Christifideles laici (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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In dieser Verkündigung und in diesem Zeugnis kommt den Laien ein spezifischer und unersetzlicher Beitrag zu: Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent.
 
In dieser Verkündigung und in diesem Zeugnis kommt den Laien ein spezifischer und unersetzlicher Beitrag zu: Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent.
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==ERSTES KAPITEL: ICH BIN DER WEINSTOCK, IHR SEID DIE REBEN. <br>Die Würde der Laien im Geheimnis der Kirche==
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===Das Geheimnis des Weinbergs===
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'''8''' Das Bild des Weinstocks wird in der Bibel auf vielfache Weise und in einem vielfältigen Sinn benutzt. Es dient aber vor allem dazu, das Geheimnis des Volkes Gottes zum Ausdruck zu bringen. In dieser tieferen Deutung sind die Laien nicht nur Arbeiter, die im Weinberg arbeiten, sondern Teil des Weinbergs selbst. Jesus sagt: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« (Joh 15, 5).
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Schon im Alten Testament greifen die Propheten zum Bild des Weinbergs, um das Volk Gottes zu bezeichnen. Israel ist Gottes Weinberg, das Werk des Herrn, die Freude seines Herzens: »Ich aber hatte dich als Edelrebe gepflanzt, als gutes, als edles Gewächs« (Jer 2, 21); »Deine Mutter war wie ein Weinstock im Garten, der am Wasser gepflanzt ist. Voll von Früchten und Ranken war er wegen des Reichtums an Wasser« (Ez 19, 10); »Mein Freund hat einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben« (Jes 5, 1-2).
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Jesus nimmt das Symbol des Weinbergs wieder auf und benutzt es, um einige Grundzüge des Reiches Gottes zu offenbaren: »Ein Mann legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land« (Mk 12, 1; vgl. Mt 21, 28 ff.).
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Der Evangelist Johannes lädt uns ein, tiefer zu gehen und das Geheimnis des Weinbergs zu entdecken: Der Weinberg symbolisiert und verkörpert nicht nur das Volk Gottes, sondern Jesus selbst. Er ist der Weinstock und wir, seine Jünger, sind die Reben; er ist der »wahre Weinstock«, in dem die Reben lebensnotwendig verwurzelt sind (vgl. Joh 15, 1 ff.).
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Das II. Vatikanische Konzil stellt die verschiedenen biblischen Bilder, die das Geheimnis der Kirche erhellen, dar und bietet erneut das Bild des Weinstocks und der Reben an: »Der wahre Weinstock aber ist Christus, der den Rebzweigen Leben und Fruchtbarkeit gibt, uns nämlich, die wir durch die Kirche in ihm bleiben, und ohne den wir nichts tun können (Joh 15, 1-5)«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 6. </ref> Die Kirche selbst ist also der Weinberg im Evangelium. Sie ist Geheimnis, weil die Liebe und das Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes die völlig unverdienten Gaben sind für alle, die aus dem Wasser und dem Geist geboren (vgl. Joh 3, 5), die berufen sind, die communio Gottes selbst zu leben, zu bezeugen und in der Geschichte anderen mitzuteilen (Sendung): »An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch« (Joh 14, 20).
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So kann sich die »Identität« der Laien, die ihnen eigene Würde nur vom Geheimnis der Kirche her, das Geheimnis der communio ist, enthüllen. Und nur von dieser Würde her können ihre Berufung und ihre Sendung in Kirche und Welt definiert werden.
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===Wer sind die Laien===
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'''9''' Die Synodenväter haben mit Recht auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine positive Beschreibung von Berufung und Sendung der Laien auf der Grundlage eines vertieften Studiums der Lehre des II. Vatikanischen Konzils im Licht sowohl der jüngsten Dokumente des Lehramtes als auch der Erfahrungen, die die Kirche selbst unter der Führung des Heiligen Geistes in ihrem Leben macht, zu formulieren und anzubieten.<ref> Vgl. Propositio 3. </ref>
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Um die Frage: »Wer sind die Laien« zu beantworten, verzichtete das Konzil auf die vorausgegangenen, vorrangig negativen Interpretationen und stellte sich auf einen entschieden positiven Boden. Seine Grundabsicht beweist die Aussage von der vollen Zugehörigkeit der Laien zur Kirche und ihrer vollen Teilnahme an deren Geheimnis, sowie vom spezifischen Charakter ihrer Berufung, die in besonderer Weise die Aufgabe beinhaltet »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 31. </ref> »Unter der Bezeichnung Laien« - so beschreibt sie die Konstitution Lumen Gentium - »sind hier alle Christgläubigen verstanden, mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, das heißt, die Christgläubigen, die durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben«.<ref>Ebd. </ref> 
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Schon Pius XII. sagte: »Die Gläubigen, und genauer noch die Laien, stehen an der äußersten Front des Lebens der Kirche; die Kirche ist für sie das Lebensprinzip der menschlichen Gesellschaft. Darum müssen sie und gerade sie ein immer tieferes Bewusstsein gewinnen, dass sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind, das heißt, die Gemeinschaft der Gläubigen auf Erden unter der Führung des Papstes als des gemeinsamen Hauptes und der mit ihm geeinten Bischöfe. Sie sind die Kirche ...«.<ref>[[Pius XII.]], Ansprache an die neuen Kardinäle (20. Februar 1946): [[AAS]] 38 (1946), 149. </ref>
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Nach dem biblischen Bild des Weinstocks sind die Laien wie alle anderen Glieder der Kirche Reben, die in Christus, dem wahren Weinstock verwurzelt sind, die er lebendig und lebensspendend macht.
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Die Eingliederung in Christus durch den Glauben und die christlichen Initiationssakramente ist der tiefste Grund für den neuen Ort des Christen im Geheimnis der Kirche, der seine eigentlichste »Physionomie« bestimmt, und ist Voraussetzung jeder Berufung und Dynamik im christlichen Leben der Laien: »In Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, wird der Getaufte zu einem neuen Menschen« (Gal 6, 15; Kor 5, 17), zu einem von der Sünde gereinigten und durch die Gnade neu belebten Menschen.
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Darum kann die »Gestalt« des Laien nur auf dem Hintergrund des geheimnisvollen Reichtums, den Gott den Christen in der Taufe schenkt, beschrieben werden.
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===Die Taufe und die Neuheit des Christlichen===
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'''10''' Die Behauptung ist nicht übertrieben, dass der Sinn des gesamten Lebens des Laien darin besteht, zur Erkenntnis der in der Taufe als Sakrament des Glaubens liegenden radikalen Neuheit des Christlichen zu gelangen, um der Berufung, die er von Gott empfangen hat, zu entsprechen und die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Um die »Gestalt« des Laien zu beschreiben, greifen wir nun unter allen anderen explizit und unmittelbar die drei grundlegenden Gesichtspunkte heraus: Die Taufe erschafft uns neu zu einem Leben als Kinder Gottes, sie eint uns mit Christus und mit der Kirche, seinem Leib, sie salbt uns im Heiligen Geist und macht uns zu geistigen Tempeln.
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===Kinder Gottes im Sohn===
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'''11''' Wir erinnern uns an die Worte Jesu an Nikodemus: »Amen, Amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen« (Joh 3, 5). Die heilige Taufe ist also eine Neugeburt, sie ist eine neue Zeugung.
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Angesichts dieser Gabe, die in der Taufe gegeben wird, stimmt der Apostel Petrus den Lobpreis an: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist« (1 Petr 1, 3-4). Er nennt die Christen diejenigen, die »nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt«, neu geboren wurden (1 Petr 1, 23).
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Durch die heilige Taufe werden wir in seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus zu Kindern Gottes. Wenn er aus dem Taufwasser steigt, vernimmt jeder Christ die Stimme, die am Ufer des Jordan erklang: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden« (Lk 3, 22). Er versteht, dass er als Erbe dem geliebten Sohn zugesellt (vgl. Gal 4, 4-7) und damit Bruder oder Schwester Christi wurde. So erfüllt sich der ewige Plan des Vaters in der persönlichen Geschichte eines jeden Christen: »...denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei« (Röm 8, 29).
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Der Heilige Geist ist es, der die Getauften zu Kindern Gottes und zu Gliedern des Leibes Christi macht. Paulus erinnert die Christen von Korinth an diese Wahrheit: »Durch den Heiligen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen« (1 Kor 12, 13). Und er kann den Laien sagen: »Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm« (1 Kor 12, 27); »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz« (Gal 4, 6; vgl. Röm 8, 15-16).
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===Ein Leib in Christus===
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'''12''' Als »Kinder Gottes im Sohn« neu geboren, sind die Getauften untrennbar »Glieder Christi und Glieder des Leibes der Kirche«, wie das Konzil von Florenz lehrt.<ref>[[Konzil von Basel-Ferrara-Florenz|Ökumenisches Konzil von Florenz]], Decr. pro Armeniis, DS 1314. </ref>
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Die Taufe bedeutet und bewirkt eine mystische aber reale Eingliederung in den gekreuzigten und verherrlichten Leib Jesu. Durch das Sakrament eint Jesus den Getauften seinem Tod, um ihn mit seiner Auferstehung zu vereinigen (vgl. Röm 6, 3-5), er zieht ihm den »alten Menschen« aus und bekleidet ihn mit dem »neuen Menschen«, das heißt, mit sich selbst: »Denn ihr alle, die ihr in Christus getauft seid« erklärt der Apostel Paulus -, »habt Christus (als Gewand) angelegt« (Gal 3, 27; vgl. Eph 4, 22-24; Kol 3, 9-10). Daraus folgt, dass »wir, die vielen, ein Leib in Christus« sind (Röm 12, 5).
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Die Paulusworte sind eine treue Wiedergabe der Lehre Jesu, der die geheimnisvolle Einheit der Jünger mit sich selbst und unter sich geoffenbart hat und sie als Bild und Fortsetzung jener unlöslichen Einheit dargestellt hat, die den Vater mit dem Sohn und den Sohn mit dem Vater im Band der Liebe des Geistes eint (vgl. Joh 17, 21).
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Es ist dieselbe Einheit, die Jesus im Gleichnis vom Weinstock und den Reben anspricht: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« ( Joh 15, 5 ). Dieses Bild erhellt nicht nur die tiefe Einheit der Jünger mit Jesus, sondern auch die lebensmäßige Verbundenheit der Jünger untereinander, die alle Reben des einen Weinstocks sind.
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===Lebendige und heilige Tempel des Geistes===
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'''13''' Mit Hilfe eines anderen Bildes, nämlich das eines Bauwerkes, definiert Petrus die Getauften als »lebendige Stein«, die auf Christus, dem »Eckstein« gründen und zum Bau eines »geistigen Haus(es)« (1 Petr 2, 5 ff.) bestimmt sind. Dieses Bild schließt uns eine andere Dimension der Neuheit der Taufe auf, die das II. Vatikanische Konzil so dargestellt hat: »Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau ... geweiht«.<ref>[[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 10. </ref> 
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Der Heilige Geist »salbt« den Getauften und drückt ihm sein unauslöschliches Siegel auf (vgl. 1 Kor 1, 21-22), er macht ihn zu einem geistigen Bau, das heißt, er erfüllt ihn durch die Vereinigung mit Christus und die Umgestaltung in ihn mit der heiligen Gegenwart Gottes. Durch diese geistige »Salbung« kann der Christ auf seine Weise die Worte Christi wiederholen: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lk 4, 18-19; vgl. Jes 61, 1-2). Durch die mit der Taufe und Firmung gegebene Ausgießung des Geistes nimmt der Getaufte teil an der Sendung Jesu, des Christus, des Messias und Heilandes selbst.
