemeinschaft des Heiles angesehen werden".<ref>Ebda. </ref> So gibt es zwischen ihnen und der Katholischen Kirche schon eine gewisse Gemeinschaft, die den Ausgangspunkt für die Aufnahme des Dialogs bilden muss: dieser Dialog zielt ja auf eine vollkommenere Teilhabe jeder Kirche und Kirchengemeinschaft am Geheimnis Christi und seiner Kirche selbst,<ref>Vgl. ebda., Nr. 4. </ref> das die Grundlage der zwischen ihnen bestehenden Gemeinschaft ist.

3. "Unser gemeinsamer Bezugspunkt ist die Offenbarung, wie sie im Zeugnis der Heiligen Schrift zum Ausdruck kommt ... Dieses Zeugnis hat seine Mitte in Jesus Christus und seine Bedeutung in der Beziehung zu ihm."<ref>Arbeitsdokument über den ökumenischen Dialog (s. Anm. 11). </ref> In der Tat zielt das Wirken des Heiligen Geistes immer auf die Hinführung des christlichen Volkes zum Leben aus der Offenbarung und zu ihrem besseren Verständnis und damit zur Erfüllung seiner prophetischen Aufgabe. Somit gibt der ökumenische Dialog jedem die Möglichkeit, seinen Brüdern die Reichtümer Christi mitzuteilen, aus denen er selber lebt, sowie jene zu empfangen, aus denen die andern leben.

4. Da "jede Erneuerung der Kirche wesentlich im Wachstum der Treue gegenüber der eigenen Berufung besteht, ist ohne Zweifel hierin der eigentliche Sinn der Bewegung in Richtung auf die Einheit zu sehen".<ref>Unitatis redintegratio, Nr. 6. </ref> In gleicher Weise werden alle Gemeinschaften bei ihrem Streben nach ihrer eigenen Erneuerung folgerichtig dazu geführt, miteinander zu einem Dialog zu kommen, um sich gegenseitig über "ihre Treue gegenüber dem Willen Christi" zu befragen.<ref>Ebda., Nr. 4. </ref>

IV. Bedingungen des Dialogs

1. Notwendige Voraussetzung für die Aufnahme eines Dialogs ist in jedem Fall bei den dafür in Frage kommenden Partnern eine Haltung der Sympathie und der Bereitschaft, die aus mehr oder weniger spontanen Kontakten und Begegnungen mitten im Alltag gewachsen ist. Zumeist kommt es in einem solchen Kontext menschlicher Beziehungen, die sehr verschiedener Art sein können, zur Entstehung und Ausgestaltung des Dialogs in allen seinen Formen.

2. Der ökumenische Dialog soll von den Partnern "auf der Ebene der Gleichheit" geführt werden.<ref>Ebda., Nr. 9. </ref> Was oben von Wesen und Ziel und von den Grundlagen dieses Dialogs sowie besonders von der Gegenseitigkeit und dem gemeinsamen Engagement gesagt wurde, dient zur Begründung dieser Haltung der Gleichheit.

a) Zum ökumenischen Dialog gehört auf Seiten der Gesprächspartner die loyale Anerkennung der Ungleichheit, die auf Grund der vorhandenen Divergenzen zwischen den verschiedenen christlichen Gemeinschaften besteht. Dies hat zur Folge, dass sie sich auf der einen Seite von jenem Indifferentismus in der Lehre fern halten, der alle Auffassungen vom Geheimnis Christi und der Kirche für gleichgewichtig erklärt; auf der anderen Seite werden sie sich jeden Urteils über den Willen der Partner zur Treue gegenüber dem Evangelium enthalten. Dabei wird der katholische Gesprächsteilnehmer, der glaubt, dass der Herr der Katholischen Kirche die Fülle der Mittel des Heils sowie die ganze von Gott offenbarte Wahrheit anvertraut hat, von diesem Glauben Rechenschaft zu geben bereit sein.<ref>Vgl. ebda., Nr. 3, 4, 11. </ref>

b) Zum ökumenischen Dialog gehört die gegenseitige Anerkennung der Wirklichkeit, dass die Teilnehmer Christus einverleibt sind, weil sie in ihm getauft sind, "wieder geboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes" (1 Petr 1, 23), und befähigt durch den Heiligen Geist, zu hören, wie ihre Brüder ihnen die Großtaten Gottes verkünden.

