Brief vom 30. Juni 1965

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Brief von Kardinal Giacomo Lercaro,

Vorsitzender des "Consilium"
an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen
über die Förderung der liturgischen Erneuerung
30. Juni 1965

(Offizieller Französischer Text: Notitiae 1 (1965) 257-264)

(Quelle: Dokumente zur Erneuerung der Liturgie, Band 1, S 212-220, Randnummern 406-417; EL 79 (1965) 348-354; EV Il, 408-424. Deutscher Text: KA Paderborn 108 (1965) 208-211; BiLi 38 (1964/65) 541-546; HerKorr 19 (1965) 589 f; LJ 15 (1965) 267-271; ÖAKR 17 (1966) 207-212. Der Brief wurde in sechs Hauptsprachen verfasst und vom "Consilium" in französischer Sprache veröffentlicht. )

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1 Die liturgische Erneuerung, die wir zur Zeit erleben, ist ein Ereignis, das uns stärkt und ermutigt, auf dem einmal eingeschlagenen Weg fortzuschreiten. Nicht nur einige "Auserwählte", sondern das ganze heilige Volk Gottes, das sich über die ganze Kirche und die gesamte Menschheit erstreckt, soll in den Strahlungsbereich der vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossenen geistigen Erneuerung kommen.

Bewegten und staunenden Herzens stehen wir vor diesem "neuen Hindurchgang des Heiligen Geistes durch seine Kirche", von dem vor neun Jahren Pius XII. zu den Teilnehmern des ersten internationalen Kongresses für Pastoral-Liturgie in Assisi prophetisch gesprochen hatte. Wir sehen, wie sich die "neue geistliche Erziehungsaufgabe" entwickelt und feste Gestalt annimmt, die der Heilige Vater mehrfach eine der kostbarsten Früchte des Konzils genannt hat. Man darf ruhig sagen, dass das Zweite Vatikanische Konzil in die Geschichte eingehen wird, gekennzeichnet von einer seiner kühnsten Verwirklichungen, indem es der Liturgie ein neues Aussehen gab, das sie noch strahlender und wirksamer machte.

2 Wenn heute ein jeder von uns schlicht und einfach berichten sollte, was sich in den Kirchen der ganzen Welt nach dem 7. März 1965 zugetragen hat, dann hätte er mirabilia Dei zu erzählen. Zeugnis in Fülle davon geben die Berichte über die einzelnen Länder, die in den "Notitiae", der neuen Zeitschrift des Rates für die Liturgiereform, veröffentlicht werden. Es sind zuverlässige Berichte, die gewöhnlich vom Präsidenten oder doch einem kompetenten Mitglied der jeweiligen nationalen Liturgiekommission verfasst sind. In ihrer Klarheit und Kürze zeigen sie, wie die Kirche auf dem ganzen Erdenrund vor einem staunenswerten Frühling steht. Und es ist nicht zu kühn vorherzusehen, dass diese reiche geistige Erneuerung sich allmählich in dem Maße vertiefen wird, in dem die Gläubigen sich ihrer Würde als Volk Gottes bewusst werden und immer tiefer in das Geheimnis der heiligen Liturgie eindringen. Wir dürfen also auf der ganzen Welt, nicht nur in einigen privilegierten Ländern, eine Neublüte des christlichen Lebens und der heroischen Heiligkeit erhoffen, besonders unter den Laien, wenn sie in stets fortschreitenden Kontakt mit den echten Quellen der Gnade kommen.

3 Während das hier Gesagte uns alle, die wir die Werkzeuge dieser "vielfältigen Gnadengaben Gottes" (1 Petr 4,10 - hier angemerkt) für die Seelen sind, nur bestärken kann, müssen wir uns Sorge machen, dass diese Lebensfülle nicht schwächer werde, und der Gnadenstrom, der "die Stadt Gottes erfreut" (Ps 45, 5 - hier angemerkt) sich nicht in elende Rinnsale verlaufe. Das könnte geschehen, wenn im gleichen Augenblick, da die einzige Zentralautorität für die Regelung des Kultes, indem sie ihre Kompetenz allmählich der Peripherie abgibt, nicht verhindern würde, dass bei aller Vielfalt die Einheit der Herzen und der Handlungen in einem höheren Sinne geringer werde.

