Christifideles laici (Wortlaut)

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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Christifideles laici

von Papst Johannes Paul II.
an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die Ordensleute, an alle Laien
zum Thema „Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt"
Die VII. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 1. bis 30. Oktober 1987 statt
30. Dezember 1988
(Offizieller lateinischer Text: AAS 81 [1989] 393-521)

(Quelle: VAS, Nr. 87; auch in: DAS 1988, S. 1461-1545; Kirchliche Dokumente nach dem Konzil, Nr. 28)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1 DIE LAIEN (Christifideles laici), deren »Berufung und Sendung in Kirche und Welt zwanzig Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil« Thema der Bischofssynode 1987 war, gehören zu jenem Volk Gottes, für das die Weinbergarbeiter im Matthäusevangelium stehen: »Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg« (Mt 20, 1-2).

Das Gleichnis des Evangeliums öffnet unseren Blick für den weit ausgedehnten Weinberg des Herrn und für die großen Scharen von Männern und Frauen, die er ruft und sendet, darin zu arbeiten. Der Weinberg ist die ganze Welt (vgl. Mt 13, 38), die nach dem Plan Gottes für das endgültige Kommen des Reiches gewandelt werden muss.

Geht auch ihr in meinen Weinberg

2 »Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg« (Mt 20, 3-4).

Von diesem Tag an erklingt der Ruf unseres Herrn Jesus in der Geschichte weiter: »Geht auch ihr in meinen Weinberg«. Er richtet sich an jeden Menschen, der in diese Welt eintritt.In unseren Tagen ist in der Kirche durch die erneute Herabkunft des Heiligen Geistes, die mit dem II. Vatikanischen Konzil geschehen ist, ein vertieftes Bewusstsein ihres missionarischen Charakters gereift. Sie hat neu auf die Stimme ihres Herrn gehört, der sie als »allumfassendes Heilssakrament«<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 48. </ref> in die Welt sendet.

Geht auch ihr. Der Ruf ergeht nicht nur an die Hirten, an die Priester, an die Ordensleute. Er umfasst alle. Auch die Laien sind persönlich vom Herrn berufen, und sie empfangen von ihm eine Sendung für die Kirche und für die Welt.

Gregor der Große erinnert an diese Tatsache wenn er zum Volk predigt und das Gleichnis vom Weinberg so kommentiert: »Überprüft eure Lebensweise, geliebteste Brüder, und seht, ob ihr schon Arbeiter des Herrn seid. Ein jeder von euch überdenke, was er tut, und überlege, ob er dem Weinberg des Herrn dient«.<ref>Gregor der Große, Hom. in Evang. 1, XIX, 2: PL 76, 1155. </ref>

Vor allem das Konzil hat wertvolle Passagen seiner so reichhaltigen theologischen, spirituellen und pastoralen Lehre dem Wesen, der Würde, der Spiritualität, der Sendung und der Verantwortung der Laien gewidmet. Und die Konzilsväter haben den Ruf Christi wiederholt und alle Laien, Männer und Frauen, gerufen, in seinem Weinberg zu arbeiten: »Das Heilige Konzil beschwört also im Herrn inständig alle Laien, dem Ruf Christi, der sie in dieser Stunde noch eindringlicher einlädt, und dem Antrieb des Heiligen Geistes gern, großmütig und entschlossen zu antworten. In besonderer Weise möge die jüngere Generation diesen Anruf als an sich gerichtet betrachten und ihn mit Freude und Hochherzigkeit aufnehmen; denn der Herr selbst lädt durch diese Heilige Synode alle Laien noch einmal ein, sich von Tag zu Tag inniger mit ihm zu verbinden und sich in seiner heilbringenden Sendung zusammenzuschließen; dabei seien sie auf das, was sein ist, wie auf ihr eigenes bedacht (vgl. Phil 2, 5).Von neuem sendet er sie in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst kommen will (vgl. Lk 10, 1)«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 33. </ref>

Geht auch ihr in meinen Weinberg. Diese Worte sind während der Bischofssynode, die in Rom vom 1. bis 30. Oktober 1987 stattgefunden hat, gleichsam neu erklungen. Die Väter gingen den Spuren des Konzils nach und öffneten sich den persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen der gesamten Kirche. Durch die vorausgegangenen Synoden bereichert, haben sie sich spezifisch und umfassend mit dem Thema der Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt befasst.

Bei dieser Bischofsversammlung fehlte es nicht an Vertretungen qualifizierter Laien, Männer und Frauen, die für die Arbeit der Synode einen wesentlichen Beitrag eingebracht haben. Dieser ist bei der Abschlusshomilie öffentlich gewürdigt worden: »Wir danken nicht nur dafür, dass wir uns während der Synode an der Teilnahme der Laien (der »Auditores« und der »Auditrices«) erfreuen konnten, sondern mehr noch dafür, dass der Verlauf der Diskussionen uns die Möglichkeit gegeben hat, die Stimme der Gäste, der Vertreter der Laien aus der ganzen Welt und aus den verschiedenen Ländern zu hören und ihre Erfahrungen, ihre Ratschläge und Vorschläge, die aus ihrer Liebe für die gemeinsame Sendung entspringen, in uns aufzunehmen«.<ref>Johannes Paul II., Homilie beim feierlichen Abschlussgottesdienst der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 598. </ref>

Der Blick auf die nachkonziliare Zeit schenkte den Synodenvätern die Überzeugung, dass der Geist die Kirche weiterhin erneuert, indem er in zahlreichen Laien neue Impulse der Heiligkeit und der Teilnahme weckt. Zeugnis davon gibt unter anderem der neue Stil der Zusammenarbeit zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien; die Mitwirkung in der Liturgie, in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese; die vielen Dienste, die Laien anvertraut und von diesen übernommen werden; das vielfältige Entstehen von Gruppen, Vereinigungen und geistlichen Gemeinschaften, sowie von gemeinsamen Initiativen der Laien; die umfassendere und bedeutsamere Teilnahme der Frauen am Leben der Kirche und an den Entwicklungen in der Gesellschaft.

Die Synode hat aber auch gezeigt, dass der Weg, den die Laien nach dem Konzil begangen haben, nicht ganz frei von Gefahren und Schwierigkeiten war. Wir denken vor allem an zwei Versuchungen, denen sie nicht immer widerstanden haben: Die Versuchung, ihr Interesse so stark auf die kirchlichen Dienste und Aufgaben zu konzentrieren, dass sie sich praktisch oft von ihrer Verantwortung im Beruf, in der Gesellschaft, in der Welt der Wirtschaft, der Kultur und der Politik dispensieren; und die Versuchung, die zu Unrecht bestehende Kluft zwischen Glauben und Leben, zwischen der grundsätzlichen Annahme des Evangeliums und dem konkreten Tun in verschiedenen säkularen und weltlichen Bereichen zu rechtfertigen. Die Synode hat in ihrer Arbeit immer wieder auf das II. Vatikanische Konzil zurückgegriffen, dessen Lehre über die Laien aus einem Abstand von zwanzig Jahren eine erstaunliche Aktualität, ja eine fast prophetische Bedeutung aufweist. Sie kann die Antworten, die heute auf die neuen Probleme gegeben werden müssen, erhellen und für diese richtungweisend sein. Die Herausforderung, der sich die Synodenväter stellten, bestand im Grunde darin, konkrete Wege zu finden, damit die vielversprechende »Theorie« über die Laien, die das Konzil zum Ausdruck gebracht hat, zur echten kirchlichen Praxis wird. Einige Probleme treten durch eine bestimmte »Neuartigkeit« hervor, so dass sie zumindest im chronologischen Sinn als nachkonzilar bezeichnet werden können. Ihnen widmeten die Synodenväter im Lauf ihrer Besprechungen und Überlegungen besondere Aufmerksamkeit. Von diesen sollen vor allem die kirchlichen Dienste und Aufgaben, die Laien anvertraut sind oder anvertraut werden sollen, hier genannt sein, das Wachstum und die Verbreitung von neuen »Bewegungen« neben anderen Formen der Zusammenschlüsse der Laien sowie die Stellung und Aufgabe der Frau in Kirche und Gesellschaft.

Am Schluss ihrer Arbeit, die sie mit großem Engagement, mit Kompetenz und Hochherzigkeit ausgeführt haben, legten die Synodenväter mir den Wunsch und die Bitte vor, zu gegebener Zeit der Kirche ein Abschlussdokument über die Laien zu schenken.<ref>Vgl. Propositio 1. </ref>

Dieses nachsynodale Apostolische Schreiben möchte den Wert und den Reichtum der gesamten Synodenarbeit ins Licht stellen, angefangen von den Lineamenta bis hin zum Instrumentum Laboris, von der einleitenden Relatio bis zu den Beiträgen der einzelnen Bischöfe und Laien und der zusammenfassenden Relatio nach der Diskussion im Plenum, von den Diskussionen und Berichten der »circoli minori« bis hin zu den »propositiones« und der Schlussbotschaft. Darum ist dieses Dokument nicht neben der Synode zu sehen, sondern es ist vielmehr ihr getreuer und kohärenter Ausdruck. Es ist das Ergebnis der kollegialen Arbeit, zu deren endgültigem Gelingen der Rat des Generalsekretariates der Synode und das Sekretariat selbst beigetragen haben.

Das Apostolische Schreiben möchte ein neues Bewusstsein von den Gaben und der Verantwortung aller Laien und jedes einzelnen für die Sendung und communio der Kirche wecken und lebendig erhalten.

Die Bedürfnisse der heutigen Welt: Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?

3 Der tiefste Sinn dieser Synode und die kostbarste Frucht, die sie sich gewünscht hat, liegen darin, dass die Laien den Ruf Christi vernehmen, in seinem Weinberg zu arbeiten, in dieser herausragenden und dramatischen Stunde der Geschichte am Übergang zum dritten Jahrtausend an der Sendung der Kirche teilzunehmen: lebendig, verantwortlich und bewusst.

Neue kirchliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und kulturelle Gegebenheiten rufen heute mit besonderer Intensität nach dem Engagement der Laien. Sich der Verantwortung zu entziehen, war schon immer verfehlt. Heute aber liegt darin eine noch größere Schuld. Niemandem ist es erlaubt, untätig zu bleiben.

Verfolgen wir das Gleichnis des Evangeliums weiter: »Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, die dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!« (Mt 20, 6-7).

Die Arbeit, die alle im Weinberg des Herrn erwartet, ist so groß, dass kein Raum für Untätigkeit bleibt. Der »Gutsbesitzer« wiederholt noch nachdrücklicher seine Einladung: »Geht auch ihr in meinen Weinberg!«

Im tiefsten Wesen eines jeden Christen, der durch den Glauben und die christlichen Initiationssakramente Christus gleichgeschaltet, lebendiges Glied der Kirche und aktives Subjekt ihrer Heilssendung ist, erklingt die Stimme des Herrn. Sie wird aber auch in den Ereignissen der Kirchengeschichte und der Geschichte der Menschen vernehmbar, wie das Konzil es uns in Erinnerung gebracht hat: »Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluss hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 11. </ref> Wir müssen darum einen klaren Blick auf diese unsere Welt mit ihren Werten und mit ihren Problemen, mit ihren Nöten und mit ihren Hoffnungen, mit ihren Errungenschaften und mit ihren Niederlagen werfen: Eine Welt, deren wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Verhältnisse größere und gravierendere Probleme und Schwierigkeiten aufweisen, als die, die das Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes<ref>Während der Außerordentlichen Synode 1985 haben die Väter „die große Bedeutung und Aktualität der Pastoralkonstitution Gaudium et spes“ neu herausgestellt. Sie sagte weiter: „Wir erkennen aber auch, dass die Zeichen unserer Zeit zum Teil anders sind als zur Zeit des Konzils, dass sie größere Nöte und Probleme beinhalten. Überall auf der Welt verbreiten sich Hunger, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Krieg, Leiden, Terrorismus und verschiedene andere Formen der Gewalt“ (Schlussdokument Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi, II, D. 1). </ref> beschrieben hat. Und dennoch ist diese Welt der Weinberg, sie ist der Ort, wo die Laien dazu berufen sind, ihre Sendung zu erfüllen. Jesus will, dass sie wie alle seine Jünger Salz der Erde und Licht der Welt seien (vgl. Mt 5, 13-14): Wie aber sieht das Antlitz der »Erde« und der »Welt« aus, deren »Salz« und »Licht« die Christen sein sollen?

Die Verschiedenheit der Situationen und Probleme in der heutigen Welt ist groß und von raschen Veränderungen gekennzeichnet. Von unzutreffenden Verallgemeinerungen und Vereinfachungen muss darum abgesehen werden. Aber es ist möglich, einige Grundtendenzen, die in der heutigen Gesellschaft erkenntlich sind, aufzugreifen. Wie auf dem Feld, das im Evangelium beschrieben wird, Unkraut und gutes Getreide wachsen, so finden sich in der Geschichte als der täglichen Bühne des oft widersprüchlichen Gebrauchs menschlicher Freiheit das Gute und das Böse, die Ungerechtigkeit und die Gerechtigkeit, die Not und die Hoffnung oft nebeneinander und zuweilen sogar eng miteinander verkettet.

Säkularismus und Bedürfnis nach dem Religiösen

4 Die wachsende Verbreitung der religiösen Gleichgültigkeit und des Atheismus in ihren verschiedenen Ausprägungen, vor allem in der heute geläufìgsten Form des Säkularismus, kann nicht ungenannt bleiben. Vom Erfolg seiner Errungenschaften und durch die unaufhaltsame wissenschaftliche und technische Entwicklung verblendet, mehr noch aber durch die älteste und immer neue Versuchung, im unbegrenzten Gebrauch seiner Freiheit wie Gott sein zu wollen (vgl. Gen 3, 5) fasziniert, reißt der Mensch die religiösen Wurzeln aus seinem Herzen. Er vergisst Gott, betrachtet ihn als bedeutungslos für seine eigene Existenz und verwirft ihn, um verschiedenste »Idole« anzubeten.

Das aktuelle Phänomen des Säkularismus ist in Wahrheit ein schweres Problem: Es betrifft nicht nur den einzelnen, sondern in gewissem Sinn auch ganze Gemeinschaften, wie es das Konzil schon herausgestellt hat: »... breite Volksmassen (geben) das religiöse Leben praktisch auf«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 7. </ref> Ich habe selbst schon des öfteren das Phänomen der Entchristlichung in Erinnerung gerufen, das die Völker alt überkommener christlicher Tradition befällt und dringendst eine neue Evangelisierung erfordert.

Und dennoch lassen sich das Suchen und das Bedürfnis nach dem Religiösen nicht ganz aus löschen. Das Gewissen eines jeden Menschen, der den Mut aufbringt, sich den fundamentalsten Fragen menschlicher Existenz zu stellen, vor allem der Frage nach dem Sinn des Lebens, des Leidens und Sterbens, kommt nicht umhin, sich das Wort der Wahrheit, das der heilige Augustinus ausrief, anzueignen: »Auf dich hin, o Herr, hast du uns erschaffen. Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir«.<ref>Augustinus, Confessiones I, 1: CCL 27, 1. </ref> So zeugt auch die heutige Welt in immer vielfältigerer und lebendigerer Weise vom Geöffnetsein der Menschen auf ein geistliches und transzendentes Verständnis des Lebens hin, von einer neuen Suche nach religiösen Werten, von der Wiederkehr zum Heiligen und zum Gebet, vom Verlangen nach der Freiheit, den Namen des Herrn anzurufen.

Der Mensch: erniedrigte und erhöhte Würde

5 Denken wir darüber hinaus an die vielen Verletzungen, denen der Mensch heute ausgesetzt ist. Immer dann, wenn er in seiner Würde als lebendiges Abbild Gottes (vgl. Gen 1, 26) nicht anerkannt und geliebt wird, ist der Mensch den verdemütigendsten und absurdesten Formen des Missbrauchs, die ihn erbarmungslos zum Sklaven des Stärkeren machen, ausgeliefert. Dieses Stärkere kann verschiedene Namen tragen: Ideologie, wirtschaftliche Macht, unmenschliche politische Systeme, wissenschaftliche Technokratie, Überflutung durch die Massenmedien. Hier stehen wir wieder vor Scharen unserer Brüder und Schwestern, deren Grundrechte auch wegen einer übertriebenen Toleranz und sogar offenkundigen Ungerechtigkeit gewisser bürgerlicher Gesetzgebungen verletzt werden: Das Recht auf Leben und dessen Unantastbarkeit, das Recht auf Wohnung und Arbeit, das Recht auf die Gründung einer Familie und auf verantwortliche Elternschaft, das Recht auf Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben, das Recht auf Gewissensfreiheit und freies Bekenntnis des Glaubens.

Wer kann die Zahl der Kinder nennen, die nicht geboren wurden, weil man sie im Schoß ihrer Mütter getötet hat, der von ihren Eltern verlassenen und misshandelten Kinder, der Kinder, die ohne Liebe und Erziehung aufwachsen? In einigen Ländern müssen ganze Völker auf Wohnung und Arbeit verzichten. Sie verfügen auch nicht über die erforderlichen Mittel, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können und nicht einmal das Unentbehrliche und Lebensnotwendige wird ihnen zugestanden. In schrecklichen Ausmaßen haben materielle und moralische Elends- und Armutserscheinungen in den Stadtrandgebieten der großen Metropolen Hausrecht gewonnen und ganze Menschengruppen werden tödlich von ihnen getroffen.

Mag die Sakralität der Person aber noch zu oft verachtet und verletzt werden, vernichten kann man sie nicht. Ihr unzerstörbares Fundament gründet in Gott, dem Schöpfer und Vater, darum wird die Sakralität der Person sich immer wieder aufs neue behaupten.

Aus diesem Grund erfasst eine größere Sensibilität für die Personwürde eines jeden Menschen immer weitere Kreise. Wie ein befreiender Strom durchzieht nunmehr das Bewusstsein der Würde der Menschen alle Völker: Der Mensch ist keine »Sache« und kein »Objekt«, das benutzt werden kann, sondern immer und allein »Subjekt«, dem Gewissen und Freiheit zu eigen ist, der dazu berufen ist, in der Gesellschaft und in der Geschichte verantwortlich zu leben und sich nach den geistigen und religiösen Werten auszurichten.

Es wurde behauptet, unsere Zeit sei eine Zeit der »Humanismen«. Einige von ihnen, die atheistischer und säkularistischer Prägung sind, führen letztlich zum Paradox der Verdemütigung und Vernichtung des Menschen; andere Humanismen wiederum verherrlichen ihn bis hin zur wahren Idolatrie; wieder andere erkennen schließlich der Wahrheit entsprechend die Größe und das Elend des Menschen an, und sie bekennen, unterstützen und fördern seine volle Würde.

Zeichen und Frucht dieser humanistischen Strömungen ist das wachsende Bedürfnis nach Teilhabe. Dieses ist ohne Zweifel eines der Kennzeichen der heutigen Menschheit, ein wahres »Zeichen der Zeit«, das auf verschiedenen Gebieten und in verschiedene Richtungen reift: vor allem unter den Frauen und Jugendlichen, und das nicht nur in Richtung des Familien- und Schulwesens, sondern auch im kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich. Das Bedürfnis, Protagonisten und in gewissem Sinn Schöpfer einer neuen humanistischen Kultur zu sein, wird sowohl auf individueller wie auf universaler Basis beobachtet.<ref>Vgl. Instrumentum laboris, „De vocatione et missione laicorum in Ecclesia et in mundo viginti annis a Concilio Vaticano II elapsis”, 5-10. </ref> 

Konfliktualität und Friede

6 Schließlich darf ein anderes, für die heutige Menschheit charakteristisches Phänomen nicht unerwähnt bleiben. Die Menschheit wird wie vielleicht noch nie zuvor in ihrer Geschichte täglich und tiefgreifend durch das Erlebnis der Konfliktualität aus dem Gleichgewicht gebracht. Es handelt sich hier um ein pluriformes Phänomen, das sich vom legitimen Pluralismus der Mentalitäten und der Initiativen unterscheidet und sich in verhängnisvollen Gegensätzen zwischen Menschen, Gruppen, Kategorien, Nationen und Nationenblocks Ausdruck verschafft. Diese Gegensätze äußern sich in Gewalt, Terrorismus und Kriegen. Wieder einmal, dieses Mal jedoch in weit größeren Ausmaßen, wiederholen ganze Teile der heutigen Menschheit den törichten Versuch, den »Turm zu Babel« zu erbauen (vgl. Gen 11, 1-9), weil sie ihre »Allmacht« bekunden wollen. Das Ergebnis dieses Experimentes aber bleibt Verwirrung, Kampf, Auflösung und Unterdrückung. Die Menschheitsfamilie ist bis in ihr Inneres hinein auf dramatische Weise erschüttert und zerrissen.

Das Streben nach dem unermesslichen Gut des Friedens in Gerechtigkeit lässt sich dennoch nicht aus den Herzen der einzelnen und der Völker ausrotten. Die Seligpreisung des Evangeliums: »Selig, die Frieden stiften« (Mt 5, 9) findet unter den heutigen Menschen eine neue und bedeutungsträchtige Resonanz: Ganze Völker leben, leiden und arbeiten heute für Frieden und Gerechtigkeit.

Die Teilnahme von immer mehr Menschen am Leben der Gesellschaft ist heute der gängigste Weg, damit der Friede nicht reiner Wunsch bleibt, sondern Realität wird. Auf diesem Weg begegnen wir vielen Laien, die sich im sozialen und politischen Bereich, institutionell oder freiwillig in den vielfältigen Formen des Dienstes an den Ärmsten hochherzig engagieren.

Jesus Christus, Hoffnung der Menschheit

7 So sieht das immense und steinige Feld aus, das sich den Arbeitern auftut, die der »Gutsbesitzer« in seinen Weinberg sendet. Die Kirche: wir alle, Hirten und Gläubige, Priester, Ordensleute und Laien arbeiten auf diesem Feld. Die Situationen, die eben in Erinnerung gerufen worden sind, betreffen die Kirche auf entscheidende Weise, denn sie wird dadurch in gewissem Sinn eingeengt, aber nicht zermalmt und auch nicht überwältigt, denn der Heilige Geist, ihr Lebensprinzip, unterstützt sie bei der Erfüllung ihrer Sendung.

Die Kirche weiß, dass alles Bemühen der Menschheit um Einheit und Teilhabe trotz aller Schwierigkeiten, Verzögerungen und Widersprüche, die menschliche Kontingenz, Sünde und das Böse verursachen, in der Heilstat Jesu Christi, dem Erlöser des Menschen und der Welt, eine Antwort finden wird.

Die Kirche weiß sich von ihm gesandt als »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 1. </ref>

Darum kann die Menschheit dennoch hoffen, ja, sie muss hoffen: Das personifizierte und lebendige Evangelium, Jesus Christus selbst, ist die »neue Botschaft«, die Freude bringt, und die die Kirche jeden Tag allen Menschen verkündet und bezeugt.

In dieser Verkündigung und in diesem Zeugnis kommt den Laien ein spezifischer und unersetzlicher Beitrag zu: Durch sie wird die Kirche Christi in den verschiedensten Bereichen der Welt als Zeichen und Quelle der Hoffnung und der Liebe präsent.

ERSTES KAPITEL: ICH BIN DER WEINSTOCK, IHR SEID DIE REBEN.
Die Würde der Laien im Geheimnis der Kirche

Das Geheimnis des Weinbergs

8 Das Bild des Weinstocks wird in der Bibel auf vielfache Weise und in einem vielfältigen Sinn benutzt. Es dient aber vor allem dazu, das Geheimnis des Volkes Gottes zum Ausdruck zu bringen. In dieser tieferen Deutung sind die Laien nicht nur Arbeiter, die im Weinberg arbeiten, sondern Teil des Weinbergs selbst. Jesus sagt: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« (Joh 15, 5).

Schon im Alten Testament greifen die Propheten zum Bild des Weinbergs, um das Volk Gottes zu bezeichnen. Israel ist Gottes Weinberg, das Werk des Herrn, die Freude seines Herzens: »Ich aber hatte dich als Edelrebe gepflanzt, als gutes, als edles Gewächs« (Jer 2, 21); »Deine Mutter war wie ein Weinstock im Garten, der am Wasser gepflanzt ist. Voll von Früchten und Ranken war er wegen des Reichtums an Wasser« (Ez 19, 10); »Mein Freund hat einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben« (Jes 5, 1-2).

Jesus nimmt das Symbol des Weinbergs wieder auf und benutzt es, um einige Grundzüge des Reiches Gottes zu offenbaren: »Ein Mann legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land« (Mk 12, 1; vgl. Mt 21, 28 ff.).

Der Evangelist Johannes lädt uns ein, tiefer zu gehen und das Geheimnis des Weinbergs zu entdecken: Der Weinberg symbolisiert und verkörpert nicht nur das Volk Gottes, sondern Jesus selbst. Er ist der Weinstock und wir, seine Jünger, sind die Reben; er ist der »wahre Weinstock«, in dem die Reben lebensnotwendig verwurzelt sind (vgl. Joh 15, 1 ff.).

Das II. Vatikanische Konzil stellt die verschiedenen biblischen Bilder, die das Geheimnis der Kirche erhellen, dar und bietet erneut das Bild des Weinstocks und der Reben an: »Der wahre Weinstock aber ist Christus, der den Rebzweigen Leben und Fruchtbarkeit gibt, uns nämlich, die wir durch die Kirche in ihm bleiben, und ohne den wir nichts tun können (Joh 15, 1-5)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 6. </ref> Die Kirche selbst ist also der Weinberg im Evangelium. Sie ist Geheimnis, weil die Liebe und das Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes die völlig unverdienten Gaben sind für alle, die aus dem Wasser und dem Geist geboren (vgl. Joh 3, 5), die berufen sind, die communio Gottes selbst zu leben, zu bezeugen und in der Geschichte anderen mitzuteilen (Sendung): »An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch« (Joh 14, 20).

So kann sich die »Identität« der Laien, die ihnen eigene Würde nur vom Geheimnis der Kirche her, das Geheimnis der communio ist, enthüllen. Und nur von dieser Würde her können ihre Berufung und ihre Sendung in Kirche und Welt definiert werden.

Wer sind die Laien

9 Die Synodenväter haben mit Recht auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine positive Beschreibung von Berufung und Sendung der Laien auf der Grundlage eines vertieften Studiums der Lehre des II. Vatikanischen Konzils im Licht sowohl der jüngsten Dokumente des Lehramtes als auch der Erfahrungen, die die Kirche selbst unter der Führung des Heiligen Geistes in ihrem Leben macht, zu formulieren und anzubieten.<ref> Vgl. Propositio 3. </ref>

Um die Frage: »Wer sind die Laien« zu beantworten, verzichtete das Konzil auf die vorausgegangenen, vorrangig negativen Interpretationen und stellte sich auf einen entschieden positiven Boden. Seine Grundabsicht beweist die Aussage von der vollen Zugehörigkeit der Laien zur Kirche und ihrer vollen Teilnahme an deren Geheimnis, sowie vom spezifischen Charakter ihrer Berufung, die in besonderer Weise die Aufgabe beinhaltet »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref> »Unter der Bezeichnung Laien« - so beschreibt sie die Konstitution Lumen Gentium - »sind hier alle Christgläubigen verstanden, mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, das heißt, die Christgläubigen, die durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben«.<ref>Ebd. </ref> 

Schon Pius XII. sagte: »Die Gläubigen, und genauer noch die Laien, stehen an der äußersten Front des Lebens der Kirche; die Kirche ist für sie das Lebensprinzip der menschlichen Gesellschaft. Darum müssen sie und gerade sie ein immer tieferes Bewusstsein gewinnen, dass sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind, das heißt, die Gemeinschaft der Gläubigen auf Erden unter der Führung des Papstes als des gemeinsamen Hauptes und der mit ihm geeinten Bischöfe. Sie sind die Kirche ...«.<ref>Pius XII., Ansprache an die neuen Kardinäle (20. Februar 1946): AAS 38 (1946), 149. </ref>

Nach dem biblischen Bild des Weinstocks sind die Laien wie alle anderen Glieder der Kirche Reben, die in Christus, dem wahren Weinstock verwurzelt sind, die er lebendig und lebensspendend macht.

Die Eingliederung in Christus durch den Glauben und die christlichen Initiationssakramente ist der tiefste Grund für den neuen Ort des Christen im Geheimnis der Kirche, der seine eigentlichste »Physionomie« bestimmt, und ist Voraussetzung jeder Berufung und Dynamik im christlichen Leben der Laien: »In Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, wird der Getaufte zu einem neuen Menschen« (Gal 6, 15; Kor 5, 17), zu einem von der Sünde gereinigten und durch die Gnade neu belebten Menschen.

Darum kann die »Gestalt« des Laien nur auf dem Hintergrund des geheimnisvollen Reichtums, den Gott den Christen in der Taufe schenkt, beschrieben werden.

Die Taufe und die Neuheit des Christlichen

10 Die Behauptung ist nicht übertrieben, dass der Sinn des gesamten Lebens des Laien darin besteht, zur Erkenntnis der in der Taufe als Sakrament des Glaubens liegenden radikalen Neuheit des Christlichen zu gelangen, um der Berufung, die er von Gott empfangen hat, zu entsprechen und die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Um die »Gestalt« des Laien zu beschreiben, greifen wir nun unter allen anderen explizit und unmittelbar die drei grundlegenden Gesichtspunkte heraus: Die Taufe erschafft uns neu zu einem Leben als Kinder Gottes, sie eint uns mit Christus und mit der Kirche, seinem Leib, sie salbt uns im Heiligen Geist und macht uns zu geistigen Tempeln.

Kinder Gottes im Sohn

11 Wir erinnern uns an die Worte Jesu an Nikodemus: »Amen, Amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen« (Joh 3, 5). Die heilige Taufe ist also eine Neugeburt, sie ist eine neue Zeugung.

Angesichts dieser Gabe, die in der Taufe gegeben wird, stimmt der Apostel Petrus den Lobpreis an: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist« (1 Petr 1, 3-4). Er nennt die Christen diejenigen, die »nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt«, neu geboren wurden (1 Petr 1, 23).

Durch die heilige Taufe werden wir in seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus zu Kindern Gottes. Wenn er aus dem Taufwasser steigt, vernimmt jeder Christ die Stimme, die am Ufer des Jordan erklang: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden« (Lk 3, 22). Er versteht, dass er als Erbe dem geliebten Sohn zugesellt (vgl. Gal 4, 4-7) und damit Bruder oder Schwester Christi wurde. So erfüllt sich der ewige Plan des Vaters in der persönlichen Geschichte eines jeden Christen: »...denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei« (Röm 8, 29).

Der Heilige Geist ist es, der die Getauften zu Kindern Gottes und zu Gliedern des Leibes Christi macht. Paulus erinnert die Christen von Korinth an diese Wahrheit: »Durch den Heiligen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen« (1 Kor 12, 13). Und er kann den Laien sagen: »Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm« (1 Kor 12, 27); »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz« (Gal 4, 6; vgl. Röm 8, 15-16).

Ein Leib in Christus

12 Als »Kinder Gottes im Sohn« neu geboren, sind die Getauften untrennbar »Glieder Christi und Glieder des Leibes der Kirche«, wie das Konzil von Florenz lehrt.<ref>Ökumenisches Konzil von Florenz, Decr. pro Armeniis, DS 1314. </ref>

Die Taufe bedeutet und bewirkt eine mystische aber reale Eingliederung in den gekreuzigten und verherrlichten Leib Jesu. Durch das Sakrament eint Jesus den Getauften seinem Tod, um ihn mit seiner Auferstehung zu vereinigen (vgl. Röm 6, 3-5), er zieht ihm den »alten Menschen« aus und bekleidet ihn mit dem »neuen Menschen«, das heißt, mit sich selbst: »Denn ihr alle, die ihr in Christus getauft seid« erklärt der Apostel Paulus -, »habt Christus (als Gewand) angelegt« (Gal 3, 27; vgl. Eph 4, 22-24; Kol 3, 9-10). Daraus folgt, dass »wir, die vielen, ein Leib in Christus« sind (Röm 12, 5).

Die Paulusworte sind eine treue Wiedergabe der Lehre Jesu, der die geheimnisvolle Einheit der Jünger mit sich selbst und unter sich geoffenbart hat und sie als Bild und Fortsetzung jener unlöslichen Einheit dargestellt hat, die den Vater mit dem Sohn und den Sohn mit dem Vater im Band der Liebe des Geistes eint (vgl. Joh 17, 21).

Es ist dieselbe Einheit, die Jesus im Gleichnis vom Weinstock und den Reben anspricht: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« ( Joh 15, 5 ). Dieses Bild erhellt nicht nur die tiefe Einheit der Jünger mit Jesus, sondern auch die lebensmäßige Verbundenheit der Jünger untereinander, die alle Reben des einen Weinstocks sind.

Lebendige und heilige Tempel des Geistes

13 Mit Hilfe eines anderen Bildes, nämlich das eines Bauwerkes, definiert Petrus die Getauften als »lebendige Stein«, die auf Christus, dem »Eckstein« gründen und zum Bau eines »geistigen Haus(es)« (1 Petr 2, 5 ff.) bestimmt sind. Dieses Bild schließt uns eine andere Dimension der Neuheit der Taufe auf, die das II. Vatikanische Konzil so dargestellt hat: »Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau ... geweiht«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> 

Der Heilige Geist »salbt« den Getauften und drückt ihm sein unauslöschliches Siegel auf (vgl. 1 Kor 1, 21-22), er macht ihn zu einem geistigen Bau, das heißt, er erfüllt ihn durch die Vereinigung mit Christus und die Umgestaltung in ihn mit der heiligen Gegenwart Gottes. Durch diese geistige »Salbung« kann der Christ auf seine Weise die Worte Christi wiederholen: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lk 4, 18-19; vgl. Jes 61, 1-2). Durch die mit der Taufe und Firmung gegebene Ausgießung des Geistes nimmt der Getaufte teil an der Sendung Jesu, des Christus, des Messias und Heilandes selbst.

Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi

14 Der Apostel Petrus spricht die Getauften als »neugeborene Kinder« an, und er schreibt ihnen: »Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen... Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (1 Petr 2, 4-5. 9).

Dieses ist ein neuer Aspekt der Taufgnade und -würde: Die Laien nehmen auf ihre Weise Teil am dreifachen - priesterlichen, prophetischen und königlichen - Amt Christi. Diese Wahrheit wurde in der lebendigen Tradition der Kirche nie vergessen, wie es zum Beispiel der Kommentar des Augustinus zu Psalm 26 zeigt. Er schreibt: »David wurde zum König gesalbt. In jener Zeit wurden nur der König und der Priester gesalbt. Diese beiden waren eine Präfiguration des künftigen und einzigen Königs und Priesters, des Christus ('Christus' leitet sich von 'chrisma' ab). Aber nicht nur unser Haupt wurde gesalbt, sondern auch wir, sein Leib ... Darum steht die Salbung allen Christen zu, während sie in der alttestamentlichen Zeit nur zweien zustand. Wir bilden den Leib Christi, weil wir alle gesalbt sind und in ihm Christus sind. Denn in einem gewissen Sinn wird Christus in seiner Ganzheit vom Haupt und vom Leib gebildet«.<ref>Augustinus, Enarr. in Ps. XXVI, II, 2. CCL 38, 154 f. </ref> 

Auf den Spuren des II. Vatikanischen Konzils<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> habe ich seit Beginn meines Hirtenamtes die priesterliche, prophetische und königliche Würde des gesamten Gottesvolkes herausstellen wollen: »Der aus der Jungfrau Maria geboren wurde, der Sohn des Schreiners - für einen solchen hielt man ihn -, der Sohn des lebendigen Gottes, wie Petrus bekannt hat, ist gekommen, um aus uns allen 'eine königliche Priesterschaft' zu machen. Das Konzil hat uns das Geheimnis dieser Macht und die Tatsache, dass die Sendung Christi, des Priesters, Propheten, Lehrers und Königs sich in der Kirche fortsetzt, wieder in Erinnerung gerufen. Alle, das gesamte Gottesvolk, nimmt teil an dieser dreifachen Sendung«.<ref>Johannes Paul II., Homilie bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes (22. Oktober 1978): AAS 70 (1978), 946. </ref>

In diesem Schreiben werden die Laien erneut aufgefordert, die reiche und fruchtbare Lehre des Konzils über ihre Teilhabe am dreifachen Amt Christi<ref>Vgl. Wiederaufnahme dieser Lehre im Instrumentum laboris „De vocatione et missione laicorum in Ecclesia et in mundo viginti annis a Concilio Vaticano II elapsis“, 25 </ref> aufmerksam und mit bereitem Herzen zu lesen und zu meditieren. Hier soll in einer Synthese auf die wesentlichen Elemente dieser Lehre hingewiesen werden.

Die Laien nehmen teil am priesterlichen Amt Christi, durch das Jesus sich selbst am Kreuz geopfert hat und sich in der Feier der Eucharistie ständig neu für die Verherrlichung des Vaters und für das Heil der Menschheit darbringt. Christus eingegliedert, sind die Getauften in der Hingabe ihrer selbst und all ihres Tuns mit ihm und seinem Opfer vereint (vgl. Röm 12, 1-2). Das Konzil sagt über die Laien: »Es sind nämlich alle ihre Werke, Gebete und apostolischen Unternehmungen, ihr Ehe- und Familienleben, die tägliche Arbeit, die geistige und körperliche Erholung, wenn sie im Geist getan werden, aber auch die Lasten des Lebens, wenn sie geduldig getragen werden, 'geistige Opfer, wohlgefällig vor Gott durch Jesus Christus' (1 Petr 2, 5). Bei der Feier der Eucharistie werden sie mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in Ehrfurcht dargeboten. So weihen auch die Laien, überall Anbeter in heiligem Tun, die Welt selbst Gott«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 34. </ref> 

Die Teilhabe am prophetischen Amt Christi, der »durch das Zeugnis seines Lebens und in der Kraft seines Wortes die Herrschaft des Vaters ausgerufen hat«,<ref> Ebd., 35. </ref> befähigt und verpflichtet die Laien, das Evangelium im Glauben anzunehmen, es durch ihre Worte und ihre Werke zu verkündigen und mutig auf das Böse hinzuweisen. Christus, dem »großen Propheten« (Lk 7, 16) vereint, im Geist zu »Zeugen« des auferstandenen Christus berufen, werden die Laien nicht nur des übernatürlichen Glaubenssinnes der Kirche, der »im Glauben nicht irren« kann,<ref> Ebd., 12. </ref> sondern auch der Gnade des Wortes (vgl. Apg 2, 17-18; Apok 19, 10) teilhaftig; auch sind sie dazu berufen, die Neuheit und die Kraft des Evangeliums in ihrem täglichen Familien- und gesellschaftlichen Leben sichtbar werden zu lassen und mutig und geduldig inmitten der Widersprüche unserer Zeit »auch durch die Strukturen des Weltlebens«<ref> Ebd., 35. </ref> ihre Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit zu bezeugen.

Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Christus, dem Herrn und König der Welt, nehmen die Laien teil an seinem königlichen Amt. Sie sind von ihm zum Dienst am Reich Gottes und an seiner Ausfaltung in der Geschichte berufen. Die Laien leben das christliche Königtum vor allem durch ihren geistlichen Kampf, um in sich selbst das Reich der Sünde zu überwinden (vgl. Röm 6, 12), und durch ihre Selbsthingabe, um in der Liebe und der Gerechtigkeit Jesu, der in allen ihren Brüdern und Schwestern, vor allem in den ärmsten zugegen ist, zu dienen (vgl. Mt 25, 40).

Die Laien sind in besonderer Weise aber dazu berufen, der Schöpfung ihren vollen ursprünglichen Wert zurückzuschenken. Wenn sie durch ihr von der Gnade getragenes Tun die Schöpfung zum Wohl der Menschen ordnen, nehmen die Laien teil an der Ausübung der Macht, mit der der auferstandene Jesus alle Dinge an sich zieht, um sie mit sich selbst dem Vater zu unterwerfen, damit Gott alles in allem sei (vgl. Joh 12, 32; 1 Kor 15, 28).

Die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs, hat ihre erste Wurzel in der Taufsalbung, und sie erfährt in der Firmung ihre Ausfaltung. In der Eucharistie wird sie ständig genährt und vollendet. Diese Teilhabe wird den einzelnen Gläubigen, insofern als sie den einen Leib des Herrn bilden, geschenkt: Es ist die Kirche, sein Leib und seine Braut, die Jesus mit seinen Gaben bereichert. Als Glieder der Kirche nehmen die einzelnen teil am dreifachen Amt Christi, wie der heilige Petrus es deutlich lehrt, wenn er die Getauften als »Auserwähltes Geschlecht, ... königliche Priesterschaft, ... heiliger Stamm, ... Volk, das ... (Gottes) besonderes Eigentum wurde« (1 Petr 2, 9) beschreibt. Weil sie sich von der kirchlichen communio ableitet, muss die Teilhabe der Laien am dreifachen Amt Christi in der communio und um des Wachstums der communio willen gelebt und verwirklicht werden. Augustinus schreibt: »So wie alle aufgrund des mystischen Charismas Christen genannt werden, so nennen wir alle Priester, weil sie Glieder des einzigen Priesters sind«.<ref> Augustinus, De civitate Dei, XX, 10: CCL 48, 720. </ref>

Die Laien und der Weltcharakter

15 Die Neuheit des Christlichen ist Fundament und Rechtsgrund für die Gleichheit aller Getauften in Christus, für die Gleichheit aller Glieder des Volkes Gottes: »... gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eines die Hoffnung und ungeteilt die Liebe«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 32. </ref> Aufgrund der gemeinsamen Taufwürde ist der Laie mit den geweihten Hirten und den Ordensleuten mitverantwortlich für die Sendung der Kirche.

Die gemeinsame Taufwürde ist dem Laien in einer Weise zu eigen, die ihn vom Priester und von den Ordensleuten zwar unterscheidet, aber doch nicht trennt. Das II. Vatikanische Konzil hat diese Modalität im Weltcharakter gefasst: »Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen«.<ref> Ebd., 31. </ref> 

Um den Ort des Laien in der Kirche voll, sachgerecht und spezifisch zu verstehen, muss die theologische Relevanz seines Weltcharakters im Licht des Heilsplanes Gottes und des Geheimnisses der Kirche tiefer erörtert werden.

Wie Paul VI. schon gesagt hat, »eignet der Kirche eine welthafte Dimension an, die wesenhaft zu ihr und zu ihrer Sendung gehört und die sich in ihren Gliedern auf verschiedene Weise verwirklicht«.<ref>Paul VI. Ansprache an die Mitglieder der Säkularinstitute (2. Februar 1972): AAS 64 (1972), 208. </ref>

Wenn sie auch nicht von dieser Welt ist, lebt die Kirche in dieser Welt (vgl. Joh 17, 16), und sie ist gesandt, das Heilswerk Jesu Christi fortzusetzen, »das auf das Heil der Menschen (zielt), aber auch den Aufbau der gesamten zeitlichen Ordnung« umfasst.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 5. </ref> 

Alle Glieder der Kirche nehmen auf verschiedene Weise an ihrer säkularen Dimension teil. Die Laien vor allem aktualisieren und üben diese Teilhabe, die ihnen nach der Lehre des Konzils in besonderer Weise zu eigen ist auf spezifische Weise aus. Sie wird mit dem Begriff »Weltcharakter« bezeichnet.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref>

Das Konzil beschreibt diese Welthaftigkeit der Laien vor allem als den Ort, an dem der Ruf Gottes sie trifft: »Dort sind sie von Gott gerufen«.<ref> Ebd. </ref> Dieser Ort wird mit Hilfe von dynamischen Begriffen dargestellt: Die Laien »leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist«.<ref> Ebd. </ref> 

Die Laien leben in den gewöhnlichen Strukturen der Welt, sie studieren, arbeiten, gehen freundschaftliche, soziale, berufliche und kulturelle Beziehungen ein usw. Das Konzil betrachtet diese ihre Lebensverhältnisse nicht nur als ein äußerliches und milieubedingtes Moment, sondern als eine Wirklichkeit, die in Jesus Christus die Fülle ihrer Bedeutung finden muss.<ref> Vgl. ebd., 48. </ref> Es behauptet, dass das »fleischgewordene Wort ... selbst in die menschliche Gesellschaft eingehen (wollte) ... Die menschlichen, besonders die familiären Verflechtungen, den Anfang der Gesellschaftlichkeit überhaupt, hat er geheiligt; freiwillig den Gesetzen seines Heimatlandes untertan; er hat das Leben eines Arbeiters, wie es Zeit und Land eigen war, leben wollen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 32. </ref> 

So wird »die Welt« zum Bereich und zum Mittel der Erfüllung der christlichen Berufung der Laien, weil sie dazu bestimmt ist, in Christus Gott den Vater zu verherrlichen. Darum kann das Konzil auf den spezifischen Sinn der göttlichen Berufung, die an die Laien ergeht, hinweisen. Sie sind nicht dazu berufen, ihren Ort in der Welt zu verlassen.

Wie schon der Apostel Paulus lehrte, nimmt die Taufe sie nicht aus der Welt: »Brüder, ein jeder soll vor Gott in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat« (1 Kor 7, 24). Die Taufe beinhaltet vielmehr eine Sendung, die sich gerade auf die Situation in der Welt bezieht: Die Laien sind »von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen, und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31. </ref> So stellen das In-der-Welt-Sein und In-der-Welt-Handeln für die Laien nicht nur eine anthropologische und soziologische Gegebenheit dar, sondern auch und vor allem eine spezifisch theologische und kirchliche. In der Welt offenbart Gott ihnen seinen Willen und ihre besondere Berufung, »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen«.<ref> Ebd. </ref> 

In dieselbe Richtung geht auch die Behauptung der Synodenväter: »Der Weltcharakter der Laien kann darum nicht nur im soziologischen, sondern muss auch im theologischen Sinn betrachtet werden. Das Merkmal der Welthaftigkeit muss im Licht des Schöpfungs- und Erlösungsaktes Gottes betrachtet werden, der die Welt den Menschen anvertraut, damit sie am Schöpfungswerk teilnehmen, die Schöpfung von den Folgen der Sünde befreien und sich selbst in der Ehe oder in der Ehelosigkeit, in der Familie, im Beruf und in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens heiligen«.<ref> Propositio 4. </ref>

Der Ort der Laien in der Kirche muss grundsätzlich von dieser Neuheit des Christlichen her definiert und durch den Weltcharakter der Laien charakterisiert werden.<ref> „Die Laien sind vollwertige Glieder des Volkes Gottes und des mystischen Leibes Christi. Durch die Taufe haben sie Anteil am dreifachen, priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi. Sie bezeugen und verwirklichen den Reichtum dieser Würde durch ihr Leben in der Welt. Was für die geweihten Amtsträger eine zusätzliche oder außerordentliche Aufgabe sein kann, ist spezifische Sendung der Laien. Ihre eigene Berufung ist es, ,in einer Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen‘ (Lumen gentium, Nr. 31)“ (Johannes Paul II., Angelus am 15. März 1987: Insegnamenti, X, 1 [1987], 561). </ref>

Die Bilder des Evangeliums: das Salz, das Licht und der Sauerteig, treffen unterschiedslos auf alle Jünger Jesu zu, aber in besonderer Weise auf die Laien. Sie haben eine wundersam tiefe Bedeutung für sie, denn sie bringen nicht nur die tiefe Verankerung und die volle Teilhabe der Laien auf der Erde, in der Welt, in der Gemeinschaft der Menschen zum Ausdruck, sondern auch und vor allem das Neue und Originelle einer Verankerung und einer Teilhabe, die ihren Sinn in der Verbreitung des heilbringenden Evangeliums findet.

Zur Heiligkeit berufen

16 Die Würde der Laien erschließt sich uns voll, wenn wir die erste und fundamentale Berufung betrachten, die der Vater in Jesus Christus durch den Heiligen Geist an einen jeden von ihnen richtet: Die Berufung zur Heiligkeit, das heißt zur Vollkommenheit in der Liebe. Der Heilige ist das vollkommenste Zeugnis der Würde, die dem Jünger Christi verliehen wurde.

Das II. Vatikanische Konzil hat Entscheidendes über die universelle Berufung zur Heiligkeit gesagt. Man kann sogar behaupten, dass dieser der wichtigste Auftrag eines Konzils, das die Erneuerung des christlichen Lebens im Sinn des Evangeliums zum Ziel hatte,<ref> Vgl. vor allem FÜNFTES KAPITEL der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 39–42, das von der „Allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche” handelt. </ref> an alle Söhne und Töchter der Kirche ist. Er ist nicht lediglich eine moralische Ermahnung, sondern eine unausweichliche Forderung, die sich aus dem Geheimnis der Kirche ergibt: Die Kirche ist der erwählte Weinstock, dessen Reben aus dem heiligen und heiligenden Lebensstrom Christi leben; sie ist der mystische Leib, dessen Glieder am Heiligkeitsleben des Hauptes selbst, das Christus ist, teilnehmen; sie ist die geliebte Braut des Herrn Jesus, der sich selbst dahingegeben hat, um sie zu heiligen (vgl. Eph 5, 25 ff.). Der Geist, der die menschliche Natur Jesu im jungfräulichen Schoß Marias geheiligt hat (vgl. Lk 1, 35), ist derselbe Geist, der in der Kirche gegenwärtig und wirksam ist, um ihr die Heiligkeit des menschgewordenen Gottessohnes mitzuteilen.

Das Gebot der Stunde geht heute mehr denn je dahin, dass alle Christen den Weg der Erneuerung im Geist des Evangeliums begehen, um sich hochherzig der Aufforderung des Apostels zu stellen, dass ihr »ganzes Leben heilig« werde (1 Petr 1, 15). Zwanzig Jahre nach dem Abschluss des Konzils hat die Außerordentliche Synode 1985 auf diese dringende Notwendigkeit hingewiesen: »Weil die Kirche in Christus Geheimnis ist, muss sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit verstanden werden ... In den schwierigsten Situationen der Geschichte der Kirche standen am Ursprung der Erneuerung immer Heilige. Heute brauchen wir notwendig Heilige, die wir uns beharrlich von Gott erbeten müssen«.<ref> AUSSERORDENTLICHE VOLLVERSAMMLUNG DER Bischofssynode (1985), Schlussdokument Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi, II, A, 4. </ref>

Weil sie ihre Glieder sind, empfangen und teilen alle in der Kirche die universelle Berufung zur Heiligkeit. Auch die Laien sind ohne den geringsten Unterschied wie die anderen Glieder der Kirche voll und ganz dazu berufen: »Jedem ist also klar, dass alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 40. </ref> »Alle Christgläubigen sind also zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet«.<ref> Ebd., 42. Diese feierliche und unmissverständliche Erklärung des Konzils bringt eine Grundwahrheit des christlichen Glaubens in Erinnerung. So schreibt zum Beispiel Pius XI. in der Enzyklika Casti connubii an die christlichen Eheleute: „Alle können und müssen – welchen Stand und welche ehrbare Lebensform sie auch immer gewählt haben mögen – dem vollkommensten Vorbild aller Heiligkeit, den Gott den Menschen geschenkt hat, unseren Herrn Jesus Christus nachahmen. Mit Gottes Hilfe mögen sie zur höchsten christlichen Vollkommenheit gelangen, wie das Beispiel vieler Heiligen es zeigt“: AAS 22 (1930), 548. </ref> Die Berufung zur Heiligkeit hat in der Taufe ihre Wurzeln und wird in den anderen Sakramenten, vor allem in der Eucharistie, erneuert. Da sie Christus angezogen und sich vom Heiligen Geist genährt haben, sind die Christen »heilig« und darum befähigt und verpflichtet, die Heiligkeit ihres Seins in der Heiligkeit ihres ganzen Wirkens zu zeigen. Der Apostel Paulus wird nicht müde, alle Christen zu ermahnen, so zu leben, »wie es sich für Heilige gehört« (Eph 5, 3).

Das Leben nach dem Geist, dessen Frucht die Heiligung ist (vgl. Röm 6, 22; Gal 5, 22), fordert von jedem Getauften Nachfolge und Nachahmung Christi und befähigt ihn dazu: in der Annahme der Seligpreisungen, im Hören und Betrachten des Wortes Gottes, in der bewussten und aktiven Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche, im persönlichen Gebet, im Gebet der Familie und der Gemeinschaften, im Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, in der Erfüllung des Gebotes der Liebe in allen Situationen des Lebens und im Dienst an den Brüdern, vor allem den Kleinen, Armen und Leidenden.

In der Welt zur Heiligkeit gelangen

17 Die Berufung der Laien zur Heiligkeit bringt es mit sich, dass das Leben nach dem Geist vor allem in ihrem Einbezogensein in den weltlichen Bereich und in ihrer Teilnahme an den irdischen Tätigkeiten zum Ausdruck kommt. Der Apostel ermahnt uns noch einmal: »Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!« (Kol 3, 17). Das Konzil wendet die Worte des Apostels auf die Laien an und erklärt ausdrücklich: »Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellen, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref> Die Synodenväter meinten ihrerseits: »Die Einheit des Lebens der Laien ist von entscheidender Bedeutung: Sie müssen sich in ihrem alltäglichen beruflichen und gesellschaftlichen Leben heiligen. Um ihre Berufung zu erfüllen, müssen die Laien ihr Tun im Alltag als Möglichkeit der Vereinigung mit Gott und der Erfüllung seines Willens sowie als Dienst an den anderen Menschen betrachten, um sie in Christus zur Gemeinschaft mit Gott zu führen«.<ref> Propositio 5. </ref>

Die Laien müssen ihre Berufung zur Heiligkeit als unverzichtbare Pflicht, die sie fordert, vor allem aber als leuchtendes Zeichen der Liebe Gottes, der sie zu seinem Leben der Heiligkeit erlöst hat, verstehen und verwirklichen. Eine solche Berufung muss sich also als wesentlicher und untrennbarer Bestandteil des neuen Lebens, das uns in der Taufe geschenkt wurde, und somit als konstitutiver Bestandteil der Würde der Laien verstehen. Die Berufung zur Heiligkeit ist mit der Sendung sowie mit der Verantwortung, die den Laien in der Kirche und in der Welt anvertraut ist, aufs engste verknüpft. Die gelebte Heiligkeit, die aus der Teilnahme am Heiligkeitsleben der Kirche fließt, stellt den ersten und grundlegenden Beitrag zum Aufbau der Kirche als »Gemeinschaft der Heiligen« dar. Im Licht des Glaubens erschließt sich uns ein wundervoller Horizont: Die zahlreichen Laien, Männer und Frauen, die in ihrem Leben und ihrem alltäglichen Tun oft ungesehen und sogar unverstanden, von den Großen dieser Erde nicht anerkannt, aber vom Vater in Liebe angeschaut, unermüdliche Arbeiter im Weinberg des Herrn sind und so demütige, aber - durch die Kraft der Gnade Gottes - große Mitwirkende am Wachstum des Reiches Gottes in der Geschichte werden.

Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche. Die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der apostolischen Wirksamkeit und der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit. Nur in dem Maß, in dem sie sich als Braut Christi seiner Liebe aussetzt und ihn wiederliebt, wird die Kirche im Geist zur fruchtbaren Mutter.

Greifen wir wieder zurück zum biblischen Bild: das Sprießen und Wachsen der Reben ist gegeben durch ihre Verbindung mit dem Weinstock. »Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt vor mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15, 4-5).

Es liegt nahe, hier die feierlichen Selig- und Heiligsprechungen von Laien, Männer und Frauen, die während der Synode stattgefunden haben, in Erinnerung zu rufen. Das gesamte Volk Gottes und vor allem die Laien können nun auf neue Vorbilder der Heiligkeit, die in gewöhnlichen und alltäglichen Situationen menschlicher Existenz gelebt haben, auf neue Zeugnisse heroischer Tugend schauen. Die Synodenväter sagten darüber: »Die Ortskirchen und vor allem die sogenannten jungen Kirchen müssen aufmerksam unter ihren Gliedern jene Männer und Frauen zu erkennen suchen, die in diesen Situationen (den alltäglichen Situationen der Welt und des Ehestandes) ein Zeugnis der Heiligkeit gegeben haben und anderen Vorbild sein können, damit sie gegebenenfalls für die Selig- oder Heiligsprechung vorgeschlagen werden«.<ref> Propositio 8. </ref>

Am Schluss dieser Überlegungen, die den Ort der Laien in der Kirche definieren wollten, kommt uns die berühmte Ermahnung Leos des Großen in den Sinn: »O Christ, erkenne deine Würde!«<ref> Leo der Große, Sermo XXI, 3: S. Ch. 22 bis, 72. </ref> Die gleiche Ermahnung hat Maximus, Bischof von Turin, an alle gerichtet, die die Salbung der heiligen Taufe empfangen hatten: »Bedenkt die Ehre, die euch in diesem Geheimnis zuteil wurde!«<ref> Maximus, Tract. III de Baptismo: PL 57, 779. </ref> Alle Getauften sind aufgerufen, erneut auf die Worte des heiligen Augustinus zu hören: »Freuen wir uns und danken wir: wir sind nicht nur Christen, sondern Christus geworden ... Staunt und frohlockt: Wir sind Christus geworden«.<ref> Augustinus, In Ioann. Evang. tract., 21, 8: CCL 36, 216. </ref>

Die christliche Würde, die Ursprung der Gleichheit aller Glieder der Kirche ist, gewährleistet und fördert den Geist der communio und der Brüderlichkeit und ist zugleich Geheimnis und Kraftquelle der apostolischen und missionarischen Dynamik der Laien. Diese Würde ist anspruchsvoll, sie ist die Würde der Arbeiter, die der Herr in seinen Weinberg gerufen hat: »So obliegt allen Laien« - lesen wir in den Konzilstexten - »die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 33. </ref>

ZWEITES KAPITEL: WIR ALLE SIND REBEN DES EINEN WEINSTOCKS.

Die Teilhabe der Laien am Leben in der communio der Kirche

Das Geheimnis der Kirche als communio

18 Hören wir noch einmal auf die Worte Jesu: »Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer... Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch« (Joh 15, 1-4).

Diese einfachen Worte offenbaren uns die geheimnisvolle Gemeinschaft, die den Herrn und die Jünger, den Herrn und alle Getauften zu einer Einheit verbindet. Sie ist lebendige und lebensspendende Gemeinschaft, aufgrund derer die Christen nicht sich selbst gehören, sondern wie die Reben am Weinstock Christi Eigentum sind.

Vorbild, Quelle und Ziel der Gemeinschaft der Christen mit Jesus ist die Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater in der Hingabe des Heiligen Geistes. Durch das Liebesband des Geistes Christi vereint, sind die Christen mit dem Vater geeint.

Jesus fährt fort: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« (Joh 15, 5). Aus der Gemeinschaft der Christen mit Christus ergibt sich ihre Gemeinschaft untereinander: Alle sind Reben des einen Weinstocks, der Christus ist. Der Herr Jesus deutet uns diese brüderliche Gemeinschaft als leuchtenden Widerschein des Lebens und der Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, an dem alle Getauften auf geheimnisvolle Weise teilnehmen. Um diese Gemeinschaft betet Jesus: »Alle sollen eins sein, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast« (Joh 17, 21).

Diese communio ist das eigentliche Geheimnis der Kirche, wie das II. Vatikanische Konzil es uns mit dem berühmten Wort des heiligen Zyprian in Erinnerung ruft: »So erscheint die ganze Kirche als »das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium Nr. 4. </ref> An dieses Geheimnis der Kirche als communio werden wir zu Beginn einer jeden Eucharistiefeier erinnert, wenn der Priester uns den Gruß des Apostels Paulus wiederholt: »Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen« (2 Kor 13, 13).

Nachdem wir die »Gestalt« der Laien in ihrer Würde gezeichnet haben, müssen wir uns nun ihrer Sendung und Verantwortung in der Kirche und in der Welt zuwenden. Diese können aber nur im lebendigen Kontext der Kirche als communio in der rechten Weise verstanden werden.

Das Konzil und die communio-Ekklesiologie

19 Das ist die Grundvorstellung von sich selbst, die die Kirche im II. Vatikanischen Konzil zum Ausdruck gebracht, und die die Außerordentliche Synode von 1985 uns zwanzig Jahre nach dem Ereignis des Konzils in Erinnerung gerufen hat: »Die communio-Ekklesiologie ist der zentrale und grundlegende Gedanke der Konzilsdokumente. Die koinonia-communio, die in der Heiligen Schrift begründet ist, nimmt in der alten Kirche und in den östlichen Kirchen bis in unsere Tage hinein eine Vorrangstellung ein. Darum ist seit dem II. Vatikanischen Konzil viel getan worden, um das Verständnis der Kirche als communio zu fördern und konkreter in das Leben umzusetzen. Was bedeutet das vielschichtige Wort "communio"? Es geht im Letzten um die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Diese communio ist im Wort Gottes und in den Sakramenten gegeben. Die Taufe ist der Zugang zur communio der Kirche und ihr Fundament. Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens (vgl. LG, 11). Die Kommunion des eucharistischen Leibes Christi bedeutet und erwirkt, das heißt, sie baut die tiefe communio aller Gläubigen im Leib Christi, der die Kirche ist, auf (1 Kor 10, 16 f)«.<ref> II. AUSSERORDENTLICHE VOLLVERSAMMLUNG DER Bischofssynode (1985), Schlussdokument Ecclesia sub Verbo Dei mysteria Christi celebrans pro salute mundi II, C, 1. </ref>

Am Tag nach dem Konzil sprach Paul VI. zu den Gläubigen: »Die Kirche ist eine communio. Was bedeutet in diesem Fall communio? Wir weisen hin auf das Kapitel des Katechismus, das von der sanctorum communionem, von der Gemeinschaft der Heiligen handelt. Und Gemeinschaft der Heiligen bedeutet eine zweifache lebensmäßige Teilhabe: die Eingliederung der Christen in das Leben Christi und das kreisförmige Weiterströmen dieser Liebe unter allen Gläubigen in dieser und in der anderen Welt. Einheit mit Christus und in Christus; und Einheit unter den Christen in der Kirche«.<ref> Paul VI., Ansprache am 8. Juni 1966: Insegamenti, V (1966), 794. </ref>

Die biblischen Bilder, mit denen das Konzil uns in die Betrachtung des Geheimnisses der Kirche einführen wollte, werfen Licht auf die Realität der Kirche als communio in ihren unzertrennbaren Dimensionen der Gemeinschaft der Christen mit Christus und der Gemeinschaft der Christen untereinander. Diese Bilder handeln vom Schafstall, von der Herde, vom Weinstock, vom geistigen Haus, von der heiligen Stadt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 6. </ref>

Im Vordergrund steht vor allem das Bild des Leibes, das uns vom heiligen Paulus gegeben wurde, und dessen Lehre uns an vielen Stellen der Konzilstexte in ihrer ganzen Ursprünglichkeit und Anziehungskraft entgegenkommt.<ref>Vgl. ebd., 7 et passim. </ref> Das Konzil wiederum schöpft aus der gesamten Heilsgeschichte und stellt uns das Bild der Kirche als Volk Gottes erneut dar: »Gott hat es aber gefallen, die Menschen nicht einzeln unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen soll«. <ref>Ebd., 9. </ref> Schon in ihren ersten Zeilen fasst die Konstitution Lumen Gentium diese Lehre zutreffend zusammen, wenn sie schreibt: »Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt, Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«.<ref> Ebd., 1. </ref>

Die Realität der Kirche als communio ist wesentlicher Bestandteil, ja sie stellt den zentralen Inhalt des »Mysteriums«, das heißt, des göttlichen Heilsratschlusses für die Menschen dar. Darum kann die communio der Kirche nicht verstanden werden, wenn man sie lediglich als soziologische oder psychologische Gegebenheit betrachtet. Die Kirche als communio ist das »neue« Volk, das »messianische« Volk, das »zum Haupte Christus« hat, »dem die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes« zu eigen ist, dessen »Gesetz ... das neue Gebot ..., zu lieben wie Christus uns geliebt hat« und dessen »Bestimmung endlich ... das Reich Gottes« ist, das »von Christus als Gemeinschaft des Lebens, der Liebe und der Wahrheit gestiftet« worden ist.<ref> Ebd., 9. </ref> Die Bande, die die Glieder des Volkes Gottes untereinander - und vor allem mit Christus - verbinden, sind nicht die des »Fleisches« und des »Blutes«, sondern die des Geistes, genauer noch, die des Heiligen Geistes, den alle Getauften empfangen (vgl. Joel 3, 1).

Derselbe Geist, der von Ewigkeit die einzige und ungeteilte Dreifaltigkeit vereinigt, der Geist, der »als die Zeit erfüllt war« (Gal 4, 4), das menschliche Fleisch unzertrennlich mit dem Sohn Gottes vereinigt, derselbe und dergleiche Geist ist im Lauf der christlichen Generationen die unversiegbare und unerschöpfliche Quelle der communio der Kirche und in der Kirche.

Organische communio: Verschiedenheit und Komplementarität

20 Genauer betrachtet stellt die communio der Kirche sich als »organische communio« dar, ähnlich der eines lebendigen und wirkenden Leibes: Sie ist gekennzeichnet von der Koexistenz der Verschiedenheit und der Komplementarität der Berufungen, Lebenssituationen, Diensten, Charismen und Verantwortungen. Dank dieser Verschiedenheit und Komplementarität steht jeder Laie in Beziehung zum gesamten Leib und bringt seinen Beitrag in ihn ein. Der heilige Paulus betont auf ganz besondere Weise die organische communio des mystischen Leibes Christi. Wir finden seine reiche Lehre in der Synthese, die das Konzil uns geboten hat: Jesus Christus - so lesen wir in der Konstitution Lumen Gentium - hat, »indem er nämlich seinen Geist mitteilte, ... seine Brüder, die er aus allen Völkern zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht. In jenem Leibe strömt Christi Leben auf die Gläubigen über ... Wie aber alle Glieder des menschlichen Leibes, obschon sie viele sind, dennoch den einen Leib ausmachen, so auch die Gläubigen in Christus (vgl. 1 Kor 12, 12). Auch bei der Auferbauung des Leibes Christi waltet die Verschiedenheit der Glieder und der Aufgaben. Der eine Geist ist es, der seine vielfältigen Gaben gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen in der Kirche austeilt (vgl. 1 Kor 12, 1-11). Unter diesen Gaben ragt die Gnade der Apostel heraus, deren Autorität der Geist selbst auch die Charismatiker unterstellt (vgl. 1 Kor 14). Derselbe Geist eint durch sie und durch seine Kraft, wie durch die innere Verbindung der Glieder den Leib; er bringt die Liebe der Gläubigen untereinander hervor und treibt sie an. Folglich leiden, wenn ein Glied leidet, alle Glieder mit, und wenn ein Glied Ehre empfängt, freuen sich alle Glieder mit (vgl. 1 Kor 12, 26)«.<ref> Ebd., 7. </ref>

Das dynamische Prinzip der Verschiedenheit und der Einheit der Kirche und in der Kirche ist immer derselbe Geist. Wir lesen ferner in der Konstitution Lumen Gentium: »Damit wir aber in ihm unablässig erneuert werden (vgl. Eph 4, 23), gab er uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib so lebendig macht, eint und bewegt, dass die heiligen Väter sein Wirken vergleichen konnten mit der Aufgabe, die das Lebensprinzip - die Seele - im menschlichen Leibe erfüllt«.<ref> Ebd. </ref> In einem anderen Passus, dessen Dichte und Fülle die »Organizität« der communio der Kirche auch unter dem Gesichtspunkt ihres dauernden Wachstums auf die vollkommene communio hin aufschließt, schreibt das Konzil: »Der Geist wohnt in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel (vgl. 1 Kor 3, 16; 6, 19), in ihnen betet er und bezeugt ihre Annahme an Sohnes Statt (vgl. Gal 4, 6; Röm 8, 15-16. 26). Er führt die Kirche in alle Wahrheit ein (vgl. Joh 16, 13), eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitet und lenkt sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben und schmückt sie mit seinen Früchten (vgl. Eph 4, 11-12; 1 Kor 12, 4;Gal 5, 22). Durch die Kraft des Evangeliums lässt er die Kirche allezeit sich verjüngen, erneut sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam. Denn der Geist und die Braut sagen zum Herrn Jesus: "Komm" (vgl. Apk 22, 17)«.<ref> Ebd., 4. </ref>

Die communio der Kirche ist also eine Gabe, eine große Gabe des Heiligen Geistes, die die Laien dankbar annehmen und mit tiefem Verantwortungsbewusstsein leben sollen. Das geschieht konkret durch ihre Teilnahme am Leben und an der Sendung der Kirche, in deren Dienst sie ihre verschiedenen und komplementären Aufträge und Charismen stellen. Der Laie »kann sich nicht in sich selbst verschließen und geistig von der Gemeinschaft trennen, er muss in einem dauernden Austausch mit den anderen leben, aus einem lebendigen Sinn für Brüderlichkeit, in der Freude der gleichen Würde und im Bemühen, gemeinsam den großen Schatz, der als Erbe empfangen wurde, fruchtbar werden zu lassen. Der Geist des Herrn schenkt ihm wie auch den anderen vielfältige Charismen, er lädt ihn zu verschiedenen Diensten und Aufgaben ein und erinnert ihn daran, so wie er im Hinblick auf ihn andere daran erinnert, dass das, was ihn unterscheidet, nicht ein mehr an Würde, sondern eine besondere und komplementäre Befähigung zum Dienst ist ... So bestehen die Charismen, die Dienste, die Aufgaben des Laien in der communio und für die communio. Sie sind komplementäre Reichtümer für den Dienst an allen unter der weisen Führung der Hirten«.<ref> Johannes Paul II., Homilie beim feierlichen Abschlussgottesdienst der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 600. </ref>

Ämter und Charismen, Gaben des Geistes an die Kirche

21 Das II. Vatikanische Konzil stellt die Ämter und Charismen als Gaben des Geistes für den Aufbau des Leibes Christi und für seine Heilssendung in der Welt dar.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 4. </ref> Die Kirche wird vom Geist geleitet und geführt, und er gewährt den Getauften verschiedene hierarchische und charismatische Gaben und beruft einen jeden, auf seine Weise aktiv und mitverantwortlich zu werden.

