Caritas Christi, qua fraterne

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Schreiben
Caritas Christi, qua fraterne

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
an die Bischöfe der ganzen Welt
mit Aufruf zum Gebet für die Kirche in China
6. Januar 1982

(Offizieller lateinischer Text: AAS 74 [1982] 390-394)

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1982, S. 847-851 aus: OR 24. Januar 1982)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


"Es bleiben die Kraft des Gebetes und die Flamme der Hoffnung"
Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Die Liebe Christi, die uns brüderlich verbindet, und das Bewusstsein des schweren Amtes, das mir als oberstem Hirten der Gesamtkirche anvertraut wurde, drängen mich, mein Herz zu öffnen, um Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, an meiner tiefen Sorge über die Kirche in China teilnehmen zu lassen, und ich bin sicher, dass viele von Euch inständige Gebete für die lieben Brüder und Schwestern in jener großen Nation zum Vater im Himmel und zu unserem Herrn Jesus Christus, dem Guten Hirten der Seelen, emporsenden. Ich weiß nämlich, dass in verschiedenen Teilen der katholischen Welt Gebetsinitiativen für China eingeleitet worden sind, die aus dem Geist einer tiefen Gemeinschaft und Brüderlichkeit erwachsen, der in Freude und Schmerz die Glieder des mystischen Leibes Christi verbindet und verbinden muß (vgl. 1 Kor 12, 12-30).

Dieses Schreiben fußt auf dem Gebet, das ich unablässig für diesen geliebten Teil seines Volkes an den Allmächtigen richte, und seine Absicht ist es, mit Eurer Hilfe die Katholiken in der ganzen Welt zum Gebet zu bewegen. Wir wissen ja mit Sicherheit, daß der Herr seinen Worten treu ist: "Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet" (Mt 7, 7). Und in der Tat, auch wenn die gewohnten Mittel fehlen, die der Aufrechterhaltung gegenseitiger Beziehungen innerhalb einer Gemeinschaft dienen, bleibt doch immer die Kraft des Gebetes, die die Flamme der Hoffnung nährt, die nicht enttäuscht, dank des Wirkens des Heiligen Geistes, der in uns ist. "So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an - so lehrt uns der hl. Paulus. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können" (Röm 8, 2).

Darum bitte ich Euch zu beten; ich bitte Euch, vereint Euch im Geiste Gottes mit den Söhnen und Töchtern der Katholischen Kirche, die in China leben und zu denen schon seit einigen Jahrzehnten keine sichtbare Verbindung mehr besteht. Durch das Gebet bleiben sie, auch wenn sie jeder äußeren Verbindung mit uns beraubt sind, doch im Herzen der Kirche Christi. Außerdem sollen vom göttlichen Erbarmen durch das Gebet jene Gaben, Erleuchtungen und geistlichen Kräfte erwirkt werden, die die unerläßlichen Voraussetzungen für die Kirche in China schaffen, damit sie sich auch der sichtbaren Einheit mit der Kirche Jesu Christi erfreuen kann, die "eine heilige, katholische und apostolische Kirche" ist. Deshalb ist es die besondere Aufgabe des römischen Stuhles Petri, die Brüder in Wahrheit und Liebe zu vereinigen. Tatsächlich hat der Herr Jesus dem Apostel Petrus aufgetragen, seine Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), denn auf ihn sollte nach dem Willen des Herrn die Kirche gebaut werden (vgl. Mt 16, 18-19). "Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri - wie das Zweite Vatikanische Konzil ausführt - das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen" (Lumen gentium, Nr. 23). Er ist es, der den Episkopat eint und ungeteilt sein läßt (vgl. ebd., Nr. 18). Darum ist die Verbundenheit mit dem Stuhl Petri und seinem apostolischen Dienstamt unerläßliche Vorbedingung, dass jemand an der Einheit mit der großen katholischen Familie teilhaben kann.