Zu diesem Dialog gehört ferner die beiderseitige gemeinsame Erkenntnis, dass schon eine gewisse Gemeinschaft zwischen den christlichen Gemeinschaften besteht; indes halten sich die Gesprächspartner nicht für befugt, voreinander zu verbergen, dass es sowohl im Inhalt wie in der Entwicklung und in der Ausdrucksform des Glaubens der Kirchen bestimmte Unterschiede gibt, die Gegenstand ihres Dialogs werden sollen, stets im Hinblick auf eine vollkommenere Gemeinschaft.

Jeder Gesprächsteilnehmer soll den andern das Evangelium Christi bezeugen, so wie es dem Willen seiner Kirche entspricht, und zwar in einer Formulierung, die sie wirklich verstehen können, und so, dass das Zeugnis ganz authentisch ist; ebenso soll er nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit auch das Zeugnis der andern hören.

In brüderlichem Wetteifer werden die Partner begreifen, dass Gott sie zu einer immer tiefer gegründeten Treue zu ihm und zu seiner Offenbarung ruft.

c) In der Praxis erfordert die Gleichheit unter den Teilnehmern am Dialog bei ihnen ein ausgewogenes Verhältnis ihres menschlichen und religiösen Bildungsgrades und ihrer Verantwortlichkeit.

3. Damit der Dialog authentisch und fruchtbar sei, ist bei denen, die ihn leiten, ja eigentlich bei allen Teilnehmern, eine wirkliche Kompetenz erforderlich. Der Grad dieser Kompetenz kann verschieden sein, je nach Form und Thema des Dialogs, immer vorausgesetzt, dass eine religiöse Bildung vorhanden ist, wie sie für jeden Dialog verlangt wird, der die Einheit der Christen zum Ziel hat. So würde die Kompetenz auf theologischem Gebiet für sich allein nicht genügen; jede Art der praktischen Befähigung, sowohl im Beruf oder in einem Fach wie auch Erfahrung im Apostolat oder im geistlichen Leben, fällt hier ins Gewicht, je nach den Umständen.

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit seien hier die folgenden Erwägungen über die Bildung zum ökumenischen Dialog vorgelegt.

a) Obgleich nicht alle katholischen Teilnehmer notwendig in gleicher Weise für einen solchen Dialog vorbereitet sein müssen, ist es doch äußerst wichtig und angemessen, dass einige von ihnen, Priester oder Laien, für diese Aufgabe genügend ausgebildet sind. Hierzu können unter anderem Tagungen und Werkwochen für ökumenische Bildung, Handreichungen für das Studium, Briefkurse, ökumenische Zentren und Lehrstühle für Ökumenismus an Theologischen Fakultäten wirksam von Nutzen sein. Mit ihrer Hilfe und auch auf anderen Wegen sollte man sich darum bemühen, die Kunst des Dialogs zu lernen sowie Einblicke in das Denken der anderen und Erfahrungen in ihrem geistlichen Leben zu gewinnen.<ref>Vgl. ebda., Nr. 9. </ref>

Im Rahmen dieser Ausbildung wäre es gut, wenn die katholischen Teilnehmer an ökumenischen Begegnungen den Dialog, den sie sich zur Aufgabe gestellt haben, gemeinsam durchdenken, entweder vorher, um sich darauf vorzubereiten, oder nachher, um zu prüfen, wie er verlaufen ist.

b) Aus der Tatsache, dass "die Kirche schon immer in der Heiligen Schrift zusammen mit der Heiligen Überlieferung die höchste Richtschnur ihres Glaubens gesehen hat", folgt, dass "jede kirchliche Verkündigung wie die christliche Religion selbst sich von der Heiligen Schrift nähren und von ihr geleitet sein muss".<ref>Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung: Dei verbum, Nr. 21. </ref> Deshalb ist dafür Sorge zu tragen, dass die Bildung, die Theologie und die Spiritualität, die man erstrebt, von der Bibel inspiriert sind. Es darf nicht außer acht gelassen werden, dass "die Heilige Schrift gerade beim Dialog ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes ist".<ref>Unitatis redintegratio, Nr. 21. </ref>

c) Die Situation des modernen Lebens bringt es mit sich, dass die Gelegenheiten zur Begegnung unter Christen sich vervielfachen. So ist es notwendig, dass die Gläubigen und ihre Hirten ihre Verantwortung in diesem Bereich ernst nehmen und sich um Information und um eine theologische und geistliche Bildung bemühen, die diesem Anruf entspricht.