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===Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi===
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'''14''' Der Apostel Petrus spricht die Getauften als »neugeborene Kinder« an, und er schreibt ihnen: »Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen... Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (1 Petr 2, 4-5. 9).
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Dieses ist ein neuer Aspekt der Taufgnade und -würde: Die Laien nehmen auf ihre Weise Teil am dreifachen - priesterlichen, prophetischen und königlichen - Amt Christi. Diese Wahrheit wurde in der lebendigen Tradition der Kirche nie vergessen, wie es zum Beispiel der Kommentar des Augustinus zu Psalm 26 zeigt. Er schreibt: »David wurde zum König gesalbt. In jener Zeit wurden nur der König und der Priester gesalbt. Diese beiden waren eine Präfiguration des künftigen und einzigen Königs und Priesters, des Christus ('Christus' leitet sich von 'chrisma' ab). Aber nicht nur unser Haupt wurde gesalbt, sondern auch wir, sein Leib ... Darum steht die Salbung allen Christen zu, während sie in der alttestamentlichen Zeit nur zweien zustand. Wir bilden den Leib Christi, weil wir alle gesalbt sind und in ihm Christus sind. Denn in einem gewissen Sinn wird Christus in seiner Ganzheit vom Haupt und vom Leib gebildet«.<ref>[[Augustinus von Hippo|Augustinus]], Enarr. in Ps. XXVI, II, 2. [[CCL]] 38, 154 f. </ref> 
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Auf den Spuren des II. Vatikanischen Konzils<ref>Vgl. [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 10. </ref> habe ich seit Beginn meines Hirtenamtes die priesterliche, prophetische und königliche Würde des gesamten Gottesvolkes herausstellen wollen: »Der aus der Jungfrau Maria geboren wurde, der Sohn des Schreiners - für einen solchen hielt man ihn -, der Sohn des lebendigen Gottes, wie Petrus bekannt hat, ist gekommen, um aus uns allen 'eine königliche Priesterschaft' zu machen. Das Konzil hat uns das Geheimnis dieser Macht und die Tatsache, dass die Sendung Christi, des Priesters, Propheten, Lehrers und Königs sich in der Kirche fortsetzt, wieder in Erinnerung gerufen. Alle, das gesamte Gottesvolk, nimmt teil an dieser dreifachen Sendung«.<ref>[[Johannes Paul II.]], [[Homilie]] bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes (22. Oktober 1978): [[AAS]] 70 (1978), 946. </ref>
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In diesem Schreiben werden die Laien erneut aufgefordert, die reiche und fruchtbare Lehre des Konzils über ihre Teilhabe am dreifachen Amt Christi<ref>Vgl. Wiederaufnahme dieser Lehre im [[Instrumentum laboris]] „De vocatione et missione laicorum in Ecclesia et in mundo viginti annis a Concilio Vaticano II elapsis“, 25 </ref> aufmerksam und mit bereitem Herzen zu lesen und zu meditieren. Hier soll in einer Synthese auf die wesentlichen Elemente dieser Lehre hingewiesen werden.
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Die Laien nehmen teil am priesterlichen Amt Christi, durch das Jesus sich selbst am Kreuz geopfert hat und sich in der Feier der Eucharistie ständig neu für die Verherrlichung des Vaters und für das Heil der Menschheit darbringt. Christus eingegliedert, sind die Getauften in der Hingabe ihrer selbst und all ihres Tuns mit ihm und seinem Opfer vereint (vgl. Röm 12, 1-2). Das Konzil sagt über die Laien: »Es sind nämlich alle ihre Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen, ihr Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig getragen werden, 'geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus' (1 Petr 2, 5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten. So weihen auch die Laien, überall Anbeter in heiligem Tun, die Welt selbst Gott«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 34. </ref> 
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Die Teilhabe am prophetischen Amt Christi, der »durch das Zeugnis seines Lebens und in der Kraft seines Wortes die Herrschaft des Vaters ausgerufen hat«,<ref> Ebd., 35. </ref> befähigt und verpflichtet die Laien, das Evangelium im Glauben anzunehmen, es durch ihre Worte und ihre Werke zu verkündigen und mutig auf das Böse hinzuweisen. Christus, dem »großen Propheten« (Lk 7, 16) vereint, im Geist zu »Zeugen« des auferstandenen Christus berufen, werden die Laien nicht nur des übernatürlichen Glaubenssinnes der Kirche, der »im Glauben nicht irren« kann,<ref> Ebd., 12. </ref> sondern auch der Gnade des Wortes (vgl. Apg 2, 17-18; Apok 19, 10) teilhaftig; auch sind sie dazu berufen, die Neuheit und die Kraft des Evangeliums in ihrem täglichen Familien- und gesellschaftlichen Leben sichtbar werden zu lassen und mutig und geduldig inmitten der Widersprüche unserer Zeit »auch durch die Strukturen des Weltlebens«<ref> Ebd., 35. </ref> ihre Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit zu bezeugen.
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Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Christus, dem Herrn und König der Welt, nehmen die Laien teil an seinem königlichen Amt. Sie sind von ihm zum Dienst am Reich Gottes und an seiner Ausfaltung in der Geschichte berufen. Die Laien leben das christliche Königtum vor allem durch ihren geistlichen Kampf, um in sich selbst das Reich der Sünde zu überwinden (vgl. Röm 6, 12), und durch ihre Selbsthingabe, um in der Liebe und der Gerechtigkeit Jesu, der in allen ihren Brüdern und Schwestern, vor allem in den ärmsten zugegen ist, zu dienen (vgl. Mt 25, 40).
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Die Laien sind in besonderer Weise aber dazu berufen, der Schöpfung ihren vollen ursprünglichen Wert zurückzuschenken. Wenn sie durch ihr von der Gnade getragenes Tun die Schöpfung zum Wohl der Menschen ordnen, nehmen die Laien teil an der Ausübung der Macht, mit der der auferstandene Jesus alle Dinge an sich zieht, um sie mit sich selbst dem Vater zu unterwerfen, damit Gott alles in allem sei (vgl. Joh 12, 32; 1 Kor 15, 28).
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Die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs, hat ihre erste Wurzel in der Taufsalbung, und sie erfährt in der Firmung ihre Ausfaltung. In der Eucharistie wird sie ständig genährt und vollendet. Diese Teilhabe wird den einzelnen Gläubigen, insofern als sie den einen Leib des Herrn bilden, geschenkt: Es ist die Kirche, sein Leib und seine Braut, die Jesus mit seinen Gaben bereichert. Als Glieder der Kirche nehmen die einzelnen teil am dreifachen Amt Christi, wie der heilige Petrus es deutlich lehrt, wenn er die Getauften als »Auserwähltes Geschlecht, ... königliche Priesterschaft, ... heiliger Stamm, ... Volk, das ... (Gottes) besonderes Eigentum wurde« (1 Petr 2, 9) beschreibt. Weil sie sich von der kirchlichen communio ableitet, muss die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi in der communio und um des Wachstums der communio willen gelebt und verwirklicht werden. Augustinus schreibt: »So wie alle aufgrund des mystischen Charismas Christen genannt werden, so nennen wir alle Priester, weil sie Glieder des einzigen Priesters sind«.<ref> [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], De civitate Dei, XX, 10: [[CCL]] 48, 720. </ref>
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===Die Laien und der Weltcharakter===
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'''15''' Die Neuheit des Christlichen ist Fundament und Rechtsgrund für die Gleichheit aller Getauften in Christus, für die Gleichheit aller Glieder des Volkes Gottes: »... gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eines die Hoffnung und ungeteilt die Liebe«.<ref>[[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 32. </ref> Aufgrund der gemeinsamen Taufwürde ist der Laie mit den geweihten Hirten und den Ordensleuten mitverantwortlich für die Sendung der Kirche.
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Die gemeinsame Taufwürde ist dem Laien in einer Weise zu eigen, die ihn vom Priester und von den Ordensleuten zwar unterscheidet, aber doch nicht trennt. Das II. Vatikanische Konzil hat diese Modalität im Weltcharakter gefasst: »Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen«.<ref> Ebd., 31. </ref> 
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Um den Ort des Laien in der Kirche voll, sachgerecht und spezifisch zu verstehen, muss die theologische Relevanz seines Weltcharakters im Licht des Heilsplanes Gottes und des Geheimnisses der Kirche tiefer erörtert werden.
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Wie Paul VI. schon gesagt hat, »eignet der Kirche eine welthafte Dimension an, die wesenhaft zu ihr und zu ihrer Sendung gehört und die sich in ihren Gliedern auf verschiedene Weise verwirklicht«.<ref>[[Paul VI.]] Ansprache an die Mitglieder der Säkularinstitute (2. Februar 1972): [[AAS]] 64 (1972), 208. </ref>
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Wenn sie auch nicht von dieser Welt ist, lebt die Kirche in dieser Welt (vgl. Joh 17, 16), und sie ist gesandt, das Heilswerk Jesu Christi fortzusetzen, »das auf das Heil der Menschen (zielt), aber auch den Aufbau der gesamten zeitlichen Ordnung« umfasst.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dekret]] über das Laienapostolat [[Apostolicam actuositatem]], Nr. 5. </ref> 
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Alle Glieder der Kirche nehmen auf verschiedene Weise an ihrer säkularen Dimension teil. Die Laien vor allem aktualisieren und üben diese Teilhabe, die ihnen nach der Lehre des Konzils in besonderer Weise zu eigen ist auf spezifische Weise aus. Sie wird mit dem Begriff »Weltcharakter« bezeichnet.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 31. </ref>
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Das Konzil beschreibt diese Welthaftigkeit der Laien vor allem als den Ort, an dem der Ruf Gottes sie trifft: »Dort sind sie von Gott gerufen«.<ref> Ebd. </ref> Dieser Ort wird mit Hilfe von dynamischen Begriffen dargestellt: Die Laien »leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist«.<ref> Ebd. </ref> 
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Die Laien leben in den gewöhnlichen Strukturen der Welt, sie studieren, arbeiten, gehen freundschaftliche, soziale, berufliche und kulturelle Beziehungen ein usw. Das Konzil betrachtet diese ihre Lebensverhältnisse nicht nur als ein äußerliches und milieubedingtes Moment, sondern als eine Wirklichkeit, die in Jesus Christus die Fülle ihrer Bedeutung finden muss.<ref> Vgl. ebd., 48. </ref> Es behauptet, dass das »fleischgewordene Wort ... selbst in die menschliche Gesellschaft eingehen (wollte) ... Die menschlichen, besonders die familiären Verflechtungen, den Anfang der Gesellschaftlichkeit überhaupt, hat er geheiligt; freiwillig den Gesetzen seines Heimatlandes untertan; er hat das Leben eines Arbeiters, wie es Zeit und Land eigen war, leben wollen«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], Pastoralkonstitution über die [[Kirche]] in der Welt von heute [[Gaudium et spes]], Nr. 32. </ref> 
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So wird »die Welt« zum Bereich und zum Mittel der Erfüllung der christlichen Berufung der Laien, weil sie dazu bestimmt ist, in Christus Gott den Vater zu verherrlichen. Darum kann das Konzil auf den spezifischen Sinn der göttlichen Berufung, die an die Laien ergeht, hinweisen. Sie sind nicht dazu berufen, ihren Ort in der Welt zu verlassen.
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Wie schon der Apostel Paulus lehrte, nimmt die Taufe sie nicht aus der Welt: »Brüder, ein jeder soll vor Gott in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat« (1 Kor 7, 24). Die Taufe beinhaltet vielmehr eine Sendung, die sich gerade auf die Situation in der Welt bezieht: Die Laien sind »von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen, und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 31. </ref> So stellen das In-der-Welt-Sein und In-der-Welt-Handeln für die Laien nicht nur eine anthropologische und soziologische Gegebenheit dar, sondern auch und vor allem eine spezifisch theologische und kirchliche. In der Welt offenbart Gott ihnen seinen Willen und ihre besondere Berufung, »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> Ebd. </ref> 