Die Sorge um die Kirche in China, von der meine unmittelbaren Vorgänger Pius XII., Johannes XXIII., Paul VI., und Johannes Paul I. stets lebhaft erfüllt waren, ist, wie ich bereits mehrmals und in verschiedener Weise bekundet habe, zu einer besonderen und ständigen Sorge meines Pontifikats geworden. diese Sorge entsteht aus dem Wesen der Katholizität der Kirche selbst, die eine und universal ist, vielfältig in der Verschiedenheit der Völker, aus denen sie sich zusammensetzt, und zugleich ein und dieselbe im Fundament des Glaubens und in der Verbundenheit der Gemeinschaft. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: "In allen Völkern der Erde wohnt dieses Gottesvolk, da es aus ihnen allen seine Bürger nimmt ... Da aber das Reich Christi nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh 8, 36), so entzieht die Kirche oder das Gottesvolk mit der Verwirklichung dieses Reiches nichts dem zeitlichen Wohl irgend eines Volkes. Vielmehr fördert und übernimmt es Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt sie aber auch ... Diese Eigenschaft der Weltweite, die das Gottesvolk auszeichnet, ist Gabe des Herrn selbst" (Lumen gentium, Nr. 13).

Das Konzil fährt in seiner Weisung fort: "Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so dass das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken ... Darum gibt es auch in der kirchlichen Gemeinschaft zu Recht Teilkirchen, die sich eigener Überlieferung erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht (vgl. Ignatius v. A., Ad Rom., Vorrede), die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, dass die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen. Daher bestehen schließlich zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel. Zu dieser Gütergemeinschaft nämlich sind die Glieder des Gottesvolkes berufen, und auch von den Einzelkirchen gelten die Worte des Apostels: ,Dienet einander, jeder mit der Gnadengabe, wie er sie empfangen hat, als gute Verwalter der vielfältigen Gnadengaben Gottes' (1 Petr 4, 10)" (ebd., Nr. 13).

Die römische Kirche wollte stets wie eine Mutter (mit zarter und echter Liebe, wenn auch bisweilen mit menschlichen Fehlern) das Wachstum ihrer Kinder in der ganzen Welt fördern, indem sie dafür Sorge trug, dass es ihnen weder an tüchtigen und erfahrenen Hirten noch an Personal für die Missionsstationen und Hilfsmittel für die Evangelisierung fehle. Sobald aber die Gemeinden in ihrer Entwicklung eine gewisse Reife erlangt hatten, ordnete sie mit Freude an, dass es nunmehr Aufgabe des örtlichen Klerus sei, die eigene Kirche zu leiten, mit der sie die Gemeinschaft des Glaubens und die daraus sich ergebende gemeinsame Disziplin bewahrte. Dass aber in immer größerer Anzahl einheimische Bischöfe in den Bischofskonferenzen der ganzen Welt und auch Prälaten und Bischöfe aus allen Kontinenten an der Römischen Kurie anzutreffen sind, ist ein beredter Beweis für die aufmerksame Sorge, mit welcher die Kirche sich der Arbeit und Mitwirkung ihrer Söhne ohne Unterschied der Herkunft und ohne Verlangen nach Vorherrschaft bedient. Besonders nach dem Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzil wurde den Bischofskonferenzen überdies ein äußerst weiter Raum zugewiesen, um für das Wohl ihrer Gläubigen innerhalb ihres Gebietes tätig sein zu können; sie wissen freilich sehr wohl, daß sie bei irgendwelchen Schwierigkeiten oder im Falle auftretender dringender Bedürfnisse immer auf die Unterstützung, die verständnisvolle Bereitschaft und die Hilfe der römischen Kirche vertrauen können.