Weil am klaren Horizont einer wiedergewonnenen liturgischen Lebenskraft einige Wolken nicht aufhören, das strahlende Licht zu verdunkeln, und während in verschiedenen Ländern Studienwochen und Treffen auf nationaler oder diözesaner Ebene stattfinden, um die rechte Anwendung der jüngsten Beschlüsse und liturgischen Dokumente zu gewährleisten, glaubt das "Consilium" den rechten Augenblick gekommen, Ew. Exzellenz und durch Sie allen Bischöfen sowie dem Diözesan- und Ordensklerus Ihres Landes einige Richtlinien zukommen lassen zu müssen, die als Hinweise für eine erfolgreichere und wirksamere liturgische Erneuerung anzusehen sind.

4 1. Die neuen liturgischen Normen sind im Geiste einer gewissen Elastizität geschaffen worden. Sie können an die Umstände angepasst werden und erlauben darum eine größere pastorale Wirksamkeit. Das bedeutet aber nicht, dass nun jeder Priester selbständig vorgehen und nach Belieben die heiligen Riten der Kirche frei ordnen kann. Hier ist an erster Steile darauf zu achten, wem die Kirche diese Anpassung anvertraut hat. In zweiter Linie ist dann aus dem Wortlaut der Verordnungen zu erschließen, wie weit diese Anpassung gehen darf.

5 2. Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass der verstärkte und weiter zu verstärkende "Bruder"- und "Familiensinn", den die Liturgie wachsen und verbreiten lässt - was sicher eines der wertvollsten Ergebnisse der jüngsten Liturgiereform ist nicht das Gespür für das hierarchische Element, das der Liturgie wesensgemäß ist, ersticken kann noch darf. Ist doch dieses hierarchische Element nur ein Widerschein des hierarchischen Wesens der Kirche selbst. Es muss in der harmonischen und disziplinierten Zusammenarbeit des Presbyteriums mit dem Bischof, mit dem in der nationalen Bischofskonferenz zusammengefassten Bischofskollegium und in der Zusammenarbeit aller mit dem Stellvertreter Christi zum Ausdruck kommen. Es ist eine Zusammenarbeit, die nichts von der ständigen Frische und Wirksamkeit einer im ständigen Kontakt mit dem pulsierenden Leben stehenden seelsorglichen Erfahrung wegnimmt, aber unkontrollierte Willkür, ungerechtfertigte Verschiedenheit der Ausdrucksformen und die Gefahr verhindert, dass die Laien ihrerseits, obwohl jetzt stärker am kirchlichen Leben teilhabend, tatsächlich sich weniger echt als "Volk" und "Familie Gottes" fühlen und darüber klagen und murren, wie einst das Volk Israel gegen Moses und Aaron.

Die Einheit darf die Mannigfaltigkeit nicht behindern noch sie ersticken; sie soll vielmehr in der Vielfalt zum Ausdruck kommen. Sie hat aber auch dafür zu sorgen, dass die Mannigfaltigkeit nicht zur Zersplitterung entarte.

Die Kindern angemessene Tugend des christlichen Gehorsams wird als Ausdruck der Liebe auch Band und Unterpfand der Einigung und Einheit sein.