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In dieselbe Richtung geht auch die Behauptung der Synodenväter: »Der Weltcharakter der Laien kann darum nicht nur im soziologischen, sondern muss auch im theologischen Sinn betrachtet werden. Das Merkmal der Welthaftigkeit muss im Licht des Schöpfungs- und Erlösungsaktes Gottes betrachtet werden, der die Welt den Menschen anvertraut, damit sie am Schöpfungswerk teilnehmen, die Schöpfung von den Folgen der Sünde befreien und sich selbst in der Ehe oder in der Ehelosigkeit, in der Familie, im Beruf und in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens heiligen«.<ref> Propositio 4. </ref>
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Der Ort der Laien in der Kirche muss grundsätzlich von dieser Neuheit des Christlichen her definiert und durch den Weltcharakter der Laien charakterisiert werden.<ref> „Die [[Laie]]n sind vollwertige Glieder des [[Volk Gottes|Volkes Gottes]] und des [[Mystischer Leib Christi|mystischen Leibes Christi]]. Durch die [[Taufe]] haben sie Anteil am dreifachen, priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi. Sie bezeugen und verwirklichen den Reichtum dieser Würde durch ihr Leben in der Welt. Was für die geweihten Amtsträger eine zusätzliche oder außerordentliche Aufgabe sein kann, ist  spezifische Sendung der Laien. Ihre eigene Berufung ist es, ,in einer Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen‘ ([[Lumen gentium]], Nr. 31)“ ([[Johannes Paul II.]], [[Angelus]] am 15. März 1987: Insegnamenti, X, 1 [1987], 561). </ref>
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Die Bilder des Evangeliums: das Salz, das Licht und der Sauerteig, treffen unterschiedslos auf alle Jünger Jesu zu, aber in besonderer Weise auf die Laien. Sie haben eine wundersam tiefe Bedeutung für sie, denn sie bringen nicht nur die tiefe Verankerung und die volle Teilhabe der Laien auf der Erde, in der Welt, in der Gemeinschaft der Menschen zum Ausdruck, sondern auch und vor allem das Neue und Originelle einer Verankerung und einer Teilhabe, die ihren Sinn in der Verbreitung des heilbringenden Evangeliums findet.
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===Zur Heiligkeit berufen===
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'''16''' Die Würde der Laien erschließt sich uns voll, wenn wir die erste und fundamentale Berufung betrachten, die der Vater in Jesus Christus durch den Heiligen Geist an einen jeden von ihnen richtet: Die Berufung zur Heiligkeit, das heißt zur Vollkommenheit in der Liebe. Der Heilige ist das vollkommenste Zeugnis der Würde, die dem Jünger Christi verliehen wurde.
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Das II. Vatikanische Konzil hat Entscheidendes über die universelle Berufung zur Heiligkeit gesagt. Man kann sogar behaupten, dass dieser der wichtigste Auftrag eines Konzils, das die Erneuerung des christlichen Lebens im Sinn des Evangeliums zum Ziel hatte,<ref> Vgl. vor allem FÜNFTES KAPITEL der Dogmatischen Konstitution über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 39–42, das von der „Allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der [[Kirche]]” handelt. </ref> an alle Söhne und Töchter der Kirche ist. Er ist nicht lediglich eine moralische Ermahnung, sondern eine unausweichliche Forderung, die sich aus dem Geheimnis der Kirche ergibt: Die Kirche ist der erwählte Weinstock, dessen Reben aus dem heiligen und heiligenden Lebensstrom Christi leben; sie ist der mystische Leib, dessen Glieder am Heiligkeitsleben des Hauptes selbst, das Christus ist, teilnehmen; sie ist die geliebte Braut des Herrn Jesus, der sich selbst dahingegeben hat, um sie zu heiligen (vgl. Eph 5, 25 ff.). Der Geist, der die menschliche Natur Jesu im jungfräulichen Schoß Marias geheiligt hat (vgl. Lk 1, 35), ist derselbe Geist, der in der Kirche gegenwärtig und wirksam ist, um ihr die Heiligkeit des menschgewordenen Gottessohnes mitzuteilen.
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Das Gebot der Stunde geht heute mehr denn je dahin, dass alle Christen den Weg der Erneuerung im Geist des Evangeliums begehen, um sich hochherzig der Aufforderung des Apostels zu stellen, dass ihr »ganzes Leben heilig« werde (1 Petr 1, 15). Zwanzig Jahre nach dem Abschluss des Konzils hat die Außerordentliche Synode 1985 auf diese dringende Notwendigkeit hingewiesen: »Weil die Kirche in Christus Geheimnis ist, muss sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit verstanden werden ... In den schwierigsten Situationen der Geschichte der Kirche standen am Ursprung der Erneuerung immer Heilige. Heute brauchen wir notwendig Heilige, die wir uns beharrlich von Gott erbeten müssen«.<ref> AUSSERORDENTLICHE VOLLVERSAMMLUNG DER [[Bischofssynode]] (1985), Schlussdokument [[Exeunte coetu secundo|Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute  mundi]], II, A, 4. </ref>
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Weil sie ihre Glieder sind, empfangen und teilen alle in der Kirche die universelle Berufung zur Heiligkeit. Auch die Laien sind ohne den geringsten Unterschied wie die anderen Glieder der Kirche voll und ganz dazu berufen: »Jedem ist also klar, dass alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 40. </ref> »Alle Christgläubigen sind also zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet«.<ref> Ebd., 42. Diese feierliche und unmissverständliche Erklärung des Konzils bringt eine Grundwahrheit des christlichen Glaubens in Erinnerung. So schreibt zum Beispiel Pius XI. in der [[Enzyklika]] Casti connubii an die christlichen Eheleute: „Alle können und müssen – welchen Stand und welche ehrbare Lebensform sie auch immer gewählt haben mögen – dem vollkommensten Vorbild aller Heiligkeit, den Gott den Menschen geschenkt hat, unseren Herrn [[Jesus Christus]] nachahmen. Mit Gottes Hilfe mögen sie zur höchsten christlichen Vollkommenheit gelangen, wie das Beispiel vieler Heiligen es zeigt“: [[AAS]] 22 (1930), 548. </ref> Die Berufung zur Heiligkeit hat in der Taufe ihre Wurzeln und wird in den anderen Sakramenten, vor allem in der Eucharistie, erneuert. Da sie Christus angezogen und sich vom Heiligen Geist genährt haben, sind die Christen »heilig« und darum befähigt und verpflichtet, die Heiligkeit ihres Seins in der Heiligkeit ihres ganzen Wirkens zu zeigen. Der Apostel Paulus wird nicht müde, alle Christen zu ermahnen, so zu leben, »wie es sich für Heilige gehört« (Eph 5, 3).
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Das Leben nach dem Geist, dessen Frucht die Heiligung ist (vgl. Röm 6, 22; Gal 5, 22), fordert von jedem Getauften Nachfolge und Nachahmung Christi und befähigt ihn dazu: in der Annahme der Seligpreisungen, im Hören und Betrachten des Wortes Gottes, in der bewussten und aktiven Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche, im persönlichen Gebet, im Gebet der Familie und der Gemeinschaften, im Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, in der Erfüllung des Gebotes der Liebe in allen Situationen des Lebens und im Dienst an den Brüdern, vor allem den Kleinen, Armen und Leidenden.
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===In der Welt zur Heiligkeit gelangen===
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'''17''' Die Berufung der Laien zur Heiligkeit bringt es mit sich, dass das Leben nach dem Geist vor allem in ihrem Einbezogensein in den weltlichen Bereich und in ihrer Teilnahme an den irdischen Tätigkeiten zum Ausdruck kommt. Der Apostel ermahnt uns noch einmal: »Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!« (Kol 3, 17). Das Konzil wendet die Worte des Apostels auf die Laien an und erklärt ausdrücklich: »Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellen, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dekret]] über das Laienapostolat [[Apostolicam actuositatem]],  Nr. 4. </ref> Die Synodenväter meinten ihrerseits: »Die Einheit des Lebens der Laien ist von entscheidender Bedeutung: Sie müssen sich in ihrem alltäglichen beruflichen und gesellschaftlichen Leben heiligen. Um ihre Berufung zu erfüllen, müssen die Laien ihr Tun im Alltag als Möglichkeit der Vereinigung mit Gott und der Erfüllung seines Willens sowie als Dienst an den anderen Menschen betrachten, um sie in Christus zur Gemeinschaft mit Gott zu führen«.<ref> Propositio 5. </ref>
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Die Laien müssen ihre Berufung zur Heiligkeit als unverzichtbare Pflicht, die sie fordert, vor allem aber als leuchtendes Zeichen der Liebe Gottes, der sie zu seinem Leben der Heiligkeit erlöst hat, verstehen und verwirklichen. Eine solche Berufung muss sich also als wesentlicher und untrennbarer Bestandteil des neuen Lebens, das uns in der Taufe geschenkt wurde, und somit als konstitutiver Bestandteil der Würde der Laien verstehen. Die Berufung zur Heiligkeit ist mit der Sendung sowie mit der Verantwortung, die den Laien in der Kirche und in der Welt anvertraut ist, aufs engste verknüpft. Die gelebte Heiligkeit, die aus der Teilnahme am Heiligkeitsleben der Kirche fließt, stellt den ersten und grundlegenden Beitrag zum Aufbau der Kirche als »Gemeinschaft der Heiligen« dar. Im Licht des Glaubens erschließt sich uns ein wundervoller Horizont: Die zahlreichen Laien, Männer und Frauen, die in ihrem Leben und ihrem alltäglichen Tun oft ungesehen und sogar unverstanden, von den Großen dieser Erde nicht anerkannt, aber vom Vater in Liebe angeschaut, unermüdliche Arbeiter im Weinberg des Herrn sind und so demütige, aber - durch die Kraft der Gnade Gottes - große Mitwirkende am Wachstum des Reiches Gottes in der Geschichte werden.
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Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche. Die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der apostolischen Wirksamkeit und der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit. Nur in dem Maß, in dem sie sich als Braut Christi seiner Liebe aussetzt und ihn wiederliebt, wird die Kirche im Geist zur fruchtbaren Mutter.
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Greifen wir wieder zurück zum biblischen Bild: das Sprießen und Wachsen der Reben ist gegeben durch ihre Verbindung mit dem Weinstock. »Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt vor mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15, 4-5).
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Es liegt nahe, hier die feierlichen Selig- und Heiligsprechungen von Laien, Männer und Frauen, die während der Synode stattgefunden haben, in Erinnerung zu rufen. Das gesamte Volk Gottes und vor allem die Laien können nun auf neue Vorbilder der Heiligkeit, die in gewöhnlichen und alltäglichen Situationen menschlicher Existenz gelebt haben, auf neue Zeugnisse heroischer Tugend schauen. Die Synodenväter sagten darüber: »Die Ortskirchen und vor allem die sogenannten jungen Kirchen müssen aufmerksam unter ihren Gliedern jene Männer und Frauen zu erkennen suchen, die in diesen Situationen (den alltäglichen Situationen der Welt und des Ehestandes) ein Zeugnis der Heiligkeit gegeben haben und anderen Vorbild sein können, damit sie gegebenenfalls für die Selig- oder Heiligsprechung vorgeschlagen werden«.<ref> Propositio 8. </ref>
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Am Schluss dieser Überlegungen, die den Ort der Laien in der Kirche definieren wollten, kommt uns die berühmte Ermahnung Leos des Großen in den Sinn: »O Christ, erkenne deine Würde!«<ref> [[Leo der Große]], Sermo XXI, 3: S. Ch. 22 bis, 72. </ref> Die gleiche Ermahnung hat Maximus, Bischof von Turin, an alle gerichtet, die die Salbung der heiligen Taufe empfangen hatten: »Bedenkt die Ehre, die euch in diesem Geheimnis zuteil wurde!«<ref> Maximus, Tract. III de Baptismo: [[PL]] 57, 779. </ref> Alle Getauften sind aufgerufen, erneut auf die Worte des heiligen Augustinus zu hören: »Freuen wir uns und danken wir: wir sind nicht nur Christen, sondern Christus geworden ... Staunt und frohlockt: Wir sind Christus geworden«.<ref> [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], In Ioann. Evang. tract., 21, 8: [[CCL]] 36, 216. </ref>
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Die christliche Würde, die Ursprung der Gleichheit aller Glieder der Kirche ist, gewährleistet und fördert den Geist der communio und der Brüderlichkeit und ist zugleich Geheimnis und Kraftquelle der apostolischen und missionarischen Dynamik der Laien. Diese Würde ist anspruchsvoll, sie ist die Würde der Arbeiter, die der Herr in seinen Weinberg gerufen hat: »So obliegt allen Laien« - lesen wir in den Konzilstexten - »die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche«.<ref> [[II. Vatikanisches Konzil]], [[Dogmatische Konstitution]] über die [[Kirche]] [[Lumen gentium]], Nr. 33. </ref>
  