4. Im folgenden soll über die Art und Weise der Darlegung der Lehre einiges gesagt werden.

a) Auf der einen Seite zielt der Dialog auf eine genauere Kenntnis unserer Brüder,<ref>Vgl. ebda., Nr. 9. </ref> und diese werden im allgemeinen in der Lage sein, uns den Weg dazu zu öffnen. Anderseits muss sich der katholische Gesprächspartner mit Sorgfalt über den Inhalt des Glaubens seiner Kirche informieren, ohne etwas hinzuzufügen oder Abstriche davon zu machen, in dem Bewusstsein, dass eine ökumenische Begegnung niemals nur eine individuelle Angelegenheit ist, sondern zugleich eine Aufgabe der Kirche, die jeder Sondermeinung ihren Stellenwert zuweist.

b) Es sei darauf hingewiesen, dass es "eine Rangordnung oder ,Hierarchie' der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens".<ref>Ebda., Nr. 11. </ref> Im Leben wie auch in der Lehre einer jeden Kirche erscheint nicht alles auf der gleichen Ebene; gewiss fordern alle offenbarten Wahrheiten dieselbe Glaubenszustimmung; aber gemäß ihrer mehr oder weniger großen Nähe zum Fundament des offenbarten Geheimnisses stehen sie in einem jeweils verschiedenen Verhältnis zueinander, und ihre Beziehungen miteinander sind verschieden. Zum Beispiel setzt das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das nicht von der Erklärung des Konzils von Ephesus über Maria, die Mutter Gottes, isoliert werden darf, um recht erkannt und in authentischem Glauben gelebt zu werden, das Dogma von der Gnade voraus, mit dem es zusammengehört und das seinerseits notwendig auf der Lehre von der erlösenden Fleischwerdung des Wortes beruht.

c) Gerade im gemeinsamen Rückgriff auf das Geheimnis Christi stößt man auf die Schwierigkeit, eine gemeinsame christliche Sprache zu sprechen. Sprache bedeutet hier nicht nur den Wortschatz, sondern die gesamte Mentalität, den Geist einer Kultur, das philosophische Rüstzeug, die Tradition und den Lebensstil.

Wenn jeder seine eigene konfessionell bestimmte Sprache spricht, können mit denselben Worten in verschiedenen Kirchen sehr verschiedene Wirklichkeiten gemeint sein, während umgekehrt verschiedene Wörter öfters Ausdruck für dieselbe Wirklichkeit sein können. Wenn es darum geht, eine wirkliche, vollkommene Verständigung herauszustellen, das Risiko des Missverstehens auszuschließen und nicht, ohne es zu wollen, auf parallellaufenden Wegen aneinander vorbeizugehen, ist es unbedingt notwendig, dass die Gesprächsteilnehmer ihre Redeweise einer Hermeneutik unterstellen, im Sinne eines kritischen Studiums; das gilt selbst für den Fall, dass sie im Geist der Heiligen Schrift gebildet sind und in einer von ihr inspirierten Sprache sprechen.

5. Wenn Katholiken sich den Geist des echten Dialogs zu eigen machen und sich auf die Führung eines Dialogs mit ihren christlichen Brüdern vorbereiten wollen, so dürfen sie die legitime Verschiedenheit inmitten der Einheit der Kirche nicht aus dem Auge verlieren. So möchten sie besorgt sein um die Pflege "gegenseitiger Achtung, Ehrfurcht und Eintracht bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint, als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem aber die Liebe".<ref>Gaudium et spes, Nr. 92; vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4. </ref>

Wenn so die Vorbereitung des ökumenischen Dialogs bei allen Christen innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften geschieht, so kann diesen selbst die Frucht aus dem interkonfessionellen Dialog wieder zugute kommen. Es ist von großer Bedeutung, dass sich alle Teilnehmer als die Stimme betrachten, die ihrer eigenen Gemeinschaft die Worte vermitteln soll, die sie in diesem Dialog für jene empfangen haben.

6. Der Katholik sollte darum besorgt sein, sich über sein Verhalten beim ökumenischen Dialog Rechenschaft zu geben; besonders wird er dabei darauf sehen, wie er bei der Gesprächsführung die Anleitungen und Direktiven beachtet, die von den Hirten der Kirche gegeben sind, sowohl zur ökumenischen Aufgabe in ihrer Gesamtheit wie auch zum Dialog im besonderen. Zumeist wird er durch die Landes- oder die Diözesankommission für ökumenische Fragen davon unterrichtet werden.

