De grand coeur (Wortlaut)

Aus kathPedia
Version vom 15. März 2018, 13:00 Uhr von Oswald (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „<center> Ansprache <br> {|align="center" cellpadding=5px; !bgcolor="silver"|'''De grand coeur ''' |} unseres Heiligen Vaters <br> Pius XII. …“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen
Ansprache
De grand coeur

unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses für humanistische Studien
über das Naturgesetz als Grundnorm
25. September 1949

(Offizieller französischer Text: AAS 41 [1949] 555-556)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 152-155; Nrn. 356-361)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Begrüßung. Notwendigkeit richtiger Philosophie für die Gestaltung der Welt

Von Herzen gerne beantworten Wir, meine Herren, Ihre auserlesene Ehrung mit einem warmen Willkommgruß. Und es bedeutet dieser Gruß mehr als ein einfaches Zeichen allgemeinen Wohlwollens und Dankes für Ihr Kommen. Ihre Zusammenkünfte haben in Unserem Geiste tatsächlich ein lebhaftes Interesse geweckt. Wenn es wahr ist - wie man es treffend gesagt hat - dass die Gedanken - gute oder schlechte - die Welt regieren, so darf man daraus auf die Bedeutung des Meinungsaustausches unter den Philosophen schließen, um einen Lichtstrahl auf eine so große Anzahl von aktuellen Fragen zu werfen, über die viele Leute - vor allem die am wenigsten zuständigen - mit Sicherheit und Entschiedenheit reden. Man bräuchte sich daran nicht zu kehren, wenn die Folge davon nicht Verwirrung der Geister und Verbreitung von Irrtümern wäre, vor allem bei dieser herrlichen intellektuellen Jugend, die berufen ist, morgen die heraufkommende Generation zu führen.

Kein Gegensatz zwischen Humanismus und Christentum

« Humanismus und Wissenschaft der Politik », so lautet das Thema Ihrer Arbeiten. Der Humanismus steht heute auf der Tagesordnung. Ohne Zweifel ist es schwierig, aus dem Verlauf seiner geschichtlichen Entwicklung einen klaren Begriff von seiner Natur abzuleiten und zu umreißen. Jedenfalls aber steht es zum wenigsten fest - obwohl der Humanismus lange behauptet hat, ausdrücklich mit dem vorangegangenen Mittelalter in Widerspruch zu stehen -, dass sein ganzer Gehalt an Wahrheit, an Gutem, an Großem und Ewigem der geistigen Welt des größten mittelalterlichen Geistes angehört, des heiligen Thomas von Aquin. In seinen Grundzügen bleibt sich der Begriff von Mensch und Welt, so wie er in der christlichen und katholischen Denkrichtung in Erscheinung tritt, im Wesentlichen gleich: so beim hl. Augustinus wie beim hl. Thomas oder bei Dante. Ebenso auch in der zeitgenössischen christlichen Philosophie. Die Unklarheit einiger philosophischer und theologischer Fragen, die allmählich im Lauf der Jahrhunderte erhellt und gelöst wurden, tut der Wirklichkeit dieser Tatsache keinen Abbruch.

Ohne auf Tagesmeinungen einzugehen, die in verschiedenen Zeitaltern hervortraten, hat die Kirche den Wert dessen, was menschlich und der Natur entsprechend ist, bejaht: ohne Zögern suchte sie ihn zur Entfaltung zu bringen und ins Licht zu rücken. Sie gibt nicht zu, dass der Mensch vor Gott nichts anderes sei als Verderbnis und Sünde. Im Gegenteil! In ihren Augen hat die Erbsünde seine Veranlagungen und Kräfte nicht im Innern getroffen, sie hat sogar das natürliche Licht seines Verstandes und seine Freiheit wesentlich unangetastet gelassen. Der mit dieser Natur begabte Mensch ist durch die drückende Erbschaft einer gefallenen und seiner übernatürlichen und außernatürlichen Gaben beraubten Natur zweifelsohne verwundet und geschwächt; es bedarf großer Anstrengung, um das Naturgesetz zu beobachten - und dies mit Hilfe der allmächtigen Gnade Christi - und um so zu leben, wie es die Ehre Gottes und die eigene Würde als Mensch verlangen.

Das Naturgesetz als Fundament der kirchlichen Soziallehre

Das Naturgesetz! Dies ist das Fundament, auf dem die Soziallehre der Kirche ruht. Gerade ihr christlicher Begriff von der Welt hat die Kirche im Aufbau dieser Lehre auf einem solchen Fundament angeregt und gestützt. Die Kämpfe, die sie führt, um ihre eigene Freiheit zu erlangen oder zu verteidigen, sind ebenso geführt für die wahre Freiheit und für die Grundrechte des Menschen. In ihren Augen sind diese grundlegenden Rechte so unverletzlich, dass gegen sie keine Staatsraison, kein Vorwand des Gemeinwohls in die Waagschale geworfen werden kann. Sie stehen geschützt hinter einer unüberschreitbaren Schranke. Diesseits davon kann das Gemeinwohl nach Wohlgefallen seine Gesetzgebung ausüben; jenseits nicht. An diese Rechte darf es nicht rühren, denn sie gehören zum Kostbarsten im Gemeinwohl. Würde man diesen Grundsatz beachten, wie viel tragischen Katastrophen und drohenden Gefahren wäre dann Einhalt getan! Er allein könnte das soziale und politische Gesicht der Erde erneuern. Doch wer wird diese bedingungslose Achtung vor den Menschenrechten haben, wenn nicht der, welcher bewusst unter den Augen eines persönlichen Gottes handelt?

Die gesunde Menschennatur vermag vieles, wenn sie sich der ganzen Fülle des christlichen Glaubens öffnet. Sie kann den Menschen vor dem Zwang der « Technokratie » und des Materialismus retten.

Schlussgedanken

Wir gedachten, meine Herren, Ihnen diese Gedanken zur Betrachtung vorzulegen. Wir wünschen, sie könnten Ihre Forschungen und Ihre philosophische Lehrtätigkeit in eine ähnliche Richtung leiten. Nein, die Bestimmung des Menschen besteht nicht im « Geworfensein » - im « Délaissement » « Aufgegebensein ». Der Mensch ist Geschöpf Gottes: er lebt dauernd unter der Führung und Wachsamkeit seiner väterlichen Vorsehung. Arbeiten wir daran, in der neuen Generation das Vertrauen in Gott zu entfachen, in ihr selbst, in der Zukunft, um das Kommen einer erträglicheren und glücklicheren Ordnung der Dinge möglich zu machen.

Möge Gott, der Anfang und das Ende aller Dinge, das Alpha und das Omega, Ihr Bemühen segnen und ihm eine wohltätige Fruchtbarkeit verleihen!