6 3. Es ist bekannt, wie das "Consilium" seit 15 Monaten intensiv in 40 Studiengruppen von Fachleuten und einem gut ausgeglichenen Gremium von 43 Bischöfen, die das Zentrum dieser Institution bilden, an der Arbeit ist. Aber eine allgemeine, aufs Wesentliche und die Fundamente zurückgreifende Reform der Liturgie lässt sich nicht an einem Tage schaffen. Sie verlangt Zeit, Forschungen, Analysen, kritische Beurteilungen. Vor allem verlangt sie Geduld. Ich möchte Ew. Exzellenz bitten, vor allem dem Klerus gegenüber diesen Gedanken zu betonen, damit man doch mit dem individualistischen, verderblichen und wertlosen Experimentieren aufhöre, auf dem Gottes Segen nicht ruhen kann und das darum zum Scheitern verurteilt ist. Es schadet nur der Frömmigkeit des Volkes und dem gesunden, heiligen Werk der Erneuerung. Es beeinträchtigt auch unsere Arbeit. Da es sich nämlich bei diesen Experimenten meist um willkürliche und unüberlegte Initiativen handelt, werfen sie am Ende ein wenig günstiges Licht auf die gesamte Arbeit, die mit Behutsamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Überlegtheit und unter voller Kenntnis der pastoralen Bedürfnisse vorgenommen wird. Diese Arbeit dauert nicht ewig. Wir sind verpflichtet, sie nicht länger als unbedingt notwendig hinauszuziehen. Es soll aber auch niemand mit persönlichen Eingriffen die sicheren und entschiedenen Schritte zur Reform hin durcheinanderbringen.

Jene hingegen, die glauben, sie könnten konstruktive Vorschläge machen, tun uns einen wirklichen Liebesdienst, wenn sie uns ihre Vorschläge unterbreiten. Das "Consilium" wird sie gewissenhaft prüfen. Dann wird die Liturgiereform wirklich das Werk der Gesamtkirche.

7 4. In der jetzigen Übergangszeit bleiben die derzeitigen Rubriken, so weit sie nicht aufgrund offizieller und ausdrücklicher Erklärungen aufgehoben wurden, in voller Kraft bestehen.

Es stehen uns sodann als Handlungsnormen die Liturgiekonstitution, das Motu Proprio vom 25. Januar 1964 und die Instruktion vom 26. Sept. 1964, die von der Ritenkongregation und dem "Consilium" offiziell interpretiert werden, zur Verfügung, dazu die als Gesetz geltenden Bestimmungen der Bischofskonferenzen.

Es ist nicht erlaubt, diese Grenzen zu überschreiten. So ist also niemandem gestattet, Experimente vorzunehmen, es sei denn mit ausdrücklicher Erlaubnis. Das "Consilium" hat noch nie allgemeine Erlaubnisse in diesem Sinne gegeben, und das um so weniger, als die Liturgiekonstitution Experimente auf gut vorbereitete und ausgewählte Kreise beschränkt ansieht, und zwar nur für bestimmte Zeit und unter der Aufsicht der kirchlichen Autorität. Jede Erlaubnis auf diesem Gebiet wird immer schriftlich gegeben und jeweils auch der entsprechenden kirchlichen Autorität mitgeteilt, mit Angabe der Begrenzungen, in denen sich das "Experiment" zu halten hat. Alles also, was im Gegensatz zu diesen gegenwärtig gültigen Gesetzen steht, muss als Privatinitiative und Willkür angesehen werden und wird schon aus diesem Grund von der Liturgiekonstitution und vom "Consilium" verurteilt.

Wenn so einerseits eine Aufforderung geboten ist, innerhalb der Grenzen zu bleiben, die von den echten Gesetzen der Kirche gezogen sind, so ist es anderseits nötig, daran zu erinnern, dass die neuen Richtlinien der Konzilsdokumente und ihrer Ausführungsbestimmungen von allen vollständig verwirklicht werden müssen. In der Tat ist für die kirchliche Erneuerung das unbesonnene Handeln einiger Personen ebenso schädlich wie die Passivität anderer, die aus Unverständnis oder einfachhin aus Trägheit auf der Stelle treten. Der Heilige Vater hat in dieser Hinsicht ein deutliches Wort gesprochen: "Man muss sich dessen bewusst werden, dass mit dem Konzil eine neue geistliche Erziehungsaufgabe entstanden ist. Darin besteht das Neue und Große des Konzils, und wir dürfen nicht zögern, zunächst Schüler und sodann Anhänger der Schule des Gebetes zu werden, die nun begonnen hat. Die Reformen können in liebgewordene und vielleicht ehrwürdige Gewohnheiten eingreifen. Sie können Anstrengungen fordern, die zunächst unangenehm sind. Aber wir müssen gewillt sein, zu lernen, und Vertrauen haben: Der religiöse und geistliche Plan, den die Liturgiekonstitution vor unsern Augen umreißt, ist erstaunlich in der Tiefe und Echtheit der Lehre, in der Rationalität christlicher Logik, in der Reinheit und im Reichtum gottesdienstlicher und künstlerischer Elemente und in der Anpassung an Art und Bedürfnisse des modernen Menschen.