 
[Forsetzung folgt]
 
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Version vom 21. Juli 2015, 08:00 Uhr

Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Christifideles laici

von Papst Johannes Paul II.
an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die Ordensleute, an alle Laien
zum Thema „Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt"
Die VII. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 1. bis 30. Oktober 1987 statt
30. Dezember 1988
(Offizieller lateinischer Text: AAS 81 [1989] 393-521)

(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 87)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG

1 DIE LAIEN (Christifideles laici), deren »Berufung und Sendung in Kirche und Welt zwanzig Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil« Thema der Bischofssynode 1987 war, gehören zu jenem Volk Gottes, für das die Weinbergarbeiter im Matthäusevangelium stehen: »Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg« (Mt 20, 1-2).

Das Gleichnis des Evangeliums öffnet unseren Blick für den weit ausgedehnten Weinberg des Herrn und für die großen Scharen von Männern und Frauen, die er ruft und sendet, darin zu arbeiten. Der Weinberg ist die ganze Welt (vgl. Mt 13, 38), die nach dem Plan Gottes für das endgültige Kommen des Reiches gewandelt werden muss.

Geht auch ihr in meinen Weinberg

2 »Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg« (Mt 20, 3-4).

Von diesem Tag an erklingt der Ruf unseres Herrn Jesus in der Geschichte weiter: »Geht auch ihr in meinen Weinberg«. Er richtet sich an jeden Menschen, der in diese Welt eintritt.In unseren Tagen ist in der Kirche durch die erneute Herabkunft des Heiligen Geistes, die mit dem II. Vatikanischen Konzil geschehen ist, ein vertieftes Bewusstsein ihres missionarischen Charakters gereift. Sie hat neu auf die Stimme ihres Herrn gehört, der sie als »allumfassendes Heilssakrament«<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 48. </ref> in die Welt sendet.

Geht auch ihr. Der Ruf ergeht nicht nur an die Hirten, an die Priester, an die Ordensleute. Er umfasst alle. Auch die Laien sind persönlich vom Herrn berufen, und sie empfangen von ihm eine Sendung für die Kirche und für die Welt.

Gregor der Große erinnert an diese Tatsache wenn er zum Volk predigt und das Gleichnis vom Weinberg so kommentiert: »Überprüft eure Lebensweise, geliebteste Brüder, und seht, ob ihr schon Arbeiter des Herrn seid. Ein jeder von euch überdenke, was er tut, und überlege, ob er dem Weinberg des Herrn dient«.<ref>Gregor der Große, Hom. in Evang. 1, XIX, 2: PL 76, 1155. </ref>

Vor allem das Konzil hat wertvolle Passagen seiner so reichhaltigen theologischen, spirituellen und pastoralen Lehre dem Wesen, der Würde, der Spiritualität, der Sendung und der Verantwortung der Laien gewidmet. Und die Konzilsväter haben den Ruf Christi wiederholt und alle Laien, Männer und Frauen, gerufen, in seinem Weinberg zu arbeiten: »Das Heilige Konzil beschwört also im Herrn inständig alle Laien, dem Ruf Christi, der sie in dieser Stunde noch eindringlicher einlädt, und dem Antrieb des Heiligen Geistes gern, großmütig und entschlossen zu antworten. In besonderer Weise möge die jüngere Generation diesen Anruf als an sich gerichtet betrachten und ihn mit Freude und Hochherzigkeit aufnehmen; denn der Herr selbst lädt durch diese Heilige Synode alle Laien noch einmal ein, sich von Tag zu Tag inniger mit ihm zu verbinden und sich in seiner heilbringenden Sendung zusammenzuschließen; dabei seien sie auf das, was sein ist, wie auf ihr eigenes bedacht (vgl. Phil 2, 5).Von neuem sendet er sie in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst kommen will (vgl. Lk 10, 1)«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 33. </ref>

Geht auch ihr in meinen Weinberg. Diese Worte sind während der Bischofssynode, die in Rom vom 1. bis 30. Oktober 1987 stattgefunden hat, gleichsam neu erklungen. Die Väter gingen den Spuren des Konzils nach und öffneten sich den persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen der gesamten Kirche. Durch die vorausgegangenen Synoden bereichert, haben sie sich spezifisch und umfassend mit dem Thema der Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt befasst.

Bei dieser Bischofsversammlung fehlte es nicht an Vertretungen qualifizierter Laien, Männer und Frauen, die für die Arbeit der Synode einen wesentlichen Beitrag eingebracht haben. Dieser ist bei der Abschlusshomilie öffentlich gewürdigt worden: »Wir danken nicht nur dafür, dass wir uns während der Synode an der Teilnahme der Laien (der »Auditores« und der »Auditrices«) erfreuen konnten, sondern mehr noch dafür, dass der Verlauf der Diskussionen uns die Möglichkeit gegeben hat, die Stimme der Gäste, der Vertreter der Laien aus der ganzen Welt und aus den verschiedenen Ländern zu hören und ihre Erfahrungen, ihre Ratschläge und Vorschläge, die aus ihrer Liebe für die gemeinsame Sendung entspringen, in uns aufzunehmen«.<ref>Johannes Paul II., Homilie beim feierlichen Abschlussgottesdienst der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 598. </ref>

Der Blick auf die nachkonziliare Zeit schenkte den Synodenvätern die Überzeugung, dass der Geist die Kirche weiterhin erneuert, indem er in zahlreichen Laien neue Impulse der Heiligkeit und der Teilnahme weckt. Zeugnis davon gibt unter anderem der neue Stil der Zusammenarbeit zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien; die Mitwirkung in der Liturgie, in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese; die vielen Dienste, die Laien anvertraut und von diesen übernommen werden; das vielfältige Entstehen von Gruppen, Vereinigungen und geistlichen Gemeinschaften, sowie von gemeinsamen Initiativen der Laien; die umfassendere und bedeutsamere Teilnahme der Frauen am Leben der Kirche und an den Entwicklungen in der Gesellschaft.

Die Synode hat aber auch gezeigt, dass der Weg, den die Laien nach dem Konzil begangen haben, nicht ganz frei von Gefahren und Schwierigkeiten war. Wir denken vor allem an zwei Versuchungen, denen sie nicht immer widerstanden haben: Die Versuchung, ihr Interesse so stark auf die kirchlichen Dienste und Aufgaben zu konzentrieren, dass sie sich praktisch oft von ihrer Verantwortung im Beruf, in der Gesellschaft, in der Welt der Wirtschaft, der Kultur und der Politik dispensieren; und die Versuchung, die zu Unrecht bestehende Kluft zwischen Glauben und Leben, zwischen der grundsätzlichen Annahme des Evangeliums und dem konkreten Tun in verschiedenen säkularen und weltlichen Bereichen zu rechtfertigen. Die Synode hat in ihrer Arbeit immer wieder auf das II. Vatikanische Konzil zurückgegriffen, dessen Lehre über die Laien aus einem Abstand von zwanzig Jahren eine erstaunliche Aktualität, ja eine fast prophetische Bedeutung aufweist. Sie kann die Antworten, die heute auf die neuen Probleme gegeben werden müssen, erhellen und für diese richtungweisend sein. Die Herausforderung, der sich die Synodenväter stellten, bestand im Grunde darin, konkrete Wege zu finden, damit die vielversprechende »Theorie« über die Laien, die das Konzil zum Ausdruck gebracht hat, zur echten kirchlichen Praxis wird. Einige Probleme treten durch eine bestimmte »Neuartigkeit« hervor, so dass sie zumindest im chronologischen Sinn als nachkonzilar bezeichnet werden können. Ihnen widmeten die Synodenväter im Lauf ihrer Besprechungen und Überlegungen besondere Aufmerksamkeit. Von diesen sollen vor allem die kirchlichen Dienste und Aufgaben, die Laien anvertraut sind oder anvertraut werden sollen, hier genannt sein, das Wachstum und die Verbreitung von neuen »Bewegungen« neben anderen Formen der Zusammenschlüsse der Laien sowie die Stellung und Aufgabe der Frau in Kirche und Gesellschaft.

Am Schluss ihrer Arbeit, die sie mit großem Engagement, mit Kompetenz und Hochherzigkeit ausgeführt haben, legten die Synodenväter mir den Wunsch und die Bitte vor, zu gegebener Zeit der Kirche ein Abschlussdokument über die Laien zu schenken.<ref>Vgl. Propositio 1. </ref>

Dieses nachsynodale Apostolische Schreiben möchte den Wert und den Reichtum der gesamten Synodenarbeit ins Licht stellen, angefangen von den Lineamenta bis hin zum Instrumentum Laboris, von der einleitenden Relatio bis zu den Beiträgen der einzelnen Bischöfe und Laien und der zusammenfassenden Relatio nach der Diskussion im Plenum, von den Diskussionen und Berichten der »circoli minori« bis hin zu den »propositiones« und der Schlussbotschaft. Darum ist dieses Dokument nicht neben der Synode zu sehen, sondern es ist vielmehr ihr getreuer und kohärenter Ausdruck. Es ist das Ergebnis der kollegialen Arbeit, zu deren endgültigem Gelingen der Rat des Generalsekretariates der Synode und das Sekretariat selbst beigetragen haben.

Das Apostolische Schreiben möchte ein neues Bewusstsein von den Gaben und der Verantwortung aller Laien und jedes einzelnen für die Sendung und communio der Kirche wecken und lebendig erhalten.

Die Bedürfnisse der heutigen Welt: Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?

3 Der tiefste Sinn dieser Synode und die kostbarste Frucht, die sie sich gewünscht hat, liegen darin, dass die Laien den Ruf Christi vernehmen, in seinem Weinberg zu arbeiten, in dieser herausragenden und dramatischen Stunde der Geschichte am Übergang zum dritten Jahrtausend an der Sendung der Kirche teilzunehmen: lebendig, verantwortlich und bewusst.

Neue kirchliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und kulturelle Gegebenheiten rufen heute mit besonderer Intensität nach dem Engagement der Laien. Sich der Verantwortung zu entziehen, war schon immer verfehlt. Heute aber liegt darin eine noch größere Schuld. Niemandem ist es erlaubt, untätig zu bleiben.

Verfolgen wir das Gleichnis des Evangeliums weiter: »Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, die dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!« (Mt 20, 6-7).