Wir haben erfahren, dass unsere Brüder und Schwestern in China in diesen dreißig Jahren bittere und anhaltende Diskriminierungen erleiden mussten. Gerade durch diese bitteren, schmerzlichen Leiden haben sie ihre Treue zu Christus und seiner Kirche unter Beweis gestellt; solche Beweise von Tapferkeit lassen sich in der Tat mit denen der Christen aus den ersten Jahrhunderten der Kirche vergleichen. Welchen Trost bereitet es, Nachrichten zu erhalten über die standhafte, unerschrockene Treue chinesischer Katholiken zum Glauben ihrer Väter und über ihre geradezu kindliche Verbundenheit mit dem Stuhl Petri. All das, was wir zutiefst bewundern, soll uns noch mehr anspornen, ihnen unsere liebevolle Hilfe und die Unterstützung unseres eifrigen Gebetes anzubieten.

Schon seit einiger Zeit finden die Forderungen nach religiöser Freiheit in diesem riesigen Land mehr Anerkennung. Deshalb müssen wir den allmächtigen Gott und Herrn der Völker bitten, dass nach Anwendung der Prinzipien dieser Freiheit unsere chinesischen Brüder und Schwestern sich ungehindert zu ihrem Glauben bekennen können, während sie in der katholischen Einheit der Kirche verbleiben.

Der Apostolische Stuhl versäumt keine Gelegenheit bei dem Versuch, den Katholiken in China zu erkennen zu geben, wie tief sie im Herzen der katholischen Kirche leben, die mit besonderem Interesse und Wohlwollen auf jene großartige Fülle der Traditionen und der Kultur, hoher Humanität und reicher Spiritualität blickt, aus welcher sich das Erbe der großen chinesischen Nation in Geschichte und Gegenwart zusammensetzt: Das alles habe ich in meiner Ansprache in Manila am 18. Februar vergangenen Jahres ausführlich dargelegt. Um dieser Sorge "für alle Kirchen" (2 Kor 11, 28) wegen, die uns verbindet, bitte ich daher Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, inständig, dasselbe zu tun und die Euch anvertrauten Gläubigen aufzufordern, dass sie für und mit ihren chinesischen Brüdern und Schwestern zu Gott beten.

Beten wir also gemeinsam darum, dass sie fest im Glauben bleiben und in tätiger Liebe ausharren. Flehen wir zum Herrn, dass er ihnen die immer lebendigere und freudigere Hoffnung auf ein künftiges Wiedererstehen ihrer Kirche nähren möge und auf ein neues Pfingsten des Geistes, das die Botschaft Christi in jenem geliebten Land wiederum zum Erblühen bringt. Bitten wir den Herrn auch, dass er die Herzen derer bewegt, die von Zweifeln und Furcht heimgesucht werden, und ebenso derjenigen, die damit die Bewahrung des Glaubens, die ihnen einst aufgetragen worden war, aufs Spiel gesetzt haben. Beten wir schließlich zu Gott für das gesamte edle chinesische Volk, dass es immer auf dem Weg der Gerechtigkeit und des echten Fortschritts wandeln möge.

Beten wir aber vor allem mit der Überzeugung des Völkerapostels darum, dass Gott, der "unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können" (Eph 3, 20) "bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führen möge" (vgl. Röm 8, 28).

Vertrauen wir aber unsere flehentlichen Bitten der mächtigen Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria an, die die gläubigen Chinesen mit glühendem Herzen und großem Vertrauen als Königin Chinas anrufen, damit sie von ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, die Fülle der Gnaden und himmlischen Gaben für seine geliebten Söhne und Töchter in China erbitte.

Das bevorstehende chinesische Neujahrsfest (am 25. Januar 1982) bietet mir die willkommene Gelegenheit, wiederum die Liebe und Wertschätzung zu bekunden, die ich für das chinesische Volk empfinde und immer empfunden habe. Zu diesem festlichen Anlass schließe ich mich der Freude aller Mitglieder der großen Familie der Chinesen an, wo immer sie sich aufhalten, und wünsche ihnen allen ein glückliches und friedliches neues Jahr.

Euch erteile ich voll Liebe im Herrn den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 6. Januar 1982, dem Fest der Erscheinung des Herrn,

im vierten Jahr meines Pontifikats.

Johannes Paul II. PP.