Wir wollen nun die Ämter und Charismen in ihrer unmittelbaren Beziehung zu den Laien und zu ihrer Teilhabe am Leben der Kirche als communio betrachten.

Ämter, Dienste und Funktionen

Wenn auch auf verschiedene Weise, sind alle Ämter, die in der Kirche gegenwärtig und wirksam sind, Teilhabe am Amt Jesu Christi, dem guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe (vgl. Joh 10, 11), und dem demütigen und für das Heil aller sich gänzlich opfernden Diener (vgl. Mk 10, 45). Paulus stellt die amtliche Struktur der Urgemeinden deutlich heraus. Im ersten Brief an die Korinther schreibt er: »So hat Gott in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die andern als Propheten, die dritten als Lehrer ...« (1 Kor 12, 28). Im Brief an die Epheser lesen wir: »Aber jeder von uns empfängt die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat ... Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen« (Eph 4, 7. 11-13; vgl. Röm 12, 4-8). Wie aus diesen und anderen Texten des Neuen Testamentes hervorgeht, sind die Ämter sowie die Gaben und die Aufgaben in der Kirche vielfältig und verschiedenartig.

Die vom Ordo abgeleiteten Ämter

22 In der Kirche begegnen uns zunächst die geweihten Ämter, das heißt, die Ämter, die sich aus dem Sakrament des Ordo ableiten. Der Herr Jesus hat die Apostel erwählt und eingesetzt - als Keime des neuen Israel und Ursprung der Hierarchie<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 5. </ref> - mit dem Auftrag, alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28, 19), das priesterliche Volk zu konstituieren und zu regieren. Der Auftrag der Apostel, den der Herr Jesus weiterhin den Hirten seines Volkes anvertraut, ist im wahren Sinn des Wortes ein Dienst, der in der Heiligen Schrift bezeichnenderweise als »diakonia«, das heißt Dienst oder Amt, genannt wird. Die Amtsträger empfangen durch das Sakrament des Ordo von Christus, dem Auferstandenen, in der ununterbrochenen Apostolischen Nachfolge das Charisma des Heiligen Geistes. Sie empfangen damit die Autorität und die heilige Vollmacht, um der Kirche zu dienen, indem sie »in persona Christi capitis« (in der Person des Hauptes Christus)<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 2; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> handeln und sie im Heiligen Geist durch das Evangelium und die Sakramente zu einen.

Mehr noch als für die Menschen, die sie empfangen, sind die geweihten Ämter eine große Gnade für die gesamte Kirche. Sie realisieren und machen eine andere Art der Teilhabe am Priestertum Jesu Christi sichtbar, die nicht nur im Grad, sondern wesenhaft verschieden ist von der Teilhabe, die mit Taufe und Firmung allen Gläubigen gegeben ist. Auf der anderen Seite ist das Amtspriestertum, wie es das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat, wesentlich auf das königliche Priestertum aller Gläubigen hin und diesem zugeordnet.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 10. </ref> 

Aus diesem Grund und um die communio der Kirche vor allem im Bereich der verschiedenen und komplementären Dienste zu sichern und zu vertiefen, müssen die Hirten sich bewusst sein, dass ihr Amt grundsätzlich auf den Dienst am gesamten Volk Gottes ausgerichtet ist (vgl. Hebr 5, 1).Die Laien ihrerseits müssen anerkennen, dass das Amtspriestertum für ihr Leben und für ihrer Teilhabe an der Sendung unverzichtbar ist.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Brief an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag (9. April 1979), 3-4: Insegnamenti, II, 1 (1979), 844-847. </ref>

Dienste, Aufgaben und Funktionen der Laien

23 Die Heilssendung der Kirche in der Welt wird nicht nur von den Amtsträgern aufgrund des Sakramentes des Ordo realisiert, sondern auch von allen Laien. Als Getaufte und aufgrund ihrer spezifischen Berufung nehmen diese in dem Maß, das einem jeden entspricht, am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teil. Darum müssen die Hirten die Dienste, Aufgaben und Funktionen der Laien anerkennen und fördern. Diese haben ihre sakramentale Grundlage in Taufe und Firmung und vielfach auch in der Ehe. Wenn es zum Wohl der Kirche nützlich oder notwendig ist, können die Hirten entsprechend den Normen des Universalrechts den Laien bestimmte Aufgaben anvertrauen, die zwar mit ihrem eigenen Hirtenamt verbunden sind, aber den Charakter des Ordo nicht voraussetzen. Der Codex schreibt: »Wo es ein Bedarf der Kirche nahe legt, weil für diese Dienste Beauftragte nicht zur Verfügung stehen, können auch Laien, selbst wenn sie nicht Lektoren oder Akolythen sind, nach Maßgabe der Rechtsvorschriften bestimmte Aufgaben erfüllen, nämlich den Dienst am Wort, die Leitung liturgischer Gebete, die Spendung der Taufe und die Austeilung der heiligen Kommunion«.<ref> CIC, can. 230 § 3. </ref> Die Erfüllung einer solchen Aufgabe macht den Laien aber nicht zum Hirten: Nicht eine Aufgabe konstituiert das Amt, sondern das Sakrament des Ordo.

Nur das Sakrament des Ordo gewährt dem geweihten Amtsträger eine besondere Teilhabe am Amt Christi, des Hauptes und Hirten, und an seinem ewigen Priestertum.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 2 und 5. </ref> Die in Vertretung erfüllte Aufgabe leitet ihre Legitimität formell und unmittelbar von der offiziellen Beauftragung durch die Hirten ab. Ihre konkrete Erfüllung untersteht der Leitung der kirchlichen Autorität.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 24. </ref> 

Die letzte Synode hat ein breites und bedeutungsreiches Panorama der Situation von Diensten, Aufgaben und Funktionen der Getauften in der Kirche geboten. Die Väter haben ihre volle Anerkennung den wertvollen apostolischen Beiträgen der Laien ausgesprochen, der Männer und Frauen, die sich für die Evangelisierung, die Heiligung und die christliche Inspirierung des säkularen Bereiches einsetzen, sowie ihrer hochherzigen Einsatzbereitschaft als Stellvertreter in Situationen akuter oder dauernder Not.<ref> Der Codex führt eine Reihe von Diensten und Aufgaben auf, die den geweihten Amtsträgern zukommen, aber aus besonderen und schwerwiegenden Gründen, konkret wegen Mangel an Priestern und Diakonen, zeitweise von Laien ausgeübt werden können, vorausgesetzt, dass diese von der zuständigen kirchlichen Autorität dafür die juridische Vollmacht und das Mandat erhalten haben: vgl. cann. 230 § 3; 517 § 2; 776; 861 § 2; 910 § 2; 943;1112 usw. </ref>

Im Prozess der liturgischen Erneuerung, die das Konzil gefördert hat, haben die Laien Aufgaben, die ihnen bei liturgischen Versammlungen und bei ihrer Vorbereitung zustehen, bewusster erkannt; sie haben sich bereitwillig zur Verfügung gestellt, um diese zu erfüllen, denn die liturgische Feier ist eine heilige Handlung, die nicht nur vom Klerus, sondern von der gesamten Versammlung vollzogen wird. Es ist darum selbstverständlich, dass die Aufgaben, die nicht spezifisch den geweihten Amtsträgern zukommen, von den Laien übernommen werden.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 28; CIC, can. 230 § 2, das sagt: „Laien können aufgrund einer zeitlich begrenzten Beauftragung bei liturgischen Handlungen die Aufgabe des Lektors erfüllen; ebenso können alle Laien die Aufgabe des Kommentators, des Kantors oder andere Aufgaben nach Maßgabe des Rechtes wahrnehmen.“ </ref> Der Übergang von der effektiven Mitwirkung der Laien an der Liturgie bis zu ihrem Mittun bei der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Seelsorge hat sich spontan vollzogen.<ref> Der Codex führt verschiedene Dienste und Aufgaben auf, die Laien in den organisatorischen Strukturen der Kirche erfüllen können: vgl. cann. 228; 229 § 3; 317 § 3; 463 § 1 Nr. 5 und § 2; 483; 494; 537; 759; 776; 784; 785; 1282; 1421 § 2; 1424; 1428 § 2; 1435 usw. </ref>

Bei dieser Vollversammlung der Synode fehlten neben den positiven nicht die kritischen Beurteilungen über den undifferenzierten Gebrauch des Terminus »Amt«, über Unklarheit und wiederholte Nivellierungen zwischen dem gemeinsamen Priestertum und dem Amtspriestertum, über die geringe Beachtung gewisser kirchlicher Normen und Bestimmungen, über die willkürliche Interpretation des Begriffes der »Stellvertretung«, über die Tendenz zur »Klerikalisierung« der Laien und über das Risiko, de facto eine kirchliche Dienststruktur zu schaffen, die parallel zu der im Sakrament des Ordo gründenden steht.

Um diese Gefahren zu vermeiden, haben die Synodenväter auf der Notwendigkeit bestanden, nicht zuletzt durch den Gebrauch einer präziseren Terminologie,<ref> Vgl. Propositio 18. </ref> die Einheit der einen Sendung der Kirche, an der alle Getauften teilnehmen, aber auch den wesenhaften Unterschied des Amtes der Hirten, der im Sakrament des Ordo gründet, gegenüber anderen Diensten, Aufgaben und Funktionen in der Kirche, die in den Sakramenten der Taufe und Firmung begründet sind, klar herauszustellen.

Die Hirten dürfen darum zunächst bei der Übertragung der verschiedenen Dienste, Aufgaben und Funktionen an die Laien nicht versäumen, diese sorgfältig über die in der Taufe liegende Wurzel dieser Dienste zu unterrichten.

Die Hirten müssen zudem darüber wachen, dass nicht leichtfertig oder gar unrechtmäßig auf vermeintliche »Notsituationen« oder auf die Notwendigkeit einer »Stellvertretung«, wo sie in der Tat nicht vorhanden sind oder wo man sie mit einer rationelleren pastoralen Planung vermeiden könnte, zurückgegriffen wird.

»Das eigentliche Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit ist die weite und schwierige Welt der Politik, des Sozialen und der Wirtschaft, aber auch der Kultur, der Wissenschaften und Künste, des internationalen Lebens und der Massenmedien, ebenso gewisse Wirklichkeiten, die der Evangelisierung offen stehen, wie Liebe, Familie, Kinder- und Jugenderziehung, Berufsarbeit, Leiden usw. Je mehr vom Evangelium geprägte Laien da sind, die sich für diese Wirklichkeiten verantwortlich wissen und überzeugend in ihnen sich betätigen, sie mit Fachkenntnis voranbringen und sich bewusst bleiben, dass sie ihre gesamte kirchliche Substanz, die oft verschüttet und erstickt erscheint, einsetzen müssen, um so mehr werden diese Wirklichkeiten, ohne etwas von ihrer menschlichen Tragweite zu verlieren oder zu opfern, geradezu eine oft verkannte transzendente Dimension offenbaren, in den Dienst der Erbauung des Reiches Gottes treten und damit in den Dienst des Heiles in Jesus Christus«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 70: AAS 68 (1976), 60. </ref>

Im Lauf der Synodenarbeiten haben die Väter dem Lektorat und dem Akolythat besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Diese bestanden in der Vergangenheit der Lateinischen Kirche nur als geistige Etappen des Weges zum geweihten Amt. Mit dem Motu Proprio Paulus VI. Ministeria quaedam (15. August 1972) haben sie eine eigene Autonomie und Stabilität erhalten und wurden Laien, wenn auch nur Männern, zugänglich gemacht. Der neue Codex führt diese Linie fort.<ref> Vgl. CIC, can. 230 § 1. </ref>

Die Väter haben jetzt den Wunsch ausgesprochen, dass »das motu proprio "Ministeria quaedam" auf dem Hintergrund der Praxis, die sich in den Teilkirchen entwickelt hat, und vor allem im Hinblick auf die Bestimmung von Kriterien, nach denen die Adressaten eines jeden Dienstes ausgewählt werden sollen, überprüft werde«.<ref> Propositio 18. </ref>

So wurde eine besondere Kommission konstituiert, die nicht nur diesem Wunsch der Synodenväter entsprechen, sondern auch die verschiedenen theologischen, liturgischen, juridischen und pastoralen Probleme vertiefen soll, die sich aus der aktuellen wachsenden Zahl von Diensten, Aufgaben und Funktionen, die Laien anvertraut werden, ergeben. In der Erwartung, dass die Kommission ihre Untersuchungen abschließt und damit die kirchliche Praxis der Dienste, die Laien anvertraut werden, geordnet und fruchtbar ausgeübt wird, sollen die oben in Erinnerung gerufenen theologischen Prinzipien in allen Teilkirchen treu beachtet werden, vor allem im Hinblick auf den wesentlichen Unterschied zwischen Amtspriestertum und gemeinsamem Priestertum und somit zwischen den Ämtern, die sich vom Sakrament des Ordo ableiten, und den Diensten, die sich vom Sakrament der Taufe und Firmung ableiten.

Die Charismen

24 Der Heilige Geist vertraut der Kirche als communio die verschiedenen Ämter an. Zugleich bereichert er sie mit anderen besonderen Gaben und Impulsen, Charismen genannt. Sie können als Ausdruck der vollkommenen Freiheit des Geistes, der sie schenkt, oder als Antwort auf die vielfältigen Bedürfnisse im Lauf der Geschichte der Kirche verschiedene Formen annehmen. Die Beschreibung und Klassifizierung dieser Gaben in den Schriften des Neuen Testamentes beweisen ihre große Vielfalt. »Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetische Reden, einem andern die Fähigkeit, Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenreden, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten« (1 Kor 12, 7-10; vgl. 1 Kor 12, 4-6. 28-31; Röm 12, 6-8; 1 Petr 4, 10-11).

Ob sie außergewöhnlich oder bescheiden und einfach sind, stellen die Charismen Gnaden des Heiligen Geistes dar, die unmittelbar oder mittelbar der Kirche Nutzen bringen, weil sie auf ihre Auferbauung, auf das Wohl der Menschen und auf die Bedürfnisse der Welt hingeordnet sind.

Auch in unseren Zeiten fehlt das Aufkommen von verschiedenen Charismen unter den Laien, Männern und Frauen, nicht. Sie werden dem einzelnen gegeben, können aber von anderen geteilt werden, so dass sie als kostbares und lebendiges Erbe in der Zeit fortdauern und zwischen einzelnen Menschen eine besondere geistige Verwandtschaft schaffen. Gerade im Hinblick auf das Laienapostolat schreibt das II. Vatikanische Konzil: »Zum Vollzug dieses Apostolates schenkt der Heilige Geist, der ja durch den Dienst des Amtes und durch die Sakramente die Heiligung des Volkes Gottes wirkt, den Gläubigen auch noch besondere Gaben (vgl. 1 Kor 12, 7); "einem jeden teilt er sie zu, wie er will" (1 Kor 12, 11), damit alle, "wie ein jeder die Gnadengabe empfangen hat, mit dieser einander helfen" und so auch selbst "wie gute Verwalter der mannigfachen Gnade Gottes" seien (1 Petr 4, 10) zum Aufbau des ganzen Leibes in der Liebe (vgl. Eph 4, 16)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 3. </ref>

Gemäß der Logik des ursprünglichen Schenkens, aus dem sie kommen, verlangen die Gaben des Geistes, dass jene, die sie empfangen haben, sie für das Wachstum der gesamten Kirche verwenden, so wie das Konzil es uns in Erinnerung gerufen hat.<ref> „Aus dem Empfang dieser Charismen, auch der schlichteren, erwächst jedem Glaubenden das Recht und die Pflicht, sie in Kirche und Welt zum Wohl der Menschen und zum Aufbau der Kirche zu gebrauchen. Das soll gewiss mit der Freiheit des Heiligen Geistes geschehen, der ,weht, wo er will‘ (Joh 3, 8), aber auch in Gemeinschaft mit den Brüdern in Christus, besonders mit ihren Hirten“ (Ebd.). </ref>

Die Charismen müssen von jenen, die sie empfangen, aber auch von der gesamten Kirche in Dankbarkeit angenommen werden. Sie beinhalten einen besonderen Reichtum an Gnade für die apostolische Dynamik und für die Heiligkeit des ganzen Leibes Christi, vorausgesetzt, dass es sich um Gaben handelt, die in der Tat vom Geist kommen und in vollkommenem Einklang mit echten Antrieben des Geistes ausgeübt werden. Darum ist eine Unterscheidung der Charismen immer notwendig. Wie die Synodenväter ausgesagt haben, »kann das Wirken des Geistes, der weht, wo er will, nicht immer mit Leichtigkeit erkannt und angenommen werden. Wir wissen, dass Gott in allen Gläubigen wirkt, und wir sind uns der Wohltaten bewusst, die uns von den Charismen kommen, sei es im Hinblick auf die einzelnen wie auf die ganze christliche Gemeinde, aber wir wissen auch um die Macht des Bösen und um sein Bemühen, das Leben der Gläubigen und der Gemeinde zu stören und durcheinander zubringen«.<ref> Propositio 9. </ref>

Darum dispensiert kein Charisma von der Rückbindung an die Hirten der Kirche und von der Unterordnung unter sie. Das Konzil schreibt mit großer Klarheit: »Das Urteil über ihre (der Charismen) Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5, 12 u. 19-21)«,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 12. </ref> damit alle Charismen in ihrer Verschiedenheit und Komplementarität zum Allgemeinwohl beitragen.<ref> Vgl. ebd., 30. </ref>

Die Teilhabe der Laien am Leben der Kirche

25 Die Laien nehmen nicht nur durch die Ausübung ihrer Dienste und Charismen, sondern auf viele andere Weisen am Leben der Kirche teil.

Diese Teilhabe kommt zunächst und notwendigerweise im Leben und in der Sendung der Teilkirchen, der Diözesen zum Ausdruck, in denen »die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus dominus, Nr. 11. </ref>

Teilkirchen und Universalkirche

Um auf rechte Weise am Leben der Kirche teilzunehmen, müssen die Laien notwendig klare und präzise Vorstellungen über die Teilkirche in ihrer ursprünglichen Beziehung zur Universalkirche haben. Die Teilkirche entsteht nicht aus einer Art Fragmentierung der Universalkirche, und die Universalkirche stellt sich nicht aus der einfachen Summe der Teilkirchen zusammen; sie werden vielmehr durch ein lebendiges, wesentliches und dauerndes Band miteinander verbunden, weil die Universalkirche in den Teilkirchen besteht und sich in ihnen ausdrückt. Darum behauptet das Konzil, dass die Teilkirchen »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 23. </ref>

Das Konzil fordert die Laien mit Entschiedenheit auf, ihre Zugehörigkeit zur Teilkirche aktiv mit zu vollziehen und zugleich ihren Blick immer mehr für die »Katholizität« auszuweiten. »Stets mögen sie« - so lesen wir im Dekret über das Laienapostolat - »den Sinn für das ganze Bistum, dessen Zelle gleichsam die Pfarrei ist, pflegen, immer bereit, auf Einladung ihres Bischofs auch für die diözesanen Unternehmungen ihre Kräfte einzusetzen. Ja, um den Bedürfnissen von Stadt und Land zu entsprechen, mögen sie ihre Mitarbeit nicht auf die engen Grenzen ihrer Pfarrei oder ihres Bistums beschränken, sondern sie auf den zwischenpfarrlichen, interdiözesanen, nationalen und internationalen Bereich auszudehnen bestrebt sein; dies um so mehr, als die von Tag zu Tag zunehmende Wanderung der Menschen und Völker, die Zunahme der gegenseitigen Verbundenheit und die Leichtigkeit des Nachrichtenaustausches nicht mehr zulassen, dass irgendein Teil der Gesellschaft in sich abgeschlossen weiterlebt. So sollen sie sich um die Nöte des über den ganzen Erdkreis verstreuten Volkes Gottes kümmern«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 10. </ref>

Die letzte Synode hat in diesem Sinn die Bitte um die Förderung der Errichtung von Diözesanpastoralräten gestellt, die man den Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend einschalten soll. Auf Diözesanebene sei diese die wichtigste Form der Mitarbeit und des Dialogs sowie der gemeinsamen Urteilsbildung. Die Mitwirkung der Laien in diesen Räten kann die Möglichkeiten der Konsultation erweitern, so wie das Prinzip der Mitwirkung - die in einzelnen Fällen auch Mitentscheidung ist - auf breiterer Basis und intensiver zur Anwendung kommen lassen.<ref> Vgl. Propositio 10. </ref>

Der Codex sieht die Teilnahme der Laien an Diözesansynoden und Partikularkonzilien auf Provinz- und Dekanatsebene vor;<ref> Vgl. CIC, cann. 443 § 4; 463 § 1 und 2. </ref> sie kann einen Beitrag für die communio und die Sendung der Teilkirche bedeuten, sei es in ihrem eigenen Rahmen, sei es in ihrem Verhältnis zu den anderen Teilkirchen der Kirchenprovinz oder der Bischofskonferenz.

Den Bischofskonferenzen kommt es zu, die geeigneten Mittel und Wege zu finden, um auf National- oder Regionalebene die Konsultation und die Mitarbeit der Laien, Männer und Frauen, weiterzuentwickeln. So kann über die gemeinsamen Probleme beraten werden und die kirchliche communio aller zutage treten.<ref> Vgl. Propositio 10. </ref>

Die Pfarrei

26 Wenn sie auch eine universale Dimension kennt, findet die communio der Kirche ihren unmittelbaren und greifbaren Ausdruck in der Pfarrei. Diese stellt die konkrete Form der örtlichen Realisierung der Kirche dar; in einem gewissen Sinn ist sie die Kirche, die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Tochter lebt.<ref> In den Konzilstexten lesen wir: „Da der Bischof nicht immer und nicht überall in eigener Person den Vorsitz über das gesamte Volk seiner Kirche führen kann, so muss er diese notwendig in Einzelgemeinden aufgliedern. Unter ihnen ragen die Pfarreien hervor, die räumlich verfasst sind unter einem Seelsorger, der den Bischof vertritt; denn sie stellen auf eine gewisse Weise die über den ganzen Erdkreis hin verbreitete sichtbare Kirche dar” (II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, Nr. 42). </ref>

Wir alle müssen das wahre Gesicht der Pfarrei im Glauben neu entdecken, das heißt, das »Geheimnis« der Kirche, das in ihr wirksam und gegenwärtig ist. Auch wenn sie zuweilen an Gliedern und Gütern arm ist, wenn sie sich geographisch über weiteste Gebiete erstreckt oder inmitten dicht bevölkerter und problemvoller moderner Stadtviertel fast unauffindbar ist, besteht die Pfarrei nicht in erster Linie aus einer Struktur, aus einem Gebiet oder aus einem Gebäude, vielmehr ist sie »die Familie Gottes, als von einem Geist durchdrungene Gemeinde von Brüdern«,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 28. </ref> sie ist »das Haus der Pfarrfamilie, brüderlich und gastfreundlich«,<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, Nr. 67: AAS 71 (1979), 1333. </ref> die »Gemeinschaft der Gläubigen«.<ref> CIC, can. 515 § 1. </ref> Letztlich gründet die Pfarrei in einer theologischen Gegebenheit, weil sie eucharistische Gemeinschaft ist.<ref> Vgl. Propositio 10. </ref> Dies bedeutet, dass sie als Gemeinschaft befähigt ist, Eucharistie zu feiern, in der sie die lebendigen Wurzeln ihres Wachstums sowie das sakramentale Band ihrer communio mit der gesamten Kirche findet. Diese Befähigung zur Feier der Eucharistie ist gegeben durch die Tatsache, dass die Pfarreigemeinschaft des Glaubens und organische Gemeinschaft ist - das heißt, zusammengesetzt von geweihten Amtsträgern und von anderen Christen -, in der der Pfarrer den Ortsbischof vertritt<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, Nr. 42. </ref> und das hierarchische Band mit der gesamten Teilkirche darstellt.

Die Aufgabe der Kirche in unseren Tagen ist mit Sicherheit immens, und die Pfarrei allein kann ihr nicht genügen. Darum sieht der Codex Formen der Zusammenarbeit zwischen Pfarreien und auf Dekanatsebene vor<ref> Vgl. can. 555 § 1, 1. </ref> und empfiehlt dem Bischof die Sorge für alle Gläubigen, auch für die, die die ordentliche Seelsorge nicht erfasst.<ref> Vgl. can. 383 § 1. </ref> Viele Orte und Formen der Präsenz und Wirksamkeit der Kirche sind notwendig, um das Wort und die Gnade des Evangeliums in die verschiedensten Lebenssituationen der modernen Menschen hineinzutragen. Viele Arten religiöser Ausstrahlung und gezielten Milieuapostolates auf kulturellem, sozialem, pädagogischem und beruflichem Gebiet usw. können nicht in der Pfarrei ihren Mittel- und Ausgangspunkt haben. Dennoch erlebt diese auch heute eine neue Hoffnung versprechende Zeit. Zu Beginn seines Pontifikates wies Paul VI. in seiner Ansprache an den römischen Klerus auf diese Tatsache hin: »Wir sind einfach davon überzeugt, dass diese altüberkommene und geschätzte Struktur der Pfarrei eine unverzichtbare und höchst aktuelle Sendung hat; ihr kommt es zu, die erste Gemeinschaft des christlichen Volkes zu bilden; sie versammelt das Volk und führt es in die liturgische Feier ein; sie beschützt und belebt den Glauben in den Menschen unserer Zeit; sie bietet ihnen den Unterricht über die heilbringende Lehre Christi; sie verwirklicht in der Haltung und in der Tat die demütige Liebe in den guten und brüderlichen Werken«.<ref> Paul VI., Ansprache an den römischen Klerus (24. Juni 1963): AAS 55 (1963), 674. </ref>

Die Synodenväter haben ihrerseits die augenblickliche Situation vieler Pfarreien aufmerksam ins Auge gefasst und auf ihre Erneuerung gedrängt: »Viele Pfarreien in Stadtgebieten oder in Missionsgebieten sind wegen Mangel an den notwendigen materiellen Mitteln und an geweihten Amtsträgern oder auch aufgrund ihrer geographischen Ausbreitung und der besonderen Situation einiger Christen (z.B. der Flüchtlinge und Auswanderer) nicht in der Lage, mit ganzer Wirksamkeit ihre Aufgabe zu erfüllen. Damit alle diese Pfarreien lebendige, christliche Gemeinden werden, müssen die jeweiligen örtlichen Autoritäten dafür Sorge tragen, dass: a) die Pfarrstrukturen den Situationen mit der großen Flexibilität, die das Kirchenrecht vor allem durch die Förderung der Teilhabe der Laien an der pastoralen Verantwortung gewährt, angepasst werden; b) die kleinen Basisgemeinschaften, auch lebendige Gemeinden genannt, in denen die Gläubigen einander das Wort Gottes verkündigen und im Dienst und in der Liebe tätig werden können, wachsen. Diese Gemeinden sind in Gemeinschaft mit ihren Hirten wahre Konkretisierungen der kirchlichen communio und Zentren der Evangelisierung; ...«.<ref> Propositio 11. </ref> Im Dienst der Erneuerung der Pfarreien und um die Wirksamkeit ihrer Initiativen besser zu sichern, sollen auch institutionalisierte Formen der Mitarbeit zwischen den verschiedenen Pfarreien eines Dekanates gefördert werden.

Apostolisches Engagement in der Pfarrei

27 Die communio und die Teilnahme der Laien am Leben der Pfarrei muss nun näher ins Auge gefasst werden. Dafür müssen alle Laien, Männer und Frauen, erneut auf ein wahrhaft bedeutsames und ermunterndes Wort des Konzils aufmerksam gemacht werden: »Innerhalb der Gemeinschaften der Kirche« - so heißt es im Dekret über das Laienapostolat - »ist ihr Tun so notwendig, dass ohne dieses auch das Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 10. </ref> Diese grundsätzliche Behauptung muss selbstverständlich im Licht der »communio-Ekklesiologie« verstanden werden:

Weil verschieden und komplementär, sind alle Dienste und Charismen, jeder seiner Art entsprechend, für das Wachstum der Kirche notwendig.

Die Laien müssen immer mehr von der besonderen Bedeutung des apostolischen Einsatzes in ihrer Pfarrei überzeugt werden. Das Konzil sagt dazu mit seiner ganzen Autorität: »Die Pfarrei bietet ein augenscheinliches Beispiel für das gemeinschaftliche Apostolat; was immer sie in ihrem Raum an menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfindet, schließt sie zusammen und fügt es dem Ganzen der Kirche ein. Die Laien mögen sich daran gewöhnen, aufs engste mit ihren Priestern vereint in der Pfarrei zu arbeiten; die eigenen Probleme und die der Welt sowie die Fragen, die das Heil der Menschen angehen, in die Gemeinschaft der Kirche einzubringen, um sie dann in gemeinsamer Beratung zu prüfen und zu lösen; endlich jede apostolische und missionarische Initiative der eigenen kirchlichen Familie nach Kräften zu unterstützen«.<ref> Ebd. </ref>

Der Hinweis des Konzils auf die Überprüfung und Lösung der pastoralen Probleme »in gemeinsamer Beratung« muss einen adäquaten und artikulierten Niederschlag finden in einer entschiedenen, überzeugten und breit angelegten Aufwertung der Pfarrpastoralräte, auf die die Synodenväter berechtigterweise insistiert haben.<ref> Vgl. Propositio 10. </ref>

Unter den augenblicklichen Gegebenheiten können und müssen die Laien für das Wachsen einer wahren communio der Kirche innerhalb ihrer Pfarreien und für die Erweckung des missionarischen Elans gegenüber Nichtglaubenden und den Glaubenden, die die religiöse Praxis teilweise oder gänzlich aufgegeben haben, viel investieren.

Wenn die Pfarrei Kirche mitten unter den Häusern der Menschen ist, muss ihre Präsenz und Wirksamkeit tief in der menschlichen Gesellschaft eingewurzelt und aufs engste mit ihren Hoffnungen und Nöten solidarisch sein. Oft ist das gesellschaftliche Umfeld, vor allem in bestimmten Ländern und Milieus, durch Auflösungstendenzen und Prozessen der Dehumanisierung gekennzeichnet: Der Mensch ist verloren und richtungslos, aber in seinem Herzen lebt der immer größere Wunsch, geschwisterlichere und menschlichere Beziehungen zu erleben und zu pflegen. Die Antwort darauf kann die Pfarrei geben, wenn sie aufgrund der lebendigen Teilhabe der Laien ihrer ursprünglichen Berufung und Sendung treu bleibt: in der Welt »Ort« der Gemeinschaft der Glaubenden und zugleich »Zeichen« und »Werkzeug« der Berufung aller zur communio zu sein; mit einem Wort, das Haus, das für alle offen ist und im Dienst aller steht, oder wie Papst Johannes XXIII. es gerne sagte, der Brunnen im Dorf, an dem alle ihren Durst stillen.

Modalitäten der Teilhabe am Leben der Kirche

28 Mit den Priestern und Ordensleuten zusammen bilden die Laien das eine Volk Gottes und den Leib Christi.

»Glied« der Kirche sein bedeutet keine Abschwächung der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit eines jeden Christen. Es sichert und vertieft vielmehr den tiefsten Sinn seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit, die Quelle der Vielfältigkeit und des Reichtums der gesamten Kirche sind. In diesem Sinn ruft Gott in Jesus Christus jeden bei seinem eigenen und unverwechselbaren Namen. Der Anruf des Herrn: »Geht auch ihr in meinen Weinberg!« richtet sich an jeden persönlich und lautet: »Komm auch du in meinen Weinberg!«.