Der ökumenische Dialog fordert eine sehr wachsame Treue zum Leben und zum Glauben seiner Kirche; so muss ein Katholik auch aus diesem Grunde bemüht sein, an den authentischen Neuerungen teilzunehmen, die sich in der Katholischen Kirche herausbilden, und er wird in ihnen "ein Unterpfand und eine gute Vorbedeutung sehen, die den künftigen Fortschritt des Ökumenismus schon verheißungsvoll ankündigen".<ref> Ebda., Nr. 6. </ref>

Sein lebendiges Engagement in diesem Dialog verlangt notwendig den entschiedenen Verzicht nicht nur auf jeden Erfolg eines persönlichen Vorteils, sondern auch auf jede Art des konfessionellen Triumphes oder auch nur den Anschein eines solchen. Hierfür ist ein geistliches Klima erforderlich, das den Gesprächsteilnehmer im Herzen und im Geist dazu disponiert, sich ständig in Christus dem Hinhören auf Gott und auf die Anregungen des Heiligen Geistes zu öffnen; wesentlich ist dabei die Reinheit der Absicht, das Streben nach Heiligkeit, die Haltung der Demut und der Buße und besonders das Gebet.

In einer solchen Atmosphäre wird sich ein "Klima aktiver Geduld" herausbilden, "die mit dem Sinn dafür, dass Zeit benötigt wird, damit Ideen heranreifen und Fortschritte gemacht werden können, ein waches Gefühl für die Dringlichkeit des Dialogs und sein Wirksamwerden verbindet", und es wird "das Vertrauen auf die Möglichkeit der Überwindung der Uneinigkeit" gestärkt.<ref>Arbeitsdokument über den ökumenischen Dialog, Nr. 6, b (s. o. Anm. 11). </ref>

V. Die Methode des Dialogs

1. Allgemeines. Zur Methode des Dialogs gehören in jedem Fall, auch wenn es sich nicht um ökumenische Probleme handelt, mehrere Elemente, die entweder miteinander verflochten oder aneinandergereiht auftreten:

a) der Gedankenaustausch: Jeder Teilnehmer legt seinen eigenen Gesichtspunkt vom Gegenstand der Begegnung dar. Bei diesem Austausch gibt es den Aspekt der Information, der bei den Partnern eine bestimmte Kompetenz und den Wunsch, voneinander zu lernen, erfordert, sowie den Aspekt des Zeugnisses, wenn entsprechend der Art der berichteten Tatsachen oder Ideen bei den Sprechern eine religiöse Haltung des Glaubens und der Frömmigkeit ins Spiel kommt. Auf beiden Seiten ist bei diesem Gedankenaustausch eine Entscheidung zum Freimut in der Darlegung der Wahrheit und zur Aufnahmebereitschaft im Hören der Wahrheit unerlässlich;

b) der Gedankenvergleich: Die Gesprächsteilnehmer sind bestrebt, bei den vorgelegten Gedanken die Punkte der Abweichung, der Ähnlichkeit und der Konvergenz ans Licht zu bringen. Hierzu gehört jene Offenheit und Sympathie für Menschen und Ideen, ohne die man die Position eines anderen nicht verstehen kann;

c) das Streben, durch Reflexion und Diskussion zu gemeinsamen Stellungnahmen zu kommen - ein Ziel, das einem jeden Dialog, auch dem einfachsten, immer gestellt ist;

d) die Herausstellung von neuen Aspekten, die bislang verborgen waren. In der Tat geschieht es im Fortgang des Dialogs, dass die jeweils erreichte gemeinsame Position Ausgangspunkt für neue Untersuchungen und neues Fortschreiten wird.

2. Eine genauere Präzision in Hinsicht auf den ökumenischen Dialog lenkt das Augenmerk auf die folgenden Punkte:

a) Ausgehend von seiner Einsicht in das offenbarte Mysterium soll jeder Teilnehmer danach trachten, alles, was ihm bei den anderen echt und wertvoll zu sein scheint, aufzudecken, recht einzuschätzen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Hier kann sich ein weites Feld eröffnen. Wollte man versuchen, hier eine Liste aufzustellen, so könnten die folgenden Hinweise dienlich sein:

aa) Wahrheiten, die schon Bestandteil eines gemeinsamen Bekenntnisses sind;

bb) Wahrheiten, die in einer gegebenen Gemeinschaft infolge von Spaltungen und zeitgeschichtlichen Umständen in den Hintergrund getreten sind und die vielleicht in einer bestimmten anderen Gemeinschaft besser bewahrt und bisweilen besser entwickelt worden sind;

cc) Richtige religiöse Einsichten und wertvolle theologische Intentionen, die es auch noch mitten im Bereich von Divergenzen geben kann, eigentümliche Kultformen, eine besondere Akzentuierung mancher Aspekte des christlichen Lebens und so weiter.