Die Arbeit, die alle im Weinberg des Herrn erwartet, ist so groß, dass kein Raum für Untätigkeit bleibt. Der »Gutsbesitzer« wiederholt noch nachdrücklicher seine Einladung: »Geht auch ihr in meinen Weinberg!«

Im tiefsten Wesen eines jeden Christen, der durch den Glauben und die christlichen Initiationssakramente Christus gleichgeschaltet, lebendiges Glied der Kirche und aktives Subjekt ihrer Heilssendung ist, erklingt die Stimme des Herrn. Sie wird aber auch in den Ereignissen der Kirchengeschichte und der Geschichte der Menschen vernehmbar, wie das Konzil es uns in Erinnerung gebracht hat: »Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluss hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 11. </ref> Wir müssen darum einen klaren Blick auf diese unsere Welt mit ihren Werten und mit ihren Problemen, mit ihren Nöten und mit ihren Hoffnungen, mit ihren Errungenschaften und mit ihren Niederlagen werfen: Eine Welt, deren wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Verhältnisse größere und gravierendere Probleme und Schwierigkeiten aufweisen, als die, die das Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes<ref>Während der Außerordentlichen Synode 1985 haben die Väter „die große Bedeutung und Aktualität der Pastoralkonstitution Gaudium et spes“ neu herausgestellt. Sie sagte weiter: „Wir erkennen aber auch, dass die Zeichen unserer Zeit zum Teil anders sind als zur Zeit des Konzils, dass sie größere Nöte und Probleme beinhalten. Überall auf der Welt verbreiten sich Hunger, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Krieg, Leiden, Terrorismus und verschiedene andere Formen der Gewalt“ (Schlussdokument Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi, II, D. 1). </ref> beschrieben hat. Und dennoch ist diese Welt der Weinberg, sie ist der Ort, wo die Laien dazu berufen sind, ihre Sendung zu erfüllen. Jesus will, dass sie wie alle seine Jünger Salz der Erde und Licht der Welt seien (vgl. Mt 5, 13-14): Wie aber sieht das Antlitz der »Erde« und der »Welt« aus, deren »Salz« und »Licht« die Christen sein sollen?

Die Verschiedenheit der Situationen und Probleme in der heutigen Welt ist groß und von raschen Veränderungen gekennzeichnet. Von unzutreffenden Verallgemeinerungen und Vereinfachungen muss darum abgesehen werden. Aber es ist möglich, einige Grundtendenzen, die in der heutigen Gesellschaft erkenntlich sind, aufzugreifen. Wie auf dem Feld, das im Evangelium beschrieben wird, Unkraut und gutes Getreide wachsen, so finden sich in der Geschichte als der täglichen Bühne des oft widersprüchlichen Gebrauchs menschlicher Freiheit das Gute und das Böse, die Ungerechtigkeit und die Gerechtigkeit, die Not und die Hoffnung oft nebeneinander und zuweilen sogar eng miteinander verkettet.

Säkularismus und Bedürfnis nach dem Religiösen

4 Die wachsende Verbreitung der religiösen Gleichgültigkeit und des Atheismus in ihren verschiedenen Ausprägungen, vor allem in der heute geläufìgsten Form des Säkularismus, kann nicht ungenannt bleiben. Vom Erfolg seiner Errungenschaften und durch die unaufhaltsame wissenschaftliche und technische Entwicklung verblendet, mehr noch aber durch die älteste und immer neue Versuchung, im unbegrenzten Gebrauch seiner Freiheit wie Gott sein zu wollen (vgl. Gen 3, 5) fasziniert, reißt der Mensch die religiösen Wurzeln aus seinem Herzen. Er vergisst Gott, betrachtet ihn als bedeutungslos für seine eigene Existenz und verwirft ihn, um verschiedenste »Idole« anzubeten.

Das aktuelle Phänomen des Säkularismus ist in Wahrheit ein schweres Problem: Es betrifft nicht nur den einzelnen, sondern in gewissem Sinn auch ganze Gemeinschaften, wie es das Konzil schon herausgestellt hat: »... breite Volksmassen (geben) das religiöse Leben praktisch auf«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 7. </ref> Ich habe selbst schon des öfteren das Phänomen der Entchristlichung in Erinnerung gerufen, das die Völker alt überkommener christlicher Tradition befällt und dringendst eine neue Evangelisierung erfordert.

Und dennoch lassen sich das Suchen und das Bedürfnis nach dem Religiösen nicht ganz aus löschen. Das Gewissen eines jeden Menschen, der den Mut aufbringt, sich den fundamentalsten Fragen menschlicher Existenz zu stellen, vor allem der Frage nach dem Sinn des Lebens, des Leidens und Sterbens, kommt nicht umhin, sich das Wort der Wahrheit, das der heilige Augustinus ausrief, anzueignen: »Auf dich hin, o Herr, hast du uns erschaffen. Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir«.<ref>Augustinus, Confessiones I, 1: CCL 27, 1. </ref> So zeugt auch die heutige Welt in immer vielfältigerer und lebendigerer Weise vom Geöffnetsein der Menschen auf ein geistliches und transzendentes Verständnis des Lebens hin, von einer neuen Suche nach religiösen Werten, von der Wiederkehr zum Heiligen und zum Gebet, vom Verlangen nach der Freiheit, den Namen des Herrn anzurufen.

Der Mensch: erniedrigte und erhöhte Würde

5 Denken wir darüber hinaus an die vielen Verletzungen, denen der Mensch heute ausgesetzt ist. Immer dann, wenn er in seiner Würde als lebendiges Abbild Gottes (vgl. Gen 1, 26) nicht anerkannt und geliebt wird, ist der Mensch den verdemütigendsten und absurdesten Formen des Missbrauchs, die ihn erbarmungslos zum Sklaven des Stärkeren machen, ausgeliefert. Dieses Stärkere kann verschiedene Namen tragen: Ideologie, wirtschaftliche Macht, unmenschliche politische Systeme, wissenschaftliche Technokratie, Überflutung durch die Massenmedien. Hier stehen wir wieder vor Scharen unserer Brüder und Schwestern, deren Grundrechte auch wegen einer übertriebenen Toleranz und sogar offenkundigen Ungerechtigkeit gewisser bürgerlicher Gesetzgebungen verletzt werden: Das Recht auf Leben und dessen Unantastbarkeit, das Recht auf Wohnung und Arbeit, das Recht auf die Gründung einer Familie und auf verantwortliche Elternschaft, das Recht auf Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben, das Recht auf Gewissensfreiheit und freies Bekenntnis des Glaubens.

Wer kann die Zahl der Kinder nennen, die nicht geboren wurden, weil man sie im Schoß ihrer Mütter getötet hat, der von ihren Eltern verlassenen und misshandelten Kinder, der Kinder, die ohne Liebe und Erziehung aufwachsen? In einigen Ländern müssen ganze Völker auf Wohnung und Arbeit verzichten. Sie verfügen auch nicht über die erforderlichen Mittel, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können und nicht einmal das Unentbehrliche und Lebensnotwendige wird ihnen zugestanden. In schrecklichen Ausmaßen haben materielle und moralische Elends- und Armutserscheinungen in den Stadtrandgebieten der großen Metropolen Hausrecht gewonnen und ganze Menschengruppen werden tödlich von ihnen getroffen.

Mag die Sakralität der Person aber noch zu oft verachtet und verletzt werden, vernichten kann man sie nicht. Ihr unzerstörbares Fundament gründet in Gott, dem Schöpfer und Vater, darum wird die Sakralität der Person sich immer wieder aufs neue behaupten.

Aus diesem Grund erfasst eine größere Sensibilität für die Personwürde eines jeden Menschen immer weitere Kreise. Wie ein befreiender Strom durchzieht nunmehr das Bewusstsein der Würde der Menschen alle Völker: Der Mensch ist keine »Sache« und kein »Objekt«, das benutzt werden kann, sondern immer und allein »Subjekt«, dem Gewissen und Freiheit zu eigen ist, der dazu berufen ist, in der Gesellschaft und in der Geschichte verantwortlich zu leben und sich nach den geistigen und religiösen Werten auszurichten.

Es wurde behauptet, unsere Zeit sei eine Zeit der »Humanismen«. Einige von ihnen, die atheistischer und säkularistischer Prägung sind, führen letztlich zum Paradox der Verdemütigung und Vernichtung des Menschen; andere Humanismen wiederum verherrlichen ihn bis hin zur wahren Idolatrie; wieder andere erkennen schließlich der Wahrheit entsprechend die Größe und das Elend des Menschen an, und sie bekennen, unterstützen und fördern seine volle Würde.

Zeichen und Frucht dieser humanistischen Strömungen ist das wachsende Bedürfnis nach Teilhabe. Dieses ist ohne Zweifel eines der Kennzeichen der heutigen Menschheit, ein wahres »Zeichen der Zeit«, das auf verschiedenen Gebieten und in verschiedene Richtungen reift: vor allem unter den Frauen und Jugendlichen, und das nicht nur in Richtung des Familien- und Schulwesens, sondern auch im kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich. Das Bedürfnis, Protagonisten und in gewissem Sinn Schöpfer einer neuen humanistischen Kultur zu sein, wird sowohl auf individueller wie auf universaler Basis beobachtet.<ref>Vgl. Instrumentum laboris, „De vocatione et missione laicorum in Ecclesia et in mundo viginti annis a Concilio Vaticano II elapsis”, 5-10. </ref> 

Konfliktualität und Friede

6 Schließlich darf ein anderes, für die heutige Menschheit charakteristisches Phänomen nicht unerwähnt bleiben. Die Menschheit wird wie vielleicht noch nie zuvor in ihrer Geschichte täglich und tiefgreifend durch das Erlebnis der Konfliktualität aus dem Gleichgewicht gebracht. Es handelt sich hier um ein pluriformes Phänomen, das sich vom legitimen Pluralismus der Mentalitäten und der Initiativen unterscheidet und sich in verhängnisvollen Gegensätzen zwischen Menschen, Gruppen, Kategorien, Nationen und Nationenblocks Ausdruck verschafft. Diese Gegensätze äußern sich in Gewalt, Terrorismus und Kriegen. Wieder einmal, dieses Mal jedoch in weit größeren Ausmaßen, wiederholen ganze Teile der heutigen Menschheit den törichten Versuch, den »Turm zu Babel« zu erbauen (vgl. Gen 11, 1-9), weil sie ihre »Allmacht« bekunden wollen. Das Ergebnis dieses Experimentes aber bleibt Verwirrung, Kampf, Auflösung und Unterdrückung. Die Menschheitsfamilie ist bis in ihr Inneres hinein auf dramatische Weise erschüttert und zerrissen.

Das Streben nach dem unermesslichen Gut des Friedens in Gerechtigkeit lässt sich dennoch nicht aus den Herzen der einzelnen und der Völker ausrotten. Die Seligpreisung des Evangeliums: »Selig, die Frieden stiften« (Mt 5, 9) findet unter den heutigen Menschen eine neue und bedeutungsträchtige Resonanz: Ganze Völker leben, leiden und arbeiten heute für Frieden und Gerechtigkeit.

Die Teilnahme von immer mehr Menschen am Leben der Gesellschaft ist heute der gängigste Weg, damit der Friede nicht reiner Wunsch bleibt, sondern Realität wird. Auf diesem Weg begegnen wir vielen Laien, die sich im sozialen und politischen Bereich, institutionell oder freiwillig in den vielfältigen Formen des Dienstes an den Ärmsten hochherzig engagieren.

Jesus Christus, Hoffnung der Menschheit

7 So sieht das immense und steinige Feld aus, das sich den Arbeitern auftut, die der »Gutsbesitzer« in seinen Weinberg sendet. Die Kirche: wir alle, Hirten und Gläubige, Priester, Ordensleute und Laien arbeiten auf diesem Feld. Die Situationen, die eben in Erinnerung gerufen worden sind, betreffen die Kirche auf entscheidende Weise, denn sie wird dadurch in gewissem Sinn eingeengt, aber nicht zermalmt und auch nicht überwältigt, denn der Heilige Geist, ihr Lebensprinzip, unterstützt sie bei der Erfüllung ihrer Sendung.

Die Kirche weiß, dass alles Bemühen der Menschheit um Einheit und Teilhabe trotz aller Schwierigkeiten, Verzögerungen und Widersprüche, die menschliche Kontingenz, Sünde und das Böse verursachen, in der Heilstat Jesu Christi, dem Erlöser des Menschen und der Welt, eine Antwort finden wird.

