Dal Nostro cuore (Wortlaut)

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Radiobotschaft
Dal Nostro cuore

von Papst
Pius XII.
an die Gläubigen von Rom
über die Christenheit als Sauerteig in der sittlichen Erneuerung der Welt
10. Februar 1952

(Offizieller italienischer Text: AAS 44 [1952] 158-162)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 293-300; Nrn. 642-653)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Der Weckruf des obersten Hirten

Aus Unserem Herzen, geliebte Söhne und Töchter Roms, ergeht dieser väterliche Aufruf an Euch; aus Unserem Herzen, das voll von Unruhe ist, einerseits wegen der so lange ohne dauerhafte Aufhellung anhaltenden, gefahrvollen äußeren Umstände, andererseits wegen der zu sehr verbreiteten religiösen Abständigkeit, die viele an jener Rückkehr zu Jesus Christus, zur Kirche, zum christlichen Leben hindert, die Wir so oft als das einzige Heilmittel für die Krise bezeichnet haben, die die Welt erschüttert. Aber das Vertrauen, bei Euch Trost, Verständnis und entscheidende Bereitschaft zum Helfen zu finden, hat Uns bewogen, Euch Unsere Seele zu öffnen. Ihr hört heute einen Weckruf von den Lippen Eures Vaters und Hirten, der nicht stumm und untätig bleiben kann angesichts einer Welt, die unbewusst Wege geht, welche den ganzen Menschen mit Leib und Seele, die Guten und Bösen, die Zivilisation und die Völker dem Abgrund zuführen. Das Bewusstsein Unserer Verantwortung vor Gott verlangt von Uns, alles zu versuchen, alles zu unternehmen, um der Menschheit ein so ungeheures Unglück zu ersparen.

Um Euch diese Unsere Sorge anzuvertrauen, wählten Wir das morgige Fest der Erscheinung der allerseligsten Jungfrau von Lourdes, weil es eng verbunden ist mit der Erinnerung an die wunderbaren Erscheinungen, die vor etwa hundert Jahren in der Zeit der rationalistischen Zerrissenheit und der religiösen Gleichgültigkeit die erbarmungsvolle Antwort Gottes und seiner himmlischen Mutter waren auf die Auflehnung der Menschen, ein unwiderstehlicher Anruf zum Übernatürlichen hin, ein erster Anfang zu einer fortschreitenden religiösen Erneuerung. Welches noch so laue und abgestorbene christliche Herz könnte der Stimme Mariens widerstehen? Sicherlich nicht die Römer, die zusammen mit dem Glauben der Märtyrer auch die kindliche Anhänglichkeit an Maria ererbt und durch lange Jahrhunderte weitergegeben haben und die sie in ihren ehrwürdigen Bildnissen mit den liebevollen und beredten Titeln anrufen « Heil des römischen Volkes», « sicherer Hafen Roms», und neuerdings auch «Mutter der göttlichen Liebe». Sie alle zusammen sind Denkmäler beharrlicher Marienverehrung und in Wahrheit und Wirklichkeit ein lieblicher Widerhall der Geschichte des sichtbaren Eingreifens der allerseligsten Jungfrau in allgemeinen Heimsuchungen, welche diese altehrwürdigen, dank ihrer Macht doch immer wieder befreiten Mauern Roms erzittern ließen.

Teilnahmslosigkeit gegenüber den apostolischen Aufgaben ist verhängnisvoll

Ihr alle wisst, dass größer und schwerer als alle Seuchen und Naturkatastrophen vergangener Jahrhunderte die Gefahren sind, die auf der heutigen Menschheit lasten, wenn auch ihre dauernde Bedrohung die Völker nunmehr fast unempfindlich und teilnahmslos gemacht hat. Ist nicht vielleicht dies das verhängnisvollste Symptom der endlosen und nie verebben wollenden Krise, das die denkenden Menschen, die noch ein offenes Auge für die Wirklichkeit haben, erzittern und erschrecken lässt? Wenn Wir daher auch voll Vertrauen Unsere Zuflucht nehmen zur Güte Gottes und zur Barmherzigkeit der allerseligsten Jungfrau, so muss doch jeder einzelne Gläubige, jeder, der noch guten Willen hat, mit allem, den bedeutenden Augenblicken der Menschheitsgeschichte entsprechendem Ernst sich fragen, was er persönlich tun könnte und tun müsste, was er beitragen sollte zum Erlösungswerk Gottes, wie er mithelfen könnte zur Rettung der Welt, die, wie es heute der Fall ist, dem Verderben entgegengeht.