b) Jeder Teilnehmer sollte danach trachten, die Lehre seiner Gemeinschaft in einer konstruktiven Weise darzulegen, unter Aufgabe jeder Tendenz, eine Gegenposition aufzurichten, was im allgemeinen zu einem unzulässigen Hochspielen und zu einer Verhärtung bestimmter Positionen führt. Damit wird ein Läuterungsprozess eingeleitet; nur um diesen Preis können die Verzerrungen, an denen unsere Theologie auf beiden Seiten leidet, korrigiert werden.

c) Die Gesprächspartner sollen bestrebt sein, eine konstruktive Synthese zu erarbeiten, alles, was jeder von ihnen in legitimer Weise in den Dialog einbringt, soll für ein gemeinsames Forschen, das sich das Offenbarungsgut in seiner Fülle zu eigen zu machen sucht, fruchtbar gemacht werden. Zu dieser Forschung gehört das Bemühen um die Rückkehr zu den Quellen im Rückgriff auf die Ursprünge des Christentums in der Zeit vor dem Auftreten der Uneinigkeit sowie das Bemühen um Freilegung, in der Erwartung, dass die Zukunft die Auflösung der Divergenzen jenseits der historisch gewordenen Verschiedenheiten bringen wird.

d) Im Verlauf des ökumenischen Dialogs wird dieser den Partnern mehr und mehr neue Perspektiven eröffnen, er führt sie zu einer immer mehr vertieften Forschung, wobei jeweils die schon erreichte und allgemein anerkannte Einigung als Ausgangspunkt dient, und hilft ihnen, sich die Überprüfung und die Korrekturen. des Verhaltens und des Denkens bewusst zu machen, die notwendig erscheinen könnten. "Suchen, um zu finden, und finden, um weiter zu suchen": Dieser Satz des heiligen Augustinus<ref>De Trinitate, XV, II, 2: P. L. 42, 1057: "Et quaeritur ut inveniatur dulcius et invenitur ut quaeratur avidius." </ref> wird ihnen in seiner Bedeutung aufgehen. So werden sie "in diesem brüderlichen Wettbewerb", der durch den Dialog hervorgerufen wird, "zur tieferen Erkenntnis und deutlicheren Darstellung der unermesslichen Reichtümer Christi" geführt werden.<ref> Unitatis redintegratio, Nr. 11. </ref>

VI. Themen des Dialogs

1. Als Themen des ökumenischen Dialogs kommen in Betracht der Glaubensinhalt, theologische Fragen, Gegenstände, die einen Bezug zum liturgischen und geistlichen Leben, zur Geschichte oder zur Religionspsychologie haben, überhaupt alles, was mit der Gegenwart, dem Zeugnis und der Sendung der Christen in der Welt zu tun hat.

2. Die Auswahl der Themen geschieht durch die Gesprächsteilnehmer auf Grund der örtlichen Situation, der Zuständigkeit der einzelnen, die hier faktisch zum Einsatz kommt, der Qualifizierung der Teilnehmer und ihres Engagements in der Welt; dabei sind auch ihre konfessionelle Zugehörigkeit zu berücksichtigen sowie die echten Problemstellungen, die nach Ländern und Regionen, nach ihrem historischen, ökonomischen und soziologischen Kontext usw. verschieden sind. Wenn der Dialog überhaupt in Hinsicht auf das christliche Volk Bedeutung und Wirksamkeit haben soll, dann muss hier neben dem Theologen auch der Soziologe, der Religionspsychologe, der Anthropologe, der Historiker - und erst recht der Seelsorger zum Zuge kommen.