In all dem ist es die Autorität der Kirche, die uns so lehrt und den Wert der Reform bestätigt, im pastoralen Bemühen, in den Herzen den Glauben und die Liebe zu Christus und das religiöse Empfinden unserer Welt zu stärken" (Ansprache bei der allgemeinen Audienz vom 13. Januar 1965).

8 5. Die eucharistische Frömmigkeit ist als "echter Kult, der vom Evangelium und von der theologischen Lehre genährt wird" (vgI. die Homilie des Heiligen Vaters auf dem Eucharistischen Kongress zu Pisa), von der Konstitution über die heilige Liturgie in hohem Maße gewertet worden.

Sie findet ihren höchsten Ausdruck in der Feier des Opfers, das unter dem Vorsitz des Bischofs oder seines Vertreters das in einem einzigen Glauben und in einem einzigen Gebet vereinte Gottesvolk in aktiver Teilnahme um den einen Altar versammelt (vgI. Liturgiekonstitution, Art. 41-42).

Einen besonderen Wert erhält unter den Formen der eucharistischen Feier die vom Konzil in die allgemeine Praxis wiedereingeführte Konzelebration. Sie darf jedoch nicht nur als Mittel gesehen werden, praktische Schwierigkeiten zu überwinden, die sich zuweilen für die Einzelzelebration ergeben. Vielmehr gilt es, ihren wahren lehrmäßigen Wert zu erkennen: die Einheit des Opfers und des Priestertums sowie die Handlungseinheit des ganzen Gottesvolkes zu bekunden und die Frucht der Eucharistie, die wahre Liebe, unter denen zu vermehren, die dieses einzige Opfer feiern.

Es ist daher angebracht, die Konzelebration in allen Fällen zu fordern, in denen sie für die Frömmigkeit der Priester und der Gläubigen vorteilhaft sein kann. Dabei achte man jedoch darauf, dass die Gläubigen durch übertriebene Einschränkung der für sie bestimmten Einzelzelebrationen keinen Schaden erleiden, und dass ferner die Möglichkeit, einzeln zu zelebrieren, für die Priester bestehen bleibt, die es wünschen. Denn die Einzelzelebration, auch die ohne Anwesenheit des Volkes, behält ihre ganze lehrmäßige und aszetische Bedeutung sowie die volle Billigung der Kirche. Man sorge ferner dafür, dass die Konzelebration katechetisch und rituell so vorbereitet und gemäß dem kürzlich veröffentlichten Ritus so würdig und feierlich gehalten wird, wie es nötig ist.

9 6. Seit dem 7. März dieses Jahres besteht eine ganz allgemeine Bewegung für die Feier der heiligen Messe zum Volk hin.

Es steht tatsächlich fest, dass diese Art der Feier vom pastoralen Standpunkt her die vorteilhafteste ist. Dieses an sich gute Verlangen hat jedoch bisweilen zu geschmacklosen, unvernünftigen und gewaltsamen Lösungen geführt. Das "Consilium" hat in privater Form bereits einige Lösungen vorgeschlagen. Sie werden sobald als möglich vervollständigt und dann amtlich bekanntgegeben. Wir möchten jedenfalls betonen, dass es nicht unbedingt notwendig ist für eine fruchtbare pastorale Tätigkeit, die ganze Messe versus populum zu feiern. Der ganze Wortgottesdienst, in dem sich in breiterer Form die aktive Teilnahme des Volkes mittels des Dialoges und des Gesanges verwirklicht, wird bereits zur Gemeinde hin gefeiert und ist heute durch den Gebrauch der Volkssprache viel verständlicher geworden. Es ist bestimmt wünschenswert, dass auch die eigentliche Eucharistiefeier versus populum gefeiert werde, auf dass die Gläubigen unmittelbarer dem ganzen Ritus folgen und darum bewusster an ihm teilnehmen können. Aber deshalb darf man noch nicht auf eine überstürzte, ja bisweilen unüberlegte Umgestaltung der bestehenden Gotteshäuser und Altäre hinarbeiten zum unersetzlichen Schaden von anderen zu erhaltenden Werten.