Angesichts der allgemeinen Lage, die, wie Wir leider sagen müssen, jeden Augenblick sich in furchtbarer Weise entladen könnte und deren tiefste Ursache in der religiösen Gleichgültigkeit so vieler zu suchen ist, in dem sittlichen Tiefstand des öffentlichen und privaten Lebens, in der systematischen Vergiftung der einfachen Seelen, denen das Gift eingeträufelt wird, nachdem man ihnen den Sinn für die wahre Freiheit sozusagen eingeschläfert hat, können und dürfen die Guten nicht unbekümmert und untätig als stille Zuschauer einer nahen, alles umstürzenden Katastrophe ihr gewohntes Leben in den alten Geleisen weiterführen.

Das Heilige Jahr, das ein wunderbares Aufblühen christlichen Lebens mit sich brachte, zunächst unter Euch, dann allüberall in der weiten Welt, soll nicht einem zwar glänzenden, aber flüchtigen Meteor gleichen, nicht eine vorübergehende, nun erledigte Aufgabe und Pflicht sein, sondern ein erster vielversprechender Schritt zu einer allgemeinen Wiederbelebung des Geistes des Evangeliums, die nicht nur Millionen von Seelen dem ewigen Verderben entreißt, sondern die allein ein friedliches Zusammenleben und eine fruchtbare Zusammenarbeit der Völker ermöglichen und sichern kann.

Es ist Zeit, sich zusammenzuschließen

Jetzt ist es Zeit, geliebte Söhne, es ist Zeit, die weiteren, entscheidenden Schritte zu unternehmen. Es ist Zeit, die verhängnisvolle Lethargie abzuschütteln. Es ist Zeit, dass alle Guten, alle, denen das Schicksal der Welt am Herzen liegt, sich einander nähern und sich aufs engste zusammenschließen. Es ist Zeit, mit dem Apostel zu wiederholen: « Hora est iam nos de somno surgere » - « Die Stunde ist da, vom Schlafe aufzustehen, denn es naht sich unsere Erlösung» (Röm. 13, 11).

Es gilt, eine ganze Welt von Grund auf umzuformen, sie aus einer verwilderten in eine menschlich edle, aus einer menschlich edlen in eine vergöttlichte Welt, das heißt nach dem Herzen Gottes umzuwandeln. Millionen von Menschen ersehnen eine Änderung des Kurses. Man richtet daher ihren Blick auf die Kirche Christi, die einzige erfahrene Lenkerin und Führerin, die infolge ihrer Achtung vor der menschlichen Freiheit sich an die Spitze eines so gewaltigen Unternehmens zu stellen vermag. Man fleht um ihre Führung mit offenen Worten, ja noch mehr, mit den Tränen, die schon vergossen wurden, mit den noch schmerzenden Wunden, indem man auf die endlos weiten Friedhöfe hinweist, die der bewaffnete Hass auf der ganzen Welt geschaffen hat.

Tatkräftige, nach außen wirksame Erneuerung des sittlichen Lebens

Wie könnten Wir, die Wir, obwohl unwürdig, von Gott gesetzt sind als Leuchte in der Finsternis, als Salz der Erde, als Hirte der Herde Christi, diese Rettungsarbeit zurückweisen? Wie wir in einer nunmehr weit zurückliegenden Stunde, da es Gott so gefiel, das schwere Kreuz des Pontifikates auf Uns nahmen, so unterziehen Wir Uns heute der schwierigen Aufgabe, soweit Unsere schwachen Kräfte es erlauben, Herold einer besseren, gottgewollten Welt zu sein, deren Banner Wir in erster Linie Euch, geliebte Söhne Roms, übergeben möchten, Euch, die Ihr Uns mehr als andere nahesteht und Unserer Hirtensorge in besonderer Weise anvertraut seid, Euch, die Ihr deswegen auch das Licht auf dem Leuchter, Sauerteig unter den Brüdern, die Stadt auf dem Berge seid, Euch, von denen die andern mit Recht mehr Mut und mehr hochherzige Einsatzbereitschaft erwarten. Nehmt daher mit großmütiger Hingabe die heilige Losung entgegen, die Euer oberster Hirt und Vater Euch gibt, und erblickt darin den Ruf Gottes und eine wahrhaft würdige Lebensaufgabe: Auf zu einer kraftvollen Wiederbelebung des gesamten Tuns und Denkens! Eine Wiederbelebung, die alle ohne Unterschied, Klerus und Volk, sowie alle, die in führender Stellung stehen, die Familien, jedwede Gemeinschaft und jeden einzelnen an die Front zur umfassenden Erneuerung des christlichen Lebens, an die Verteidigungslinie der sittlichen Werte ruft, in der Durchführung der sozialen Gerechtigkeit, im Wiederaufbau der christlichen Ordnung, so dass auch das äußere Bild der Ewigen Stadt, die seit den Zeiten der Apostel Mittelpunkt des Christentums ist, binnen kurzem als leuchtendes Vorbild von Heiligkeit und sittlicher Schönheit erscheine.