3. Da der Dialog nicht Selbstzweck ist, müssen sich Gruppen, die noch wenig Erfahrung gesammelt haben, davor hüten, Gegenstände auszuwählen, die zu fachlich ("technisch") sind. Am Beginn des Dialogs soll der legitime Wunsch stehen, eine Situation gemeinsam (wechselseitig) kennenzulernen. Niemals handelt es sich um eine rein akademische Diskussion; für solche Themen müsste man sich an Sachverständige wenden, um die notwendige Information zu erhalten. Wenn jedoch die Themen für eine Gruppe, die nicht dafür vorbereitet ist, zu viel Spezialkenntnisse voraussetzten oder wenn man dafür ständig auf Fachleute zurückgriffe, müsste man damit rechnen, dass der Dialog zum Stillstand käme, weil die Teilnehmer nicht mehr die Möglichkeit fänden, zu einer Aussprache miteinander zu kommen.

4. Bei der Auswahl der Themen und der Art ihrer Durchführung ist es an erster Stelle geboten, sich vom Leben selber leiten zu lassen. Dabei wird man einige Themen, die im Dekret über den Ökumenismus vorgeschlagen wurden, besonders in Betracht ziehen: zum Beispiel das Studium der Heiligen Schrift, das sakramentale und liturgische Leben, besonders aus Anlass eines gemeinsamen Gebetsgottesdienstes oder in Verbindung mit dem Besuch einer liturgischen Feier der anderen Kirchen.<ref>Vgl. ebda., 3. Kap.; Ökumenisches Direktorium, I. Teil, 50 und 59: AAS, LIX (1967), 589 und 591. </ref>

Man wird sich auch solchen Themen zuwenden, die in anderen Dokumenten des Konzils und des Ökumenischen Rates der Kirchen behandelt werden: die Offenbarung, die Kirche, die Missionen, die Kirche in der Welt usw. oder auch Themen, die einen Bezug auf vom modernen Leben gestellte Fragen haben: Das Problem des Friedens, der Übervölkerung, der Geburtenhäufigkeit usw., oder auf Fragen, die durch bestimmte Strömungen des zeitgenössischen Denkens aufgeworfen werden: die Philosophie vom "Tod Gottes", der Marxismus, die Begegnung mit nichtchristlichen Religionen, das Phänomen der Säkularisierung usw. In jedem Fall sollen die Themen im Licht des Evangeliums behandelt werden, und zugleich mit all ihren Bezügen zum aktuellen Leben der Christen und mit Rücksicht auf die Aufgaben, die sich von da aus stellen.

5. Die Fragen, die in den Krisenzeiten des 11. und 16. Jahrhunderts entstanden sind, werden heute in manchen Ländern nicht mehr in derselben Weise zum Problem wie damals. Diese Fragen sollen ohne Übergehung ihrer historischen Ursprünge stets mit Rücksicht auf die Art, wie sie sich hier und heute stellen, im Dialog behandelt werden. Gerade dann, wenn der Dialog sich einem bedeutsamen Gegenstand des Glaubens zuwendet, wird es fruchtbar sein, von dem kirchlichen Zeugnis der Teilnehmer auszugehen, um eine bessere Sicht davon zu gewinnen, wie dieser Glaube heute von ihnen und von ihren Gemeinschaften gelebt wird.

6. Trotzdem hat der Dialog, soweit es sich hier um .eine menschliche Bemühung handelt, seine Grenzen. Bestimmte Unterschiede unter den Kirchen beruhen auf Gegebenheiten historischer, psychologischer oder soziologischer Art; und gerade daher kommt das Empfinden, dass sie noch nicht aufzulösen sind. Andere, tieferliegende Schwierigkeiten sind abhängig von der Weise, wie man seinen eigenen Glauben versteht und lebt. Hier scheint der Dialog machtlos zu sein. Die Gesprächsteilnehmer begreifen, dass Gott sie nun aufruft, sich im Gebet an ihn zu wenden, und sie lehrt, ihr Vertrauen allein in die Macht des Heiligen Geistes zu setzen.

VII. Formen des Dialogs

1. Die Dialogform, die spontan aus der Begegnung der Christen miteinander entsteht, ist die häufigste unter den Arten des Dialogs. Hier ist der Ort, wo der Wunsch nach einer tieferen Kenntnis der anderen Gestalt gewinnt und wo sich die Kontakte entwickeln, die weitere, mehr organisierte Begegnungen ermöglichen. Diese Kontakte, die einfachhin zum Stil des heutigen Lebens gehören, lassen sich nicht regulieren. Aber man soll den Christen dazu helfen, sie zur Gelegenheit zu machen, die Situation, die Probleme und die Lehre auf beiden Seiten besser kennenzulernen.