Jeder stellt sich in seiner Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit, mit seinem Sein und seinem Tun in den Dienst des Wachstums der communio der Kirche. Zugleich nimmt er den gemeinsamen Reichtum der gesamten Kirche auf, um ihn sich zu eigen zu machen. Diese ist die »Gemeinschaft der Heiligen«, die wir im Credo bezeugen: das Wohl aller wird zum Wohl eines jeden, und das Wohl eines jeden wird zum Wohl aller. »In der heiligen Kirche ist jeder Stütze der anderen, und die anderen sind seine Stütze«, schreibt Gregor der Große.<ref> Gregor der Große, Ho. in Ez., II, I, 5: CCL 142, 211. </ref>

Individuelle Formen der Teilhabe

Jeder Laie muss sich immer bewusst sein, dass er »Glied der Kirche« ist, dem eine originelle, unersetzliche und nicht übertragbare Aufgabe anvertraut wurde, die er zum Wohl aller erfüllen muss. In dieser Perspektive gewinnt die Aussage des Konzils über die absolute Notwendigkeit des individuellen Apostolates ihre volle Bedeutung: »Das von jedem einzelnen zu übende Apostolat, das überreich aus einem wahrhaft christlichen Leben strömt (vgl. Joh 4, 14), ist Ursprung und Voraussetzung jedes Apostolates der Laien, auch des gemeinschaftlichen. Es kann durch nichts ersetzt werden. Zu diesem immer und überall fruchtbringenden, aber unter bestimmten Umständen einzig entsprechenden und möglichen Apostolat sind alle Laien, wo immer sie stehen, gerufen und verpflichtet, auch wenn ihnen die Gelegenheit oder Möglichkeit fehlt, in Vereinigungen mit anderen zusammenzuarbeiten«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 16. </ref>

Das individuelle Apostolat schließt einen großen Reichtum ein, der um der Intensivierung der missionarischen Kraft eines jeden Laien willen freigelegt werden muss. Dieses Apostolat ermöglicht eine kapillare Ausstrahlung des Evangeliums, die bis zu den Orten und Milieus, in denen sich das konkrete und alltägliche Leben der Laien vollzieht, durchdringt. Es gewährleistet zudem eine dauernde Ausstrahlung, weil sie sich aus der ständigen Kohärenz des eigenen Lebens mit dem Glauben ergibt; ferner sichert es eine besonders tiefwirkende Ausstrahlung, weil die Laien, wenn sie die Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Kämpfe und Hoffnungen ihrer Brüder und Schwestern teilen, zu den Herzen ihrer Nachbarn, Freunde und Kollegen vordringen und ihnen den ganzen Horizont der Sinnfülle ihres Lebens erschließen können: Die Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen.

Gemeinschaftliche Formen der Teilhabe

29 Die communio der Kirche, die schon im Tun der Einzelperson gegenwärtig und wirksam wird, findet einen besonderen Ausdruck im gemeinschaftlichen Tun der Laien, das heißt in ihrem gemeinsamen Einsatz, wenn sie mitverantwortlich am Leben und an der Sendung der Kirche teilnehmen.

In der letzten Zeit kennzeichnen besondere Verschiedenheit, Lebendigkeit und Vielfalt das Phänomen des gemeinschaftlichen Wirkens von Laien. Schon immer aber hat der Zusammenschluss von Laien eine kontinuierliche Linie in der Kirchengeschichte dargestellt. Beweis dafür ist bis heute die Existenz verschiedener Bruderschaften, der Drittorden und zahlreicher Vereinigungen. In unseren Tagen aber fördern besondere Impulse die Entwicklung dieses Phänomens. Die heutige Zeit kennt das Aufkommen und die Verbreitung vielfältiger Formen von Laienzusammenschlüssen: Vereinigungen, Gruppen, Gemeinschaften, Bewegungen, so dass heute von einer neuen Zeit der Zusammenschlüsse von Laien die Rede sein kann. In der Tat sind »neben dem traditionellen Vereinswesen und zuweilen gleichsam aus seinen Wurzeln neue Bewegungen und Vereinigungen entstanden, die ein spezifisches Profil und eine spezifische Zielsetzung haben. So groß ist der Reichtum und die Vielseitigkeit der Gaben, die der Geist in der Kirche lebendig erhält, und derart auch der Wille zur Initiative und die Hochherzigkeit unserer Laien«.<ref> Johannes Paul II., zum Angelus am 23. August 1987: Insegnamenti, X, 3 (1987), 240. </ref>

Diese Zusammenschlüsse von Laien weisen unter zahlreichen Gesichtspunkten, wie im äußeren Erscheinungsbild, in den pädagogischen Prozessen und Methoden, in den Tätigkeitsfeldern untereinander große Unterschiede auf. In ihren Zielsetzungen aber kommen sie weitgehend zu einer tiefen Konvergenz. Die verantwortliche Teilhabe an der Sendung der Kirche, das Evangelium Christi als Quelle der Hoffnung für die Menschen und der Erneuerung für die Gesellschaft zu künden.

Der Zusammenschluss von Laien aus spirituellen und apostolischen Motiven hat verschiedene Ursachen und will auf vielfältige Bedürfnisse antworten. Er bringt die soziale Natur des Menschen zum Ausdruck und antwortet auf die Notwendigkeit einer größeren und umfassenden gezielten Wirksamkeit. Ein »kultureller« Einfluß, der Ursprung und Motivation, aber auch Frucht und Zeichen anderer sozialen Veränderungen ist, kann nämlich nicht durch das Tun eines einzelnen, sondern muss durch »ein soziales Subjekt«, das heißt durch eine Gruppe, eine Gemeinschaft, eine Vereinigung, eine Bewegung geschehen. Dies trifft auf besondere Weise im Kontext einer pluralistischen und zersetzten Gesellschaft - wie sie sich heute in so vielen Teilen der Welt darstellt - und angesichts überaus komplexer und schwerer gewordener Probleme zu. Auf der anderen Seite können vor allem in einer säkularisierten Welt die verschiedenen Formen der Zusammenschlüsse für viele eine wertvolle Hilfe darstellen, um ein christliches und mit den Forderungen des Evangeliums kohärentes Leben zu führen und ein missionarisches und apostolisches Engagement einzugehen.

Darüber hinaus ist es zutiefst eine theologische Gegebenheit, die den Zusammenschluss der Laien rechtfertigt und fordert: es handelt sich um ein ekklesiologisches Prinzip, das vom II. Vatikanischen Konzil ausdrücklich anerkannt wurde, wenn es im gemeinschaftlichen Apostolat ein »Zeichen der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche in Christus« sieht.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 18. </ref>

Dieses »Zeichen« muss sich sowohl innerhalb der einzelnen Formen der Zusammenschlüsse als auch in ihren Beziehungen nach außen, also im weiteren Rahmen der christlichen Gemeinden, in gemeinschaftlichen Beziehungen ausdrücken. Das angeführte ekklesiologische Prinzip erklärt einerseits das »Recht« der Laien, sich zusammenzuschließen, und andererseits die Notwendigkeit von »Kriterien« für die Unterscheidung der wahren Kirchlichkeit ihrer Zusammenschlüsse.

Zunächst muss das freie Vereinsrecht der Laien in der Kirche anerkannt werden. Diese Freiheit ist ein wirkliches und eigentliches Recht, das sich nicht von einer Art »Zugeständnis« der Autorität ableitet, sondern aus der Taufe als dem Sakrament, durch das die Laien berufen werden, aktiv an der communio und an der Sendung der Kirche mitzuwirken, erwächst. Das Konzil nimmt dazu eindeutig Stellung: »Unter Wahrung der erforderlichen Verbundenheit mit der kirchlichen Autorität haben die Laien das Recht, Vereinigungen zu gründen, zu leiten und den gegründeten beizutreten«.<ref>Ebd. 19; vgl. auch ebd. 15; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 37. </ref>

Und der neue Codex sagt wörtlich:

»Den Gläubigen ist es unbenommen, Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zuleiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen«.<ref>CIC, can. 215. </ref>

Es handelt sich um eine von der kirchlichen Autorität anerkannten und gewährleisteten Freiheit, die immer und nur in der communio der Kirche ausgeübt werden soll. Das Recht der Laien, sich zusammenzuschließen, ist also wesentlich mit dem Leben der communio und mit der Sendung der Kirche gegeben.

Kriterien der Kirchlichkeit für die Zusammenschlüsse von Laien

30 In dieser Perspektive der communio und der Sendung der Kirche und darum nicht im Gegensatz zum freien Vereinsrecht, muss auch die Notwendigkeit klarer und präziser Kriterien für die Unterscheidung und Anerkennung der Zusammenschlüsse von Laien, auch »Kriterien der Kirchlichkeit« genannt, verstanden werden.

Folgende Kriterien können einheitlich für die Unterscheidung eines jeden Zusammenschlusses von Laien als grundlegend gelten:

- Das Primat der Berufung eines jeden Christen zur Heiligkeit, die »in den Gnadenfrüchten, die der Heilige Geist in den Gläubigen hervorbringt«,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 39. </ref> als Wachstum in der Fülle des christlichen Lebens und der Vollkommenheit der Liebe<ref>Vgl. ebd., Nr. 40. </ref> zum Ausdruck kommt.

Alle Zusammenschlüsse von Laien und jeder einzelne von ihnen sind dazu berufen, immer profilierter Werkzeug der Heiligkeit in der Kirche zu sein, indem sie »eine innigere Einheit zwischen dem praktischen Leben ihrer Mitglieder und ihrem Glauben« fördern und pflegen.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 19. </ref>

- Die Verantwortung für das Bekenntnis des katholischen Glaubens, welche die Wahrheit über Christus, die Kirche und den Menschen im Gehorsam zum Lehramt, das sie authentisch interpretiert, aufnimmt und kündet. Jeder Zusammenschluss von Laien muss Ort der Verkündigung und der Weitergabe des Glaubens sowie einer Glaubenserziehung, die die Gesamtheit der Inhalte des Glaubens umfasst, sein.

- Das Zeugnis einer tiefen und überzeugten communio, in kindlicher Abhängigkeit vom Papst, dem bleibenden und sichtbaren Prinzip der Einheit der Universalkirche,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 23. </ref> und vom Bischof, dem »sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit«<ref> Ebd. </ref> in der Teilkirche sowie in der gegenseitigen »Hochschätzung aller Formen des Apostolates in der Kirche«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 23. </ref>

Die Gemeinschaft mit dem Papst und mit dem Bischof muss sich äußern in der aufrichtigen Bereitschaft, ihr Lehramt und ihre pastoralen Richtlinien anzunehmen. Die Gemeinschaft mit der Kirche erfordert die Anerkennung des legitimen Pluralismus der Laienzusammenschlüsse und zugleich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen.

- Die Übereinstimmung mit der apostolischen Zielsetzung der Kirche, an der sie teilhaben, nämlich »die Evangelisierung und Heiligung der Menschen sowie ... die christliche Bildung ihres Gewissens, so dass die verschiedenen Gemeinschaften und Milieus mit dem Geist des Evangeliums« durchdrungen werden.<ref> Ebd., Nr. 20. </ref>

In diesem Sinn muss von allen Formen von Laienzusammenschlüssen und von jeder einzelnen der missionarische Elan gefordert werden, der sie immer mehr zu Subjekten einer neuen Evangelisierung macht.

- Die Verpflichtung zu einer engagierten Präsenz in der menschlichen Gesellschaft, die sich im Licht der Soziallehre der Kirche in den Dienst des Menschen und seiner vollen Würde stellt.

Die Zusammenschlüsse der Laien müssen einen lebendigen Einsatz in der Teilnahme und Solidarität hervorrufen, um in der Gesellschaft gerechtere und geschwisterlichere Lebensbedingungen zu schaffen.

Die ausgeführten Grundkriterien können an den konkreten Früchten, die das Leben und Wirken der verschiedenen Vereinigungen auf weisen, gemessen werden, wie erneute Freude am Gebet, an der Kontemplation, am liturgischen und sakramentalen Leben; Früchte von Berufungen zu christlichen Ehen, von Priesterberufen und Berufen für das gottgeweihte Leben; Bereitschaft, sich in die Programme und Initiativen der Kirche auf Ortsebene, auf nationaler und internationaler Ebene einzubringen; Einsatz in der Katechese und die pädagogische Fähigkeit, Christen zu formen; Motivation zur christlichen Präsenz in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und Schaffen und Leiten von caritativen, kulturellen und geistigen Werken; Geist der Armut im Sinn des Evangeliums, um einer hochherzigen Liebe allen gegenüber willen; Umkehr zum christlichen Leben und Rückkehr von »Fernstehenden« zur Gemeinschaft der Getauften.

Der Dienst der Hirten an der communio

31 Selbst angesichts möglicher und verständlicher Schwierigkeiten mit einigen Formen der Zusammenschlüsse und des machtvollen Wachsens von neuen Formen, dürfen die Hirten in der Kirche zum Wohl der Kirche, wie auch zum Wohl der Zusammenschlüsse von Laien, nicht auf den Dienst ihrer Autoritätsausübung verzichten. So muss der Prozess der Unterscheidung von Führung und vor allem von Bestärkung beim Hineinwachsen der Zusammenschlüsse der Laien in die communio und in die Sendung der Kirche begleitet werden.

Es ist überaus angebracht, dass einige neue Vereinigungen und Bewegungen aufgrund ihrer oft nationalen und sogar internationalen Verbreitung eine offizielle Anerkennung, eine ausdrückliche Approbation durch die zuständige kirchliche Autorität erhalten. In diesem Sinn hat schon das Konzil behauptet: »Freilich lässt das Apostolat der Laien, je nach seinen verschiedenen Formen und Inhalten, verschiedenartige Beziehungen zur Hierarchie zu ... Gewisse Formen des Apostolates der Laien werden, wenn auch in unterschiedlicher Weise, von der Hierarchie ausdrücklich anerkannt. Darüber hinaus kann die kirchliche Autorität mit Rücksicht auf die Erfordernisse des kirchlichen Gemeinwohls aus den apostolischen Vereinigungen und Werken, die unmittelbar ein geistliches Ziel anstreben, einige auswählen und in besonderer Weise fördern, in denen sie dann auch eine besondere Verantwortung auf sich nimmt«.<ref> Ebd., Nr. 24. </ref>

Von den verschiedenen Formen des Laienapostolates, die in einer besonderen Beziehung zur Hierarchie stehen, riefen die Synodenväter ausdrücklich verschiedene Bewegungen und Vereinigungen der Katholischen Aktion in Erinnerung, in denen »die Laien sich auf organische und dauerhafte Weise unter der Führung des Heiligen Geistes, in der Gemeinschaft mit dem Bischof und mit den Priestern frei zusammenschließen, um ihrer Berufung entsprechend und aufgrund einer spezifischen Methode, zur Festigung der gesamten christlichen Gemeinschaft beizutragen, an den Pastoralprojekten und der Durchdringung aller Lebensbereiche mit dem Geist des Evangeliums treu und effektiv mit zuwirken«.<ref> Propositio 15. </ref>

Der Päpstliche Rat für die Laien hat den Auftrag, ein Verzeichnis der Vereinigungen, die die offizielle Anerkennung durch den Heiligen Stuhl erhalten, vorzubereiten und zugleich gemeinsam mit dem Sekretariat für die Einheit der Christen die Bedingungen für die Anerkennung ökumenischer Vereinigungen mit katholischer Mehrheit und nicht-katholischer Minderheit zu erarbeiten, wobei festgelegt werden soll, in welchen Fällen kein positives Urteil möglich ist.<ref> Vgl. Propositio 15. </ref>

Wir alle, Hirten und Gläubige, sind dazu verpflichtet, in gegenseitiger Wertschätzung, Wohlwollen und Bereitschaft zur Mitarbeit zwischen den verschiedenen Formen der Zusammenschlüsse von Laien dauerhafte Bande und geschwisterliche Beziehungen zu fördern und zu nähren. Nur so kann der Reichtum der Gaben und Charismen, die der Herr uns anbietet, seinen fruchtbaren und geordneten Beitrag zur Erbauung des gemeinsamen Hauses leisten: »Für den solidarischen Aufbau des gemeinsamen Hauses muss auch der Geist des Antagonismus und der Zwistigkeit abgelegt werden, und eher in der gegenseitigen Ermunterung (vgl. Röm 12, 10), im liebevollen Entgegenkommen und im Willen zur Mitarbeit in Geduld, Langmut, Bereitschaft zum Opfer, das zuweilen damit verbunden sein kann, gewetteifert werden«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache beim Treffen der Katholischen Kirche in Italien, Loreto (10. April 1985): AAS 77 (1985), 964. </ref>

Greifen wir noch einmal auf die Worte Jesu zurück: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben« (Joh 15, 5), um Gott für die große Gabe der communio der Kirche zu danken, die in der Zeit die ewige und unaussprechliche Liebesgemeinschaft des Einen und Dreifaltigen Gottes widerspiegelt. Das Wissen um diese Gabe muss von einem tiefen Verantwortungsbewusstsein begleitet werden: Eine solche Gabe muss wie die Talente des Evangeliums in einem Leben immer tiefer werdender Gemeinschaft vermehrt werden. Für die Gabe der communio Verantwortung tragen heißt zunächst, bemüht sein, jede Versuchung der Spaltung und des Widerspruchs, die das Leben und den apostolischen Einsatz der Laien bedrohen, zu überwinden. Der schmerzliche und erschütterte Ausruf des Apostels Paulus als Vorwurf für die Wunden, die dem Leib Christi zugefügt werden, erklingt immer noch: »Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt?« (1 Kor 1, 12-13). Statt dessen sollten als überzeugender Anruf die anderen Worte des Apostels neu erklingen: »Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung« (1 Kor 1, 10).

So wird das Leben in der communio der Kirche der Welt zum Zeichen, zur anziehenden Kraft, die zum Glauben an Christus führt: »Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast« (Joh 17, 21). Die communio weitet sich zur Sendung aus, ja sie wird selbst Sendung.

DRITTES KAPITEL: ICH HABE EUCH DAZU BESTIMMT, DAß IHR EUCH AUFMACHT UND FRUCHT BRINGT.
Die Mitverantwortung der Laien für die Kirche in ihrer Sendung

Missionarische Communio

32 Wir greifen wieder zurück auf das biblische Bild des Weinstocks und der Reben. Es führt wie von selbst unmittelbar zu einer Betrachtung über die Fruchtbarkeit und das Leben. Durch den Weinstock verwurzelt und belebt, sind die Reben berufen, Frucht zu bringen: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht« (Joh 15, 5). Frucht bringen ist eine wesentliche Forderung des christlichen und kirchlichen Lebens. Wer keine Frucht bringt, bleibt nicht in der communio: »Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er (mein Vater) ab« (Joh 15, 2).

Die Gemeinschaft mit Jesus, von der sich die Gemeinschaft der Christen untereinander ableitet, ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um Frucht zu bringen: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15, 5). Die schönste Frucht, die die Reben bringen können, ist die Gemeinschaft mit den anderen, die Gabe Christi und seines Geistes ist.

Die communio schafft communio und stellt sich wesentlich als missionarische communio dar. Jesus sagt zu seinen Jüngern: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt« (Joh 15, 16).

Communio und Sendung sind zutiefst miteinander verbunden, sie durchdringen und bedingen einander, so dass die communio zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die communio ist missionarisch und die Sendung gilt der communio. Es ist derselbe Geist, der die Kirche sammelt und eint und der sie sendet, das Evangelium »bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1, 8) zu verkünden. Die Kirche weiß, dass die communio, die sie als Gabe empfangen hat, eine universale Ausrichtung kennt. Sie weiß um ihre Verpflichtung, der gesamten Menschheit und jedem Menschen die Gabe weiterzugeben, die sie vom Geist empfangen hat, der in den Herzen der Gläubigen die Liebe Christi als dynamische Kraft der inneren Einheit und zugleich des Wachstums in die Weite ausgegossen hat. Die Sendung der Kirche erwächst aus ihrem von Christus so gewollten Wesen: »Sakrament und Zeichen ... für die Einheit der ganzen Menschheit«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 1. </ref> Diese Sendung hat das Ziel, allen das Erlebnis der »neuen« Gemeinschaft zu schenken, die im Sohn Gottes in die Weltgeschichte eingetreten ist. In diesem Sinn definiert das Zeugnis des Evangelisten Johannes auf nunmehr unwiderrufliche Weise das seligmachende Endziel, auf das die Sendung der Kirche hingeordnet ist: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus« (1 Joh 1, 3).

Im Rahmen der Sendung der Kirche vertraut der Herr den Laien in Gemeinschaft mit allen anderen Gliedern des Volkes Gottes einen großen Anteil von Verantwortung an. Die Väter des II. Vatikanischen Konzils waren sich dieser Tatsache voll bewusst: »Die geweihten Hirten wissen sehr gut, wie viel die Laien zum Wohl der ganzen Kirche beitragen. Sie wissen ja, dass sie von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt auf sich zu nehmen, sondern dass es ihre vornehmliche Aufgabe ist, die Gläubigen so als Hirten zu führen und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prüfen, dass alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig zusammenarbeiten«.<ref> Ebd., Nr. 30. </ref> Dieses Bewusstsein trat wieder mit neuer Klarheit und größerer Deutlichkeit in der gesamten Arbeit der Synode zutage.

Das Evangelium verkündigen

33 Weil sie Glieder der Kirche sind, haben die Laien die Berufung und Sendung, das Evangelium zu verkünden. Aufgrund der christlichen Initiationssakramente und der Gaben des Heiligen Geistes sind sie dazu berufen und verpflichtet.

In einem sehr dichten und eindeutigen Text des II. Vatikanischen Konzils lesen wir: »Als Teilnehmer am Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs, haben die Laien ihren aktiven Anteil am Leben und Tun der Kirche... Durch tätige Teilnahme am liturgischen Leben ihrer Gemeinschaft genährt, nehmen sie ja angelegentlich an deren apostolischen Werken teil; Menschen, die vielleicht weit abseits stehen, führen sie der Kirche zu. Angestrengt arbeiten sie an der Weitergabe des Wortes Gottes mit, vor allem durch katechetische Unterweisung. Durch ihre Sachkenntnis machen sie die Seelsorge und die Verwaltung der kirchlichen Güter wirksamer«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 10. </ref>

Die Sendung der Kirche kristallisiert und entfaltet sich in der Evangelisierung, deren Geschichte mit der Gnade und dem Gebot Jesu Christi beginnt: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen« ... (Mk 16, 15). »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 20). »Evangelisieren« - so schreibt Paul VI. - »ist in der Tat die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 14: AAS 68 (1976), 13. </ref>

Durch die Evangelisierung baut die Kirche sich auf und festigt sie sich als Gemeinschaft des Glaubens: präziser gesagt, als Gemeinschaft eines durch die Bejahung des Wortes Gottes bezeugten, in den Sakramenten gefeierten und in der Liebe gelebten Glaubens, der Seele der christlichen moralischen Existenz wird. Die »Frohe Botschaft« bewirkt im Herzen und im Leben der Menschen Bekehrung und persönliche Entscheidung für Jesus Christus, den Herrn und Erlöser. Sie schließt für die Taufe und die Eucharistie auf. Sie konkretisiert sich in Annahme und Verwirklichung des neuen Lebens nach dem Geist.

Der Imperativ Jesu: »Geht hinaus ... und verkündet das Evangelium!« behält seine Bedeutung und seine unaufschiebbare Dringlichkeit. Nicht nur die Situation der Welt, sondern auch in vielen Teilen der Kirche verlangen heute allerdings absolut, dass diesem Wort Christi noch unmittelbarer und hochherziger gefolgt werde. Jeder Jünger ist unmittelbar persönlich berufen; keiner kommt umhin, seine persönliche Antwort zu geben: »Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9, 16).

Die Stunde fordert eine neue Evangelisierung

34 Ganze Länder und Nationen, in denen früher Religion und christliches Leben blühten und lebendige, glaubende Gemeinschaften zu schaffen vermochten, machen nun harte Proben durch und werden zuweilen durch die fortschreitende Verbreitung des Indifferentismus, Säkularismus und Atheismus entscheidend geprägt. Es geht dabei vor allem um die Länder und Nationen der sogenannten Ersten Welt, in der der Wohlstand und der Konsumismus, wenn auch von Situationen furchtbarer Armut und Not begleitet, dazu inspirieren und veranlassen, so zu leben, »als wenn es Gott nicht gäbe«. Die religiöse Indifferenz und die fast inexistente religiöse Praxis, auch angesichts schwerer Probleme der menschlichen Existenz, sind nicht weniger besorgniserregend und zersetzend als der ausdrückliche Atheismus. Auch wenn der christliche Glaube in einigen seiner traditionellen und ritualistischen Ausdrucksformen noch erhalten ist, wird er mehr und mehr aus den bedeutsamsten Momenten des Lebens wie Geburt, Leid und Tod ausgeschlossen. Daraus ergeben sich gewaltige Rätsel und Fragestellungen, die unbeantwortet bleiben und den modernen Menschen vor trostlose Enttäuschungen stellen oder in die Versuchung führen, das menschliche Leben, das sie aufgibt, zu zerstören.

In anderen Gebieten und Ländern dagegen sind bis heute die traditionelle christliche Volksfrömmigkeit und -religiosität lebendig erhalten; dieses moralische und geistliche Erbe droht aber in der Konfrontation mit komplexen Prozessen vor allem der Säkularisierung und der Verbreitung der Sekten verloren zu gehen. Nur eine neue Evangelisierung kann die Vertiefung eines reinen und festen Glaubens gewährleisten, der diese Traditionen zu einer Kraft wahrer Befreiung zu machen vermag.

Es ist mit Sicherheit notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür ist aber die Erneuerung der christlichen Substanz der Gemeinden, die in diesen Ländern und Nationen leben.

Aufgrund ihrer Teilhabe am prophetischen Amt Christi werden die Laien ganz in diese Aufgabe der Kirche einbezogen. Ihnen kommt es in besonderer Weise zu, Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als einzige und wahre Antwort - die alle mehr oder weniger bewusst erkennen und nennen - auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt. Dieses Zeugnis wird möglich, wenn es den Laien gelingt, den Gegensatz zwischen dem Evangelium und dem eigenen Leben zu überwinden und in ihrem täglichen Tun, in Familie, Arbeit und Gesellschaft eine Lebenseinheit zu erreichen, die im Evangelium ihre Inspiration und die Kraft zur vollen Verwirklichung findet.

Ich möchte heute erneut den leidenschaftlichen Anruf, mit dem ich mein Hirtenamt begonnen habe, allen modernen Menschen entgegenrufen: »Habt keine Angst! Öffnet, ja öffnet Christus weit die Türen! Öffnet die Grenzen der Staaten, die Wirtschaftssysteme und die politischen Systeme, die Bereiche der Kultur, der Zivilisation, der Entwicklung seiner heilbringenden Macht. Habt keine Angst. Christus weiß, "was im Menschen ist". Er allein weiß es! Der Mensch weiß heute oft nicht, was er in sich trägt im Tiefsten seiner Seele und seines Herzens. Darum fühlt er sich oft unsicher über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er wird von Zweifel erfüllt, die zur Verzweiflung werden. Lasst darum Christus - ich bitte und flehe euch demütig und vertrauensvoll an -, lasst ihn zu den Menschen sprechen.

Er allein hat Worte des Lebens, ja, des ewigen Lebens«.<ref> Johannes Paul II., Homilie bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes (22. Oktober 1978): AAS 70 (1978), 947. </ref>

Christus weit die Türen zu öffnen, ihn im Raum der eigenen Menschlichkeit aufzunehmen, ist für den Menschen keine Bedrohung, sondern der einzige Weg, der zur Erkenntnis des Menschen in seiner ganzen Wahrheit und zur Anerkennung seiner Werte führt.

Den Laien ist es aufgegeben, eine lebensmäßige Synthese zwischen dem Evangelium und den täglichen Pflichten ihres Lebens zu schaffen. Diese wird zum leuchtendsten und überzeugendsten Zeugnis dafür, dass nicht die Angst, sondern die Suche nach Christus und der Anschluss an ihn entscheidend sind für das Leben und Wachsen des Menschen sowie für das Entstehen neuer Lebensmodelle, die seiner Würde entsprechen.

Gott liebt den Menschen! Diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig. Das Wort und das Leben eines jeden Christen kann und muss diese Botschaft zum Klingen bringen: Gott liebt dich, Christus ist für dich gekommen, Christus ist für dich »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6)!

Diese neue Evangelisierung, die sich nicht nur an die einzelnen, sondern an ganze Teile der Bevölkerung in ihren jeweiligen Situationen, Milieus und Kulturen richtet, hat das Werden von reifen Gemeinden zum Ziel. In ihnen kann der Glaube seine volle ursprüngliche Bedeutung als persönliche Selbstübereignung an Christus und sein Evangelium, als sakramentale Begegnung und Gemeinschaft mit ihm, als in der Liebe und im Dienst verwirklichte Existenz zum Ausdruck bringen und verwirklichen.

Die Laien müssen beim Entstehen solcher Gemeinden ihren Beitrag einbringen. Sie tun es nicht nur durch ihre aktive und verantwortliche Teilnahme am Leben der Gemeinde und somit durch ihr unersetzliches Zeugnis, sondern auch mit ihrem missionarischen Eifer und Engagement denen gegenüber, die noch nicht glauben, oder die den Glauben, den sie in der Taufe empfangen haben, nicht mehr leben.

Den jüngeren Generationen sollen die Laien eine systematische Katechese als wertvolle und immer notwendigere Hilfe schenken. Die Synodenväter haben mit großer Dankbarkeit auf die Arbeit der Katecheten geschaut und anerkannt, dass ihnen »eine sehr bedeutende Aufgabe bei der Leitung der Gemeinden« zukommt.<ref> Propositio 10. </ref> Gewiss sind die christlichen Eltern, weil das Ehesakrament sie dazu befähigt, die ersten und unersetzlichen Katecheten ihrer Kinder. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass jeder Getaufte das »Recht« hat, im christlichen Glauben und im christlichen Leben unterrichtet, erzogen und geführt zu werden.

Geht hinaus in die ganze Welt

35 Die Kirche erkennt und erlebt die augenblickliche Dringlichkeit einer neuen Evangelisierung. Sie kann sich aber nicht dem bleibenden Auftrag entziehen, das Evangelium all denen - den Millionen von Männern und Frauen - die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen, zu verkünden. Diese ausgesprochen missionarische Aufgabe hat Jesus seiner Kirche anvertraut, und gibt er ihr täglich neu auf.

Die Mitwirkung der Laien hat auf diesem Gebiet nie gefehlt. Heute aber wird sie immer notwendiger und wertvoller. Der Anruf des Herrn: »Geht hinaus in die ganze Welt!« trifft heute noch viele hochherzige Laien, die bereit sind, ihr Lebensmilieu, ihre Arbeit, ihr Land oder ihre Heimat zu verlassen, um zumindest für eine bestimmte Zeit in ein Missionsgebiet zu gehen. Auch christliche Eheleute geben bis heute nach dem Beispiel von Aquila und Priscilla (vgl. Apg 18; Röm 16, 3 ff) durch ihre Präsenz und Wirksamkeit in Missionsgebieten ein ermutigendes Zeugnis ihrer leidenschaftlichen Liebe zu Christus und zur Kirche. Wahre missionarische Präsenz ist auch das Leben derer, die sich aus verschiedenen Gründen in Milieus aufhalten, in denen die Kirche noch keine Wurzeln gefasst hat, und dort ihren Glauben bezeugen. Das missionarische Problem stellt sich heute in der Kirche aber in einer solch großen Breite und Brisanz dar, dass nur eine wahrhaft solidarische Mitverantwortung aller Glieder der Kirche, der einzelnen und der Gemeinschaften auf eine wirksamere Antwort hoffen lassen kann.

Die Aufforderung des II. Vatikanischen Konzils an die Teilkirchen behält ihre ganze Aktualität, ja sie muss umfassender und entschiedener aufgenommen werden: »Da die Teilkirche ein getreues Abbild der Gesamtkirche sein muss, soll sie sich auch ihrer Sendung an denjenigen, die mit ihr im gleichem Raum leben und noch nicht an Christus glauben, wohl bewusst sein«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 20; vgl. auch ebd., Nr. 37. </ref>

Die Kirche muss heute auf dem Gebiet der Evangelisierung einen großen Schritt nach vorne tun und in eine neue historische Etappe ihrer missionarischen Dynamik eintreten. In einer Welt, die durch die Aufhebung der Entfernungen immer kleiner wird, müssen die Gemeinden untereinander Verbindung suchen, Kräfte und Mittel austauschen und sich miteinander in der einen und gemeinsamen Sendung, das Evangelium zu künden und zu leben, engagieren. »Die sogenannten jungen Kirchen« - meinten die Synodenväter - »bedürfen der Kräfte der älteren Kirchen. Letztere aber brauchen das Zeugnis und den Elan der Jüngeren, so dass die einzelnen Kirchen vom Reichtum der anderen schöpfen«.<ref> Propositio 29. </ref>

In dieser neuen Etappe stellt die Erziehung und Ausbildung nicht nur des Ortsklerus, sondern auch reifer und verantwortlicher Laien in den jungen Kirchen ein wesentliches und unverzichtbares Moment der plantatio Ecclesiae dar.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 21. </ref> So machen sich die evangelisierten Gemeinden selbst in andere Teile der Welt auf, um die Sendung, das Evangelium Christi zu künden, zu realisieren.