Die Ewige Stadt, der jedes Zeitalter die Spuren glorreicher Taten eingeprägt hat, die dann gemeinsames Erbe der Völker wurden, sollte von unserem Jahrhundert, von den Menschen, die heute in ihr wohnen, die wirksamste Anregung für das gemeinsame Rettungswerk empfangen in einer Zeit, in der widerstrebende Kräfte um die Herrschaft der Welt ringen. Das erwarten von ihr die christlichen Völker; vor allem aber erwarten sie Taten.

Keine Diskussionen, sondern konkrete Verwirklichung

Es ist jetzt nicht der Augenblick zu diskutieren, nach neuen Richtlinien zu suchen oder neue Wege und Ziele anzugeben. Alle diese Dinge sind längst bekannt und in ihrem Wesen erprobt, denn sie wurden von Christus selbst gelehrt und im Laufe der Jahrhunderte durch die Arbeit der Kirche aufgehellt, und von den letzten Päpsten den modernen Zeiterfordernissen angepasst. Sie erfordern nur eines: die konkrete Verwirklichung.

Was nützte auch ein Erforschen der Wege Gottes und des Geistes, wenn man tatsächlich die Wege des Verderbens wählt und sich willenlos den Trieben des Fleisches überlässt? Was nützte es zu wissen und auszusprechen, dass Gott unser Vater und die Menschen Brüder sind, wenn man jedes Eingreifen Gottes in das private und öffentliche Leben fürchtet? Wozu dienen lange Erörterungen über Gerechtigkeit, Liebe und Frieden, wenn der Wille von vornherein entschlossen ist, dem Opfer auszuweichen, wenn das Herz in eisiger Einsamkeit sich verschließt und niemand es ernstlich wagt, die Mauer des trennenden Hasses zu durchbrechen, um die Brüder in aufrichtiger Liebe zu umfangen? Ein solches Verhalten würde bei den Kindern des Lichtes die Schuld nur noch mehr vergrößern, denn auch sie werden wenig Verzeihung und Erbarmen finden, wenn sie weniger geliebt haben. Mit einer solchen Inkonsequenz und Trägheit hätte die Kirche in ihren Anfängen weder das Antlitz der Erde erneuert, noch sich so rasch ausgebreitet; sie hätte weder ihre segenspendende Tätigkeit durch die Jahrhunderte fortzusetzen vermocht, noch sich Bewunderung und Vertrauen der Völker erworben.

Bleibt Euch stets bewusst, geliebte Söhne, dass die Wurzel der heutigen Übel und ihre verhängnisvollen Folgen nicht wie in vorchristlichen Zeiten oder wie in heidnischen Ländern unverschuldete Unkenntnis der auf die Ewigkeit hingeordneten Ziele des menschlichen Lebens ist oder auch Unkenntnis der eigentlichen Wege, die dahin führen. Nein, heute ist es die Trägheit des Geistes, die Schlaffheit des Willens, die Kälte des Herzens. Die Menschen, die an solch geistlichem Siechtum daniederliegen, suchen sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens in die alte Finsternis einzuhüllen und sich mit neuen und alten Irrtümern zu entschuldigen. Es ist daher notwendig, auf ihren Willen einzuwirken.

Die Tat, zu der Wir heute Hirten und Gläubige aufrufen, sei ein Widerschein der Tätigkeit Gottes: sie wirke aufhellend und einigend, sie sei hochherzig und von Liebe getragen. Daher stellt Euch die konkreten Verhältnisse Eurer und Unserer Stadt vor Augen! Traget Sorge, dass die Aufgaben genau festgestellt werden, dass die Zielsetzungen klar umrissen sind, dass die zur Verfügung stehenden Kräfte wohl abgewogen werden, und zwar so, dass die Hilfsquellen, die jetzt im Anfang bereit stehen, nicht ungenützt liegen bleiben, weil man sie nicht kennt, noch auch planlos herangezogen oder vergeudet werden in zweitrangiger Betätigung. Man ziehe die Seelen heran, die guten Willens sind; sie sollen sich von sich aus zur Verfügung stellen. Ihr Gesetz sei bedingungslose Treue gegenüber der Person Jesu Christi und seinen Lehren. Ihre Bereitschaft sei demütig und gehorsam. Ihr Wirken füge sich als ein aktives Element ein in jenen gewaltigen Strom, den Gott in Bewegung setzen und durch seine Diener leiten wird.