2. Im Besonderen gibt es den spontanen, nicht strukturierten Dialog in vielen Zentren der Bildung und des Studiums. Dieser Dialog ist für die Teilnehmer ein Mittel der Bildung zur besseren Kenntnis und zum genaueren Verständnis der Meinungen und Überzeugungen anderer, ein Weg zum besseren Begreifen ihres Lebensstils und zum Vergleich der verschiedenen Wahlmöglichkeiten, vor die der Mensch gestellt ist. So ist es angemessen, die jungen Katholiken, die man ja dabei nicht ohne Hilfe lassen wird, zu ermutigen, an solchen Begegnungen teilzunehmen, um ihr Leben im Kontakt mit dem anderen zu bereichern und ihr Zeugnis dabei einzubringen.

3. Unter den Laien werden sich auch Gruppen bilden, die im Licht des christlichen Glaubens die Fragen besprechen, die durch das Leben ihres Faches und ihres Berufes aufgeworfen werden: Probleme des Rechts, der Medizin, der Politik, der Wirtschaft, der Technologie, der naturwissenschaftlichen Forschung, der Sozialwissenschaft wie auch gewerkschaftliche Fragen usw. Die Initiative zu solchen Begegnungen gehört in den Bereich der Eigenverantwortlichkeit der Laien. Bei Fragen, die die Kompetenz der nichtspezialisierten Teilnehmer übersteigen, werden sie sich bereitwillig an Fachleute wenden.

4. Bei diesen verschiedenen Gruppen werden unter Christen, die aktuellen Problemen aufgeschlossen sind, häufig diese Fragen zum Gegenstand des Gesprächs, in verschiedener Weise, je nach dem Land, dem Zeitpunkt des Dialogs oder dem Beruf der Teilnehmer, zum Beispiel der Friede, die soziale Gerechtigkeit, der Hunger in der Welt, die Probleme der Entwicklungsländer, die Städteplanung, die Schwierigkeiten der jungen Familien usw. Wenn sie dabei dem Geist des Evangeliums geöffnet sind, werden sie ganz natürlich dahin geführt, die gemeinsame Forschung im Hinblick auf eine gemeinsame Aktion in der Welt und für die Welt durchzuführen; und gerade hier finden sowohl die Christen wie auch die christlichen Gemeinschaften Gelegenheit, gemeinsam Zeugnis zu geben.

5. Auf Grund solcher Begegnungen kann der legitime Wunsch, die anderen Christen in ihrem Glauben, in ihrem kirchlichen und liturgischen Leben besser kennenzulernen, manche von ihnen dazu führen, Gruppen zu bilden, die mehr im eigentlichen Sinne ökumenisch sind, oder an schon bestehenden Gruppen dieser Art teilzunehmen. Es ist wünschenswert, dass diese Gruppen aus persönlichen, freundschaftlichen und brüderlichen Kontakten zwischen Christen verschiedener Gemeinschaften entstehen. Dabei werden die Katholiken dafür Sorge tragen, ihren Glauben zu vertiefen und in der Gemeinschaft des Denkens und Wollens mit ihrer Kirche zu bleiben. Man wird dabei im Auge behalten, dass der Heilige Geist unter den Gläubigen Charismen erwecken kann, durch die er für das Wohl der Kirche und der Welt wirksam werden will. Organisation und Leitung solcher Zusammenkünfte können Laien anvertraut werden - nur müssten diese höheren Anforderungen einer einschlägigen Bildung genügen; gegebenenfalls sollten sie den Rat von Theologen einholen.

6. Bei bekenntnisverschiedenen Ehen kann der ökumenische Dialog durchaus am Platz sein, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Seelsorgern der betreffenden Gemeinschaften. Ein solcher Dialog kann zur Stärkung des religiösen Lebens der Eheleute dienen und zugleich ein Beispiel ökumenischer Liebe sein.

7. Es versteht sich von selbst, dass der Klerus der verschiedenen Kirchen und Kirchengemeinschaften den Wunsch haben wird, zum Meinungsaustausch über die pastoralen Probleme, vor die er sich gestellt sieht, zusammenzukommen, um die Erfahrungen der anderen kennenzulernen, die besten Lösungen aufzuspüren und, soweit es nach den Umständen und der Art eines Problems möglich ist, zu einer gemeinsamen Haltung und Stellungnahme und - bei gegebener Gelegenheit - zur Festlegung einer praktischen Aktion zu kommen, die gemeinsam unternommen werden kann. Die Bischöfe werden gewiss Wert darauf legen, von Zeit zu Zeit an diesen Zusammenkünften teilzunehmen, und sie sollten sie ihren Priestern empfehlen; in der Tat sind solche Zusammenkünfte ein wichtiger Beitrag zur Schaffung einer Atmosphäre, die die Brüderlichkeit unter allen Christen fördert, und zur Ablösung der Rivalitäten aus früherer Zeit durch Bande der gegenseitigen Hilfe und der Zusammenarbeit. In manchen Ländern gibt es offiziell anerkannte Organismen, die häufig den Rahmen für solche Zusammenkünfte abgeben: Kirchenräte, Klerusvereine und andere.