In neuen Kirchen ist die Errichtung des Altares versus populum zu befürworten. In bereits bestehenden Kirchen kann man das Ziel schrittweise durch günstige, wohl überlegte Anpassungen erreichen, wobei stets alle Werte berücksichtigt werden müssen.

Wenn man es jedoch als nützlich erachtet, zeitweise die provisorische Aufstellung von Notaltären zu gestatten, die die Messfeier zum Volk hin ermöglichen, dann möge man für die Würde und Zierde Sorge tragen, die dem Altar als Opfer- und Speisetisch der heiligen Gottesfamilie zukommen.

10 7. Die Frage des Tabernakels ist mit der Lösung des AItarproblems direkt verbunden. Hierfür bedarf es weniger einer generellen und uniformen Regelung als eines gewissenhaften Studiums der einzelnen Fälle, das die besondere geistige und materielle konkrete Situation in Betracht zieht.

Allmählich werden die Künstler die beste Lösung anraten. Es ist aber Aufgabe der Priester, dabei mitzuhelfen, indem sie jene Prinzipien aufweisen, welche die vor der Eucharistie gebotene Achtung und Ehre sicherstellen. Zu fördern ist die eucharistische Verehrung, die in all jenen echten Formen weiterleben soll, welche die Kirche als Ausdruck wahrer christlicher Frömmigkeit anerkannt hat.

Vor allem für große Kirchen scheint sich eine mit dem Kirchenraum verbundene Kapelle zu empfehlen, die der Aufbewahrung und Anbetung der Eucharistie dient. Diese könnte auch für die Feier der Eucharistie an Werktagen dienen, wenn die Zahl der teilnehmenden Gläubigen geringer ist. Wie auch immer die Lösung ausfallen mag, die aus den von der Instructio Nr. 95 vorgesehenen Möglichkeiten auszuwählen ist, so achte man sorgsam auf die Würde des Tabernakels. Falls dann der Ortsordinarius seine Aufstellung außerhalb des Altares gestattet, soll man ihm einen Platz an einem wirklich vornehmen und hervorragenden Platz der Kirche geben, wo er leicht gesehen werden kann und auch nicht vom Priester während der Feier der heiligen Messe verdeckt wird. Kurz gesagt: es soll möglich sein, dass man unmittelbar das Zeichen und das Gefühl der Gegenwart des Herrn inmitten seines Volkes haben kann.

Darum scheint es angebracht zu sein, kurz auf einige Lösungen hinzuweisen, die entweder nur vorgeschlagen oder auch schon manchmal verwirklicht wurden, aber keine befriedigende Lösung darstellen. Dies sind: Tabernakel, die sich permanent innerhalb der Altarmensa befinden; Tabernakel, die durch einen Mechanismus während der Messfeier versenkt werden können; Tabernakel, die vor dem Altar aufgestellt werden, entweder auf einer niederen Säule, so dass das Tabernakel die Mensa nicht überragt, oder auf einem zweiten, niedriger angeordneten Altar, so dass man praktisch zwei Zelebrationsaltäre hat; endlich Tabernakel, die in der Apsiswand der Kirche eingelassen sind oder auf dem Aufsatz eines schon bestehenden Altares belassen werden, vor dem oder unmittelbar unter dem sich der Sitz des Zelebranten befindet. - Genauere Hinweise bezüglich dieser Frage werden zusammen mit den bereits erwähnten Richtlinien über den Altar erlassen werden.