Die Laien können durch ihr Lebensbeispiel dazu beitragen, die Qualität der Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Religionen zu verbessern. Die Synodenväter bemerkten dazu: »Die Kirche lebt heute überall inmitten von Menschen verschiedener Religionen ... Alle Gläubigen und vor allem die Laien, die, sei es in ihrer Heimat oder in Ländern, in die sie ausgewandert sind, unter Völkern anderer Religionen leben, müssen für sie Zeichen des Herrn und seiner Kirche sein, so wie es der Lebenssituation eines jeden Ortes entspricht. Der Dialog zwischen den Religionen hat eine vorrangige Bedeutung, weil er zur Liebe und zur gegenseitigen Ehrfurcht hinführt, die Vorurteile unter den Gläubigen der verschiedenen Religionen abbaut oder zumindest abschwächt und Einheit und Freundschaft zwischen den Völkern fördert«.<ref> Propositio 30 bis. </ref>

Für die Evangelisierung der Welt bedürfen wir vor allem der Evangelisatoren. Darum müssen wir alle, insbesondere die christlichen Familien uns für das Erwachen und Reifen ausgesprochen missionarischer Berufe - als Priester, Ordensleute oder im Laienstand - verantwortlich halten. Wir müssen sie mit allen Mitteln fördern und vor allem das von Jesus bevorzugte Mittel des Gebetes seinem Wort entsprechend nie vernachlässigen: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9, 37-38).

Im Dienst am Menschen und an der Gesellschaft das Evangelium leben

36 Weil sie in der Kraft des Geistes das Evangelium aufnimmt und verkündet, wird die Kirche evangelisierte und evangelisierende Gemeinschaft. Aus diesem Grund wird sie zur Dienerin der Menschen. In ihr nehmen die Laien teil an der Sendung, den Menschen und der Gesellschaft zu dienen. Das letzte Ziel der Kirche ist mit Sicherheit das Reich Gottes, dessen »Keim und Anfang... auf Erden« sie darstellt.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 5. </ref> Sie ist deswegen gänzlich der Verherrlichung des Vaters geweiht. Das Reich aber ist Quelle der völligen Befreiung und des ganzen Heiles für die Menschen: Die Kirche lebt und geht mit ihnen in tiefer und wahrer Solidarität mit der Menschheitsgeschichte.

Die Kirche hat den Auftrag, der Welt das Geheimnis Gottes, das in Christus Jesus offenbar wurde, zu enthüllen. Sie tut zugleich dem Menschen den Menschen kund, erschließt ihm den Sinn seiner Existenz und öffnet ihn für die volle Wahrheit über sich selbst und sein Ziel.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. </ref> Kraft ihrer eigenen missionarischen Sendung ist die Kirche dazu berufen, dem Menschen zu dienen. Dieser Dienst gründet zunächst in der unerklärlichen und erschütternden Tatsache, dass »der Sohn Gottes ... sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt« hat.<ref> Ebd. </ref>

Darum ist der Mensch »der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages beschreiten muss: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 14: AAS 71 (1979), 284–285. </ref>

Ähnliches hat das II. Vatikanische Konzil in seinen verschiedenen Dokumenten mit großer Bestimmtheit und Klarheit wiederholt ausgesagt. Wir lesen in einem besonders aufschlussreichen Text aus der Konstitution Gaudium et Spes: »In der Verfolgung der eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern lässt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. So glaubt die Kirche, durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen zu können«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 40. </ref>

Die ganze Kirche ist für diesen Dienst an der Menschheitsfamilie verantwortlich. Aufgrund ihres »Weltcharakters«, der sie auf eigene und unersetzliche Weise zur christlichen Inspirierung der zeitlichen Ordnung verpflichtet, kommt den Laien in diesem Rahmen aber eine besondere Aufgabe zu.

Die Würde des Menschen fördern

37 Die unverletzliche Würde eines jeden Menschen neu zu entdecken und entdecken zu lassen, ist eine wesentliche Aufgabe, ja in einem gewissen Sinn die zentrale und alle anderen einschließende Aufgabe im Kontext des Dienstes an der Menschheitsfamilie, zu dem die Kirche und in ihr die Laien berufen sind.

Unter allen irdischen Geschöpfen ist nur der Mensch »Person«, bewusstes und freies Subjekt und darum auch »Mitte und Spitze« alles dessen, was auf der Erde ist.<ref> Vgl. ebd., Nr. 12. </ref>

Die personale Würde ist das kostbarste Gut, das der Mensch besitzt, und aufgrund dessen er die ganze materielle Welt an Wert transzendiert.

Jesu Wort »Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?« (Mk 8, 36), enthält eine wegweisende und ermutigende anthropologische Aussage: Des Menschen Wert liegt nicht in dem, was er »hat« - wenn er die ganze Welt gewinnt - sondern in dem, was er »ist«: nicht so sehr die Güter der Welt zählen, sondern das Gut des Menschen, das Gut, das der Mensch selber ist.

Die Leuchtkraft der Würde des Menschen kommt von ihrem Ursprung und von ihrer Zielbestimmung her voll zum Ausdruck: Von Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, vom kostbaren Blut Christi erlöst, ist der Mensch berufen, »Kind Gottes im Sohn« und lebendiger Tempel des Heiligen Geistes zu sein. Er ist bestimmt zum ewigen Leben in der seligmachenden Gemeinschaft mit Gott. Darum schreit jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist Beleidigung des Schöpfers des Menschen.

Aufgrund seiner Personwürde ist der Mensch in sich und für sich genommen immer ein Wert und muss als solcher verstanden und behandelt werden. Er darf nicht als benutzbares Objekt, als Werkzeug, als ein Ding betrachtet und behandelt werden.

Die Personwürde ist Fundament der Gleichheit aller Menschen. Von ihr leitet sich die absolute Unannehmbarkeit der verschiedensten Formen der Diskriminierung ab, die die Menschheitsfamilie leider ständig spalten und demütigen: durch Rassen-, wirtschaftliche, soziale, politische, geographische oder andere Unterschiede bedingt. Jede Diskriminierung stellt nicht so sehr wegen der Spannungen und Konflikte, die sie in der Gesellschaft hervorrufen kann, sondern wegen der Verletzung der Menschenwürde eine unerträgliche Ungerechtigkeit dar. Sie ist nicht nur Verletzung der Würde des Opfers der Ungerechtigkeit, sondern mehr noch der Würde desjenigen, der die Ungerechtigkeit begeht.

Die Personwürde ist Fundament der Gleichheit aller Menschen und auch Fundament der Teilnahme und der Solidarität der Menschen untereinander. Der Dialog und die Gemeinschaft sind zutiefst verwurzelt in dem, was die Menschen »sind«. Diese Verwurzelung im Sein ist tiefer und ursprünglicher als eine Verankerung in dem, was die Menschen »haben«.

Die Personwürde ist unzerstörbares Eigentum eines jeden Menschen. Die ungeheure Kraft dieser Behauptung, die auf die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit eines jeden Menschen zurückgeht, muss erfasst werden. Davon leitet sich ab, dass der einzelne durch alles, was ihn in der Anonymität des Kollektivs, der Institution, der Struktur, des Systems zermalmen und vernichten will, nicht nivelliert werden kann. Die Person ist in ihrer Einmaligkeit weder eine Nummer, noch das Glied einer Kette, noch das Teil eines Systems. Die radikalste und erhebendste Bezeugung des Wertes eines jeden Menschen gab der Sohn Gottes, als er im Schoß einer Frau Mensch wurde. Davon spricht die christliche Weihnacht auch heute noch zu uns.<ref> „Wenn wir die Geburt Jesu auf solche feierliche Weise begehen, tun wir es, um zu bezeugen, dass jeder Mensch eine einmalige und unwiederholbare Person ist. Wenn unsere menschlichen Statistiken und Katalogisierungen, die menschlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme, unsere einfachen menschlichen Möglichkeiten dem Menschen die Sicherheit nicht zu geben vermögen, dass er geboren werden, leben und wirken kann als einmalige unwiederholbare Person, gibt Gott ihm diese ganze Sicherheit. Für und vor ihm ist der Mensch immer einmalig und unwiederholbar; jemand, der von Ewigkeit her vorgesehen und erwählt ist; jemand, der bei seinem Namen gerufen und benannt wird“ (Johannes Paul II., Erste Weihnachtsbotschaft an die Welt: AAS 71 [1979], 66). </ref>

Ehrfurcht vor dem unantastbaren Recht auf das Leben

38 Die effektive Anerkennung der Personwürde eines jeden Menschen erfordert die Verteidigung und die Förderung der Menschenrechte sowie die Ehrfurcht vor ihnen. Diese sind Naturrechte, Universalrechte, unantastbare Rechte: Niemand, nicht der einzelne, nicht die Gruppe, nicht die Autorität und nicht der Staat kann sie verändern oder aufheben, weil sie von Gott selbst kommen.

Die Unantastbarkeit der Person, die Widerschein der absoluten Unantastbarkeit Gottes selbst ist, findet ihren ersten und fundamentalsten Ausdruck in der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Wenn das Recht auf das Leben nicht als erstes und fundamentales Recht mit größter Entschiedenheit als Bedingung für alle anderen Rechte der Person verteidigt wird, bleibt auch das berechtigte, wiederholte Hinweisen auf die Menschenrechte - auf das Recht auf Gesundheit, Wohnung, Arbeit, Gründung einer Familie, Kultur usw. - trügerisch und illusorisch.

Angesichts aller Verletzungen, die dem jedem Menschen zustehenden Recht auf das Leben, sei es durch einzelne oder durch die Autorität selbst zugefügt werden, hat die Kirche nie resigniert. Jeder Mensch ist in allen Phasen seiner Entwicklung, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, Träger dieses Rechtes; er bleibt es in jeder Situation: Gesundheit oder Krankheit, Vollkommenheit oder Behinderung, Reichtum oder Armut. Das II. Vatikanische Konzil erklärt ausdrücklich: »Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchsten Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. </ref>

Die Sendung und Verantwortung für die Anerkennung der Personwürde jedes Menschen und für die Verteidigung des Rechtes auf das Leben sind jedem übergeben. Einige Laien sind aber aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaft in besonderer Weise dazu berufen: Eltern, Erzieher, im Gesundheitswesen Arbeitende und Träger der wirtschaftlichen und politischen Macht.

In der liebevollen und hochherzigen Annahme jeden menschlichen Lebens, vor allem des schwachen oder kranken, erlebt die Kirche heute ein besonders entscheidendes Moment ihrer Sendung, die um so notwendiger ist, als eine »Kultur des Todes« mehr und mehr beherrschend wird. »Aber die Kirche ist fest überzeugt, dass das menschliche Leben, auch das schwache und leidende, immer ein herrliches Geschenk der göttlichen Güte ist. Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes »Ja«, jenes »Amen« zu entdecken, das Christus selbst ist (vgl. 1 Kor 2, 19; Apk 3, 14). Dem »Nein«, das in die Welt einbricht und einwirkt, setzt sie dieses lebendige »Ja« entgegen, und verteidigt so den Menschen und die Welt vor denen, die das Leben bekämpfen und ersticken«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 30: AAS 74 (1982), 116. </ref> Den Laien, die aufgrund ihrer Berufung oder ihres Berufes unmittelbarer mit der Bejahung des Lebens konfrontiert werden, kommt es zu, das »Ja« der Kirche zum menschlichen Leben konkret und wirksam zu machen.

Neue Möglichkeiten und Verantwortungen, die bis an die Grenzen des menschlichen Lebens gehen, haben sich heute durch die enorme Entwicklung der biologischen und medizinischen Wissenschaften und der überraschenden technologischen Möglichkeiten eröffnet: Der Mensch ist heute in der Lage, das menschliche Leben in seinem Anfang und in den ersten Stadien seiner Entwicklung nicht nur zu »beobachten«, sondern auch zu »manipulieren«.

Das moralische Gewissen der Menschheit kann weder indifferent noch unberührt bleiben von den riesigen Schritten einer technischen Macht, die eine immer umfassendere und tiefergehende Herrschaft über die Prozesse der Fortpflanzung und der ersten Phasen des menschlichen Lebens gewinnt . Vielleicht erweist sich die Weisheit gerade auf diesem Gebiet mehr den je als einziger rettender Anker, der den Menschen in der wissenschaftlichen und in der experimentellen Forschung dazu veranlasst, mit Intelligenz und Liebe zu handeln, das heißt in der Ehrfurcht, besser noch in der Verehrung der unantastbaren Personwürde eines jeden Menschen vom ersten Augenblick seiner Existenz an. Das ist dann der Fall, wenn Wissenschaft und Technik sich mit legitimen Mitteln für die Verteidigung des Lebens und die Heilung der Krankheit vom ersten Augenblick an einsetzen und - aufgrund der Würde der Forschung selbst - Eingriffe verweigern, die den genetischen Bestand des einzelnen und des menschlichen Geschlechtes verändern.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über „Die Achtung vor dem Beginn menschlichen Lebens und die Würde der Fortpflanzung“ (22. Februar 1987): AAS 80 (1988), 70–102. </ref>

Die Laien, die in verschiedenen Eigenschaften und auf verschiedenen Ebenen in der Wissenschaft und in der Technik sowie im medizinischen, sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Bereich arbeiten, müssen sich mutig den »Herausforderungen«, die sich aus den neuen Problemen der Bioethik ergeben, stellen. Wie die Synodenväter sagten, »müssen die Christen ihre Verantwortung als Herren der Wissenschaft und der Technologie und nicht als ihre Sklaven ausüben ... In der Perspektive der moralischen »Herausforderungen«, die sich aus der neuen und immensen technologischen Macht ergeben werden, und die nicht nur die Grundrechte des Menschen, sondern auch die biologische Existenz des Menschengeschlechtes selbst bedrohen, ist es überaus wichtig, dass die christlichen Laien - mit Hilfe der gesamten Kirche - sich dafür verantwortlich halten, die Kultur zurückzuführen auf die Prinzipien eines wahren Humanismus, damit die Förderung und die Verteidigung der Menschenrechte in ihrem eigenen Wesen einen sicheren und dynamischen Grund finden, in dem Wesen, das die Verkündigung des Evangeliums den Menschen geoffenbart hat«.<ref> Propositio 36. </ref>

Die Wachsamkeit aller angesichts der Zusammenballung der Macht, inbesondere der technologischen Macht, ist heute dringend notwendig. Denn diese tendiert dazu, nicht nur die biologische Natur, sondern auch die Inhalte des menschlichen Gewissens selbst und die Lebensentwürfe der Menschen zu manipulieren und so die Diskriminierung und Marginalisierung ganzer Völker zu vergrößern.

Freiheit, den Namen Gottes anzurufen

39 Die Ehrfurcht vor der Personwürde, die die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte einschließt, fordert die Anerkennung der religiösen Dimension des Menschen. Diese ist keine lediglich »konfessionelle« Forderung, sondern eine Notwendigkeit, die in der Realität des Menschseins selbst ihre unausrottbare Wurzel hat. Das Verhältnis zu Gott ist in der Tat Bestandteil des »Seins« und des »Existierens« des Menschen: in Gott »leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17, 28). Wenn auch nicht alle an diese Wahrheit glauben, haben die, die von ihr überzeugt sind, das Recht auf Ehrfurcht gegenüber ihrem Glauben und ihren Lebensentscheidungen, die sich auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene daraus ergeben. Dieses ist das Recht auf Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit, dessen effektive Anerkennung zu den höchsten Gütern und den schwersten Pflichten eines jeden Volkes zählen, das in Wahrheit das Wohl des Menschen und der Gesellschaft gewährleisten will: »Die Religionsfreiheit ist eine unverzichtbare Forderung der Personwürde eines jeden Menschen. Sie stellt einen Eckstein im Gebäude der Menschenrechte dar und ist darum ein unersetzlicher Faktor des Wohles der Menschen und der ganzen Gesellschaft, sowie der persönlichen Verwirklichung eines jeden. Daraus ergibt sich, dass die Freiheit der einzelnen und Gemeinschaften, die eigene Religion bezeugen und praktizieren zu dürfen, ein wesentlicher Bestandteil des friedlichen Miteinander unter den Menschen ist. ...

Das bürgerliche und gesellschaftliche Recht auf Religionsfreiheit berührt die intimste Sphäre des Gewissens. Es kann darum zum richtunggebenden Kriterium und in gewissem Sinn zum Maß der anderen Grundrechte werden«.<ref> Johannes Paul II., Botschaft zur Feier des XXI. Weltfriedenstages (8. Dezember 1987): AAS 80 (1988), 278 und 280. </ref>

Die Synode hat die vielen Brüder und Schwestern, die sich noch nicht dieses Rechtes erfreuen, nicht vergessen. Um des Bekenntnisses ihres Glaubens willen müssen sie Unannehmlichkeiten, Marginalisierung, Leid, Verfolgung und zuweilen den Tod auf sich nehmen. Die Mehrheit dieser Brüder und Schwestern sind christliche Laien. Die Verkündigung des Evangeliums und das christliche Lebenszeugnis im Leid und im Martyrium stellen die Höchstform des Apostolates der Jünger Christi dar, so wie die Liebe zum Herrn Jesus bis hin zur Hingabe des Lebens eine außerordentliche Quelle der Fruchtbarkeit für den Aufbau der Kirche darstellt. Der mystische Weinstock zeigt so seine Lebenskraft, wie der heilige Augustinus es hervorhebt: »Wie es von den Propheten und vom Herrn selbst vorherverkündet worden war, wurde dieser Weinstock, der seine fruchtbaren Reben in der ganzen Welt verbreitet, um so lebenskräftiger, als er mit dem vielen Blut der Märtyrer begossen wurde«.<ref>Augustinus, De Catech. Rud., XXIV, 44: CCL 46, 168. </ref>

Die gesamte Kirche ist dankbar für dieses Beispiel und für diese Gabe: In diesen ihren Söhnen und Töchtern findet sie den Grund, um die Dynamik ihres heiligen und apostolischen Lebens zu erneuern. In diesem Sinn hielten die Synodenväter es für ihre besondere Pflicht, »jenen Laien zu danken, die als unermüdliche Zeugen des Glaubens, trotz der Freiheitseinschränkungen und des Verzichtes auf geweihte Amtsträger, in Treue zum Apostolischen Stuhl stehen. Sie setzen alles, sogar das eigene Leben auf das Spiel. Die Laien geben auf diese Weise Zeugnis von einer wesentlichen Eigenschaft der Kirche: Die Kirche Gottes wird aus der Gnade Gottes, und diese Wahrheit kommt im Martyrium auf vorzügliche Weise zum Ausdruck«.<ref> Propositio 32. </ref>

Was wir bis jetzt über die Ehrfurcht vor der personalen Würde und die Anerkennung der Menschenrechte gesagt, ist Verantwortung eines jeden Christen, eines jeden Menschen. Wir müssen aber darauf hinweisen, dass dieses Problem heute eine universelle Dimension kennt: es geht in der Tat um eine Frage, die ganze Menschengruppen, ja ganze Völker, deren Grundrechte gewaltsam zertreten werden, betrifft. Daraus ergeben sich in der Entwicklung die Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Welten, die in der kürzlich erschienen Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis offen angeprangert worden sind.

Die Ehrfurcht vor dem Menschen geht über die Forderung einer individuellen Moral hinaus, sie stellt sich als Grundkriterium, gleichsam als wichtigster Grundpfeiler der Struktur der Gesellschaft selbst dar, weil diese ganz auf die Person hingeordnet ist. So kommt zur Verantwortung, dem Menschen zu dienen, die, der Gesellschaft zu dienen; beides als allgemeines Ziel der christlichen Inspirierung des säkularen Bereiches, zu der die Laien in der ihnen eigenen und spezifischen Modalität berufen sind.

Die Familie, erster Raum für das soziale Engagement

40 Der Mensch kennt eine eingeborene, seiner Struktur eingegebene soziale Dimension. Er ist von innen her zur Gemeinschaft mit anderen und zur vollen Hingabe an sie berufen: »Gott, der väterlich für alle sorgt, wollte, dass alle Menschen eine Familie bilden und einander in brüderlicher Gesinnung begegnen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. </ref> Die Gesellschaft, Frucht und Zeichen der Soziabilität des Menschen, erreicht dann ihre volle Wahrheit, wenn sie Gemeinschaft von Personen wird.

Zwischen Mensch und Gesellschaft besteht eine Interdependenz und Reziprozität: was für die Person getan wird, ist Dienst an der Gesellschaft, und was für die Gesellschaft getan wird, kommt der Person zugute. Darum ist das apostolische Engagement der Laien in der zeitlichen Ordnung immer und untrennbar zugleich Dienst am Menschen in seiner Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit und Dienst an allen Menschen

Die soziale Dimension des Menschen findet ihren ersten und ursprünglichen Ausdruck im Ehepaar und in der Familie: »Gott hat den Menschen nicht allein geschaffen: denn von Anfang an hat er ihn "als Mann und Frau" geschaffen« (Gen 1, 27); ihre Verbindung schafft die erste Form personaler Gemeinschaft.<ref> Ebd., Nr. 12. </ref> Jesus wollte dem Ehepaar seine volle Würde und der Familie ihre innere Festigkeit wieder zurückgeben (vgl. Mt 19, 3-9); der heilige Paulus hat die tiefe Beziehung zwischen der Ehe und dem Geheimnis Christi und der Kirche aufgeschlossen (vgl. Eph 5, 22-6, 4;Kol 3, 18-21; 1 Petr 3, 1-7).

Ehepaar und Familie sind der primäre Ort des sozialen Engagements der Laien. Ihnen kann nur von der Überzeugung ihres unersetzlichen Wertes für die Entwicklung der Gesellschaft und der Kirche her Rechnung getragen werden.

Als Wiege des Lebens und der Liebe, in der der Mensch »geboren« wird und »wächst«, stellt die Familie die Grundzelle der Gesellschaft dar.

Wenn Egoismus, Anti-Geburten-Propaganda, totalitäre Politiken, moralische Armut, physische und kulturelle Not, hedonistische und konsumistische Mentalitäten die Quelle des Lebens erdrosseln wollen, und die ideologischen Systeme sich mit dem vielfältigen Mangel an Interesse und an Liebe verbinden, um die Erziehungsaufgabe der Familie aufzuheben, muss dieser Gemeinschaft besondere Sorge entgegengebracht werden.

Ein umfassender, tiefgehender und systematischer Einsatz, der nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch materielle Mittel und durch die gesetzgebenden Organe unterstützt wird, ist erforderlich, damit die Familie ihre Aufgabe als erster Ort der »Humanisierung« der Person und der Gesellschaft erfüllen kann.

Das apostolische Engagement der Laien geht zunächst dahin, in der Familie das Bewusstsein ihrer Identität als erste Zelle der Gesellschaft und ihrer ursprünglichen Aufgabe in ihr zu wecken. Dadurch soll sie immer mehr zum aktiven und verantwortlichen Protagonisten ihres Wachstums und ihrer Teilnahme am Leben der Gesellschaft werden. Die Familie kann und muss von allen, vor allem von den öffentlichen Autoritäten, Ehrfurcht vor den Rechten verlangen, die die Gesellschaft retten können, weil sie die Familie retten.

Was im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio über die Teilhabe an der Entwicklung der Gesellschaft aufgeführt wird,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 42–48: AAS 74 (1982), 134–140. </ref> und was der Heilige Stuhl auf Bitten der Bischofssynode 1980 als »Charta der Rechte der Familie« formuliert hat, beinhaltet ein vollständiges und organisches Programm für alle Laien, die sich in verschiedenen Eigenschaften für die Förderung der Werte und der Rechte der Familie einsetzen. Die Verwirklichung dieses Programms muss um so dringender und entschiedener veranlasst werden, als die Angriffe gegen die Stabilität und die Fruchtbarkeit der Familie, sowie die Versuche, sie an den Rand der Gesellschaft zu zwingen und ihre soziale Relevanz zu verkürzen, tiefgreifenden und systematischen Charakter annehmen.

Die Erfahrung zeigt, dass Zivilisation und Festigkeit der Völker vor allem durch die menschliche Qualität ihrer Familien bestimmt werden. Darum gewinnt die apostolische Tätigkeit im Dienst der Familie eine unvergleichliche soziale Bedeutung. Die Kirche ist zutiefst davon überzeugt. Sie weiß: »Die Zukunft der Menschheit geht über die Familie«.<ref> Ebd., Nr. 85: AAS 74 (1982), 188. </ref>

Die Liebe, Seele und Fundament der Solidarität

41 Der Dienst an der Gesellschaft kann auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht und verwirklicht werden: Von den freien und informellen Modalitäten bis hin zu den institutionellen, von der Hilfe für einzelne bis hin zu der, die verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften angeboten wird.

Die gesamte Kirche ist als solche zum Dienst der Liebe berufen: »Wie darum die heilige Kirche schon in ihrer Frühzeit die Feier der Agape mit dem eucharistischen Mahl verband, und so als ganze durch das Band der Liebe um Christus geeint in Erscheinung trat, wird sie zu allen Zeiten an diesem Zeichen der Liebe erkannt. Wenn sie sich auch über alles freut, was andere in dieser Hinsicht tun, nimmt sie doch die Werke der Liebe als ihre eigene Pflicht und ihr unveräußerliches Recht in Anspruch. Der barmherzige Sinn für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke, die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb in der Kirche besonders in Ehren«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 8. </ref>

Unmittelbarer und allgemeiner Inhalt der christlichen Inspirierung der zeitlichen Ordnung, die spezifische Aufgabe der Laien ist, bleibt die Nächstenliebe in ihren altüberkommenen und immer neuen Formen der leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit.

Durch die Nächstenliebe leben und bezeugen die Laien ihre Teilhabe am Königsein Christi, das heißt ihre Teilhabe an der Macht des Menschensohnes, der »nicht gekommen (ist), um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen« (Mk 10, 45). Die Laien leben und bezeugen dieses Königsein auf die einfachste, allen jederzeit zugängliche, aber zugleich auch erhabenste Weise, weil die Liebe die höchste Gabe ist, die der Geist für den Aufbau der Kirche (vgl. 1 Kor 13, 13) und für das Wohl der Menschheit schenkt. Die Liebe ist es, die eine wirksame und für alle Bedürfnisse der Menschen offene Solidarität beseelt und begründet.

Nicht nur einzelne, sondern auch Gruppen und Gemeinschaften müssen diese Liebe ausüben, denn ihrer bedarf man, und wird man immer mehr bedürfen. Nichts und niemand kann sie ersetzen und wird sie ersetzen können, auch nicht die vielen Institutionen und Initiativen der öffentlichen Organe, wenn sie versuchen, den oft schweren und weit verbreiteten Bedürfnissen eines Volkes Rechnung zu tragen. Paradoxerweise ist die Liebe um so notwendiger, als die Institutionen in ihrer Organisation komplexer werden und jeden verfügbaren Raum verwalten wollen. Sie werden letztlich vom unpersönlichen Funktionalismus, der übertriebenen Bürokratie, von ungerechten Privatinteressen, vom leichtfertigen und verbreiteten Mangel an Interesse ausgehöhlt.

Gerade in diesem Kontext entstehen und wachsen vor allem in den organisierten Gesellschaften verschiedene Formen freiwilligen Einsatzes, die sich in einer Vielfalt von Diensten und Werken aktualisieren. Wenn es tatsächlich als selbstloser Dienst am Wohl der Menschen, vor allem der Bedürftigsten und derer, die von den sozialen Diensten vergessen, verwirklicht wird, kann der freiwillige Einsatz als eine bedeutende Form des Apostolates betrachtet werden, bei dem den Laien, Männern und Frauen, eine vorrangige Aufgabe zukommt.


Alle sind Adressaten und Protagonisten der Politik

42 Die Liebe, die dem Menschen dient und ihn liebt, kann nicht von der Gerechtigkeit getrennt werden: Die eine und die andere verlangen jede auf ihre Weise die volle Anerkennung der Rechte der Person, auf die die Gesellschaft mit all ihren Strukturen und Institutionen hingeordnet ist.<ref> Zum Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit vgl. Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 12: AAS 72 (1980), 1215–1217. </ref>

Um die zeitliche Ordnung im genannten Sinn des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die »Politik« einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen. Wie die Synodenväter wiederholt feststellten, haben alle und jeder einzelne die Pflicht und das Recht, sich an der Politik zu beteiligen, wenn auch auf verschiedener und komplementärer Weise und Ebene und aufgrund verschiedener und komplementärer Aufgaben und Verantwortungen. Die Anklagen des Arrivismus, der Idolatrie der Macht, des Egoismus und der Korruption, die nicht selten gegen Regierungsleute, Abgeordnete der Parlamente, dominierenden Klassen und politischen Parteien erhoben werden, sowie die verbreitete Meinung, die Politik sei ein Bereich unbedingter moralischer Gefährdung, rechtfertigen auf keine Weise den Skeptizismus oder die Abwendung der Christen von den öffentlichen Angelegenheiten. Vielmehr gewinnt gerade auf diesem Hintergrund das Wort des II. Vatikanischen Konzils seine volle Bedeutung: »Die Kirche ihrerseits zollt der Arbeit jener, die sich zum Dienst an den Menschen für das Wohl des Staates einsetzen und die Lasten eines solchen Amtes tragen, Anerkennung und Achtung«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 75. </ref>

Eine Politik, die auf die Person und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist, findet ihr Grundkriterium in der Bemühung um das Allgemeinwohl als Wohl aller Menschen und des ganzen Menschen, ein Wohl, das der freien und verantwortlichen Annahme der einzelnen und der Gruppen angeboten wird. »Die politische Gemeinschaft - so lesen wir in der Konstitution Gaudium et Spes - besteht also um dieses Gemeinwohls willen; in ihm hat sie ihre letztgültige Rechtfertigung und ihren Sinn, aus ihm leitet sie ihr ursprüngliches Eigenrecht ab. Das Gemeinwohl aber begreift in sich die Summe aller jener Bedingungen gesellschaftlichen Lebens, die den Einzelnen, den Familien und gesellschaftlichen Gruppen ihre eigene Vervollkommung voller und ungehinderter zu erreichen gestatten«.<ref> Ebd., Nr. 74. </ref>

Eine Politik, die auf den Menschen und auf die Gesellschaft ausgerichtet ist, findet darüber hinaus ihre kontinuierliche Richtlinie in der Verteidigung und Förderung der Gerechtigkeit, die sie als »Tugend«, zu der alle erzogen werden müssen, und als »moralische Kraft« versteht, die das Bemühen um die Anerkennung der Rechte und Pflichten aller und eines jeden auf der Grundlage der Personwürde des Menschen trägt.

Bei der Ausübung der öffentlichen Macht ist die Gesinnung des Dienstes entscheidend. Nur sie kann neben der notwendigen Kompetenz und Fähigkeit das Wirken der Politiker »durchsichtig« und »rein« erhalten, so wie das Volk es berechtigterweise fordert. Voraussetzung dafür ist die Bekämpfung und die entschiedene Überwindung bestimmter Versuchungen, wie die der Unlauterkeit und Lüge, des Vergeudens der öffentlichen Mittel zugunsten von Wenigen und mit gewinnsüchtigen Interessen, des Gebrauchs von zweideutigen und unerlaubten Mitteln, um die Macht auf jeden Fall zu erobern, festzuhalten und zu vermehren.

Wie die Konstitution Gaudium et Spes hervorhebt, sollen die in der Politik engagierten Laien die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten respektieren: »Sehr wichtig ist besonders in einer pluralistischen Gesellschaft, dass man das Verhältnis zwischen der politischen Gemeinschaft und der Kirche richtig sieht, so dass zwischen dem, was die Christen als Einzelne oder im Verbund im eigenen Namen als Staatsbürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Hirten tun, klar unterschieden wird.

Die Kirche, die in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf, noch auch an irgendein politisches System gebunden ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person«.<ref> Ebd., Nr. 76. </ref>

Zugleich müssen die Laien - so wird es heute als dringende Notwendigkeit und Verantwortung empfunden - Zeugnis geben für jene menschlichen Werte des Evangeliums, die zutiefst mit der politischen Tätigkeit verbunden sind: Freiheit und Gerechtigkeit, Solidarität, treue und selbstlose Hingabe an das Wohl aller, einfacher Lebensstil, Vorliebe für die Armen und für die Letzten. Voraussetzung dafür ist, dass sie von ihrer lebendigen Teilhabe am Leben der Kirche getragen und durch ihre Soziallehre aufgeklärt sind. Dabei können die Nähe ihrer Gemeinden und ihrer Hirten ihnen eine große Hilfe bedeuten.<ref> Vgl. Propositio 28. </ref>

Stil und Mittel zur Verwirklichung einer Politik, die die wahre Entwicklung der Menschen zum Ziel haben will, sind gegeben in der Solidarität. Sie erweckt die aktive und verantwortliche Teilnahme aller am politischen Leben, angefangen bei den einzelnen Bürgern bis hin zu den verschiedenen Gruppen, von den Gewerkschaften bis hin zu den Parteien: Gemeinsam und einzeln sind wir alle Adressaten und Protagonisten der Politik. Wie ich in der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis geschrieben habe, ist die Solidarität in diesem Sinn »nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das "Gemeinwohl" einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind «.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 38: AAS 80 (1988), 565–566. </ref>

Die politische Solidarität will heute in einer Spannweite, die über die einzelne Nation oder den einzelnen Block von Nationen hinausgeht und sich als kontinental oder universal darstellt, verwirklicht werden.