Aufruf an Rom

Darum laden Wir Unseren ehrwürdigen Bruder, den hochwürdigsten Herrn Kardinalvikar, ein, für die Diözese Rom die hohe Leitung dieser wiederbelebenden und rettenden Aktion zu übernehmen. Wir sind sicher, dass es - weder was die Zahl, noch was die Güte anbelangt - nicht an hochherzigen Seelen fehlen wird, die auf diesen Unseren Aufruf herbeieilen und Unseren Wunsch in die Tat umsetzen werden. Es gibt glühende Seelen, die begierig nur darauf warten, herangezogen zu werden. Ihrer brennenden Ungeduld weise man das weite Feld zu, das zu bestellen ist. Andere wieder gibt es, die da schläfrig sind; sie müssen aufgeweckt werden. Andere sind ängstlich; sie müssen aufgemuntert werden; andere endlich haben die Richtung verloren; sie müssen geführt werden. Von allen aber wird ein weises Sicheinfügen, ein verständiges Sichwendenlassen, ein Arbeitsrhythmus gefordert, der der dringenden Notwendigkeit gerecht wird, zu verteidigen, zu erobern und positiv aufzubauen. Auf diese Weise wird Rom von neuem seine säkulare Sendung als geistliche Lehrerin der Völker leben, und zwar nicht nur, wie es war und immer noch ist, durch den höchsten Lehrstuhl der Wahrheit, den Gott selbst in seiner Mitte errichtet hat, sondern auch durch das Beispiel seines Volkes, das zurückfand zu seinem glühenden Eifer im Glauben, zur Vorbildlichkeit in seiner sittlichen Lebensgestaltung, zur Einmütigkeit in der Erfüllung der religiösen und bürgerlichen Pflichten, und, wenn es Gott dem Herrn gefällt, zu Wohlstand und Glück.

Aufruf an die ganze Christenheit

Gern hegen Wir die Hoffnung, dass diese kraftvolle religiöse Erneuerung, zu der Wir Euch heute aufrufen, und die ohne Zögern ins Werk gesetzt und mit Ausdauer nach vorgezeichnetem Plan - den dann andere in den Einzelheiten aufzeigen können durchgeführt werden soll, bald von den benachbarten und entfernteren Diözesen nachgeahmt werden wird, damit es Uns vergönnt sein möge, mit Unseren eigenen Augen zu sehen, wie zu Christus nicht nur ganze Städte zurückkehren, sondern auch die Nationen, die Kontinente, die gesamte Menschheit.

Die Hand also an den Pflug! Möge Euch Gott, der so Großes will, bewegen! Möge Euch ein so edles Unternehmen locken! Möge Euch dessen dringende Notwendigkeit anfeuern! Die begründete Furcht vor der schrecklichen Zukunft, die die Folge einer schuldhaften Nachlässigkeit wäre, besiege jedes Zaudern und lege jeden Willen fest! Stützen werden Euch die Gebete der Demütigen und Kleinen, denen Eure liebevollsten Sorgen gelten, die Schmerzen jener, die ihre Leiden in Ergebung hinnehmen und aufopfern. Eure Anstrengungen werden befruchtet werden durch die heroischen Beispiele und die Fürsprache der Märtyrer und der Heiligen, die diesen Boden Roms geheiligt haben. Den glücklichen Erfolg aber, um den Wir heiß flehen, wird segnen und vermehren die allerseligste Jungfrau, die ohne Zweifel, wie sie schon zu jeder Zeit bereit war, ihre schützende Hand über ihre Römer auszubreiten, auch in der Gegenwart ihren mütterlichen Schutz diesen ihren Kindern zukommen lassen wird, die anlässlich ihrer jüngsten Verherrlichung, von der noch heute der Himmel Roms widerhallt, eine so innige Frömmigkeit bewiesen haben.

Stärke und Stütze sei Euch endlich der väterliche Apostolische Segen, den Wir aus übervollem Herzen Euch allen erteilen, die Ihr Uns hört, Euren Familien, Euren Werken und der Ewigen Stadt, deren Glauben schon seit den Zeiten der Apostel in der ganzen Welt verkündet wird (Vgl. Röm. 1, 8) und deren erhabene christliche Größe als Leuchtturm der Wahrheit, des Friedens und der Liebe durch die Jahrhunderte weiterleuchten wird. Amen.