8. Ein ökumenischer Dialog kann auch unter Fachtheologen eingerichtet werden, zum Beispiel unter Mitgliedern von ökumenischen Instituten, Universitäten, Theologischen Fakultäten und Seminaren. Natürlich fordert ein solcher Dialog von Seiten der katholischen Teilnehmer eine sehr gründliche spezielle Vorbereitung auf die auf dem Programm stehenden Fragen. Hier wird man mit besonderer Sorgfalt darauf bedacht sein, die notwendigen Unterscheidungen zu markieren zwischen dem Dogma der Kirche und den großen geistlichen und liturgischen Traditionen sowie der legitimen Wahlfreiheit bei Gegenständen, die der freien Diskussion und Untersuchung unterstellt sind.

9. Der Dialog kann bilateral (zweiseitig) oder multilateral sein (je nach der Zahl der Kirchen, die miteinander ins Gespräch treten). Über die Zahl und die konfessionelle Zugehörigkeit der Teilnehmer soll jeweils nach der Art der behandelten Themen und nach den örtlichen Möglichkeiten entschieden werden; in jedem Falle sollen im Dialog auch die christlichen Traditionen, die etwa nicht unter den Teilnehmern vertreten sind, berücksichtigt werden. Oft wird es angemessen sein, die örtlichen ökumenischen Organe über solche Begegnungen auf dem laufenden zu halten und, wenn solche auf internationaler Ebene stattfinden, auch dem Sekretariat für die Einheit der Christen davon Mitteilung zu machen.

10. Beim theologischen Dialog sind in manchen Fällen die Teilnehmer dazu von der Hierarchie beauftragt, nicht in persönlicher Eigenschaft, sondern als delegierte Vertreter ihrer Kirche. Ein solcher Auftrag kann entweder vom Ortsbischof, von der Bischofskonferenz innerhalb ihres Territoriums oder vom Heiligen Stuhl ausgehen. In diesem Falle sind die katholischen Teilnehmer der Autorität, die sie entsendet, in besonderer Weise verantwortlich.

11. Bei den ökumenischen Begegnungen auf jeder Ebene soll das Vorhandensein einer ganzen Literatur, die in ihrer Gesamtheit sozusagen eine schriftliche Form des Dialogs unter den Christen darstellt, in Rechnung gezogen werden. Dieser geschriebene Dialog ist besonders fruchtbar, wenn es sich bei solchen Veröffentlichungen um gemeinsame interkonfessionelle Publikationen handelt. Die Bischöfe sollen katholische Veröffentlichungen fördern, die sich durch Verständnis und Achtung gegenüber den anderen Konfessionen auszeichnen und dabei mit einem treffsicheren Sinn für die Wahrheit geschrieben sind, Eigenschaften, die jede ökumenische Unternehmung kennzeichnen sollten.

12. Da die Teilnehmer darauf bedacht sein müssen, dass den Gliedern der Kirche die durch solche Begegnungen erworbene Erfahrung zugute kommt, werden sie dafür Sorge tragen, dass es zu einem Austausch darüber mit den Hirten der Kirche kommt, besonders durch Information der verschiedenen ökumenischen Kommissionen über ihre Aktivität (Sekretariat für die Einheit der Christen, nationale und regionale oder diözesane Kommissionen). Sie sollen auch an anderen Unternehmungen aktiv teilnehmen, die von ökumenischem Interesse sind: Vereine und Gesellschaften, Bibliotheken, Zeitschriften und andere Veröffentlichungen usw., in der Absicht, sie durch ihre Mitarbeit zu unterstützen und ihnen zu einer weiteren Ausstrahlung zu verhelfen.

Gegeben im Vatikan am 15. August 1970.

Kardinal Johannes Willebrands
Präsident
P. J. Hamer OP

Sekretär

Anmerkungen

<references />