Die von allen erwünschte, aber leider noch nicht ausgereifte Frucht der solidarischen politischen Tätigkeit ist der Friede. Angesichts aller Phänomene, die den Frieden verneinen oder bedrohen, können die Laien nicht indifferent, distanziert oder unberührt bleiben: Gewalt und Krieg, Folter und Terrorismus, Konzentrationslager, Militarisierung der Politik, Rüstung, Bedrohung durch die Nuklearwaffen. Als Jünger Jesu, der der »Friedensfürst« (Jes 9, 5) und »unser Friede« (Eph 2, 14) ist, müssen die Laien durch die Bekehrung des »Herzens«, wie durch ein Engagement zugunsten der Wahrheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Liebe, die unverzichtbare Fundamente des Friedens sind, »Frieden stiften« (Mt 5, 8).<ref> Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris: AAS 55 (1963), 265–266. </ref>

Die Laien müssen mit allen, die in Wahrheit den Frieden suchen, zusammenarbeiten und die spezifischen nationalen und internationalen Organismen benutzen, um von der Basis her einen Prozess der Bewusstseinsbildung auszulösen, der die beherrschende Kultur des Egoismus, des Hasses, der Rache und der Feindschaft überwindet und auf allen Ebenen eine Kultur der Solidarität fördert. Sie ist »der Weg zum Frieden und zugleich zur Entwicklung«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 39: AAS 80 (1988), 568. </ref> Die Synodenväter haben die Christen aufgefordert, unannehmbare Formen der Gewalt abzulehnen, die Dialog- und Friedensbereitschaft zu pflegen und sich einzusetzen für die Errichtung einer gerechten sozialen und internationalen Ordnung.<ref> Vgl. Propositio 26. </ref>

Den Menschen in die Mitte wirtschaftlichsozialen Lebens stellen

43 Die wirtschaftlich-soziale Frage, dessen Schlüssel in der Organisation der Arbeit gegeben ist, stellt ein wesentliches Moment des Dienstes der Laien an der Gesellschaft dar.

Die aktuelle Brisanz dieser Fragestellung, die aus den verschiedenen Entwicklungsstufen ersichtlich ist und auf die die Soziallehre der Kirche eine Antwort zu geben versucht, wurde kürzlich in der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis in Erinnerung gerufen. Diese möchte ich darum allen, vor allem den Laien sehr empfehlen.

Zu den Eckpfeilern der Soziallehre der Kirche zählt das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter: Nach dem Plan Gottes stehen die Güter der Erde allen Menschen und jedem einzelnen Menschen als Mittel für die Entwicklung einer wahrhaft menschlichen Existenz zur Verfügung. Das Privateigentum steht im Dienst dieses Prinzips und kennt darum gerade aus diesem Grund eine wesenhaft soziale Dimension. Die Arbeit des Mannes und der Frau ist konkret der gängigste und unmittelbarste Weg für die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens, Weg, der zugleich Recht und Pflicht eines jeden Menschen ist.

Alle diese Aspekte sind in besonderer Weise in der Sendung der Laien eingeschlossen. Ziel und Kriterium ihrer Präsenz und Wirksamkeit werden vom II. Vatikanischen Konzil allgemein formuliert: »Auch im Wirtschaftsleben sind die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Berufung wie auch das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 63. </ref>

Die erschütternden Umwälzungen in der Welt der Wirtschaft und in der Welt der Arbeit verlangen, dass die Laien sich an vorderster Front für die Lösung dieser überaus schweren Probleme engagieren: Bekämpfung der wachsenden Arbeitslosigkeit, Überwindung der zahlreichen Ungerechtigkeiten wegen schlechter Organisation der Arbeit, die Förderung des Entstehens von Persongemeinschaften am Arbeitsort, die die Subjektivität und das Recht auf Teilhabe des Einzelnen respektieren, die Entwicklung neuer Formen der Solidarität unter denen, die an der gemeinsamen Arbeit teilnehmen, Schaffung neuer Modalitäten des Unternehmens, Überprüfung von Handelssystemen, Finanzwesen und technologischem Transfer.

Dazu wird von den Laien Berufstüchtigkeit, menschliche Redlichkeit und christlicher Geist bei der Verrichtung ihrer Arbeit als Weg zur Selbstheiligung verlangt.<ref> Vgl. Propositio 24. </ref> Das Konzil spricht diese Forderung ausdrücklich aus: »Durch seine Arbeit erhält der Mensch sein und der Seinigen Leben, tritt in tätigen Verbund mit seinen Brüdern und dient ihnen; so kann er praktische Nächstenliebe üben und seinen Beitrag zur Vollendung des Schöpferwerkes Gott erbringen. Ja wir halten fest: Durch seine Gott dargebrachte Arbeit verbindet sich der Mensch mit dem Erlösungswerk Jesu Christ selbst, der, indem er in Nazareth mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 67; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens, Nr. 24–27: AAS 73 (1981), 637–647. </ref>

Im Hinblick auf das wirtschaftlich-soziale Leben und auf die Arbeit wird die sogenannte »ökologische« Frage heute immer akuter. Der Mensch hat von Gott selbst den Auftrag erhalten, über die Dinge zu »herrschen« und den»Garten der Welt zu bestellen«; diese Aufgabe muss er in Ehrfurcht vor der göttlichen Ebenbildlichkeit, die er empfangen hat, das heißt mit Vernunft und Liebe erfüllen. Er muss sich verantwortlich halten für die Gaben, die Gott ihm geschenkt hat und dauernd schenkt. Die Gabe, die er in Händen hält, muss er - wenn möglich sogar verbessert - den künftigen Generationen weitergeben, denn auch sie sind Empfänger der Gaben des Herrn: »Die vom Schöpfer dem Menschen anvertraute Herrschaft ist keine absolute Macht, noch kann man von der Freiheit sprechen, sie zu "gebrauchen oder zu missbrauchen", oder über die Dinge zu verfügen, wie es beliebt. Die Beschränkung, die der Schöpfer selber von Anfang an auferlegt hat, ist symbolisch in dem Verbot enthalten, "von der Frucht des Baumes zu essen" (vgl. Gen 2, 16-17 ); sie zeigt mit genügender Klarheit, dass wir im Hinblick auf die sichtbare Natur nicht nur biologischen, sondern auch moralischen Gesetzen unterworfen sind, die man nicht ungestraft übertreten darf. Eine richtige Auffassung von Entwicklung kann nicht von solchen Überlegungen hinsichtlich des Gebrauchs der Naturdinge, der möglichen Erneuerung der Hilfsquellen und der Folgen einer ungeordneten Industrialisierung absehen, die unser Gewissen erneut auf die moralische Dimension der Entwicklung hinlenken«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 34: AAS 80 (1988), 560. </ref>

Die Kultur und die Kulturen des Menschen evangelisieren

44 Der Dienst am Menschen und an der menschlichen Gesellschaft kommt im Schaffen und Weitergeben von Kultur zum Ausdruck und zur Verwirklichung. Vor allem in unseren Tagen stellt dies eine der dringendsten Aufgaben des menschlichen Miteinanders und des sozialen Fortschrittes dar. Im Licht des Konzils verstehen wir unter »Kultur ... alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet: wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Bestrebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht - zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 53. </ref> In diesem Sinn muss die Kultur als Allgemeingut eines jeden Volkes, als Ausdruck seiner Würde, Freiheit und Kreativität, als Zeugnis seines Weges in der Geschichte verstanden werden. Vor allem der christliche Glaube kann nur von der Kultur her und durch sie geschichtlich und geschichtsschöpferisch werden.

Angesichts der Entwicklung einer Kultur, die nicht nur dem christlichen Glauben, sondern auch den menschlichen Werten absagt,<ref> Vgl. Propositio 35. </ref> und einer wissenschaftlich und technologisch geprägten Kultur, die es nicht vermag, auf die brennende Suche nach der Wahrheit und nach dem Guten, die heute im Herzen der Menschen brennt, zu antworten, weiß die Kirche um die dringende pastorale Notwendigkeit, der Kultur besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie fordert darum die Laien auf, sich mutig und kreativ an den privilegierten Orten der Kultur, wie die Welt der Schulen und Universitäten, die Milieus wissenschaftlicher und technischer Forschung, die Orte des künstlerischen Schaffens und humanistischen Nachdenkens eine Präsenz zu verschaffen. Diese Präsenz soll nicht nur die Elemente der gegenwärtigen Kultur erkennen, kritisch beurteilen und gegebenenfalls läutern, sondern sie mit Hilfe des ursprünglichen Reichtums des Evangeliums und des christlichen Glaubens auf eine höhere Ebene erheben. Was das II. Vatikanische Konzil über die Beziehung zwischen Evangelium und Kultur schreibt, ist bleibende historische Gegebenheit und zugleich ein höchst aktuelles und notwendiges Ziel; dieses anspruchsvolle Programm ist der pastoralen Verantwortung der gesamten Kirche und somit der spezifischen Verantwortung aller Laien anvertraut: »Die gute Botschaft Christi erneuert unausgesetzt Leben und Kultur des gefallenen Menschen und bekämpft und beseitigt Irrtümer und Übel, die aus der stets drohenden Verführung zur Sünde hervorgehen. Unablässig reinigt und hebt sie die Sitten der Völker.

Schon durch die Erfüllung der eigenen Aufgabe treibt die Kirche die menschliche und mitmenschliche Kultur voran und trägt zu ihr bei; durch ihr Wirken, auch durch ihre Liturgie, erzieht sie den Menschen zur inneren Freiheit«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 58. </ref>

Einige besonders inhaltsvolle Passagen des Schreibens Paulus VI. Evangelii Nuntiandi verdienen es, hier in Erinnerung gerufen zu werden: »Die Kirche evangelisiert, wenn sie sich darum bemüht, allein durch die göttliche Kraft der Botschaft, die sie verkündet, zugleich das persönliche und kollektive Bewusstsein der Menschen, die Tätigkeit, in der sie sich engagieren, ihr konkretes Leben und jeweiliges Milieu umzuwandeln.

Bereiche der Menschheit, die umgewandelt werden sollen: Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, dass durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden.

Vielleicht können wir dies zusammenfassend auf folgende Weise ausdrücken: es gilt - und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln - die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn ... zu evangelisieren ... Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist. Man muss somit alle Anstrengungen machen, um die Kultur genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 18–20: AAS 68 (1976), 18–19. </ref>

Die Kommunikationsmittel bieten sich heute als privilegierter Weg zur Schaffung und zur Weitergabe der Kultur an.<ref> Vgl. Propositio 37. </ref> Aufgrund der raschen und umwälzenden Entwicklung und Erneuerung und ihres weltweiten, zugleich bis zur Basis reichenden Einflusses wird auch die Welt der Medien zu einem neuen Grenzgebiet der Sendung der Kirche. Die berufliche Verantwortung der Laien auf diesem Gebiet, sei es der einzelnen, sei es der gemeinsamen Institutionen und Initiativen, muss in ihrer ganzen Bedeutung anerkannt und mit mehr materiellen, intellektuellen und pastoralen Mitteln unterstützt werden.

Gebrauch und Aufnahme der Kommunikationsmittel verlangen nach einer Erziehung zum kritischen, von der Liebe zur Wahrheit getragenen Sinn, und einer umfassenden Verteidigung der Freiheit, der Ehrfurcht vor der personalen Würde, der Festigung der wahren Kultur der Völker durch die entschiedene und mutige Ablehnung jeder Form von Monopolisierung und Manipulierung.

Die pastorale Verantwortung der Laien schränkt sich aber nicht auf diese Verteidigung ein: Das heilbringende Evangelium muss auf allen Straßen der Welt, auch auf denen der Presse, des Kinos, der Radiosender, des Fernsehens und des Theaters verkündigt werden.

VIERTES KAPITEL: DIE ARBEITER IM WEINBERG DES HERRN.

Gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes

Die Vielfalt der Berufungen

45 Nach dem Gleichnis des Evangeliums ruft der »Gutsbesitzer« die Arbeiter zu verschiedenen Tagzeiten in seinen Weinberg: einige beim Morgengrauen, andere gegen die neunte Stunde, andere noch gegen Mittag und um die sechste und um die elfte Stunde (vgl. Mt 20, 1 ff). Im Kommentar zu dieser Perikope des Evangeliums interpretiert Gregor der Große die verschiedenen Zeitpunkte der Berufung im Hinblick auf das Lebensalter: »Die Verschiedenheit der Stunde« - schreibt er - »kann auf die verschiedenen Alter des Menschen angewandt werden. In dieser unserer Interpretation kann der Morgen die Kindheit darstellen. Die dritte Stunde kann dann als die frühe Jugend verstanden werden: Die Sonne steigt am Himmel auf, das heißt die Glut des Alters wächst. Die sechste Stunde ist die Jugend: Die Sonne steht wie in der Mitte des Himmels, das heißt, dass sich in dem Alter die Fülle der Kraft festigt. Das hohe Alter wird von der neunten Stunde dargestellt, weil die Sonne von der Höhe heruntergeht, so wie dieses Alter die Glut der Jugend verliert. Die elfte Stunde ist das Alter derer, die an Jahren schon weit fortgeschritten sind ... Die Arbeiter werden zu verschiedenen Stunden in den Weinberg gerufen, gleichsam um zu bedeuten, dass der eine schon in der Kindheit zum Leben der Heiligkeit geführt wird, der andere in der Jugend, ein anderer im Alter und noch ein anderer im hohen Alter«.<ref> Gregor der Große, Hom. in Evang. I. XIX, 2: PL 76, 1155. </ref>

Wir können den Kommentar des heiligen Gregor erweitern und auf die außerordentliche Vielfalt der Formen einer Präsenz in der Kirche, von denen alle und eine jede gerufen ist, je nach der Verschiedenheit der Berufungen und Situationen, der Charismen und der Dienste für die Ankunft des Reiches Gottes zu arbeiten anwenden. Diese Verschiedenheit ist nicht nur durch das Alter, sondern auch durch die Verschiedenheit der Geschlechter und die Vielfalt der Gaben, Berufungen und Lebenssituationen gegeben, und sie lässt den Reichtum der Kirche konkreter und lebendiger werden.

Die Jugend, Hoffnung der Kirche

46 Die Synode hat berechtigterweise der Jugend besondere Aufmerksamkeit schenken wollen. Denn in vielen Ländern der Welt stellen die Jugendlichen die Hälfte der gesamten Bevölkerung und oft auch die Hälfte des Volkes Gottes selbst, das in diesen Ländern lebt. Schon unter diesem Gesichtspunkt sind die Jugendlichen eine außerordentliche Kraft und eine große Herausforderung für die Zukunft der Kirche. Diese liest von den Jugendlichen ihr Schreiten in die Zukunft, die sie erwartet, ab; in ihnen findet sie das Bild und die Erinnerung an die beseligende Jugend, mit der der Geist Christi sie immer bereichert. In diesem Sinn hat das Konzil die Jugend als die »Hoffnung der Kirche« definiert.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 2. </ref>

In dem Brief an die Jugendlichen der Welt vom 31. März 1985 lesen wir: »Die Kirche blickt auf die Jugendlichen; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen - in euch allen und in jedem einzelnen von euch. So ist es von Anfang an, seit den Zeiten der Apostel gewesen. Die Worte im ersten Johannesbrief sind dafür ein besonderes Zeugnis: »Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, dass ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, dass ihr den Vater erkannt habt ... ich schreibe euch, ihr jungen Männer, dass ihr stark seid und dass das Wort Gottes in euch bleibt (1 Joh 2, 13 ff). Die Worte des Apostels kommen zum Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium hinzu und erschallen mit mächtigem Echo von Generation zu Generation.

Auch in unserer Generation, am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus sieht die Kirche sich selbst in den Jugendlichen«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben zum Internationalen Jahr der Jugend, 15: AAS 77 (1985), 620–621. </ref>

Die Jugendlichen dürfen nicht lediglich als Gegenstand der pastoralen Sorge der Kirche verstanden werden. Sie sind in der Tat, und müssen darin ermutigt werden, aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung.<ref> Vgl. Propositio 52. </ref> Die Jugend ist die Zeit einer besonders intensiven Entdeckung des eigenen »Ich« und des eigenen »Lebensentwurfes«, die Zeit eines Wachsens, das Zunehmen in der »Weisheit« und an »Gefallen bei Gott und den Menschen« ist (Lk 2, 52).

Die Synodenväter sagten dazu: »Die Jugendlichen sind für die Werte der Gerechtigkeit, der Gewaltlosigkeit und des Friedens besonders sensibel. Ihr Herz ist offen für Geschwisterlichkeit, Freundschaft und Solidarität. Sie sind aufs höchste motiviert für die Anliegen der Lebensqualität und der Erhaltung der Natur. Aber sie sind auch erfüllt mit Fragen, Enttäuschungen, Nöten und Ängsten vor der Welt sowie der für sie typischen Versuchungen«.<ref> Vgl. Propositio 51. </ref>

Die Kirche muss die Vorliebe Jesu für den jungen Mann des Evangeliums neu lebendig werden lassen: »Da sah ihn Jesus an, weil er ihn liebte« (Mk 10, 12). Darum wird sie nicht müde, Jesus Christus zu verkünden und sein Evangelium zu predigen, als einzige und überreiche Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte der Jugend, als eindeutige und anziehende Aufforderung zu einer persönlichen Nachfolge (»komm und folge mir nach« [Mk 10, 21]), die Teilhabe an der Kindesliebe Jesu zum Vater und Teilhabe an seiner Heilssendung für die Menschheit ist.

Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen. Dieser gegenseitige Dialog muss offenherzig, klar und mutig sein. Er fördert die Begegnung und den Austausch zwischen den Generationen und wird für Kirche und Gesellschaft Quelle des Reichtums und des Jungseins. In seiner Botschaft an die Jugend sagt das Konzil: »Die Kirche schaut mit Vertrauen und Liebe auf euch ... Sie ist die wahre Jugend für die Welt ... Schaut auf sie und ihr werdet in ihr das Antlitz Christi finden«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Botschaft an die Jugend (8. Dezember 1965): AAS 58 (1966), 18. </ref>

Die Kinder und das Reich Gottes

47 Die Kinder sind mit Sicherheit Gegenstand der zarten und warmen Liebe des Herrn Jesus: Er versichert sie seines Segens und verspricht ihnen das Himmelreich (vgl. Mt 19, 13-15; Mk 10, 14). Jesus hebt die aktive Teilnahme der Kleinen am Gottesreich hervor. Sie sind sprechendes Symbol und herrliches Vorbild der moralischen und geistlichen Haltung, die Voraussetzung ist, um in das Himmelreich zu gelangen und in der Logik einer Ganzhingabe an den Herrn zu leben: »Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf« (Mt 18, 3-5; vgl. Lk 9, 48).

Die Kinder erinnern uns ständig daran, dass die missionarische Fruchtbarkeit der Kirche nicht in den menschlichen Mitteln und Verdiensten, sondern in der absolut freien Gabe Gottes ihre Lebenswurzel hat. Das Leben in Unschuld und Gnade der Kinder sowie die Leiden und die Unterdrückung, die ihnen ungerechterweise auferlegt werden, bringen aufgrund des Kreuzes Christi ihnen selbst und der gesamten Kirche eine geistliche Bereicherung ein. Wir alle müssen uns dieser Tatsache dankbarer bewusst werden.

Es muss auch bedacht werden, dass Kindheit und Jugend wertvolle Möglichkeiten für den Aufbau der Kirche und für die Humanisierung der Gesellschaft bieten. Über die wohltuende und positive Präsenz der Kinder in der »Hauskirche« der Familie sagt das Konzil: »Die Kinder als lebendige Glieder der Familie tragen auf ihre Weise zur Heiligung der Eltern bei«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 48. </ref> Diese Wahrheit muss in Anwendung auf die Teilkirchen und auf die Universalkirche wiederholt werden. Schon Jean Gerson, Theologe und Erzieher aus dem XV. Jahrhundert, für den »die Kinder und Jugendlichen gewiss kein außer acht zu lassender Teil der Kirche« darstellen, machte auf diese Tatsache aufmerksam.<ref> Jean Gerson, De parvulis ad Christum trahendis, Œuvres Complètes, Desclée Paris, 1973, IX, 669. </ref>

Die alten Menschen und die Gabe der Weisheit

48 Die alten Menschen, die oft als nutzlos oder sogar als unerträgliche Last betrachtet werden, möchte ich daran erinnern, dass die Kirche von ihnen erbittet und erwartet, dass sie ihre missionarische und apostolische Sendung fortsetzen. Ihre Erfüllung ist in diesem Alter nicht nur möglich und verpflichtend, sie erhält durch es in gewisser Weise eine spezifische und originelle Note.

Die Bibel zeichnet den alten Menschen gerne als Symbol des von Weisheit und Gottesfurcht erfüllten Menschen (vgl. Sir 25, 4-6). In diesem Sinn könnte die »Gabe« des alten Menschen darin gesehen werden, in der Kirche und in der Gesellschaft Zeuge der Glaubenstradition (vgl. Ps 44, 2; Ex 12, 26-27), Meister des Lebens (vgl. Sir 6, 34; 8, 11-12) und Träger der Liebe zu sein.

Die wachsende Zahl alter Menschen und ihr frühzeitiges Zurücktreten aus Beruf und Arbeit öffnen ihrer apostolischen Aufgabe neue Möglichkeiten. Diese muss mit Entschiedenheit übernommen werden. Die Versuchung muss überwunden werden, sich sehnsüchtig in eine Vergangenheit, die nicht wiederkehrt, zurückzuziehen, um wegen der Schwierigkeiten, die eine Welt der ständigen Neuheiten bedeutet, vor einer Verpflichtung in der Gegenwart zurückzuweichen. Alte Menschen müssen sich immer neu vergegenwärtigen, dass ihre Aufgabe in der Kirche und in der Gesellschaft aufgrund des Alters keine Unterbrechungen kennt, sondern lediglich neue Ausdrucksweisen finden muss. Der Psalmist sagt dazu: »Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische; sie verkünden: Gerecht ist der Herr (Ps 92, 15-16). Ich wiederhole hier, was ich anlässlich der Jubiläumsfeier für alte Menschen gesagt habe: »Das Erreichen des dritten Alters muss als ein Privileg betrachtet werden: nicht nur, weil nicht alle das Glück haben, diese Etappe zu erreichen, sondern auch und vor allem, weil diese Zeit konkrete Möglichkeiten bietet, die Vergangenheit besser zu überprüfen, das Ostergeheimnis tiefer zu erkennen und zu erleben, in der Kirche für das gesamte Volk Gottes zum Vorbild zu werden... Trotz der Komplexität eurer Probleme, die noch keine Lösung gefunden haben, des langsamen Kräftezerfalls, der mangelnden sozialen Organisationen, der Verzögerungen in der offiziellen Gesetzgebung, des Unverständnisses einer egoistischen Gesellschaft seid ihr nicht am Rand des Lebens der Kirche und müsst ihr nicht meinen, passive Elemente in einer Welt, die zu viel Bewegung kennt, zu sein. Ihr seid vielmehr aktive Subjekte einer menschlich und geistlich fruchtbaren Zeit der Existenz. Noch habt ihr eine Aufgabe zu erfüllen und einen Beitrag zu geben. Nach dem göttlichen Plan ist jeder Mensch vom ersten Augenblick seiner Existenz an bis zu seinem letzten Atemzug wachsendes Leben«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache an Seniorengruppen aus den Diözesen Italiens, 23. März 1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984), 744. </ref>

Frauen und Männer

49 Die Synodenväter haben der Lage und der Aufgabe der Frau in einer zweifachen Hinsicht besondere Aufmerksamkeit gewidmet die Aufforderung an alle, den unverzichtbaren Beitrag der Frau zum Aufbau der Kirche und zur Entwicklung der Gesellschaft anzuerkennen; den Anstoß zu einer spezifischen Analyse der Teilhabe der Frau am Leben und an der Sendung der Kirche.

Rückblickend auf Johannes XXIII., der das Bewusstsein der Frauen von der eigenen Würde und das Eintreten der Frauen in das öffentliche Leben als ein Zeichen unserer Zeit erkannt hat,<ref> Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris: AAS 55 (1963), 267–268. </ref> haben die Synodenväter wiederholt und entschieden die Dringlichkeit hervorgehoben, angesichts der verschiedenen Formen der Diskriminierung und Marginalisierung, denen die Frau wegen ihres Frauseins ausgesetzt ist, die Personwürde der Frau und somit ihre Gleichheit mit dem Mann herauszustellen.

Diese Aufgabe kommt in der Kirche und in der Gesellschaft allen, insbesondere aber den Frauen zu. In vielen Teilen der Welt muss vielerorts noch eine ungerechte und schädliche Mentalität überwunden werden, die den Menschen als ein Ding, als ein Objekt, als ein Werkzeug des egoistischen Interesses oder der Lust versteht, das man kaufen oder verkaufen kann. Das um so mehr, als die Frau das erste Opfer dieses Denkens ist. Die ausdrückliche Anerkennung der personalen Würde der Frau ist der erste Schritt, um ihre volle Teilhabe am Leben der Kirche und am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben anzustreben. Die Aufforderung in Familiaris Consortio im Hinblick auf die vielen Diskriminierungen, denen die Frau zum Opfer fällt, muss noch eine umfassendere und entschiedenere Antwort erhalten: »Ich bitte deshalb alle, durch einen stärkeren und gezielteren spezifischen pastoralen Einsatz in dieser Richtung für ihre endgültige Beseitigung zu wirken, damit das Bild Gottes, das in allen Menschen ausnahmslos widerstrahlt, seine volle Würdigung findet«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 24: AAS 74 (1982), 109–110.</ref> In derselben Linie haben die Synodenväter behauptet: »Als ein Ausdruck ihrer Sendung muss die Kirche sich mit Entschiedenheit allen Formen der Diskriminierung und des Missbrauchs der Frau widersetzen«.<ref> Propositio 46. </ref> Und weiter: »Die Würde der Frau, die in der öffentlichen Meinung schwer verletzt ist, muss durch die wahre Ehrfurcht vor den Menschenrechten und durch die Anwendung der Soziallehre der Kirche wiederhergestellt werden«.<ref> Propositio 47. </ref>

Schon das II. Vatikanische Konzil hat die aktive und verantwortliche Teilnahme der Frau an Leben und Sendung der Kirche ausdrücklich empfohlen: »Da heute die Frauen eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es von großer Wichtigkeit, dass sie auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 9. </ref>

Das Bewusstsein, dass die Frau mit ihren eigenen Gaben und Aufgaben eine besondere Berufung hat, hat sich in der nachkonziliaren Zeit vertieft und verbreitet. Es hat im Evangelium und in der Kirchengeschichte seine ursprüngliche Inspirationsquelle gefunden. Für den Glaubenden bleibt das Evangelium, das heißt das Wort und das Beispiel Jesu Christi notwendiges und entscheidendes Kriterium, das auch im augenblicklichen historischen Moment fruchtbar und erneuernd ist.

Wenn auch nicht zu dem Apostolat der Zwölf und somit zum Priesteramt berufen, begleiten viele Frauen Jesus in seinem Dienst und stehen der Gruppe der Apostel bei (vgl. Lk 8, 2-3); unter dem Kreuz sind sie präsent (vgl. Lk 23, 49); sie wohnen der Grablegung Jesu bei (vgl. Lk 23, 55) und empfangen und verkündigen am Ostermorgen die Botschaft von der Auferstehung (vgl. Lk 24, 1-10); sie beten im Coenaculum mit den Aposteln in der Pfingsterwartung (vgl. Apg 1, 14).

Auf den Spuren des Evangeliums nimmt die Urkirche Abstand von der Kultur ihrer Zeit, und sie beruft die Frau zu bestimmten Aufgaben, die mit der Evangelisierung gegeben sind. Der Apostel Paulus nennt in seinen Briefen auch mit Namen zahlreiche Frauen und ihre verschiedenen Aufgaben innerhalb und im Dienst der ersten Gemeinden (vgl. Röm 16, 1-15; Phil 4, 2-3; Kol 4, 15 und 1 Kor 11, 5; 1 Tim 5, 16). »Wenn das Zeugnis der Apostel die Kirche begründet«, - sagte Paul VI. - »trägt das der Frauen entscheidend dazu bei, den Glauben der christlichen Gemeinden zu nähren«.<ref> Paul VI., Ansprache an die Kommission für das Internationale Jahr der Frau (18. April 1975): AAS 67 (1975), 266. </ref>

Wie zu ihren Anfängen - wenn auch auf verschiedene Weise und mit anderen Akzentsetzungen - hat die Kirche auch in ihrer späteren Entwicklung Frauen gekannt, die zuweilen eine entscheidende Rolle gespielt und höchst bedeutende Aufgaben für sie erfüllt haben. Diese ist eine Geschichte immensen Einsatzes, das oft im Verborgenen geschah, für das Wachstum und die Heiligkeit der Kirche deswegen aber nicht weniger entscheidend war. Diese Geschichte muss fortgesetzt, erweitert und verdichtet werden angesichts des wachsenden und universell verbreiteten Bewusstseins von der Personwürde der Frau und ihrer Berufung sowie der Dringlichkeit einer neuen »Evangelisierung« und einer größeren »Humanisierung« der sozialen Beziehungen.

Die Synodenväter haben den Auftrag des II. Vatikanischen Konzils, der die Botschaft des Evangeliums und der Kirchengeschichte spiegelt, neu aufgenommen und unter anderem diese ausdrückliche Empfehlung formuliert: »Die Kirche muss in ihrem Leben und in ihrer Sendung alle Gaben der Frauen und der Männer anerkennen und sie in die Praxis umsetzen«.<ref> Propositio 46. </ref> Und weiter: »Diese Synode verkündet, dass die Kirche um ihre Sendung besser erfüllen zu können, die Anerkennung und den Einsatz aller dieser Gaben, Erfahrungen und Haltungen von Männern und Frauen verlangt (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instructio de libertate christiana et liberatione, 72)«.<ref> Propositio 47. </ref>

Anthropologische und theologische Fundierungen

50 Voraussetzung für die Anerkennung der Präsenz der Frau in der Kirche und in der Gesellschaft ist eine sorgsame und tiefergehende Untersuchung der anthropologischen Fundierung des Frauseins und des Mannseins. Dadurch muss die personale Identität der Frau in ihrer Beziehung, Verschiedenheit und Komplementarität zum Mann präzisiert werden, und das nicht nur im Hinblick auf die Rollen, die sie übernehmen, und die Aufgaben, die sie erfüllen soll, sondern auch und tiefer noch im Hinblick auf ihre Struktur und auf ihre personale Bedeutung. Die Synodenväter haben diese Notwendigkeit tief empfunden, als sie behaupteten, dass »die theologischen und anthropologischen Fundamente für die Lösung der Probleme über die wahre Bedeutung und die Würde beider Geschlechter vertieft werden müssen«.<ref> Ebd. </ref>

Die Kirche führt Überlegungen aus über die anthropologischen und theologischen Grundgebenheiten des Frauseins und bringt sich somit ein in den geschichtlichen Prozess der verschiedenen Bewegungen für die Förderung der Frau. Weil sie dabei vorstößt bis zu den Wurzeln des Personseins der Frau, hat die Kirche einen wertvollen Beitrag zu geben. Vor allem will sie aber Gott gehorchen, der den Menschen »nach seinem Bild« als »Mann und Frau« geschaffen hat (Gen 1, 27). Sie will auch den Ruf Gottes aufnehmen, seinen Plan zu kennen, zu bewundern und zu leben. Dieser Plan wurde »am Anfang« unauslöschlich in das Sein des Menschen - Mann und Frau - und somit auch in seine bedeutsamsten Strukturen und seine tiefste Dynamik eingeschrieben. Dieser weise Liebesplan muss mit dem vollen Reichtum seines Inhaltes erschlossen werden: Es ist der Reichtum des »Anfanges«, der sich nach und nach in der Heilsgeschichte geoffenbart und aktualisiert und in der »Fülle der Zeit« seinen Höhepunkt gefunden hat, als Gott seinen Sohn sandte, »geboren von einer Frau« (Gal 4, 4).

Diese »Fülle« setzt sich in der Geschichte fort. Im Glauben der Kirche muss die Deutung von Gottes Plan über die Frau immer neu auch durch das Leben vieler christlicher Frauen vorgenommen werden. Dabei darf der Beitrag, den die verschiedenen Humanwissenschaften und Kulturen einbringen können, nicht vergessen werden. Diese vermögen durch sorgfältige Unterscheidung dazu beizutragen, die Werte und Rechte, die zum unveränderlichen Wesen der Frau gehören, von denen, die durch die geschichtliche Entwicklung der Kulturen gegeben sind, zu unterscheiden. Das II. Vatikanische Konzil erinnert uns daran, dass, wie die Kirche glaubt, »allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13, 8)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10. </ref>

Das Apostolische Schreiben über Würde und Berufung der Frau behandelt die anthropologischen und theologischen Grundlagen ihrer Personwürde als Frau. Das Dokument nimmt die Thematik der »Theologie des Leibes«, die über längere Zeit in den Mittwochskatechesen behandelt wurde, wieder auf, führt diese Überlegungen weiter und wendet sie spezifisch an. Es möchte ein Versprechen der Enzyklika Redemptoris Mater<ref> Nachdem sie darauf hingewiesen hat, dass diese „marianische Dimension im christlichen Leben ... einen eigenen Akzent im Blick auf die Frau und ihre Lebenslage” erhält, führt die Enzyklika Redemptoris mater aus: „In der Tat enthält das Wesen der Frau ein besonderes Band zur Mutter des Erlösers, ein Thema, das an anderer Stelle noch wird vertieft werden können. Hier möchte ich nur hervorheben, dass die Gestalt Marias von Nazareth schon allein dadurch die Frau als solche ins Licht stellt, dass sich Gott im erhabenen Geschehen der Menschwerdung seines Sohnes dem freien und tätigen Dienst einer Frau anvertraut hat. Man kann daher sagen, dass die Frau durch den Blick auf Maria dort das Geheimnis entdeckt, wie sie ihr Frausein würdig leben und ihre wahre Entfaltung bewirken kann. Im Licht Marias erblickt die Kirche auf dem Antlitz der Frau den Glanz einer Schönheit, die die höchsten Gefühle widerspiegelt, deren das menschliche Herz fähig ist: die vorbehaltlose Hingabe der Liebe; eine Kraft, die größte Schmerzen zu ertragen vermag; grenzenlose Treue und unermüdlichen Einsatz; die Fähigkeit, tiefe Einsichten mit Worten des Trostes und der Ermutigung zu verbinden“ (Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris mater, Nr. 46: AAS 79 [1987], 424–425). </ref> erfüllen und zugleich auf die Bitte der Synodenväter eingehen.