Die Kirche weiß sich von ihm gesandt als »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 1. </ref>

Darum kann die Menschheit dennoch hoffen, ja, sie muss hoffen: Das personifizierte und lebendige Evangelium, Jesus Christus selbst, ist die »neue Botschaft«, die Freude bringt, und die die Kirche jeden Tag allen Menschen verkündet und bezeugt.

In dieser Verkündigung und in diesem Zeugnis kommt den Laien ein spezifischer und unersetzlicher Beitrag zu: Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent.

ERSTES KAPITEL: ICH BIN DER WEINSTOCK, IHR SEID DIE REBEN.
Die Würde der Laien im Geheimnis der Kirche

Das Geheimnis des Weinbergs

8 Das Bild des Weinstocks wird in der Bibel auf vielfache Weise und in einem vielfältigen Sinn benutzt. Es dient aber vor allem dazu, das Geheimnis des Volkes Gottes zum Ausdruck zu bringen. In dieser tieferen Deutung sind die Laien nicht nur Arbeiter, die im Weinberg arbeiten, sondern Teil des Weinbergs selbst. Jesus sagt: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« (Joh 15, 5).

Schon im Alten Testament greifen die Propheten zum Bild des Weinbergs, um das Volk Gottes zu bezeichnen. Israel ist Gottes Weinberg, das Werk des Herrn, die Freude seines Herzens: »Ich aber hatte dich als Edelrebe gepflanzt, als gutes, als edles Gewächs« (Jer 2, 21); »Deine Mutter war wie ein Weinstock im Garten, der am Wasser gepflanzt ist. Voll von Früchten und Ranken war er wegen des Reichtums an Wasser« (Ez 19, 10); »Mein Freund hat einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben« (Jes 5, 1-2).

Jesus nimmt das Symbol des Weinbergs wieder auf und benutzt es, um einige Grundzüge des Reiches Gottes zu offenbaren: »Ein Mann legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land« (Mk 12, 1; vgl. Mt 21, 28 ff.).

Der Evangelist Johannes lädt uns ein, tiefer zu gehen und das Geheimnis des Weinbergs zu entdecken: Der Weinberg symbolisiert und verkörpert nicht nur das Volk Gottes, sondern Jesus selbst. Er ist der Weinstock und wir, seine Jünger, sind die Reben; er ist der »wahre Weinstock«, in dem die Reben lebensnotwendig verwurzelt sind (vgl. Joh 15, 1 ff.).

Das II. Vatikanische Konzil stellt die verschiedenen biblischen Bilder, die das Geheimnis der Kirche erhellen, dar und bietet erneut das Bild des Weinstocks und der Reben an: »Der wahre Weinstock aber ist Christus, der den Rebzweigen Leben und Fruchtbarkeit gibt, uns nämlich, die wir durch die Kirche in ihm bleiben, und ohne den wir nichts tun können (Joh 15, 1-5)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 6. </ref> Die Kirche selbst ist also der Weinberg im Evangelium. Sie ist Geheimnis, weil die Liebe und das Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes die völlig unverdienten Gaben sind für alle, die aus dem Wasser und dem Geist geboren (vgl. Joh 3, 5), die berufen sind, die communio Gottes selbst zu leben, zu bezeugen und in der Geschichte anderen mitzuteilen (Sendung): »An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch« (Joh 14, 20).

So kann sich die »Identität« der Laien, die ihnen eigene Würde nur vom Geheimnis der Kirche her, das Geheimnis der communio ist, enthüllen. Und nur von dieser Würde her können ihre Berufung und ihre Sendung in Kirche und Welt definiert werden.

Wer sind die Laien

9 Die Synodenväter haben mit Recht auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine positive Beschreibung von Berufung und Sendung der Laien auf der Grundlage eines vertieften Studiums der Lehre des II. Vatikanischen Konzils im Licht sowohl der jüngsten Dokumente des Lehramtes als auch der Erfahrungen, die die Kirche selbst unter der Führung des Heiligen Geistes in ihrem Leben macht, zu formulieren und anzubieten.<ref> Vgl. Propositio 3. </ref>

Um die Frage: »Wer sind die Laien« zu beantworten, verzichtete das Konzil auf die vorausgegangenen, vorrangig negativen Interpretationen und stellte sich auf einen entschieden positiven Boden. Seine Grundabsicht beweist die Aussage von der vollen Zugehörigkeit der Laien zur Kirche und ihrer vollen Teilnahme an deren Geheimnis, sowie vom spezifischen Charakter ihrer Berufung, die in besonderer Weise die Aufgabe beinhaltet »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref> »Unter der Bezeichnung Laien« - so beschreibt sie die Konstitution Lumen Gentium - »sind hier alle Christgläubigen verstanden, mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, das heißt, die Christgläubigen, die durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben«.<ref>Ebd. </ref> 

Schon Pius XII. sagte: »Die Gläubigen, und genauer noch die Laien, stehen an der äußersten Front des Lebens der Kirche; die Kirche ist für sie das Lebensprinzip der menschlichen Gesellschaft. Darum müssen sie und gerade sie ein immer tieferes Bewusstsein gewinnen, dass sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind, das heißt, die Gemeinschaft der Gläubigen auf Erden unter der Führung des Papstes als des gemeinsamen Hauptes und der mit ihm geeinten Bischöfe. Sie sind die Kirche ...«.<ref>Pius XII., Ansprache an die neuen Kardinäle (20. Februar 1946): AAS 38 (1946), 149. </ref>

Nach dem biblischen Bild des Weinstocks sind die Laien wie alle anderen Glieder der Kirche Reben, die in Christus, dem wahren Weinstock verwurzelt sind, die er lebendig und lebensspendend macht.

Die Eingliederung in Christus durch den Glauben und die christlichen Initiationssakramente ist der tiefste Grund für den neuen Ort des Christen im Geheimnis der Kirche, der seine eigentlichste »Physionomie« bestimmt, und ist Voraussetzung jeder Berufung und Dynamik im christlichen Leben der Laien: »In Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, wird der Getaufte zu einem neuen Menschen« (Gal 6, 15; Kor 5, 17), zu einem von der Sünde gereinigten und durch die Gnade neu belebten Menschen.

Darum kann die »Gestalt« des Laien nur auf dem Hintergrund des geheimnisvollen Reichtums, den Gott den Christen in der Taufe schenkt, beschrieben werden.

Die Taufe und die Neuheit des Christlichen

10 Die Behauptung ist nicht übertrieben, dass der Sinn des gesamten Lebens des Laien darin besteht, zur Erkenntnis der in der Taufe als Sakrament des Glaubens liegenden radikalen Neuheit des Christlichen zu gelangen, um der Berufung, die er von Gott empfangen hat, zu entsprechen und die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Um die »Gestalt« des Laien zu beschreiben, greifen wir nun unter allen anderen explizit und unmittelbar die drei grundlegenden Gesichtspunkte heraus: Die Taufe erschafft uns neu zu einem Leben als Kinder Gottes, sie eint uns mit Christus und mit der Kirche, seinem Leib, sie salbt uns im Heiligen Geist und macht uns zu geistigen Tempeln.

Kinder Gottes im Sohn

11 Wir erinnern uns an die Worte Jesu an Nikodemus: »Amen, Amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen« (Joh 3, 5). Die heilige Taufe ist also eine Neugeburt, sie ist eine neue Zeugung.

Angesichts dieser Gabe, die in der Taufe gegeben wird, stimmt der Apostel Petrus den Lobpreis an: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist« (1 Petr 1, 3-4). Er nennt die Christen diejenigen, die »nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt«, neu geboren wurden (1 Petr 1, 23).

Durch die heilige Taufe werden wir in seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus zu Kindern Gottes. Wenn er aus dem Taufwasser steigt, vernimmt jeder Christ die Stimme, die am Ufer des Jordan erklang: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden« (Lk 3, 22). Er versteht, dass er als Erbe dem geliebten Sohn zugesellt (vgl. Gal 4, 4-7) und damit Bruder oder Schwester Christi wurde. So erfüllt sich der ewige Plan des Vaters in der persönlichen Geschichte eines jeden Christen: »...denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei« (Röm 8, 29).

Der Heilige Geist ist es, der die Getauften zu Kindern Gottes und zu Gliedern des Leibes Christi macht. Paulus erinnert die Christen von Korinth an diese Wahrheit: »Durch den Heiligen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen« (1 Kor 12, 13). Und er kann den Laien sagen: »Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm« (1 Kor 12, 27); »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz« (Gal 4, 6; vgl. Röm 8, 15-16).

Ein Leib in Christus

12 Als »Kinder Gottes im Sohn« neu geboren, sind die Getauften untrennbar »Glieder Christi und Glieder des Leibes der Kirche«, wie das Konzil von Florenz lehrt.<ref>Ökumenisches Konzil von Florenz, Decr. pro Armeniis, DS 1314. </ref>

Die Taufe bedeutet und bewirkt eine mystische aber reale Eingliederung in den gekreuzigten und verherrlichten Leib Jesu. Durch das Sakrament eint Jesus den Getauften seinem Tod, um ihn mit seiner Auferstehung zu vereinigen (vgl. Röm 6, 3-5), er zieht ihm den »alten Menschen« aus und bekleidet ihn mit dem »neuen Menschen«, das heißt, mit sich selbst: »Denn ihr alle, die ihr in Christus getauft seid« erklärt der Apostel Paulus -, »habt Christus (als Gewand) angelegt« (Gal 3, 27; vgl. Eph 4, 22-24; Kol 3, 9-10). Daraus folgt, dass »wir, die vielen, ein Leib in Christus« sind (Röm 12, 5).

Die Paulusworte sind eine treue Wiedergabe der Lehre Jesu, der die geheimnisvolle Einheit der Jünger mit sich selbst und unter sich geoffenbart hat und sie als Bild und Fortsetzung jener unlöslichen Einheit dargestellt hat, die den Vater mit dem Sohn und den Sohn mit dem Vater im Band der Liebe des Geistes eint (vgl. Joh 17, 21).

Es ist dieselbe Einheit, die Jesus im Gleichnis vom Weinstock und den Reben anspricht: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« ( Joh 15, 5 ). Dieses Bild erhellt nicht nur die tiefe Einheit der Jünger mit Jesus, sondern auch die lebensmäßige Verbundenheit der Jünger untereinander, die alle Reben des einen Weinstocks sind.

Lebendige und heilige Tempel des Geistes

13 Mit Hilfe eines anderen Bildes, nämlich das eines Bauwerkes, definiert Petrus die Getauften als »lebendige Stein«, die auf Christus, dem »Eckstein« gründen und zum Bau eines »geistigen Haus(es)« (1 Petr 2, 5 ff.) bestimmt sind. Dieses Bild schließt uns eine andere Dimension der Neuheit der Taufe auf, die das II. Vatikanische Konzil so dargestellt hat: »Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau ... geweiht«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> 

Der Heilige Geist »salbt« den Getauften und drückt ihm sein unauslöschliches Siegel auf (vgl. 1 Kor 1, 21-22), er macht ihn zu einem geistigen Bau, das heißt, er erfüllt ihn durch die Vereinigung mit Christus und die Umgestaltung in ihn mit der heiligen Gegenwart Gottes. Durch diese geistige »Salbung« kann der Christ auf seine Weise die Worte Christi wiederholen: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lk 4, 18-19; vgl. Jes 61, 1-2). Durch die mit der Taufe und Firmung gegebene Ausgießung des Geistes nimmt der Getaufte teil an der Sendung Jesu, des Christus, des Messias und Heilandes selbst.

Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi

14 Der Apostel Petrus spricht die Getauften als »neugeborene Kinder« an, und er schreibt ihnen: »Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen... Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (1 Petr 2, 4-5. 9).