11 8. In der Ausstattung von Kirchen nach den Erfordernissen der Liturgieerneuerung sind gewisse Übertreibungen bezüglich der Heiligenbilder festzustellen. Von den Kirchen mit ihrem Übermaß an Heiligenbildern und Statuen ist man nun ins andere Extrem verfallen: man macht tabula rasa und wirft alle hinaus. In einigen Kirchen kann man nur mit Mühe ein Heiligenbild entdecken. Und bisweilen geschah all dieses ohne entsprechende Belehrung, was dann eine schädliche Reaktion hervorrief, jedenfalls aber gegen die geistlichen Interessen der Gläubigen war.

Gewiss müssen die Mysterien unserer Erlösung und die eucharistische Handlung im Zentrum der Liturgie stehen; in Übereinstimmung mit diesen und untergeordnet unter sie sowie in vollkommener Übereinstimmung mit der Liturgiekonstitution (Art. 103, 104, 108, 111) bleibt die Verehrung der Jungfrau und Gottesmutter Maria und der Heiligen ein trost- und freudevolles katholisches Dogma.

Erleuchteter und sich an der Kirche orientierender Eifer weiß, dass alles im Gotteshaus seine Sprache hat. Alles spricht den Sinn des "Sakralen" und des Mysteriums aus und muss ihn bewahren.

12 9. Die liturgische Bewegung begann als Privatinitiative von einzelnen Pionieren oder von Ordensgenossenschaften, die oft Auslagen und Opfer nicht scheuten, um die Kenntnis und das Studium der Liturgie in Veröffentlichungen, liturgischen Wochen und anderen Unternehmen zu fördern. Von diesen wurde die Bewegung bis zum Jahre 1947 getragen und geleitet.

Pius XII. unterstellte dann die Bewegung direkt der kirchlichen Hierarchie (Enz. Mediator Dei, Nr. 108).

Das Zweite Vatikanische Konzil verstärkte, ja, man möchte fast sagen, kanonisierte diese Regelung, indem es den Bischofskonferenzen, den Einzelbischöfen und Ordinarien verschiedene Vollmachten zuerkannte, die sich früher der Apostolische Stuhl reserviert hatte. Die daraus zu ziehenden Folgerungen sind sehr wichtig. Die liturgische Bewegung empfing die hohe Anerkennung der Kirche. Die Gruppen, Orden oder Einzelpersonen, die sie förderten, haben sich große Verdienste erworben und unschätzbare Dienste geleistet. Damit aber der von ihnen geförderte geistige Reichtum seine heiligende Wirkung weiter ausübe, muss die Bewegung immer mehr der von der Kirche gezogenen Linie folgen, innerhalb der Formen und Grenzen, die nach dem Urteil der kirchlichen Hierarchie als die günstigsten angesehen werden.

Man bemühe sich also in herzlichem Einverständnis um die beste und fruchtbarste Form einer engen Zusammenarbeit. Kein liturgisches Zentrum dürfte sich heute isolieren oder auch nur am Rand des von der Lehrmeisterin Kirche beschrittenen Weges bleiben.

Die Zeitschriften liturgischer oder pastoraler Prägung sollen eifrig im Studium, in der Forschung, in verständnisvoller und ernstzunehmender Aufschließung der heiligen Liturgie fortfahren; sie sollen aber davon Abstand nehmen, Berichte über Unternehmen und Reformprogramme zu veröffentlichen, die sich offensichtlich gegen die jetzige Gesetzgebung richten oder einen wenig sicheren liturgischen Sinn offenbaren.

Ew. Exzellenz, hochwürdigster Herr! Dies wollte ich Ihnen schreiben, um durch Sie all denen mein Herz zu öffnen - dem gesamten Klerus, den Gruppen unserer Laienorganisationen, besonders der Jugend und den Scharen der Ordensleute -, die in diesem so wichtigen Augenblick mit Eifer und Hingabe arbeiten, damit durch die Liturgie alle Gläubigen intensiver das Christusmysterium leben. Mit diesem Wunsch möchte ich Ihnen brüderlichen und von Herzen kommenden Dank sagen für alles, was Sie unternehmen werden, um diese Leitsätze bekannt zu machen und ihnen gewissenhafte Befolgung zu verschaffen.