Das Studium des Apostolischen Schreibens Mulieris Dignitatem kann schon allein wegen seines Charakters als biblisch-theologische Meditation alle - Männer und Frauen, vor allem aber die Humanwissenschaftler und Fachleute der theologischen Disziplinen - dazu motivieren, ihre kritische Forschung fortzusetzen. Ausgehend von der Personwürde des Mannes und der Frau und ihres gegenseitigen Verhältnisses, können sie spezifische Gaben und Werte des Frauseins und Mannseins nicht nur im gesellschaftlichen Bereich, sondern auch im Bereich der christlichen und sozialen Existenz besser zu erkennen versuchen.

Die Betrachtung über die anthropologischen und theologischen Grundgegebenheiten des Frauseins will die christliche Antwort auf die wiederholte und zuweilen akute Frage nach dem »Raum«, den die Frau in der Kirche und in der Gesellschaft einnehmen kann, beleuchten.

Aus dem Wort und Verhalten Christi, die für die Kirche Norm sind, geht eindeutig hervor, dass auf der Ebene des Verhältnisses zu Christus keine Diskriminierung vorhanden ist. In ihm ist »nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid "einer" in Christus Jesus« (Gal 3, 28). Dasselbe gilt auf der Ebene der Teilhabe am Leben und an der Heiligkeit der Kirche, wie die an Pfingsten erfüllte Prophezeiung des Joel es auf herrliche Weise bezeugt: »Danach aber wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein« (Joel 3, 1; vgl. Apg 2, 17 ff). Im Apostolischen Schreiben über Würde und Berufung der Frau ist zu lesen: »beide - die Frau wie der Mann - ... sind ... in gleichem Maße empfänglich für das Geschenk der göttlichen Wahrheit und der Liebe im Heiligen Geist. Beide empfangen seine heilbringenden und heiligmachenden "Heimsuchungen"«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 16. </ref>

Sendung in der Kirche und in der Welt

51 Was die Teilhabe an der apostolischen Sendung der Kirche anbelangt, besteht kein Zweifel darüber, dass die Frau - wie der Mann - aufgrund von Taufe und Firmung Anteil hat am dreifachen Amt Christi, des Priesters, Propheten und Königs und so zum fundamentalen Apostolat der Kirche, zur Evangelisierung befähigt und verpflichtet ist. Andererseits ist die Frau berufen, bei der Erfüllung dieses Apostolates ihre eigenen »Gaben« einzubringen: zunächst durch das Wort und das Zeugnis des Lebens die Gabe ihrer Personwürde und sodann die Gaben, die mit ihrer fraulichen Berufung gegeben sind. In ihrer Teilhabe am Leben und an der Sendung der Kirche kann die Frau das Sakrament des Ordo nicht empfangen, und somit die Funktionen, die dem Amtspriestertum vorbehalten sind, nicht erfüllen. Diese Bestimmung hat die Kirche immer aus dem eindeutigen, freien und souveränen Willen Jesu Christ, der nur Männer zu seinen Aposteln berufen hat, herausgelesen,<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Inter insigniores (15. Oktober 1976): AAS 69 (1977), 98–116. </ref> eine Bestimmung, die das Verhältnis Christi, des Bräutigams, zu seiner Kirche, seiner Braut, erhellen kann.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 26. </ref> Wir befinden uns hier auf der Ebene der Funktion und nicht auf der Ebene der Würde und der Heiligkeit.

Von der Kirche gilt: »Sie besitzt zwar eine "hierarchische" Struktur; doch diese ist ganz für die Heiligkeit der Glieder Christi bestimmt«.<ref> Ebd., Nr. 27; „die Kirche (ist) ein vielgestaltiger Leib ..., in dem ein jeder seine Aufgabe hat. Die Aufgaben sind aber verschieden und dürfen deshalb nicht vermischt werden. Sie begründen keine Überlegenheit der einen über die andern und bieten auch keinen Vorwand für Eifersucht. Das einzige höhere Charisma, das sehnlichst erstrebt wird, ist die Liebe (vgl. 1 Kor 12, 13). Die Größen im Himmelreich sind nicht die Amtsdiener, sondern die Heiligen“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Inter insigniores [15. Oktober 1976], 6: AAS 69 [1977], 98-116). </ref>

Wie schon Paul VI. sagte, »können wir das Verhalten unseres Herrn und die Berufung, die er den Frauen gegeben hat, nicht verändern. Aber wir müssen die Aufgabe der Frau in der Sendung der Evangelisierung und im Leben der christlichen Gemeinde erkennen und fördern«.<ref> Paul VI., Ansprache an die Kommission für das Internationale Jahr der Frau, 18. April 1975: AAS 67 (1975), 266. </ref>

Es ist notwendig, von der theoretischen Erkenntnis einer aktiven und verantwortlichen Präsenz der Frau in der Kirche zur praktischen Verwirklichung fortzuschreiten. Dieses Schreiben, das sich bewusst mit der wiederholten Präzisierung »Männer und Frauen« an die Laien wendet, muss in diesem Sinn gelesen werden. Das neue Kirchenrecht enthält verschiedene Bestimmungen über die Teilnahme der Frau am Leben und an der Sendung der Kirche. Sie müssen allgemeiner bekannt und unter Berücksichtigung der verschiedenen kulturellen Sensibilitäten sowie pastoralen Opportunitäten unmittelbarer und konsequenter angewandt werden. Man denke dabei zum Beispiel an die Teilnahme von Frauen an Diözesan- und Pfarrpastoralräten sowie an Diözesansynoden und Teilkonzilien. In diesem Sinn haben die Synodenväter geschrieben: »Die Frauen sollen ohne jegliche Diskriminierung auch bei Konsultationen und bei der Erarbeitung von Entscheidungen am Leben der Kirche teilnehmen«.<ref> Propositio 47. </ref> Und weiter: »Die Frauen, denen bei der Weitergabe des Glaubens und bei allen Arten von Diensten im Leben der Kirche eine bedeutende Aufgabe zukommt, müssen bei der Vorbereitung von Pastoraldokumenten und von missionarischen Initiativen herangezogen werden. Sie sollen in Familie, Beruf und in der bürgerlichen Gemeinschaft als Mitarbeiterinnen an der Sendung der Kirche anerkannt werden«.<ref> Ebd. </ref>

Auf den spezifischen Gebieten der Evangelisierung und der Katechese muss die besondere Aufgabe der Frau bei der Weitergabe des Glaubens nicht nur in der Familie, sondern auch an den verschiedenen Orten, an denen Erziehung geschieht, gefördert werden. Darüber hinaus muss in allem, was das Aufnehmen von Gottes Wort, sein Verständnis und seine Weitergabe betrifft - auch durch Studium, Forschung und Lehren der Theologie -, der spezifische Beitrag der Frau aufgewertet werden.

Wenn sie ihre Aufgabe in der Evangelisierung erfüllt, spürt die Frau ein größeres Bedürfnis, evangelisiert zu werden. Mit den erleuchteten »Augen des Herzens« (vgl. Eph 1, 18) kann sie das, was wahrhaft ihrer Personwürde und Berufung entspricht, erkennen. Sie vermag, es von all dem zu unterscheiden, was sie - vielleicht unter dem Vorwand dieser »Würde« und im Namen der »Freiheit« und des »Fortschrittes« - veranlasst, sich für die moralische Degradierung der Menschen und Gesellschaften verantwortlich zu machen, anstatt der Förderung der authentischen Werte zu dienen. Eine solche »Unterscheidung« stellt eine unaufschiebbare historische Notwendigkeit dar. Sie ist zugleich Chance und Forderung der Teilhabe der Frau am prophetischen Amt Christi und seiner Kirche. Die »Unterscheidung«, von der der Apostel Paulus oft spricht, besteht nicht nur in der Bewertung der Wirklichkeiten und der Geschehnisse im Licht des Glaubens; sie schließt auch Entscheidung und Verpflichtung zum konkreten Engagement in Kirche und Gesellschaft ein.

Man kann heute sagen, dass alle Probleme der modernen Welt, von denen schon im zweiten Teil der Konzilskonstitution Gaudium et Spes die Rede ist, und die die Zeit in der Tat weder gelöst noch verringert hat, die Präsenz und das Engagement der Frauen mit ihrem typischen und unersetzlichen Beitrag fordern.

Vor allem zwei große, der Frau anvertraute Aufgaben verdienen die besondere Aufmerksamkeit aller.

Zunächst die Aufgabe, dem Eheleben und der Mutterschaft die volle Würde zu verleihen. Heute werden der Frau neue Möglichkeiten geschenkt, zu einem tieferen Verständnis und einer volleren Realisierung der menschlichen und christlichen Werte, die das Eheleben und die Erfahrung der Mutterschaft schenken, zu gelangen. Auch der Mann - der Ehemann und der Vater - kann von einem weitgehenden Absentismus und einer sporadischen und unzureichenden Präsenz Abstand nehmen. Er kann sich gerade durch das gezielte, liebevolle und entscheidende Tun der Frau in neue und bedeutungsträchtige Beziehungen einer interpersonalen Gemeinschaft einlassen.

Ferner die Aufgabe, die moralische Dimension der Kultur zu sichern, die Dimension einer Kultur, die des Menschen, seines persönlichen und gesellschaftlichen Lebens würdig ist. Das II. Vatikanische Konzil scheint die moralische Dimension der Kultur mit der Teilhabe der Laien an der königlichen Sendung Christi zu verbinden: »Außerdem sollen die Laien, auch in Zusammenarbeit, die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, da wo Gewohnheiten zur Sünde aufreizen, so zu heilen suchen, dass dies alles nach der Norm der Gerechtigkeit umgestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als schädlich ist. Auf diese Weise erfüllen sie die Kultur und die menschlichen Leistungen mit sittlichem Wert«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 36. </ref>

In dem Maß, als die Frau aktiv und verantwortlich an den Aufgaben der Institutionen teilnimmt, von denen die Gewährleistung des Primates der menschlichen Werte im Leben der politischen Gemeinschaften abhängt, weisen die Aussagen des Konzils auf ein bedeutsames Apostolatsfeld der Frau. In allen Dimensionen des Lebens dieser Gemeinschaft, angefangen von der gesellschafts-wirtschaftlichen bis hin zur soziopolitischen, müssen Personwürde der Frau und ihre spezifische Berufung respektiert und gefördert werden: auf individueller und gemeinschaftlicher Ebene, nicht nur in Formen, die der verantwortlichen Freiheit der einzelnen überlassen werden, sondern auch in den gesicherten Formen gerechter bürgerlicher Gesetzgebung.

»Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht« (Gen 2, 18). Gott, der Schöpfer, hat den Menschen der Frau anvertraut. Gewiss ist der Mensch jedem Menschen anvertraut, aber auf besondere Weise der Frau. Denn sie scheint von der besonderen Erfahrung der Mutterschaft her eine spezifische Sensibilität für den Menschen und für alles, was sein wahres Wohl ausmacht, angefangen vom fundamentalen Wert des Lebens zu besitzen.

Die Chancen und die Verantwortung der Frau auf diesem Gebiet sind groß, gerade in einer Zeit, in der der Fortschritt von Wissenschaft und Technik nicht immer von der wahren Weisheit inspiriert und an ihr gemessen wird. Er schließt das Risiko der »Dehumanisierung« des menschlichen Lebens ein, vor allem dann, wenn es einer noch größeren Liebe und hochherzigeren Aufnahme bedürfen würde.

Die Teilnahme der Frau mit ihren Gaben am Leben der Kirche und Gesellschaft ist notwendiger Weg zu ihrer persönlichen Verwirklichung, auf die man heute mit Recht besteht. Sie ist zugleich ihr origineller Beitrag zur Bereicherung der communio der Kirche und der apostolischen Kraft des Volkes Gottes.

In diesem Sinn muss auch die Präsenz des Mannes an der Seite der Frau bedacht werden.

Mitwirkung und Präsenz von Männern und Frauen

52 Die Stimme derer, die fürchten, eine zu große Betonung auf Ort und Aufgabe der Frau könne zu der unannehmbaren Tatsache führen, die Männer in Vergessenheit geraten zu lassen, hat in der Synodenaula nicht gefehlt. In einigen bestimmten Situationen des Lebens der Kirche muss oft die zu schwache Präsenz der Männer bedauert werden. Einige von ihnen verzichten auf die eigene Verantwortung in der Kirche, so dass diese nur von Frauen wahrgenommen wird; so zum Beispiel bei der Teilnahme am liturgischen Gebet in der Kirche, bei Erziehung und insbesondere bei der Katechese der eigenen und anderer Kinder, bei der Teilnahme an religiösen und kulturellen Veranstaltungen, bei der Mitarbeit an caritativen und missionarischen Initiativen.

Pastoral ist deswegen, auf eine gemeinsame Präsenz von Männern und Frauen hinzuarbeiten, damit die Teilnahme der Laien an der Heilssendung der Kirche voller, harmonischer und reicher werde.

Der Hauptgrund, der die gemeinsame Präsenz und Mitarbeit von Männern und Frauen nahe legt, ist nicht nur, wie eben hervorgehoben, die größere Überzeugungskraft und Wirksamkeit des pastoralen Tuns der Kirche. Noch weniger ist es die soziologische Gegebenheit eines menschlichen Miteinanders, das naturgemäß Männer und Frauen einschließt. Der Hauptgrund liegt vielmehr im ursprünglichen Plan des Schöpfers, der von »Anfang« an den Menschen als »Einheit der zwei« gewollt hat: Mann und Frau als erste Persongemeinschaft, die Wurzel aller anderen Gemeinschaften und zugleich »Zeichen« jener interpersonalen Liebesgemeinschaft, die das geheimnisvolle intime Leben des einen und Dreifaltigen Gottes ist.

Der gängige und fundamentale Weg, um die koordinierte und harmonische Präsenz von Männern und Frauen im Leben und in der Sendung der Kirche zu sichern, ist darum die Erfüllung der Aufgaben und Verantwortungen der christlichen Ehe und Familie. In ihr werden die Verschiedenheit und Vielfalt der Formen des Lebens und der Liebe sichtbar und mitteilbar: Eheliebe, Vaterliebe, Mutterliebe, Kindesliebe und geschwisterliche Liebe. Im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio lesen wir: »Wenn die christliche Familie eine Gemeinschaft ist, deren innere Bindungen von Christus durch den Glauben und die Sakramente auf eine neue Ebene erhoben sind, muss ihre Teilnahme an der Sendung der Kirche eine gemeinschaftliche Note tragen. Gemeinsam also, die Gatten als Ehepaar und die Eltern mit den Kindern als Familie, müssen sie ihren Dienst für Kirche und Welt vollziehen ...

Die christliche Familie erbaut das Reich Gottes in der Geschichte ferner durch dieselben täglichen Wirklichkeiten, die ihre besondere Lebenssituation betreffen und prägen. So ist es gerade die Liebe in Ehe und Familie mit ihrem außerordentlichen Reichtum an Werten und Aufgaben, im Zeichen der Ganzheit und Einmaligkeit, der Treue und der Fruchtbarkeit, durch die sich die Teilnahme der christlichen Familie an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Jesu Christi und seiner Kirche ausdrückt und verwirklicht«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 50: AAS 74 (1982), 141-142. </ref>

In dieser Perspektive haben die Synodenväter die Notwendigkeit betont, dass die volle Bedeutung des Ehesakramentes in Kirche und Gesellschaft anerkannt werden muss, um alle Beziehungen zwischen Mann und Frau zu erhellen und zu inspirieren. Sie meinten in diesem Sinn, es sei dringend notwendig, »dass jeder Christ die Botschaft der Hoffnung, die in der Beziehung zwischen Mann und Frau eingeschlossen ist, lebt und kündet. Das Ehesakrament, das diese Beziehung in der ehelichen Form weiht und als Zeichen der Beziehung zwischen Christus und seiner Kirche offenbart, enthält eine für das Leben der Kirche bedeutende Lehre; durch die Kirche muss diese Lehre die Welt von heute erreichen; alle Beziehungen zwischen Mann und Frau müssen sich aus diesem Geist inspirieren. Die Kirche muss diesen Reichtum noch tiefer ausloten«.<ref> Propositio 46. </ref> Die Väter haben mit Recht bemerkt, dass die »Wertschätzung der Jungfräulichkeit und die Ehrfurcht vor der Mutterschaft neu entdeckt werden müssen«;<ref> Propositio 47. </ref> und das nicht zuletzt im Hinblick auf die Erweckung von verschiedenen und komplementären Berufungen in der lebendigen Gemeinschaft der Kirche und im Dienst ihres ständigen Wachstums.

Kranke und Leidende

53 Der Mensch ist zur Freude berufen, erfährt aber täglich auf vielfältige Weise Leid und Schmerz. An alle, Männer und Frauen, die auf irgendeine Weise von Leid und Schmerz getroffen sind, haben die Synodenväter sich in ihrer Schlussbotschaft gerichtet: »Ihr, die ihr von unserer konsumistischen Gesellschaften verlassen und an den Rand gedrückt seid: Ihr Kranke, Auswanderer, Behinderte, Arme, Hungernde, Randgruppen, Flüchtlinge, Gefangene, Arbeitslose, alte Menschen, verlassene Kinder und Vereinsamte, ihr, Kriegsopfer und Opfer aller Formen von Gewalt, die unsere permissive Gesellschaft hervorgebracht hat. Die Kirche nimmt Anteil an eurem Leid, das euch zum Herrn führt, das euch mit seinem heilbringenden Leiden vereinigt und euch im Licht seiner Erlösung leben lässt. Wir verlassen uns auf euch, um der Welt zu zeigen, was die Liebe ist. Wir werden unser Möglichstes tun, damit ihr den Platz einnehmen könnt, der euch in der Kirche und in der Gesellschaft zusteht«.<ref>VII. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode (1987), Per Concilii semitas ad Populum Dei Nuntius, 12. </ref>

Im Rahmen dieser schier grenzenlosen Welt des menschlichen Leidens wenden wir uns besonders all denen zu, die von verschiedenen Krankheiten getroffen sind. Krankheit ist die häufigste und weit verbreiteste Form menschlichen Leidens.

Der Ruf des Herrn trifft alle und jeden einzelnen. Auch die Kranken sind als Arbeiter in seinen Weinberg gesandt. Die Last, die den Körper schwächt und die innere Ruhe nimmt, hindert sie nicht daran, im Weinberg zu arbeiten. Sie fordert sie auf, ihre menschliche und christliche Berufung zu leben und auf neue, noch wertvollere Weise am Wachstum des Reiches teilzunehmen. Sie müssen sich die Worte des Apostels Paulus zum Programm machen, Worte, die Licht schenken, um die gnadenhafte Bedeutung ihrer Situation zu erkennen: »Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1, 24). Diese Entdeckung erfüllt den Apostel mit Freude: »Jetzt freue ich mich der Leiden, die ich für euch ertrage« (Kol 1, 24). In ähnlicher Weise können viele Kranke »trotz großer Bedrängnis« zu Trägern der Freude, »die der Heilige Geist gibt« (1 Thess 1, 6), und zu Zeugen der Auferstehung Christi werden. Das hat ein Behinderter in der Synodenaula zum Ausdruck gebracht: »Es muss hervorgehoben werden, dass die Christen, deren Leben Krankheit, Schmerz oder hohes Alter zeichnet, von Gott nicht nur dazu aufgefordert werden, ihren Schmerz mit dem Leiden Christi zu vereinen, sondern auch dazu berufen sind, jetzt schon die erneuernde Kraft und die Freude des auferstandenen Christus aufzunehmen und anderen weiterzugeben (vgl. 2 Kor 4, 10-11; 1 Petr 4, 13; Röm 8, 18 ff.)«.<ref> Propositio 53. </ref>

Die Kirche ihrerseits, die - wie in dem Apostolischen Schreiben Salvifici Doloris zu lesen ist - »aus dem Geheimnis der Erlösung im Kreuz Christi geboren wird, muss die Begegnung mit dem Menschen vor allem auf dem Weg seines Leidens suchen. Bei dieser Begegnung wird der Mensch »der Weg der Kirche«; und dieser Weg gehört zu ihren bedeutendsten Wegen«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, Nr. 3: AAS 76 (1984), 203. </ref> Der leidende Mensch ist der Weg der Kirche, weil er vor allem der Weg Christi selbst, des guten Samariters ist, der nicht »weitergeht«, sondern aus Mitleid »zu ihm hinging ... seine Wunden ... verband« und für ihn sorgte (Lk 10, 32-34).

Die christliche Gemeinschaft hat von Jahrhundert zu Jahrhundert in den großen Scharen der Kranken und Leidenden das Gleichnis des guten Samariters aus dem Evangelium neu geschrieben. Sie hat die heilende und tröstende Liebe Jesu geoffenbart und weitergegeben durch das Zeugnis des gottgeweihten Lebens, das sich dem Dienst der Kranken widmet, und durch den unermüdlichen Einsatz aller, die im Gesundheitswesen arbeiten. Heute stellen auch in den katholischen Krankenhäusern und Kliniken die Laien, Männer und Frauen, die immer stärkere und zuweilen einzige Präsenz dar. Gerade sie, die Ärzte, Krankenpfleger, Pflegehelfer, freiwillige Helfer sind dazu berufen, in der Liebe zu den Kranken und Leidenden ein lebendiges Abbild Christi und seiner Kirche zu sein.

Erneuertes pastorales Wirken

54 Dieses kostbare Erbe, das die Kirche von Christus, dem »Arzt des Leibes und des Geistes«<ref> Ignatius von Antiochien, Ad Ephesios, VII, 2: S. Ch. 10, 64. </ref> empfangen hat, darf nie verloren gehen. Es ist durch eine Erneuerung und einen entschiedenen Neuanfang in der Pastoral für die Kranken und Leidenden ständig aufzuwerten und zu bereichern.

Dieser Einsatz muss den Menschen, die wegen Krankheit und Leid schwere Prüfungen ihres Lebensmutes und selbst ihres Glaubens an Gott und seine Vaterliebe durchzustehen haben, Aufmerksamkeit, Nähe, Präsenz, Aufgeschlossenheit, Dialog, Teilnahme und konkrete Hilfe bringen. Dieser pastorale Neubeginn findet seinen bedeutungsträchtigsten Ausdruck in der Feier der Sakramente mit den Kranken und für die Kranken. Sie schenkt den an Schmerz und Schwäche Leidenden Kraft, bringt in der Verzweiflung Hoffnung und ist Ort der Begegnung und der Freude.

Eine der wichtigsten Ziele dieses erneuten und intensiven pastoralen Einsatzes, das die koordinierte Mitwirkung aller Glieder der Gemeinde erfordert, liegt darin, im Kranken, Behinderten und Leidenden nicht nur den Adressaten der Liebe und des Dienstes der Kirche zu sehen, sondern aktives und verantwortliches Subjekt des Werkes der Evangelisierung und des Heils. In diesem Sinn hat die Kirche den Gesellschaften und Kulturen eine frohe Botschaft zu verkünden: Diese haben den Sinn des menschlichen Leidens vergessen und unterbinden jeden Hinweis auf diese harte Lebensrealität. Die frohe Botschaft besteht in der Verkündigung, dass das Leid für den Menschen und die Gesellschaft auch einen positiven Sinn hat. Weil es bestimmt ist, Teilhabe am heilbringenden Leiden Christi und an seiner Auferstehungsfreude zu werden, wird es für die Kirche zur heiligenden Kraft, die ihrem Aufbau dient.

Die Verkündigung dieser frohen Botschaft ist dann glaubwürdig, wenn sie nicht allein durch das gesprochene Wort, sondern durch das Zeugnis des Lebens geschieht, das heißt all jener, die Kranke, Behinderte und Leidende mit Liebe pflegen. Sie wird auch durch das Zeugnis Letzterer glaubwürdig, wenn sie ihren Ort und ihre Aufgabe in der Kirche und für die Kirche entdecken. Zum Werden der »Zivilisation der Liebe« in der immensen Welt des menschlichen Leidens kann eine erneute Betrachtung des Apostolischen Schreibens Salvifici Doloris entscheidend beitragen. Wir möchten hier an seinen Schlussabschnitt erinnern: »Darum sollen unter dem Kreuz auf Kalvaria in geistiger Weise alle Leidenden zusammenkommen, die an Christus glauben, vor allem jene, die gerade wegen ihres Glaubens an den Gekreuzigten und Auferstandenen zu leiden haben: Das Opfer ihrer Leiden soll uns der Erfüllung der Gebete des Heilandes für die Einheit aller näher bringen (vgl. Joh 17, 11. 12-22). Dorthin sollen alle Menschen guten Willens kommen; denn am Kreuz hängt der "Erlöser des Menschen", der Mann der Schmerzen, der die leiblichen und moralischen Leiden der Menschen aller Zeiten auf sich genommen hat, damit sie in der Liebe den heilbringenden Sinn ihres Schmerzes und gültige Antworten auf alle ihre Fragen finden können.

Zusammen mit Maria, der Mutter Christi, die unter dem Kreuz stand (vgl. Joh 19, 25), halten wir an allen Kreuzen des heutigen Menschen inne.

Und wir bitten euch alle, die ihr leidet, uns zu unterstützen. Gerade euch, die ihr schwach seid, bitten wir, zu einer Kraftquelle für die Kirche und für die Menschheit zu werden. Möge in dem schrecklichen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, der sich vor uns in der heutigen Welt abspielt, euer Leiden in Einheit mit dem Kreuze Christi siegen«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, Nr. 31: AAS 76 (1984), 249-250. </ref>

Lebensstände und Berufungen

55 Alle Glieder des Volkes Gottes, Priester, Ordensleute und Laien, sind Arbeiter im Weinberg: Alle sind zugleich Adressaten und Subjekte der communio der Kirche und der Teilhabe an ihrer Heilssendung. Alle und jeder einzelne arbeiten mit verschiedenen komplementären Charismen und Diensten in dem einen und gemeinsamen Weinberg.

Mehr noch als auf der Ebene des Wirkens sind die Christen schon auf der Ebene des Seins Reben des einzigen fruchtbaren Weinstocks, der Christus ist. Sie sind lebendige Glieder des einen Leibes des Herrn, der sich in der Kraft des Geistes aufbaut. Diese Seinsebene umfasst nicht nur das Leben der Gnade und der Heiligkeit, das erste und reichste Quelle der apostolischen und missionarischen Fruchtbarkeit der heiligen Mutter Kirche ist. Sie umfasst auch den Lebensstand der Priester und der Diakone, den der Ordensleute, der Mitglieder von Säkularinstituten und der Laien.

In der Kirche als communio sind die Lebensstände derart aufeinander bezogen, dass sie aufeinander ausgerichtet sind.

Der tiefste Sinn der verschiedenen Lebensstände ist nur einer und allen gemeinsam: Ihnen allen ist aufgegeben, eine Modalität darzustellen, nach der die gleiche christliche Würde und die Berufung zur Heiligkeit in der Vollkommenheit der Liebe gelebt werden. Diese Modalitäten sind zugleich verschieden und komplementär. So hat jede von ihnen eigene und unverwechselbare Züge und steht doch in Beziehung zu den anderen und in ihrem Dienst.

Der Laienstand hat im Weltcharakter seine Spezifizität. Er dient der Kirche dadurch, dass er den Stellenwert der irdischen Wirklichkeiten im Heilsplan Gottes Priestern und Ordensleuten bezeugt und präsent macht. Das Amtspriestertum repräsentiert die bleibende Garantie der sakramentalen Präsenz Christi, des Erlösers, zu allen Zeiten und an allen Orten. Der Ordensstand gibt Zeugnis vom eschatologischen Charakter der Kirche, das heißt von ihrem Ausgerichtetsein auf das Reich Gottes, das durch die Gelübde der Jungfräulichkeit, der Armut und des Gehorsams in gewisser Weise vorweggenommen und gekostet wird.

Alle Lebensstände, zusammen oder einzeln genommen und in ihrer Beziehung zueinander betrachtet, stehen im Dienst des Wachstums der Kirche und stellen verschiedene Modalitäten dar, die ihre Einheit zutiefst »im Geheimnis der communio« der Kirche finden. Sie müssen bei der Erfüllung der einen Sendung harmonisch und dynamisch zusammenwirken.

In der Verschiedenheit der Lebensstände und in der Vielfalt der Berufungen enthüllt und erlebt das einzige und bleibende Geheimnis der Kirche aufs Neue den unendlichen Reichtum des Geheimnisses Jesu Christi. Wie die Väter es gerne wiederholen, ist die Kirche wie ein Feld, auf dem eine faszinierende und wunderbare Vielfalt von Kräutern, Pflanzen, Blumen und Früchten wächst. Der heilige Ambrosius schreibt: »Ein Feld kann viele Früchte geben, aber ein an Früchten und Blumen reiches Feld ist besser. Das Feld der heiligen Kirche ist reich an den einen wie an den anderen. Hier kannst du die Edelsteine der Jungfräulichkeit Blumen tragen sehen, dort die Herrschaft der Witwen, streng wie die Wälder auf den Ebenen; wieder weiter die reiche Ernte der Ehen, die die Kirche gesegnet hat, die die Kammern der Welt mit reicher Ernte füllt und die Kelter des Herrn Jesus überfließen lässt, wie gefüllt mit Früchten des lebenskräftigen Weinstocks, mit den Früchten, mit denen die christlichen Ehen reich gesegnet sind«.<ref> Ambrosius, De virginitate, VI, 34: PL 16, 288; vgl. Augustinus, Sermo CCCIV, III, 2: PL 38, 1396. </ref>

Die verschiedenen Berufungen der Laien

56 Die reiche Vielfalt der Kirche kommt innerhalb eines jeden Lebensstandes nochmals zum Ausdruck. Der Laienstand kennt verschiedene »Berufungen«, das heißt verschiedene geistliche und apostolische Wege, die sich den einzelnen Laien anbieten. Aus dem Strom der gemeinsamen »Berufung« der Laien erwachsen »besondere« Berufungen von Laien. Wir können auf diesem Gebiet die geistliche Erfahrung in Erinnerung rufen, die jüngst in der Kirche mit dem Entstehen verschiedener Formen von Säkularinstituten herangereift ist. Laien und Priestern ist die Möglichkeit gegeben, die evangelischen Räte der Armut, der Jungfräulichkeit und des Gehorsams durch Gelübde oder Versprechen zu befolgen, ohne ihren Priester oder Laienstand zu verlassen.<ref> Vgl. Pius XII., Apostolische Konstitution Provida mater (2. Februar 1947): AAS 39 (1947), 114-124; CIC, can. 573. </ref> Wie die Synodenväter hervorgehoben haben, »weckt der Geist andere Formen der Selbsthingabe, die Menschen vollziehen können, ohne den Laienstand zu verlassen«.<ref> Propositio 6. </ref>

Wir können zum Abschluss dieser Überlegung eine wunderbare Passage des heiligen Franz von Sales, der die Spiritualität der Laien so sehr gefördert hat,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Sabaudiae gemma, (29. Januar 1967): AAS 59 (1967), 113-123. </ref> anfügen. Im Rahmen seiner Aussagen über die »Frömmigkeit«, das heißt der christlichen Vollkommenheit oder des »Lebens nach dem Geist«, stellt er auf einfache und wunderbare Weise die Heiligkeit und die Art und Weise, auf die die einzelnen Christen sie verwirklichen, dar: »Gott hat bei der Schöpfung die Pflanzen geheißen, jede nach ihrer Art Früchte zu bringen (vgl. Gen 1, 11). Dieselbe Aufforderung richtet er an die Christen, die lebendige Pflanzen seiner Kirche sind, damit sie Früchte der Frömmigkeit bringen, ein jeder gemäß seinem Stand und seiner Situation. Der Edelmann muss die Frömmigkeit anders üben als der Arbeiter, der Diener, der Prinz, die Witwe, die unverheiratete Frau und die verheiratete Frau. Das aber ist nicht genug. Die Übung der Frömmigkeit muss auch an die Kräfte, an die Verpflichtungen und Pflichten eines jeden angepasst sein ... Es ist ein Fehler, ja eine Häresie, die Frömmigkeit aus dem Milieu des Militärs, der Werkstatt, der Königshöfe, der Familien ausschließen zu wollen. Es ist wahr, Philotea, die rein kontemplative, monastische und religiöse Berufung kann nur in diesen jeweiligen Ständen verwirklicht werden. Aber über diese drei Formen der Frömmigkeit hinaus bestehen viele andere, die denjenigen, die als Laien leben, zur Vollkommenheit verhelfen können. Darum müssen und können wir, wo auch immer wir uns befinden, nach der Vollkommenheit des Lebens streben«.<ref> Franz von Sales, Introduction à la vie dévote, I, III: Œuvres complètes, Monastère de la Visitation, Annecy 1893, III, 19-21. </ref>

Im gleichen Sinn schreibt das II. Vatikanische Konzil: »Dieses geistliche Leben der Laien muss vom Stand der Ehe und der Familie, der Ehelosigkeit oder Witwenschaft, aus der Situation einer Krankheit, vom beruflichen oder gesellschaftlichen Wirken her ein besonderes Gepräge annehmen. Die Laien mögen darum nicht aufhören, jene ihnen verliehenen Eigenschaften und Gaben mit Bedacht auszubilden, die diesen Lebenslagen entsprechen, und auch die ihnen je eigenen Gnadengaben zu gebrauchen, die sie vom Heiligen Geist empfangen haben«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref>

Was von den geistlichen Berufungen gilt, gilt auch und in einem gewissen Sinn auf noch zu treffendere Weise von den endlosen und verschiedenen Modalitäten, nach denen alle und die einzelnen Glieder der Kirche als Arbeiter im Weinberg des Herrn arbeiten und den mystischen Leib Christi auferbauen. Jeder ist in der Tat bei seinem Namen berufen, in der Einmaligkeit und der Unwiederholbarkeit seiner persönlichen Geschichte seinen eigenen Beitrag für das Kommen des Reiches Gottes zu bringen. Kein Talent, auch nicht das geringste, kann verborgen und ungebraucht bleiben (vgl. Mt 25, 24-27).