Dieses ist ein neuer Aspekt der Taufgnade und -würde: Die Laien nehmen auf ihre Weise Teil am dreifachen - priesterlichen, prophetischen und königlichen - Amt Christi. Diese Wahrheit wurde in der lebendigen Tradition der Kirche nie vergessen, wie es zum Beispiel der Kommentar des Augustinus zu Psalm 26 zeigt. Er schreibt: »David wurde zum König gesalbt. In jener Zeit wurden nur der König und der Priester gesalbt. Diese beiden waren eine Präfiguration des künftigen und einzigen Königs und Priesters, des Christus ('Christus' leitet sich von 'chrisma' ab). Aber nicht nur unser Haupt wurde gesalbt, sondern auch wir, sein Leib ... Darum steht die Salbung allen Christen zu, während sie in der alttestamentlichen Zeit nur zweien zustand. Wir bilden den Leib Christi, weil wir alle gesalbt sind und in ihm Christus sind. Denn in einem gewissen Sinn wird Christus in seiner Ganzheit vom Haupt und vom Leib gebildet«.<ref>Augustinus, Enarr. in Ps. XXVI, II, 2. CCL 38, 154 f. </ref> 

Auf den Spuren des II. Vatikanischen Konzils<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> habe ich seit Beginn meines Hirtenamtes die priesterliche, prophetische und königliche Würde des gesamten Gottesvolkes herausstellen wollen: »Der aus der Jungfrau Maria geboren wurde, der Sohn des Schreiners - für einen solchen hielt man ihn -, der Sohn des lebendigen Gottes, wie Petrus bekannt hat, ist gekommen, um aus uns allen 'eine königliche Priesterschaft' zu machen. Das Konzil hat uns das Geheimnis dieser Macht und die Tatsache, dass die Sendung Christi, des Priesters, Propheten, Lehrers und Königs sich in der Kirche fortsetzt, wieder in Erinnerung gerufen. Alle, das gesamte Gottesvolk, nimmt teil an dieser dreifachen Sendung«.<ref>Johannes Paul II., Homilie bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes (22. Oktober 1978): AAS 70 (1978), 946. </ref>

In diesem Schreiben werden die Laien erneut aufgefordert, die reiche und fruchtbare Lehre des Konzils über ihre Teilhabe am dreifachen Amt Christi<ref>Vgl. Wiederaufnahme dieser Lehre im Instrumentum laboris „De vocatione et missione laicorum in Ecclesia et in mundo viginti annis a Concilio Vaticano II elapsis“, 25 </ref> aufmerksam und mit bereitem Herzen zu lesen und zu meditieren. Hier soll in einer Synthese auf die wesentlichen Elemente dieser Lehre hingewiesen werden.

Die Laien nehmen teil am priesterlichen Amt Christi, durch das Jesus sich selbst am Kreuz geopfert hat und sich in der Feier der Eucharistie ständig neu für die Verherrlichung des Vaters und für das Heil der Menschheit darbringt. Christus eingegliedert, sind die Getauften in der Hingabe ihrer selbst und all ihres Tuns mit ihm und seinem Opfer vereint (vgl. Röm 12, 1-2). Das Konzil sagt über die Laien: »Es sind nämlich alle ihre Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen, ihr Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig getragen werden, 'geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus' (1 Petr 2, 5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten. So weihen auch die Laien, überall Anbeter in heiligem Tun, die Welt selbst Gott«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 34. </ref> 

Die Teilhabe am prophetischen Amt Christi, der »durch das Zeugnis seines Lebens und in der Kraft seines Wortes die Herrschaft des Vaters ausgerufen hat«,<ref> Ebd., 35. </ref> befähigt und verpflichtet die Laien, das Evangelium im Glauben anzunehmen, es durch ihre Worte und ihre Werke zu verkündigen und mutig auf das Böse hinzuweisen. Christus, dem »großen Propheten« (Lk 7, 16) vereint, im Geist zu »Zeugen« des auferstandenen Christus berufen, werden die Laien nicht nur des übernatürlichen Glaubenssinnes der Kirche, der »im Glauben nicht irren« kann,<ref> Ebd., 12. </ref> sondern auch der Gnade des Wortes (vgl. Apg 2, 17-18; Apok 19, 10) teilhaftig; auch sind sie dazu berufen, die Neuheit und die Kraft des Evangeliums in ihrem täglichen Familien- und gesellschaftlichen Leben sichtbar werden zu lassen und mutig und geduldig inmitten der Widersprüche unserer Zeit »auch durch die Strukturen des Weltlebens«<ref> Ebd., 35. </ref> ihre Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit zu bezeugen.

Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Christus, dem Herrn und König der Welt, nehmen die Laien teil an seinem königlichen Amt. Sie sind von ihm zum Dienst am Reich Gottes und an seiner Ausfaltung in der Geschichte berufen. Die Laien leben das christliche Königtum vor allem durch ihren geistlichen Kampf, um in sich selbst das Reich der Sünde zu überwinden (vgl. Röm 6, 12), und durch ihre Selbsthingabe, um in der Liebe und der Gerechtigkeit Jesu, der in allen ihren Brüdern und Schwestern, vor allem in den ärmsten zugegen ist, zu dienen (vgl. Mt 25, 40).

Die Laien sind in besonderer Weise aber dazu berufen, der Schöpfung ihren vollen ursprünglichen Wert zurückzuschenken. Wenn sie durch ihr von der Gnade getragenes Tun die Schöpfung zum Wohl der Menschen ordnen, nehmen die Laien teil an der Ausübung der Macht, mit der der auferstandene Jesus alle Dinge an sich zieht, um sie mit sich selbst dem Vater zu unterwerfen, damit Gott alles in allem sei (vgl. Joh 12, 32; 1 Kor 15, 28).

Die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs, hat ihre erste Wurzel in der Taufsalbung, und sie erfährt in der Firmung ihre Ausfaltung. In der Eucharistie wird sie ständig genährt und vollendet. Diese Teilhabe wird den einzelnen Gläubigen, insofern als sie den einen Leib des Herrn bilden, geschenkt: Es ist die Kirche, sein Leib und seine Braut, die Jesus mit seinen Gaben bereichert. Als Glieder der Kirche nehmen die einzelnen teil am dreifachen Amt Christi, wie der heilige Petrus es deutlich lehrt, wenn er die Getauften als »Auserwähltes Geschlecht, ... königliche Priesterschaft, ... heiliger Stamm, ... Volk, das ... (Gottes) besonderes Eigentum wurde« (1 Petr 2, 9) beschreibt. Weil sie sich von der kirchlichen communio ableitet, muss die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi in der communio und um des Wachstums der communio willen gelebt und verwirklicht werden. Augustinus schreibt: »So wie alle aufgrund des mystischen Charismas Christen genannt werden, so nennen wir alle Priester, weil sie Glieder des einzigen Priesters sind«.<ref> Augustinus, De civitate Dei, XX, 10: CCL 48, 720. </ref>

Die Laien und der Weltcharakter

15 Die Neuheit des Christlichen ist Fundament und Rechtsgrund für die Gleichheit aller Getauften in Christus, für die Gleichheit aller Glieder des Volkes Gottes: »... gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eines die Hoffnung und ungeteilt die Liebe«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 32. </ref> Aufgrund der gemeinsamen Taufwürde ist der Laie mit den geweihten Hirten und den Ordensleuten mitverantwortlich für die Sendung der Kirche.

Die gemeinsame Taufwürde ist dem Laien in einer Weise zu eigen, die ihn vom Priester und von den Ordensleuten zwar unterscheidet, aber doch nicht trennt. Das II. Vatikanische Konzil hat diese Modalität im Weltcharakter gefasst: »Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen«.<ref> Ebd., 31. </ref> 

Um den Ort des Laien in der Kirche voll, sachgerecht und spezifisch zu verstehen, muss die theologische Relevanz seines Weltcharakters im Licht des Heilsplanes Gottes und des Geheimnisses der Kirche tiefer erörtert werden.

Wie Paul VI. schon gesagt hat, »eignet der Kirche eine welthafte Dimension an, die wesenhaft zu ihr und zu ihrer Sendung gehört und die sich in ihren Gliedern auf verschiedene Weise verwirklicht«.<ref>Paul VI. Ansprache an die Mitglieder der Säkularinstitute (2. Februar 1972): AAS 64 (1972), 208. </ref>

Wenn sie auch nicht von dieser Welt ist, lebt die Kirche in dieser Welt (vgl. Joh 17, 16), und sie ist gesandt, das Heilswerk Jesu Christi fortzusetzen, »das auf das Heil der Menschen (zielt), aber auch den Aufbau der gesamten zeitlichen Ordnung« umfasst.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 5. </ref> 

Alle Glieder der Kirche nehmen auf verschiedene Weise an ihrer säkularen Dimension teil. Die Laien vor allem aktualisieren und üben diese Teilhabe, die ihnen nach der Lehre des Konzils in besonderer Weise zu eigen ist auf spezifische Weise aus. Sie wird mit dem Begriff »Weltcharakter« bezeichnet.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref>

Das Konzil beschreibt diese Welthaftigkeit der Laien vor allem als den Ort, an dem der Ruf Gottes sie trifft: »Dort sind sie von Gott gerufen«.<ref> Ebd. </ref> Dieser Ort wird mit Hilfe von dynamischen Begriffen dargestellt: Die Laien »leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist«.<ref> Ebd. </ref> 

Die Laien leben in den gewöhnlichen Strukturen der Welt, sie studieren, arbeiten, gehen freundschaftliche, soziale, berufliche und kulturelle Beziehungen ein usw. Das Konzil betrachtet diese ihre Lebensverhältnisse nicht nur als ein äußerliches und milieubedingtes Moment, sondern als eine Wirklichkeit, die in Jesus Christus die Fülle ihrer Bedeutung finden muss.<ref> Vgl. ebd., 48. </ref> Es behauptet, dass das »fleischgewordene Wort ... selbst in die menschliche Gesellschaft eingehen (wollte) ... Die menschlichen, besonders die familiären Verflechtungen, den Anfang der Gesellschaftlichkeit überhaupt, hat er geheiligt; freiwillig den Gesetzen seines Heimatlandes untertan; er hat das Leben eines Arbeiters, wie es Zeit und Land eigen war, leben wollen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 32. </ref> 

So wird »die Welt« zum Bereich und zum Mittel der Erfüllung der christlichen Berufung der Laien, weil sie dazu bestimmt ist, in Christus Gott den Vater zu verherrlichen. Darum kann das Konzil auf den spezifischen Sinn der göttlichen Berufung, die an die Laien ergeht, hinweisen. Sie sind nicht dazu berufen, ihren Ort in der Welt zu verlassen.