Der Apostel Petrus mahnt uns: »Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat« (1 Petr 4, 10).

FÜNFTES KAPITEL: DAMIT IHR MEHR FRUCHT BRINGT.

Erziehung und Ausbildung der Laien

Ständiges Reifen

57 Das biblische Bild des Weinstocks und der Reben enthüllt uns einen anderen wesentlichen Aspekt des Lebens und der Sendung der Laien: die Berufung, zu wachsen und ständig zu reifen, immer mehr Frucht zu bringen.

Als wachsamer Winzer sorgt der Vater für seinen Weinberg. Die sorgende Gegenwart Gottes wird von Israel innig erfleht, wenn es betet: »Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! Blicke vom Himmel herab, und sieh auf uns! Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat« (Ps 80, 15-16). Jesus selbst spricht vom Werk des Vaters: »Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt« (Joh 15, 1-2).

Die Lebendigkeit der Reben ist gegeben mit ihrer Verwurzelung im Weinstock, der Jesus Christus ist: »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15, 5).

Der Mensch wird in seiner Freiheit vom Ruf Gottes getroffen, zu wachsen, zu reifen, Frucht zu bringen. Er kommt nicht umhin, zu antworten und seine persönliche Verantwortung zu übernehmen. Es ist eine schwere und faszinierende Verantwortung, auf die sich die ernsten Worte Jesu beziehen: »Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen« (Joh 15, 6).

Aus diesem Dialog zwischen Gott, der ruft, und dem Menschen, der angerufen wird, ergibt sich die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit einer umfassenden, ständigen Erziehung und Ausbildung der Laien. Sie stellte berechtigterweise einen wesentlichen Teil der Arbeit der Synodenväter dar.

Nachdem sie die christliche Erziehung und Ausbildung als »einen ständigen persönlichen Prozess der Ausreifung im Glauben und der Gleichförmigkeit mit Christus nach dem Willen des Vaters und unter Führung des Heiligen Geistes« beschrieben hatten, erklärten die Synodenväter ausdrücklich, dass »die Erziehung und Ausbildung der Laien unter den Prioritäten der Diözese und in die Pastoralprogramme aufgenommen werden muss, so dass alle Bemühungen der Gemeinde (der Priester, Laien und Ordensleute) auf dieses Ziel hin konvergieren«.<ref> Propositio 40. </ref>

Die eigene Berufung und Sendung entdecken und leben

58 Grundziel der Erziehung und Ausbildung der Laien ist die immer eindeutigere Entdeckung der eigenen Berufung, sowie die wachsende Bereitschaft, diese in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben.

Gott ruft mich und sendet mich als Arbeiter in seinen Weinberg. Er ruft mich und sendet mich, für die Ankunft seines Reiches in der Geschichte zu arbeiten. Diese persönliche Berufung und Sendung machen die Würde und Verantwortung eines jeden Laien aus und sind Kristallisationspunkt der gesamten Erziehung und Ausbildung. Diese wiederum sind auf die frohmachende Erkenntnis der Würde und auf die treue hochherzige Antwort auf diese Verantwortung hingeordnet.

Gott hat von Ewigkeit her an uns gedacht und uns als unwiederholbare, einmalige Menschen geliebt. Er hat einen jeden von uns bei seinem Namen gerufen, wie der gute Hirt, der »die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen« ruft (Joh 10, 3 ) . Aber der ewige Plan Gottes enthüllt sich einem jeden von uns erst im geschichtlichen Ablauf unseres Lebens und seiner Ereignisse nur schrittweise, in einem gewissen Sinn Tag für Tag.

Die Erkenntnis des konkreten Willens des Herrn über unser Leben erfordert aufmerksames, gehorsames und bereites Hören auf das Wort Gottes und der Kirche, kindliches und ständiges Beten, Rückhalt in einer weisen und liebevollen geistlichen Führung, gläubige Deutung der empfangenen Gaben und Talente und zugleich der verschiedenen sozialen und historischen Situationen, in denen man steht.

Im Leben eines jeden Laien gibt es besonders bedeutende und entscheidende Momente, den Ruf Gottes zu erkennen, und die Sendung, die er anvertraut, aufzunehmen. Dazu zählen die frühe Jugend und die Jugend. Man darf aber nicht vergessen, dass der Herr, wie der Gutsbesitzer, die Arbeiter zu allen Stunden des Lebens ruft, das heißt, dass er seinen heiligen Willen auf konkrete Weise punktuell kundtut. Darum muss die Wachsamkeit als entgegenkommende Aufmerksamkeit für die Stimme Gottes immer die Grundhaltung des Jüngers prägen.

Es geht aber nicht darum, lediglich zu wissen, was Gott von uns, von jedem einzelnen in den verschiedenen Situationen des Lebens will. Es geht darum, das, was Gott will, zu tun. Daran erinnert uns das Wort Marias, der Mutter Jesu, an die Diener von Kana: »Was er euch sagt, das tut« (Joh 2, 5). Wir müssen fähig und immer fähiger werden, nach dem Willen Gottes zu handeln. Dazu ist gewiss die Hilfe der Gnade Gottes notwendig, die nie fehlt, wie Leo der Große behauptet: »Der, der die Würde verliehen hat, wird die Kraft verleihen«.<ref> „Dabit virtutem, qui contulit dignitatem!” (Leo der Große, Serm. II, 1: S. Ch. 220, 248). </ref> Notwendig ist aber auch die freie und verantwortliche Mitarbeit eines jeden von uns.

Diese wunderbare und zugleich anspruchsvolle Aufgabe erwartet ausnahmslos alle Laien, alle Christen. Sie sollen die Reichtümer des Glaubens und der Taufe immer mehr erkennen und in der wachsenden Fülle leben. Der Apostel Petrus legt es uns nahe, wenn er von der Geburt und dem Wachstum als zwei Etappen des christlichen Lebens spricht: »Verlangt, gleichsam als neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt« (1 Petr 2, 2).

Umfassende Erziehung und Ausbildung auf die Einheit des Lebens hin

59 Bei der Entdeckung und Verwirklichung der eigenen Berufung und Sendung müssen die Laien zu jener Einheit hingeführt werden, die ihrem Sein als Glieder der Kirche und als Bürger der menschlichen Gesellschaft entspricht.

Sie können keine Parallelexistenz führen: auf der einen Seite ein sogenanntes »spirituelles« Leben mit seinen Werten und Forderungen und auf der anderen Seite das sogenannte »welthafte« Leben, das heißt das Familienleben, das Leben in der Arbeit, in den sozialen Beziehungen, im politischen Engagement und in der Kultur.

Die Rebe, die im Weinstock Christi verwurzelt ist, trägt in allen Bereichen ihres Wirkens und Lebens Früchte. Alle verschiedenen Lebensbereiche der Laien sind im Plan Gottes inbegriffen. Er will, dass sie der »geschichtliche Ort« der Offenbarung und Verwirklichung der Liebe Jesu Christi zur Ehre des Vaters und im Dienst der Brüder und Schwestern werden. Jedes Tun, jede Situation, jede konkrete Verpflichtung - wie zum Beispiel die Kompetenz und die Solidarität in der Arbeit, die Liebe und Hingabe in der Familie und in der Erziehung der Kinder, der soziale und politische Dienst, das Künden der Wahrheit auf dem Gebiet der Kultur - sind privilegierte Gelegenheiten für einen »ständigen Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref>

Das II. Vatikanische Konzil hat alle Gläubigen zu dieser Einheit des Lebens aufgefordert und entschieden die Schwere der Zäsur zwischen Glauben und Leben, zwischen Evangelium und Kultur verurteilt: »Das Konzil fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben und dies im Geist des Evangeliums. Die Wahrheit verfehlen die, die im Bewusstsein, hier keine bleibende Stätte zu haben, sondern die künftige zu suchen, darum meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen und so verkennen, dass sie, nach Maßgabe der jedem zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben selbst um so mehr zu deren Erfüllung verpflichtet sind ... Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43; vgl. auch II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 21; vgl. auch Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20: AAS 68 (1976), 19. </ref> Aus diesem Grund habe ich behauptet, dass ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ein Glaube ist, der »nicht voll angenommen, nicht ganz durchdacht und nicht treu gelebt ist«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am Nationalen Kongress der Bewegung für ein kulturelles Engagement (M.E.I.C.) (16. Januar 1982), 2: Insegnamenti, V, 1 (1982), 131; vgl. auch Schreiben an Kardinal-Staatssekretär Agostino Casaroli zur Gründung vom Päpstlichen Rat für die Kultur (20. Mai 1982): AAS 74 (1982), 685; Ansprache an der Universität Löwen (20. Mai 1985), 2: Insegnamenti, VIII, 1 (1985), 1591. </ref>

Aspekte der Erziehung und Ausbildung

60 Die vielen und aufeinander bezogenen Aspekte einer umfassenden Erziehung und Ausbildung der Laien sind in diese Synthese des Lebens einzuordnen.

Zweifelsohne muss der spirituellen Erziehung im Leben eines jeden ein privilegierter Stellen wert zukommen. Denn jeder ist berufen, ständig zu wachsen in der Intimität mit Jesus Christus, im Einvernehmen mit dem Willen des Vaters, in der Hingabe an die Brüder in der Liebe und der Gerechtigkeit. Das Konzil schreibt: »Dieses Leben innigster Vereinigung mit Christus in der Kirche nähren die gleichen geistlichen Hilfen, die allen Gläubigen zu Gebote stehen, vor allem die tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie. Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, dass sie bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, dass sie ihre Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref>

Eine theologische Schulung der Laien erweist sich heute nicht nur aufgrund der Dynamik ihrer Glaubensvertiefung, sondern auch aufgrund der Forderung, vor der Welt und ihren schweren und komplexen Problemen die »Hoffnung, die in ihnen ist, zu bezeugen«, als immer notwendiger. Eine systematische, dem Alter und den verschiedenen Lebenssituationen angepasste Katechese ist absolut erforderlich. Ebenso dringend ist ein ausgesprochen christlicher Einfluß auf die Kultur als Antwort auf die ewigen Fragen, die auch heute Menschen und Gesellschaften beunruhigen.

Vor allem für die Laien, die auf vielfältige Weise in der Politik und im sozialen Bereich engagiert sind, ist eine tiefere Kenntnis der Soziallehre der Kirche unerlässlich. Die Synodenväter haben wiederholt in ihren Interventionen diese Bitte ausgesprochen. Zur Mitwirkung der Laien an der Politik äußerten sie: »Damit die Laien dieses edle Ziel (die Anerkennung und Wertschätzung der menschlichen und christlichen Werte) verwirklichen können, sind Ermahnungen nicht genug. Ihnen muss zur Bildung eines sozialen Gewissens vor allem auf dem Gebiet der Soziallehre der Kirche verholfen werden. Diese enthält die Prinzipien für theoretische Überlegungen, die Kriterien zur Urteilsfällung und die praktischen Richtlinien (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über Christliche Freiheit und Befreiung)«. Sie ist in der allgemeinen katechetischen Ausbildung, in den spezialisierten Schulungen, in Schulen und Universitäten zu lehren.

Die Soziallehre der Kirche ist dynamisch, das heißt, sie ist den jeweiligen Zeiten und Orten angepasst. Es ist Recht und Pflicht der Hirten, auch die moralischen Prinzipien der Gesellschaftsordnung zu künden. Pflicht aller Christen ist es, sich in der Verteidigung der Menschenrechte zu engagieren; die aktive Mitwirkung an politischen Parteien ist jedoch den Laien vorbehalten«.<ref> Propositio 22; vgl. auch Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 41: AAS 80 (1988), 570-572. </ref>

Im Rahmen der umfassenden, einheitlichen Erziehung und Ausbildung der Laien nimmt schließlich ihr persönliches Wachstum an menschlichen Werten eine besondere Bedeutung für ihr missionarisches und apostolisches Tun an. In diesem Sinn hat das Konzil geschrieben: »Hochschätzen mögen sie (die Laien) auch berufliche Sachkenntnis, familiären und mitbürgerlichen Sinn und alle jene Tugendhaltungen, die sich auf den mitmenschlichen Umgang beziehen, wie Rechtschaffenheit, Sinn für Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Menschlichkeit, Starkmut, ohne die auch ein wahrhaft christliches Leben nicht bestehen kann«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 4. </ref>

Der Heilige Geist, der Geist der Einheit und der Fülle des Lebens, wird den Laien bei der Ausreifung einer organischen Lebenssynthese, die die Einheit ihres Seins zum Ausdruck bringt und Bedingung für die Erfüllung ihrer Sendung ist, beistehen.

Mitarbeiter Gottes, des eigentlichen Erziehers

61 Welche sind die Orte und Mittel der Erziehung und Ausbildung der Laien? Welche sind die Menschen und Gemeinschaften, die dazu berufen sind, die Aufgabe der umfassenden, einheitlichen Erziehung und Ausbildung der der Laien zu übernehmen?

So wie das Werk der menschlichen Erziehung zutiefst mit der Vater- und der Mutterschaft verbunden ist, so hat die christliche Erziehung und Ausbildung in Gott, dem Vater, der seine Kinder liebt und erzieht, ihre Kraft und Wurzel. Gott ist der erste und große Erzieher seines Volkes, wie diese Passage vom Moses-Lied es wunderbar zum Ausdruck bringt: »Er fand ihn in der Steppe, in der Wüste, wo wildes Getier heult. Er hüllte ihn ein, gab auf ihn acht und hütete ihn wie seinen Augenstern, wie der Adler, der sein Nest beschützt und über seinen Jungen schwebt, der seine Schwingen ausbreitet, ein Junges ergreift und es flügelschlagend davonträgt. Der Herr allein hat Jakob geleitet, kein fremder Gott stand ihm zur Seite« (Dtn 32, 10-12; vgl. 8, 5).

Gottes erzieherisches Tun findet in Jesus, dem großen Meister, seine Offenbarung und Erfüllung. Durch die dynamische Präsenz des Geistes dringt es bis in das Innerste eines jeden Menschenherzens. Die Mutter Kirche ist als solche sowie in ihren verschiedenen Äußerungen und Erscheinungsformen dazu berufen, an dieser göttlichen Erziehung mitzuwirken. So werden die Laien von der Kirche und in ihr in einer gegenseitigen Gemeinschaft und Mitarbeit aller ihrer Glieder erzogen: Priester, Ordensleute und Laien. Die gesamte kirchliche Gemeinschaft empfängt in ihren verschiedenen Gliedern die Fruchtbarkeit des Geistes und trägt aktiv zu ihr bei. In diesem Sinn schrieb Methodius von Olymp: »Die Unvollkommenen ... werden wie im Schoß der Mutter getragen und geformt von den Vollkommeneren, damit sie für die Größe und Schönheit der Tugend gezeugt und geboren werden«.<ref> Methodius von Olymp, Symposium III, 8: S. Ch. 95, 110. </ref> So geschah es mit Paulus, der von den Präfekten (in der Person des Ananias) in die Kirche gebracht und hineingeführt wurde, um selber vollkommen und in so vielen Kindern fruchtbar zu werden.

Erzieherin ist vor allem die Universalkirche, in der dem Papst die erste Aufgabe als Erzieher der Laien zukommt. Ihm, dem Nachfolger Petri, steht das Amt zu, »die Brüder im Glauben zu stärken«, und allen Gläubigen die wesentlichen Inhalte der christlichen und kirchlichen Berufung und Sendung zu lehren. Nicht allein sein unmittelbares Wort, sondern auch das, was in den verschiedenen Dokumenten der Dikasterien des Heiligen Stuhles weitergegeben wird, muss Gegenstand des bereitwilligen und liebevollen Horchens der Laien sein.

Die eine universelle Kirche ist in den verschiedenen Teilen der Welt in den Teilkirchen präsent. In jeder von ihnen hat der Bischof eine besondere Verantwortung für die Laien. Er muss sie durch die Verkündigung des Wortes, durch die Feier der Eucharistie und der Sakramente, durch die Führung und Inspirierung ihres christlichen Lebens erziehen.

Innerhalb der Teilkirche oder Diözese existiert und wirkt die Pfarrei, die für die unmittelbare persönliche Erziehung und Ausbildung der Laien eine besondere Verantwortung trägt. Weil die Pfarrei leichter in eine unmittelbare Beziehung zu den einzelnen und den Gruppen kommt, ist sie berufen, ihre Glieder zum Hören auf das Wort, zum Dialog mit Gott in der Liturgie und im persönlichen Gebet zu führen und so auf konkretere und umittelbare Weise den Sinn der Gemeinschaft der Kirche und ihrer missionarischen Verantwortung erfahrbar werden zu lassen.

Innerhalb der Pfarreien, besonders wenn sie ein weites und auseinanderliegendes Gebiet decken, können die kleinen kirchlichen Gemeinschaften bei der Erziehung und Ausbildung der Christen eine bedeutende Hilfe leisten. Sie vermögen es, Bewusstsein und Erfahrung der communio und Sendung der Kirche auf greifbare und kapillare Weise zu vermitteln. Wie die Synodenväter es sagten, kann auch eine Katechese nach der Taufe, nach der Art eines Katechumenats von Hilfe sein. Sie soll einige wesentliche Elemente aus dem Ritus der christlichen Einführung für Erwachsene aufnehmen und so dazu beitragen, die immensen außerordentlichen Reichtümer und Verantwortungen der Taufe zu verstehen und zu verwirklichen.<ref> Vgl. Propositio 11. </ref>

Im Rahmen der Erziehung und Ausbildung, die den Laien in Diözese und Pfarrei geboten wird, ist die gegenseitige Hilfe unter den verschiedenen Gliedern der Kirche vor allen für die Erweckung des Sinnes für die communio und die Sendung von besonderer Bedeutung. Die gegenseitige Hilfe enthüllt und verwirklicht zugleich das Geheimnis der Kirche als Mutter und Erzieherin. Priester und Ordensleute müssen den Laien bei ihrer Erziehung und Ausbildung helfen. In diesem Sinn haben die Synodenväter die Priester und Priesteramtskandidaten dazu aufgefordert, »sich sorgfältig darauf vorzubereiten, die Berufung und die Sendung der Laien zu fördern«.<ref> Propositio 40. </ref> Die Laien müssen ihrerseits den Priestern und Ordensleuten auf ihrem geistlichen und pastoralen Weg beistehen.

Andere Erziehungsbereiche

62 Die christliche Familie stellt als »Hauskirche« eine naturgegebene, grundlegende Schule der Glaubenserziehung dar: Vater und Mutter erhalten im Ehesakrament Gnade und Auftrag, sich der christlichen Erziehung ihrer Kinder zu widmen, denen sie die christlichen und menschlichen Werte bezeugen und weitergeben. Wenn sie lernen, die ersten Worte zu sprechen, lernen die Kinder auch, Gott zu loben, dessen Nähe als liebenden, vorsorgenden Vater sie spüren. Wenn sie die ersten Gesten der Liebe lernen, lernen sie, sich anderen gegenüber zu öffnen und den Sinn des menschlichen Lebens in der Hingabe ihrer selbst zu finden.

Das tägliche Leben einer wahrhaft christlichen Familie ist die erste »Erfahrung von Kirche«. Sie findet in der aktiven und verantwortlichen Teilnahme der Kinder an der weiteren Gemeinschaft der Kirche und Gesellschaft eine Bestätigung und Weiterentwicklung. Je mehr Eheleute und christliche Eltern das Bewusstsein haben, als »Hauskirche« am Leben und an der Sendung der Universalkirche teilzunehmen, um so mehr werden die Kinder zum »sentire cum ecclesia« geführt und das Schöne der Hingabe ihrer Kraft für den Dienst am Reich Gottes erfahren.

Die katholischen Schulen und Universitäten sowie die Zentren geistlicher Erneuerung, die sich heute immer mehr verbreiten, sind wichtige Orte der Erziehung und Ausbildung. Wie die Synodenväter es betonten, genügt es im heutigen sozio-kulturellen Kontext, der von einer tiefen kulturellen Umwälzung gezeichnet ist, nicht, dass die christlichen Eltern sich am Leben der Schule beteiligen - was aber immer notwendig und unersetzlich ist. Laien müssen dazu vorbereitet werden, sich dem Werk der Erziehung als einer wahren kirchlichen Sendung zu widmen. »Erziehungsgemeinschaften« aus Eltern, Lehrern Priestern, Ordensleuten und Vertretern von Jugendlichen müssen gebildet und gefördert werden. Damit die Schule ihre Erziehungsaufgabe in der rechten Weise erfüllen kann, sollten die Laien sich verpflichten, auch aufgrund einer entsprechenden bürgerlichen Gesetzgebung, Erziehungsfreiheit von allen zu verlangen und für alle zu fordern.<ref> Vgl. Propositio 44. </ref>

Die Synodenväter richteten an alle Laien, Männer und Frauen, die aus einer sozialen und christlichen Haltung heraus in der Schule und den Erziehungseinrichtungen erzieherische Aufgaben erfüllen, Worte der Anerkennung und Ermutigung.

Sie wiesen zudem darauf hin, dass alle Laien, die in den verschiedenen katholischen oder nicht katholischen Schulen lehren und dozieren, Zeugen des Evangeliums werden müssen: durch das Beispiel ihres Lebens, durch ihre berufliche Kompetenz und Redlichkeit, durch die christliche Ausrichtung ihres Unterrichtes, unbeschadet der Autonomie der verschiedenen Wissenschaften und Disziplinen. Es ist entscheidend, dass die von Laien betriebene wissenschaftliche und technische Forschung sich vom Kriterium des Dienstes am Menschen in der Ganzheit seiner Werte und seiner Rechte bestimmen lässt. Diesen Laien vertraut die Kirche die Aufgabe an, allen die tiefe Beziehung zwischen Glauben und Wissenschaft, zwischen Evangelium und menschlicher Kultur aufzuschließen.<ref> Vgl. Propositio 45. </ref>

»Diese Synode« - so lesen wir in einer Propositio - »appelliert an die prophetische Aufgabe der katholischen Schulen und Universitäten und hebt die Hingabe der Lehrer und Professoren, besonders der vielen Laien hervor, die sich bemühen, in den katholischen Erziehungseinrichtungen Männer und Frauen zu formen, die das »neue Gebot« inkarnieren. Die gemeinsame Präsenz von Priestern, Laien und Ordensleuten bietet den Schülern ein lebendiges Bild der Kirche und die Erkenntnis ihrer Reichtümer (vgl. Kongregation für die Christliche Erziehung, Der Laie als Erzieher, Zeuge des Glaubens in der Schule)«.<ref> Propositio 44. </ref>

Auch die Gruppen, Vereinigungen und Bewegungen haben eine Aufgabe für die Erziehung und Ausbildung der Laien zu erfüllen. Sie können, den jeweiligen Methoden entsprechend, ihren Mitgliedern eine Erziehung und Bildung anbieten, die in ihrer eigenen apostolischen Erfahrung verankert ist. Ferner ist ihnen die Chance gegeben, die Erziehung und Bildung, die ihre Mitglieder von anderen Menschen und Gemeinschaften empfangen, zu integrieren, zu konkretisieren und spezifisch anzuwenden.

Die Erziehung und Ausbildung, die alle einander geben und voneinander empfangen

63 Erziehung und Ausbildung sind kein Privileg einzelner, sondern Pflicht und Recht aller.

Die Synodenväter haben dazu gesagt: »Allen soll die Möglichkeit der Erziehung und Ausbildung gegeben werden, vor allem den Armen, dieselbst für alle anderen Quelle der Erziehung und Ausbildung werden können«. Sie fuhren fort: »Für die Erziehung und Ausbildung sollen geeignete Mittel angewandt werden, die jedem helfen, seine volle menschliche und christliche Berufung zu erfüllen«.<ref> Propositio 41. </ref>

Für eine wahrhaft einflussreiche und effektive Pastoral muss die Erziehung und Ausbildung der Erzieher auch durch geeignete Kurse und Schulen weiterentwickelt werden. Solche, die ihrerseits in der Erziehung und Ausbildung der Laien engagiert sein werden, zu formen, ist eine grundlegende Voraussetzung, um die allgemeine, kapillare Erziehung und Ausbildung der Laien zu gewährleisten.

Bei der Erziehung und Ausbildung ist, einer expliziten Aufforderung der Synodenväter gemäß, der jeweiligen Kultur besondere Aufmerksamkeit zu widmen: »Erziehung und Ausbildung der Laien müssen die menschliche Kultur des jeweiligen Ortes weitgehendst berücksichtigen. Diese trägt nämlich zu dieser Erziehung und Ausbildung bei und bietet Hilfen an, um über die Werte der traditionellen und der modernen Kultur zu urteilen. Auch die verschiedenen Kulturen, die im selben Volk und in einem Land koexistieren, müssen berücksichtigt werden. Die Kirche, die Mutter und Meisterin der Völker ist, muss sich gegebenen falls darum bemühen, die Kultur der Minderheiten, die in großen Ländern leben, zu schützen«.<ref> Propositio 42. </ref>

Bestimmte Überzeugungen sind besonders notwendig und fruchtbar, vor allem die, dass eine wahre, effektive Erziehung und Ausbildung nur dann vermittelt werden kann, wenn jeder selbst die Verantwortung dafür übernimmt und vertieft. Denn Erziehung ist wesentlich »Selbst-Erziehung«.

Ferner ist die Überzeugung wichtig, dass ein jeder von uns zugleich Ziel und Anfang der Erziehung und Ausbildung ist. Je mehr wir erzogen werden, um so mehr empfinden wir die Notwendigkeit, diese Erziehung fortzusetzen und zu vertiefen. Und je mehr wir erzogen und geformt sind, um so mehr werden wir fähig, andere zu formen.

Von besonderer Bedeutung ist das Bewusstsein, dass das Werk der Erziehung und Ausbildung, wenn es auch vernünftigerweise auf die Methoden und Mittel der Humanwissenschaften zurückgreift, seine Wirksamkeit an ihrer Verfügbarkeit für das Wirken Gottes misst: Nur die Rebe, die nicht fürchtet, vom Winzer beschnitten zu werden, bringt für sich selbst und für die anderen mehr Frucht.

Aufruf und Gebet

64 Zum Abschluss dieses postsynodalen Dokumentes erinnere ich noch mal an die Einladung des »Gutsbesitzers«, von dem das Evangelium berichtet: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Man kann sagen, dass die Bedeutung der Synode über die Berufung und Sendung der Laien gerade in diesem Anruf des Herrn Jesus an alle, insbesondere an die Laien, Männer und Frauen, liegt.

Die Arbeiten der Synode waren für alle Teilnehmer eine tiefe geistliche Erfahrung: Die Erfahrung einer Kirche, die im Licht und in der Kraft des Geistes aufgeschlossen zu hören und zu unterscheiden vermag. Der Kirche, die den erneuten Anruf ihres Herrn aufnimmt, um der Welt von heute das Geheimnis der communio und dabei insbesondere den spezifischen kirchlichen Ort und die spezifische Aufgabe der Laien erkennt. Die Frucht dieser Synode, die dieses Apostolische Schreiben auf möglichst lebendige Weise in alle Kirchen auf der weiten Welt hervorbringen möchte, wird bestimmt durch die effektive Aufnahme, die der Anruf des Herrn beim gesamten Volk Gottes und in ihm bei den Laien finden wird.

Darum rufe ich innigst alle und jeden einzelnen, Hirten und Gläubige, auf, nie müde zu werden, das Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zur Kirche wach zu halten, ja immer tiefer in ihrem Geist, in ihrem Herzen und in ihrem Leben zu verwurzeln. Es ist das Bewusstsein, Glieder der Kirche Jesu Christi zu sein, teilzuhaben am Geheimnis seiner communio und an seiner apostolischen und missionarischen Kraft.

Von überaus großer Bedeutung ist es, dass alle Christen sich der außerordentlichen Würde, die ihnen durch die heilige Taufe gewährt wurde, bewusst sind: Durch die Gnade sind wir berufen, geliebte Kinder des Vaters, Christus und seiner Kirche eingegliedert, lebendige und heilige Tempel des Geistes zu werden. Hören wir erneut mit dankbarer Ergriffenheit auf die Worte des Evangelisten Johannes: »Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es« (1 Joh 3, 1).

Diese »Neuheit des Christlichen«, die den Gliedern der Kirche gegeben ist, stellt für alle die Wurzel ihrer Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi sowie ihrer Berufung zur Heiligkeit in der Liebe dar. Für die Laien kommt sie im »Weltcharakter«, der ihnen »eigen ist«, entsprechend zum Ausdruck und zur Verwirklichung.

Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zur Kirche schließt das Bewusstsein der gemeinsamen christlichen Würde und das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum Geheimnis der Kirche als communio ein. Dieses ist ein wesentlicher, entscheidender Aspekt für das Leben und die Sendung der Kirche.

Das Gebet Jesu beim letzten Abendmahl gilt allen und jedem einzelnen: »Ut unum sint!«. Es muss täglich zu einem unverzichtbaren Programm des Lebens und Handelns werden.

Der lebendige Sinn für die communio der Kirche, für die Gabe des Geistes, die unsere gemeinsame Antwort verlangt, wird kostbare Früchte tragen in der Wertschätzung der reichen Vielfalt der Berufungen und Lebenssituationen, der Charismen, Dienste, Aufgaben und Verantwortungen. Es wird zudem Früchte tragen in der überzeugten und willigen Mitarbeit zwischen Gruppen, Vereinigungen und Bewegungen von Laien, in der mitverantwortlichen Erfüllung der gemeinsamen Heilssendung der Kirche. Diese communio als solche ist schon das erste und große Zeichen der Präsenz Christi, des Erlösers, in der Welt: Zugleich fördert und inspiriert sie die unmittelbare apostolische und missionarische Wirksamkeit der Kirche.

An der Schwelle zum dritten Jahrtausend sollte die gesamte Kirche, Hirten und Gläubigen ihre Verantwortung, dem Gebot Christi zu gehorchen, tiefer spüren: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen« (Mk 16, 15). Die Kirche muss ihre missionarische Kraft erneuern. Ihr ist eine anspruchsvolle und herrliche Aufgabe anvertraut, nämlich die einer neuen Evangelisierung, derer die heutige Welt dringend bedarf. Die Laien haben lebendigen und verantwortlichen Anteil an ihr, weil sie berufen sind, durch ihren Dienst, der den Werten und Rechten des Menschen sowie der Gesellschaft gilt, das Evangelium zu verkünden und zu verwirklichen.

Die Bischofssynode, die im Oktobermonat des Marianischen Jahres stattfand, hat ihre Arbeiten in besonderer Weise der Fürbitte Marias, der Mutter des Erlösers anvertraut. Derselben Fürbitte vertraue ich die geistliche Fruchtbarkeit der Ergebnisse der Synode an. Am Schluss dieses postsynodalen Dokumentes rufe ich gemeinsam mit den Synodenvätern und den Laien, die an der Synode teilgenommen haben, und allen anderen Gliedern des Volkes Gottes die Jungfrau Maria an. Der Anruf wird Gebet.

O du allerseligste Jungfrau,

Mutter Christi und Mutter der Kirche,

mit Freude und Bewunderung

stimmen wir ein in dein Magnifikat,

in dein Lied dankbarer Liebe.

Mit dir danken wir Gott,

»dessen Erbarmen von Geschlecht

zu Geschlecht waltet«,

für die wunderbare Berufung

und die vielfältige Sendung der Laien.

Er hat sie berufen,

in einer Gemeinschaft der Liebe

und der Heiligkeit

mit ihm zu leben,

und als Geschwister in der großen Familie

der Kinder Gottes vereint zu sein.

Sie sind gesandt,

das Licht Christi auszustrahlen,

und das Feuer des Geistes

durch ihr Leben im Geist des Evangeliums

in der ganzen Welt zu verbreiten.

Jungfrau des Magnifikat,

erfülle ihre Herzen mit Dankbarkeit

und Begeisterung

für diese Berufung und Sendung.

Die du in Demut und Hochherzigkeit

die »Dienerin des Herrn«

geworden bist,

schenke uns deine Verfügbarkeit

für den Dienst Gottes

und das Heil der Welt.

Öffne unsere Herzen

für die endlosen Weiten

des Reiches Gottes

und der Verkündigung des Evangeliums

an alle Geschöpfe.

Dein Mutterherz

weiß um die vielfältigen Gefahren

und zahlreichen Übel,

die die Männer und Frauen

unserer Zeit bedrohen.

Aber es weiß auch

um die vielen Initiativen des Guten,

um die großen Sehnsüchte nach Werten,

um den Fortschritt auf dem Weg zum Heil.

Mutige Jungfrau,

schenke uns Seelenkraft

und Vertrauen auf Gott,

damit wir alle Hindernisse überwinden,

die sich der Erfüllung

unserer Sendung entgegenstellen.

Lehre uns, die Realitäten der Welt

mit tiefem christlichem

Verantwortungsbewusstsein

zu behandeln, in der frohen Hoffnung

auf die Ankunft des Reiches Gottes,

des neuen Himmels und der neuen Erde.

Die du betend mit den Aposteln

im Coenaculum zusammen warst,

um auf die Ankunft des Pfingstgeistes zu warten,

erflehe, dass er sich erneut

über alle Laien ausgießt,

damit sie ihrer Berufung und Sendung

als Reben des wahren Weinstocks,

die bestellt sind,

für das Leben der Welt reiche Frucht zu tragen,

voll entsprechen.

Jungfrau und Mutter,

führe uns und stütze uns,

damit wir immer als wahre Söhne

und Töchter der Kirche deines Sohnes leben

und so dazu beitragen,

auf Erden die Zivilisation der Wahrheit und Liebe

nach dem Wunsch Gottes

und zu seiner Ehre aufzubauen.

Amen.
Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 30. Dezember,

dem Fest der Heiligen Familie im Jahr 1988,
dem elften meines Pontifikates

Joannes Paulus II.

Anmerkungen

<references />

Weblinks