Wie schon der Apostel Paulus lehrte, nimmt die Taufe sie nicht aus der Welt: »Brüder, ein jeder soll vor Gott in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat« (1 Kor 7, 24). Die Taufe beinhaltet vielmehr eine Sendung, die sich gerade auf die Situation in der Welt bezieht: Die Laien sind »von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen, und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref> So stellen das In-der-Welt-Sein und In-der-Welt-Handeln für die Laien nicht nur eine anthropologische und soziologische Gegebenheit dar, sondern auch und vor allem eine spezifisch theologische und kirchliche. In der Welt offenbart Gott ihnen seinen Willen und ihre besondere Berufung, »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> Ebd. </ref> 

In dieselbe Richtung geht auch die Behauptung der Synodenväter: »Der Weltcharakter der Laien kann darum nicht nur im soziologischen, sondern muss auch im theologischen Sinn betrachtet werden. Das Merkmal der Welthaftigkeit muss im Licht des Schöpfungs- und Erlösungsaktes Gottes betrachtet werden, der die Welt den Menschen anvertraut, damit sie am Schöpfungswerk teilnehmen, die Schöpfung von den Folgen der Sünde befreien und sich selbst in der Ehe oder in der Ehelosigkeit, in der Familie, im Beruf und in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens heiligen«.<ref> Propositio 4. </ref>

Der Ort der Laien in der Kirche muss grundsätzlich von dieser Neuheit des Christlichen her definiert und durch den Weltcharakter der Laien charakterisiert werden.<ref> „Die Laien sind vollwertige Glieder des Volkes Gottes und des mystischen Leibes Christi. Durch die Taufe haben sie Anteil am dreifachen, priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi. Sie bezeugen und verwirklichen den Reichtum dieser Würde durch ihr Leben in der Welt. Was für die geweihten Amtsträger eine zusätzliche oder außerordentliche Aufgabe sein kann, ist spezifische Sendung der Laien. Ihre eigene Berufung ist es, ,in einer Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen‘ (Lumen gentium, Nr. 31)“ (Johannes Paul II., Angelus am 15. März 1987: Insegnamenti, X, 1 [1987], 561). </ref>

Die Bilder des Evangeliums: das Salz, das Licht und der Sauerteig, treffen unterschiedslos auf alle Jünger Jesu zu, aber in besonderer Weise auf die Laien. Sie haben eine wundersam tiefe Bedeutung für sie, denn sie bringen nicht nur die tiefe Verankerung und die volle Teilhabe der Laien auf der Erde, in der Welt, in der Gemeinschaft der Menschen zum Ausdruck, sondern auch und vor allem das Neue und Originelle einer Verankerung und einer Teilhabe, die ihren Sinn in der Verbreitung des heilbringenden Evangeliums findet.

Zur Heiligkeit berufen

16 Die Würde der Laien erschließt sich uns voll, wenn wir die erste und fundamentale Berufung betrachten, die der Vater in Jesus Christus durch den Heiligen Geist an einen jeden von ihnen richtet: Die Berufung zur Heiligkeit, das heißt zur Vollkommenheit in der Liebe. Der Heilige ist das vollkommenste Zeugnis der Würde, die dem Jünger Christi verliehen wurde.

Das II. Vatikanische Konzil hat Entscheidendes über die universelle Berufung zur Heiligkeit gesagt. Man kann sogar behaupten, dass dieser der wichtigste Auftrag eines Konzils, das die Erneuerung des christlichen Lebens im Sinn des Evangeliums zum Ziel hatte,<ref> Vgl. vor allem FÜNFTES KAPITEL der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 39–42, das von der „Allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche” handelt. </ref> an alle Söhne und Töchter der Kirche ist. Er ist nicht lediglich eine moralische Ermahnung, sondern eine unausweichliche Forderung, die sich aus dem Geheimnis der Kirche ergibt: Die Kirche ist der erwählte Weinstock, dessen Reben aus dem heiligen und heiligenden Lebensstrom Christi leben; sie ist der mystische Leib, dessen Glieder am Heiligkeitsleben des Hauptes selbst, das Christus ist, teilnehmen; sie ist die geliebte Braut des Herrn Jesus, der sich selbst dahingegeben hat, um sie zu heiligen (vgl. Eph 5, 25 ff.). Der Geist, der die menschliche Natur Jesu im jungfräulichen Schoß Marias geheiligt hat (vgl. Lk 1, 35), ist derselbe Geist, der in der Kirche gegenwärtig und wirksam ist, um ihr die Heiligkeit des menschgewordenen Gottessohnes mitzuteilen.

Das Gebot der Stunde geht heute mehr denn je dahin, dass alle Christen den Weg der Erneuerung im Geist des Evangeliums begehen, um sich hochherzig der Aufforderung des Apostels zu stellen, dass ihr »ganzes Leben heilig« werde (1 Petr 1, 15). Zwanzig Jahre nach dem Abschluss des Konzils hat die Außerordentliche Synode 1985 auf diese dringende Notwendigkeit hingewiesen: »Weil die Kirche in Christus Geheimnis ist, muss sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit verstanden werden ... In den schwierigsten Situationen der Geschichte der Kirche standen am Ursprung der Erneuerung immer Heilige. Heute brauchen wir notwendig Heilige, die wir uns beharrlich von Gott erbeten müssen«.<ref> AUSSERORDENTLICHE VOLLVERSAMMLUNG DER Bischofssynode (1985), Schlussdokument Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi, II, A, 4. </ref>

Weil sie ihre Glieder sind, empfangen und teilen alle in der Kirche die universelle Berufung zur Heiligkeit. Auch die Laien sind ohne den geringsten Unterschied wie die anderen Glieder der Kirche voll und ganz dazu berufen: »Jedem ist also klar, dass alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 40. </ref> »Alle Christgläubigen sind also zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet«.<ref> Ebd., 42. Diese feierliche und unmissverständliche Erklärung des Konzils bringt eine Grundwahrheit des christlichen Glaubens in Erinnerung. So schreibt zum Beispiel Pius XI. in der Enzyklika Casti connubii an die christlichen Eheleute: „Alle können und müssen – welchen Stand und welche ehrbare Lebensform sie auch immer gewählt haben mögen – dem vollkommensten Vorbild aller Heiligkeit, den Gott den Menschen geschenkt hat, unseren Herrn Jesus Christus nachahmen. Mit Gottes Hilfe mögen sie zur höchsten christlichen Vollkommenheit gelangen, wie das Beispiel vieler Heiligen es zeigt“: AAS 22 (1930), 548. </ref> Die Berufung zur Heiligkeit hat in der Taufe ihre Wurzeln und wird in den anderen Sakramenten, vor allem in der Eucharistie, erneuert. Da sie Christus angezogen und sich vom Heiligen Geist genährt haben, sind die Christen »heilig« und darum befähigt und verpflichtet, die Heiligkeit ihres Seins in der Heiligkeit ihres ganzen Wirkens zu zeigen. Der Apostel Paulus wird nicht müde, alle Christen zu ermahnen, so zu leben, »wie es sich für Heilige gehört« (Eph 5, 3).

Das Leben nach dem Geist, dessen Frucht die Heiligung ist (vgl. Röm 6, 22; Gal 5, 22), fordert von jedem Getauften Nachfolge und Nachahmung Christi und befähigt ihn dazu: in der Annahme der Seligpreisungen, im Hören und Betrachten des Wortes Gottes, in der bewussten und aktiven Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche, im persönlichen Gebet, im Gebet der Familie und der Gemeinschaften, im Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, in der Erfüllung des Gebotes der Liebe in allen Situationen des Lebens und im Dienst an den Brüdern, vor allem den Kleinen, Armen und Leidenden.

In der Welt zur Heiligkeit gelangen

17 Die Berufung der Laien zur Heiligkeit bringt es mit sich, dass das Leben nach dem Geist vor allem in ihrem Einbezogensein in den weltlichen Bereich und in ihrer Teilnahme an den irdischen Tätigkeiten zum Ausdruck kommt. Der Apostel ermahnt uns noch einmal: »Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!« (Kol 3, 17). Das Konzil wendet die Worte des Apostels auf die Laien an und erklärt ausdrücklich: »Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellen, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref> Die Synodenväter meinten ihrerseits: »Die Einheit des Lebens der Laien ist von entscheidender Bedeutung: Sie müssen sich in ihrem alltäglichen beruflichen und gesellschaftlichen Leben heiligen. Um ihre Berufung zu erfüllen, müssen die Laien ihr Tun im Alltag als Möglichkeit der Vereinigung mit Gott und der Erfüllung seines Willens sowie als Dienst an den anderen Menschen betrachten, um sie in Christus zur Gemeinschaft mit Gott zu führen«.<ref> Propositio 5. </ref>

Die Laien müssen ihre Berufung zur Heiligkeit als unverzichtbare Pflicht, die sie fordert, vor allem aber als leuchtendes Zeichen der Liebe Gottes, der sie zu seinem Leben der Heiligkeit erlöst hat, verstehen und verwirklichen. Eine solche Berufung muss sich also als wesentlicher und untrennbarer Bestandteil des neuen Lebens, das uns in der Taufe geschenkt wurde, und somit als konstitutiver Bestandteil der Würde der Laien verstehen. Die Berufung zur Heiligkeit ist mit der Sendung sowie mit der Verantwortung, die den Laien in der Kirche und in der Welt anvertraut ist, aufs engste verknüpft. Die gelebte Heiligkeit, die aus der Teilnahme am Heiligkeitsleben der Kirche fließt, stellt den ersten und grundlegenden Beitrag zum Aufbau der Kirche als »Gemeinschaft der Heiligen« dar. Im Licht des Glaubens erschließt sich uns ein wundervoller Horizont: Die zahlreichen Laien, Männer und Frauen, die in ihrem Leben und ihrem alltäglichen Tun oft ungesehen und sogar unverstanden, von den Großen dieser Erde nicht anerkannt, aber vom Vater in Liebe angeschaut, unermüdliche Arbeiter im Weinberg des Herrn sind und so demütige, aber - durch die Kraft der Gnade Gottes - große Mitwirkende am Wachstum des Reiches Gottes in der Geschichte werden.

Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche. Die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der apostolischen Wirksamkeit und der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit. Nur in dem Maß, in dem sie sich als Braut Christi seiner Liebe aussetzt und ihn wiederliebt, wird die Kirche im Geist zur fruchtbaren Mutter.

Greifen wir wieder zurück zum biblischen Bild: das Sprießen und Wachsen der Reben ist gegeben durch ihre Verbindung mit dem Weinstock. »Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt vor mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15, 4-5).

Es liegt nahe, hier die feierlichen Selig- und Heiligsprechungen von Laien, Männer und Frauen, die während der Synode stattgefunden haben, in Erinnerung zu rufen. Das gesamte Volk Gottes und vor allem die Laien können nun auf neue Vorbilder der Heiligkeit, die in gewöhnlichen und alltäglichen Situationen menschlicher Existenz gelebt haben, auf neue Zeugnisse heroischer Tugend schauen. Die Synodenväter sagten darüber: »Die Ortskirchen und vor allem die sogenannten jungen Kirchen müssen aufmerksam unter ihren Gliedern jene Männer und Frauen zu erkennen suchen, die in diesen Situationen (den alltäglichen Situationen der Welt und des Ehestandes) ein Zeugnis der Heiligkeit gegeben haben und anderen Vorbild sein können, damit sie gegebenenfalls für die Selig- oder Heiligsprechung vorgeschlagen werden«.<ref> Propositio 8. </ref>

Am Schluss dieser Überlegungen, die den Ort der Laien in der Kirche definieren wollten, kommt uns die berühmte Ermahnung Leos des Großen in den Sinn: »O Christ, erkenne deine Würde!«<ref> Leo der Große, Sermo XXI, 3: S. Ch. 22 bis, 72. </ref> Die gleiche Ermahnung hat Maximus, Bischof von Turin, an alle gerichtet, die die Salbung der heiligen Taufe empfangen hatten: »Bedenkt die Ehre, die euch in diesem Geheimnis zuteil wurde!«<ref> Maximus, Tract. III de Baptismo: PL 57, 779. </ref> Alle Getauften sind aufgerufen, erneut auf die Worte des heiligen Augustinus zu hören: »Freuen wir uns und danken wir: wir sind nicht nur Christen, sondern Christus geworden ... Staunt und frohlockt: Wir sind Christus geworden«.<ref> Augustinus, In Ioann. Evang. tract., 21, 8: CCL 36, 216. </ref>

Die christliche Würde, die Ursprung der Gleichheit aller Glieder der Kirche ist, gewährleistet und fördert den Geist der communio und der Brüderlichkeit und ist zugleich Geheimnis und Kraftquelle der apostolischen und missionarischen Dynamik der Laien. Diese Würde ist anspruchsvoll, sie ist die Würde der Arbeiter, die der Herr in seinen Weinberg gerufen hat: »So obliegt allen Laien« - lesen wir in den Konzilstexten - »die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 33. </ref>

[Forsetzung folgt]

Anmerkungen

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